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Full text of "Allgemeine Kulturgeschichte versuch einer Geschichte der Menscheit von den ältesten Tagen bis zur Gegenwart"

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HARLES  RICHET 

LLGEMEINE 
URGESCHICHTE 


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RICHET  /  KULTURGESCHICHTE 

ZWEITE  VERBESSERTE  UND  VERMEHRTE  AUFLAGE 

(2.-5.  TAUSEND) 

BAND  I 


ALLGEMEINE 
KULTURGESCHICHTE 

VERSUCH  EINER  GESCHICHTE  DER  MENSCHHEIT 
VON  DEN  ÄLTESTEN  TAGEN  BIS  ZUR  GEGENWART 

VON 

CHARLES   RICHET 


IN  DEUTSCHER  BEARBEITUNG 
MIT  EINLEITUNG  UND   ERLÄUTERNDEN  ANMERKUNGEN    VON 

DR  RUDOLF  BERGER  (BERLIN) 

(KORR.  MITG.  D.  FRANZ.  AKAD.  D.  WISSENSCH.  U.  KÜNSTE  ZU  ARRAS) 


19  2  0 

VERLAG  FÜR  KULTURPOLITIK 

MÜNCHEN-BERLIN 


ALLGEMEINE 
KULTURGESCHICHTE 

VERSUCH  EINER  GESCHICHTE  DER  MENSCHHEIT 
VON  DEN  ÄLTESTEN  TAGEN  BIS  ZUR  GEGENWART 

VON 

CHARLES  RICHET 


BANDI 

VON  DER  URGESCHICHTE  BIS  ZUR 

FRANZÖSISCHEN  REVOLUTION 


1  9         2         0 

VERLAG   FÜR  KULTURPOLITIK 
MÜNCHEN-BERLIN 


Einzig  bereditigte   deutsdie  Bearbeitung 

Alle  Rechte  vorbehalten 

Copyright  1919  by  Verlag  für  Kulturpolitik 

Mündien-Berlin 


I 


Den  Manen  von  Karl  Lamprecht 

(t  11.  Mai  1915) 

„Eine  Weiterentwicklung  der  Kultur-  und  Universalgeschichte  als 
einer  Geschichte  des  menschlichen  Geistes  ist  nicht  bloß  ein  pietät- 
voller Wunsch  aller  Historiker  der  Lamprechtschen  Schule,  sondern 
eine  unbedingte  Forderung  eines  jeden  Forschers,  dem  die  Herstellung 
und  Erhaltung  des  geistigen  Bandes  am  Herzen  liegt,  das  alle 
Wissenschaften  untereinander  verknüpft.  Aus  diesem  Grunde  wird 
man  es  aber  schließlich  auch  gerechtfertigt  finden,  wenn  ein  Nicht- 
historiker,  der  nicht  einmal  in  einer  der  sogenannten  Geisteswissen- 
schaften standesamtlich  eingetragen  ist,  in  dieser  Angelegenheit  das 
Wort   ergreift." 

Dr.   Max  Verworn, 
Professor  der  Physiologie  an  der  Universität  Bonn. 


„Die  Geschichte  soll  die  Lehrerin  der  Menschheit  sein,  und  wenn 
sie  es  nicht  wird,  so  tragen  die  Jugendlehrer  der  Ge- 
schichte   einen    großen    Teil    der    Schuld." 

Johann  Friedrich  Herbart. 


IX 
Vorwort  des  Herausgebers  zur  zweiten  Auflage. 

Nach  kurzer  Zeit  schon  tritt  Charles  Richets  Buch  im  deutschen  Ge- 
wände —  mit  Anmerkungen  stark  bereichert  und  mit  dem  so  unentbehr- 
lichen Sach-  und  Namenregister  versehen  —  in  zweiter  Auflage  vor  die 
Öf fenthchkeit !  Der  unselige  Weltkrieg  ist  jetzt  endUch  üquidiert.  Wie 
wird  es  nun  nach  Löschung  des  Feuerbrandes  und  Zurücklassung  des  euro- 
päischen Trümmerhaufens  mit  der  vom  Verfasser  so  schwungvoll  verkün- 
deten „deutsch-französischen  Versöhnung  und  Freundschaft"  aus  der  einst 
so  hoffnungsvollen  Osterzeit  vom  Jahre  191 4  werden? 

Berlin,   Ostern   1919.  R.  B. 


Einleitung  des  Herausgebers  zur  ersten  Auflage. 

Romain  Rolland,  Henri  Barbusse,  Charles  Riebet, 
lauter  Franzosen,  die  von  der  alten  deutschen  idealistischen  Welt- 
anschauung eines  Schiller  und  Kant  einen  Hauch  verspürt  haben 
und  schon  lange  Jahre  vor  191 4  heiß  bemüht  gewesen  sind,  das  Welt- 
Gebäude  durch  einen  festen  Völkerbund  und  andere  ideelle  und  reale 
Bürgschaften  gegen  den  drohenden  Weltenbrand  feuersicher  zu  machen  I 
Die  ersten  beiden:  Dichter  1  Charles  Riebet*,  der  jüngste  Träger 
des  Nobelpreises  in  Friedenszeiten:  Gelehrter  und  Dichter,  Dichter  und 
Gelehrter;  man  weiß  nicht,  was  von  beiden  er  mehr  ist,  er,  der  offiziell 
die  Professur  der  Physiologie  an  der  Medizinischen  Fakultät  der  Universität 
Paris  bekleidet  und  seinen  wissenschaftlichen  Namen  neben  seinen 
physiologischen  Untersuchungen  seinen  psychologischen  und  kultur- 
historischen Forschungen  verdankt!  Hat  er  doch  als  Gelehrter  wie  als 
Dichter  kein  Werk  veröffentlicht,  das  nicht  sein  doppeltes  Gesicht  zeigte 
und  ihn  in  seinen  beiden  Berufen  offenbarte!  Als  er  im  März  1914  in 
Berlin  und  anderen  deutschen  Städten  vor  einem  großen  Publikum  über 
die  Möglichkeit  einer  freundschaftlichen  Annäherung  zwischen  Frankreich 
und  Deutschland  und  die  Verhütung  des  Weltkrieges  sprach,  ahnte  er  nicht, 
wie  nahe  dieser  sein  sollte,  wenn  er  sich  auch  völlig  darüber  klar  war,  daß 
ernste  Vorkehrungen  geschaffen  werden  müßten,  einen  solchen  furchtbaren 
Weltkrieg  zu  verhüten!  So  zeichnete  er  als  einer  der  ersten  vor  einer 
breiten  Öffenthchkeit  die  internationale  Schiedsgerichtsgesetzgebung,  deren 


*  Für  Charles  Richets  Biographie  vgl.  im  vorliegenden  Buche  S.  530  Anm. 


Durchführung  er  von  der  für  den  März  191 5  in  Aussicht  genommenen 
Dritten  Haager  Konferenz  erwartete!  Doch  das  war  nur  die  eine  Seite  der 
Bekämpfung  aller  Kriegsgelüste  unter  den  Völkern!  Ihm,  der  schon  in 
seinen  preisgekrönten  Fabeln,  die  in  jenen  Märzentagen  unserem  Volke 
im  Gewände  deutscher  Dichtung  vorgelegt  wurden*,  den  „Leit-,  Zeit- 
ünd  Streitfabeln  des  Zwanzigsten  Jahrhunderts",  wie  sie  alsbald  von  der 
Kritik  rühmend  bezeichnet  worden  waren,  den  Krieg  als  die  furchtbarste 
Geißel  des  Menschengeschlechtes  gebrandmarkt  und  den  Frieden  von 
dieser  Seite  aus  zu  verewigen  gestrebt  hatte,  lag  nun  vor  allem  daran, 
rechtzeitig  für  jene  Dritte  Haager  Konferenz  mit  seinem  Wissen  und 
Können  zu  einem  gegenseitigen  Verständnis  unter  den  Völkern  und  damit 
zu  ihrer  gegenseitigen  Verständigung  beizutragen!  Er,  ein  Naturforscher, 
für  den  und  in  dem  sich  aber  Natur-  und  Geisteswissenschaften  unzertrenn- 
lich miteinander  verbinden,  wie  wir  es  heute  nur  noch  ein  einziges  Mal, 
und  zwar  in  entgegengesetzter  Richtung,  bei  einem  Universalisten  der 
Geisteswissenschaften  wie  dem  inzwischen  von  dem  Weltkrieg  verschlun- 
genen Karl  Lamprecht  sahen,  der  sich  für  die  vorliegende  Mensch- 
heitsgeschichte, die  in  jenen  Tagen  Riebet  bereits  im  Manuskript  und 
Fahnendruck  fertig  hatte,  bis  in  seine  letzten  Tage  interessiert  und  die 
Widmung  für  diese  ihre  deutsche  Bearbeitung  angenommen  hat!  Sie  sollte 
in  alle  Sprachen  übersetzt  und  im  März  191 5  der  Völkerversammlung  im 
Haag  vorgelegt  werden!  Doch  wie  anders  ist  es  gekommen!  Nur  die 
deutsche  Bearbeitung  war  bis  Ende  Juli  191 4  im  vollendeten  Manuskript 
und  nahezu  abgeschlossenen  Fahnendruck  fertig!  Da  brach  jener  Welten- 
brand aus,  zu  dessen  Verhütung  diese  Geschichte  der  Menschheit  einen 
wesentlichen  Beitrag  liefern  wollte!  Sollte  es  nun  wirklich  ganz  zwecklos 
sein,  auch  jetzt  noch  dieses  postume  Werk  zu  veröffentlichen?  Nein! 
Einmal  muß  doch  Friede  werden,  und  dann  kommt  es,  wenn  nicht  die 
Kulturwelt  ganz  zugrunde  gehen  soll,  mehr  als  je  auf  ein  gründliches 
Verständnis  und  eine  dauernde  Verständigung  von  Volk  zu  Volk  an!  So 
möge  diese  von  der  Haßflut  der  gegenwärtigen  Katastrophe  verschont 
gebliebene  Menschheitsgeschichte  noch  verspätet  als  Friedensevangelium 
hinausgehen!  Charles  Riebet  aber,  der  französische  Verehrer  jed- 
weden ein  Welt-  oder  Religionsbekenntnis  des  Friedens  verkündenden 
Herolds  und  des  Deutschlands  eines  Schiller  und  L  e  s  s  i  n  g,  eines 
Kant  und  Luther,  möge  durch  sie  zu  einer  „Nachtigall"  jener  ge- 
heiligten Stätte  werden,  an  der  nach  diesem  Erdbeben  dieser  Friede  als 
ein  Frieden  nicht  nur  für  dies  und  das  nächste  Jahrzehnt  und  für  dies 
und   das   nächste   Jahrhundert,   sondern   als   ein    Friede   für   allezeit,    eine 


*  Vgl.  hier  S.  519  Anm. 


XI 

pax  in  saecula,  geschlossen  wird,  mag  dieses  neue  Wittenberg  nun 
der  Haag,  Genf,  Stockholm,  Rom,  Berlin  oder  Paris  heißen! 
Wenn  hier  beim  Heraufziehen  der  neuen  Morgenröte  sich  noch  immer  ein 
Gewitter  in  einem  letzten  Wetterleuchten  entladen  sollte,  als  ob  es  diese 
Morgenröte  aufhalten  zu  wollen  scheine,  dann  möge  die  vorliegende  Mensch- 
heitsgeschichte den  verhandelnden  Völkern  als  ein  Spiegel  vorleuchten,  der 
ihnen  Gegenwart,  Vergangenheit  und  Zukunft  mit  der  Unparteilichkeit 
eines  Tacitus  sine  ira  et  studio  wiedergibt  und  verdeutlicht  und  so  auf 
aller  Gemüter  beruhigend  und  versöhnend  wirkt!  Habent  sua  fata  libelli! 
Hat  dann  auch  dieses  Buch  seit  Anfang  1914  wahrlich  die  mannigfachsten 
Schicksalsstürme  durchlebt,  so  möge  es  doch  an  der  Friedensstätte  sein 
hehres  ideales  Ziel  erreichen :  die  der  Geschichte  der  Mensch- 
heit Vota  Verfasser  gegebene  Mission:  „Freude  dieser  Stadt  bedeute, 
Friede  sei  ihr  erst  Geläute!" 

Berlin,   Ostern   1918.  R.   B. 


Vorwort  des  Verfassers. 

Dieses  Buch,  das  der  Verfasser  aus  vorbedachtem  Plane  heraus  gern 
so  knapp  wie  möglich  gehalten  hätte,  soll  so  gemeinverständlich  wirken, 
daß  es  bisweilen  nicht  anders  als  empfindlich  lückenhaft  sein  kann.  Nie- 
mand weiß  dies  besser  als  er  selbst. 

Gleichwohl  hat  er  vor  der  Aufgabe  nicht  zurückscheuen  zu  dürfen 
geglaubt,  die  großen  weltgeschichtlichen  Ereignisse  wie  geistigen  Be- 
wegungen zu  einem  einheitlichen  Ganzen  zusammenfassen  zu  sollen. 

Die  Welt  geht  heutzutage  mit  einer  so  rasenden  Geschwindigkeit  vor- 
wärts, und  der  wissenschaftliche  Unterrichtsbetrieb  gestaltet  sich  allmählich 
dermaßen  verwickelt,  daß  man  nur  noch  die  Berechtigung  hat,  sich  über 
die  mannigfachen  Einzelheiten  der  Vergangenheit  des  langen  und  breiten 
zu  äußern,  wenn  sie  einige  fruchtbare  Schlüsse  für  die  Fragen  der  Gegen- 
wart zulassen.  Wir  brauchen  uns  nicht  damit  aufzureiben,  alle  in  den 
Annalen  der  Weltgeschichte  mit  Umständlichkeit  berichteten  tragischen 
Erzählungen  für  immer  in  unserm  armen  Gedächtnis  in  ihrem  ganzen 
Umfange  zu  bewahren. 

Gleichwohl  muß  der  Leser  dem  allmählichen  Aufstieg  des  Menschen- 
geschlechts  in   seiner   ungleichmäßigen,   aber   glänzenden   Entwicklung   zu 


XII 

den  Höhen  sozialer,  politischer,  wissenschaftlicher  Wahrheiten,  d.  h.  des 
Kulturfortschritts,  Stufe  für  Stufe  folgen  können. 

An  den  steten   Fortschritt  der   Kultur  aber  glauben  wir  zuversichtlich! 

Bei  alledem  ist  die  Menschheit  noch  sehr  jung.  Es  gibt  überhaupt 
etwa  erst  seit  zehn  Jahrtausenden  Gemeinschaften,  seit  drei  Jahr- 
tausenden Denker  und  gar  erst  seit  nicht  mehr  als  drei  Jahrhunderten 
—  Gelehrte.  Die  Jugend  des  Menschen  steht  also  noch  auf  einer  aller- 
ersten Kinderstufe.  Anstatt,  wie  wir  es  doch  meist  sind,  über  die  Lang- 
samkeit in  der  Entwicklung  der  menschlichen  Gemeinschaften  entrüstet 
ztu  sein,  müßte  uns  vielmehr  ideren  rasende  Geschwindigkeit  blenden. 

Der  Glaube  an  den  Fortschritt,  an  den  Fortschritt  durch  die  Hilfe  der 
Wissenschaft,  er  ist  es,  der  auch  den  Verfasser  zu  dem  vorliegenden  Buche 
begeistert  hat.  Bei  all  dieser  Begeisterung  hat  er  versucht,  wahrhaftig 
zu  bleiben:  immer  völlig  unparteiisch  sein  zu  können,  ist  er  nicht  an- 
maßend genug,  sich  einzubilden.  Auch  kann  Unparteilichkeit  sehr  leicht 
zum  sträflichen  Fehler  werden,  wenn  sie  nämlich  nicht  so  mutig  ist, 
zwi schein  Recht  und  Unrecht,  Freiheit  und  Knechtschaft,  Frieden  und 
Krieg,  Wissen  und  Unwissenheit  die  ausschlaggebende  Entscheidung  zu 
treffen.  C.   R. 


XIII 


Inhalts-Übersicht  des  I.  Bandes 

Vorwort  des  Herausgebers  zur  2.  Auflage 
Einleitung  des  Herausgebers  zur  i.  Auflage 
Vorwort    des   Verfassers  .... 

Erstes  Buch:  URGESCHICHTE       . 
Zweites  Buch:  AGyPTEN  UND  ORIENT 

§  I.  Ägypten        .... 

§  2.  Die    Chaldäer    und    die    ältesten    Assy 

§  3.  Die  Hebräer 

§  4.  Die  Phönizier 

§  5.  Das    Zweite   assyrische    Reich 

§  6.  Die   Meder   und   Perser 

Drittes  Buch:  HELLAS        . 

Griechische  Literatur  und  Kunst,  Philosophie  und  Wissen 
Schaft  (43—48) 

Viertes  Buch:  ROM 

Römische  Literatur  und  Kunst,  Philosophie  und  Wissen- 
schaft (82 — 85,  92 — 93) 

Fünftes  Buch:  DIE  KIRCHE 

Islam     110 — 116.      Französische     Literatur     118 — ^141,     147  — 148. 
Mittelalterliche     Baukunst     141  — 142.      Englische     und     deutsche 
.Literatur  (Nibelungenlied)   147.    Italienische  Literatur  und  Kunst 
148 — 150.     Erfindung    der    Buchdruckerkunst    153 — 154. 

Sechstes  Buch:  DAS  KÖNIGTUM  (1450-1789)      .  . 

Älteste  spanische  Literatur  (Cid)  156.  Entdeckungsreisen  158  bis 
167.  Renaissance  170 — 171.  Italienische  Kunst  171  — 172.  Re- 
formation 178 — 188.  Englische,  französische,  niederländische  Re- 
naissanceliteratur (Thomas  Morus,  Erasmus,  Rabelais)  183  bis 
184.  Spanische  dramatische  und  satirische  Literatur  (Lope  de  Vega, 
Calderon,  Cervantes)  203 — 204.  Englische  dramatische  Literatur 
(Shakespeare)  205 — 206.  Niederländische  Wissenschaft  und  Kunst 
231 — 232.  Französische  klassische  Literatur  247 — 249.  Franzö- 
sische Kunst  unter  Ludwig  XIV.  250.  Deutsche,  englische,  nieder- 
ländische Wissenschaft  dieser  Zeit  (Leibniz,  Newton,  Huyghens) 
250 — 251.  Bayle  und  Locke  273.  Enzyklopädie  274.  Aufklärungs- 
literatur des  18.  Jahrhunderts  in  Frankreich  (Voltaire,  Montes- 
quieu, Rousseau),  England  (Swift,  de  Foe,  Gibbon),  Deutschland 
(Lessing),  Italien  (Beccaria)  273 — 276.  Entstehung  der  großen 
Nordamerikanischen  Republik  280 — 283. 


Seite 
IX 
IX 
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155 


Bandl 


ErstesBuch. 

Urgeschichte. 

Wir  wissen  niemals  etwas  vom  Ursprung  der  Dinge.  Mag  es  sich  um 
die  Sonnenwelt  handeln,  um  unsern  Erdplaneten,  um  die  Pflanzen-  oder 
Tierarten,  wir  sind  für  die  Entstehung  jedes  Dinges  auf  Vermuttmgen 
angewiesen.  Höchstens  steht  es  frei,  sich  zu  denken,  daß  zur  Zeit  der  Er- 
kaltung der  Erde  lebende  Gebilde  auf  ihr  zum  Vorscheine  kamen,  um 
sich  zu  vervielfältigen,  sich  in  einer  allmählichen  Entwicklung  zu  vervoll- 
kommnen bis  zu  schließlicher  Erreichung  der  Menschengestalt.  Aber 
es  hat  dazu  ohne  Zweifel  Tausender  von  Jahrhunderten  bedurft. 

Eine  Aufzeichnung  der  Geschichte  einer  menschlichen  Gesellschaft  be- 
ginnt erst  etwa  sechstausend  Jahre  vor  der  christlichen  Zeitrechnung  mit 
den  ersten  Dynastien  der  ägyptischen  Könige,  deren  Denkmäler  und  In- 
schriften uns  von  der  Vergangenheit  berichten.  Aber  lange  vor  dieser  fernen 
Zeit  war  schon  der  Mensch  mit  den  wesentlichen  Merkmalen  seiner  Art 
in  die  Erscheinung  getreten,  und  man  findet  in  allen  fünf  Erdteilen  unter 
Totengebeinen  Spuren  einer  gewissen  Industrie,  die  erlauben,  sich  das 
Dasein  der  Urmenschen  anschaulicher  vorzustellen.  Es  ist  die  sogenannte 
vorgeschichtliche  Zeit,  die  man  vielleicht  mit  Unrecht  so  bezeichnet;  denn 
man  findet  darüber  zwar  weder  geschriebene  Urkunden  noch  Inschriften, 
die  es  ermöglichen  würden,  für  sie  irgendein  auch  nur  annähernd  be- 
stimmtes Datum  anzusetzen;  aber  alle  Zeugnisse  von  solchen  einstigen 
menschlichen  Daseinsformen  sind  doch  auch  in  gewissem  Sinne  nichts 
anderes  als  ein  Stück  Geschichte. 

Die  ersten  Spuren  menschlichen  Daseins  bestehen  in  Geräten  aus  nur 
roh  zugehauenem  Feuerstein  und  sind  in  sogenannten  O  o  1  i  t  h  f  o  r  - 
mationen  zu  finden  (älteste  Steinzeit).  Dann  kommen  in  den  p  a  l  ä  o  - 
lithischen  Formationen  ein  paar  seltene  Knochenreste  und  ein  paar 
rohe  Werkzeuge  vor.  Die  Totengebeine  sind  charakteristisch.  Die  Schä- 
del dieser  Urmenschen  sind  denen  der  tiefststehenden  Wilden  der  Gegen- 
wart nahezu  gleich.  Die  Werkzeuge  anderseits,  die  weit  zahlreicher  als  die 
Totengebeine  vorhanden  sind,  bestehen  aus  (kernartig)  zugehauenem  Feuer- 
stein. 

Dank  diesen  behauenen  Feuersteinen  kann  man  sich  ungefähr  vorstellen, 
1  Riebet,  Geschichte  der  Menschheit 


2  Erstes  Buch. 

wie  unsere  Urväter  lebten.  Sie  nährten  sich  von  Wurzeln  und  von  Wild- 
bret, durch  Jagd  und  Fischfang;  denn  es  finden  sich  aus  jener  Zeit  zu 
Harpunen,  Pfeilen,  Äxten  verarbeitete  Feuersteine. 

In  der  mittleren  Steinzeit  kannten  sie  schon  die  Kunst,  Feuer  zu 
machen;  denn  man  findet  in  ihren  damaligen  Höhlen  Aschenhaufen.  Aber 
sie  verstanden  noch  immer  nicht,  sei  es  ein  Haus  zu  bauen,  sei  es  den 
Hund  zu  zähmen  oder  das  Land  zu  bestellen. 

In  der  fortgeschritteneren  Steinzeit  pflegten  sich  unsere  Voreltern  zum 
Schutze  vor  Kälte  bereits  mit  ungeschickt  zusammengenähten  Tierfellen 
zu  bedecken.  Ja,  sie  dachten  sogar  schon  daran,  sich  zu  putzen,  und  suchten 
zu  diesem  Zwecke  Muschelschalen,  die  ihnen  als  Schmuckgegenstände  dienen 
mußten.  Sicher  ist,  daß  sie  sich  in  gewissen  Gegenden  den  Leib  mit  ver- 
schiedenen Arten  roten  Tons  tätowierten,  zu  deren  Auffindung  sie  häufig 
erst  weite  Strecken  zurücklegten. 

Auch  hatten  sie  damals  schon  gelernt,  durch  Einschnitte  in  Renntier- 
geweih oder  Knochen  von  den  Tieren,  die  sie  auf  der  Jagd  erlegten,  Ab- 
bildungen von  bisweilen  erstaunlicher  Treue  herzustellen.  Man  hat  in 
den  Höhlen  aus  vorgeschichtlicher  Zeit  auf  den  Wänden  der  Grotten  eine 
große  Zahl  geschnitzter,  gezeichneter  oder  auch  gemalter  Figuren  wieder- 
gefunden. Diese  eingemeißelten  Zeichnungen,  deren  Echtheit  also  nicht 
in  Frage  zu  stellen  ist,  sind  nicht  bloß  durch  das  Alter  dieser  ersten  künst- 
lerischen Bemühungen,  sondern  auch  noch  ganz  besonders  dadurch  an- 
ziehend, daß  sie  uns  belehren,  daß  die  Menschen  dieses  uralten  paläo- 
lithischen  Abschnitts  noch  Zeitgenossen  einer  heute  bereits  teilweise  aus- 
gestorbenen Fauna  gewesen  sind,  des  Mammuts  und  des  Höhlenbären, 

Das  ist  ungefähr  alles,  was  man  über  den  Steinzeitmenschen  Sicheres 
weiß.  Es  ist  nicht  ganz  gewiß,  ob  vielleicht  schon  in  der  damaligen  Zeit 
Masseneinfälle  oder  wohl  gar  schon  Völkerwanderungen  vorgekommen 
sind,  obgleich  ja  bei  Jägervölkern  doch  wahrscheinlich  ein  Nomaden- 
leben anzunehmen  ist.  In  jedem  Falle  gab  es  eine  Reihe  verschieden- 
artiger Menschenstämme,  die  über  die  ganze  Erde  zerstreut  lebten;  denn 
man  findet  behauene  Feuersteine  ebensogut  in  der  alten  wie  in  der  neuen 
Welt.  Doch,  in  so  vielen  verschiedenen  Gegenden  man  auch  von  Menschen- 
hand bearbeiteten  Feuersteinen  begegnen  mag,  wissen  wir  gleichwohl 
keineswegs,  ob  diese  Spuren  des  Urmenschen  auf  zweihundert  oder  bloß 
auf  zwanzig  oder  vielleicht  auch  nur  auf  ein  einziges  Jahrtausend  zurück- 
weisen mögen.  Haben  sie  einen  einheitlichen  oder  besonderen 
Ursprung?  Bestand  schon  eine  Sprache?  Eine  Ständeordnung?  Sind  die 
Feuersteine  Asiens,  Afrikas,  Amerikas,  Europas  alle  aus  derselben  Epoche 


Urgeschichte.  3 

oder,  wie  es  wohl  wahrscheinlicher  ist,  aus  ganz  getrennten?  Wir  können 
dieselben  jedenfalls  nicht  zeitlich  genauer  bestimmen.  Alles,  was  wir  auf 
Grund  der  Tatsache  vermuten  können,  daß  sich  in  denselben  Grotten 
Knochen  von  Menschen,  Renntieren  und  Mammuts  fanden,  ist,  daß  der- 
einst jedenfalls  das  Klima  der  verschiedenen  Länder  kälter  war  als  das 
gegenwärtige  an  den  entsprechenden  Stellen  (die  Eiszeit  der  Geologen). 

Ein  stets  gefährdetes  Dasein,  ein  wildes  Leben,  ein  beständiger  Kampf 
mit  den  Elementen  und  den  Tieren  zwangen  die  ersten  Menschen,  ihre 
noch  so  wenig  verfeinerten  Waffen  und  Werkzeuge  immer  mehr  zu  ver- 
vollkommnen. 

Gehen  wir  nun  von  dem  paläolithischen  zu  dem  neolithischen 
Abschnitt  (jüngere  Steinzeit)  über,  so  sehen  wir  nach  einer  Periode  des 
Niedergangs  in  der  Steinbehauung,  wie  die  Bearbeitung  der  Silexe  nun 
allmählich  immer  weitere  Fortschritte  macht.  Jetzt  sind  sie  bereits  ge- 
glättet und  mit  der  Feile  so  scharf  abgeschliffen,  daß  sie  richtig  schneiden. 
Gewisse  Steine  von  Beilform,  die  beim  Gebrauch  auf  hölzerne  Schafte  ge- 
steckt wurden,  entwickelten  sich  zu  furchtbaren  Waffen. 

Und  nun  eröffnen  sich  weitere  Felder  der  Betätigung.  Man  sieht  auf 
dem  Wasser  menschliche  Wohnstätten  erstehen,  die  von  Holzpfeilern 
getragen  werden  (Pfahlbauten).  Erhabene  Baudenkmäler  aus  riesigen  Stei- 
nen (Megalithen),  wie  die  bretonischen  Dolmens,  werden  errichtet  als 
Grabstätten  für  die  Toten.  Auch  kennt  der  Mensch  schon  die  Kunst,  den 
Ton  zu  brennen  zur  Anfertigung  seines  Geschirrs.  Vor  allem  gelingt  es 
ihm  auch  jetzt  schon,  einige  Tiere  zu  zähmen:  den  Hund,  den  Hammel, 
das  Pferd,  das  Schwein,  und  nun,  wo  er  Behausung  und  Herden  hat,  wird 
er  seßhaft  und  tritt  zu  Familien,  Stämmen,  ja  beinahe  schon  zu  Völkern 
zusammen. 

Alle  diese  aus  so  früher  Urzeit  stammenden  Zeugnisse  über  das  Leben 
der  Menschen  des  jüngeren  Steinzeitalters  werden  einzig  und  allein  von 
den  verschiedenen  Gegenständen  geliefert,  die  man,  sei  es  in  den  Dolmens, 
sei  es  in  den  Anschwemmungen  jüngeren  Ursprungs,  gefunden  hat. 

Es  heißt  immer,  daß  Stämme,  die  der  europäischen  Menschheit  des 
älteren  Steinzeitalters  an  Bildung  überlegen  waren,  aus  dem  an  Menschen 
so  überreichen  Asien  herübergekommen  seien,  um  uns  den  Getreidebau, 
die  Weberei  gewisser  Stoffe  und  die  Zähmung  des  Hundes  zu  bringen; 
doch  ist  das  keineswegs  völlig  erwiesen. 

Nach  dem  Zeitalter  des  geschliffenen  Steins  kommen  nun  Epochen 
mit  einer  bereits  vöUig  fertigen  Industrie  zum  Vorschein.  Die  Menschen 
haben  gelernt,  das  Kupfer  zu  bearbeiten  und  weiter  dann  Legierungen 
1* 


Erstes  Buch. 


von  Kupfer  und  Zinn  herzustellen  (Bronzezeitalter).  Später  haben  sie 
noch  das  Eisen  entdeckt  und  es  sogar  so  weit  gebracht,  es  zu  schmieden. 
Jede  dieser  neuen  Industrien,  die  der  Mensch  der  Natur  so  mühsam  ab- 
gerungen hatte,  hob  auch  zugleich  seine  physischen  und  geistigen  Kräfte 
und  entfernte  ihn  damit  immer  mehr  von  dem  Zustande  des  Tieres. 

Wir  können  auch  nicht  mit  einem  Scheine  von  Bestimmtheit  die  Dauer 
dieses  Kindesalters  des  Menschengeschlechts  ab3,chätzen.  Zweifellos  war 
'der  Mensch  in  gewissen  Gegenden,  z.  B.  im  nördlichen  Europa,  noch 
^mmer  in  derii  Bronze-  oder  in  dem  Eisenzeitalter,  als  andere  Menschen, 
die  sich  schneller  entwickelt  hatten,  bereits  eine  Geschichte  besaßen.  Auch 
in  der  heutigen  Welt  sehen  wir  wieder  ganz  ebenso  recht  tiefstehende  wilde 
Völker  neben  den  allerzivilisiertesten  leben,  so  7^  B.  die  Lappen,  die 
Hottentotten,  die  Tasmanier,  die  Afrikaneger,  die  Patagonier.  Gerade 
so  waren  auch  schon  zu  Ende  der  jüngeren  Steinzeit  sich  deutlich  von- 
einander unterscheidende  Zivilisationen  hervorgetreten,  und  es  gab  Bar- 
baren wie  Halbbarbaren. 

Vielleicht  haben  verschiedene  Gruppen  von  Menschen  dicht  neben- 
einander gelebt,  wie  man  noch  in  unseren  Tagen  Volksstämme  kennen 
lernt,  die  sich  meisterlich  auf  Viehzucht  verstehen  und  die  ganz  in  der 
Nähe  von  unzivilisierteren  Völkerschaften  wohnen,  die  weder  etwas  von 
dem  Getreidebau  noch  von  der  so  segensreichen  Unterwerfung  der  Haus- 
tiere wissen.  Man  findet  in  den  so  außerordentlich  voneinander  abwei- 
chenden Sitten  der  heutigen  wilden  Stämme  noch  die  verschiedenen  so- 
zialen Gebilde  wieder,  die  in  der  menschlichen  Gesellschaft  dereinst  in  den 
grauen  Tagen  der  Vorgeschichte  bestanden  haben. 

Damals  erst,  also  in  der  Eisenzeit,  sind  von  Mittelasien  her  aus  den 
großen  Gebirgsländern  oder  auch  aus  der  mesopotamischen  Tiefebene 
nahezu  völlig  zivilisierte  Volksstämme,  die  dort  langsam,  aber  stetig  eine 
immer  höhere  Entwicklung  genommen  hatten,  nun  schon  eine  zusammen- 
gesetzte Sprache  besaßen  und  bereits  Industrien  erfunden  hatten,  nach 
Ägypten  und  Chaldäa  ausgewandert,  um  dort  die  ältesten  Gemeinschaften 
zu  gründen,  mit  der  sich  zum  erstenmal  die  Geschichte  bekannt  zu  machen 
hat. 

Dieser  von  allem  bisherigen  so  grundverschiedene  ganz  neuartige  Fort- 
schritt läßt  sich  wohl  nicht  einem  bloßen  Zufall  zuschreiben.  Er  ist  wohl 
nur  der  Überlegenheit  des  Genies  zu  verdanken.  Der  Zufall  schafft  nichts 
Endgültiges;  der  Zufall  zieht  sich  nicht  über  fünfundzwanzig  Jahrhunderte 
hin :  Wettläufer  erreichen  nicht  alle  in  einem  und  demselben  Augenblicke 
das  Ziel  auf  der  Rennbahn;  die  einen  sind  schneller,  die  andern  langsamer, 


Urgeschichte.  5 

und  es  drängt  sich  der  Schluß  auf,  daß  die  Wettläufer,  die  zuerst  an- 
kommen, stärker  und  geschickter  als  die  Nachzügler  sind. 

So  möchte  man  auf  den  allerersten  Blick  an  die  geistige  Überlegenheit 
der  Ägypter  und  der  Chaldäer,  also  von  Semiten*,  glauben,  die  bei  ihrer 
rascheren  Entwicklung  den  andern  Menschen  in  ddr  .Weltkultur  voraus- 
gegangen sind.  Aber  diese  Beurteilung  wäre  irrig;  denn  sie  setzt  voraus, 
daß  die  verschiedenen  Menschenrassen  zu  gleichör  Zeit  entstanden  sind. 
Nun  ist  nichts  weniger  wahrscheinlich  als  die  gleichzeitige  Entstehung  der 
verschiedenen  Rassen,  Zahlreiche  Beweise  linguistischer,  archäologischer 
und  anatomischer  Natur  scheinen  festzustellen,  daß  die  Weißen  arischer 
Abkunft  die  auf  unserem  Planeten  zuletzt  Angekommenen  sind,  wahr- 
scheinlich, weil  ihre  Rasse  sich  vorher  noch  nicht  durch  eine  glückhche 
Auslese  aus  den  Gebilden  der  Urmenschheit  entwickelt  hatte. 

Ägypter,  Gelbe,  Neger,  all  diese  Rassen,  die  den  heutigen  Europäern 
vorausgegangen  sind,  hätten  zu  demselben  Ziele  wie  die  Weißen  gelangen 
müssen,  wenn  sie  es  gekonnt  hätten.  Aber  sie  konnten  ee  nicht.  Und  da 
sie  sich  nicht  weiterentwickelt  haben,  da  sich  ihre  geistige  Fähigkeit  nicht 
mit  der  Zeit  verfeinert  hat,  sind  sie  bei  den  Schranken  stehen  geblieben, 
die  ihnen  die  Grenzen  dieser  ihrer  geistigen  Fähigkeit  zogen.  Ihre  ge- 
sellschaftliche Höhe  spiegelt  ihre  geistige  wieder.  In  fünfzig  Jahrhun- 
derten haben  doch  wohl  Neger,  Semiten  und  auch  Gelbe  reichlich  Zeit 
gehabt,  ihre  Proben  zu  bestehen.  Die  Geschichte  ist  dazu  da,  um  ims 
diese  zu  offenbaren,  und  die  Geschichte  lehrt  uns,  daß  die  Höhe  der 
Leistungen  bei  den  verschiedenen  Menschenrassen  eine  verschiedene  ist; 
ja  diese  Verschiedenheit  gibt  sogar  eine  Möglichkeit,  sie  untereinander  ab- 
zuteilen. 

Das  geistige  Leben  des  vorgeschichtlichen  Menschen  ist  uns  völlig 
unbekannt.  Eigentlich  muß  es  doch  wohl  noch  damals  tief  unter  dem 
gewisser  wilder  Stämme  der  Gegenwart,  wie  z.  B.  der  Tasmanier,  gestanden 
haben,  die  nicht  das  Land  zu  bebauen  verstehen  und  nur  behauene  Feuer- 
steine nach  Art  derjenigen  aus  der  jüngeren  Steinzeit  als  Werkzeuge  und 
Waffen  haben. 

Aber  der  Zustand  der  Wildheit  ist  ein  wirksames  Mittel  für  die  Aus- 
lese. Die  Urmenschen,  die  mit  ihrem  entblößten  Körper  allen  Unbilden 
der  Witterung  ausgesetzt  waren,  die  sich  ihre  Nahrung  mübgam  von  weit- 
her holen  mußten,  und  die  zu  ihrem  Schutze  vor  ihren  überall  auf  der 
Lauer  liegenden  Feinden  weder  den  gewaltigen  Rachen  des  Wolfes  noch 

*  Die  Urchaldäer  oder  Sumerer  gelten  als  Nichtsemiten.    Vgl.  hier  S.  15  Anm. 


Erstes  Buch.    Urgeschichte. 


die  Kralle  des  Tigers^  noch  die  Behendigkeit  des  Affen,  noch  den  schnellen 
Lauf  des  Hirsches  hatten,  haben  wohl  die  Unzulänglichkeit  ihrer  natür- 
lichen Waffen  durch  die  Mittel  ihres  Verstandes  ergänzen  müssen.  Der 
Verstand  hat  es  ihnen  allein  ermöglicht,  sich  zu  verteidigen  und  damit 
zu  leben.  So  haben  unter  ihnen  nur  die  am  Leben  bleiben  können,  die 
die  geschicktesten,  die  scharfsinnigsten  und  die  vorsichtigsten  waren.  Nun 
ist  in  unserer  polizeilich  geschützten  und  verfeinerten  heutigen  Gesell- 
schaft das  Leben  so  leicht  geworden,  daß  es  gar  nicht  einer  beständigen 
'Anstrengung  bedarf,  um  am  Leben  zu  bleiben.  Die  Mittelmäßigen  werden 
geschützt  und  haben  folglich  das  Recht,  mittelmäßig  zu  bleiben.  So  wächst 
in  der  modernen  Gesellschaft  die  geistige  Fähigkeit  des  Menschen  nicht 
mehr,  soweit  sie  umgekehrt  nicht  gar  entartet,  während  hingegen  in  der 
Urmenschheit  ein  vorzeitiger  Tod  die  Schwachen  unbarmherzig  ausrottete 
und  nur  die  Starken  am  Leben  ließ. 

Die  heutige  Gesellschaft  wird  also  zu  dem  großen  Grundsatze  der 
Auslese  zurückkehren  müssen,  wenn  sie  nicht  den  abgestumpften  Verstand 
ganz  erlöschen  lassen  will.  Die  Macht  des  Menschengeschlechts  ist  der 
Verstand,  und  nur  den  harten  Kämpfen  unserer  Urväter  mit  Hunger, 
Kälte  und  wilden  Tieren  ist  der  Verstand  der  weißen  Rasse  zu  verdanken. 


Zweites  Buch.     Ägypten  und  Orient. 


ZweitesBuch. 

Ägypten  und  der  Orient. 

§  I.  Ägypten. 

Ägypten  ist  ein  nicht  allzu  schmaler,  von  den  Wassern  des  Nils  befruch- 
teter Landstreifen.  Über  die  wenigen  Kilometer  rechts  und  links  von 
den  Ufern  dieses  Stromes  hinaus  dehnt  sich  weit  nur  noch  ein  von  der 
prallen  Sonne  ausgedörrter  Wüstensand  dahin.  Aber  jene  langgestreckte 
Oase  ist  von  einem  unvergleichlichen  Reichtum.  In  nur  ein  paar  Monaten 
gibt  das  Getreide  einen  derartigen  Ertrag,  daß  man  im  Jahre  zwei-  bis 
dreimal  ernten  kann.  Das  Klima  ist,  wenn  auch  sehr  heiß,  trocken  und 
gesund.    Der  Lebensunterhalt  ist  bequem  und  leicht  zu  gewinnen. 

Jedes  Jahr  überschwemmt  der  Nil  die  Fluren  von  neuem  mit  der  von 
ihm  mitgeführten  Erde,  die  er  von  den  Talufem  von  Darfur,  Abessinien 
und  Äthiopien  abgespült  hat,  und  verbreitet  damit  jenen  Schlamm,  der 
Ägypten  die  Fruchtbarkeit  bringt.  Das  ganze  Ägypterland  ist,  wie  schon 
der  alte  Herodot  sagt,  eine  Gabe  des  Nils. 

Bevor  der  Nil  das  Mittelmeer,  in  das  eir  sich  ergießt,  erreicht,  teilt 
er  sich,  um  ein  breites  Delta  zu  bilden,  in  ein  Dreieck,  dessen  Grundlinie 
das  Mittelmeer  und  dessen  Spitze  die  Stadt  Kairo  bildet.  Dieses  Delta 
verdankt  seine  Entstehung  den  von  den  Hochwassern  des  Nils  allmähUch 
angeschwemmten  Sandmassen,  und  ohne  Zweifel  war  dieses  Dreieck 
dereinst  noch  nicht  da.  Es  war  noch  ein  mittelländischer  Meerbusen  von 
sehr  niedrigem  Wasserstande,  der  geradezu  ein  Sumpf  zu  nennen  war. 
Aber  in  dem  Augenblicke,  der  die  geschichtliche  Zeit  eröffnet,  d.  h.  vor 
siebenlausend  Jahren,  war  bereits  der  größte  Teil  der  Länder  des  Delta 
daraus  emporgestiegen.  Es  war  Unterägypten  schon  damals,  wie  noch 
heute,   die  fruchtbarste  imd  volkreichste  Gegend  des  Landes. 

Die  Geschichte  der  alten.  Ägypter  ist  hinreichend  bekannt,  weil  ihre 
Totenverehrung  und  ihre  Anbringung  von  Inschriften  und  Aufstellung 
von  Gegenständen  in  den  Grüften  es  den  zeitgenössischen  Gelehrten  er- 
möglicht hat,  die  ganze  Vergangenheit  wiederaufzubauen.  Es  ist  gelungen, 
die    ältesten    Hieroglyphen   zu    entziffern.     Es    handelt    sich    um   eine    ur- 


ö  Zweites  Buch. 


sprüngliche  Bilderschrift,  in  der  die  Schriftzeichen  bald  einen  Begriff, 
bald  einen  Laut  bezeichneten,  der  zu  dem  ursprünglichen  Begriff  irgend- 
welche Beziehung  hatte.  Dank  einer  dreifachen  Niederschrift  des  gleichen 
Textes  auf  Griechisch,  auf  Koptisch,  d.  h.  in  der  ägyptis.chen  Umgangs- 
sprache, und  in  ägyptischer  Hieroglyphensprache  vermochte  der  Franzos-e 
Champollion  im  Jahre  1832  die  berühmte  Inschrift  von  Rosette  zu  ent- 
ziffern und  damit  den  'Hieroglyphen  ihre  letzten  Geheimnisse  zu  ent- 
reißen. 

Um  auf  Grabdenkmälern,  auf  Leichensteinen  Namen,  Ereignisse  und 
allerlei  Satzungen  aufzuzeichnen,  muß  sich  eine  menschliche  Gemeinschaft 
fechon  einer  außerordentlichen  Bildungsstufe  erfreuen.  Das  ägyptische 
Volk,  wie  es  uns  die  ersten  Inschriften  zeigen,  ist  in  seiner  Entwicklung 
schon  sehr  weit  vorgeschritten.  Es  bildet  eine  iWelt  für  sich,  in  der  man, 
wenn  auch  erst  andeutungsweise,  schon  alle  jene  Erscheinungen  hervor- 
treten sieht,  die  sechs  bis  sieben  Jahrtausende  später  die  moderne  Welt 
ausmachen  sollten. 

So  alt  die.  ägyptische  Geschichte  nun  auch  sein  mag,  muß  sie  doch 
sicher  in  gleicher  iWeise  wie  die  der  andern  Völker  ein  äußerst  langes, 
doch  ebenso  unbekanntes  vorgeschichtliches  Zeitalter  gehabt  haben.  Einer 
allgemeinen  Annahme  zufolge  sind  Wandervölker,  die  aus  Asien  kamen 
und  sich  einer  semitischen  Sprache  bedienten,  über  die  Meerenge  von 
Suez  gegangen,  um  sich  längs  der  beiden  Ufer  des  Nils  niederzulassen  und 
mit  einem  eingeborenen  Stamme  zu  verschmelzen.  Man  hat  zahlreiche 
Spuren  jener  Urmenschen  wiedergefunden.  Aber  das  ist  alles  nur  Hypo- 
these. Behaupten  kann  man  allein,  daß  es  Jahrhunderte  und  Jahrhunderte 
bedurft  hat,  ehe  die  hohe  Bildung  der  Ägypter  der  ersten  Dynastie  erreicht 
wurde. 

Diese  kannten  bereits  den  Bau  von  Korn,  sowohl  Gerste  wie  Hirse. 
Sie  hatten  bereits  den  Hund  und  den  Esel  (doch  noch  nicht  das  Pferd) 
gezähmt.  Rindvieh  diente  schon  damals  zur  Pflugarbeit,  Hirten  trieben 
Schweine-,  Hammel-  und  Ziegenherden  auf  die  Weide, 

Doch  waren  schon  die  ersten  Ägypter  keine  Nomaden.  Sie  bewohnten 
niedrige  Häuser  aus  gebrannten  Ziegeln,  geklopfter  Lehmerde  und  ge- 
flochtenem Schilfrohr,  Ihre  Hauptwerkzeuge  waren  behauene  Kiesel  (Mes- 
ser, Beile),  Mühlsteine  für  das  Getreide,  Mörser,  Gefäße  aus  getrock- 
netem Ton,  die  sich  durch  Schlichtheit  und  Schmucklosigkeit  auszeichneten. 
Die  Frauen  hatten  schon  Geschmeide,  Arm-  oder  Halsbänder  aus  harten 
Kernen,  Muschelschalen  oder  Kieseln,  Männer  und  Frauen  schminkten 
sich.  Als  Kleider  dienten  Tierfelle  für  die  Häuptlinge  und  fürs  Volk  leinene 


Äg>'pten  und  Orient. 


Tücher.  Für  die  Jagd,  den  Fischfang  und  auch  zweifellos  für  den  Krieg 
verstärkten  oder  ergänzten  .Waffen  aus  Bronze  oder  Eisen  die  früheren 
aus  Kiesel.  Sie  verstanden  schon  die  Nahrungsmittel  zu  kochen,  das  Ge- 
treide zu  mahlen  und  das  Getreidemehl  zunächst  zu  kneten  und  dann  im 
Ofen  zu  backen,  bis  sie  richtiges  Brot  erhielten. 

Die  Holz-  oder  Steindarstellungen,  die  die  Züge  jener  ältesten  Menschen 
wiedergeben,  beweisen  uns,  daß  dieser  Stamm  in  den  sechstausend  Jahren, 
die  er  schon  besteht,  keine  wesentliche  Änderung  erfahren  hat.  Der  heutige 
Fellah,  der  die  Anstürme  von  Äthiopiern,  Assyrem,  Persern,  Griechen, 
Römern.  Türken,  Engländern  im'  Laufe  der  Jahrhunderte  über  sich  ergehen 
lassen  und  sich  der  Herrschaft  von  ihnen  allen  der  Reihe  nach  .unterwerfen 
mußte,  ist  gleichwohl  selbst  in  dem  Zustande  geblieben,  wie  er  schon  iur 
Zeit  seiner  ersten  Könige  war.  Der  Mensch  hat  sich  nicht  fortentwickelt, 
und  seine  Bildung  hat  in  der  gleichen  Unwandelbarkeit  verharrt  wie  er 
selbst.  Es  sind  immer  noch  dieselben  ackerbautreibenden,  leichtgläubigen, 
geduldigen,  unempfindlichen,  friedliebenden,  den  alten  Sitten  und  Ge- 
bräuchen treuen  Arbeiter,  die  noch  heute,  wie  einst,  mit  denselben  ur- 
sprünglichen Gerätschaften  pflügen  und  noch  immer  denselben  beschränk- 
ten Gesichtskreis  und  dieselbe  zufriedene  Seele  haben. 

Sic  ließen  sich  widerstandslos  das  fremde  Joch  gefallen  und  unter- 
warfen sich,  in  eine  ebenso  rührige  wie  lässige  Passivität  eingelullt,  sehr 
mächtigen  und  gewalthaberischen  Königen,  die  sie  zu  riesenhaften  Arbeiten 
heranzogen,  Arbeiten,  die,  gleichviel,  ob  sie  höchst  unfruchtbar  oder 
höchst  segensreich  waren,  jedenfalls  für  alle  Zeiten  die  höchste  Bewun- 
derung erregen  müssen.  In  der  langen  Geschichte  Ägyptens  ist  kaum 
eine  Umwälzung  oder  ein  Aufruhr  zu  erwähnen.  Keine  Völkerschaft  hat 
sich  jemals  so  leicht  lenken  lassen  wie  diese. 

Die  Religion  riß  alles  an  sich  und  erdrückte  sie,  weniger  durch  ihre 
erhabene  Größe  als  durch  die  Vielfältigkeit  ihrer  Kulte.  Alles  war  Gott 
außer  Gott  selbst.  Die  Tiere,  schädliche  wie  nützliche,  waren  Götter: 
das  Krokodil  wie  der  Apisstier,  der  Schakal  wie  der  .Widder,  der  'Bock 
wie  der  Sperber.  Der  Nil  war  ein  Gott.  Die  Sonne  war  ein  Gott.  Dieses 
kindliche  Volk,  das  nichts  von  den  außerordenthchen  wie  auch  nichts  von 
den  ganz  gewöhnlichen  Kräften  verstand,  die  in  seiner  Umgebung  walten, 
stellte  sich  ganz  einfach  vor,  daß  diese  unbekannten  Erscheinungen  mehr 
oder  weniger  nach  seinem  Ebenbilde,  an  Macht  aber  ihm  weit  überlegen 
seien,  und  dachte  sie  sich  infolgedessen  als  Gottheiten.  In  dieser  anthro- 
pomorphen  Weise  erscheint  den  meisten  Menschen,  den  Ägyptern  von 
einst  wie   ja  noch  so  manchen  Europäern  von  heute,  die  göttliche  Person- 


lo  Zweites  Buch. 


lichkeit  als  eine  Persönlichkeit  von  einer  ganz  menschenähnlichen  und  doch 
übermenschlichen  Geistestätigkeit,  von  einer  Riesenkraft,  die  nichts  aufzu- 
halten vermag,  und  von  einem  durchbohrenden  Blicke,  dem  sich  nichts  ent- 
ziehen kann. 

Es  wäre  jedoch  nicht  richtig,  sich  die  Religion  der  Ägypter  afuf  .die  An- 
betung der  Tiere  beschränkt  zu  denken.  Gewiß,  sie  haben  die  tierköpfigen 
Götterbilder  ins  Unendliche  vermehrt  (Köpfe  von  Affen,  Krokodilen, 
Ibissen,  Sperbern,  Schakalen).  Gewiß,  sie  haben  um  den  in  einem  mehr 
als  königlichen  riesenhaften  Bau  prächtig  wohnenden  Apisstier  feierliche 
Umzüge  gemacht.  Aber  sie  haben  auch  schon  eine  etwas  weniger  grobe 
religiöse  Metaphysik  erfunden.  Der  Mensch  hat  ein  solches  Grauen  vor 
dem  Tode,  daß  er  es  nicht  wagt,  sich  dazu  zu  bekennen,  daß  mit  dem 
[Tode  alles  aufhören  soll  und  sich  gern  das  vorstellt,  was  er  erhofft.  Die 
■  Ägypter  glaubten  an  die  Metempsychose,  an  die  Wiederfleischwerdung,  an 
die  Seelenwanderung,  an  etwas  wie  Hölle  und  Paradies. 

iWenn  nun  aber  der  Tod  gar  kein  Tod  ist,  so  muß  man  für  den  Ver- 
storbenen mit  so  kostspieligem  Aufwand  als  möglich  die  .ganze  Einrichtung 
beschaffen,  deren  er  sich  im  Leben  bediente,  muß  ihm  also  in  seiner  Gruft 
nicht  nur  ein  Standbild  in  lebenswahrer  Darstellung  setzen,  .sondern  auch 
noch  die  Bildnisse  seiner  Frau,  seiner  Kinder,  seiner  iDiener,  seiner 
Bäcker,  seiner  Mundschenken,  seiner  Schreiber,  seiner  treuen  Hunde  hin- 
zufügen. Man  häufte  in  den  Grüften  der  Großen  und  Reichen  ihre 
Kleinodien,  Waffen,  kostbaren  Gefäße  und  Figuren  an;  ja  sogar  in  die 
der  Armen  brachte  man  in  frommer  Liebe  Kuchen,  Brote,  Früchte,  Speisen 
und  Stoffe.  Die  große  Furcht  der  Ägypter  bestand  nämlich  darin,  daß  der 
Tote,  zur  Mumie  geworden  und  in  die  Gruft  überführt,  nicht,  wenn  er  wie- 
der aufwachen  würde,  alles,  was  einst  den  Reiz  seines  Daseins  ausgemacht 
halte,  so  bequem,  um  es  mit  der  Hand  zu  erreichen,  wiederfinden  könnte: 
seine  Speisen,  seine  Liebhabereien,  seine  Spiele  und  seine  Ehren. 

Diesem  Totenkultus  haben  wir  es  also  zu  verdanken,  wenn  wir  die  Ge- 
schichte des  alten  Ägyptens  so  genau  kennen.  Diese  sorgfältig  versie- 
gelten, in  einen  trocknen  Sandboden  eingelassenen  Grabstätten  haben 
weder  die  Stürme  der  Revolutionen  noch  die  Unbilden  des  Wetters  jemals 
zu  fürchten  brauchen.  Die  friedliche  Bevölkerung  achtet  sie,  und  ein 
unbewölkter  und  regenloser  Himmel  behütet  sie  eifersüchtig.  Um  die 
Vergangenheit  von  neuem  ins  Leben  zurückzurufen,  genügt  es,  sie  aus  dem 
sie  bedeckenden  und  schützenden  Sande  ans  Tageslicht  zu  ziehen.  So 
gräbt  man  über  fünftausend  Jahre  alte  Mumien  aus,  die  fast  noch  lebend, 
ja  noch  ganz  jugendlich  aussehen  und  von  allem,  was  ihnen  einst  teuer 


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Ägypten  und  Orient.  1 1 


war,  umgeben  sind.  Das  alte  Ägypten  scheint  in  der  Tat  verstanden  zu 
haben,  seinen  Kindern  jene  UnsterbHchkeit,  auf  die  es  so  viel  Hoffnung 
gesetzt  hatte,  zu  geben,  wenn  auch  in  etwas  anderer  Weise,  als  es  sie  sich 
dereinst  gedacht  hatte. 

Man  teilt  die  Geschichte  der  alten  Ägypter  in  einzelne  Perioden  nach 
den  verschiedenen  Königsgeschlechtern,  die  bei  ihnen  aufeinander  gefolgt 
sind  und  deren  es  nicht  weniger  als  sechsundzwanzig  gegeben  hat. 

Ganz  von  den  Gedanken  an  das  zukünftige  Leben  erfüllt  und  stets 
darauf  bedacht,  auch  nach  ihrem  Verscheiden  Paläste  wie  dereinst  zu 
finden,  die  der  Bedeutung  ihrer  hohen  Persönlichkeit  angemessen  waren, 
ließen  sich  die  Könige  Grüfte  erbauen,  die  die  der  großen  Masse  an  Aus- 
dehnung und  Pracht  entsprechend  überboten.  Könige  der  vierten  Dynastie, 
Cheops,  Chephren,  Mykerinos,  haben  sich  die  Pyramiden  aufrichten  lassen, 
Riesenbauwerke,  die  bestimmt  waren,  ihnen  als  Grabstätten  zu  dienen. 
Die  größte  Pyramide  ist  die  des  Cheops.  Sie  ist  144  m  hoch,  ein  so 
unermeßliches  Steinungeheuer,  wie  man  es  kaum  für  möglich  halten  sollte. 
Tausende  und  Abertausende  von  Arbeitern  haben  ihr  Leben  damit  hin- 
gebracht, diese  riesigen  Blöcke  nach  einer  wunderbaren  geometrischen 
Ordnung  aufeinanderzutürmen.  Der  vom  Anblick  der  Pyramiden  voll- 
kommen überwältigte  Tourist  kann  sich  gleichwohl  kaum  eine  anschauliche 
Vorstellung  machen,  welche  furchtbare  Arbeit  in  diesem  steinernen  Berge 
steckt.  Ein  ganzes  großes  Volk  hat  zwanzig  Jahre  lang  an  nichts  anderm 
als  an  diesem  Werk  arbeiten  müssen.  Man  kennt  von  Cheops  kaum  sonst 
etwas  als  seine  Pyramide;  aber  wohl  nie  hat  unter  den  Menschenkindern 
jemand  von  seiner  irdischen  Laufbahn  eine  so  lebendige,  zugleich  erliabene 
wie  wahnsinnige  sichtbare  Spur  hinterlassen. 

Die  Sklaverei  eines  zahllosen  und  unterwürfigen  Volkes  ermöglichte 
die  Errichtung  unermeßlicher  Bauten  und  riesenhafter  Standbilder.  Die 
Bauten  waren  für  die  Verstorbenen,  die  Standbilder  füjr  die  Götter.  In 
tmmittelbarer  Nähe  der  Pyramiden  erhebt  sich  eine  gewaltige  Sphinx,  der 
Gott  Harmakis,  19  m  hoch,  aber  noch  heute  so  mit  Sand  bedeckt,  daß 
nur  der  Kopf  daraus  hervorragt,  ein  eigentümliches  Werk  von  einer  ge- 
heimnisvollen und  beinahe  tragischen  Schönheit,  das  das  älteste  aller 
Menschenwerke  ist,  ist  es  doch,  allem  Anschein  nach,  noch  vor  den  Königen 
der  ersten  Dynastie  ausgeführt  worden. 

Da,  wo  dereinst  das  große  Theben  in  Oberägypten  an  den  Ufern  des 
Nils  in  seinem  Glanz  erstrahlte,  sind  heute  nur  noch  Schutthaufen  zu  sehen. 
Aber  die  übriggebliebenen  Trümmer  des  Tempels  von  Karnak  haben  den 
ganzen  Zauber  ihrer  dereinstigen  Erhabenheit  bewahrt.    Säulen  von  60  m 


12  Zweites  Buch. 


Höhe,  ganz  und  gar  aus  Granit,  Obelisken,  Säle,  die  gleichfalls  45  m  hoch 
sind,  Pylone  von  15  m  Dicke,  unermeßliche  steinerne  Straßen,  auf  denen 
sich  ebenso  unermeßliche  Standbilder  in  endloser  Folge  aneinanderreihen, 
all  das  geht  über  die  uns  geläufigen  Ausdehnungen  iW  einem  für  u'ns 
geradezu  unfaßbaren  Maße  hinaus.  So  schön  diese  altehrwürdige  Archi- 
tektur sein  mag,  sie  ist  doch  bei  alledem  mehr  furchtbar  als  schön.  Es 
ist  einfach  unbegreiflich,  wie  jene  alten  Völker  diese  ungeheuren  Granit- 
massen zu  bewältigen  verstanden  haben,  deren  bloßes  Fortschaffen  unsere 
modernen  Industrien  in  Verlegenheit  setzen  könnte. 

In  der  Geschichte  des  alten  Ägyptens  gibt  es  nichts,  was  nicht  Er- 
staunen hervorriefe.  Die  Architektur  ist  gewaltig,  die  Denkmalskunst 
auserlesen  (wenigstens  bisweilen).  Schon  zur  Zeit  der  ersten  Dynastie 
findet  man  in  den  Sarkophagen  Figuren,  die  nach  ihrer  Modellierung, 
Vollkommenheit  und  sorgfältigen  Ausführimg  in  den  Einzelheiten,  ja  fast 
nach  ihrer  künstlerischen  Begeisterung  den  Vergleich  mit  den  Meister- 
werken der  griechischen  Kunst  nicht  allzusehr  zu  scheuen  brauchen.  So 
hatte  schon  seit  den  frühesten  Zeiten  der  Mensch  durch  Bearbeitung  des 
Holzes  und  Granits  Werke  der  Bildhauerkunst  geschaffen,  die  bereits  allen 
späteren  an  die  Seite  zu  stellen  waren,  die  er  noch  jemals  in  dem  ganzen 
Verlaufe  seines  langen  Lebensepos  zustande  bringen  sollte. 

Die  Astronomie  war  den  Ägyptern  auch  nicht  unbekannt.  Sie  hatten, 
ebenso  wie  die  Chinesen  *,  die  Dauer  des  Sonnenjahres  genau  festgesetzt 
und  ein  Verzeichnis  der  Sterne  aufgestellt.  Der  Bau  der  Pyramiden  offen- 
bart kosmographische  und  geometrische  Begriffe,  die  schon  ziemlich  weit 
vorgeschritten  sind. 

Der  Bücher  über  Heilkunde  gibt  es  viele,  die  aber  alle  noch  recht 
kindlich  sind;  ist  doch  unter  den  Naturwissenschaften  die  Heilkunde  eine 
solche,  die  sich  lange,  länger  als  alle  andern,  mit  den  läppischsten  Kimst- 
stückchen  verschiedenster  Art  abgequält  hat.  In  der  Literatur,  die  sehr 
reich  war,  nehmen  die  geschichtlichen  Werke  die  wichtigste  Stelle  ein. 
Zur  Zeit  des  Menes,  des  Begründers  der  ersten  Dynastie,  gab  es  sogar 
schon  öffentliche  ßüchersammlungen. 

So  erscheint  uns  denn  wohl  diese  ganze  frühägyptische  Bildung,  die 
älteste  der  Welt,  als  bereits  sehr  entwickelt  und  vielseitig.  Diese  mehrere 
Jahrtausende  von  uns  getrennte  Gesellschaft  ist  schon  iti  jener  Zeit  so 
vollkommen,  daß  sie  ganz  gewiß  durch  die  Anstrengung  einer  endlosen 

*  Vgl.  Wilhelm  Foerster  in  seinem  geistestiefen  und  gründlichen  astronomiehisto- 
rischen Beitrage  zur  Geschichte  der  Weltharmonik.  Deutsche  Revue,  herausgeg. 
v.  Richard  Fleischer,  Stuttgart  1918,  S.-Abdr.,  S.  3,  4,  6. 


Ägypten  und  Orient.  13 


Reihe  von  Geschlechtern  auch  schon  damals  vorbereitet  sein  mußte.  Das 
Kulturwerk  der  Ägypter  verdient  unsere  volle  Bewunderung,  aber  das 
ihrer  unbekannten  und  unbeachteten  Vorgänger,  die  den  Menschen  aus 
der  Barbarei  befreit  haben,  verdient  sie  in  noch  weit  höherem  Maße.  Zwar 
kennen  wir  die  Geschichte  dieser  letzteren  nicht,  doch  können  wir  mit 
Sicherheit  von  einer  langen  Blüte  und  sogar  von  einem  glänzenden  Geiste 
derselben  sprechen.  Das  Alter  des  Menschen  geht  also  weit  über  das  hinaus, 
das  man  lange,  ja  noch  ganz  kürzlich  vermutete,  wenn  sogar  bereits  fünf- 
tausend Jahre  vor  Christo  einer  äußerst  gelehrten  und  vollkommen  nach 
Ständen  gegliederten  Gesellschaft  möglich  geworden  war,  sich  einzurichten. 
Die  normannischen  Seeräuber,  die  vor  kaum  neunhundert  Jahren  die 
Küsten  Europas  brandschatzten,  waren  noch  Wilde  im  Vergleich  mit  den 
Ägyptern  der  ersten  Dynastie. 

Warum  sind  nun  die  Ägypter,  wie  die  chinesischen  Völker,  nach  Er- 
reichung dieser  Bildungshöhe  drei  Jahrtausende  lang  stehen  geblieben, 
ohne  irgendwelche  Fortschritte  zu  machen?  Warum  hat  dann  die  ägyp- 
tische Kultur  zu  ihrer  Vervollkommnung  erst  zunächst  von  den  Phöniziern 
und  weiter  von  den  Griechen  aufgegriffen  und  umgestaltet  werden  müssen? 
Welches  Hindernis  stand  ihrer  Entwicklung  entgegen?  War  es  die  Sklaverei 
unter  der  Willkürherrschaft  eigenmächtiger  und  selbstherrlicher  Könige? 
War  es  die  eigenartige  Sonderstellung  einer  so  verwickelten  Sprache  imd 
so  wunderlichen  Schrift?  War  es  eine  Ohnmacht,  die  jenem  Stamme  von 
vornherein  angeboren  war,  der  plötzlich  auf  jede  Weiterentwicklung  und 
jeden  Fortschritt  verzichtete?  So  viel  ist  sicher,  daß  vierundeinhalb 
Jahrtausend  bis  zur  persischen  Eroberung^  also  vom  Jahre  5000  bis  zum 
Jahre  527,  das  unabhängige  und  von  seinen  Königen  regierte  Ägypten 
sich  stets  beinahe  gleich  geblieben  ist. 

Der  erste  König  der  ersten  Dynastie,  Menes,  ist  eine  halb  sagenhafte 
Gestalt,  doch  ist  seine  Grabstätte  gefunden  worden.  Er  gründete  die 
Stadt  Memphis,  die  er  gegen  die  Überschwemmung  des  Nil  durch  den 
Bau  eines  gewaltigen  Dammes  schützte. 

Hierauf  folgen  sich  in  ununterbrochener  Reihe  Könige,  deren  Namen 
wie  Taten  uns  sämtUch  bewahrt  sind.  Bei  der  Thronbesteigung  der  dritten 
(oder  vierten  ?)  Dynastie  ist  bereits  Memphis  zur  Hauptstadt  erhoben 
worden.  Cheops,  Chephren,  Mykerinos  bauen  die  Pyramiden.  Ganz 
Ägypten  ist  ihrer  Herrschaft  unterworfen  (Memphitische  Dynastien). 

Seit  der  elften  Dynastie  (um  das  Jahr  3000)  bekommt  die  Stadt  Theben 
in  Oberägypten  das  Übergewicht  und  wird  nunmehr  die  Hauptstadt.  Unter 
den  Königen  der  elften  und  zumal  der  zwölften  Dynastie  wurde  das  von 


l4  Zweites  Buch. 


schwarzen  Stämmen  bewohnte  Nubierland  unterworfen  und  dazu  noch  die 
an  Kupferbergwerken  reiche  Halbinsel  Sinai.  Der  Tempel  zu  Klarnak 
stammt  aus  dieser  Zeit.  Große  Arbeiten  zur  Regulierung  der  fortwährenden 
Nilüberschwemmungen  werden  ausgeführt.  Nicht  zu  zählen  sind  die  Kunst- 
werke, Bildsäulen  und  Denkmäler.  Es  ist  die  Zeit  der  großen  Blüte 
Ägyptens. 

Bisher  waren  die  Ägypter  eigentlich  weder  angegriffen  worden  noch 
auch  selber  Angreifende  gewesen.  Aber  unter  den  Königen  der  vierzehnten 
Dynastie  (der  thebanischen)  drang  ein  sehr  wildes  semitisches  Volk,  das 
aus  Turkestan  oder  von  den  Ufern  des  Schwarzen  Meeres  herkam, 
nachdem  es  Chaldäa  unter  sein  Joch  gebeugt  hatte,  in  Ägypten  ein,  und 
seine  Anführer,  die  Könige  der  Hyksos  (d.  h,  Hirten,  eine  nur  scheinbar 
harmlose  Bezeichnung,  unter  der  sie  in  Wahrheit  ihr  Räuberhandwerk 
verbargen),  zwangen  sein  jäh  erschrecktes  Volk  in  ihre  Gewaltherrschaft, 
^^t^giejDlünderten  und  verheerten  alles.    Anstatt  als  Sieger  nun  die  Besiegten 

^"^^l  ganz  in  sich  aufzunehmen,  gingen  sie  vielmehr  mit  der  Länge  der  Zeit 
völlig  in  sie  unter,  derart,  daß  die  Hyksos-Könige,  die  Ägypten  sechs 
Jahrhunderte  lang  (vom  Jahre  2200  bis  etwa  zum  Jahre  1600)  beherrschten, 
schließlich  nicht  viel  anders  regierten  als  die  alten  Pharaonen. 

'  (r^A^  Sie  hatten  sich  in  Memphis  niedergelassen,  aber  um  das  Jahr  1 600 
wurden  sie  nach  langen  Kriegen  von  den  Statthaltern  der  thebanischen 
Provinz  aus  Ägypten  verjagt.  Einer  von  ihnen,  Ahmose  (Amasis),  eroberte 
ganz  Ägypten  zurück  und  gründete  nun  die  achtzehnte  Dynastie, 

Unter  dieser  erlangte  Ägypten  die  alte  Blüte  wieder.  Dieses  ursprünglich 
so  friedfertige  Volk,  das  erst  der  Bürgerkrieg  zu  einem  kriegerischen  ge- 
macht hatte,  wurde  jetzt  auch  selber  ein  Eroberervolk.  Nubien  v/urde 
nunmehr  endgültig  erobert,  nicht  anders  Syrien  und  Chaldäa.  Die  Tempel  . 
von  Karnak  wurden  erweitert.  Prachtbauten  und  Riesensäulen  (die  des 
Memnon)   erstanden. 

Die  Könige  der  neunzehnten  Dynastie,  Sethoose  (oder  Seturi,  der  Se- 
sostris  der  Griechen)  und  sein  Sohn  Ramses,  waren  mächtige  Herrscher 
(um  das  Jahr  1400).  Sie  dehnten  ihre  Macht  über  Libyen  und  ganz  Nubien 
und  Äthiopien  aus;  sie  brandschatzten  Syrien,  Kleinasien,  Baktrien  und 
drangen  vielleicht  bis  Indien  vor.  Alle  Heldentaten  des  Ramses  sind  von 
ihm  selbst  der  Nachwelt  ergötzlich  erzählt  worden.  Ägypten  ist  voller 
Denkmäler,  die  er  sich  zum  eignen  Ruhme  errichtet  hat. 

§  2.    Die  Chaldäer  und  die  ältesten  Assyrer. 
So  alt  auch  das  Geistesleben  der  Ägypter  sein  mag,  in  ihrer  Nachbar- 


Ägypten  und  Orient.  i5 


Schaft   wuchs   ein   noch   älteres    Volk   heran,   um   zunächst   immer  größer 
zu  werden  und  schließlich  zu  verschwinden. 

Ehe  die  beiden  großen  Ströme  Euphrat  und  Tigris  sich  in  den  Per- 
sischen Meerbusen  ergießen,  umspülen  sie  einen  Landstrich,  dem  sie,  wie 
Ägypten  der  Nil,  durch  ihre  so  häufigen  Überschwemmungen  immer 
erneute  Fruchtbarkeit  bringen.  An  ihren  Ufern  und  in  der  von  ihnen 
kreisförmig  umschlossenen  Ebene  hat  in  alten,  fernen  Zeiten  ein  Volk 
gelebt,  das  aus  dem  Osten  gekommen  war  und  sich  eines  sehr  blühenden 
Geisteslebens  erfreute:  die  Chaldäer  *. 

Man  kennt  ihre  Geschichte  erst  seit  kurzem,  weil  die  von  ihnen  hinter- 
lassenen  zahlreichen  Inschriften  ihrer  Entzifferung  lange  große  Schwierig- 
keiten geboten  hatten.  Sie  sind  in  keilförmigen  Zeichen  geschrieben  (Keil- 
schrift) und  auf  Ziegelsteinen  aufgezeichnet.  Es  handelt  sich  um  eine 
ursprünglich  hieroglyphisch  gewesene  Schrift,  deren  Zeichen  jedoch  nach 
und  nach  immer  mehr  Verstümmelungen  erlitten,  bis  sie  schließlich  über- 
haupt nicht  mehr  die  Abbilder  der  Gegenstände,  sondern  die  diesen  ent- 
sprechenden Laute  darstellten.  Sie  zu  lesen  ist  außerordentlich  schwierig; 
denn  dieselben  Zeichen  können  sowohl  für  ein  ganzes  Wort  wie  für  einen 
ganzen  Laut  stehen,  ja  in  manchen  Fällen  sogar  für  ein  anderes  Wort 
oder  einen  andern  Laut.  Doch  dank  dem  Franzosen  Eugene  Burnouf 
(1801 — 1852)  und  besonders  auch  dem  Engländer  Rawlinson  (1810 — 1895) 
kann  man  heute  alle  Keilinschriften  lesen. 

Die  Geschichte  der  Chaldäer  ist  weit  weniger  bekannt  als  die  der 
Ägypter. 

Sie  hatten  sich  eine  ebenso  verwickelte  wie  kindliche  Religion  ge- 
schaffen. Sie  sahen  überall  Götter,  Die  Welt  war  bevölkert  von  Göttern, 
von  denen  ein  Teil  segensreich  wirkte,  ein  anderer  unheilvoll  und  deshalb 
durch  Opfer  und  Beschwörungen  besänftigt  werden  mußte.  Die  Chaldäer 
glaubten  an  eine  Hölle,  die  von  noch  mehr  Gottheiten  bevölkert  war  als 
der  Himmel.  Es  gab  böse  Geister  aller  Art,  die  allein  die  Kunst  der  Magier 
und  Zauberer  bekämpfen  konnte.  Krankheiten,  wie  Pest  und  Fieber,  zählten 
zu  den  wildesten  dieser  schlimmen  Götter,  und  das  erste,  wovon  der  Arzt 
etwas  wissen  mußte,  war  die  Zauberei. 

Sie  lebten  in  einer  sehr  ständischen  Gesellschaft  und  hatten  einen 
König  und  Adlige,  Herren  und  Sklaven.  Sie  kannten  die  Kunst,  Leinwand 


*  Anm.  des  Herausgebers:  oder  Sumerer.  Vgl.  Sven  Hedin,  Die  Keilschrift  und 
die  älteste  Bibliothek  der  Welt  in  des  Verf.  fesselndem  Reisewerke:  Bagdad — 
Babylon— Ninive.      Leipzig     191 8.     F.     A.     Brockhaus. 


l6  Zweites  Buch. 


zu  weben,  irdene  Gefäße  zu  verfertigen,  Getreide  zu  bauen  und  Brot  zu 
backen.  Man  findet  in  ihren  Gräbern  bronzene  und  eiserne  Waffen,  goldene 
Schmuckgegenstände,  wie  Arm-  und  Halsbänder.  Die  Leute  aus  dem 
Volke  wohnten  in  elenden  Hütten,  die  Könige  und  Großen  in  bildsäulen- 
geschmückten Palästen. 

Sie  schrieben  sich  selbst  ein  Alter  von  über  vierzigtausend  Jahren 
zu,  und  ihre  märchenhaften  Wundergeschichten  stehen  denen  sehr  nahe, 
die  die  Bibel  von  dem  Ursprünge  des  jüdischen  Volkes  erzählt. 

Als  sich  einst  eine  große  Sintflut  ereignete,  nahm  ein  Gerechter, 
Xisuthros  mit  Namen,  in  einem  ungeheuren  Schiffe  Tiere  aller  Art  und 
auch  die  eigne  Familie  auf,  um  ihnen  so  Schutz  und  Zuflucht  während 
der  allgemeinen  Überschwemmung  zu  bieten.  Eine  Taube  kündigte  das 
Ende  der  herniederfallenden  Wassermassen  an.  Die  Geschichte  von  dem 
Schiffe  des  Xisuthros  verrät  Züge,  die  mit  denen  der  Geschichte  von  der 
Arche  Noahs  starke  Ähnlichkeit  zeigen. 

Später  errichteten  die  Nachkommen  des  Xisuthros  in  ihrer  ersten 
Hauptstadt,  zu  Ur  in  Chaldäa,  einen  ungeheuren  Palast  mit  dem  Turme 
zu  Babel,  den  die  Götter  einstürzten.  Dann  herrschten  halbe  Wunder- 
gestalten von  Fürsten,  wie  unter  anderen  der  schreckliche  Nimrod,  den 
auch  die  Bibel  erwähnt  (Gilgamesch). 

Von  Ur  wurde  die  Hauptstadt  von  Chaldäa  später  nach  Babylon  ver- 
legt, das  durch  die  angebUch  bereits  bei  seiner  Gründung  von  Semiramis 
angelegten  Hängenden  Gärten,  jenem  ältesten  Wunder  der  Welt,  berühmt 
und  lange  eine  mit  prächtigen  Tempeln  geschmückte  große  blühende  Stadt 
war  (um   1800). 

Trotz,  ja  vielleicht  infolge  dieses  ganzen  Glanzes  wurden  die  Chaldäer 
von  kriegerischen  Stämmen  unterworfen,  die  von  Norden  gekommen 
waren,  Sie  hatten  dieselbe  Sprache,  dieselbe  Schrift  und  dieselben  Sitten 
wie  die  Bewohner  Chaldäas,  aber  erkannten  nicht  die  Herrschergewalt 
seiner  Könige  an. 

Diese  Leute  kamen  aus  Assur,  einer  Stadt  am'  Tigris,  die  an  der  Stelle 
liegt,  wo  der  große  Strom  eben  aus  dem  Gebirge  kommt,  um  von  nun 
an  schiffbar  zu  werden,  und  legten  sich  daher  den  Namen  Assyrier  bei. 
Es  war  ein  durch  den  Krieg  ins  Leben  gerufenes  Kriegervolk,  Um  das 
Jahr  1400  wurden  sie  die  Herren  von  ganz  Chaldäa*. 

Sie  gründeten  die  Stadt  Ninive,  deren  Großartigkeit  kürzliche  Aus- 
grabungen gezeigt  haben. 


*  Vgl.   Sven  Hedin  a.  a.   O. 


Ägypten  und  Orient.  i  -7 


Die  zahlreichen,  auf  uns  gekommenen  assyrischen  Bilder  und  Inschriften 
berichten  im  wesentlichen,  nur  von  Jagden,  Eroberungen,  Zerstörungen, 
Schlachten,  Niedermetzelungen  oder  Foltern  von  Gefangenen.  Die  assy- 
rischen Könige  verglichen  sich  gern  mit  wildgewordenen  ausgebrochenen 
Löwen.    Doch  damit  verleumdeten  sie  nur  die  Löwen. 

Übrigens  ist  dies  ganze  erste  assyrische  Reich  noch  halb  sagenhaft. 
Allem  Anscheine  nach  entsprechen  die  Berichte  Herodots  über  Ninus, 
den  Gründer  von  Ninive,  und  seine  Gemahlin  Semiramis,  die  Babylon 
gründete,  durchaus  nicht  der  Wirklichkeit.  Von  der  ganzen  assyrischen 
Geschichte  bleibt  als  einzige  wahre  Tatsache  die  Wildheit  seiner  Könige 
bestehen. 

§3.    Die   Hebräer. 

Um  jene  Zeit  wanderte  ein  chaldäischer  Stamm  aus  Mesopotamien  aus 
und  gelangte  nach  einer  langen  Reihe  von  Abenteuern  und  einem  unsteten 
Hin  und  Her  von  Syrien  nach  Ägypten  und  wieder  zurück  von  Ägypten 
nach  Syrien  in  Palästina  an.  Dieses  kleine  Volk  sollte  noch  in  der  Welt- 
geschichte  eine   große    Rolle    spielen. 

Es  waren  die  Hebräer.  In  der  Bibel,  ihrem  heihgen  Buche,  jener 
wunderbaren  Sammlung  von  Sagen,  Verkündigungen  und  Predigten,  die 
die  christlichen  Religionen  zum  guten  Teil  übernommen  haben,  erzählen  sie 
allerband  Wundergeschichten:  eine  göttliche  Urheimat,  d.  h.  ein  irdisches 
Paradies,  in  dem  Adam  und  Eva  lebten,  die  ältesten  Voreltern  des 
Menschen;  den  Sündenfall  Adams,  den  Gott  aus  dem  Paradiese  vertrieb, 
die  Sintflut,  die  Arche  Noahs  und  Abrahams  Opfergabe  an  Gott. 

Um  das  Jahr  2000  (?)  zog  Abraham  mit  seinem  Stamme  nach 
Ägypten.  Dort  sind  die  Hebräer,  die  sich  nach  dem  Namen  eines  ihrer 
Patriarchen  Kinder  Israels  nannten,  allem  Anscheine  nach  gar  nicht  so 
übel  behandelt  worden.  Ja,  einer  von  ihnen,  Joseph,  wurde  sogar  der 
höchste  Beamte  eines  der  Hirtenkönige  der  sechzehnten  Dynastie. 

Fast  zweihundert  Jahre  lang  blieben  die  Hebräer  in  Ägypten.  Den 
Hirtenkönigen  waren  die  thebanischen  Könige  gefolgt,  große  Krieger  und 
Bauherren.  Es  war  damals  für  die  Kinder  Israels  eine  Zeit  des  Fron- 
dienstes und  der  Knechtschaft,  denen  sie  sich  nicht  fügen  wollten.  Daher 
verließen  sie  unter  der  Herrschaft  des  Pharao  Menephtah  unter  Mosis 
Führung  Ägypten,  um  das  Gelobte  Land  aufzusuchen. 

So  machten  sie  in  Palästina  halt.  Es  ist  dies  ein  bergiges,  wenig  frucht- 
bares und  im  Sommer  von  drückender  Hitze  heimgesuchtes  Land.  Doch 
sind  stellenweise,  wo  es  Wasser  gibt,  Weideplätze,  auf  denen  Viehherden 
ihre  ausreichende  Nahrung  finden.  Auch  gedeihen  Weinstock  und  Öl- 
2  Riebet,  Geschichte  der  Menschheit 


l8  Zweites  Buch. 


bäum.  Alles  in  allem  ein  armes  Land  im  Vergleich  mit  dem  so  gesegneten 
Ägypten;  doch  ein  Land,  in  dem  man  von  bisheriger  Knechtung  Befreiung 
findet,  ist   immer  ein   „gelobtes   Land". 

Bei  ihrer  Niederlassung  in  Palästina  waren  die  Hebräer  noch  Nomaden 
und  zerfielen  in  einzelne  Stämme,  deren  jeder  unter  dem  Befehl  eines 
patriarchalischen  Oberhauptes  stand.  Sie  lebten  in  ihren  Zelten,  wie  in 
unserer  Zeit  gewisse  arabische  Völkerschaften.  Sie  zogen  umher,  mit 
ihren  Herden  sowie  mit  ihrer  ganzen  Smalah  voran,  und  machten  immer 
da  halt,  wo  der  Boden  ihren  Hammeln  und  Ziegen  etwas  Nahrung  ge- 
währte.   Wenn  die  Gelegenheit  günstig  war,  plünderten  sie  auch. 

Die  elf  Stämme  Israels  ließen  sich  also  in  Palästina  nieder.  Nach  ihrem 
Auszug  aus  Ägypten  waren  sie  zunächst  noch  eine  ganze  Zeit  auf  der 
Halbinsel  Sinai  umhergeirrt,  einer  bergigen  Wüste,  wo  sich  der  Ewige 
in  seiner  schauerlichen  Erhabenheit  offenbart  und  dadurch  den  Moses  so 
geblendet  hatte,  daß  er  beinahe  sein  Augenlicht  für  immer  verloren  hätte. 

Palästina  war  auch  bisher  nicht  etwa  ein  unbewohntes  Land.  Die 
Hebräer  brauchten  viel  Zeit,  um  dort  endgültig  die  Unabhängigkeit  be- 
haupten zu  können.  Zwei  Jahrhunderte  lang  mußten  sie  unaufhörliche 
Schlachten  schlagen  mit  den  Kananitern  und  andern  ziemlich  unbe- 
kannten semitischen  Völkerstämmen,  von  denen  uns  die  Bibel  nicht  viel 
mehr  als  die  Namen  berichtet,  Amalekitern,  Amoritern,  Moabitern,  Phi- 
listern. Die  wenig  erbauliche  Herzählung  all  dieser  kleinen  und  unbe- 
deutenden Kriege  ist  uns  von  der  Bibel  treulich  überliefert  und  noch  mit 
einer  Unmenge  von -Sagen  und  Wundergeschichterf  ausgeschmückt  worden. 
Zu  einer  Zeit,  wo  bereits  die  Phönizier  das  Mittelländische  Meer  entdeckten 
und  kolonisierten,  wo  bereits  die  Griechen  sich  auf  die  Erfüllung  ihrer 
großen  Aufgabe  vorbereiteten,  durch  ihre  geistige  Regsamkeit  die  Herren 
der  Welt  zu  werden,  mühten  sich  in  Palästina  die  Leute  von  Israel,  ohne 
!  daß  irgendwie  ein  Plan  oder  Ziel  zu  erkennen  wäre,  bald  als  die  unterjochten 
Sklaven  anderer  und  bald  wieder  als  ihre  grausamen  Herren  in  Listen, 
Gewalltätigkeiten  und  Verrätereien  ab. 

,       Schließlich  kam    ein  Augenblick,    wo    sie    sich,  der  Anarchie,    die    ihre 

Stämme  in  gegenseitiger  Eifersucht  aufrieb,  müde,  unter  den  Befehl  eines 

Oberhauptes    des    Stammes   Juda   stellten,    nämlich   Davids.     Dieser   ging 

aus  dem  Kampfe    mit  den  Philistern    als  Sieger    hervor,    wurde  für  sämt- 

1  liehe  Stämme  der  Befreier  und  erbaute  die  Stadt  Jerusalem.    Er  war  der 

I  Begründer   des   jüdischen   Eintagkönigreichs. 

Obwohl  die  Bibel  versucht  hat,  einen  Schleier  über  die  Verirrungen 
dieses  größten  unter  den  Hebräern  zu  breiten,  so  kann  uns  darum  doch 


Ägypten  und  Orient.  ig 


nicht  die  große  Ähnlichkeit  Davids  mit  den  Königen  von  Chaldäa  und 
Assyrien  entgehen.  Die  Abstammung  auf  beiden  Seiten  war  nahezu  die 
gleiche,  und  die  Sitten  waren  kaum  voneinander  verschieden.  Dieselben 
Plünderungskriege,  die  für  die  Besiegten  mit  Folter  und  Sklaverei  endeten, 
dieselben  begeisterten  Gesänge  bei  den  Siegesfeiern,  die  mit  geheimnisvollen 
Bräuchen  begangen  wurden,  dieselben  Tempelbauten  zu  Ehren  des  Gottes, 
der  den  Sieg  verliehen  hatte.  Und  wenn  der  Sieger  etwa  schon  vom  Alter 
heimgesucht  ist,  dieselben  blutigen  Haremsränke. 

Vielleicht  hat  David  auch  die  wunderbaren  Psalmen  verfaßt,  die  etwa 
zweihundert  Jahre  später  die  Ehrfurcht,  die  er  in  Israel  genoß,  in  die. 
heiligen  Schriften  des  Volkes  eingeführt  hat.  Aber  wenn  er  diesen  zweifel- 
haften literarischen  Ruhm  für  sich  nicht  in  Anspruch  nehmen  darf,  so 
war  David  doch  jedenfalls  der  einzige  Hebräer,  der  etwas  Dauernderes 
begründet  hat.  Er  vereinigte  die  zuchtlosen  Stämme  unter  einem  Szepter 
und  hielt  siegreich  stand  gegen  alle  die  räuberischen  kleinen  Völkerschaften, 
ja  sogar  auch  gegen  die  großen  Mächte,  die  von  allen  Seiten  sein  winziges 
Königreich  umgaben. 

Sein  Sohn  Salomo  verstand  aus  den  Erfolgen  väterlicher  Staats- 
weisheit noch  weiteren  Nutzen  zu  schlagen  und  wurde  ein  sehr  großer 
und  mächtiger  Herrscher.  Er  schloß  ein  Bündnis  mit  den  Ägyptern  und 
Phöniziern.  Und  so  verbreitete  sich  sein  Ruf  bald  über  das  ganze  Morgen- 
land. Er  sandte  Schiffe  aus,  die  er  von  den  Phöniziern  hatte  erbauen 
lassen  und  die  den  Handel  von  den  Küsten  des  Roten  Meeres  weithin 
nach  Arabien,  ja  vielleicht  bis  ins  Innere  von  Indien  trugen.  Seine  in 
der  morgenländischen  Phantasie  noch  über  die  Wirklichkeit  hinaus  ins 
Maßlose  wachsenden  Reichtümer  gingen  in  der  Tat  ins  Fabelhafte.  In 
seinem  Harem  von  dreihundert  Weibern  hielt  er  an  tausend  Wächter. 
Aber  ganz  wie  bei  Herkules  und  Semiramis  karm  man  auch,  wenn  von 
Salomo  gesprochen  wird,  nicht  mehr  recht  Geschichte  und  Sage  aus- 
einanderhalten. Es  ist  wohl  anzunehmen,  daß,  wenn  uns  ein  König  Salomo 
gegenübertritt,  der  unter  den  Reichen  ein  Reicher,  unter  den  Weisen 
ein  Weiser  ist,  der  die  Zauberei  kennt  und  Orakelsprüche  austeilt,  die 
Geschichte  ihren  Thron  der  Sage  einräumen  mußte. 

Wie  alle  majestätischen  Herrscher  des  alten  Morgenlandes,  wollte  auch 
er  neben  einem  seiner  königlichen  Würde  zu  Ehren  errichteten  Palaste 
einen  Tempel  zum  Ruhme  seines  Gottes  haben.  Der  Tempel  Salomos, 
eine  Art  ägyptischer  Tempel  im  kleinen,  ist  wohl  das  einzige  Bau- 
denkmal, das  uns  von  den  Hebräern  geblieben  ist.  So  haben  sie  denn 
auch  seine  Herrlichkeit  gefeiert,  die    für  sie  das  Zeitalter  ihres  höchsten 

2* 


20  Zweites  Buch. 


Ruhmes  darstellt,  in  der  zwei  große  Könige  sie  zugleich  frei  und  ihrem 
Zepter   untertänig  gemacht   hatten. 

Nach  Salomos  Tode  ging  das  hebräische  Reich  in  zwei  Teile  aus- 
einander. Der  Sohn  Salomos,  Rehabeam,  behielt  nur  Jerusalem  und 
wurde  König  von  Juda.  Die  anderen  Stämme,  mit  Ausnahme  von  Juda 
und  Benjamin,  wählten  ihrerseits  Jerobeam,  der  nun  König  von  Israel 
wurde. 

Die  Geschichte  der  Hebräer  ist  nun  nur  noch  eine  lange  Reihe  von 
Feindseligkeiten  und  Kämpfen  zwischen  Israel  und  Juda  bis  zu  dem 
Augenblicke,  wo  die  assyrischen  Eroberer  dieses  aufrührerische  Volk  in 
ihre  Knechtschaft  brachten. 

Es  war  um  das  Jahr  800  unter  der  Herrschaft  eines  der  Könige  Israels, 
Jerobeams  IL,  wo  die  Heldengesänge,  Sagen,  Psalmen,  Weissagungen, 
die  die  Hebräer  zu  den  verschiedensten  Zeiten  abgefaßt  hatten,  zum  ersten 
Male  gesammelt  wurden.  Aber  später  erst,  nach  der  Babylonischen  Ge- 
fangenschaft (458),  bekam  die  Bibel  ihre  endgültige  gegenwärtige  Gestalt. 

In  dieser  Gestalt  eines  einheitlichen  Ganzen  bildet  sie  ein  herrliches 
eigenartiges  Buch,  eines  der  schönsten,  die  die  Menschen  jemals  ersonnen 
haben,  und  eines  von  denjenigen,  die  die  Geschicke  der  menschlichen 
Gedankenwelt  gelenkt  und  geleitet  haben. 

Die  Bibel  ist  in  hebräischer  Sprache  geschrieben;  das  Alphabet  ist 
dem  phönizischen  entlehnt.  Der  Stil  ist  sehr  uneinheitUch ;  denn  die  ver- 
schiedenen Teile  der  Bibel  verdanken,  wenn  sie  auch  immer  wieder  über 
arbeitet  worden  sind,  doch  zeitlich  weit  vom  einander  getrennten  Geschlech- 
tern ihr  Dasein  und  bewahren  trotz  dieser  fortwährenden  Überarbeitungen 
noch  immer  Spuren  ihrer  ursprünglichen  Gestalt.  Oft  erreicht  dieses 
Buch  den  Gipfelpunkt  alles  Erhabenen  durch  seine  einfache  Vornehm- 
l^eit.    Bisweilen  ist  es  kindlich  und  dunkel. 

Auf  jeden  Fall  kann  man  den  Stil  und  die  Bildungsstufe  der  andern 
semitischen  Völkerschaften,  wie  sie  uns  die  ägyptischen,  chaldäischen  und 
assyrischen  Inschriften  zeigen,  sich  auch  fast  überall  in  der  Bibel  wider- 
spiegeln sehen.  Und  doch  behält  dieses  gewaltige  Buch  seine  ganze 
Originalität,  und  es  ist  wahrhaftig  überraschend  genug,  daß  das  kleine 
hebräische  Völkchen,  obwohl  von  drei  großen  Nationen  eingeschlossen, 
doch,  ohne  seine  Unabhängigkeit  für  die  Dauer  behaupten  zu  können,  es 
trotz  alledem  verstanden  hat,  seine  Individualität  zu  bewahren. 

Aus  der  Bibel  lernen  wir  die  Religion  und  die  Sitten  der  Hebräer 
kennen.  Ihr  Gott,  Jahveh  oder  Jehova,  ist  ihr  hauptsächlicher  Gott,  doch 
nicht    ihr    einziger.     Und    darin    steckt    noch    die    gemeinsame   asiatische 


Ägypten  und  Orient.  21 


Überlieferung.  Jede  Stadt  hatte  ihren  bevorzugten  Gott,  ihren  Baal, 
den  Camos  Moabs,  den  Melkart  von  Tyrus,  den  Baal-Sidon  Sidons.  In 
Jerusalem  gab  es  einen  Jehova,  der  bald  die  andern  niederen  Götter 
entthronte  und  dann  ohne  weitere  Nebenbuhler  herrschte  derart,  daß  nun 
an  Stelle  des  Polytheismus  der  Monotheismus  trat.  Doch  gab  es  sogar 
noch  im  Tempel  Salomos  einen  der  Astarte  geweihten  Saal. 

Im  übrigen  entspricht  der  Gott  Jehova  des  alten  Hebräervolkes  wenig- 
stens noch  in  seinen  Anfängen  der  menschlichen  Auffassung  von  einer 
Gottheit,  wie  sie  ein  Volk  eben  nur  in  seiner  Kindheit  haben  kann.  Er 
verkehrt  und  unterhält  sich  mit  den  Menschen,  mit  Adam,  Noah,  Moses, 
Abraham.  Er  gebietet  sogar  (wenn  auch  nur  selten)  Menschenopfer,  z.  B. 
dem  Abraham  und  dem  Jephtha.  Er  ringt  eine  ganze  Nacht  mit  Jakob  und 
stürzt  sich  auf  Moses,  ihn  zu  töten.  Er  läßt  die  Sonne  stillstehen,  bringt 
Bileams  Esel  zum  Sprechen,  streitet  mit  den  Patriarchen,  droht,  ganz 
wie  Jupiter'  bei  den  Griechen,  den  Ungläubigen^  die  ihm  nicht  gonug; 
Schlachtopfer  darbringen  wollen,  mit  seinem  Zorne.  Er  ist  der  erbitterte 
Feind  der  Völker,  die  ihn  nicht  verehren,  und  er  nimmt  immer  geradje 
für  das  Volk  Israel  Partei,  weil  ihn  eben  das  Volk  Israel  verehrt.  Er  ist 
ein  Gottkönig,  größer  und  mächtiger  als  die  größten  und  mächtigsten 
Könige  der  Erde;  denn  er  gebietet  den  Heeren,  den  Gestirnen  und  den 
Elementen.  Er  ist,  ganz  wie  ein  chaldäischer  König,  unversöhnlich  gegen 
die,  die  ihn  nicht  ehren,  oder  die,  die  den  Kindern  Israel  Böses  zufügen'. 

Wie  für  die  Ägypter  und  Chaldäer,  war  auch  für  die  Hebräer  die  Re- 
ligion eine  der  großen  Triebkräfte  des  geistigen  wie  auch  des  materiellen 
Lebens.  Der  Gottesdienst  war  streng  und  wurde  von  den  Leviten  ab- 
gehalten, d.  h.  den  Mitgliedern  des  nach  dem  gleichnamigen  unter  den 
Söhnen  Jakobs  benannten  Stammes  Levi.  Man  versammelte  sich  in  dem 
Tempel,  wo  die  Bundeslade,  die  selbst  die  Gesetzestafeln  enthielt,  in  sorg- 
samer Obhut  war. 

Auf  die  Gesetzestafeln  waren  die  Gebote  Gottes  eingegraben,  die  Jehova 
dem  Mose  auf  dem  Sinai  unter  BHtzen  und  Donner  offenbart  hatte.  Ob 
sie  von  dem  Ewigen  diktiert  worden  sind  oder  auch  nicht,  tut  recht  wenig 
zur  Sache;  jedenfalls  sind  sie  bewundernswert  und  genügten  vielleicht  ganz 
allein,  den  Namen  des  Mannes,  der  sie  uns  überliefert  hat,  zu  den  größten 
der  Vergangenheit  zu  zählen. 

Übrigens  ist  die  Bibel  alles,    was  uns  von  den  Zeugnissen  alten  hebräi-  / 
sehen    Geisteslebens    übriggeblieben    ist.    Die    Ägypter    haben    ihre    kost- 
baren Bildsäulen  und  ihre  herrlichen  Tempel;    die  Phönizier   haben  das 
Mittelländische  Meer  kolonisiert  und  das  Alphabet  entdeckt;    die  As.syrer! 


22  Zweites  Buch. 


haben  ihre  großartigen  Denkmäler;    die  Hebräer  haben  einzig  und  allein 
die  Bibel.  > 

Die  Einheit  hat  sich  das  jüdische  Volk  für  die  Dauer  fast  ausschließlich 
durch  die  Religion  erhalten,  durch  die  sie  dann  aber  auch  um  so  kräftiger 
wurde.  Sicher  ließen  viele  Juden  während  der  harten  Proben  ihrer  wieder- 
holten Gefangenschaft  den  Gott,  der  sie  so  schlecht  schützlie,  im  Stich 
und  beteten  die  Götzen  ihrer  Beherrscher  an.  Doch  stets  hat  es  eine  kleine 
Anzahl  von  Getreuen  gegeben,  die  trotzig  um  die  Trümmer  des  Tempels 
und  der  Bundeslade  geschart  blieben.  S  i  e  haben  niemals  Jehova  preis- 
gegeben. S  i  e  haben  niemals  die  Stimme  ungehört  in  der  Wüste  verhallen 
lassen,  die  von  jenen  schwärmerischen  Propheten  ausging,  die  trotz  tiefer 
Not  unter  Wehklagen  und  Tränen  ihnen  immer  wieder  unvergängliche 
Hoffnungen  zeigten,  die  in  der  Ferne  winkten. 

§  4.  Die  Phönizier. 

Doch  in  diesem  selben  Syrien  hatte  sich  noch  ein  anderes  semitisches 
Volk  von  ungefähr  gleicher  Abstammimg  wie  die  Hebräer  und  .A.ssyrer 
niedergelassen:  die  Phönizier.  Von  den  Küsten  des  Mittelländischen  Mee- 
res, wo  sie  saßen,  hatten  sie  ihren  Einfluß  und  ihren  Handel  weithin  aus- 
gedehnt. Das  Meer  hat  eine  fruchtbare  Anregungskraft.  Sich  an  die 
großen  Gebirgszüge  des  Libanon  anlehnend,  wurden  sie,  die  zum  Anbau 
nur  einen  schmalen  Streifen  allerdings  fruchtbaren  Landes  zwischen  dem 
Meer  und  den  Bergen  hatten,  bald  kühne  Seefahrer,  und  so  erschöpfte  sich 
ihre  Geisteskraft  nicht  unfruchtbar  in  düsteren  Theologien,  einförmigen 
Landarbeiten  oder  mörderischen  Kriegen,  wie  es  bei  den  Hebräern,  Ägyp- 
tern und  Assyrern  der  Fall  war.  Sie  fanden  in  den  hohen  Wäldern  des 
Libanon  das  notwendige  Holz  zum  Bau  ihrer  Schiffe,  und  sie  gingen  kühn 
an  die  Eroberung  der  fernsten  Gestade,  bald  als  Seeräuber  und  bald  wieder 
als  Kaufleute,  je  nach  der  Kraft  und  dem  Reichtume  der  Völker,  die  sie 
aufsuchen  wollten. 

Von  ihrer  Geschichte  ist  nicht  viel  bekannt.  Doch  hatte  sich  im  11.  Jahr- 
hundert ihr  Reich  bereits  ganz  sicher  über  das  gesamte  Mittelländische 
Meer  ausgedehnt. 

Zunächst  besetzten  sie  die  Inseln  des  Ägäischen  Meeres,  Kreta,  Cypern; 
alsdann  segelten  sie  die  kleinasiatische  Küste  entlang,  kamen  bis  zum 
Hellespont,  den  sie  durchfuhren,  gelangten  in  das  Schwarze  Meer  und  bis 
zum  Kaukasus,  aus  dem  sie  Edelmetalle  mitbrachten.  Im  Westen  streiften 
sie  die  afrikanische  Küste  und  kamen  nach  Libyen,  wo  sie  später  Karthago 
gründeten.  Sie  erreichten  Sardinien,  Sizilien  und  schließlich  Spanien  imd 
die  Balearischen  Inseln,   aus  denen  sie  sich  reiche   Einnahmen  schafften. 


Ägypten  und  Orient.  23 


Sie  durchschnitten  vielleicht  auch  die  Meerenge  von  Gibraltar,  auf  deren 
andern  Seite  sie  die  Kolonie  Gades  (Cadiz)  anlegten,  von  wo  aus  sie  bis 
zu  den  Küsten  Britanniens  vordrangen  und  sogar  die  Cassiteriden  (Zinn- 
inseln) besuchten.  So  war  damals  das  ganze  Mittelländische  Meer  ein 
einziger  phönizischer  See. 

Die  älteste  phönizische  Hauptstadt  war  Sidon.  Doch  im  8.  Jahrhundert 
wurde  die  Stadt  Sidon  von  den  Philistern  beinahe  dem  Bodein  gleich- 
gemacht, und  Tyrus  übernahm  die  Erbschaft  ihrer  Macht. 

Es  war  dies  eine  sehr  große  Stadt,  die  sich  zu  jener  Zeit  einer  größeren 
Blüte,  einer  höheren  Zivilisation  und  eines  lebhafteren  Verkehrs  erfreute 
als  alle  übrigen  Städte  der  .Welt.  Die  Erzeugnisse  aller  mittelländischen 
Küstenländer  wurden  auf  den  Märkten  von  Tyrus  feilgehalten  und  für 
die  aus  dem  Innern  Asiens  kommenden  Erzeugnisse  vertauscht. 

Das  geistige  Leben  der  Phönizier,  die  sich  ganz  und  gar  den  Ange- 
legenheiten der  Schiffahrt  und  des  Handels  widmeten,  war  reger  als 
das  ihrer  Nachbarn.  Und  es  war  ein  für  die  Zukunft  der  Welt  glück- 
verheißender Zufall,  der  die  Phönizier  mit  den  Griechen  in  Berührung 
brachte.  Ein  junger,  kräftiger,  von  neuen  Ideen  beseelter  und  zunächst 
noch  wenig  zahlreich  vertretener  Menschenschlag  lebte  damals  auf  der 
hellenischen  Halbinsel.  Er  hatte  schon  eine  erste  Zivilisation,  die  die 
Morgenröte  Griechenlands  heraufführte.  Aller  Wahrscheinlichkeit  nach 
haben  die  Mykenier  oder  vielleicht  besser  die  Inselbewohner  des  Ägäischen 
Meeres,  die  die  Voreltern  der  Griechen  sind,  gar  vieles  Phönizien  zu  ver- 
danken gehabt. 

Sie  schuldeten  ihm  in  jedem  Falle  das,  was  das  allererste  bei  jeder 
geistigen  Entwicklung  sein  sollte,  ja  vielleicht  sogar  seine  unentbehrliche 
Voraussetzung  ist,  nämlich  ein  Alphabet,  so  einfach,  klar  und  in  sich  ab- 
geschlossen, wie  man  es  brauchen  konnte.  Die  assyrische  und  ägyptische 
Schrift  erforderten  zu  ihrem  Verständnis  lange,  bisweilen  nutzlose  An- 
strengungen; und  jetzt  kommt  ein  neues  Schriftsystem  auf,  eine  phonetische 
Schrift  und  ein  phonetisches  Alphabet,  die  den  Hieroglyphen  entlehnt  sind. 

Den  Griechen,  den  Hebräern  sowie  den  Armeniern  haben  die  Phönizier 
das  Alphabet  gebracht.  Die  Griechen  gaben  es  ihrerseits  den  Italern, 
den  Etruskern  und  den  Umbriern  weiter.  Dann  verbreitete  es  sich  in  alle 
Well.  Das  lateinische  und  das  slawische  Alphabet  stammen  von  ihm  ab. 
Die  Einfachheit  seiner  Schrift  ist  die  ursprünglichste  Grundlage  allen 
Fortschritts  gewesen. 

Wie  es  scheint,  haben  die  Phönizier,  als  ob  ihnen  dieser  eine  große 
Triumph  für  alle  Zukunft  genügt  hätte,  keine  weitere  Spur  ihres  so  vor- 


24  Zweites  Buch. 


übergehenden  Daseins  hinterlassen.  Als  Kaufleute  und  Seefahrer  machten 
sie  sich  wenig  Sorge  um  die  Kunst.  Und  so  kennt  man  auf  diesem  Gebiete 
bei  den  Phöniziern  nicht  viel  mehr  als  einige  nicht  gerade  besonders  schöne 
Bildsäulen,  Von  diesen  abgesehen,  finden  sich  bei  ihnen  nur  wenige  In- 
schriften, Kunst-  und  Baudenkmäler.  Doch  sie  waren  gewerbefleißig  und 
erfinderisch,  Sie  verstanden  den  Sand  zu  schmelzen  zur  Herstellung  von 
Glas,  kostbare  Stoffe  zu  weben  und  mit  dem  Purpur  zu  färben,  der  aus 
einer  an  der  tyrischen  Küste  zu  findenden  Seemuschel  gewonnen  wurde. 

Ihr  gesellschaftlicher  Ausbau  ist  wenig  bekannt.  Im  Zeitalter  Salomos 
hatten  sie  einen  König  Hiram,  der  den  Tempelbau  zu  Jerusalem  mit  den 
ihm  zu  Gebote  stehenden  Mitteln  förderte. 

Ihre  Religion  war  nicht  anders  als  alle  andern  semitischen  Religions- 
bekenntnisse: ein  Gott  Baal,  der  das  Übergewicht  hatte  und  dem  die 
mannigfaltigsten  Götter  zweiter  Ordnung  ihre  Mithilfe  gewährten,  Gott- 
heiten der  Gewässer,  Bäume,  Steine,  kurz  aller  nur  erdenklichen  Natur- 
erzeugnisse. 

Es  handelte  sich  immer  um  den  Gott  Baal,  wenn  er  auch  je  nach 
den  Städten,  in  denen  er  verehrt  wurde,  sich  unter  den  verschiedensten 
Namen  verbarg.  Es  ist  der  männliche  Gott.  Neben  ihm  beherrschte  eine 
große  Göttin  Astarte,  ein  weiblicher  Baal,  die  Welt.  Astarte  war  die  Mond- 
göttin und  damit  zugleich  die  Göttin  der  Liebe  und  der  Nacht.  Baal 
war  der  Sonnengott,  An  den  hohen  Festtagen  brachte  man  bisweilen 
Menschenopfer  dar.  Das  war  die  teuerste  Huldigung,  die  man  dem  Baal 
erweisen  konnte. 

Wie  die  Hebräer,  wurden  auch  die  Phönizier  von  den  Assyrern  über- 
wältigt und  unterworfen. 

§  5.  Das  Zweite  assyrische  Reich. 

Die  assyrischen  Könige  eröffneten  bald  in  allen  Teilen  Asiens  eine 
Kriegs-  und  Vernichtungspolitik,  die  überall  von  Erfolg  begleitet  war 
und  ihnen  die  Herrschaft  über  ganz  Asien  und  sogar  noch  über  .\gypten 
verlieh. 

Im  Jahre  885  griff  ein  assyrischer  König  Assurnasirpal  Ägypten  an, 
bemächtigte  sich  der  Stadt  Memphis  und  unterwarf,  als  er  sich  darauf 
nach  Armenien  und  Syrien  wandte,  fast  das  ganze  semitische  Asien  seiner 
Herrschaft   (885—860). 

Unter  seinen  Nachfolgern  lehnten  sich  die  nur  halb  unterworfenen 
Länder  fortwährend  wieder  auf  bis  zur  Thronbesteigung  des  Teglattphalasar 
(745 — 727).    Dieser  führte  mehrere   siegreiche   Kriege  gegen  die    Meder, 


Ägypten  und  Orient.  25 


die  damals  schon  gefürchtete  Gegner  zu  werden  anfingen.  Besonders  gelang 
es  ihm,  einen  Triumph  über  Babylon,  diese  Erbfeindin  Ninives  von  alters 
her,  zu  feiern  und  so  der  unumschränkte  Herrscher  über  alle  Landstriche 
zu  werden,  die  der  Tigris  und  Euphrat  bespülen. 

Sein  Sohn  Salmanassar  (727 — 722)  wollte  seine  Eroberungen  noch  wei- 
ter ausdehnen.  Er  belagerte  Samaria,  das  jetzt  die  Hauptstadt  der  Israeliten 
geworden  war,  und  Tyrus,  die  Hauptstadt  der  Phönizier.  Aber  er  starb, 
ehe  es  ihm  gelungen  war,  diese  beiden  Städte  zu  nehmen^ 

Sein  Nachfolger,  einer  seiner  Offiziere,  namens  Sargon,  ein  ebenso 
großer  Feldherr  und  Eroberer  wie  Städte-  und  Häuserbauer,  wurde  das 
Haupt  einer  mächtigen  Dynastie,  die  ein  Jahrhundert  lang  herrschte  und 
Assyrien  mit  unzähligen  Prachtbauten  bedeckte  *. 

Die  Hebräer  hatten  sich  in  zwei  Teile  gespalten,  nämlich  Juda  mit 
der  Hauptstadt  Jerusalem  und  Israel  mit  der  Hauptstadt  Samaria.  Der 
letzte  König  von  Israel  Hostea  (Hosea)  hatte  sich  in  die  von  den  Assyrern 
belagerte  Stadt  Samaria  eingeschlossen.  Sargons  Truppen  bemächtigten 
sich  ihrer  nach  einer  langen  Belagerung  (722).  Die  Bewohner  wurden  in 
die  Sklaverei  geschleppt.  Die  Assyrer  verdrängten  die  Hebräer  aus  der 
Sladt,  in  der  sie  sich  selbst  niederließen,  und  so  trat  in  Samaria  für  die 
Verehrung  des  Judengottes  eine  solche  der  chaldäischen  Gottheiten  ein.  Es 
blieb  für  Jehova  mm  nur  noch  das  kleine  Zwergkönigreich    Juda    übrig. 

Sargon  wandte  sich  alsdann  gegen  Babylon,  das  jetzt  seine  Herrschaft 
sofort  anerkannte.  Als  er  starb,  war  er  Herr  über  ganz  Asien  und  dachte 
daran,  Ägypten  anzugreifen. 

Sein  Sohn  Sanherib  (705—681)  unternahm  seine  Eroberungszüge  nach 
allen  Seiten,  gegen  die  Ägypter,  Skythen,  Meder,  Araber  und  Juden, 
und  schmückte  trotz  dieser  beständigen  Kriege  seine  Hauptstadt  Ninive^ 
mit  glänzenden  Palastbauten.  Es  ward  übrigens  auch  ihm  das  gewöhnliche 
Schicksal  der  asiatischen  Eroberer  zuteil:  er  wurde  ermordet,  ermordet 
von  zweien  seiner  Söhne.  1 

Ein  anderer- seiner  Söhne,  Assar-Haddon,  folgte  ihm  (681—668). 

Im  Jahre  670  drang  Assar-Haddon  mit  einem  gewaltigen  Heere  in 
Ägypten  ein.  Dieses  hatte  trotz  der  wiederholten  Einfälle  Sanheribs  noch 
immer  einige  Unabhängigkeit  bewahrt.  Aber  diesmal  wurde  auch  Ägypten 
zur  assyrischen  Provinz.  Assar-Haddon  zog  in  Memphis  ein  und  ließ  sich 
als  König  der  Könige  ausrufen. 

So  mußte  sich  auch  Ägypten  unter  das  Joch  der  Knechtschaft  beugen. 
Dieses  Los  blieb  stets  den  Völkern  vorbehalten,  die  ursprünglich  die  Rolle 


Vgl.    hier   S.    15    Anm. :    Sven    Hedin   a.    a.    O. 


■26  Zweites  Buch. 


von  Eroberern  spielen  wollten.  Die  ruhmvollen  Zeiten  eines  Ramses 
waren  ja  längst  vorüber.  Nach  andauernden  und  blutigen  Bürgerkriegen 
fiel  nun  auch  dieses  stolze  Land  unter  die  schimpfliche  Herrschaft  Assyriens. 

Der  letzte  Sargonide  und  zugleich  letzte  König  von  Assyrien  war 
Assurbanapal  (Sardanapal),  ein  gewaltiger,  rühriger  und  trotziger  Eroberer, 
„als  ob  Assyrien,  sich  seinem  Untergange  nahefühlend,  noch  einmal  in  einem 
einzigen  Menschen  alle  hervorragenden  Eigenschaften,  die  es  groß,  und 
alle   Fehler,   die  es   berühmt  gemacht  hatten,   hätte  vereinen  wollen"  *. 

Doch  die  verhaßte  Macht  der  Sargoniden  sollte  bald  ihrem  Ende  ent- 
gegengehen. Aber  sie  war  noch  immer  so  gewaltig,  daß  sie  nur  durch 
sich  selbst  zu  vernichten  war. 

Assurbanapal  hatte  sein  Reich  in  Babylonien  und  Chaldäa  gespalten. 
Nach  seinem  Tode  erhob  sich  das  erstere  und  schüttelte  das  drückende 
Joch  von  .'Ninive  ab,  das  es  nun  schon  seit  vier  vollen  Jahrhimderten  mit  Un- 
geduld ertrug.  Ein  neues  kriegerisches  Volk,  die  Meder,  war  eben  im  Nor- 
den Chaldäas  in  dem  armenischen  Berglande  zum  ersten  Male  aufgetaucht. 
Der  Statthalter  von  Babylon,  der  sich  mit  den  Medem  verband,  bemächtigte 
sich  der  Stadt  Ninive.  Um  nicht  lebendig  in  die  Hand  seiner  Feinde  zu 
fallen,  machte  der  König  Sinshariskun  seinem  Leben  ein  Ende,  indem  er 
seinen  eigenen  Palast  in  Brand  steckte  (608). 

•      So  ging  ein  mächtiges   Reich  unter,   das  seine   einzige  Daseinsberech- 
tigung in  der   Vernichtung  fremder   Völker  und  dem   Kriegsruhme   sah. 
Nun  bestand  der  Kriegsruhm  in  jenen  Zeiten,  wie  vielleicht  noch  Jieute, 
in  der  Ehre,  den  Menschen  möglichst  viel  Leiden  zu  bereiten. 
§  6.  Die  Meder  und  Perser. 

Ein  neues  Volk  trat  in  die  Weltgeschichte  ein:  Meder  und  Perser,  die 
zusammen  ein  einheitliches  Ganzes  bildeten  und  nicht  mehr,  wie  die  Ägypter, 
Assyrer,  Hebräer  und  Phönizier,  weiße  Semiten,  sondern  bereits  weiße 
Arier  waren.  Sie  bewohnten  die  Hochebene  von  Iran,  eine  im  Winter 
eiskalte  und  im  Sommer  glühend  heiße  Berg-  und  Talgegend,  von  der 
einzelne  Teile   öde,   andere   fruchtbar  und  lieblich   sind. 

Nördlich  von  Medien,  nach  dem  Pontus  Euxinus  (dem  heutigen  Schwar- 
zen Meere)  zu,  lebte  eine  wilde  und  urwüchsige  Völkerschaft,  die  Skythen, 
gegen  deren  furchtbare  Überfälle  die  Meder  beständig  in  Waffen  bleiben 
mußten.  Einer  ihrer  Könige,  Phraortes,  hatte  versucht,  Assurbanapal 
zu  bekämpfen  und  war  in  der  Schlacht  gefallen.  Sein  Sohn  Cyaxares 
(635—584)  rächte  ihn.    Er  hatte  mit  Nabopolassar  Ninive  zu  Fall  gebracht. 

^f        *  Sardanapal   wurde  zum  Gründer  der  ältesten  Bibliothek  der  Welt   zu  Ninive 
mit  22000  Tontafeln.    Vgl.   hier  S.    15   Anm. :   Sven   Hedin  a.  a.   O. 


Ägypten  und  Orient.  27 


Nach  dem  Siege  wurde  das  assyrische  Reich  unter  die  beiden  Sieger 
geteilt,  Nabopolassar  nahm  den  Süden,  d.  h.  Chaldäa  mit  Babylon, 
Cyaxares  den  Norden,  d.  h.  Assyrien  mit  Ninive. 

Dieser  kleine  Mederkönig  Cyaxares  hat  das  außerordentlich  seltene  Glück 
gehabt,  der  Begründer  jenes  gewaltigen  Perserreiches  zu  sein,  das  erst 
durch  einen  Alexander  gestürzt  und  eines  der  mächtigsten  Reiche  in  der 
Weltgeschichte  werden  sollte.  Er  war  überall  siegreich.  Die  drei  Völker, 
die  ihn  umgaben,  wurden  ihm  verbündet  oder  tributpflichtig:  die  Slcythen 
im  Norden,  die  Lyder  im  Westen  und  die  Babylonier  im  Süden. 

Mit  ihm  und  den  Medem  breitete  sich  wieder  eine  neue  Religion  aus, 
als  ob  Asien  an  dem  alten  Aberglauben  noch  immer  nicht  genug  gehabt 
hätte. 

Und  doch  war,  offen  gestanden,  diese  Religion  der  Perser  in  mehr  als 
einer  Hinsicht  den  Religionen  Chaldäas  imd  Syriens  überlegen.  Sie  liatte 
ihren  eigenen  Propheten,  der  ebenso  sagenhaft  war  wie  Moses  und  Buddha 
und  der  wie  sie  mit  den  Mächten  der  Finsternis  zu  ringen  hatte  und  eine 
göttliche  Offenbarung  erhielt,  Zoroaster  oder  Zarathustra.  Das  heilige 
Buch  der  Perser  ist  eine  dickleibige  Sammlung  von  Sagen  und  Lehren, 
das  in  persischer  Sprache  geschriebene  Zend-Avesta,  dessen  verstreute 
Teile  erst  im  6.  Jahrhundert  nach  Christo  gesammelt  worden  sind. 

Obgleich  es  in  der  Lehre  Zoroasters  eine  Unmenge  niederer  Götter 
gibt,  handelt  es  sich  doch  bei  ihr  gleichwohl  um  eine  nahezu  mono- 
theistische, genau  genommen  dualistische  Religion.  Der  große  Meister, 
der  Beherrscher  des  Lichtes  (der  Gott  der  Sonne)  ist  Ormuzd  (der  All- 
wissende), der  Gott  des  Guten  und  Wahren.  Ormuzd  leitet  den  Krieg  der 
guten  Engel  mit  den  bösen  Geistern.  Diese,  die  Anmaßung,  Hunger,  Durst, 
Mord,  böses  Trachten,  verheerendes  Feuer  versinnbildlichen,  haben  zum 
Führer  den  Ahriman,  den  Beherrscher  der  Geister  der  Unterwelt  (Angro- 
meinyus).  Der  Mensch  soll  nun  im  Leben  durch  alle  seine  Taten  zum 
Triumphe  des  Ormuzd  beitragen. 

Ebenso  wie  alle  heiligen  Bücher  enthält  auch  das  Zend-Avesta  Lehren 
der  Ethik.  Es  empfiehlt  Nächstenliebe,  Arbeit  und  Wahrhaftigkeit.  Nach 
ihrem  Tode  vergrößern  die  Guten  das  Heer  des  Ormuzd,  die  Bösen  müssen 
dann  die   Legionen   Ahrimans   verstärken. 

Der  Kultus  für  diesen  Gott,  den  keine  groben  Sinnbilder  veranschau- 
lichen durften,  gestaltete  sich  vor  allem  zu  einem  Feuerkultus.  Jede  bild- 
liche Darstellung  der  Gottheit  war  untersagt.  Auf  den  Höhen  der  Berge 
zündete  man  Feuer  an,  die  nie  ausgehen  durften,  die  aber  umgekehrt  kein 
Erdenwesen  befugt  war,  mit  seinem  unreinen  Atem  anzufachen.    Priester, 


20  iWBw^MHr  Zweites  Buch. 


auch  Magier  genannt,  widmeten  sich  noch  blutjung  diesem  Kultus  und 
standen   einigen  wenigen   Opfern  vor. 

Diese  Religion,  die  nicht  einer  gewissen  einfachen  Vornehmheit  ent- 
behrt, bestand  verschiedene  Jahrhunderte  bis  zur  Eroberung  des  Landes 
durch  die  Moslems.  Auch  dann  verschwand  sie  nicht  ganz.  Die  Verehrung 
des  Zoroaster  und  der  Feuerkultus  haben  sich  bis  heute  bei  den  Parsen 
(auch  Gebern  genannt)  in  Indien  erhalten,  die  die  letzten  Spuren  einer  der 
ältesten  Religionen  der  Menschheit  ehrfurchtsvoll  und  treu  bewahrt  haben. 

Während  Cyaxares  das  persische  Reich  nach  Norden  bis  Kleinasien  hin 
erweiterte,  dehnten  Nabopolassar  und  seine  Nachfolger  das  babylonische 
Reich  nach  Süden  hin  aus.  Sein  Sohn  Nebukadnezar,  den  die  hebräischen 
Sagen  berühmt  gemacht  haben,  war  gleichzeitig  Eroberer  und  Friedens- 
bringer.  Er  ging  mit  dem  Gedanken  um,  Ägypten  an  sich  zu  reißen,  und 
machte  sich  auch  wirklich  einen  Augenblick  an  seine  Eroberung.  Die 
Ägypter  wurden  bei  Gargamisch  besiegt  (604).  Aber  Nebukadnezar  ver- 
zichtete nun  auf  die  Ausnutzung  seines  Erfolges  und  kehrte  nach  Asien 
in  seine  Heimat  zurück,  um  lieber  noch  seine  Reichshauptstadt  Babylon 
zu  vergrößern  und  zu  verschönern. 

Da  entstand  gegen  ihn  ein  Bündnis,  das  zwischen  den  Phöniziern, 
Ägyptern  und  Hebräern  abgeschlossen  wurde  Er  wandte  sich  zuerst  gegen 
die  Hebräer,  seine  nächsten  Nachbarn,  die,  wie  immer,  aufrührerisch  und 
durch  nicht  endenwollende  innere  Zwistigkeiten  zerrissen  waren.  Zedekia, 
der  König  von  Jerusalem,  hatte  sehr  zu  tun;  er  mußte  nicht  bloß  den  König 
von  Assyrien,  sondern  auch  noch  die  Propheten  bekämpfen,  die  in  hoch- 
trabenden, doch  manchmal  erhabenen  Ausdrücken  den  Aufruhr  predigten. 
Der  eine  von  ihnen,  Jeremias,  ist  noch  immer  gefeiert  wegen  seiner  leiden- 
schaftlichen Predigten  vor  der  Schlacht  und  seiner  so  rührenden  Klagen 
nach  der  Einnahme  von  Jerusalem. 

Jerusalem  wurde  in  der  Tat  nach  einer  sich  ein  und  einhalb  Jahre  lang 
hinziehenden  Belagerung  erobert.  Nebukadnezar  ließ  Zedekia  und  die 
Haupträdelsführer  unter  furchtbaren  Foltern  hinrichten.  Die  Stadt  wurde 
zur  Hälfte  dem  Boden  gleichgemacht  und  die  Überlebenden  in  die  Ge- 
fangenschaft geschleppt.  Ohne  Frage  waren  die  armen  Israeliten  nun 
einmal  unfähig,  ihre  Selbständigkeit  für  die  Dauer  zu  behaupten.  Was 
sie  allein  vermocht  haben,  war,  sich  an  Nebukadnezar  im  Andenken  der 
Nachwelt  zu  rächen,  indem  sie  in  ihren  heiligen  Büchern  von  ihm  schrieben, 
daß  er  von  dem  Zorne  des  Höchsten  in  ein  wildes  Tier  verwandelt 
worden  sei. 

Während  der    babylonischen  Gefangenschaft    begannen  die    von    einer 


Ägypten  und  Orient.  29 


Knechtschaft  in  die  andere  fallenden  Israeliten  in  ihrer  Verzweiflung, 
ihrem  Märtyrertum  und  ihrem  Elend  zum  erstenmal  sich  der  späterhin 
so  mächtig  gewordenen  Hoffnung  an  eine  weniger  grausame  Zukunft  und 
dem  Glauben  an  einen  Messias  hinzugeben,  der  sie  dereinst  aus  so  vdel 
Leiden  befreien  und  ihnen  zum  Schlüsse  nach  Jahrhunderten  der  Unter- 
drückung und  Not  nun  auch  etwas  Gerechtigkeit,  Überfluß  und  Freiheit 
bringen   würde. 

Im  Besitze  von  Jerusalem  ging  Nebukadnezar  nun  auch  noch  an  die 
Belagerung  von  Tyrus.  Aber  die  hohen  Mauern  dieser  Stadt  schützten 
sie  gegen  die  Angreifer,  und  so  konnte  sie,  da  die  phönizischen  Schiffe  sie 
andauernd  mit  Mundvorrat  versahen,  auch  nicht  durch  Aushungern  ge- 
nommen werden.  Die  Belagerung  dauerte  volle  dreizehn  Jahre  (574),  ohne 
daß  Tyrus  fiel;  doch  sein  Handel  war  und  blieb  ruiniert,  hatten  sich 
doch  mittlerweile  die  phönizischen  Kolonien  von  der  Mutterstadt  unab- 
hängig gemacht. 

Nebukadnezar  starb  im  Jahre  562  und  hinterließ  die  Königs  würde  seinen 
ohnmächtigen  und  stumpfsinnigen  Nachkommen,  deren  Entthronung  dann 
auch  den  persischen  Eroberern  nicht  schwer  fallen  sollte. 

Der  König  von  Medien  und  Persien,  Astyages,  der  Sohn  des  Nabo- 
polassar,  war  von  einem  seiner  Offiziere  gestürzt  worden,  der  sich  gar 
bald  als  einer  der  fähigsten  Herrscher  Asiens  zeigte;  es  war  dies  Cyrus. 
Damit  folgten  nun  für  immer  den  medischen  die  persischen  Könige,  und 
wurde  Ekbatana  durch  Susa  als  Hauptstadt  ersetzt.  Doch  ist  hierbei  zu 
bedenken,  daß  Perser  und  Meder  fast  derselbe  Volksstamm  sind,  und  man 
so  den  Cyrus  geradezu  als  einen  der  Nachfolger  des  Cyaxares  ansehen  kann. 

Von  da  an  berührt  sich  die  Geschichte  Persiens  eng  mit  der  Griechen- 
lands, und  ein  und  einhalb  Jahrhunderte  lang  wird  die  .Weltgeschichte 
in  einer  Aufzählung  der  verschiedenen  Kämpfe  von  Hellas  mit  Asien  um 
die  Existenz  bestehen. 

Glücklicherweise  hat  das  Hellenentum  gesiegt,  zuerst  unter  Miltiades, 
Themistokles  und  Alexander,  später  unter  Pompejus  und  Trajan.  Europa 
hat  nicht  nur  dem  feindlichen  Einbruch  widerstanden,  sondern  ist  sogar 
selbst  zu  einem  solchen  übergegangen.  Allerdings  sind  fünf  Jahrhunderte 
später  die  Griechen  und  Römer  von  den  Barbaren  des  Islam  wieder  aus 
Asien  verjagt  worden.  Doch  es  war  damals  schon  erfreulicherweise  zu 
spät,  um  nun  noch  die  leuchtende  Fackel  der  Zivilisation  wieder  aus- 
löschen zu  können.  Die  Griechen,  die  die  Erben  der  Völker  Phöniziens 
und  Ägyptens  waren,  und  die  Römer,  die  wieder  die  Erben  der  Griechen 
waren,  hatten  ihr  Licht  über  die  ganze  Welt  zu  verbreiten  gewußt. 


30  Drittes  Buch. 


Drittes    Buch. 

Hellas. 

Wenn  Ägypten  eine  Gabe  des  Nils  ist,  ist  Griechenland  eine  Gabe  des 
Miltelmeeres.  Von  allen  Bergen  der  hellenischen  Halbinsel  ist  das  sie  um- 
gebende entzückende  Meer  sichtbar.  Die  einschnittreichen  Küsten,  die 
Inseln,  die  Vorgebirge,  die  Buchten,  die  zahllosen  natürlichen  Häfen,  alles 
das  wies  Griechenland  auf  die  Ziele  eines  seefahrenden  Volkes  hin.  Nun 
gehen  in  den  alten  Zeiten  die  Wanderungen  und  der  Austausch  von 
Lebensmitteln,  Sprachen  und  geistigen  Gütern  auf  dem  Seewege  vor  sich. 
Eine  höhere  Bildung  findet  sich  nur  an  den  Gestaden  des  Meeres,  und 
Griechenland  ist  ganz  und  gar  als  ein  solches  Gestade,  nämlich  des 
Mittelländischen  Meeres,  anzusehen. 

Ein  prachtvolles  mildes  Klima,  eine  blendende  Beleuchtung,  schmale, 
fruchtbare  Ebenen,  in  denen  Ölbaum,  Weinstock  und  Getreide  gedeihen, 
alles  muß  dort  das  Leben  höchst  reizvoll  machen,  ohne  daß  auf  der 
anderen  Seite  eine  besondere  Anstrengung  erforderlich  ist,  um  etwa 
den  beständigen  Drohungen  einer  feindlichen  Natur  dauernd  erfolg- 
reichen Widerstand  entgegensetzen  zu  können.  Mehr  als  irgendwo  anders 
ist  der  Mensch  in  Griechenland  in  der  Lage,  sich  seinen  Gedanken  nach 
freiem  Belieben  hinzugeben.  Es  kann  uns  darum  nicht  überraschen,  daß 
die  höhere   Bildung  dort  entstanden  ist. 

Andererseits  richten  auch  wohl  die  zahlreichen  kleinen  Erhebungen,  von 
denen  Griechenland  so  dicht  wie  der  Igel  von  seinen  Stacheln  be- 
deckt ist,  die  steilen  und  schroffen  Kaps,  die  seinen  Küsten  die 
zackige  Gestalt  geben,  zwischen  den  einzelnen  Teilen  dieses  so  kleinen 
Ländchens  Schranken  auf,  deren  Überwindung  in  alten  Tagen  so  viel 
Schwierigkeiten  bieten  mußte,  daJß  sich  der  Charakter  seiner  Bewohner 
gar  lange  in  seiner  ursprünglichen  großen  Verschiedenheit  erhalten 
konnte.  Wenn  mehrere  Stämme  eines  und  desselben  Volkes  in  einer 
weiten  Ebene  leben,  mischen  sie  sich  in  einem  Leben  von  farbloser  Ein- 
förmigkeit. Gleiche  Sitten,  gleiche  Überlieferungen,  eine  gleiche  scha- 
blonenhafte Mittelmäßigkeit.  In  dem  kleinen  Griechenland  hingegen 
konnten  benachbarte  Stämme,  die  durch  natürliche  Hindernisse  getrennt 
waren,  die  Selbständigkeit   eines   eignen  Geisteslebens   behaupten.  Thessa- 


Hellas.  3r 

lien,  Attika,  Atollen,   Böotien,   Lakonien  gleichen  sich  einander  so   wenig, 
daß  sie  geradezu  wie  verschiedene  Länder  erscheinen. 

Für  Hellas  war  diese  Verschiedenheit  gleichzeitig  eine  Quelle  der  Kraft 
und  der  Schwäche:  der  Schwäche,  weil  sie  gleich  von  Anfang  der 
griechischen  Geschichte  an  schwere  Kriege,  die  zu  nichts  nütze  waren, 
veranlaßte,  der  Kraft,  weil  die  landschaftUchen  Grenzen  vollständig  für 
sich  abgeschlossene  Provinzen,  man  möchte  sagen,  geradezu  selbständige 
Völker  schufen,  die  es  dadurch  fast  alle  ohne  Ausnahme  ermöglichen 
konnten,  eine  besondere  kräftige  Individualität  zu  entwickeln. 

Griechenland  hat  eine  hervorragende  und  entscheidende  Rolle  in  der 
Entwicklungsgeschichte  der  Menschheit  gespielt.  Kein  Volk  hat  größeren 
Anspruch  auf  ihre  Dankbarkeit  und  sich  echteren  Ruhm  erworben! 

Bis  zum  trojanischen  Kriege  ist  nichts  Genaueres  über  Hellas  bekannt. 
Mit  knapper  Not  und  Mühe  treten  aus  der  Fülle  der  sagenhaften  Helden- 
dichtungen einige  Tatsachen  hervor,  deren  Geschichtlichkeit  noch  nicht 
einmal  ganz  sicher  ist.  Die  Spuren  und  Überlieferungen,  die  uns  in  jenes 
ferne  Zeitalter  zurückführen,  gewähren  uns  nur  unbestimmte  Angaben. 
Wir  erfahren  nur,  daß  die  Phönizier,  die  im  Mittelmeere  Schiffahrt 
trieben,  mit  ihrer  Sprache,  ihrem  Handel,  ihrer  Seemacht  bis  nach 
Kleinasien,  Griechenland  und  Kreta  vorgedrungen  sind. 

Alles  ist  an  dieser  Urgeschichte  sagenhaft  und  ein  einziges  fort- 
laufendes, glänzendes  und  lachendes  Epos.  Die  großen  Männer  der 
alten  Zeiten  sind  zu  Göttern  geworden.  Um  ihre  Heldentaten,  die  Hellas 
die  Kultur  gebracht  haben,  haben  sich  Sagen  gesponnen,  die  sich  nach 
dreitausend  Jahren  die  ganze  Anmut  und  den  ganzen  Zauber  ihrer 
Poesie  erhalten  haben.  Herkules  unermüdlich  in  der  Fortsetzung  seiner 
Arbeiten,  Theseus  als  der  Gründer  Athens,  Jason  als  der  Eroberer 
des  Goldenen  Vließes,  Minos,  Kadmus,  Ödipus,  alle  jene  Helden,  die 
in  die  griechische  Sage  Eingang  gefunden  haben,  sind  schon  möglicher- 
weise aus  der  Geschichte,  aber  jedenfalls  aus  einer  uns  unbekannten 
Geschichte    hervorgegangen. 

Der  trojanische  Krieg  (12.  oder  11.  Jahrhundert)  bezeichnet  den 
Schluß  des  Sagenzeitalters.  Er  wird  uns  von  Homer  in  der  1 1  i  a  s  erzählt. 
Nun  ist  die  Ilias,  die  nur  etwa  hundertfünfzig  Jahre  später  geschrieben 
ist,  als  die  von  ihr  gebrachten  Erzählungen  spielen,  das  älteste  uns  von 
der  Vergangenheit  redende  Buch,  also  das  älteste  Zeugnis  der  Geschichte 
und  auch  gleichzeitig  das  schönste  Werk  der  Dichtkunst.  Sicher  treten 
in  den  Vedas  und  der  Bibel  ebenfalls  manche  wunderlichen  oder  auch 
ernsten   Schönheiten   auf,   aber   weder   die   Vedas   noch   die   Bibel   haben 


32  Drittes  Buch. 


das  helle  und  kräftige  Lachen  des  biederen  Homer.  Alle  literarische 
Begeisterung  stammt  von  diesem  alten  Meister.  Wären  wir  die  Kinder 
der  Hindus  oder  Semiten,  würden  wir  vielleicht  anders  denken.  Der 
menschliche  Geist  hätte  sich  dann  in  anderer  Richtung  entwickelt,  und 
wir  würden  uns  vielleicht  unsere  ganze  Bewunderung  für  die  Verwand- 
lungen des  Wischnu  oder  die  Zornesausbrüche  Jehovas  aufheben.  Aber 
die  Menschheit,  die  das  Schöne  und  das  Wahre,  die  Kunst  und  die 
Wissenschaft  zu  erforschen  suchte,  ist  dem  von  den  Griechen  gegebenen 
Anstoße  gefolgt,  hat  es  aber  verschmäht,  sich  in  den  Abgründen  vedischer 
Sagen  oder  jüdischer  Weissagungen  zu  verlieren,  und  so  ist  das  moderne 
Denken  griechischen  Ursprungs.  Man  kann  durch  die  verschiedenen 
Zeitalter  hindurch,  von  Homer  bis  Äschylus,  von  Äschylus  bis  Vergil, 
von  Vergil  bis  Dante,  von  Dante  bis  Shakespeare,  von  Shakespeare  bis 
Goethe,  von  Goethe  bis  Victor  Hugo  eine  einzige  gerade  Linie  in  der 
Auffassung  des  Schönen,  der  Schönheitsgesetze  verfolgen,  die  sich  durch 
die  Jahrhunderte  fortsetzt. 

Die  II  i  a  s  und  Odyssee  machen  uns*  mit  der  griechischen  Bildung 
des  lo.  Jahrhunderts  bekannt.  Die  Griechen  sind  bereits  ein  in  seiner  Ent- 
wicklung weit  vorgeschrittenes  Volk.  Sie  haben  schon  eine  reich  gegliederte 
Gesellschaft  aufzuweisen  mit  Königen,  Soldaten,  Sklaven,  Handwerkern, 
«iner  Seemacht,  einer  Religion,  Ackerbau  und  Zünften! 

Wenn  auch  das  große  Völkerringen  zwischen  Griechen  und  Trojanern 
unendlich  viel  mehr  von  der  Dichtung  erfundene  Züge  als  solche  ge- 
schichtlicher Wirklichkeit  trägt,  so  bildet  es  doch  das  hervorragende  Er- 
eignis dei   sagenhaften  griechischen  Vorzeit. 

Es  war  das  eine  berühmte  Stadt  in  Kleinasien,  dieses  Troja,  dessen 
König  Priamus,  der  Sohn  des  Dardanus,  war.  Der  schöne  Paris,  einer  von 
Priamus'  Söhnen,  entführte  dem  König  Menelaos  von  Sparta  seine 
Gemahlin  Helena.  Um  Helena  wiederzubekommen  oder  wenigstens  den 
Räuber  zu  strafen,  rüstete  sich  nun  das  gesamte  Griechenland.  Die  vielen 
Fürsten  der  zahlreichen  griechischen  Stämme,  Achilles,  Odysseus,  Ajax, 
Nestor,  Diomedes,  die  armselige  und  winzige  Ländchen  als  Könige  be- 
herrschten, vereinigten  sich  unter  der  Führung  Agamemnons,  der  als 
König  über  all  diesen  Königen  stand,  um  an  der  Spitze  der  griechischen 
Flotte  nach  Kleinasien  zum  Kriege  zu  fahren.  Die  beiden  feindlichen 
Parteien  lieferten  sich  zehn  Jahre  hindurch  unter  den  Mauern  der  Stadt 
gegenseitig  die  heißesten  Schlachten.  Troja,  das  schließlich  imterlag, 
wurde  in  Flammen  gesteckt.  Es  war  der  erste  wirklich  geschichtlich  ver- 
bürgte Zusammenstoß  zwischen  den  Heeresmächten  der  Weltteile  Europa 


Hellas. 


33 


und  Asien  und  der  Anfang  einer  unendlichen  Reihe  von  Kriegen  und 
eines  eifersüchtigen,  furchtbaren  Wettkampfes  zwischen  den  beiden  ge- 
waltigen Nebenbuhlerinnen,  der  sich  durcli  die  ganze  Geschichte  fort- 
setzen sollte    und  auch  heute  noch  immer  nicht  aufgehört  hat. 

Die  Sieger  kehrten  nun,  mit  Sklaven  und  Beute  reich  beladen,  nach 
Griechenland  heim;  aber  für  die  meisten  unter  ihnen  war  diese  Heim- 
kehr von  den  schwersten  Schicksalsprüfungen  begleitet.  Agamemnon  fiel 
in  seinem  eigenen  Palaste  einem  Mordanschlag  zum  Opfer,  und  seine 
Nachkommen,  die  Atriden,  fanden  alle  ein  tragisches  Ende,  mit  dem 
sie  sich  in  der  Weltliteratur  verewigt  haben,  die  darin  zu  allen  Zeiten 
ein  hervorragend  wirksames  und  berühmt  gewordenes,  ganz  besonderes 
Lieblingsmotiv  für  ihre  dramatischen  Schöpfungen  fand. 

Odysseus,  der  König  von  Ithaka,  sah  sein  Reich  erst  nach  den  mannig- 
faltigen Abenteuern  eines  zehnjährigen  Umherirrens  auf  der  See  wieder. 
Homer  hat  diese  Irrfahrt  des  Odysseus  besungen.  Die  Odyssee  ist 
eine  ebenso  schöne  Dichtimg  wie  die  1 1  i  a  s ,  und  die  Abenteuer  des 
Odysseus  sind  nicht  weniger  ergreifend  als  der  Zorn  des  Achill. 

Wenn  wir  der  Überlieferung,  die  auf  reiner  Einbildung  des  Vergil 
beruht,  Glauben  schenken  dürften,  ist  in  ähnlicher  Weise  auch  einer 
der  Trojaner,  Äneas,  vor  den  eindringenden  siegreichen  Feinden  geflohen, 
um  in  der  Ferne  gastlichere  Gestade  zu  suchen.  Bis  zur  Erreichung 
seines  Zieles  wurde  er  noch  längere  Zeit  in  Afrika,  zu  Byrsa  (Karthago), 
einer  phönizischen  Kolonie,  aufgehalten,  bis  er  schließlich  in  Italien 
anlangte,  um  hier  die  erste  Grundlage  zu  dem  dereinstigen  römischen  Welt- 
reiche zu  legen.  Die  Geschichte  des  Äneas  ist  der  Gegenstand  der 
Äneis,  jener  wunderbaren  Schöpfung  des  römischen  Dichters  Vergil.  die 
man  auch  neben  der  Ilias  eines  Homer  durchaus  mit  Ehren  erwähnen 
darf.  Doch  ist  die  ganze  schöne  Dichtung  nichts  weiter  als  bloß  ein 
Roman. 

Vom  9.  bis  zum  11.  Jahrhundert  wurden  der  Peloponnes  und  Attika 
von  Einfällen  heimgesucht,  die  von  den  Doriern  ausgingen,  einem 
Stamme,  der  aus  den  Bergen  Thessaliens  kam.  Es  war  das  mehr  eine 
Einwanderung  als  eine  Eroberung,  mehr  ein  Krieg  im  Innern  als  ein 
auswärtiger  Krieg,  sprachen  doch  die  Dorier  gleichfalls  das  Griechische 
und  rühmten  sich  ebenso  Hellenen  zu  sein  wie  die  andern. 

Von  den  wirren  Kämpfen,  die  sich  jetzt  zwischen  Doriern  und  Ächäem 
entspannen,  ist  recht  wenig  bekannt;  auch  über  die  Rolle,  die  die  Jonier, 
die  Nachkommen  der  Inselbewohner  des  Ägäischen  Meeres,  dabei  gespielt 
haben  sollen,  wissen  wir  nicht  mehr  viel.  Eins  ist  sicher:  in  jener  Zeit 
3  Richet,  Oeschichte  der  Menschheit 


34  Drittes  Buch. 


war  es,  wo  sich  die  Dorier,  ein  Stamm  von  Kriegern  und  Bauern, 
im  Peloponnes  festsetzten  und  die  Jonier,  diese  geborenen  Kaufleute  und 
Seemänner,  Attika  in  Besitz  nahmen,  um  sich  von  hier  aus  immer  weiter 
über  Kleinasien,  die  griechische  Inselwelt,  die  syrische,  ägyptische  und 
sizilische  Küste  auszubreiten. 

Da  trat  Lykurg  auf  (834),  der  königliche  Gesetzgeber,  der  weder  allein 
der  Geschichte  noch  allein  der  Sage  angehört.  Durch  ihn  wurde  Sparta 
(auch  Lazedämon  genannt)  eine  kräftige  Verfassung  zuteil,  die  nahezu 
fünf  Jahrhunderte  bis  zur  römischen  Eroberung  unverändert  bestanden  hat. 

Sparta  wurde  in  erster  Linie  Oligarchie,  ganz  und  gar  Oligarchie.  Die 
dorischen  Eroberer  (die  eigentlichen  Spartiaten)  erhielten  allein  staatlicha 
Rechte.  Die  Lakonier  oder,  mit  anderen  Worten,  die  Besiegten,  wurden 
die  an  die  Scholle  gebundenen  Leibeigenen.  Sie  bebauten,  bearbeiteten 
den  Boden  für  ihre  Herren.  Es  waren  die  Heloten,  die  mit  jemer 
Verachtung  behandelt  wurden,  die  die  Eroberer  stets  gegen  die  nieder- 
geworfenen Volksmassen  und  ebenso  die  Soldaten  stets  gegen  die  ar- 
beitende Bevölkerung  beseelt.  Zwischen  den  Heloten  und  den  Spartiaten 
stand  eine  Mittelschicht,  die  in  den  Städten  Lakoniens  verstreuten  Pe- 
riöken,  persönlich  freie,  doch  bürgerlich  unfreie  Männer.  Zwei  Könige;, 
die  im  übrigen  jeder  tatsächlichen  Macht  entbehrten,  hatten  den  Rat 
I  der  Alten  (Gerusia,  Senat)  und  die  Volksversammlung  (Halia)  zu  leiten  und 
ihrer  beider  Befehle  auszuführen.  Es  steckt  also  schon  in  dieser  altertüm- 
lichen Form  der  Anfang  zu  einer  parlamentarischen  Regierung.  Die  Rolle 
unserer  heutigen  Minister  spielten  die  Ephoren  (Aufseher).  Mächtiger  als 
die  Könige,  mußten  sie  indessen  gleichwohl  den  von  dem  Senat  erlassenen 
Gesetzen  gehorchen.  Die  Volksversammlung  hatte  kaum  ein  weiteres 
Recht,  als  bei  einer  eintretenden  Vakanz  den  neuen  Senator  zu  be- 
stimmen, der  ernannt  werden  sollte. 

Lykurg  und  den  ältesten  Gesetzgebern  Lazedämoniens  hat  als  Ziel  vor- 
geschwebt, das  ganze  Werk  der  Erziehung  einzig  und  allein  der  Ver- 
teidigung des  Vaterlandes,  nicht  etwa  des  gemeinsamen  griechischen 
Vaterlandes,  sondern  nur  des  eignen  Ländchens  Sparta,  anzupassen. 
Die  schmächtigen,  schwachen  und  mißgestalteten  Kinder  wurden  aus- 
gemerzt. Die  anderen  erfuhren  eine  strenge  und  harte  Behandlung,  die 
sie  Hitze  und  Kälte,  Hunger  und  Müdigkeit,  ohne  nur  irgend  zu  murren, 
ertragen  lehrte.  Kein  Familienleben.  Schon  in  einem  Alter  von  acht 
Jahren  erhielten  alle  Kinder  eine  gemeinsame  Erziehung  und  wuchsen 
in  vollkommenem  Kommunismus  auf.  Künste,  Handel,  Ackerbau  wurden 
verschmäht.     Die  einzige  Sorge  bestand  darin,  starke,  geschulte,  tapfere 


Hellas.  35 

und  unermüdliche  Kämpfer  heranzubilden.  Auch  die  jungen  Mädchen 
gingen  nur  leicht  bekleidet  und  waren  einer  ebenso  rauhen  Erziehung 
unterworfen  wie  die  jungen  Männer,  und  von  den  Frauen  wurde  nichts 
anderes  verlangt,  als  tüchtige  Krieger  zur  Welt  zu  bringen. 

Für  die  Dichtkunst  hatten  sie  wenig  Verständnis  und  nur  allein  für 
Kampfeslieder  Sinn,  die  Verachtung  des  Todes,  Liebe  zum  Staat  und 
Haß   gegen  den   Feind  einflößten. 

Alles  in  allem  ist  die  Vaterlandsliebe,  die  die  Spartaner  gehabt  haben 
und  die  darin  besteht,  Arbeit  zu  fliehen,  Kunst  zu  verschmähen,  Wissen- 
schaft zu  verachten  und  Mitleid  zurückzuweisen,  doch  nur  eine  sehr 
enge  und  wohl  kaum  eine  solche  Gesinnung,  der  wir  eine  besondere 
Hochachtung   abgewinnen   müßten, 

Sparta  war  gewissermaßen  das  in  dem  Peloponnes  aufgeschlagene 
Kriegslager,  das  die  Bestimmung  hatte,  ganz  Griechenland  in  Waffen 
zu  halten.  Trotzdem  hat  es  im  Kampf  mit  den  Persern  im  wesentlichen 
nur  eine  zweite  Rolle  gespielt;  denn  hierbei  fällt  die  Hauptehre  Athen 
zu.  Zudem  hat  Sparta  damals  keine  großen  Dichter,  Künstler,  Gelehrte 
und  Philosophen,  wie  seine  ruhmvolle  Nebenbuhlerin,  hervorgebracht. 
Vergebens  müht  man  sich,  seine  strengen  Sitten  und  seine  Verachtung 
alles  Aufwandes  und  Prunkes  zu  rühmen,  vergebens  führt  man  einige 
hervorragende  Züge  edelsten  kriegerischen  Heldenmutes  an;  es  bleibt 
trotz  alledem  auf  den  Spartanern  die  unsühnbare  Schuld  lasten,  daß  sie 
es  gewesen  sind,  die  die  langjährigen  Bürgerkrie§;e  hervorgerufen  haben, 
an  denen  Griechenland  schließlich  z:ugrunde  gegangen  ist.  Sparta  ist 
es  gewesen,  das  der  erhabenen  Entwicklung  Attikas  in  ihrem  Sieges- 
laufe ein  Halt  zugerufen  hat:  es  war  der  böse  Geist  Griechenlands. 

Dem  8.  Jahrhundert  sollte  es  vorbehalten  bleiben,  Griechenland  seine 
nationale  Einheit  zu  schenken.  Eine  sonderbare  Einheit,  die  fortwährende 
Kriege  mit  Blut  befleckten.  Aber  diese  Kämpfe  ließen  trotz  mancher 
heftiger  Leidenschaftsausbrüche  und  grausamer  Niederwerfungen  derselben» 
keine  dauernden  Gefühle  des  Hasses  zurück.  Das  gemeinsame  Band 
der  Sprache  und  Religion  gab  allen  diesen  so  verschiedenen  Stämmen 
auch  ein  gemeinsames  Vaterland.     Hier  die  Hellenen,  dort  die  Barbaren. 

Zu  jener  Bildung  der  griechischen  Nationalität  trug  auch  zu  einem 
guten  Teile  die  Einrichtung  der  olympischen  Spiele  bei,  die,  wenn  auch 
wohl  weit  älter,  erst  von  dem  Jahre  776  an  so  recht  bekannt  waren  und 
bald  eine  derartige  Bedeutung  gewonnen  hatten,  daß.  sie  zur  Be- 
stimmung der  griechischen  Zeitrechnung  dienen  mußten.  Sie  wurden 
alle  vier  Jahre  gefeiert,  und  so  bildete  dieser  Zeitraum  eine  Olympiade. 
3« 


36  Drittes  Buch. 


Die  erste  Olympiade  umfaßte  die  Jahre  776—773.    Diese  Art  der  Zählung 
verschwand  erst  mit  dem  Aufkommen  der  christlichen  Zeitrechnung. 

Jedes  vierte  Jahr  also  versammelten  sich  die  griechischen  Bürger 
nicht  etwa  bloß  aus  Griechenland  selbst,  sondern  auch  aus  allen  übrigen 
Teilen  der  griechischen  Welt,  Kleinasien,  Sizilien,  Großgriechenland, 
Kyrenaika  in  Elis  (auch  Olympia  genannt),  in  der  gleichnamigen 
griechischen  Landschaft  im  nordwestlichen  Peloponnes.  Dort  stand  der 
Tempel  des  olympischen  Zeus  (5.  Jahrhundert).  Den  Spielen  gingen 
glänzende  religiöse  Festlichkeiten  voran,  die  Züge  einer  eigentümlichen 
erhabenen  Schönheit  zeigten,  denen  aber  jedes  nur  irgend  verschwommene 
und  geheimnisvolle  pietistische  Gefühl  fehlte. 

Die  Spiele  währten  fünf  Tage.  Eine  unzählige  Menge  wohnte  bei, 
die  von  den  Stufen  des  Stadion  mit  leidenschaftlicher  Teilnahme  den 
einzelnen  Wendungen  der  Wettkämpfe  folgten;  diese  bestanden  in 
Wagenrennen,  Wettlaufen,  Ringkampf,  Faustkampf,  Diskuswerfen,  Speer- 
werfen, lauter  körperlichen  Übungen,  die  ebensoviel  Aufwand  von  Kraft 
wie  Geschicklichkeit  verlangen.  Es  galt  als  ein  hervorragender  Ruhm, 
in  den  olympischen  Spielen  einen  Preis  davonzutragen.  Pindar  (521  bis 
441)  hat  ausschließlich  Dichtungen  zur  Feier  dieser  Sieger  geschrieben. 
Auch  noch  nach  der  Vernichtung  der  griechischen  Freiheit  hat  der 
römische  Kaiser  Nero  Wert  darauf  gelegt,  sich  die  Ehren  des  so 
viel    beneideten  Triumphes  zuerkennen  zu  lassen. 

Die  Frauen  hatten  lycht  das  Recht,  diesem  Schauspiel  beizuwohnen; 
man  hielt  sie  dessen  nicht  für  würdig. 

Die  Sorge  für  einen  kräftigen  und  schönen  Körper  beherrscht  die 
ganze  griechische  Erziehung.  Sicher  hat  es  etwas  Übertriebenes,  den 
Turner,  der  am  schnellsten  gelaufen  ist,  den  Kraftkünstler,  der  das 
schwerste  Gewicht  gehoben  hat,  den  Diskuswerfer,  der  den  Diskus  mit 
der  größten  Wucht  geschleudert  hat,  wie  einen  Helden  zu  ehren;  aber 
vielleicht  legt  unsere  überfeinerte  Bildung  mit  einer  gewissen  Voreinge- 
nommenheit ein  zu  geringes  Maß  von  Wertschätzung  für  Muskelstärke 
und  Körpergewandtheit  an  den  Tag. 

Übrigens  war  es  von  vornherein  ausgeschlossen,  daß  irgendwelcher 
schnöde  Bestechungsversuch  diese  Wettkämpfe  entweihen  konnte.  Die 
Sieger  bekamen  weiter  nichts  als  einen  Kranz  von  Ölzweigen. 

Die  Zusammenkünfte  in  Olympia  gaben  dem  griechischen  Volke  erst 
das  notwendige  Selbstbewußtsein  und  einen  gewissen  berechtigten  National- 
slolz,  wodurch  es  sich  allerdings  nicht  zurückhalten  ließ,  sich  im  Bürger- 
kriege gegenseitig  zu  zerfleischen.    Aber   vor  dem  Auslande   fanden   die 


Hellas.  37 

Griechen  bisweilen  ihre  Einheit  und  die  Liebe  zu  ihrem  edlen  Vater- 
lande wieder,  gleichviel,  ob  jenes  unter  der  Führung  eines  Darius,  eines 
Xerxes  oder  Philipp  von  Mazedonien  stand. 

Während  die  Dorier  unter  dem  Namen  Spartaner  ihre  Tyrannen- 
herrschaft im  Peloponnes  mit  den  Waffen  aufrichteten,  suchten  die 
anderen  Hellenen  zu  Korinth,  Argos,  Megara,  Athen,  Theben  ihren  Handel 
imd  ihre  Seemacht  auszubreiten.  Im  8.  und  7.  Jahrhundert  gründeten 
sie  in  der  ganzen  östlichen  Hälfte  des  Mittelmeeres  Niederlassungen. 
Dieses  entzückende  Meer,  die  Wiege  der  zivilisierten  Menschheit,  ent- 
wickelte sich  damals  ganz  richtig  zu  einem  griechischen  Binnensee.  Die 
griechischen  Schiffer  besuchten  alle  seine  Gestade.  Bis  ins  Schwarze 
und  bis  ins  Illyrische  Meer  brachten  die  Schiffe  auch  Kaufleute  und 
Ansiedler.  Damals  wurden  Byzanz  am  Bosporus,  Chersonesos  auf  der 
Krim,  Phokäa  (das  heutige  Marseille)  in  Gallien  gegründet.  Kleinasien 
(Ephesus  und  Milet),  Unteritalien  (Tarent  und  Cumä)  wurden  eine  Art 
von  griechischen  Provinzen,  allen  voran  Sizilien,  wo  bald  blühende  Städte 
wie  Syrakus,  Catania,  Agrigent  erstanden,  die  ihre  Mutterstädte  noch  an 
Macht  überholten. 

Doch  es  gibt  kein  griechisches  Weltreich;  denn  alle  diese  Städte  sind 
unabhängig,  wachen  eifersüchtig  über  ihre  Vorrechte  und  kämpfen  aufs 
heftigste  miteinander  um  die  Macht.  Gleichwohl  sprechen  alle  diese 
Menschen  ein  und  dieselbe  geschmeidige,  wohlklingende  und  reiche 
Sprache,  die  sich  über  alle  Küstenländer  derart  ausbreitet,  daß  nicht 
einmal  ihre  Kriege  den  Griechen  ihre  Zugehörigkeit  zum  gleichen  Volks- 
tum rauben  konnten. 

Und  dann  hatten  sie  ihr  dauerndes  Einigungsband  in  ihren  olym- 
pischen Spielen  und  ihrer  Religion.  So  oft  sie  nur  ein  neues  Unternehmen 
planten,  gingen  sie  nach  Delphi  am  Fuße  des  phokischen  Gebirges,  um 
den  Orakel  spendenden  pythischen  Apollo  zu  befragen.  In  Delphi  hatten 
die  Priester  unermeßliche  Reichtümer  aufgehäuft,  die  kein  Ungeweihter 
berühren  dvu-fte.  Bei  den  großen  Feierlichkeiten  zu  Olympia  drängten 
sich  die  Griechen  in  die  Vorhöfe  und  Säulenhallen  des  Tempels  des 
Olympischen  Zeus,  um  ihrem  Schutzgotte  Zeus,  dem  Vater  der  Götter 
und   Menschen,   zu   huldigen. 

Solon  wurde  Athens  Gesetzgeber,  wie  Lykurg  der  Gesetzgeber  Spartas 
gewesen  war.  Obwohl  ihn  sein  Werk  nicht  ohne  manche  zeitgemäße 
kleine  Abänderung  für  die  Dauer  zu  überleben  vermochte,  übte  es  doch 
einen  sehr  beträchtlichen  Einfluß    auf  das  Verfassungsleben  Athens  aus. 

Im   6.   und    5.   Jahrhundert   ist   Athen   die    uneingeschränkteste    Demo- 


38  Drittes  Buch. 


kratie,  aber  bei  aller  Demokratie  eine  Oligarchie,  ßieses  Staatsgebäude 
freiheitlicher  und  fortschrittlicher  Entwicklung  (reich  an  Wandlungen, 
wie  alles  Entwicklungsfähige,  das  es  nur  geben  kann)  war  sämtlichen 
bisherigen  von  Menschen  eingerichteten  Verfassungsgemeinschaften  über- 
legen. 

Doch  einer  der  dunkelsten  Punkte  darin  ist  die  Sklaverei,  bei  allem 
Glänze  ein  Krebsschaden,  besonders  wenn  der  Sklave  nicht  etwa  ein 
minderwertiges  .Wesen  ist  wie  der  Neger,  sondern,  'von  ebenso  edlem 
Blute  wie  sein  Herr,  der  Staatsangehörige.  Der  Unglückliche  ist  nur 
Sklave,  weil  er  im  Kriege  besiegt  worden  ist.  Jede  im  Kriege  eroberte 
Stadt  wird  geplündert  und  in  Brand  gesteckt,  und  ihre  Bewohner  in  die 
Sklaverei  geführt.  In  den  alten  Zeiten  vielleicht  noch  mehr  als  in  den 
neueren  ist  der  Krieg  der  große  Übeltäter  der  Menschheit.  Dem  Sklaven 
fehlt  jedes  schützende  Recht,  sein  Herr  kann  ihn  verkaufen,  foltern, 
töten,  ohne  sich  irgendwie  verantworten  zu  brauchen,  als  ob  so  ein 
Mensch  dadurch,  daß  er  besiegt  worden  ist,  nun  auch  zugleich  seine 
Menschenwürde  einbüßen  kann  und  nichts  mehr  zu  erhoffen  hat,  weder 
Mitleid  noch  Gerechtigkeit. 

Aber  wir  kommen  über  dieses  traurige  Bild  leicht  hinweg,  wenn  wir 
die  glänzende  Entwicklung  der  athenischen  Demokratie  betrachten.  Alle 
Bürger  ohne  Ausnahme  sind  Soldaten,  alle  Richter;  alle  nehmen  an  den 
öffentlichen  Angelegenheiten  teil.  Das  Volk  versammelt  sich  in  der  Agora, 
und  die  Beschlüsse  der  Volksversammlung  (Ekklesia)  werden  mit  Stimmen- 
mehrheit gefaßt,  nachdem  alle  Ansichten  frei  erörtert  worden  sind.  Dem 
Beredtesten  und  Gewandtesten  gelingt  es,  die  Menge,  die  sich  lärmend, 
tosend  und  stürmend  um  ihn  drängt  und  den  Verhandlungen  mit  Eifer  folgt, 
zu  seiner  Ansicht  hinüberzuziehen.  Die  Geschäfte  werden  von  einem  Rate 
(Bule)  von  fünfhundert  jedes  Jahr  von  neuem  durch  das  Los  bestimmten 
Mitghedern  vorbereitet  und  vollzogen,  und  jeder  Bürger  ist  zur  Teilnahme 
am  Rate  berechtigt.  An  der  Spitze  der  Regierung  steht  weder  ein  König 
noch  ein  Präsident,  sondern  neun  vom  Rate  gewählte  Archonten,  die  immer 
wieder  vor  dem  Volke  von  ihren  Amtshandlungen  Rechenschaft  abzulegen 
haben.  Ihr  Amt  ist  also  höchst  unsicher;  denn  die  Gunst  der  Masse  ist 
schwankend;  zu  den  gewagtesten  Unternehmimgen  bereit,  verliert  sie  bei 
den  ersten  Mißerfolgen  sofort  allen  Mut;  tiefes  Mißtrauen  beseelt  sie  gegen 
Autorität  in  jeder  Form,  und  wenn  ein  Redner  nicht  ihren  Leidenschaften 
schmeichelt,  will  sie  nichts  mehr  von  ihm  wissen  und  verbannt  ihn  sogar  bis- 
weilen. 

Mitten  unter  diesen  von  den  Sklaven  bedienten  freien  Bürgern  lebten 


Hellas.  39 

die  Fremden,  die  zwar  ihrer  Mehrzahl  nach  auch  Griechen  waren,  aber 
nicht  die  Ehre  hatten,  Bürger  zu  sein.  Das  Bürgerrecht  war  ein  den  Athe- 
nern allein  vorbehaltenes  Privileg. 

Die  Frauen  hatten  bei  den  Griechen  in  der  Öffentlichkeit  so  gut  wie 
nichts   mitzusprechen;    sie   blieben   in  ihr    Frauengemach   eingeschlossen. 

Diese  athenische  Demokratie,  die  für  Schönheit  und  Beredsamkeit 
schwärmte,  nach  Ruhm  mehr  verlangte  als  nach  Geld  und  von  stolzem 
Selbstbewußtsein  und  glühender  Freiheitsliebe  erfüllt  war,  bleibt  trotz  aller 
ihrer  Torheiten  und  Mängel  doch  für  alle  Zeit  eine  der  erhabensten  Formen 
menschlicher  Gesittung. 

Von  den  ersten  Abschnitten  ihrer  Geschichte  an  haben  die  Griechen 
mit  den  Barbaren  ringen  müssen.  Schon  im  homerischen  Zeitalter  Vikaren 
Griechen  und  Barbaren  in  Kleinasien  zusammengestoßen;  denn  Kleinasien 
ist  der  Weg,  den  genau  ebenso  die  Asiaten  wählen  müssen,  um  nach  dem 
Abendlande  zu  gelangen,  wie  die  Völker  des  Nordens,  um  nach  Süden 
hin  auszuwandern.  So  waren  es  denn  auch  die  der  hellenischen  Halbinsel 
so  nahen  Küsten  Kleinasiens,  nach  denen  die  Griechen,  wenn  es  ihnen  in 
ihrem  kleinen  Ländchen  zu  eng  wurde,  vor  allem  ihre  Schiffe  lenkten. 

Während  die  Griechen  die  Küsten  kolonisierten,  siedelten  sich  die 
Asiaten  selbst  mehr  und  mehr  in  den  Gebirgsländern  an,  die  in  der  Mitte 
dieses  gewaltigen  Erdteiles  zu  finden  sind*  Diese  ganze  älteste  Geschichte 
ist  verworren  und  dunkel.  Man  weiß  nur,  daß  die  Kimmerier  von  Norden 
her  über  den  Bosporus  fuhren  und  sich  auf  der  Halbinsel  festsetzten,  um 
sich  mit  der  Seebevölkerung  der  Küste  und  der  Gebirgsbevölkerung  des 
Innern  zu  verschmelzen  und  in  sie  aufzugehen.  Wenn  man  der  Sage 
Glauben  schenken  darf,  ist  dieser  ganze  Landstrich,  das  spätere  Königreich 
Lydien,  nach  manchen  Wechselfällen  unter  die  Herrschaft  eines  gewissen 
allmächtigen  Königs  Gyges,  eines  Halbgriechen,  gekommen,  dessen  Namen 
die  Dichtung  mit  dem  Schleier  so  mancher  ihrer  märchenhaften  Erzäh- 
lungen umsponnen  hat  (716 — 668). 

Die  Nachfolger  dieses  Gyges  führten  fast  ein  Jahrhundert  lang  einen 
schließlich  zum  Erfolge  führenden  Kampf  mit  den  hellenischen  Kolonien. 
Es  gelang  ihnen,  im  Osten  ihre  Unabhängigkeit  den  Medern  gegenüber 
und  im  Westen  ihre  Gewaltherrschaft  den  kleinasiatischen  Griechen  gegen- 
über aufrechtzuerhalten.  Sardes  wurde  die  Hauptstadt  dieses  ebenso  ver- 
gänglichen wie  mit  Schätzen  und  Gütern  gesegneten  lydischen  Reiches. 
Sein  letzter  König,  unter  allen  der  mächtigste,  reichste  und  berühmteste, 
war  Krösus  (561 — 546).  Dieser  asiatische  König  war  keineswegs  ein  Feind 
der   Griechen.    Er   gab   den   Delphiern  gewaltige   Summen^   nahm   Solon 


4o  Drittes  Buch. 


wohlwollend  auf  und  richtete  ein  einheitliches  Münzsystem  ein.  Man  kann 
wirklich  nicht  recht  sagen,  ob  er  Barbar  oder  Hellene  zu  nennen  war; 
die  staatlichen  Grenzen,  die  die  Völker  und  Menschen  trennen,  sind  immer 
nur  künstliche. 

Aber  die  Macht  des  Krösus  erreichte  auch  einmal  ihr  Ende.  Wie  ihm 
der  weise  Solon  einst  ganz  gerade  herausgesagt  hatte,  wissen'  auch  die 
glücklichsten  unter  den  Menschen  bis  zu  ihrer  letzten  Stunde  nie,  welchen 
düsteren  Unglücksfällen  sie  noch  einmal  in  ihrem  Leben  ausgesetzt  sein 
können.  Auch  Krösus  wurde  von  dem  Perserkönig  Cyrus  besiegt  (546), 
und  Lydien  wurde  eine  Satrapie  des  riesenhaften  Perserreichs.  ^ 

Cyrus  (589 — 529)  ist  einer  jener  siegreichen  Krieger,  die  die  Geschichte 
wie  Halbgötter  feiern  zu  müssen  glaubt.  Sogar  sein  Andenken  in  der 
Nachwelt  hat  das  unerdenkliche  Glück  gehabt,  daß  ein  weiser  Schüler  des 
weisen  Sokrates,  Xenophon  (430 — 354)  ihn  sogar  noch  in  seiner  Cyro- 
p  ä  d  i  e  als  ein  Muster  vorzuschlagen  gewagt  hat.  Er  hatte  ein  weites 
Reich  erobert,  das  sich  über  Babylonien,  Baktrien,  Mesopotamien  und  ganz 
Mittelasien  ausdehnte.  In  der  Zeit  war  es,  wo  Krösus  versuchte,  sich  ihm 
entgegenzustellen;  doch  vergeblich.  Krösus  wurde  bei  Tymbräa  vernich- 
tend geschlagen  (548).  Als  Herr  von  Lydien  wurde  der  große  König 
Cyrus  der  unmittelbare  Nachbar  der  Griechen.  Er  selbst  maß  sich  mit 
ihnen  nicht,  doch  seine  Erben  sollten  noch  erleben,  wie  die  asiatische 
Riesenmacht,  die  bisher  in  ihrer  Siegeslaufbahn  nichts  gehemmt  hatte,  vor 
dem  winzigen  Europa  zusammenbrach. 

'Nach  Lydien  nahm  Cyrus  vom  kleinasiatischen  Festlande  alles,  was  noch 
sonst  zu  nehmen  war.  D4e  Völker  trachteten  förmlich  nach  nichts  anderem, 
als  gehorchen  zu  dürfen,  derart,  daß  ein  tatkräftiger  Anführer  an  der  Spitze 
einiger  weniger  entschlossener  Krieger  sicher  sein  konnte,  keifien  Wider- 
stand zu  finden.  Syrien,  Phönizien,  Palästina,  ja  sogar  Arabien  und  ein 
Teil  Indiens  fielen  als  leichte  Beute  dem  Eroberer  in  die  Hände.  Das 
Perserreich  ging  jetzt  vom  Indus  bis  zum  Bosporus,  vom  Kaukasus  bis 
zum  Berge  Sinai. 

Die  Nachfolger  des  Cyrus,  sein  Sohn  Kambyses  (529 — 522)  und  Darius  I. 
(521 — 485),  setzten  dieselbe  Angriffspolitik  nur  noch  in  verstärktem  Maße 
fort.  Kambyses  erlitt  eine  Niederlage,  die  er  den  Sandwüsten  Ägyptens 
verdankte,  aber  Darius  war  in  seinen  Kriegen  glücklicher. 

In  dem  Augenblick,  wo  der  erste  Perserkrieg  seinen  Anfang  nahm,  be- 
herrschte dieser  Fürst  ein  unermeßliches  Reich,  besaß  er  fabelhafte  Reich- 
tümer, verfügte  er  über  Heere  ohne  Zahl,  und  kein  Hindernis  trat  seiner 
Herrschsucht  in  den  Weg. 


Hellas.  4l 

Der  Kampf  begann  in  Kleinasien.  Milet,  eine  herrliche,  rein  griechische 
Sladt,  wurde  im  Sturme  genommen  und  vernichtet  (495);  und  da  immer 
durch  den  Gang  der  Ereignisse  eine  Eroberung  die  andere  nach  sich  zieht, 
so  strebte  auch  Darius,  nach  den  asiatischen  Griechen  auch  noch  die 
europäischen  zu  unterwerfen.  Er  schickte  Gesandte  nach  Athen  und 
Sparta,  um  die  Unterwerfung  zu  verlangen;  die  Spartaner  warfen  in  ihrer 
Entrüstung  statt  jeder  Antwort  die  Boten  des  persischen  Großkönigs  in 
einen  Brunnen. 

Darius  rüstete  sich  nun  zu  einem  gewaltigen  Feldzuge  (493).  Während 
ein  Landheer  in  Thrazien  einfiel  und  dort,  noch  ehe  es  in  den  Kampf  kam, 
zugrunde  ging,  setzte  die  persische  Flotte,  nach  der  offenbar  stark  über- 
triebenen Angabe  der  griechischen  Geschichtschreiber,  hunderttausend 
Soldaten  in  der  Ebene  von  Marathon,  das  nur  wenige  Kilometer  von  Athen 
liegt,  an  Land  (490). 

Marathon!  Welch  ein  rühmliches  Blatt  in  der  Geschichte!  Und  wenn 
diese  Schlacht  unter  allen  so  hervorragt,  so  liegt  das  weder  an  der  Kunst  der 
Heeresführung  noch  an  der  Menge  der  Kämpfer,  noch  auch  an  der  An- 
zahl der  Gefallenen,  sondern  vielmehr  daran,  daß  sie  für  immer  als  ein 
Sinnbild  echten  Soldatenmutes  gelten  wird,  und  zwar  des  einzigen,  den  man 
zu  verherrlichen  berechtigt  ist,  und  das  ist  allein  der  freier  Männer,  die  für 
die  Freiheit  ihres  Vaterlandes  kämpfen. 

Nun  wies  in  jenen  Tagen  das  griechische  Vaterland  alles  auf,  was  nur 
irgendwie  an  Schätzen  der  zukünftigen  Menschheit  vererbt  werden  mochte. 
Die  düstere  Tyrannei  der  assyrischen  Satrapen  drohte  der  Schönheit  und 
Wahrheit,  die  Griechenland  und  Europa  zu  verteidigen  hatten.  Als  der 
athenische  Feldherr  Miltiades  die  orientalischen  Horden,  die  seine  Vater- 
stadt in  Brand  stecken  wollten,  ans  Meer  zurückwarf,  ist  er  der  Retter 
der  Welt  geworden  und  seine  Soldaten  die  Vorkämpfer  aller  zukünftigen 
Zivilisation. 

Der  große  König  ertrug  sein  Geschick  mit  Ungeduld;  er  starb,  während 
er  noch  mit  der  Vorbereitung  eines  Rachefeldzugs  beschäftigt  war  (485).. 

Diesen  führte  dann  sein  Sohn  Xerxes  aus,  der  ihn  selbst  leitete  (zweiter 
Perserkrieg).  Eine  Schiffsbrücke  wurde  über  den  Hellespont  geschlagen, 
und  eine  Million  Bewaffneter  —  immer  nach  den  uns  allein  überlieferten, 
sehr  übertriebenen  Schätzungen  von  griechischer  Seite  —  kam  zu  dem  euro- 
päischen Festlande  hinüber;  ein  buntes  Gemisch  aller  möglichen  asiatischen 
Völkerschaften,  eine  von  einem  rasenden  Despoten  zu  Zerstörung  und  Ver- 
wüstung geführte  Sklavenschar.  Die  Geschichte  sollte  uns  noch  oft  ein  der- 
artiges schon  Unheil  vorausverkündendes  Schauspiel  vor  Augen  führen. 


42  Drittes  Buch. 


Die  Griechen  konnten  sich  auch  dem  gemeinsamen  Feinde  gegenüber 
nicht  sämtlich  einen.  Sparta  und  Athen  bheben  im  Kampfe  mit  den  Bar- 
baren fast  allein;  aber  sie  taten  darum  doch  ihre  Pflicht. 

Um  von  dem  gebirgigen  Thessalien  in  das  eigentliche  Griechenland 
hineinzugelangen,  muß  man  über  den  Engpaß  der  Thermopylen.  Im 
•Westen  unübersteigbare  Berge,  im  Osten  das  Meer  mit  seinen  unmittelbar 
zu  ihm  hinabführenden  schroffen  Felsen.  Dort  war  es,  wo  Leonidas  und 
300  Spartaner  die  sich  nach  Griechenland  ergießenden  Fluten  der  per- 
sischen Heeresmassen  erwarteten.  Fest  entschlossen  zu  sterben,  fielen  sie 
ruhmvoll  (480). 

Des  Leonidas  und  der  Seinen  Heldentod  wird  mit  Recht  gefeiert.  Bisher 
hatten  Soldaten  allenfalls,  wenn  sie  mit  der  Peitsche  getrieben  wurden,  für 
einen  Herrscher  zu  sterben  verstanden.  Diesmal  bewiesen  sie,  daß  man, 
für  eine  Idee  und  ein  Vaterland  sterben  kann. 

Der  heldenmütige  Widerstand  bei  den  Thermopylen  hatte  allerdings 
einen  Xerxes  nicht  von  seinem  Unternehmen  zurückgeschreckt.  Phokis, 
Böotieii  und  Attika  wurden  mit  Krieg  überzogen.  Auf  Grund  eines  Orakels, 
das  den  Griechen  empfahl,  sich  in  hölzerne  Mauern  einzuschließen,  über- 
redete Themistokles  seine  Landsleute,  daß  sie  ihr  Heil  allein  in  ihren  Schif- 
fen suchen  sollten.  Daraufhin  kehrten  die  Athener  ihrer  Stadt  den  Rücken 
und  flüchteten  sich  in  die  Fahrzeuge.  Es  spielte  sich  eine  große  Seeschlacht 
bei  Salamis  ab,  in  der  die  Flotte  der  Barbaren  in  alle  Winde  zerstreut 
wurde.  Entsetzt  eilte  Xerxes  nach  Asien  zurück.  Wie  Marathon,  war  auch 
Salamis  zur  Rettung  der  Welt  geworden. 

Doch  Xerxes  wollte  noch  immer  flicht  auf  seinen  Sieg  verzichten;  aber 
jetzt  war  bei  allen  griechischen  Städten  die  Vaterlandsliebe  erwacht.  Ganz 
Hellas  rüstete  sich.  Hunderttausend  griechische  Soldaten  unter  Führung 
des  Spartanerkönigs  Pausanias  erfochten  bei  Platää  in  Böotien  einen  glän- 
zenden Sieg,  während  die  athenische  Flotte  die  persische  bei  Mykale  in 
Jonien  vollkommen  vernichtete  (479). 

Weder  Pausanias  noch  Themistokles  sollten  ihre  Siege  gut  bekommen. 
Pausanias  ließ  sich  durch  das  Gold  der  Perser  bestechen  und  mußte  seinen 
Verrat  durch  einen  schrecklichen  Tod  büßen.  Themistokles  aber  v/urde 
von  der  genau  so  wie  alle  anderen  gleichen  Staatswesen  von  niedrigster 
Eifersucht  erfüllten  athenischen  Demokratie  in  die  Verbannung  geschickt. 
Hier  vergaß  der  Unglückliche  seine  Würde  als  Mensch  und  Athener  so 
ganz,  daß  er  bei  dem  Perserkönig  Zuflucht  suchte  und  von  den  Feinden 
seines  Landes  mit  Ehren  überhäuft  daselbst  sein  abenteuerliches  Leben 
vollendete  (470). 


Hellas.  ^3 

Einige  Zeit  darauf  verjagten  die  siegreichen  Griechen  die  Perser  für 
immer  aus  Europa.  Ihre  kleinasiatischen  Brüder  fanden  ihre  Unabhängig- 
keit wieder  (465).  Der  griechische  Genius  konnte  seine  Flügel  frei  ent- 
falten. 

Die  Jahre,  die  nun  folgten,  waren  die  ruhmreichsten  der  Geschichte; 
sie  sind  in  dem  Leben  des  menschlichen  Geistes  epochemachend. 

Mehr  als  Sparta  hatte  noch  Athen  zur  Rettung  Griechenlands  beige- 
tragen. Seine  Seemacht  hatte  überall  die  Führung  gehabt.  Ganz  Hellas 
außer  Sparta  erkannte  seine  leitende  Stellung,  ja  geradezu  seine  Vorherr- 
schaft willig  an.  Sechzig  Jahre  lang  (465 — 405)  wurde  nun  Athen  der 
eigentliche  Mittelpunkt  der  griechischen  Welt.  Damals  erstrahlte  alles, 
Kunst,  Wissenschaft,  Dichtung,  Theater,  Beredsamkeit  in  einem  solchen 
Glänze,  daß  man  niemals  wieder  auf  einem  so  engen  Räume  in  einer  so 
kurzen  Zeit  eine  gleiche  Blütenpracht  so  vieler  bewundernswerter  Werke 
auf  allen  Gebieten  sah. 

Man  nennt  diesen  Abschnitt  das  Zeitalter  des  Perikles,  leitete  doch 
Perikles,  ein  bewundernswerter  Redner  und  vollendeter  Staatsmann,  in: 
den  Jahren  460—429  die  Geschicke  Athens,  ohne  nach  irgendeiner  andern 
Ehre  zu  streben  oder  zu  buhlen,  als  allein  der,  unter  seinen  Mitbürgern 
immer  nur  der  erste  zu  sein. 

Die  Bildhauerei  erreichte  damals  ihre  höchste  Vollendung.  Phidias 
(496 — 431),  Myron,  Polyklet  (470 — 431)  haben  Werke  geschaffen,  die  in 
der  Neuzeit  nie  wieder  so  glänzend  erreicht  worden  sind.  Es  ist  sonder- 
bar, daß  seit  zweitausend  Jahren  kein  Bildhauer  Besseres  oder  auch  nur 
ebenso  Gutes  geschaffen  hat  wie  die  Griechen.  Seit  zweitausend  Jahren 
hat  man  unzählige  Marmorwerke  ausgehauen,  unzählige  Denkmäler  er- 
richtet, manche  neuen  Stilarten  mit  einer  zeitweise  höchst  glücklichen 
Erfindungsgabe  entdeckt.  Ein  Fortschritt  ist  hier  nicht  gemacht  worden. 
Die  schönsten  Werke  neuerer  Bildhauerkunst  nehmen  sich  neben  den 
griechischen  Meisterwerken  in  unsern  Museen  recht  mäßig  aus. 

Bei  den  Griechen  wurde  die  Bildhauerei  niemals  von  der  Baukunst 
getrennt.  Die  auserlesensten  Werke  des  Phidias  schmückten  das  Par- 
thenon, jenen  wunderbaren  Tempel  von  Athens  Schutzgöttin  Pallas  Athene, 
der  sich  auf  der  obersten  Höhe  der  Akropolis  erhob  (444).  Dieses  Meister- 
werk menschlichen  Genies  ist  der  rohesten  Zerstörungswut  zum  Opfer  ge- 
fallen. Menschliche  Verblendung  ist  in  wilder  Raserei  über  den  der  Weis- 
heit errichteten  Tempel  hergefallen.  In  den  verschiedenen  Kriegen  mit 
Griechenland  im  Laufe  der  Jahrhunderte  haben  die  Venetianer  (Morosini) 
3687,  die  Engländer  (Lord  Elgin)   1816  das  herrliche  Gebäude  derart  ge- 


Drittes  Buch. 


plündert  und  beraubt,  daß  heute  nur  noch  Trümmer,  wenn  auch  glänzende, 
übrig  sind. 

In  der  dramatischen  Kunst  haben  die  Griechen  gleich  im  ersten  Anlauf 
das  Erhabenste  erreicht.  Ganz  ebenso  wie  Michelangelo  kein  größerer 
Bildhauer  als  Phidias  ist,  ganz  ebenso  hat  auch  Shakespeare  keine  Dramen 
von  erhabenerer  Schönheit  und  schärferer  Satire  verfaßt  als  der  alte 
Äschylus. 

Von  Anfang  an  hatten  die  Griechen  die  dramatische  Dichtung  in  einer 
Gestalt  erfaßt,  die  eine  endgültige  wurde.  Es  ist  den  Neueren  nicht  mög- 
lich gewesen,  mehr  als  bloße  Nachahmer  zu  sein.  So  reich  auch  unser 
ganzes  Theater  an  genialen  und  gewaltigen  Erzeugnissen  sein  mag,  es 
stammt  unmittelbar  von  den  griechischen  Trauer-  und  Lustspieldichtern 
ab.  Zwanzig  Jahrhunderte  haben  keine  wesentliche  Neuerung  bringen  kön- 
nen. Die  dramatische  Form  ist  dieselbe  geblieben,  die  sie  in  den  ersten 
Tagen  war;  ist  doch  auch  die  menschliche  Seele  nicht  anders  geworden 
und  hat  sich  doch  auch  der  menschliche  Verstand  nicht  erweitert  oder 
verändert.  Wenn  man  König  ödipus,  die  Perser  oder  A 1  k e s t e 
aufführt,  ist  die  ästhetische  Bewegung  der  Zuschauer  in  Berlin,  Paris, 
New  York  im  Jahre  191 3  genau  ebenso  ungeheuer  wie  sie  in  alten  Tagen 
angesichts  des  Perikles  zu  den  Füßen  des  Zeus  Olympios  vor  dem  hin- 
gerissenen athenischen  Volke  war. 

Wir  haben  viele  von  den  Werken  verloren,  deren  Verfasser  die  drei 
großen  Tragiker  sind:  Äschylus  (524 — 456),  Sophokles  (496 — 405),  Euri- 
pides  (480—405).  Aber  auch  das  uns  erhalten  Gebliebene  ist  gewaltig.  Die 
auftretenden  Personen  sind  lebendig  und  rein  menschlich  bei  erhabener 
Natürlichkeit.  Edlere  Gefühle  prallen  mit  heißen  Leidenschaften  zusammen. 
Und  über  diesen  Gefühlen  und  diesen  Leidenschaften  schweben  uner- 
bittliche Verhängnisse.  Alles,  was  den  Geist  erheben  und  die  Seele  be- 
wegen kann,  ist  dort  zu  finden;  und  eine  an  dichterischen  Vorstellungen 
wie  an  gesunden  Gedanken  gleich  reiche  wohlklingende  Sprache  leiht  dem 
sich  vor  unseren  Augen  aufrollenden  Drama  ihren  Schmuck. 

Aber  auch  das  Lustspiel  nimmt  seinen  Ursprung  in  Griechenland,  imd 
zwar  mit  Aristophanes  (450 — 386),  dessen  Kühnheit  und  Feuer  noch  heute 
auf  uns  geradezu  verblüffend  wirken  und  der  zugleich,  wie  nicht  allgemein 
bekannt  ist,  der  geistreichste  und  tatkräftigste  Friedensfreund  ist,  der  je 
gelebt  hat  *. 

Als  Geschichtsschreiber  gehören  diesem  wunderbaren  Zeitalter  gleich 
zwei    Meister  auf  einmal   an:    Herodot   (484—425)  und   Thukydides   (460 

*  S.  Nachtr.  S.  59. 


Hellas.  45 

bis  395).  Jener  hat  den  Zauber  eines  ungekünstelten  und  phantasievoUea 
Berichts  für  sich,  dieser  die  Tiefe  der  Gedanken. 

So  groß  auch  der  Glanz  der  Bildhauerkunst  und  des  Theaters  der 
Griechen  gewesen  ist,  vielleicht  ist  von  der  Sonne  des  Ruhmes  noch  heller 
als  beide  ihre  Philosophie  bestrahlt  worden.  Wenn  auch  schon  im  7,  Jahr- 
hundert große  Geister,  wie  Thaies,  Pythagoras,  Demokrit,  Protagoras, 
tiefe  Probleme  in  den  Kreis  ihrer  Gedanken  gezogen  haben,  so  versinn- 
bildlicht sich  die  gesamte  griechische  Philosophie  doch  erst  so  recht  in 
einem  Manne,  der  als  edelstes  Opfer  der  Menschheit  gefallen  ist,  in  So- 
krates  (468—399). 

Geschrieben  hat  Sokrates  nichts.  Man  kennt  ihn  nur  durch  Plato  und 
Xenophon,  seine  Jünger,  ganz  ebenso  wie  Christus,  den  man  ja  auch  allein 
aus  den  Evangelien  kennt. 

Das  ganze  Denken  des  Sokrates  läßt  sich  vielleicht  kurz  dahin  zu- 
sammenfassen, daß  er  ein  für  allemal  bewiesen  hat:  Der  Mensch  ist  durch 
sein  eigenes  Urteil  befähigt,  das  Gute  und  das  Schlechte  zu  erkennen,  und 
der  Geist  des  Menschen  ist  das  Maß  aller  Dinge. 

Kühn  greift  er  sogleich  das  Problem  des  Gewissens  an.  Lange  vor 
Kant  weist  er  nach,  daß  das  Sittengesetz  ein  unbedingtes  und  gebiete- 
risches ist,  daß  man  also  ohne  Hoffnung  auf  Lohn  das  Gute  tun  muß, 
nur  weil  es  das  Gute  ist.  Er  läßt  nicht  die  kindlichen  Erklärungen  zu, 
die  ihm  die  Überlieferimg  an  die  Hand  gibt,  und  er  behauptet,  daß  unser 
Verstand  das  Recht  hat,  alles  zu  prüfen.  Er  ist  der  älteste  und  gewaltigste 
aller  Rationalisten,  Er  verschmäht  die  ganze  homerische  Mythologie 
und  spricht  von  einem  höchsten  Wesen,  Herrn  über  Menschen  und  Dinge, 
der  die  Ordnung  und  die  Geometrie  in  die  Welt  gesetzt  hat.  Nun  schwinden 
alsbald  die  alten  Dogmen,  die  märchenhaften  und  phantastischen  Mythen, 
die  lächerlichen  Kulte,  die  zusammenhanglosen  Schöpfungserzähhmgen, 
alle  die  Kindergeschichten,  die  die  Voreltern  erdacht  hatten. 

Eine  tiefe  Umwälzung  im  Menschengeiste!  Bisher  hatten  die  Völker 
ihre  Gottheiten  mit  dem  Mummenschanz  aller  nvur  erdenklichen  krank- 
haften Phantasiegebilde  bekleidet:  Isis  und  die  ägyptischen  Götter  mit 
dem  Tierkopfe,  Wischnu  mit  seinen  Verkörperungen,  Ormuzd  mit  seinen 
Schlachten  gegen  Ahriman,  Jehova,  den  Herrn  der  Heerscharen,  wie  er 
Moses  die  Gesetzestafeln  gibt,  Aphrodite,  Zeus  und  Hephäst,  wie  sie  im 
Olymp  miteinander  streiten.  Mit  Sokrates  fallen  alle  diese  falschen  Götter; 
denn  sie  dürfen  niu:  verehrt  werden,  wenn  ihr  Dasein  nachzuweisen  ist. 

Die  Menschen  verzeihen  es  schwer,  wenn  man  ihnen  die  Wahrheit 
bringt,  sie  bleiben  weit  lieber  in  dem  Irrtum,  in  dem  ihre    Väter  gelebt 


46  Drittes  Buch. 


haben.  So  wurde  auch  damals  Sokrates  angeklagt,  daß  durch  ihn  die 
Jugend  verdorben  werde  (399).  Er  war  zu  dieser  Zeit  schon  siebzig 
Jahre  alt. 

Er  suchte  sich  nicht  weiter  zu  verteidigen.  Im  Gefängnis  sitzend  und 
von  seinen  Freunden  umgeben,  plauderte  er  mit  ihnen  über  die  ewigen 
Wahrheiten  und  trank  im  festen  Glauben  an  die  Unsterblichkeit  der  Seele 
das  ihm  bestimmte  SchierUngsgift  ohne  jede  Schwächeanwandlung  und 
ohne  jeden  Klagelaut. 

Ach  ja!  Verblendeter  Beschränktheit  sind  in  vergangenen  Zeiten  gar 
manche  Opfer  gebracht  worden.  Aber  unter  allen  ihren  Märtyrern  ist 
neben  Jesus  Christus  doch  der  edelste  Sokrates  gewesen. 

Die   Zeit   der   Naturwissenschaften    war   noch   nicht   gekommen.     Trotz 

xnancher  tiefer  Gedanken,  die  in  den  Werken  eines  Thaies  (640 — 580?), 
eines  Anaxagoras  (500 — 428),  eines  Anaximander  an  den  verschiedensten; 
Stellen  verstreut  enthalten  waren,  ist  weder  die  Physik  noch  die  Chemie,, 
noch  die  Biologie,  noch  auch  die  Astronomie  von  den  Griechen  geschaffen 
worden.  Wohl  aber  ist  ihnen  die  Erfindung  der  Mathematik  zu  verdanken, 
und  der  erste  wirklich  große  Arzt  ist  Hippokrates  von  Kos  (460—380?). 

Am  Anfang  aller  Mathematik  begegnet  man  dem  Euklid  (350?— 285) 
und  dem  Archimedes.  Die  Mechanik  stammt  ganz  und  gar  von  Archi- 
medes  (287—212),  die  Geometrie  ganz  und  gar  von  EukUd,  und  seine 
Beweise  sind  noch  heute  unanfechtbar,  sie  bilden  die  Grundlage  zu  sämt- 
lichen heutigen  exakten  Wissenschaften. 

/  Hippokrates  hatte  ganz  richtiges  Verständnis  dafür,  daß  die  Heilkunde 
eine  beobachtende  Wissenschaft  ist,  folglich  alle  Theorien  den  Tatsachen 
gegenüber  ohne  jede  Bedeutung  sind.  Die  von  ihm  gegebene  Beschrei- 
bung der  Krankheiten  steht  noch  gegenwärtig  als  nachahmenswertes  Muster 
da;  Hippokrates  war  der  Schöpfer  einer  regelrechten  klinischen  Behand- 
lung für  die  Heilkunde  geworden. 

Wenn  nun  Bildhauerei,  Baukunst,  Dichtung,  Dramatik  sogleich  mit 
dem  Augenblick  ihrer  Entstehung  den  Höhepunkt  erreicht  haben,  war  es 
allerdings  mit  der  Wissenschaft  nicht  ganz  ebenso  und  konnte  es  auch 
unmögUch  schon  damals  sein.  In  der  Erforschung  der  hinter  den  Er- 
scheinungen liegenden  Wirklichkeit  wird  jeder  Fortschritt  nur  langsam, 
schwierig,  mühsam  und  nur  auf  Grund  fortgesetzter  Anstrengungen  unter 
dauernden  Enttäuschungen  und  Irrtümern  erfolgen.  So  muß  die  Wissen- 
schaft auch  bei  den  Griechen  noch  immer  in  den  Kinderschuhen  stecken 
zu  einer  Zeit,  wo  die  Kunst  bei  ihnen  bereits  auf  ihrem  Höhepunkte  steht. 


Hellas.  4? 

Athens  Macht  erweckte  bald  die  Eifersucht  Spartas.  Schon  dreißig 
Jahre  nach  der  Vertreibung  der  Perser  brach  zwischen  den  beiden  Rivalen- 
staaten ein  Krieg  aus.    Es  war  dies  der  Peloponnesische  Krieg  (431   bis 

404). 

Doch  sollten  damit  die  inneren  Streitigkeiten  Griechenlands  etwa  noch 
keineswegs  enden,  sondern  noch  lange,  lange  darüber  hinaus  bis  zur 
Schlacht  bei  Chäronea,  d.  h.  bis  zur  völligen  Unterwerfung  des  Landes, 
dauern,  wo  sie  ihr  natürliches  Ende  fanden. 

Stumpfsinnige  und  grausame  Kriege,  ja  stumpfsinniger  und  grausamer 
als  sie  noch  je  zuvor  gewesen  waren!  Zu  Syrakus,  Milet,  Mytilene,  Korkyra, 
in  der  Chalkidike,  in  Böotien,  überall,  wo  die  gemeinsame  griechische 
Sprache  erklang,  spielten  sich  zwischen  den  Bruderstämmen  Metzeleien, 
Plünderungen,  Einäscherungen  ab.  Den  Besiegten  machte  man  den 
Garaus  oder  ließ  ihnen  ein  drückendes  Sklavenschicksal  zuteil  werden, 
das  schlimmer  galt  als  der  Tod.  Und  dieser  Zustand  währte  an  hundert 
Jahre.  Die  einzelnen  Staaten  entvölkerten  sich,  Hungersnöte  suchten  ihre 
Fluren  heim,  Seuchen  lichteten  ihre  Städte.  Und  die  einzige  Wirkung  all 
dieses  Elends  war,  sündhafte  und  alberne  Feindseligkeiten  zwischen  Bür- 
gern zu  stiften,  die  dieselbe  Sprache  sprachen  und  dieselben  Interessen 
hatten.  Hundert  Jahre  Kriegeswahnsinn!  Hundert  Jahre  innere  Zwistig- 
keiten!  Es  scheint  fast  so,  als  ob  die  Griechen  an  diesem  so  schmerzens- 
reichen Beispiel  beweisen  wollten,  daß  sich  hohe  geistige  Fähigkeit  mit 
außerordentlicher   politischer   Beschränktheit   vereinen   kann. 

Sicher  zeitigten  diese  ruchlosen  Bürgerkriege  auch  ebensoviele  kühne 
Heldentaten,  wie  sie  Ströme  Blutes  mit  sich  brachten.  Doch  welche  Reihe 
von  SchändUchkeiten  vom  Tode  des  Archimedes,  dieses  größten  Gelehrten 
des  ganzen  Altertums,  der  durch  die  Hand  eines  betrunkenen  Soldaten  bei 
der  Belagerung  von  Syrakus  umkam,  bis  zu  den  schmählichen  Bündnissen 
mit  dem  Perserkönig,  die  bald  von  Sparta,  bald  von  Athen  aus  je  nach 
der  Laune  des  Augenblicks  geschlossen  worden  waren. 

Aus  dem  langjährigen  Ringen  zwischen  Athen  und  Sparta  ging  schließ- 
lich Athen  a,ls_der  besiegte  Teil  hervor  (405).  In  der  Seeschlacht  am  Ziegen- 
flusse (bei  Aigos  Potamoi)  wurde  ihre  Flotte  vollständig  vernichtet. 

So  blieb  schließlich  die  Vorherrschaft  über  Griechenland  bei  Sparta. 
Aber  seine  Hegemonie  währte  nicht  lange.  Theben,  die  Hauptstadt  der 
Böotier,  eines  griechischen  Nachbarstammes  von  Attika,  der  bis  dahin 
immer  nur  eine  Nebenrolle  gespielt  hatte,  wagte  es,  der  Tyrannei  Laze- 
dämons  Widerstand  zu  leisten.  Unter  der  Führung  zweier  tüchtiger  Feld- 
herren, Epaminondas  und  Pelopidas,  vernichteten  die  nüt  den  Nordgriechen 


48  Drittes  Buch. 


und  Megarern  vereinten  Thebaner  das  furchtbare  Heer  Spartas  bei  Leuktra 
und  bei  Mantinea  (362). 

Aber  Theben  war  zur  Herrschaft  nicht  mächtig  genug,  und  die  einzige 
Wirkung  der  thebanischen  Siege  war,  die  Spahungen,  die  das  unglück- 
liche Hellas  zerrissen,  nur  noch  zu  vermehren.  Damals  herrschte  eine 
wahre  Anarchie,  die  möglicherweise  segensreich  geworden  wäre,  wenn 
sie  die  Anarchie  im  Frieden  gewesen  wäre,  d.  h.  eine  freie  Verbindung 
der  unabhängigen  Staaten,  aber  sie  war  die  Anarchie  im  Kriege,  d.  h.  in 
der  Unsicherheit  und  der  Verwüstung, 

Allen  diesen  so  unseligen  Verirrungen  zum  Trotze  war  der  griechische 
Geist  doch  noch  nicht  ganz  dahingeschwunden.  Wenn  man  auch  nicht  die 
Menschen  jener  Zeit  mit  denen  des  voraufgegangenen  Geschlechts  ver- 
gleichen kann,  so  zählt  Griechenland  doch  noch  immer  einige  herrliche 
Genies  zu  den  Seinen. 

Unter  den  Bildhauern  hat  Praxiteles  (360—280?)  Werke  hinterlassen, 
deren  auserlesene  Anmut  uns  ebenso  bezaubert,  wie  uns  die  Erhabenheit 
des  Phidias  bewegt.  Unter  den  Rednern  genügt  es,  Äschines  (389 — 314) 
und  besonders  auch  Demosthenes  (384 — 322)  zu  erwähnen,  Demosthenes, 
dessen  bloßer  Name  die  Beredsamkeit  versinnbildlicht. 

Endlich  haben  in  diesem  Zeitalter  zwei  Philosophen  gelebt,  neben 
Sokrates  die  beiden  größten  der  ganzen  Menschheit,  Plato  und  Aristoteles. 

Beide  haben  die  gewaltigsten  Probleme  des  Denkens  und  Seins  mit 
kühnem  Mute  angegriffen.  Beide  haben  versucht,  alle  die  quälenden 
Rätsel  des  Weltalls  zu  lösen.  Metaphysik,  Soziologie,  Psychologie,  Ma- 
thematik, Naturwissenschaften,  allem  haben  sie  kühn  ins  Auge  zu  schauen 
gewagt,    und  nichts    Menschliches   ist  ihnen   fremd  gewesen. 

Doch  ein  Volk  von  Künstlern,  Dichtern,  Philosophen  kann  keinen  Be- 
stand haben,  wenn  es  nicht  den  Willen  zur  Macht  hat.  Man  braucht  darum 
allerdings  noch  lange  kein  Anbeter  der  Macht  zu  sein.  Indessen  muß  ein 
Volk,  wenn  es  von  Barbaren  umgeben  ist,  sich  vor  allen  Dingen  seine 
Unabhängigkeit  sichern,  das  kostbarste  aller  Güter.  Unabhängig  aber 
kann  es  nur  bleiben,  wenn  es  den  Barbaren  an  Macht  überlegen  ist. 

Durch  seine  verweichlichten  Sitten  hatte  Persien,  durch  seine  bruder- 
mörderischen Spaltungen  Griechenland  all  seine  kriegerische  Tatkraft  ver- 
loren. Sie  waren  eine  bequeme  Beute,  und  wenn  die  Beute  bequem  ist, 
findet  sich  immer  ein  Räuber,  der  sie  einsteckt.  Ein  großes  geschicht- 
liches Gesetz,  das  sich  im  Laufe  der  Jahrhunderte  unzähUge  Male  wieder- 
holt hat. 


Hellas.  49 

Nördlich  von  Griechenland,  jenseits  des  thessalischen  Gebirges,  lebte 
eine  halbgriechische  Völkerschaft,  die  wohl  kaum  am  peloponnesischen 
noch  auch  am  thebanischen  Kriege  teilgenommen  hatte.  Es  waren  die 
Mazedonier,  eine  rauhe  Landbevölkerung,  Hirten  auf  den  Bergen,  Bauern 
in  den  Ebenen,  kriegslustige  imd  verwegene  Reiter,  die  mit  den  Thraziern 
und  lUyriern  unaufhörlich  kleine  Plänkeleien  hatten.  Übrigens  sprachen 
sie  griechisch  und  waren  auch  bei  den  olympischen  Spielen  zugelassen. 
Diese  Halbbarbaren  waren  es,   die  alsbald  Griechenland  erobern  sollten. 

Unter  allen  Königen  Mazedoniens  hat  die  Geschichte  nur  die  Namen 
von  zweien  im  Gedächtnis  bewahrt,  nänüich  Philipp  und  seinen  Sohn 
Alexander. 

Philipp  (382 — 336)  hat  es  verstanden,  Griechenland  zu  erobern  und  die 
Eroberung  Asiens  vorzubereiten.  Nachdem  er  durch  allerhand  Schliche 
auf  den  Königsthron  gekommen  war  — ,  er  wußte  stets  mit  der  Gewalt 
die  List  zu  vereinen  — ,  beschäftigte  er  sich  zunächst  ausschließlich  mit 
seinem  Heere.  Er  ersann  sogar  ein  neues  militärisches  System  und  stellte 
zum  ersten  Male  jene  berühmte  mazedonische  Phalanx  auf,  die  so  lange 
siegreich  war,  wie  sie  sich  nicht  mit  den  Legionen  Roms  zu  messen  brauchte. 
Der  Hauptvorzug  dieser  Phalanx  war  die  feste  Geschlossenheit  ihrer 
durch  unbeugsame  Manneszucht  verbundenen  Kriegerschar.  Ein  Bataillon 
in  Quadratform,  unverwundbar  mit  seinen  Langen  Speeren  zur  Verteidi- 
gung und  unwiderstehlich  mit  seinen  kurzen  Schwertern  zum  Angriff, 
war  die  Phalanx  wie  ein  gewaltiger  Igel  mit  eisernen  Stacheln,  den  man, 
wäre  man  auch  noch  so  stark  gewesen,  weder  angreifen  noch  zurückhalten 
konnte.  Eine  wohlgeschulte  und  leichtbewegliche  Reiterei  schwärmte  nach 
allen  Seiten  aus.  Unter  Führung  eines  kühnen  Feldherrn  mußte  dieses 
Heer  überall  siegreich  sein  und  war  es  auch. 

Der  griechische  Name  stand  damals  in  solchen  Ehren,  daß  sich  Philipp 
stets  gerühmt  hat,  ein  Grieche  zu  sein.  In  dieser  seiner  angeblichen  Eigen- 
schaft mischte  er  sich  in  die  hellenischen  Angelegenheiten  ein,  um  schein- 
bar den  Gott  von  Delphi  zu  verteidigen,  den  er  als  von  den  Thessaliem 
bedroht  vorgab.  So  eroberte  er  Thrazien  und  Thessalien,  machte  aber 
bei  den  Thermopylen  Halt,  durch  die  ihm  die  Athener  den  Durchzug  ab- 
sperrten (352). 

Seine  ehrgeizigen  Pläne  hatten  sich  nun  mit  einem  Schlage  wie  mit 
Blitzeshelle  in  ihrer  ganzen  Bedrohhchkeit  enthüllt.  Doch  die  Griechen 
schienen  sich  in  ihrer  imgeheuren  Leichtfertigkeit  darum  nicht  viel  Sorgen 
zu  machen;  sie  wollten  die  Gefahr  nicht  sehen,  die  ihnen  drohte.  Ein  Mann 
jedoch  fand  sich,  ein  Athener  Bürger,  Demosthenes,  der  Meister  unter 
4  Riebet,  Gescfcichte  der  Menschheit 


5o  Drittes  Buch. 


den  zeitgenössischen  Rednern,  der  allein  oder  fast  alleiU  fünfzehn  Jahre 
hindurch,  furchtbarer  als  ein  ganzes  bewlaffnetes  Heer,  unermüdlich  immer 
wieder  das  Mißtrauen  des  athenischen  Volkes  zu  wecken  und  seine  Schlaff- 
heit und  Trägheit  mit  wuchtigen  leidenschaftlichen  Worten  zu  überwinden 
suchte. 

Fünfzehn  Jahre  hindurch,  abwechselnd  mit  List  und  abwechselnd  mit 
Gewalt,  setzt  auch  Philipp  sein  Werk  fort;  bald  versucht  er  es  mit  Be- 
stechung, bald  mit  diplomatischer  Kunst,  bald  mit  Krieg*,  bis  er  endlich 
die  Mehrzahl  der  griechischen  Städte  der  athenischen  Partei  abspenstig 
gemacht  hat  und  über  die  nun  alleinstehenden  Athener  selbst  einen  glänzen- 
den Sieg  davonträgt,  der  ganz  Griechenland  in  seine  Gewalt  bringt  (338). 

Im  folgenden  Jahre  läßt  er  sich  in  Korinth  zum  Generalissimus  des 
griechischen  Heeres  gegen  die  Perser  ernennen.  Der  Traum  dieses  Barbaren 
war  verwirklicht.  Der  Eroberer  Griechenlands  war  zu  seinem  Verteidiger 
geworden. 

In  dem  Augenblick,  wo  nun  alles  für  den  Eroberungszug  nach  Asien 
fertig  und  bereit  war,  fiel  er  durch  die  Hand  eines  Meuchelmörders  in 
seinem  Palaste  und  endete,  wie  es  den  meisten  jener  wollüstigen  asiati- 
schen Herrscher  begegnete,  als  ein  Opfer  der  niedrigsten  Haremsränke  (336). 

Alexander  war  erst  zwanzig  Jahre  alt,  als  ihm  durch  den  Tod  Philipps 
ein  mächtiges  Reich  und  ein  unbesiegliches  Heer  zufielen.  Sogleich  dachte 
er  an  Krieg.  Er  hatte  zwei  Lehrer  gehabt,  Aristoteles  und  Homer;  doch 
sind  es  allem  Anschein  nach  wohl  mehr  die  Heldentaten  Achills  als  die 
Lehren  der  Ethik  des  Stagiriten  gewesen,  die  ihn  gelockt  haben. 

Wiewohl  er  sich,  ganz  wie  sein  Vater,  die  Rolle  eines  Beschützers 
der  Griechen  zulegte,  begann  er  seine  Laufbahn  mit  einem  großen  Griechen- 
gemetzel. Es  war  das  eines  der  vielen  Verbrechen,  die  die  Geschicht- 
schreiber den  Eroberem  großmütig  zu  vergeben  pflegen.  Er  bemächtigte 
sich  Thebens,  das  seine  Oberhoheit  nicht  anerkennen  wollte,  und  ließ 
nach  Einnahme  der  Stadt  den  Besiegten  den  Garaus  machen.  Das  Blut- 
gericht fand  erst  nach  der  Niedermachung  von  sechstausend  Thebanern 
sein  Ende.  Die  Überlebenden,  dreißigtausend  an  Zahl,  wurden  als  Sklaven 
verkauft  und  die  Stadt  in  Brand  gesteckt.  Das  war  die  erste  von  Alexanders 
gerühmten  Heldentaten. 

Die  griechischen  Staaten  wurden  hierüber  von  einem  solchen  Schrecken 
erfüllt,  daß  man  sich  wahrlich  nicht  mehr  vor  ihnen  zu  fürchten  brauchte 
und  Alexander  jetzt  ungestört  an  die  Eroberung  Asiens  gehen  konnte. 
Im  Jahre  334   überschritt    er   den   Hellespont   mit   dreißigtausend    Mann 


Hellas.  5 1 

Fußvolk  und  viertausend  Reitern.  Ihm  standen,  so  sagen  die  Griechen, 
auf  Feindesseite  zwei  Millionen  Krieger  gegenüber. 

Man  hat  diesen  Wagemut  bewundert.  Man  hat  Alexanders  Unter- 
nehmen in  den  Himmel  gehoben  unter  dem  Vorgeben,  darin  einen  ganz 
neuen  gewaltigen  schöpferischen  Feldherrnentwurf  zu  sehen.  Indessen: 
hat  der  Erfolg  der  Mazedonier  nichts  an  sich,  was  in  Erstaunen  setzen 
müßte.  Die  Millionen  bunt  zusammengewürfelter  Menschen,  die  Darius  III. 
in  seinem  Solde  hatte,  waren  nur  dem  Namen  nach  Soldaten.  Ohne  jede 
Manneszucht  und  ohne  jede  Manneskraft,  ohne  jedes  Nationalbewußtsein, 
verstanden  sie  weder  zu  marschieren  noch  zu  kämpfen,  noch  zu  sterben. 
Was  vermochte  diese  Truppe  von  Sklaven  gegen  dreißigtausend  ihres 
Sieges  sichere  und  zu  siegen  entschlossene  Phalanxkämpfer?  Die  Hordea 
des  Xerxes  waren  von  dreihundert  Spartanern  aufgehalten  worden,  und 
es  haben  auch  dem  Cortez  dreihundert  Mann  genügt,  um  fünfhundert- 
tausend Mexikaner  in  die  Sklaverei  zu  schleppen.  Die  leichten  Siege 
Alexanders  verdienen  weit  weniger  Bewunderung.  Der  Feind  zerstob  beim 
ersten  Anprall.  Das  ganze  Heer  schwand  in  wenigen  Stunden  wie  Schnee 
vor  der  Sonne  dahin,  und  knechtische  und  feige  Völkermassen  beeilten 
sich,  dem  Sieger  ihre  Reichtümer  zu  bringen,  um  ihm  seinen  Triumphzug 
ebenso  einträglich  wie  leicht  zu  machen. 

Den  ersten  Sieg  Alexanders  bildete  der  Übergang  über  den  Granikus, 
der  ihm  Kleinasien  in  die  Hände  gab  (335).  Ein  neuaufgebrachtes  noch 
stärkeres  Heer  des  Darius  (angeblich  sechshunderttausend  Mann)  wurde 
in  der  Schlacht  bei  Issus  in  Cilicien  geschlagen.  Von  den  Seinen  im  Stich 
gelassen,  ergriff  Darius  die  Flucht  \md  zog  sich  hinter  den  Euphrat  zu- 
rück, aber  Alexander  verzichtete  auf  seine  Verfolgung,  die  er  doch  für 
zwecklos  hielt;  vor  einem  weiteren  Eindringen  ins  Morgenland  wollte  er 
zunächst  erst  die  Eroberung  des  ganzen  westlichen  Asiens  zu  Ende  führen. 
Ohne  jeden  Kampf  unterwarf  er  nun  Syrien,  Judäa,  Phönizien,  dessen 
frühere  Hauptstadt  Tyrus  das  einzige  Hemmnis  bildete,  das  ihn  auf  seinem 
Vormarsch  aufhielt  und  sich  sogar  trotz  mehrmonatiger  Belagerung  be- 
hauptete. Da  wandte  er  sich  Ägypten  zu  und  legte  hier  an  einer  der 
drei  Nilmündungen,  um  den  Handel. von  Tyrus  lahmzulegen,  den  Grund- 
stein zu  einer  neuen  großen  Stadt,  die  er  nach  sich  selbst  Alexandria  nannte 
(332). 

Mitten  in  Libyen,  neun  Tagemärsche  von  Alexandria,  erhob  sich  ein 
prächtiger  Tempel  zu  Ehren  des  Ammon  (Zeus  Ammon).  Hierhin  begab 
sich  Alexander,  ließ  sich  von  den  Priestern,  den  Söhnen  Ammons,  zum 
Gott  erheben  und  sicherte  sich  so  die  Herrschaft  über  das  Ägypterland. 
4* 


52  Drittes  Buch. 


Überall,  wo  er  sich  auch  noch  so  vorübergehend  aufhielt,  gab  er  sich 
den  Schein  ganz  besonderer  Achtung  für  die  Bräuche  der  neueroberten 
Länder  und  die  Gegenstände  ihrer  religiösen  Verehrung.  Wenn  er  nur 
dort  von  nun  an  auch  selbst  göttlich  angebetet  wurde!  An  diese  Religion 
geruhte  er  wohl  am  ernstlichsten  zu  glauben. 

Erst  als  er  unumschränkter  Herr  von  Ägypten,  den  Mittelmeerküsten, 
Syrien  und  Kleinasien  war,  wandte  er  sich  von  neuem  Darius  zu,  der  in- 
zwischen schon  wieder  ein  Heer  von  über  einer  Million  Menschen  gesammelt 
hatte.  Aber  wären  auch  diese  Asiaten  noch  zehnmal  so  zahlreich  gewesen, 
das  Ergebnis  wäre  doch  immer  das  gleiche  geblieben  I  Und  so  wurde 
Darius  auch  jetzt  in  der  weiten  Ebene  von  Arbela,  jenseits  des  Tigris, 
vollständig  aufs  Haupt  geschlagen  (331). 

Als  Alexander  so  jeden  Widerstand  gebrochen  hatte  und  sich  alles 
seiner  Übermacht  beugen  mußte,  gab  er  sich  ganz  der  zügellosen  Raserei 
eines  unersättlichen  Hochmuts  hin.  Er  vergaß  Ilias  und  Aristoteles 
und  redete  sich  ein,  daß  er  andern  Stoffes  als  die  Menschen  sei  und  mit 
einer  Gottheit  auf  gleicher  Stufe  stände.  Wenn  ein  Sterblicher  erst  so 
mächtig  geworden  ist,  daß  sichl  seinen  ausschweifendsten  Phantasien  keine 
Gewalt  mehr  entgegenstellt,  dann  ergreift  ihn  das  Fieber  des  Despoten- 
wahnsinns. Die  Geschichte  liefert  uns  manche  Beispiele,  aber  keines  ist 
wohl  so  überzeugend  wie  das  Alexanders.  Er  vergißt  nunmehr,  daß  er  ein 
Grieche  und  der  Schüler  des  großen  Aristoteles  ist.  Er  umgibt  sich  mit 
Asiaten,  die  sich  vor  ihm  niederwerfen,  schließt  sich  in  einen  Serail  ein, 
berauscht  sich  wie  ein  Vieh,  bringt  die  um,  die  sich  weigern,  ihn  anzubeten, 
sogar  seine  Treuesten,  den  altehrwürdigen  General  Paxmenio,  den  Philor 
sophen  Kallisthenes  und  Klitos,  seinen  Jugendfreund,  den  er  mit  eigener 
Hand  tötete. 

Schon  wußte  er  in  seinem  Erob er ungs dränge  keinen  Halt  mehr  zu 
finden,  und  er  erstrebte  als  Triumphator  die  Grenzen  der  bekannten  Welt 
zu  erreichen. 

Bisher  wußten  die  Griechen  so  gut  wie  nichts  von  Indien;  da  unter- 
nahm Alexander,  ohne  sich  eigentlich  richtig  klar  zu  machen,  wohin  es 
ging,  einen  Eroberungszug  in  dieses  gewaltige  Reich.  Sein  Einmarsch  in 
dasselbe  war  um  nichts  schwieriger,  als  der  in  Persien  gewesen  war. 
Porus,  der  Herrscher  eines  großen  indischen  Fürstentums,  wurde  in  der 
Schlacht  am  Hydaspes  geschlagen  und  gefangen  genommen.  Alexander 
würde  sein  Heer  auch  noch  weiter  geführt  haben,  wenn  es  sich  nicht  jetzt 
geweigert  hätte. 


Hellas.  53 

So  kehrte  er  nach  Babylon  zurück  (324)  und  wälzte  in  seinem  Hirn 
phantastische  Pläne  aller  Art,  die  von  dem  quälenden  Traum  einer  .Welt- 
monarchie, von  dem  die  Despoten  noch  immer  beherrscht  worden  sind, 
ausgingen.  Aber  die  Ausschweifungen  hatten  seine  angeborene  Urkraft 
zerrüttet.  Er  wurde  von  einem  heftigen  Fieber  befallen  imd  starb  daran 
nach  wenigen  Tagen  (323).    Er  war  noch  nicht  dreiunddreißig  Jahre  alt. 

Niemals  hat  in  der  Geschichte  wieder  jemand  einen  gleichen  Zauber 
ausgeübt  wie  dieser  gewaltige  Eroberer.  Wohl  hat  man  stets  jenen  un- 
unterbrochenen rasenden  Siegeslauf  durch  einen  unterworfenen  weiten  Erd- 
teil hervorgehoben.  Aber  man  hat  darüber  übersehen;  daß'  es  für  ein© 
Handvoll  tapferer  Soldaten  ein  leichtes  ist,  eine  Million  feiger  Sklaven 
in  die  Flucht  zu  schlagen  und  nach  allen  (Windrichtungen  zu  zerstreuen. 
Man  hat  die  Anfälle  jenes  wilden  Wahnsinns  vergessen,  um  einige  schöne 
Handbewegungen  und  großmütige  Worte,  die  ein  Fürst  ja  so  billig  hat, 
um  so  treuer  im  Gedächtnis  zu  bewahren. 

Sein  Reich  überlebte  ihn  nicht  einen  Tag.  Noch  ehe  seine  Leiche 
kalt  war,  stritten  sich  seine  Statthalter  bereits  "um  seine  Hinterlassenschaft. 
Zwanzig  Jahre  tobten  darum  zwischen  seinen  habgierigen  Kriegern  die 
niedrigsten  und  blutigsten  Kämpfe.  Nachdem  das  Morgenland  in  so  kurzer 
Zeit  dem  Anstürme  von  Alexanders  Truppen  erlegen  war,  erlagen  nun 
Alexanders  Truppen  ihrerseits  ebenso  schnell  den  Schätzen  des  Morgen- 
landes. 

Bei  aller  Blitzesschnelle,  mit  der  auch  das  Unwetter  dieses  Völkersturmes 
vorübergegangen  war,  gab  es  doch  eine  dauernde  Spur,  die  es  hinterlassen 
hatte:  die  Verschmelzung  zwischen  den  Siegern  und  den  Besiegten.  Zehn 
Könige  teilten  sich  in  das  Reich.  Nun  war  jeder  dieser  Könige  ein  Grieche 
und  stützte  seine  Macht  auf  griechische  Soldaten;  so  mußten  denn  auch 
notwendigerweise  die  Sprache,  die  Sitten  und  die  Religion  Griechen- 
lands mit  den  fremden  Eroberern  ins  Morgenland  einziehen.  Unterwürfig, 
unfähig  und  ohnmächtig  gingen  die  Orientalen  auf  alles  ein.  Sie  hatten 
nur  weit  voneinander  abweichend^  Barbarensprachen  und  lernten  sehr 
rasch  die  Mundart  ihrer  Herren;  man  berief  aus  Griechenland,  Sizilien 
und  Kleinasien  Griechen  in  die  Regierung,  in  die  Verwaltung  und  zur  Aus* 
beutung  der  Reichtümer  und  Arbeitserträge  der  Einheimischen.  Welchen 
Herren  sie  botmäßig  waren,  war  diesen  doch  von  jeher  an  Sklaverei  ge- 
wöhnten Menschen  ganz  gleichgültig. 

Hundert  Jahre  nach  Alexanders  Tode  herrschte  die  griechische  Sprache 
unumschränkt  in  ganz  Asien  bis  zum  Indus.  Zwar  bestanden  noch  hier 
und  da  einige  ganz  auf  ihr  kleines  Gebiet  beschränkte  imd  nicht  über  deü 


54  Drittes  Buch. 


engen  Kreis  der  Mundart  ausgedehnte  Sprachen,  so  das  Hebräische  in 
Judäa  und  das  Syrische  in  Syrien ;  doch  diese  Sondersprachen  ■  gingen 
niemals  über  die  so  engen  Grenzen  der  kleinen  Gebirgslandschaften  liinaus 
und  führten  hier  ein  vollkommen  abgeschlossenes  Dasein.  Der  Hellenismus 
überflutete  alles.  Darius  vmd  Xerxes  hatten  einst  in  Griechenland  eindringen 
wollen,  jetzt  setzte  sich  Griechenland  in  Asien  fest.  Auch  die  rohe  Gewalt 
der  Soldaten  Alexanders  hatte  zu  jenen  Barbaren  immerhin  noch  ein  wenig 
Aufklärung  gebracht. 

Aber  mit  der  Umwandlung,  die  der  Hellenismus  Asien  brachte,  wandelte 
er  sich  zugleich  auch  selber  um.  Die  Reinheit  der  griechischen  Sprache 
und  die  Gewalt  des  griechischen  Volkstums  ließen  nach;  die  attische  Fein- 
heit des  Benehmens  und  die  lazedämonische  Zurückhaltung  und  Besonnen- 
heit der  sprichwörtlichen  Überlieferung  lebten  nur  noch  in  der  Erinnerung. 
Die  Liebe  zur  Freiheit,  die  einst  zu  so  manchen  schönen  Taten  und  großen 
Werken  begeistert  hatte,  wurde  jetzt  durch  die  Pflege  der  Sklaverei  ersetzt. 
Abgesehen  von  einigen  wenigen  rühmlichen  Ausnahmen,  waren  die  Griechen 
nur  noch  ein  Volk  von  Sophisten,  Höflingen  und  Possenreißern.  Mit  dem 
Volksbewußtsein  war  zugleich  auch  alle  Würde  verschwunden. 

Nach  Alexanders  Tode  nun  dehnt  sich  der  Schauplatz  der  griechischen 
Geschichte  weit  über  die  Grenzen  der  hellenischen  Halbinsel  aus.  Er  ist 
ganz  ebenso,  wie  Griechenland  selbst,  jetzt  auch  Mazedonien,  Syrien  und 
vor  allem  Ägypten. 

In  dem  fast  zweihundertjährigen  langen  Zeiträume  zwischen  dem  Tode 
Alexanders  (323)  und  der  Einnahme  Korinths  durch  die  Römer  (146) 
konnte  Griechenland  weder  seine  Einheit  noch  seine  Unabhängigkeit 
wiederfinden.  Man  sieht  lediglich  ein  wirres  Gemisch  von  Eifersüchteleien 
rwischen  den  einzelnen  Staaten  und  Feindseligkeiten  zwischen  den  ein- 
zelnen Personen  und  sonst  nichts,  was  der  großen  Vergangenheit  würdig 
wäre. 

Nur  eins  sticht  hervor:  das  drückende  Sklavenjoch,  das  sich  die 
Griechen  von  Mazedonien  gefallen  lassen  mußten.  Wohl  machten  sie  ver- 
schiedene Male  den  Versuch,  dasselbe  abzuschütteln;  aber  es  war  immer 
ivergeblich.  Es  trat  allerdings  ein  Augenblick  ein,  wo  die  Griechen  des 
Peloponnes  (Achäer)  und  die  nördlichen  Griechen  (Ätolier)  die  günstige 
Gelegenheit,  die  ihnen  Mazedoniens  Krieg  mit  Ägypten  bot,  ausnützten, 
Xim  sich  zu  einer  Art  Vereinigung  oder  Btmd  zusammenzuschließen  und 
so  wirklich  eine  Spur  von  Freiheit  wiederzugewinnen;  doch  sie  währte  nur 
wenige  Jahre  (245—235). 


Hellas. 55 

Eine  große  Macht,  deren  glänzende  Zukunft  niemand  voraussehen 
konnte,  trat  am  westlichen  Horizont  in  die  Erscheinung.  Rom  hatte  seine 
Vorherrschaft  über  das  gesamte  Italien  ausgedehnt  und  sich  für  immer 
gesichert,  und  so  erkühnte  es  sich  schon  damals  (229),  zur  Züchtigung  der 
Seeräuber  einige  Schiffe  an  die  illyrische  Küste  zu  senden.  Auch  ließ  Ko- 
rinth  die  Römer  bereits  zu  den  olympischen  Spielen  zu,  womit  es  der 
römischen  Politik  die  beste  Gelegenheit  gab,  sich  von  nun  an  auch  einmal 
im  gegebenen    Falle  in   die   griechischen   Angelegenheiten   einzumischen. 

Zuerst  geschah  derartiges  augenscheinlich  zu  dem  Zwecke,  die  Griechen 
von  drückender  Tyrannei  zu  befreien.  So  gehen  immer  die  Eroberer  vor, 
die  ihr  Handwerk  verstehen.  Nach  seinem  Sieg  über  die  mazedonischen 
Truppen  bei  Kynoskephalai  begab  sich  nämlich  der  römische  Konsul 
Flaminius  zu  den  olympischen  Spielen  in  Korinth,  um  hier  im  Namen  des 
Senats  und  des  römischen  Volkes  feierlich  Griechenland  frei  zu  er- 
klären (196).  Der  Begeisterungssturm  war  unermeßlich.  In  jenen  Tagen 
erblickte  das  griechische  Volk  in  den  Römern  seine   Retter. 

Aber  sogleich  nach  Flaminius*  Abreise  kehrten  die  inneren  griechi- 
schen Zwistigkeiten  wieder,  und  jetzt  mit  stärkerer  Erbitterung  als  je  zu- 
vor. Außerstande,  einen  Krieg  zu  führen,  konnten  diese  unglücklichen 
Griechen  jetzt  auch  nicht  mehr  Frieden  halten. 

Es  waren  immer  dieselben  beiden  Parteien,  die  seit  einem  Jahrhundert 
unter  den  verschiedensten  Namen  miteinander  stritten :  Ätolier  und  Achäer, 
d.  h.  Oligarchie  und  Demokratie,  die  wenigen  Großen  und  die  vielen 
Kleinen.  Ebenso  stand  schon  immer,  auch  in  den  Ruhmestagen  von 
Hellas,  das  konservative  Sparta  dem  fortschrittlichen  Athen  gegenüber.  Wie 
dereinst,  war  auch  jetzt  keine  Verständigung  zwischen  den  beiden  gegne- 
rischen Parteien  möglich,  und  ihre  Liebe  zum  Auslande  war  größer  als  die 
zu  den  feindlichen  Brüdern.  Die  einen  suchten  eine  Stütze  bei  den  Römern, 
die  andern  bei  den  Syrern  oder  auch  bei  den  Mazedoniern.  In  Anbetracht 
der  starken  römischen  Einigkeit,  die  ihre  Pläne  langsam,  aber  beharrlich, 
bald  mit  List  und  bald  mit  Gewalt,  Schritt  für  Schritt  vorbereitete, 
konnte  die  Sache  nur  einen  schlimmen  Ausgang  nehmen. 

Zunächst  erlag  Mazedonien  als  die  einzig  ernst  zu  nehmende  Militär- 
macht der  ganzen  Hellenenwelt.  Sein  letzter  König  Perseus  wurde  trotz 
seines  Heldenmutes  von  Ämilius  Paulus  bei  Pydna  besiegt  (168).  Der 
Sieger  war  gegen  den  Besiegten  ohne  jedes  Etbarmen.  Mazedonien  wurde 
römische  Provinz,  und  eine  Parteinahme  für  dasselbe  mußte  jeder  Grieche 
sc'hwer  büßen.  Hundertfünfzigtausend  Epiroten  wurden  in  die  Sklaverei 
verkauft.    Perseus  wurde  von  dem  siegreichea  Gegner  zur  Verschönerung; 


56  Drittes  Buch. 


seines  Triumphzuges  nach  Rom  geschleppt,  um  ihn  nachher  im  Kerker 
verhungern  zu  lassen.  Unermeßliche  Reichtümer  kamen  nach  Rom,  wo 
sie  in  den  Staatsschatz  flössen.  In  jenen  Tagen  plünderten  die  Generäle 
etwa  nicht  im  eignen  Privatinteresse,  sondern  vielmehr  im  öffentlichen 
Interesse  der  Republik.    Das  war  doch  eigentlich  gar  nicht  so  verächtlich  I 

Jetzt,  wo  das  mazedonische  Heer  nicht  mehr  vorhanden  war,  fanden 
die  römischen  Legionen  in  Stadt  und  Land  nur  noch  Volksmengen  ohne 
jede  Macht  vor.  Als  zwanzig  Jahre  nach  der  Schlacht  bei  Py,dna  der 
Achäische  Bund  mit  einem  letzten  Kraftaufwande  für  die  Sache  der  Un- 
abhängigkeit sich  von  Grund  aus  zu  erneuern  versucht  hatte,  wurde  auch 
er  trotz  aller  seiner  Bemühimgen  vom  Konsul  Mummiüs  bei  Leukopetra» 
geschlagen  (146).  Die  römischen  Soldaten  eroberten  Korinth,  das  nun 
zerstört  und  geplündert  wurde.  Die  Beute  war  glänzend.  Marmorarbeiten, 
Bildwerke,  Bronzen,  Mosaiken  kamen  in  größerer  Zahl  nach  Rom  hinüber. 
Die  griechischen  Städte,  die  von  der  Plünderung  verschont  geblieben  waren, 
hatten  eine  Abgabe  zu  zahlen. 

Griechenland  verschwindet  von  der  Weltbühne,  und  Rom  wird  die 
Erbin  seiner  ebenso  glänzenden  wie  für  die  Dauer  lebensunfähigen  Bildung 
und    Gesittung. 

Dasselbe  Schicksal  sollten  auch  Ägypten  und  Syrien  erfahren. 

Von  allen  den  verschiedenen  Teilen  des  zerfallenen  Reiches  Alexanders 
war  Ägypten  noch  am  wenigsten  unglücklich.  Ja,,  fast  zwei  Jahrhunderte 
lang  schien  das  ganze  geistige  Leben  Griechenlands  sich  an  die  Ufer  des 
Nils  geflüchtet  zu  haben,  wo  der  Krieg  nie  so  rasend  wütete  wie  in  der 
übrigen  Welt.  Es  war  das  noch  ein  rühmlicher  Widerschein  der  großen 
athenischen  Zeit. 

Dem  Ptolemäus,  dem  fähigsten  von  Alexanders  Statthaltern,  kommt 
die  Ehre  der  Urheberschaft  an  dieser  Wiedergeburt  hellenischen  Geistes 
in  Ägypten  zu.  Nachdem  er  seine  Nebenbuhler  vernichtet  hatte,  ließ  er 
sich  von  seinen  Soldaten  zum  Könige  von  Ägypten  ausrufen  (307).  Sein 
Haus  entbehrte  nicht  jeden  Glanzes-  es  bestand  fast  drei  Jahrhunderte, 
bis  es  mit  der  berüchtigten  Kleopatra  erlosch. 

Ptolemäus  berief  nach  Alexandria,  das  die  Hauptstadt  seines  Reiches 
wurde,  griechische  Gelehrte  und  Forscher.  Er  ließ  zahlreiche  Schiffe, 
angeblich  zweitausend,  bauen  und  mit  griechischen  Seeleuten  bemannen.. 
Die  Fellahs,  die  nichts  anderes  verstanden,  als  ihren  Acker  zu  bestellen 
und  ihre  Steuer  zu  zahlen,  ließen  sich  diese  völlige  Umwandlung  ihres 
alten  Landes,  ohne  sie  zu  verstehen,  ruhig  gefallen. 


Hellas.  57 

Auf  der  Insel  Pharos,  dreizehnhundert  Meter  vom  Lande,  wurde  auf 
seine  Veranlassung  ein  riesiger  Turm  von  vierhundert  Fuß  Höhe  erbaute 
Von  seiner  höchsten  Stelle  leuchteten  Feuer,  die  dort  angezündet  worden 
waren  und  niemals  ausgehen  durften.  Am  Tage  war  dei*  Rauch  schon 
von  weitem  sichtbar  und  des  Nachts  das  Licht  in  Hunderten  von  Metern  Ent- 
fernung. Das  war  der  erste  Leuchtturm.  Eine  große  Wohltat  für  die 
Menschheit. 

Es  wurde  auch  damals  das  Museum  gegründet  als  eine  Art  erste  Uni- 
versität. In  dem  Riesenbau  mit  den  weiten  Säulenhallen  neben  dem  Palast 
des  Königs  unterwiesen  Lehrer  in  den  Wissenschaften  und  der  Geschichte. 
Von  allen  Teilen  der  hellenischen  Welt  strömten  Studenten  herbei.  Schreiber 
kopierten  auf  Papyrusrollen  die  Werke  der  großen  griechischen  Schrift- 
steller, und  so  umfaßte  die  Bibliothek  von  Alexandria  bald  vierhundert- 
tausend Bände  und  wurde  damit  eines  der  Wunder  der  Welt  und  die  un- 
vergleichlichste   Sammlung   aller    bekannten    geistigen    Schätze. 

Gleichzeitig  mit  den  Griechen  kamen  auch  Juden  an  in  großen  Massen, 
die  sich  rasch  ausbreiteten.  Wenn  auch  sie  von  dem  Ansehen  griechischer 
Bildung  und  Kultur  angelockt  waren,  so  vergaßen  sie  darum  gleich- 
wohl die  eigne  Religion  nicht,  sondern  paßten  sie  nur  den  griechischen 
Verhältnissen  an.  Ihr  heiliges  Buch,  die  Bibel,  wurde  ins  Griechische  über- 
setzt. Eine  rührige,  einsichtsvolle,  an  ihren  theologischen  Erörter\mgen 
fast  ebenso  eifrig  wie  an  ihrem  Kleinhandel  hängende  jüdische  Gemeinde 
ließ  sich  neben  der  hellenischen  Bevölkerung  nieder.  So  wurde  Alexandria 
bald  eine  bedeutende  Groß-  und  Weltstadt.  In  dem  Augenblick,  wo  die 
Römer  mit  Pompejus  dort  einzogen,  zählte  sie  dreihunderttausend  freie 
Bürger  Quden,  Griechen,  Syrer,  Sizilier),  also  im  ganzen  über  eine  Million 
Einwohner.  Zwei  Jahrhunderte  lang  war  sie  das  bevölkertste  und  ge- 
bildetste Gemeinwesen  der  Welt. 

Immerhin  war  der  Glanz,  in  dem  Alexandria  erstrahlte,  nicht  geradezu 
blendend.  Seine  Bildhauer,  seine  Geschichtsschreiber  sind  doch  immer 
nur  von  mäßigem  Genie  gewesen.  Noch  waren  die  beiden  einzigen  großen 
Philosophen  der  Zeit  in  Athen:  Zeno  (308—264;)  und  Epikur  (341—270). 
Ihre  beiderseitige  miteinander  dauernd  um  die  Palme  ringende  Philosophie 
spaltete  alle  großen  Geister  des  Altertums  in  zwei  Parteien  und  bildete 
gewissermaßen  den  letzten  Widerhall  des  griechischen  Geisteslebens,  das 
auch  in  jenen  Zeiten  des  Verfadls  das  römische  noch  immer  an  Fruchtbar- 
keit übertraf.  Nach  Epikur  besteht  das  Weltall  aus  kleinsten  Urteilchen 
(Atomen),  deren  Streit  untereinander  die  unsere  Sinne  erregenden  Er- 
scheinungen hervorbringt.    Der  Mensch  nun,  ein  vergängliches  und  schwa- 


58  Drittes  Buch. 


ches  Wesen,  kann  Glück  nur  in  Weisheit  und  Mäßigung  finden.  Nach 
Zeno  und  den  Stoikern  muß  der  Mensch  Herr  und  nicht  Sklave  seiner 
Leidenschaften  sein.  Er  muß  jeden  Schmerz  über  sich  ergehen  lassen 
können,  ohne  zu  klagen.  Die  Weisheit  besteht  darin,  die  vergänglichen 
Güter  dieser  Welt  zu  verachten,  um  nur  der  Tugend  nachzustreben.  Nach 
Zenos  wie  Epikurs  Lehre  ist  die  sittliche  Vorstellung  ganz  unabhängig  von 
der  religiösen. 

Die  Nachkommen  des  Ptolemäus  blieben  bei  allen  ihren  Grausamkeiten 
und  Lastern  stets  der  Überlieferung  des  Ptolemäus  Soter  treu.  Dank  ihnen 
erweiterte  sich  die  schon  zu  Zeiten  des  ersten  Ptolemäus  sehr  reiche  Bi- 
bliothek zu  Alexandria  noch  inmier  mehr.  Sie  zählte  siebenhunderttausend 
Bände,  als  sie  durch  JuUus  Cäsars  Schuld  zum  größten  Teil  niederbrannte  (47). 

Auch  nach  diesem  verhängnisvollen  Brande  blieben  noch  immer  äußerst 
kostbare  Reste  übrig.  Doch  konnten  sie  den  späteren  Glaubensstürmern 
keinen  erfolgreichen  Widerstand  mehr  leisten.  Bei  einem  Aufstande  (389) 
übergaben  die  Christen  den  verzehrenden  Flammen  an  hunderttausend 
Bände.  Spätej  (641)  vernichtete  Amru,  der  siegreiche  Feldherr  des  Kalifen 
Omar,  alles  noch  irgend  Übriggebliebene.  Diese  Brandstiftungen  sind  ein 
schmerzliches  Sinnbild  dafür,  wie  ohnmächtig  doch  die  Stimme  der  Ver- 
nunft gegenüber  kriegerischer  und  religiöser  Verblendung  sein  kann. 

Ägypten  unter  den  Ptolemäern  ist  nichts  anderes  als  das  wiederaufer- 
siandene  Griechenland.  Doch  verstand  auch  jenes  sich  für  die  Dauer 
ebensowenig  zu  verteidigen  wie  dieses;  es  geriet  ebenso  unter  römische 
Botmäßigkeit  und  fiel  Cäsar,  Antonius  und  Octavian  als  eroberte  Provinz 
anheim. 

So  endigte  jenes  edle  Volk  von  Hellas  im  Altertum.  Es  fiel  seinen 
Bürgerkriegen,  seinen  Zwistigkeiten,  seiner  völligen  Unfähigkeit,  einig  zu 
bleiben,  zum  Opfer,  und  als  es  nach'  Verlauf  von  zwanzig  Jahrhunderten 
(1822)  endlich  seine  Unabhängigkeit  wiederfinden  sollte,  hatten  bereits 
ganz  andere  Völkerschaften,  die  noch  volkreicher,  wohlhabender  und  ge- 
bildeter waren,  den  ersten  Platz  in  der  Menschheit  inne. 

Doch  wir  würden  Undankbare  sein,  wir  Moderne,  wir  Bürger  Frank- 
reichs, Italiens,  Deutschlands,  Englands,  Amerikas,  Spaniens,  wenn  wir 
je  vergessen  sollten,  was  Griechenland  für  uns  getan  hat.  Griechenland  ist 
recht  eigentlich  die  Lehmieisterin  des  Menschengeschlechts  gewesen.  Es 
ist  inmitten  einer  noch  halbwilden  Völkerwelt  erstanden,  die  es  dann  voll- 
kommen umgebildet  hat.  Es  hat  das  Ideal  an  uns  weitergegeben,  das  es 
selbst  bei  sich  auszudenken  gewußt  hat  und  das  allmählich  auch  das  un- 


Hellas.  5g 

sere  geworden  ist.  Es  hat  die  menschliche  Vernunft  auf  den  Thron  ge- 
hoben; es  hat  die  Liebe  zum  Vaterlande  gelehrt;  es  hat  die  Wissenschaft 
geschaffen,  die  die  Wahrheit,  die  Kunst,  die  die  Schönheit  und  die  Sitt- 
lichkeit, die  die  Pflicht  ist. 

Mit  dem  griechischen  Denken  hat  das  barbarische  Zeitalter  der  Mensch- 
heit sein  Ende  erreicht. 


Nachtrag   des    Herausgebers   zu   Seite   44: 

Schon  in  seinen  früheren  Lustspielen  hat  Aristophanes  während  des  Pelo- 
ponnesischen  Krieges  alle  mächtigen  Kriegshetzer,  Kriegsgewinner  und 
Kriegsschwindler  von  der  Bühne  aus  mit  einem  wahren  Herkulesmute 
bekämpft,  wobei  er  noch  mehr  riskierte,  als  daß  die  Preisrichter  ganz 
unbedeutenden  Stücken  seiner  Mitarbeiter  den  Vorzug  gaben!  Als  aber 
die  Männer  versagten,  suchte  er  die  Frauenwelt  gegen  den  Kriegswahnsinn 
mobil  zu  machen  und  schaffte  das  tiefernste  Eirenelustspiel,  die  reizendste 
Friedensmythe  in  dramatischer  Form,  die  eine  geniale  Dichterphantasie 
schaffen  kann,  und  zugleich  die  überzeugendste  Widerlegimg  der  den 
Krieg  verteidigenden  Machtlehre,  die  ein  scharfer  beobachtender  Verstand 
zu  leisten  vermag.  Vgl.  Prof.  Wilhelm  Müller,  Eirene,  ein  zeitge- 
mäßes Friedensdrama,  im  Feuilleton  des  „Vorwärts"  vom 
Dienstag,  den  5.  Februar  1919,  Morgenausgabe,  Feuilleton  des  Hauptblattes. 


6o  Viertes  Buch. 


^  ViertesBuch. 

Rom. 

Der  Ursprung  des  römischen  Volkes  verliert  sich  im  Dunkel  der  Sage. 
Auch  ihre  älteste  Geschichte  im  engeren  Sinne  gehört  ihr  noch  an,  un- 
bekümmert darum,  daß  die  römischen  Schriftsteller,  die  sie  uns  erzählen, 
sie  ihren  Lesern  schließlich  als  eine  geschichtlich  verbürgte  Wahrheit  auf- 
getischt  haben. 

Nachdem  Rom  zu  Anfang  von  Königen  regiert  worden  war,  wurde  es 
bald  eine  Republik,  um  sich  schließlich  zum  Kaiserreiche  zu  entwickeln. 

Die  Etrusker  waren  schon  lange  Zeit  vor  den  Römern  in  Italien  ansässig. 
Von  ihrem  Ursprünge  weiß  man  übrigens  gar  nichts,  und  ihre  Sprache 
ist  noch  immer  unverständlich.  Es  ist  wahrscheinlich,  daß  sie  sich  in 
Italien  von  Norden  aus  nach  der  Mitte  zu  verbreiteten  in  einer  Zeit,  wo 
dieses  Land  bereits  von  älteren  mehr  oder  weniger  von  Urbeginn  landes- 
angesessenen Völkerstämmen  bewohnt  war,  von  denen  man  noch  heute 
vorgeschichtliche  Spuren  findet.  Aber  ihre  Denkmäler,  Grabsteine,  Klein- 
odien, Tongefäße,  Bronzen,  Münzen  bekunden  eine  bereits  weit  vorge- 
schrittene Zivilisation,  der  der  anderen  Völker  Italiens  aus  jener  Zedt  weit 
überlegen.  Wie  die  Phönizier  und  die  Karthager  hatten  auch  sie  Handel 
getrieben  und  weite  Fahrten  unternommen.  Sie  waren  reich,  gewerbe^ 
fleißig  und  tapfer.    Doch  wurden  sie  schließlich  gleichwohl  besiegt. 

Es  ist  kaum  wahrscheinlich,  daß  die  Gründer  Roms  Romulus  und  Remus 
von  einer  Wölfin  gesäugt  wurden;  aber  diese  Überlieferung  wird  stets 
ihre  treffliche  sinnbildliche  Bedeutung  behalten.  Fünf  Jahrhunderte  lang 
haben  die  Römer  die  tmbezähmbare  Wildheit  und  Gier  jenes  gefräßigen 
und  blutdürstigen  Raubtiers  gezeigt,  das  ihre  jimgen  Könige  genähirt 
haben  soll. 

Die  Römer  waren  zunächst  ein  ganz  kleiner,  halb  wilder  Stamm  von 
Hirten  und  Bauern,  die  mit  den  Hirten  imd  Bauern  der  Nachbarstämme 
in  beständiger  Fehde  lebten.  Allmählich  jedoch  bekam  jener  Stamm  die 
Oberhand  und  dehnte  seine  Herrschaft  aus.  Die  Hügel,  die  den  ursprüng- 
lichen kleinen  Marktflecken  umkreisten,  sollten  bald  eine  große  Stadt 
umschließen.  Hohe  Mauern  erstanden  und  einige  Gebäude  als  Wohnstätten 
für  den  königlichen  Hof. 


Rom.  6 1 

Bald  wurden  alle  Stämme  Latiums  mit  List  oder  mit  Gewalt  unterworfen, 
so  daß  es  zu  der  Zeit,  wo  Tarquinius  Superbus  vom  Throne  gestürzt  wurde, 
bereits  ein  großes  römisches  Volk  gab  (510). 

Keine  Volkserhebung,  sondern  eine  Verschwörung  der  Großen  hob 
das  Königtum  auf.  Es  gab  in  der  Tat  schon  in  diesem-  fernen  Zeitalter 
zwei  Klassen  von  römischen  Bürgern:  Plebejer  oder  Leute  aus  dem  Volke, 
die  von  den  unterworfenen  und  völlig  von  der  eigenen  Masse  einverleibten 
Völkerschaften  (Albanern,  Sabinem,  Volskem)  abstammten,  und  Adlige 
oder  Patrizier,  die  von  den  ältesten  Familien  abstammten,  die  sich  in  Rom 
niedergelassen  hatten,  also  ursprüngliche  und  echte  Römer  waren. 

Nach  der  Niederwerfung  des  Tarquinius  blieben  die  Patrizier  nach  wie 
vor  die  Herren  der  Staatsgewalt. 

So  war  denn  die  römische  Republik  lange  Zeit  eine  Oligarchie.  Zu  einer 
Körperschaft  vereinigt,  ernannten  die  Patrizier  die  Senatoren,  die  Be- 
schlüsse erließen  und  Gesetze  kundtaten.  Die  Vollziehung  dieser  letzteren 
wurde  zwei  vom  Senat  auf  ein  Jahr  ernannten  Konsuln  anvertraut.  Die 
Konsuln  hatten  eine  bürgerliche,  aber  auch  eine  militärische  Aufgabe,  ging 
doch  in  Rom  die  Militärgewalt  über  alles.  Die  städtische  Polizei  imd  die 
Verwaltung  der  öffentlichen  Arbeiten  wurde  Ädilen  anvertraut.  Die  Ge- 
richtsbarkeit wurde  von  Prätoren  ausgeübt.  Das  Schatzamt  wurde  von 
Quästoren  verwaltet.  Endlich  überwachten  zwei  Zensoren  in  allen  Lebens- 
lagen alle  ihre  Mitbürger  und  sogar  die  Senatoren  selbst.  Im  Falle  einer 
drohenden  Gefahr  war  diese  Hierarchie  plötzlich  verschwimden,  und  die 
oberste  Gewalt  ging  in  die  Hände  eines  einzigen  Bürgers,  eines  Diktators, 
über,  dessen  Machtbefugnisse  unbegrenzt  waren  und  der  alle  Gesetze  auf- 
heben konnte. 

Sonst  war  die  höchste  Gewalt  zwischen  Senat  und  Volk  geteilt:  die 
Verfügungen  wurden  im  Namen  des  Senats  und  des  römischen  Volkes  er- 
lassen (S.  P.  Q.  Rv).  AUe  Bürger  beteiligten  sich  an  den  Volksversamm- 
lungen (Komitien).  Sie  ordneten  sich  dann  nach  Zenturien  oder  auch 
Tribus,  und  ihr  Beschluß  war  ein  Plebiszit.  Die  Hauptaufgabe  dieser  Ver- 
sammlungen war  die  Wahl  von  Beamten,  die  damit  betraut  wurden,  die 
Plebejer  gegen  jeden  Mißbrauch  der  Amtsgewalt  durch  die  Patrizier  zu 
schützen.  Diese  Beamten,  die  Volkstribunen,  die  ausschließlich  von  dem 
Volke  ernannt  wurden,  waren  in  der  Republik  auch  die  Vertreter  seines 
Willens.  Die  ganze  innere  Geschichte  des  alten  Rom  ist  weiter  nichts  als 
ein  fortgesetzter  erbitterter  Kampf  zwischen  den«  Volkstribunen  und  dem 
Senat. 


02  Viertes  Buch. 


Im  Anfang  hatten  allein  die  Patrizier  ein  Anrecht  auf  die  Staatsgewalt 
und  die  Ehrenstellen;  aber  die  schließliche  Frucht  jener  zwei  Jahrhun- 
derte währenden  Kämpfe  war,  daß  allmählich  durch  die  eiserne  Notwen- 
digkeit der  Dinge  alle  Vorrechte  des  Adels,  eines  nach  dem  andern,  fallen 
mußten.  Plebejer  konnten  nunmehr  zu  Zensoren,  Ädilen,  ja  Konsuln  er- 
nannt werden  und  zuletzt  sogar  —  und  das  war  di^  denkbar  größte  Ge- 
nugtuung und  der  denkbar  größte  Sieg  für  sie  —  auch  in  die  Brüderschaft 
der  Pontifices  eintreten  und  dann  noch  Auguren  werden  (300). 

So  heftig  auch  all  dieses  Ringen  war,  es  konnte  niemals  auf  die  Vater- 
landsliebe der  Römer  Einfluß  gewinnen.  Sie  wußten  stets,  zum  mindesten 
dem  Auslande  gegenüber,  ihre  Einigkeit  zu  wahren. 

Im  Anfange  jedoch  drohte  einmal  die  Spaltung  zwischen  dem  Volke 
und  den  Adligen  gefährlich  zu  werden.  Die  Plebejer  hatten  sich  in  be- 
waffneten Scharen  auf  den  Heiligen  Berg  zurückgezogen,  und  das  un- 
heimhche  Gespenst  des  Bürgerkriegs  kündigte  sich  drohend  an.  Da  begab 
sich  ein  "Patrizier,  namens  Menenius  Agrippa,  zu  den  Meuterern  und  erzählte 
ihnen  ein  Gleichnis,  das  für  alle  Zeiten  seine  Geltung  behalten  wird.  „Die 
Gliedmaßen  wurden  es  eines  Tages  müde,  für  den  Magen  zu  arbeiten,  weil, 
wie  sie  sagten,  der  Magen  fauler  Ruhe  pflegtei,  während  die  Gliedmaßen 
ohne  auch  nur  einen  Augenblick  der  Erholung  sich  dauernd  schwer  ab- 
mühen müßten;  da  stellten  sie  ihre  Bewegung  ein  und  hörten  auf,  dem 
Magen  noch  weiter  Nahrungsmittel  zuzuführen.  Was  geschah  nun  ?  Da  der 
Magen  keine  Nahrung  mehr  verarbeitete  und  den  Gliedmaßen  Ruhe  brachte, 
litten  diese,  siechten  dahin  und  verloren  alles  Leben.  In  einem  Leibe 
sind  alle  Teile  genau  so  einander  verantwortlich  und  für  das  Ganze  haft- 
bar wie  in  einem  Staate;  es  sind  Arbe&ter  wie  Organisatoren  der  Arbeit 
ganz  genau  gleich  nötig"   (493). 

Wenige  Jahre  nachher  setzten  es  die  Volkstribunen  durch,  daß  eine 
regelrechte  Staatsordnung,  d.  h.  die  Gleichheit  aller  vor  dem  Rechte,  die 
Allgewalt  der  Patrizier  ersetzte.  Da  wurden  von  den  zu  diesem  oesonderen 
Zwecke  ernannten  Dezemvirn  die  Gesetze  der  zwölf  Tafeln  abgefaßt;  sie 
wurden  in  Erz  gegraben  und  auf  dem  Forum  ausgestellt.  So  sind  von  An- 
fang ihrer  Geschichte  an  die  Pflege  des  Rechtes  und  die  Achtung  vor  der 
Gesetzmäßigkeit  zu  allen  Zeiten  die  große  Sorge  der  Römer  gewesen.  Es 
war  dies  einer  ihrer  schönsten  Ruhmestitel. 

Eine  große  politische  Schwierigkeit  bildete  auch  die  Aufteilung  der  von 
den  römischen  Streitmächten  eroberten  Landesgebiete  und  die  Vergebung 
ihrer  Ländereien  kraft  einer  Gesetzgebung,  der  sogenannten  Agrargesetze. 
Grundsätzlich  gehörten  solche  Ländereien  natürlich  zum  allgemeinen  Be- 


Rom.  63 

sitze,  aber  staatliche  Besitztümer,  wie  sie  blieben,  waren  sie  gleichwohl 
nach  ihrer  Eroberung  zunächst  ausschließlich  den  Patriziern  gesichert,  die 
nun  große  Vorteile  daraus  zogen.  Da  verlangte  nun  auch  das  Volk  irgend 
etwas  von  dieser  Verteilung  zu  haben.  So  kamen  die  Volkstribunen  auf 
den  Gedanken,  die  Größe  der  einem  einzigen  Pächter  zufallenden  Län- 
dereien auf  fünfhundert  Morgen  zu  beschränken;  denn  diese  Pachtgüter, 
die  erblich  waren,  verwandelten  sich  bald  in  wirkliche  Besitzungen,  derart, 
daß  gewisse  Patrizier  auf  diese  Weise  schließlich  unermeßliche  Vermögen 
erwarben  inmitten  einer  hungernden  Bevölkerung.  Dieses  Gesetz,  die  Lex 
Licinia,  nach  seinem  Antragsteller  Licinius  benannt,  fand  Annahme,  doch 
kam  es  nie  zur  Durchführung.  Es  genügt  aber  nicht,  Gesetze  einzubringen, 
wenn  sie  nicht  beobachtet  werden  (366). 

Diese  poUtischen  Gegensätze  waren  zwar  leidenschaftlich,  aber  auch 
zugleich  sehr  fruchtbar.  Kampf  ist  eine  der  wichtigsten  Voraussetzungen 
für  die  Freiheit.  Wehe  den  Völkern,  die  in  der  eisigen  Kirchhofsruhe  der 
Knechtschaft  und  der  Gleichgültigkeit  erstarren  1  Die  ältesten  Römer 
schwärmten  noch  für  Freiheit,  ihre  Enkel  schwärmten  aber  weit  mehr  für 
2irkusspiele. 

Bis  Sulla  war  also  die  Staatsgewalt  in  Rom  zwischen  zwei  fast  gleich 
starken  Mächten  geteilt,  dem  Senat  und  dem  Volke.  Der  Senat,  konser- 
vativ, an  den  Überlieferungen  von  Jahrhunderten  hängend,  auf  seine  alt- 
ehrwürdigen, aber  ungerechten  Privilegien  pochend,  ein  Feind  jeden  Fort- 
schritts, Augenblicksstimmungen  ebensowenig  zugänglich  wie  festsm  der 
Größe  Roms  hängend,  und  nun  das  Volk,  voll  Abscheu  für  die  alten  Miß- 
bräuche, voll  Liebe  für  alles  Neue,  ebenso  leicht  geneigt  zu  verdammen 
wie  anzubeten,  ohne  jedes  Bedenken  bereit,  den  Helden,  den  es  gestern 
noch  beweihräuchert  hat,  morgen  schon  die  Vei-brechertreppe  hinabzu- 
werfen, undankbar,  mißtrauisch,  wankelmütig  und  leichtgläubig.  Zu  jeder 
Zeit  hat  es  noch  einen  derartigen  Widerstreit  zwischen  einem  Volk  und 
einem  Senat  gegeben,  und  nur  dann  ist  die  Leitung  des  Ganzen  weise,  wenn 
zwischen  beiden  ein  richtiges  Gleichgewicht  besteht. 

Ob  er  adlig  oder  plebejisch  war,  jeder  römische  Staatsbürger  war  von 
einer  eifersüchtigen,  fast  wilden  Vaterlandsliebe  beseelt. 

Die  Sitten  waren  rauh.  Im  6.  Jahrhundert  gestaltete  die  Eroberung 
Griechenlands  und  des  Orients  zwar  alle  Verhältnisse  vollständig  um,  aber 
in  den  ältesten  Zeiten  der  römischen  Geschichte  lebten  jene  harten  Bauern- 
krieger, denen  es  nichts  ausmachte,  Schwert  und  Pflug  abwechselnd  mit- 
einander zu  vertauschen,  ohne  jede  Üppigkeit  und  Schwelgerei. 


64  Viertes  Buch. 


1 


Das  Familienleben  war  von  unerbittlicher  Strenge.  Der  Familienvater 
hat  bei  Frau  und  Kindern  Recht  über  Leben  und  Tod.  Die  väterliche  Ge- 
walt ist  eine  unumschränkte.  Mögen  die  Söhne  auch  noch  so  alt  sein,  der 
Vater  bleibt  ihr  Gebieter  und  Richter.  Die  Frau  hat  keine  Rechte.  Doch 
wie  eine  Sklavin  darf  sie  ihr  Gatte  nicht  behandeln.  Ja,  er  hat  sogar 
dauernd  Rechnung  abzulegen  über  die  Mitgift,  die  sie  in  die  Ehe  gebracht 
hat,  und  sie  ist  nicht  wie  in  der  griechischen  Gesellschaft  dauernd  ins 
Frauengemach  verbannt. 

Offen  gestanden,  wächst  dieRoUe,  die  die  Frau  in  der  römischen  Ge- 
sellschaft  spieltTln  demselben  Maße,  wie  der  Verfall  Fortschritte  macht. 

Wie  in  Griechenland,  werden  die  Sklaven  aus  den  im  Kampfe  über- 
wundenen Feinden  genommen.  Ihr  Schicksal  ist  erträglich  oder  unselig, 
je  nachdem  sie  an  einen  menschlichen  oder  grausamen  Herrn  gekommen 
sind;  denn  der  Herr  vermag  alles,  er  kann  jeder  Laune  freien  Spielraum 
geben.  Er  hat  mehr  Recht  über  seine  Sklaven,  als  ein  heutiger  Mensch 
über  seine  Katze  oder  seinen  Papagei.  Der  Herr  kann,  wenn  es  ihm  einfällt, 
die  Muränen  seines  Weihers  mit  Sklaven  füttern;  er  kann,  wie  der  strenge 
Cato,  sie  Tag  und  Nacht  den  Mahlstein  drehen  lassen,  bis  sie  vor  Ermü- 
dung tot  hinfallen. 

Im  römischen  gesamten  Leben  bildet  ebenso  wie  im  griechischen  diese 
furchtbare  Sklaverei,  zu  der  die  armen  Kriegsgefangenen  verdammt  sind, 
den  größten  Schandfleck. 

Die  Römer  waren  auch  sehr  abergläubisch.  Der  Kultus  bestand  aus 
«iner  Unzahl  von  rituellen  Handlungen.  Sie  glaubten  an  Vorbedeutungen, 
Bräuche  und  Zauberformeln.  Für  jedes  Ereignis  des  Lebens,  für  jede  neue 
Unternehmung  wurde  ein  besonderer  Gott  mit  genau  vorgeschriebenen 
Ausdrücken  angerufen.  Ihnen  standen  die  Grigris  und  Amulette  der  Neger 
näher  als  der  geometrische  Gott  Piatos.  Für  sie  sind  die  Gottheiten  be- 
gehrliche, reizbare  und  verderbenbringende  stumme  Persönchen,  die  es  gilt, 
durch  Worte,  Gebärden  und  besonders  auch  Spenden  zu  besänftigen.  Die 
Römer  haben  eine  im  Grunde  so  wenig  religiöse  Seele,  daß  i^  ihrer 
lateinischen  Sprache  das  Wort  religio  im  Sinne  von  unserm  „Aberglauben" 
;gebraucht  wird. 

^Aber  die  alten  Römer  trennten  die  Religion  nicht  vom  Vaterlande,  Jeder 
erstoß  gegen  die  Riten  war  gleichzeitig  ein  Verbrechen  gegen  die  Nation. 
Jeder  Religionsfrevel  war  eine  Beleidigung  der  römischen  Größe,  und  da 
sie  keinen  metaphysischen  Sinn  hatten,  da  sie  es  ablehnten,  in  die  Tiefe  zu 
gehen,  so  brachten  sie  in  ihrer  oberflächlichen  Verehrung  ganz  unberech- 
tigterweise  ihre  alten   Laren,   die   Schutzgötter   ihres  häuslichen   Herdes, 


Rom.  65 

nicht  nur  mit  den  Manen  der  abgeschiedenen  Ahnen  in  Zusammenhang, 
sondern  sogar  auch  noch  mit  den  verschiedensten  Göttern  der  Nachbar- 
völker, die  mit  jedem  neuen  Siege  auch  ihren  Einzug  in  Rom  hielten,  um 
den  armseligen  nationalen  Olymp  des  römischen  Volkes  mit  einigen  Neu- 
erscheinungen zu  bereichern. 

Mit  der  griechischen  Philosophie  schwand,  diese  ganze  Götterschar 
dahin.  Was  aber  blieb,  war  der  Aberglaube;  als  von  irgendwelchem  leben- 
digen religiösen  Bewußtsein  längst  nicht  mehr  irgendwelche  Spur  vor- 
handen war,  lebte  noch  immer  der  tote  Zeremonienkram  fort.  Selbst  so 
erlesene  Geister  wie  der  redegewaltige  Cicero  und  der  weltweise  vSeneca 
konnten  sich  nie  von  solchen  alten  religiösen  Formeln  ganz  frei  machen. 
Der  Kultus  wandte  sich  nie  an  wirkliche  Götter,  an  die  sie  doch  nicht  ge- 
glaubt hätten,  sondern  an  die  altehrwürdigen  nationalen  Bräuche,  und 
sie  waren  der  Ansicht,  daß  es  die  erste  Pflicht  eines  g^ten  Bürgers  wäre, 
den  alten  Überlieferungen  der  Stadt  treu  zu  bleiben!.  Diese  eigenartigfe 
Vermischung  von  Religion  und  Vaterlandsliebe  sollte  sich  noch  lange  zeigen. , 

Was  vor  allen  Dingen  die  Größe  Roms  ausmachte,  war  das  römische 

Heer.    Es  war  einfach  bewundernswert. 

Weder  die  Sklaven  noch  die  Ausländer  haben  das  Recht,  zu  dienen. 
Jeder  Soldat  ist  Bürger,  jeder  Bürger,  wtenn  ihn  die  Republik  braucht» 
Soldat.  Wenn  die  Riepublik  Krieg  beschlossen  hat,  stellt  sie  Legionen  auf. 
Beim  Eintritt  in  die  Legion  leisten  Soldaten  und  Offiziere  einen  feierlichen 
Treu-  und  Gehorsamseid,  einen  heiligen  Eid,  dessen  Zeugen  die  Götter  sind. 
Diese  Bürgersoldaten,  die  mehr  Soldaten  als  Bürger  sind,  sind  unbesieglich. 
Von  Kindheit  an  sind  sie  in  Strapazen,  Märschen,  Wettläufen  und  Leibes- 
übungen gedrillt  worden.  Von  Kindheit  an  ist  ihnen  erzählt  worden,  daß 
Rom  die  ewige  Stadt,  das  ewige  Volk  sei.  Von  Kindheit  an  haben  sie  ge- 
lernt, daß  das  edelste  Handwerk  das  der  Waffen  und  der  schönste  Tod 
der  des  Soldaten  auf  dem,  Schlachtfeld  ist.  Sie  sind  also  von  jener  doppel- 
ten sittlichen  Kraft  beseelt,  die  noch  immer  den  Sieg  gebracht  hat :  sie  sind 
bereit,  ihr  Leben  der  Sache  des  Staates  zu  opfern,  und  sie  sind  von  vom- 


'tAx<^ 


herein  des  Triumphes  sicher. 


— 'Z^^ 


Die  Manneszucht  ist  sehr  streng.   Soldaten,  und  fast  mehr  noch  Offiziere, 
müssen  sich  ihr  ohne  Zögern  und  Murren  unterwerfen.    Manlius  ließ  seinen 
eigenen  Sohn  enthaupten,  weil  er  zwar  im  Kampfe  gesiegt,  aber  sich  anf  f 
demselben  gegen  einen  Befehl  seines  Vaters,  desi  Diktators,  beteiligt  hatte.         Y' 
Jeder  Verstoß  gegen  eine  Verordnung  des  Konsuls  oder   Feldherm  wirdt 
mit  dem  Tode  bestraft.   Nie  wird  einem  römischen  Soldaten  verziehen,  wenn   r'Tf 
5  Riebet,  Geschichte  der  Menschheit  .    !r<-'y»^ 


66  Viertes  Buch. 


er  sich  von  dem  Feinde  überraschen  oder  gefangennehmen  läßt.    Er  hat 
nur  das  Recht,  zu  siegen  oder  zu  sterben. 

Zu  den  römischen  Legionen,  die  sich  ausschließlich  auf  die  eigentlichen 
Vollbürger  beschränken,  gesellten  sich  allmählich  andere  Truppenteile, 
die  aus  den  unterworfenen  Völkerschaften  ausgehoben  wurden  (die  so- 
genannten Bundesgenossen,  socii).  Wenn  diese  auch  nicht  jene  hohe  Vater- 
landsliebe und  Zuverlässigkeit  besaßen,  durch  die  die  römischen  Legionen  ja 
so  berühmt  sind,  so  waren  sie  doch  unter  dem  Befehle  römischer  Offiziere 
nicht  wenig  stolz  darauf,  zu  der  Verteidigung  der  römischen  Stadt  bei- 
tragen zu  können,  und  gleichfalls  hervorragende  Soldaten. 

Die  Reiterei  (equitatus)  bekam  ihre  Leute  aus  den  reichsten  Bürger- 
klassen. 

Eine  Stärke  dieses  Heereskörpers  bestand  auch  darin,  daß  er  nichts 
nachzuschleppen  brauchte.  Unsere  neueren  Heere  müssen  Lebensmittel, 
Schießvorräte,  Gespanne  und  für  Verwundete,  für  Belagerungen,  für 
Brückenbauten  einen  ganzen  nachziehenden  Troß  von  unzähligen  schwer- 
fälligen Wagen  mitnehmen,  die  auf  dem  Marsch  außerordentlich  hemmend 
wirken  und  die  leichte  Beweglichkeit  beeinträchtigen.  Der  römische  Le- 
gionssoldat hingegen  braucht  keinen  Nachtrab,  der  für  die  Mitnahme  seiner 
Bedürfnisse  sorgen  müßte;  er  bringt  sie  ganz  allein  miti.  Er  führt  seinö 
Waffen,  Schwert,  Helm  und  Schild,  einige  Lebensmittel,  einen  Pfahl  und 
eine  Hacke  bei  sich.  So  benötigt  er  niemanden  zur  Hilfe.  Jedesmal,  wenn 
zur  Lagerung  haltgemacht  wird,  und  wäre  es  auch  nur  für  eine  einzige, 
Nacht,  ist  die  erste  Sorge,  das  Lager  (castra)  abzustecken.  Da  macht  sich 
auch  noch  ein  jeder  Mann,  als  ob  er  nicht  den  ganzen  Tag  über  einen  langen 
erschöpfenden  Marsch  gemacht  hätte„an  die  Arbeit.  Der  Legionssoldat  wird 
zum  Feldmesser  und  Erdarbeiter.  Ein  tiefer  Graben  wird  gezogen  und  in 
wenigen  Stunden  ein  Pfahlzaun  aufgeführt.  Das  Heer  ist  nun  fest  geborgen 
in  einem  Lager,  das  gut  verschanzt,  leicht  zu  verteidigen  und  vor  Über- 
raschungen  behütet  ist. 

So  gebt  denn  der  römische  Soldat  niemals  müßig,  auch  wenn  er  nicht 
zu  kämpfen  hat.  Nicht  etwa  bloß,  daß  er  sich  weiter  im  Gebrauche  der 
Waffen  übt,  er  baut  auch  Wege,  Übergänge,  Wasserleitungen,  Befesti- 
gungen. Es  waren  die  römischen  Legionen,  die  jene  gediegenen  kunst- 
vollen Landstraßen  {viae  Romanae)  angelegt  haben,  mit  denen  Europa  und 
Nordafrika  so  besät  sind  und  die  noch  heute  die  Überraschung  und  Be- 
wunderung aller  erregen. 

Die  Einrichtung  des  römischen  Heereslebens  war  so  gewaltig,  daß  sie 
den  römischen  Kriegermut  um  ein  bedeutendes  überlebte.    Lange  schon 


Rom.  67 

war  jede  Tapferkeit  aus  dem  Heere  geschwunden,  als  noch  immer  das 
Heer  unbesieglich  war. 

Diese  Soldaten,  die  gegen  sich  selbst  so  streng  waren,  waren  auch 
streng  gegen  den  Feind.  Sie  waren  einem  Gefühle  des  Mitleids,  wie  man 
es  wohl  heute  kennt,  völlig  tmzugänglich.  Gewiß,  Cäsar  spricht  irgendwo 
von  seiner  Milde  gegen  die  Gallier  von  Cahors.  Aber  diese  Milde  hat  darin 
beslanden,  den  Besiegten  wohl  das  Leben  zu  schenken,  aber  ihnen  die 
Hände  abzuschneiden.  In  Wahrheit  müssen  von  den  ersten  Zeiten  der  Re- 
publik bis  zu  den  letzten  Tagen  des  Kaiserreichs  so  gut  wie  alle  Kriegs- 
gefangenen über  die  Klinge  springen.  Eine  Ausnahme  geschieht  nur  mit 
den  wenigen,  die  gerade  in  Obhut  genommen  werden  können.  In  diesem 
Falle  werden  sie  als  Sklaven  verkauft,  und  es  kommt  dann  der  Nutzen  zum 
Ruhme.  Sie  werden  nach  Rom  gebracht  und  müssen  den  Wagen  des 
Siegers  ziehen,  während  ihre  Führer  vor  den  Augen  einer  schaulustigen 
Menge  hingerichtet  werden.  Die  überwältigten  gemeinen  Soldaten  aber 
müssen  die  niedrigste  Sklavenarbeit  übernehmen  und  den  reichen  Patriziern 
Roms  ihren  Boden  bestellen  und  den  Mahlstein  drehen. 

Frauen,  Kinder,  Greise,  ganze  Menschenscharen  aus  den  Reihen  der 
Besiegten  müssen  ihr  Leben  lassen  oder  in  die  Sklaverei.  Die  Städte 
werden  geplündert,  die  Beute  zu  einer  Hälfte  an  die  Soldaten,  zur  anderen 
an  den  Pöbel  Roms  verteilt;  die  Ländereien  werden  entweder  sogleich  an 
die  Legionäre  verschenkt  oder  für  nachher  den  Patriziern  zurückbehalten. 

Der_Krieg_war  also  für  Rom  eine  nationale  Industrie,  die  ihm  weit 
mehr  einbrachte  als  Landarbeit  oder  Handel!  Andere  Völker  wurden 
"damit  betraut,  anstatt  seiner  den  Pflug  zu  führen  oder  Handel  zu  treiben. 
Der  Krieg  wird  erklärt,  die  Legionen  dringen  ins  feindliche  Land,  kämpfen, 
triumphieren,  und  alle  mühsam  erworbenen  Reichtümer  einer  fleißigen  Be- 
völkerung fallen  in  die  gierigen  Hände  des  römischen  Siegers,  der  mit 
Ruhm  und  Geld  beladen  heimkehrt  und  in   seine  Vaterstadt  einzieht. 

So  hatte  jeder  Krieg  das  unmittelbare  Ergebnis  der  Bereicherung  des 
römischen  Staates.  Mochte  auch  dieses  elende  Räubertum  noch  so  sehr 
unter  den  tönenden  Schlagworten  der  Vaterlandsliebe  und  der  Pflicht 
beschönigt  und  bemäntelt  werden,  es  war  viel  zu  einträglich,  als  daß  man' 
sich  irgendeiner  Täuschung  darüber  hingeben  könnte.  » 

Zunächst  allerdings  zogen  die  einer  unbeugsamen  Manneszucht  unter- 
worfenen Soldaten  für  die  eigne  Person  keinen  materiellen  Vorteil  aus 
den  Kriegen.  Sie  blieben  arm,  und  ihre  Führer  nicht  anders.  Die  ganze 
Beute  wurde  nach  Rom  geschafft;  aber  allmählich  wurden  Soldaten  wie 
Feldherren  dieser  Entsagung  müde.  Marius  wurde  der  große  Verderber  der 


68  Viertes  Buch. 


Kriegssitten.  Es  waren  ja  allerdings  schon  die  vielen  Kriege  vor  ihm  auch 
ebensoviele  Beutezüge;  aber  wenigstens  hatte  ganz  Rom  den  Nutzen 
davon  und  nicht  bloß  ein  einzelner  Feldherr,  der  sich  durch  seinen  Sieg 
selbst  bereicherte. 

Die  Geschichte  Roms  ist  jin^wgs^LtUchen  eine  Geschichte  der  Erobe- 
rung^n^ 

Den  ersten  Abschnitt  bildet  das  Zeitalter  der  Könige  (754 — 510);  er 
umfaßt  die  Eroberung  von  Latium. 

Der  zweite  Abschnitt  (510—282)  hebt  mit  der  Einsetzung  der  Re- 
publik an  und  schließt  mit  der  Vernichtung  der  Samniter;  er  umfaßt  die 
Eroberung  von  Italien. 

Der  dritte  Abschnitt  (282 — loi)  ist  durch  eine  Reihe  großer  Kriege 
gezeichnet,  die  nach  mancherlei  Wechselfällen  schließlich  immer  mit  der 
Vernichtung  der  Feinde  Roms  enden.  Karthago  wird  zu  Boden  geschlagen 
und  völlig  zerschmettert;  Griechenland,  Spanien,  Ägypten,  Syrien  werden 
unterworfen;  die  Kimbern  und  Teutonen  zurückgedrängt;  er  umfaßt  die 
Eroberung  der  Welt. 

Der  vierte  Abschnitt  (loi — 31)  ist  das  Zeitalter  der  großen  Bürgerkriege. 
Marius  und  Sulla,  Pompejus  und  Cäsar,  Antonius  und  Octavianus  stritten 
erbittert  um  die  Alleinherrschaft.  Er  führt  zur  Gründung  des  Kaiserreichs 
im  Anschluß  an  die  Schlacht  bei  Aktium. 

Der  fünfte  Abschnitt  ist  das  Zeitalter  der  Kaiser.  Er  findet  mit  jenem 
Tage,  wo  die  christliche)  Religion  die  des  Kaisers  wird,  seihen  natürlichen 
Abschluß  (312). 

Die  Eroberung  von  Latium  war  schon  recht  langwierig  und  mühselig. 
Wir  haben  nur  wenige  glaubwürdige  Denkmäler  über  das  noch  halb 
sagenhafte  Zeitalter.  Wahrscheinlich  sind  jene  Kämpfe,  die  sich  die 
kriegerischen  Hirten  der  römischen  Ebene  gegenseitig  geliefert  haben 
sollen,   von  den  römischen  Geschichtschreibern  künstlich  entstellt  worden. 

Als  Herrscherin  über  Latium  fand  sich  aber  nun  Rom  dem  etruskischen 
Volke  gegenüber. 

Dieser  Krieg  dauerte  nahezu  ein  Jahrhundert  und  zeigte  die  ver- 
schiedensten Schwankungen;  aber  schließlich  mußte  sich  auch  Etrurien 
Rom  unterwerfen. 

Doch  diese  noch  langwierigere  und  mühseligere  Eroberung  hatte  eine 
eigenartige  Folge.  Obwohl  selber  Sieger,  unterlagen  die  Römer  doch  stark 
dem  Einfluß  der  Besiegten.  Und  so  verschmolzen  die  Sitten  und  die 
Religion  der  Römer    und  der  Etrusker    zu  einer  Einheit.     Die  römische 


Rom.  6q 

Zivilisation  hat  im  ganzen  zw(ei  Perioden  aufzuweisen  gehabt:  eine  etrus-    /  . 
kische  und  eine  griechische. 

Noch  waren  die  Etrusker  nicht  ganz  unterworfen,  als  Rom  schon  wieder 
ein  nun  noch  drohenderes  Unwetter  heraufziehen  sah :  die  gallische  Gefahr!. 

In  Oberitalien  hatten  sich  einige  halbbarbarische  kriegerische  Stämme 
festgesetzt,  die  von  Norden  her  gekommen  waren  und  die  die  römischen 
Schriftsteller  Gallier  nannten.  Von  ihnen  bedroht,  riefen  die  Etrusker  Rom 
zu  Hilfe,  und  Rom  beeilte  sich,  der  Bitte  nachzukommen.  Das  war  der 
Anlaß  zu  einem  blutigen  Krieg*e.  Die  römischen  Heere  wurden  in  der 
Schlacht  an  der  Allia  vollständig  vernichtet  (390),  wodurch  der  Weg  nach 
Rom  jedes  Schutzes  entblößt  wurde.  Die  siegreichen  Gallier  drangen  in 
die  ewige  Stadt  ein,  belagerten  das  Kapitol  und  zogen  nicht  eher  ab,  bis 
sie  eine  reiche  Kriegsentschädigung  erlangt  hatten.  In  jenen  Tagen  geschah 
es,  daß  Brennus,  der  gallische  Führer,  sein  gewaltiges  Schwert  in  die  Wage 
warf,  in  der  das  zum  Loskauf  bestimmte  Gold  abgewogen  wurde,  und 
dabei  jenen  berüchtigten  Ausspruch  tat,  der  die  größte  geschichtliche  I 
Wahrheit  zum  Ausdruck  bringt,  die  es  überhaupt  nur  geben  kann :  „Wehe  / 
den  Besiegten  1"  j 

Noch  lange  schwebte  den  Römern  der  gallischje  Überfall  in  ihrer 
Erinnerung  als  das  furchtbarste  Schreckbild  vor.  Jedesmal,  wenn  der 
gallische  Aufruhr  verkündet  wurde,  mußten  sämtliche  römischen  Bürger 
zu  den  Waffen  greifen. 

Was  zu  allen  Zeiten  die  Stärke  der  Römer  ausmachte,  war  der  stolze 
Trotz,  mit  dem  sie  auch  nicht  für  einen  Augenblick  eine  Niederlage  end- 
gültig hinnahmen.  Die  Unglücksfälle  steigerten  nur  noch  ihren  Mut,  und 
sie  verzweifelten  niemals  an  der  Republik. 

Die  Feinde  aus  dem  Norden,  die  Gallier,  waren  als  Sieger  in  Rom  ein- 
gezogen. Die  Feinde  aus  dem  Süden,  die  Samniter,  schickten  die  römischen 
Soldaten  unter  das  kaudinische  Joch  (321).  In  einen  Engpaß  eingeschlossen, 
mußte  sich  ein  ganzes  römisches  Heer  den  Bedingungen  des  Siegers  fügen. 
Zwar  schonte  er  ihr  Leben,  aber  er  tat  ihnen  die  Schmach  an,  daß  sie  die 
Waffen  ablegen  und  unter  das  Joch  hindurch  mußten. 

Rom  verzieh  den  Samnitern  diesen  Schimpf  nicht.  Der  Krieg  wurde 
von  neuem  angefangen  und  die  Samniter  beim  Vadimonischen  See,  bei 
Sentinvrai  und  bei  Aquilonia  vernichtet.  Damit  wurden  die  Römer  die 
Herren  von  ganz  ItaUen  (282). 

Einige  Unabhängigkeit  blieb  nun  nur  noch  den  griechischen  Kolonien 
im  Süden  der  Halbinsel.  Hier  war  Tarent  die  blühendste  Stadt;  es  bildete 
übrigens  eine  leichte  Beute,  weil  die  Sitten  der  Tarentiner  ganz  und  gar 


70  Viertes  Buch. 


verweichlicht  waren.  Wie  alle  übrigen  Griechen  jener  Zeit,  so  waren  auch 
sie  mehr  Künstler  und  Kaufleute  als  Krieger.  Da  riefen  sie  nun,  um  sich 
gegen  den  immer  größeren  Ansturm  der  römischen  Habgier  zu  schützen, 
einen  ebenso  begabten  wie  unternehmenden  Abenteurer  zu  Hilfe,  dem  es; 
nach  dem  Zerfall  von  Alexanders  Reiche  gelungen  war,  seine  Ernennung 
zum  König  von  Epirus  durchzusetzen.  Es  war  das  Pyrrhus.  Eiligst  durch- 
ftilir  er  das  Adriatische  M.eer  und  zwang  die  Römer,  die  Belagerung  von 
Tarent  aufzuheben.  Mit  den  großen  strategischen  Fähigkeiten,  über  die 
er  verfügte,  erfocht  er  auch  noch  über  die 'Römer  bei  Heraklea  einen  glän- 
zenden Sieg  mit  Hilfe  der  berühmten  Kriegselefanten,  die  die  römischen 
Legionäre  damals  zum  ersten  Male  sahen  (279).  Hierzu  fügte  er  noch 
einige  weitere  Siege,  die  ihm  aber  teuer  zu  stehen  kamen  und  so  blutig 
waren,  daß  er  trotz  seiner  handgreiflichen  Erfolge  nun  doch  in  sein  König- 
reich zurückkehren  mußte,  als  ob  er  wahrhaftig  nicht  selbst  gesiegt 
hätte,  sondern  von  seinen  Gegnern  völlig  geschlagen  worden  wäre.  Als  er 
nun  seine  Königsherrschaft  in  Mazedonien  und  Griechenland  antreten 
wollte  und  nicht  aufhörte,  den  unmöglichsten  Eroberungsplänen  nachzu- 
gehen, fand  er  einen  jähen  Tod,  als  er  gerade  mit  der  Belagerung  von 
Argos  beschäftigt  war  (274).  Es  war  dies  zu  derselben  Zeit,  wo  die  Römer 
ihre  Unterwerfung  der  griechischen  Kolonien  in  Italien,  die  nun  eines  ernst- 
lichen Widerstandes  nicht  mehr  fähig  waren,  aufs  glücklichste  und  erfolg- 
reichste zum  Abschluß  brachten. 

Aber  schon  tauchte  vor  den  Augen  der  Herrin  Italiens  ein  neuer,  noch 
furchtbarerer  Feind  in  herausfordernder  Haltung  auf:  Karthago.  Der 
langjährige  Kampf,  um  Sein  oder  Nichtsein  zwischen  Rom  und  Karthago 
nimmt  in  der  römischen  Geschichte  eine  entscheidende  Stellung  ein. 
Hatte  Rom  erst  einmal  Karthago  besiegt,  brauchte  es  keinen  Neben- 
buhler mehr  in  der  Welt  zu  fürchten. 

Seit  drei  Jahrhunderten  waren  die  Karthager  die  eigentlichen  Herren 
des  ganzen  westlichen  Mittelmeers.  Karthago  war  im  9.  Jahrhundert  von 
den  aus  Tyrus  hinübergekommenen  Phöniziern  gegründet  worden.  Bald 
blühte  die  Kolonie  ebenso,  wie  die  Mutterstadt  immer  mehr  in  Vergessen- 
heit geriet.  In  dem  Augenblicke,  wo  es  seine  Kriege  mit  Rom  begann, 
war  Karthago  eine  gewaltig  aufstrebende  Stadt  und  das  Haupt  eines 
großen  Reiches,  das  über  eine  ungeheure  Flotte  und  unermeßliche  Reich- 
tümer verfügte. 

Die  Karthager  hatten  Handelsbeziehungen  mit  Spanien,  Gallien,  der 
ganzen  Mittelmeerküste  Afrikas  und  besonders  auch  mit  Sizilien  ange- 
knüpft.   Einer  ihrer  kühnsten   Seefahrer,  Hanno,    hatte   sogar  mit   seinen 


Rom.  "7 1 

sechzig  Schiffen  die  Säulen  des  Herkules  durchfahren,  ebenso  die 
atlantische  Küste  Afrikas  bis  zum  Senegal,  ja  vielleicht  schon  bis  zum 
Gabon  (570).  Andere  karthagische  Schiffe  waren  bis  zu  den  britischen 
Inseln  gewesen.  Die  Kaufleute  von  Karthago  trieben  auf  Madeira  und  den 
Kanarischen  Inseln  Handel  und  machten  an  den  Küsten  von  Portugal  und 
Marokko  Geschäfte,  und  was  nun  erst  das  Mittelmeer  anging,  so  waren 
ihnen  alle  seine  Uferländer  bekannt  und  vertraut,  Sie  waren  in  der  alten 
Well  fast  die  einzigen,  die  sich  auf  einen  erfolgreichen  Handel  und  ein 
vorteilhaftes  Austauschgeschäft  verstanden.  Sie  führten  Stoffe  imdTöpffer- 
vvaren  aus  und  brachten  dafür  Silber  und  Zinn  in  Barren,  Gold  in  Pulver- 
form und  kostbare  Hölzer  nach  Hause. 

Im  übrigen  wenig  kriegerisch,  hatten  sie  als  Soldaten  nur  fremde 
Söldner,  die  in  den  Nachbarländern  ausgehoben  wurden:  Numider,  aus- 
gezeichnete Reiter,  Balearen,  gewandte  Schleuderer,  und  vor  allem  Spanier 
und  Gallier. 

Ihre  Sprache  war  die  phönizische.  Es  ist  bis  auf  einige  Inschriften  nur 
wenig  davon  übrig,  denn  sie  haben  weder  Dichter  noch  Geschicht- 
schreiber gehabt.  Fast  alles,  was  wir  von  ihnen  kennen,  wissen  wii"  von 
den  Römern,  die  sie  haßten. 

Ihre  Religion  war  barbarisch.  Einer  ihrer  Götter,  der  Moloch,  verlangte 
Menschenopfer.  In  dem  größten  Tempel  der  Stadt  erhob  sich  eine  riesige 
Bronzefigur,  deren  von  Feuer  geröteter  Leib  die  Neugeborenen  aufnahm, 
die  man  hineinwarf,  um  den  Zorn  des  Gottes  zu  beschwichtigen. 

Die  vollziehende  Gewalt  hatte  eine  Wahlregierung.  Das  Volk  ernannte 
die  Senatoren  (Sufeten);  aber  es  war  leicht,  die  Stimmen  zu  kaufen,  und 
sie  wurden  denn  auch  wirklich  gekauft;  so  kamen  allein  die  Reichen  in  den 
Senat.  Die  Partei  der  Reichen  war  infolgedessen  allmächtig.  Karthago  ist 
das  vollendete  Muster  der  demokratischen  Regierungen,  bei  denen  alles 
käuflich  und   darum  auch  in   den   Händen   der   Reichen   ist. 

Wenn  dieser  karthagische  Senat  von  den  Römern  auch  vielleicht  etwas 
verleumdet  worden  ist,  so  ist  er  doch  in  jedem  Falle  ziemlich  verächtlich 
gewesen.  Keine  Sorge  um  die  beschworene  Treue,  keine  Liebe  zum  Vater- 
lande. Die  Senatoren  faßten  ihre  Beschlüsse  allein  nach  ihren  Augenblicks- 
stimmungen und  ihren  persönlichen  Zu-  und  Abneigungen;  abergläubisch 
wie  Barbaren,  habgierig  wie  Kulturmenschen. 

Das  Volk  war  ganz  ebenso  abergläubisch  wie  der  Senat.  Die  Sklaven 
wurden  noch  schlimmer  als  in  Rom  behandelt  und  die  Grausamkeit  der 
Karthager   entsprach   ihrer   Hinterlist.    Den   von  ihnen   gegründeten   Ko- 


72  Viertes  Buch. 


lonien  ließen  sie  keine  Handelsfreiheit,  statt  dessen  hatten  sie  überallhin 
ihren  Haß  verbreitet. 

Aber  sie  sollten  einen  Mann,  einen  einzigen  wahrhaft  großen  Mann  haben : 
Hannibal. 

Der  erste  punische  Krieg  spielte  sich  auf  Sizilien  ab;  der  zweite,  in 
dem  die  Macht  ;Roms  einen  Augenblick  in  Gefahr  war,  in  Italien;  der  dritte, 
in  dem  Karthago  unterlag,  in  Afrika. 

Sizilien  war  durch  seine  natürliche  Lage  dazu  bestimmt,  für  die  beiden 
miteinander  in  Streit  liegenden  Republiken  zugleich  ein  Schlachtfeld  und 
eine  Freibeute  zu  sein.  Karthago  hatte  den  Griechen  Sizilien  weggenommen, 
Rom  nahm  wieder  Karthago  Sizilien  weg.  Es  geschah  dies  im  ersten  puni- 
schen  Kriege  (264 — 241). 

Der  Friede,  der  diesem  Kriege  folgte,  konnte  nur  ein  Waffenstillstand 
sein;  es  handelte  sich  um  die  Herrschaft  über  das;^  Mittelmeer,  Sardinien, 
Korsika,  die  Balearen,  Spanien  und  Gallien;  denn  Rom  gab  sich  ebenso- 
wenig mit  Italien  zufrieden  wie  Karthago  mit  Afrika. 

Da  tritt  Hannibal  auf,  eine  Erscheinung,  wiie  sie  nur  selten  in  der 
Geschichte  zu  finden  ist  (247 — 183). 

Von  dem  karthagischen  Senat  zum  Feldherrn  ernannt  (220),  bringt  er 
ein  starkes  Söldnerheer  zusammen  und  beginnt  seinen  Eroberungszug  mit 
der  Einnahme  von  Sagunt,  einer  mit  den  Römern  verbündeten  spanischen 
Stadt ;  dann  übersteigt  er  in  einer  schier  unglaublichen  Geschwindigkeit  die 
Pyrenäen,  durcheilt  Südgallien  und  überschreitet  den  Rhonestrom  bei 
A\agnon.  ohne  daß  seine  Gegner  etwas  zu  ahnen  oder  ihn  irgendwie  zu 
hindern  vermocht  hätten.  Nun  übersteigt  er  auch  noch  mit  seinen  Elefanten, 
seiner  Reiterei  und  seinem  Troß  die  Alpen,,  edn  tollkühnes  und  unheim- 
liches Unternehmen,  das  dio  Militärschriftsteller  in  Verlegenheit  setzt. 
Zwei  große  Schlachten,  in  denen  er  siegreich  ist,  die  eine  im  'diesseitigen 
Gallien  (an  der  Trebia),  die  andere  in  Etrurien  (am  trasimenischen  See), 
öffnen  ihm  den  Weg  nach!  Rom.  Noch  unmittelbar  vor  Rom  gewinnt  er 
einen  dritten  großen  Sieg,  der  die  Entscheidung  herbeiführt,  die  Schlacht 
bei  Cannä  (216). 

Aber  er  konnte  seinen  Sieg  nicht  ausnutzen;  denn  Karthago  schickte 
ihm  keine  Verstärkungen,  und  sein  Heer  wurde  mit  jedem  Kampfe 
schwächer.  Anstatt,  wie  es  doch  wohl  gescheiter  gewesen  wäre,  eiligst  in 
Rom  einzudringen,  suchte  er  vielmehr  die  Völkerschaften  Unteritaliens 
gegen  die  römische  Gewaltherrschaft  aufzuwiegeln,  wie  er  es  vorher  mit 
den  Bewohnern  Oberitaliens  versucht  hatte.  Im  Süden  der  Halbinsel  bezog 
er  ein  Lager  nach  dem  andern,  um  zehn  Jahre  lang  mit  nur   einer  Hand- 


Rom.  73 

voll  Soldaten  den  Heeren,  die  ihm  Rom  immer  wieder  entgegenstellte,  die 
Spitze  zu  bieten.  Zehn  Jahre  lang  blieben  Rom  und  Hannibal  um  die 
Wette  unbezwinglich  in  ihrer  Beständigkeit  imd  ihrem  Haß. 

Einen  Augenblick  erhoffte  schon  Hannibal  den  Sieg.  Sein  Bruder 
Hasdrubal,  der  Besieger  der  Scipionen  in  Spanien,  kam  gerade  nach 
Italien.  Rom  war  nun  zwischen  zwei  siegreichen  Heeren  eingekeilt,  dem 
Hasdrubals  im  Norden  und  dem  Hannibals  im  Süden.  Es  bewaffnete 
seine  letzten  Legionen.  Die^  Staatskasse  war  erschöpfjt,  und  alles  schien, 
verloren,  wenn  sich  die  beiden  siegreichen'  Feldherren  vereinen  sollten. 
Aber  Hasdrubal  wurde  in  der  Schlacht  am  Metaurus  vernichtet  und  fand 
in  ilir  seinen  Tod.  'Nach;  diesem  Siege  ging  der  römische  Konsul  in  einem 
Eilmarsche  nunmehr  gegen  Hannibal  vor  und  ließ,  vor  dem  feindlichen 
Lager  angekommen,  das  abgeschnittene  Haupt  Hasdrubals  hineinwerfen. 
„Darin  erkenne  ich  das  Schicksal  Karthagos!"  Das  waren  die  bedeutungs- 
vollen "Worte,  die  in  jenem  Augenblicke  aus  dem  Munde  Hannibals  kamen. 

Vier  Jahre  noch  hielt  sich  Hannibal  in  Unteritalien;  doch  die  Römer 
hatten  wieder  Mut  gewonnen.  Sie  folgten  ihrem  großen  Gegner,  der  den 
Krieg  nach  Italien  gelegt  hatte,  in  seiner  Taktik  und  schickten  ein  ge- 
waltiges Heer  nach  Afrika  hinüber.  Um  den  Ansturm  abzuschlagen,  wurde 
Hannibal  nach  Hause  gerufen.  So  sah  er  sein  Vaterland  nach  sechsund- 
dreißigjähriger  Abwesenheit  wieder,  nachdem  er  um  das  karthagische. 
Meer  einen  glänzenden  Siegeskreislauf  vollzogen   hatte. 

Die  römischen  Streitmächte  wurden  von  einem  äußerst  fähigen  Feld- 
herrn, dem  jungen  Scipio,  befehligt.  Sie  gewannen  einen  glänzenden  Sieg 
bei  Zama  (202).  Karthago  mußte  sich  einem  demütigenden  Frieden  fügen. 
Der  zweite  punische  Krieg  war  beendigt. 

Im  Kriege  besiegt,  suchte  nun  Hannibal  Karthago  seine  alten  Kräfte 
wiederzugeben  und  gegen  Rom  Bündnisse  mit  Mazedonien  und  Syrien  zu 
schließen.  So  verlangte  denn  der  römische  Senat,  der  diesen  schrecklichen 
Feind,  der  die  Waffen  gegen  ihn  nicht  niederlegen  wollte,  noch  immer  sehr 
fürchtete,  seine  Auslieferung  (195).  Hannibal  hatte  nur  geringes  Ver- 
trauen zii  der  Großherzigkeit  seiner  Landsleute  und  flüchitete  sich  nach 
Ephesus  zu  König  Antiochus.  Aber  Antiochus  wurde  bald  fast  ohne  Kampf 
von  den  Römern  bezwungen.  Hannibal  mußte  ein  anderes  Obdach  suchen 
und  begab  sich  nach  Bithynien  zu  König  Prusias,  einem  Feinde  der  Römer. 

Aber  Rom  hörte  nicht  auf,  Hannibal  mit  seinem  Hasse  zu  verfolgen. 
Es  schickte  Gesandte  an  Prusias,  um  die  Auslieferung  des  erlauchten  Ver- 
bannten zu  erlangen.  Prusias,  der  ebenso  feig  wie  der  karthagische  Senat, 
ebenso  feig  wie  Antiochus  war,  hätte  seinen  Gast  sicher  ausgeliefert,  wenn 


74  Viertes  Buch. 


nicht  Hannibal,  um  nicht  lebend  in  die  Hände  seiner  Todfeinde  zu  kommen, 
Gift  genommen  hätte  (183). 

Gewiß  kann  nur  ein  jeder  dem  unvergleichHchen  Manne  die  höchste  Be- 
wunderung zollen,  der,  obwohl  von  allen  seinen  Mitbürgern  geradezu  im 
Stiche  gelassen,  es  gleichwohl  vermochte,  ein  halbes  Jahrhundert  lang  mit 
so  unzulänglichen  Hilfsmitteln  der  riesenhaftesten  Streitmacht  der  Welt 
die  Spitze  zu  bieten.  Furchtbar  in  listigen  Anschlägen,  aber  es  in  seiner 
Kühnheit  bis  zu  den  gewagtesten  Unternehmungen  treibend,  nichts  dem 
Zufall  überlassend,  aber  voll  Vertrauen  auf  seine  Begabung,  trotzig  stolz 
im  Unglück,  ohne  sich  von  dem  Erfolge  blenden  zu  lassen,  gilt  er  ohne 
nennenswerten  Widerspruch  als  das  größte  militärische  Genie  aller  Zeiten. 

Doch  was  blieb  von  dieser  so  rühmlichen  und  doch  so  erfolglosen  und 
zweifelhaften  Heldenlaufbahn  übrig?  Italien  verwüstet  und  geplündert,  Kar- 
thago gedemütigt,  Rom  überall  triumphierend!  Vielleicht  trug  das  Werk 
Hannibals  schon  gleich  bei  seinem  Beginn  die  Züge  des  Todes  an  sich; 
doch  in  jedem  Fall  ist  dieser  ungleiche  Kampf  zwischen  einem  verlassenen 
und  allein  auf  sich  gestellten  Mann  und  einem  mächtigen  Reiche  eines  der 
rührendsten  Zwischenspiele  der  Geschichte. 

Der  dritte  punische  Krieg  ist  nicht  viel  mehr  als  ein  militärischer  Ab- 
stecher, eine  militärische  Übung.  Der  Friede  von  Zama  hatte  die  Erwar- 
tungen der  Römer  enttäuscht.  Karthago,  die  verhaßte  Nebenbuhlerin,  stand 
noch  immer  aufrecht  und  in  Blüte.  Da  trat  in  Rom  eine  Partei  auf,  die 
erklärte,  es  sei  die  vornehmste  Pflicht,  Karthago  zu  zerstören;  der  sitten- 
strenge Cato  schloß  damit  alle  seine  Reden.  Er  gehörte  zu  denen,  denen 
die  Liebe  zum  eigenen  Vaterlande  den  Haß  gegen  das  Vaterland  anderer 
bedeutet. 

Jetzt  waren  die  Römer  endUch  ihrer  kriegerischen  Überlegenheit  sicher 
und  wollten  es  darum  auch  nicht  erst  lange  mit  heuchlerischen  Schein- 
angriffen versuchen.  Sie  fuhren  gleich,  ohne  zu  zögern,  nach  Afrika  hin- 
über und  verlangten  kurzerhand  die  Unterwerfung  Karthagos,  ohne  auch 
nur  irgendwelche  Vorwände  für  diesen  Raubzug  ins  Feld  zu  führen. 
Zwar  versuchten  die  Karthager,  sich  zu  verteidigen;  doch  bald  hatten  sie 
in  Afrika  nur  noch  ihre  Hauptstadt  übrig,  die  in  ihren  hohen  Mauern  einen 
besseren  Schutz  als  in  der  Tapferkeit  ihrer  Söldnerscharen  fand.  Erst  nach 
einer  langen  Belagerung  konnte  die  Stadt  genommen  werden  (149I).  Die 
blühende  Ortschaft  wurde  den  Flammen  übergeben;  sie  brannte  siebzehn 
Tage  lang,  eine  Zeit,  die  wahrhaftig  ausreichte,  es  den  Soldaten  zu  ermög- 
lichen, die  Stadt  zu  plündern  xmd  sich  zu  bereichern. 

Von  da  an  hatte  Rom  keine  ernstUchen  Gegner  mehr  zu  fürchten. 


Rom. 


75 


Auf  allen  Seiten  im  Morgenland  und  im  Abendland,  in  Europa,  in  Afrika, 
in  Asien  riß  die  römische  Macht,  einer  steigenden  Flut  des  Meeres  ver- 
gleichbar, alles  mit  sich  fort. 

Aus  der  Herzählung  der  gewaltigen  Eroberungen,  die  die  Römer  zu  dieser 
Zeit  machen,  erwächst  ihnen  kein  nennenswerter  Ruhm;  denn  seine  Gegner 
sind  wohl  nun  kaum  mehr  gefährhch.  Syrien  wird  unterworfen  (190),  Maze- 
donien (168).  Griechenland  (146),,  auch  Numidien  trotz  der  Tatkraft  eines 
Jugurtha.  ~ '     ~^ 

Höchstens  noch  ein  wenig  Widerstand  fand  sich  in  einem  kleinen  König- 
reiche, das  am  Schwarzen  Meere  lag  und,  wie  so  vieles  andere,  aus  denj 
Weltreich  Alexanders  des  Großen  hervorgegangen  war.  Es  war  Mithridat2s, 
der  König-  von  Pontus,  der  gern  die  Rolle  eines'  Hannibal  gespielt  hätte. 
Die  Römer  hatten  in- Asien  nur  schwache  Besatzimgen  zurückgelassen;  sie 
wurden  einfach  niedergemetzelt.  Ganz  Kleinasien  und  auch  Griechenland 
erhoben  sich,  den  Mithridates  zu  besiegen.  Rom  mußte  nacheinander  drei 
große  Heere  entsenden  unter  dem  Oberbefehl  seiner  besten  Feldherren, 
zuerst  eines  Sulla,  dann  eines  Lukullus  und  dann  eines  Pompejus  (90 — 63). 
Zwar  jedesmal  von  neuem  besiegt,  aber  jedesmal  von  neuem  bereit,  den 
Kampf  wieder  aufzunehmen,  sah  sich  Mithridates  schließlich  zur  Ohnmacht 
verurteilt.  Da  nahm  er,  auch  darin  dem  Hannibal  gleich  und  wie  schon 
vorher  Themistokles,  um  nicht  in  die  Hände  seiner  Feinde  zu  kommen,  Gift. 

Die  Gefahr  für  Rom  lag  bereits  nicht  mehr  auswärts,  sondern  im  Innern, 
in  Rom  selbst.  Das  römische  Volk  hatte  sich  in  ganz  unermeßliche  Kriegs- 
beuten zu  teilen,  doch  es  erwuchs  nun  die'  Schwierigkeit,  wie  es  sich  über 
diese  Teilung  verständigen  sollte. 

Drei  Mächte  standen  einander  gegenüber,  das  Heer,  das  Volk,  die  Pa- 
trizier. Die  Bauern,  die  Hirten,  die  Landwirte  und  Landarbeiter  waren  all- 
mählich verschwunden.  Sie  waren  als  Legionssoldaten  ins  Feld  gezogen. 
Aber  es  waren  nur  sehr  wenige  von  ihnen  z.urückgekehrt,  lagen  sie  doch 
überall  als  Leichen  in  Haufen,  vom  Ebro  bis  zum  Euphrat,  vom  Nil  bis 
zum   Rhein. 

Da  sah  man  nun  in  Italien  die;  Ländereien  öde  und  brach  liegen,  sow^t 
sie  nicht,  zum  Verkaufe  ausgeboten,  von  den  Patriziern  zu  niedrigem  Preise 
zurückgekauft  waren,  um  sie  durch  zahllose!  Sklaven  bearbeiten  zu  lassen 
und  auszubeuten. 

Die  Patrizier  kauften  nicht  nur  die  alten  römischen  Ländereien  zurück, 
sondern  sie  ließen  sich  auch  die  neu  hinzueroberten  zuschlagen,  und  da 
auch  die  Reichtümer  des  Feindes  in  ihre  Hände  fielen,  verfügten  die  Pa- 
trizierfamilien schließlich  über  gewaltige  Vermögen  inmitten  einer  itniüer 


76  Viertes  Buch. 


mehr  verarmenden  niederen  Bevölkerung.  Jeder  neue  Sieg,  der  Rom  mäch- 
tiger machte,  machte  gleichzeitig  den  Adel  immer  rdcher  und  die  Plebs 
immer  notleidender.  Der  Mittelstand  hörte  ganz  auf.  Es  blieben  unter  den 
Römern  nur  noch  Arn^e^  und  Reiche  übrig  und  neben  ihnen,  zahlreicher  als 
sie  selbst,  eine  ganze  Welt  von  Fremden,  Italer,  Orientalen,  Griechen,  lauter 
freigelassene  Sklaven,  die,  ohne  ein  eigentliches  Bürgerrecht  zu  haben,  sich 
gleichwohl  an  iden  öffentlichen  Erörterungen  beteiligten  und  alles  verwirrten. 
Aber  eine  dritte  Macht  vmchs  immer  mehr  heran  und  wurde  immer  stär- 
ker, stärker  noch  als  Senat  und  Volk;  es  war  dies  das  Heer.  Noch  schwieg 
es  in  blindem  Gehorsam  gegen  die  alten  Gesetze  Roms;  aber  bald  kam  die 
Stunde,  wo  seine  Stimme  entscheidend  werden  sollte. 


In  dem  einen  Jahrhundert  von  Marius  bis  Augustus  war  die  römische  Ge- 
schichte trotz  der  verschiedensten  Bezeichnung'en  dieses  Zeitabschnitts  im 
wesentlichen  nicht  viel  anderes  als  der  Kampf  um  die  Herrschaft  zwischen 
Proletariern  und  Patriziern. 

Zu  Beginn  dieses  großen  Ringens  treten  uns  die  Gestalten  zweier  Brüder 
entgegen,  Tiberius  und  Gaius  Gracchus  (133 — 121).  Wenn  auch  der  römi- 
schen Nobilität  zugehörig,  so  nahmen  diese  beiden  Enkelsöhne  Scipios 
gleichwohl  für  die  Sache  des  Volkes  Partei  und  bemühten  sich,  Vorschläge 
für  eine  Agrargesetzgebung  zu  machen.  Wenn  irgend  etwas,  so  hätte  dies 
die  Rettung  ,und  Wiedergeburt  Roms  sein  können;  aber  die  Plebs  verdiente 
nicht,  daß  man  für  isie  in  di©  Schranken  trat.  Sie  war  feig  und  bestechlich. 
Von  den  Patriziern  gekauft,  ließ  sie  ihre  Verteidiger  im  Stiche..  Tiberius 
und  Gaius  Gracchus  fielen  beide  in  kurzer  Zeit  meuchlerischen  Anschlägen 
auf  dem  Forum  zum  Opfer.  Dieses  Ereignis  sollte  der  unselige  Ausgangs- 
punkt für  eine  Reihe  langjähriger  Bürgerkriege  werden. 

Die  Gracchen  hatten  bei  allem,  was  sie  taten,  die  höchste  Vornehmheit 
bewahrt.  Anders  ihr  Nachfolger  in  der  Gunst  des  Volkes,  Marius.  Er  war 
ein  großer  Verderber  der  Volkssitten,  der  erste  jener  habgierigen  Aben- 
teurer, für  die  Rom  die  Freibeute  war. 

Ob  es  sich  um  Marius  oder  Sulla,  um  Pompejus  oder  Cäsar,  um  Augustus 
oder  Antonius  handelt,  diese  so  schamlosen  Zyniker  haben  sich  nie  auf  das 
Volk,  sondern  immer  nur  auf  ihre  Soldaten  gestützt.  In  ihrer  Eigenschaft 
als  Heerführer  gewannen  sie  die  Verehrung  ihrer  Legionen,  weil  sie  tapfer 
waren  und  auch  die  Gefahren  und  Strapazen  nüt  ihren  Mannschaften  teilten, 
besonders  auch,  weil  sie,  ohne  darum  etwa  sich  selbst  zu  vergessen,  auch 
ihren  Soldaten  die  dem  besiegten  Feinde  abgenommene  Beute  reichlich  zu- 


Rom.  77 

wiesen.  Es  sind  das  die  Mittel,  die  Leute,  die  es  darauf  abgesehen  haben, 
Diktator  zu  werden,  jederzeit  zur  Erreichung  ihres  Zweckes  angewendet 
haben  und  auch  in  alle  Zukunft  anwenden  werden. 

Marius  hatte  bereits  frühzeitig  große  militärische  Erfolge  aufzuweisen. 
Er  triumphierte  über  Jugurtha  in  Numidien  (io6);  als  dann  die  anstürmen- 
den Teutonen  und  Kimbern  von  Sieg  zu  Sieg  schritten  und  diese  Barbaren 
Italien  immer  bedrohlicher  wurden,  zog  er  ihnen  entgegen  und  richtete  unter 
ihnen  beiden  schreckliche  Blutbäder  an.  Die  Teutonen  schlug  er  bei  Aqua 
Sextiä  (Aix  in  der  Provence),  die  Kimbern  bei  Vercellae  in  Italien.  So  hatte 
Rom  diese  Germanen  schon  unmittelbar  vor  seinen  Toren  stehen  sehen! 
So  waren  diese  wiederholten  Einfälle  durch  die  Zahl  und  die  Unerschrocken- 
heit  der  Feinde  nun  auch  schon  für  die  unbesiegliche  Ewige  Stadt  Gegen- 
stand bangster  Furcht  und  Schreckens  geworden!  Es  konnte  darum  auch 
nicht  fehlen,  daß  Marius  nach  seinem  Siege  jauchzend  als  Retter  begrüßt 
wurde.  Um  sich  die  Gunst  des  Volkes  zu  sichern,  bestimmte  er,  daß  von 
nun  an  auch  die  Proletarier  in  das  Heer  eintreten  könnten.  Bisher  hatten 
allein  die  steuerzahlenden  römischen  Bürger  {Zensiten)  das  Recht,  als  Sol- 
daten zu  dienen.  Jetzt  stand  die  Waffenlaufbahn  auch  dem  Ärmsten  offen. 
Aber  nun  war  sie  nicht  mehr  eine  Pflicht,  sondern  ein  Handwerk,  und  zwar 
ein  um  so  einträglicheres  je  nach  der  Zahl  der  Städte,  die  der  Feldherr  zur 
Plünderung  übergab. 

Marius,  dem  Plebejer  und  Liebling  des  Volkes,  stellten  die  Patrizier  bald 
einen  andern  Feldherrn  gegenüber;  es  war  dies  Sulla.  Der  Kampf  um  dis 
Macht  zwischen  diesen  beiden  aufeinander  eifersüchtigen  Spitzbuben  konnte 
nur  mit  der  völligen  Vernichtung  eines  von  beiden  enden.  Es  unterlag 
schließlich  Marius. 

Sulla  nutzte  seinen  Sieg  in  der  empörendsten  Weise  aus.  Alle  Anhänger 
des  Marius  wurden  niedergemacht,  geächtet  und  ihrer  Habe  beraubt.  Un- 
ermeßliche Besitzungen  kamen  nach  Anweisung  des  Herrn  der  Lage  zur 
Verteilung  unter  seine  Diener  und  Soldaten.  Die  altrömischen  Gesetze 
kamen  bis  auf  weiteres  außer  Geltung.  Kurz,  unter  dem  Vorwande,  die  Ord- 
nung wiederherzustellen,  brachte  Sulla  in  allem  die  heilloseste  Anarchie  zur 
Henschaft. 

LTm  seine  Grausamkeiten  und  Räubereien  nur  noch  ungestörter  vor- 
nehmen zu  können,  hatte  sich  Sulla  zum  Diktator  ernennen  lassen.  Doch 
später  kam  er  auf  den  seltsamen  Einfall,  abzudanken  (79).  Er  hatte  drei 
Seelen  in  seiner  Brust,  eine  Schweine-,  eine  Tiger-  und  eine  Schauspieler- 
seele,   Tiberius  und  Nero  sind  von  demselben  Schlage. 


yö  Viertes  Buch. 


Julius  Cäsar  war  erst  zweiundzwanzig  Jahre  alt,  da  starb   Sulla.    Schon 
damals    erklang   ohne    Zweifel    mitten    in    seinen   jugendlichen    Ausschwei- 
fungen aus  dumpfer  Ferne  in  seiner   Seele  eine  Saite  unbestimmten  Ehr- 
geizes.   Und  so  zog  er  in  der  Erkenntnis,  daß  er  vor  allem  einigen  Ruhm 
erwerben  müsse,  nach  Spanien  zu  Felde,  wo  er  sich  durch  unvergleichliche 
Kriegskunst  und  heldenmütige  Tapferkeit  auszeichnete.    Übrigens  plünderte 
f  er  auch,  ganz  wie  die  andern,   so  reichlich,   daß   er  mit  seiner  Beute  die 
I  riesigen  Schulden  bezahlen  konnte,   die   er   bei  seinem  Weggang  in   Rom 
i  hinterlassen  hatte. 


l 


Der  volkstümlichste  und  wegen  seiner  aufs  leichteste  erfochtenen  Siege 
gefeiertste  Feldherr  war  in  jenem  Augenblicke  Pompejus,  ein  ebenso  eitler 
und  doch  nur  mäßig  befähigter  wie  im  wesentlichen  ehrenhafter  Mann.  So 
hielt  es  Cäsar  für  geschickt,  sich  mit  ihm  zu  verbinden  und  dazu  mit 
Crassus,  einem  andern  römischen  Feldherrn,  der  in  den  asiatischen  Kriegs- 
zügen gan.-;  unglaubliche  Reichtümer  erworben  hatte.  Cäsar,  Pompejus  und 
Crassus  schlössen  auf  diese  Weise  ein  Triumvirat  von  Ehrgeizigen,  das 
in  dem  Pöbel  Roms,  besonders  aber  ia  den  Soldaten,  seine  Stütze  fand. 
Aber  das  war  nicht  die  Verteilung  der  Macht,  die  Cäsar  als  letztes  Ziel 
vorschwebte.  Doch  aus  der  Erkenntnis  heraus,  daß  der  Augenblick  zum 
Handeln  noch  nicht  günstig  wäre,  ließ  er  sich  zunächst  zum  Statthalter  von 
Gallien  ernennen  und  verließ  so  vorläufig  Rom,  um  sich  durch  den  Krieg 
einen  großen  Namen  zu  schaffen  (59). 

Gallien  war  damals  kaum  zivilisiert,  wenn  man  wenigstens  von  den  Mittel- 
meergestaden absieht;  die  Provence  (Provincia)  war  allerdings  seit  176 
von  den  Römern  besetzt  und  damit  zivilisiert.  Doch  es  gab  zwischen  den 
Stämmen,  die  sie  bewohnten,  keine  Einheit.  Kriegerisch,  tollkühn,  unfähig 
zu  allen  Kniffen  und  Pfiffen  der  Politik,  waren  die  Gallier  einfältig,  leicht- 
gläubig und  empfindlich  wie  Kinder.  Aber  sie  waren  von  so  ungestümer 
Tapferkeit,  so  zahlreich  und  so  zerstreut  in  einem  großen,  völlig  unbe- 
kannten Lande,  daß  zu  ihrer  Unterwerfung  volle  acht  Jahre  erforderlich 
waren.  Cäsar  selbst  hat  diesen  wunderbaren  gallischen  Krieg  in  einer  herr- 
lichen Schrift  wiedererzählt,  in  der  wir  alle  Tugenden  eines  Eroberers  mit 
allem  Schimpf  und  aller  Schainde,  die  einem  solchen  anhaften,  vereinigt 
finden. 

Und  der  römische  Feldherr  hatte  in  Gallien  erbarmungslos  gehaust; 
er  hatte  Ströme  von  Blut  vergossen;  "er  hatte  allzeit  und  allerwärts  ge- 
plündert. Die  Beute  wurde  entweder  auf  der  Stelle  unter  die  Soldaten  ver- 
teilt oder  auch  nach  Rom  geschickt,  um  die  Freunde  zu  verpflichten,  die 


Rom.  79 

Schwankenden  in  einem  Entschlüsse  zu  bestärken  und  die  Gegner  zu  be- 
stechen. 

Trotz  alledem  zwingt  Cäsars  Kühnheit  Bewunderung  ab.  Er  durchquert 
alle  gallischen  Lande  von  Armorika  bis  Helvetien;  er  dringt  nicht  nur 
bis  zu  den  Rheinmündungen  vor,  sondern  er  überschreitet  auch  noch  den 
Ärmelkanal  und  unterwirft  den  Süden  Britanniens,  das  ihm  eine  Kriegs- 
entschädigung zahlen  muß.  Da  die  Gallier  nicht  den  Wert  der  Mannes- 
zucht und  der  Einigkeit  kennen,  überwindet  er  sie  alle  einzeln,  jeden  für 
sich,  Stamm  für  Stamm,  Stadt  für  Stadt. 

Und  da  er  von  Hause  aus  zur  Milde  neigt,  zeigt  er  sich  nur  als  Bar- 
baren, wenn  es  ihm  unumgänglich  erscheint. 

Er  ist  nicht  etwa  ein  Eroberer,  der  alles  verwüstet  und  verheert;  er  stellt 
in  den  neueroberten  Ländern  Ordnung  her,  legt  Wege  an,  baut  Städte, 
bringt  in  eine  jede  der  Provinzen  Galliens  ein  wenig  von  dem  römischen 
Verwaltungsleben  hinein  und  ergießt  über  dieses  blühende  Land  etwas 
von  dem  lateinischen  Geiste,  in  weit  höherem  Grade  als  einst  Alexander  in 
den  weiten  Ebenen  Asiens  den  griechischen  Geist  auszubreiten  vermocht 
hatte. 

Der    letzte    Verteidiger    der    gallischen    Unabhängigkeit,    Vercingetorix, 
Wurde  nach  einer  langen,  heldenmütigen  Belagerung  in  Alesia  bei  Montbardj 
(C6te  d'Or)  gefangen  genommen  (52). 

Cäsar  war  bei  seinen  Soldaten  so  beliebt  geworden  und  hatte  so  viel 
Ruhm  und  infolgedessen  auch  Macht  erworben,  daß  der  Senat  auf  ihn 
eifersüchtig  wurde  und  ihm  darum  den  Befehl  gab,  seine  Truppen  zu  ver- 
abschieden und  nach  Rom  heimzukehren. 

Da  kehrte  er  in  der  Tat  nach  Rom  heim,  aber  er  kam  an  der  Spitze  seiner 
Legionen.  Einen  Augenblick  zögerte  er,  den  Rubikon  zu  überschreiten, 
jenes  Flüßchen,  über  das  er  einst  einem  ihm  unterstellten  Feldherrn  ver- 
boten hatte,  mit  seinen  Soldaten  in  Waffen  hinüberzugehen^  Der  Über- 
gang über  den  Rubikon  war  das  Sinnbild  der  Meuterei  gegen  die  Gesetze, 
und  die  Gesetze  haben,  auch  wenn  man  sie  übertritt,  noch  immer  ein  solches 
Ansehen,  daß  man  sie  nicht  ohne  ein  gewisses  Bangen  übertritt.  Auch, 
wenn  sie  ihn  beißen,  haben  die  Hunde  noch  Achtung  vor  ihrem  Herrn. 

Bei  Cäsars  Erscheinen  ergriff  sein  ohnmächtiger  Nebenbuhler  Pompejus 
die  Flucht.  Cäsar  verfolgte  ihn  zuerst  nach  Spanien,  dann  nach  Thessalien, 
Endlich  schlug  er  ihn  vernichtend  in  einer  großen  Schlacht  bei  Pharsalus, 
an  der  sich  hunderttausend  Mann  auf  beiden  Seiten  beteiligten  (48);  Phar- 
salus bedeutet  die  Vernichtung  der  Patrizier  und  des  Senats;  es  bedeutet 
aber  auch  die  Vernichtung  der  Freiheit. 


8o  Viertes  Buch. 


Dem  geschlagenen  und  gedemütigten  Pompejus  war  nun  nur  noch  als 
letztes  Schicksal  beschieden,  in  Ägypten  durch  Mörderhand  zu  fallen. 
Cäsar,  der  ihm  auf  der  Flucht  hierher  gefolgt  war,  ließ  sich  einen  Augen- 
blick von  der  Schönheit  Kleopatras  blenden,  jener  bezaubernden  Königin 
Ägyptens,  die  drei  Herren  der  Welt  nacheinander  in  Fesseln  schlagen 
sollte.  Doch  auf  Cäsar  übte  die  Befriedigung  seines  Ehrgeizes  eine  stärkere 
Anziehungskraft  aus  als  die  seiner  sinnlichen  Freuden,  und  so  dehnte  er 
seinen  Aufenthalt  in  Ägypten  nicht  länger  aus. 

Nach  noch  einigen  weiteren  Kriegen,  aus  denen  dieser  Günstling  des 
Glückes  immer  wieder  von  neuem  als  Sieger  hervorging,  kehrte  er  dann 
nach  Rom  zurück  (45),  ohne  nunmehr  auch  noch  irgendeinem  Widerstand 
auf  seinem  Wege  zur  Macht  zu  begegnen. 

Cäsar  war  ebenso  mild  wie  Sulla  grausam  war;  er  verzieh  allen  seinen 
Feinden  und  suchte  sogar  die  Gegenpartei  auszusöhnen,  freilich  erst,  nach- 
dem er  sie  sich  selbst  völlig  dienstbar  gemacht  hatte;  denn  er  wollte  um 
jeden  Preis  der  Herr  sein,  der  einzige  Herr  der  ganzen  Republik.  Da  man 
aber  einen  gewissen  Schein  der  Gesetzmäßigkeit  wahren  mußte,  nahm  er 
nun  etwa  keinen  neuen  Titel  an,  sondern  begnügte  sich  damit,  einfach  alle 
die  Ehren  auf  seine  Person  häufen  zu  lassen,  die  die  Republik  vergeben* 
konnte.  Er  wurde  Konsul,  Pontifex,  Sittenrichter,  Diktator,  Imperator. 
Jeder  gegen  ihn  gerichtete  Anschlag  ist  nun  ein  Majestätsverbrechen. 

Auf  der  andern  Seite  bemühte  er  sich,  die  durch  'die  Bürgerkriege  an- 
gerichteten schweren  Schäden,  so  gut  es  ging,  zu  heilen  und  auszugleichsn. 
Er  gestaltet  die  Gerichtsbarkeit  und  die  Steuererhebung  vollkommen  neu, 
gewährt  allen  Bewohnern  italischer  Städte  ohne  Unterschied  das  römische 
Bürgerrecht,  verteilt  Ländereien  an  seine  Soldaten  und  versucht  so  zwischen 
Volk,  Heer  und  Senat  ein  gutes  Gleichgewicht  herzustellen. 

Aber  seine  Tyrannei  ist  so  unverzeihlich,  daß  seine  auch  noch  so  große 
Milde  dafür  nicht  entschädigen  kann.  Unter  den  Dolchen  der  Verschwo- 
renen Casca,  Cassius  und  Brutus  brach  er  im  Senat  unter  der  Bildsäule 
des  Pompejus  tot  zusammen  (15.  März  44), 

So  endigte  dieser  im  Frieden  wie  im  Kriege  die  gleichen  wunderbaren 
Gaben  zeitigende  einzigartige  Mann.  Ob  Redner,  Schriftsteller,  Feldherr 
foder  Staatsmann,  er  war  immer  der  tüchtigste.  Er  war  ebenso  wenig 
gemein  wie  grausam,  aber  er  war  gleichwohl  der  große  Verdorbene  und 
zugleich  Vtrderber  seiner  Zeit;  er  hat  den  Verfall  Roms  verhängnisvoll 
I  beschleunigt.  Er  hat  sich  dadurch  zum  Schirmherrn  der  großen  Verbrechen 
gemacht,  die  einige  fluchwürdige  Scheusale  aus  der  Reihe  der  nach  ihm 
kommenden  römischen   Kaiser  begehen   sollten.    Es   ist  für   einen   Mann 


Rom.  8  r 

allenfalls  dann  zulässig,  die  freie  Verfassung  seines  Landes  aufzuheben, 
wenn  er  ein  Gott  ist,  aber  auch  dann  nur  in  dem  Falle,  wo  er  seine  Macht 
wieder  an  Götter  forterben  kann. 

Mit  dem  Tode  Cäsars  ließ  die  Tyrannei  keineswegs  nach.  Umsonst  ver- 
suchten Brutus,  Cicero,  Cassius,  der  jüngere  Pompejus  und  andere  Patrizier, 
die  Republik  wiederherzustellen.  Sie  wurden  in-  der  Schlacht  bei  Philipp! 
endgültig  besiegt.  Freiheit  kommt  einem  Volke  nicht  einfach  in  den 
Schoß  geflogen,  wenn  es  gar  nichts  anderes  als  Knechtschaft  will  (42). 

Es  konnte  im  vorliegenden  Falle  allein  das  noch  eine  Frage  sein,  welchen 
Herrn  dieses  römische  Volk  bekommen  sollte.  Es  kamen  Marcus  An- 
tonius und  Octavian  in  Betracht.  Antonius,  der  Sieger  in  so  manchen 
Schlachten,  war  tapfer,  entsittlicht,  tierisch  und  von  einer  derben  Bered- 
samkeit: so  etwas  gefiel  den  Soldaten.  Octavian,  der  junge  Neffe  Cäsars, 
war  feige,  hinterlistig,  nicht  weniger  entsittlicht  und  noch  grausamer  als 
Antonius.  Aber  er  rechnete  auf  die  menschliche  Erbärmlichkeit,  und  diese 
Rechnung  täuscht  selten. 

Die  Schlacht  bei  Philippi  hatte  ihnen  beiden  gemeinsam  ein  Weltreich 
in  die  Hand  gegeben,  und  zunächst  suchten  sie  sich  zu  verständigen.  An- 
tonius sprach  sich  das  Morgenland,  Octavian  das  Abendland  zu.  Solche 
Teilungen  enden  fast  niemals  gut.  In  den  Armen  der  ägyptischen  Königin 
Kleopatra  vergaß  Antonius  alles,  während  Octavian  nur  darauf  bedacht  war, 
seinen  Nebenbuhler  loszuwerden.  Der  Tag  des  Kampfes  kam,  und  noch 
vor  dem  Schlüsse  desselben  kehrte  Antonius,  der  Kleopatra  folgend,  dem 
Schlachtfelde  den  Rücken,  um  es  seinen  Soldaten  zu  überlassen,  für  ihn 
zu  sterben  (Seeschlacht  bei  Aktium,  2.  September  31).  Nach  diesem  heillosen 
Unglück  fand  er  wenigstens  noch  den  Mut,  sich  das  Leben  zu  nehmen. 

Nun  hatte  es  Octavian  nicht  mehr  nötig,  grausam  zu  sein,.  Er  war  so 
klug,  sich  immer  wieder  den  Anschein  der  Milde  zu  geben,  und  er  nahm 
folgerichtig  Cäsars  Werk  wieder  auf,  das  sich  die  unbedingte  Unterwerfimg 
aller  römischen  Kräfte  unter  einen  einzigen   Menschen  zum  Ziel  machte. 

Die  furchtbaren  Bürgerkriege,  die  schon  ein  halbes  Jahrhundert  ge- 
dauert hatten,  hatten  die  römische  Welt  so  erschöpft  und  eingeschüchtert, 
daß  sie  nun  auch  über  sich  die  sklavischste  Knechtung  ergehen  ließ. 
Oclaviaft  wurde  zum  Augustus,  und  ebenso  zum  Konsul,  Prokonsul,  höch- 
sten Zensor,  Pontifex  maximus  und  Imperator.  Er  setzte  sich  über  Ge- 
rechtigkeit und  Gesetze  hinweg.  Nirgends,  auch  nicht  im  Morgenlande, 
hatte  die  Knechtung  bisher  jemals  einen  derartig  unglaublichen  Grad 
erreicht.  Der  Kaiser  war  ein  Gott  im  buchstäblichen  Sinne  des  Wortes, 
Von  den  Priestern  schon  zu  Lebzeiten  angebetet,  sollte  er  nach  dem  Tode 
6  Riebet,  Geschiebte  der  Menschheit 


02  Viertes  Buch. 


nun  auch  noch  den  Platz  finden,  der  einer  Gottheit  zukommt,  und  unter  dan 
Gestirnen  des  Himmels  leuchten. 

Allerdings  war  die  lange  Regierungszeit  des  Augustus  nicht  ohne  einige 
ausgleichende  Wohltaten  (31  v.  Chr.  bis  14  n.  Chr.). 

Die  Türen  des  Janustempels  waren  endlich  einmal  wieder  geschlossen, 
und  das  bedeutete,  daß  im  Reiche  wieder  Frieden  herrschte.  Wasser- 
leitungen führten  gesundes  Wasser  in  die  Städte;  die  Fluren  wurden  nicht 
mehr  verwüstet  und  die  Gemeinwesen  nicht  mehr  von  erpresserischem 
Raubgesindel  gebrandschatzt;  in  den  Gerichten  fand  jeder  Stand  und  jede 
Klasse  jetzt  ein  nahezu  gleiches  Recht;  die  in  die  Provinzen  geschickten 
Prokonsuln  mußten  von  nun  an  ihre  dortigen  Steuererhebungen  ein- 
schränken. An  die  Stelle  der  Anarchie  war  ein  wenig  Ordnung  getreten, 
ein  wenig  Ruhe  an  Stelle  von  dauernden  Nöten. 

Die  unumschränkte  Gewalt  des  Kaisers  wurde  nicht  nur  durch  die  allge- 
meine Knechtseligkeit,  sondern  auch  noch  eigens  von  einer  Truppe  ledig- 
lich mit  dem  kaiserlichen  Wachtdienst  betrauter  Soldaten  vor  Angriffen  ge- 
schützt. Zehntausend  Prätorianer,  alte  kriegsgewohnte  und  bedenkenfreie 
Haudegen,  wurden  als  Leibgarde  des  Herrschers  in  Rom  kaserniert.  Diese 
streng  gedrillte,  gediegen  ausgerüstete  und  von  entschlossenen,  ebenso- 
wenig vor  der  Gefahr  wie  vor  dem  Gemetzel  zurückweichenden  Führern 
geleitete  Truppe  mußte  für  den  feigen  Senat  jener  Tage  und  für  den  noch 
feigeren  Pöbel  eine  gewaltige  Verachtung  haben.  In  den  ersten  Zeiten  des 
Kaiserreiches,  wo  noch  immer  die  Majestät  der  alten  Gesetze  über  dsn 
römischen  Fahnen  schwebte,  bewahrten  auch  die  Prätorianer  der  Gesetz- 
mäßigkeit wenigstens  noch  einige  Achtung;  aber  allmählich  ließ  auch  diese 
Achtung  nach.  Sie  begriffen  nur  zu  bald,  daß  die  eigentlichen  Herrscher 
der  Welt  nicht  die  Kaiser,  sondern  sie,  ihre  Schutztruppe,  seien.  Sie  sejtzten 
nun  überall  ihren  Willen  durch  utid  nahmen  keine  Rücksicht  mehr  auf  die 
Besclilüsse  des  Senats.  Persönliche  Interessen  und  Launen  bestimmten 
ihre  Wahl  bei  der  Ausrufung  eines  Kaisers.  Sie  setzten  die  Herren  der 
Erde  ein  und  ab,  wie  sie  wollten.  Tiberius,  Caligula;  Nero,  diese  grau- 
samen Tyrannen,  die  die  Bevölkerung  der  Kaiserzeit  dreihundert  Jahre  lang 
zu  ertragen  hatte,  waren  selbst  die  Sklaven  einiger  weniger  habgieriger 
Zeniurionen.  Dreihundert  Jahre  lang  sollte  Rom  keine  anderen  Männer 
auf  dem  Kaiserthrone  sehen  als  solche,  die  sich  die  Gunst  der  Legionen 
zu   erwerben   verstanden   hatten. 

Augustus  hat  ein  seltenes  Glück  gehabt.  Die  Geschichte  hat  mit 
seinem  so  wenig  anheimelnden  Wesen  eigentlich  recht  große  Nachsicht  ge- 
übt. Er  ist  oft  als  der  ermutigende  Förderer  der  MeisterschriftsteUer  be- 


Rom.  83 

trachtet  worden,  die  den  Ruhm  der  römischen  Literatur  ausmachen,  und 
man  spricht  von  einem  Zeitalter  des  Augiistus  wie  von  einem  Zeitalter  des 
Perikles  und  von  einem  solchen  Ludwigs  XIV.  Nun  aber  zeigt  bisweilen 
Frau  Geschichte  eine  schamlose  Kriecherei,  wie  man  sie  sonst  nur  bei 
einem  Korps  von  Hofschranzen  zu  finden  gewohnt  ist.  So  hat  auch 
Augustus  ganz  ohne  jeden  Grund  eine  so  hervorragende  Stellung  in  der 
römischen  Literatur.  Man  müßte  denn  zu  dem  Zeitalter  des  Augustus 
noch  den  Lukretius  zählen,  den  großen  und  wimderbaren  Besieger  der 
Natur,  der  aber  schon  vor  Octavians  Geburt  gestorben  war,  oder  Cicero, 
den  Meister  der  lateinischen  Prosa,  den  fähigen  Redner,  trefflichen,  bis- 
weilen sogar  heldenmütigen  Bürger,  den  dieser  eigenartige  Beschützer  dex 
Kunst  und  Wissenschaft  umbringen  ließ,  oder  Tacitus,  Juvenal  und 
Seneca,  die  alle  erst  das  Licht  der  Welt  zu  einer  Zeit  erblickten,  wo 
Augustus  längst  dahin  war.  Es  bleiben  'also  für  den  Ruhm  dieses  Kaisers 
nur  drei  Dichter  übrig,  von  denen  einer,  nämlich  Vergil,  zwar  sehr  be- 
deutend ist,  aber  die  andern  beiden,  Horaz  und  Ovid,  so  entzückend  sie 
stellenweise  sein  mögen,  doch  keine  Dichter  erster  Ordnung  sind.  Und 
dazu  ist  Ovid  noch  von  dem  Herrscher  verfolgt  und  verbannt  worden. 
Allerdings  hat  Augustus  dem  Verfasser  der  Äneis  ein  Jahresgehalt  be- 
wilUgt;  doch  genügt  das  dem  Vergil  gewährte  lumpige  Almosen  nicht, 
um  die  feige  Mordtat  des  Kaisers  an  Cicero  zu  entschuldigen. 

Zu  alledem  läßt  sich  die  römische  Literatur,  so  glänzend  sie  auch 
sein  mag,  rücht  auf  eine  Linie  stellen  mit  der  griechischen,  von  der  jene 
nur  ein  schwacher  Abglanz  ist.  Das  Theater  ist,  vielleicht  vom  alten 
Plautus  abgesehen,  so  unbedeutend  wie  möglich.  Die  Philosophie  findet 
ihren  einzigen  Vertreter  in  Cicero,  der  sich  neben  einem  Sokrates,  Plato 
und  Aristoteles  etwas  matt  ausnimmt.  Vergil  und  Lukrez,  die  sicher  ganz 
wunderbare  Dichtungen  verfaßt  haben,  sind  immerhin  von  Homer  noch 
recht  weit  entfernt.  So  bleiben  als  solche,  die  allenfalls  einen  Vergleich 
mit  den  Griechen  aushalten,  allein  die  Geschichtschreiber  übrig:  Titus 
Livius,  Sallust  und  besonders  auch  Tacitus,  der  bedeutendste  unter  allen 
dreien. 

Die  Bildhauerei,  die  Baukunst,  die  Mathematik  und  die  Naturwissen- 
schaften haben  den  Römern  nichts  zu  verdanken. 

Die  Römer  waren  sich  auch  selbst  darüber  ganz  klar.  Darum  sprachen 
auch  zur  Zeit  des  Augustus  alle  Gebildeten  griechisch  und  erweckten 
damit  den  Anschein,  als  ob  sie  mit  einer  gewissen  Absicht  das  Latein 
den  niederen  Kreisen  überlassen  wollten.  Ein  römischer  Kaiser,  der  beste 
unter    allen,    der    Stoiker    auf    dem   Throne,    Marcus    Aurelius,    hat     in 

6* 


84  Viertes  Buch. 


griechischer  Sprache  mit  seinen  in  die  Tiefe  gehenden  Selbstbetrachtungen 
eines  der  schönsten  Bücher  des  Altertums   geschrieben. 

Aber  diese  Herrschaft  der  griechischen  Sprache  in  den  gebildeten 
Klassen  macht  weniger  aus,  als  man  denken  sollte.  In  dem  Streite, 
der  sich  zwischen  der  Sprechweise  der  auserlesenen  Gesellschaft  und 
der  der  großen  Masse  bildet,  trägt  zum  Schlüsse  stets  die  Sprache  desi 
Volkes  den  Sieg  davon.  Die  Fremden,  Italer,  Spanier,  Gallier  und  wie 
sie  auch  alle  heißen  mögen,  die  dauernd  in  ungezählten  Mengen  nach 
Rom  strömten,  sie  sahen  sich  sämtlich,  mochten  sie  nun  Beamte,  Soldaten, 
Händler  oder  auch  Reisende  sein,  gezwungen,  das  Lateinische  zu  lernen. 
Desgleichen  war  auch  in  den  Provinzen  das  ganze  Verwaltungs-,  Militär- 
und  Gerichtspersonal  römisch.  Die  Besiegten  können  mit  den  Siegern 
immer  nur    in  deren  Sprache  verkehren. 

Latein  wurde  also  die  gemeinsame  Sprache  des  ganzen  westlichen 
Europas.  Spanien,  Gallien,  Italien  wurden  latinisiert  und  sie  sind  noch 
heute  Kinder  der  gewaltigen  römischen  Zivilisation,  die  ihnen  Sitten  und 
Sprache   übermittelt   hat. 

Ungeachtet  aller  jen«r  scheußlichen  Rasereien  und  unmenschlichen  Grau- 
samkeiten der  Kaiser,  ungeachtet  aller  jener  Verderbnis  Roms,  erlebten 
die  Völker  des  Mittelmeeres  damals  Zeiten,  die  für  sie  weniger  schrecklich 
als  die  Vergangenheit  waren.  Außer  an  der  Grenze  zwischen  Germanien 
und  dem  römischen  Reiche  (Imperium  Romanum)  herrschte  der  "Friede 
in  der  ganzen  Welt,  der  Friede  Roms  (Pax  Romana).  Wofern  sie  nur  dem 
Cäsar  rechtzeitig  ihre  Steuern  zahlten,  die  Gesetze  beobachteten  und  den 
römischen  Statthaltern  (Procuratores)  mit  Ehrfurcht  begegneten,  behielten 
die  Provinzen,  ja  die  Stadtgemeinden  (Munizipien)  sogar  noch  eine  gewisse 
Selbständigkeit. 

Gallien,  Spanien,  Afrika  und  lUyrien  bildeten  damals  Provinzen  des 
Kaiserreiches  unter  der  Verwaltung  von  Statthaltern,  die  aus  Rom  kamen. 
An  die  Stelle  schwankender  und  roher  Gütergemeinschaft,  wie  sie  bisher 
im  Wirtschaftsleben  der  Barbaren  geherrscht  hatte,  trat  nun  eine  Gesell- 
schaft, die  sich  der  römischen  mehr  oder  weniger  anpaßte.  Die  Gemeinden 
bauten  Theater  und  Badehäuser  (Thermen),  die  Reichen  Paläste  mit  bis- 
weilen unglaublich  kostspieligen  Villen.  Schriftsteller,  Künstler,  Rhetoren 
der  Provinz  wurden  zu  gefeierten  Berühmtheiten.  Sallust  war  aus  Spanien 
gebürtig,  Titus  Livius  aus  Padua,  Vergil  aus  Mantua.  Die  römische  Macht 
dehnte  sich  durch  den  Geist  nicht  weniger  als  durch  die  Waffen  aus. 

Auch  die  moderne  Zeit  bewahrt  hiervon  noch  immer  das  unauslösch- 
liche  Gepräge.     Überall  in  der  Alten  Welt,   von  den  äußersten  Grenzen 


Rom.  85 

Britanniens  bis  zu  den  Wüstengebieten  von  Cyrenaika  und  bis  zu  den 
Ufern  des  Schwarzen  Meeres,  findet  man  die  Erinnerungen  der  römischen 
Herrschaft  wieder:  Denkmünzen,  Kunstwerke,  Landstraßen,  Wasser- 
leitungen, Kampfplätze,  Paläste,  Aber  die  Wirkung  dieser  Zivilisation  ist 
nicht  etwa  heute  bloß  noch  an  diesen  toten  steinernen  Trümmern  sicht- 
bar. Auch  der  römische  Geist  lebt  noch  unter  'uns.  Nicht  nur  die  Sprachen 
Spaniens,  Frankreichs,  Italiens,  ja  sogar  Englands  und  in  mäßigerem  Um- 
fange Deutschlands  stammen  von  der  lateinischen  Sprache  ab,  sondern 
wir  sind  auch  ganz  besonders  in  unserer  gesellschaftlichen  Verfassung  noch 
immer  echte  Erben  der  Römer.  Unsere  ganze  staatliche  und  kommunale 
Rangordnung  und  Verwaltung  und  vor  allem  auch  unsere  Rechtsordnung 
setzen  nur  den  durchdachten  Aufbau  ihrer  so  zweckmäßigen  Einrichtungen 
fort  und  verewigen  ihn.  Wenn  Griechenland  unsere  Künste  und  Wissen- 
schaften ins  Leben  gerufen  hat,  so  haben  wir  in  Rom  den  Schöpfer  unserer 
gesellschaftlichen  Zustände  zu  sehen. 

In  demselben  Maße,  wie  die  Provinzen  immer  römischer  wurden,  v/urde 
es  Rom  selbst  immer  weniger.  Fremde  strömten  von  allen  Seiten  nach 
der  Hauptstadt  herbei  und  brachten  ihre  ausländischen  Kulte  und  ihre  ent- 
arteten Sitten  mit.  Das  Bürgerrecht  wurde  an  alle  verschwenderisch  aus- 
geteilt. Die  Herren  gaben  ihre  Sklaven  frei,  und  die  Freigelassenen  konnten 
zu  Vermögen  und  Ehren  kommen.  Unter  Nero  hat  ein  Freigelassener  wie 
Pallas  die  Welt  beherrscht.  Die  Verschwendungssucht  der  Reichen  und 
die  Käuflichkeit  der  Armen  hatten  die  Sittenverderbnis  bis  an  die  Grenze 
nur  irgend  denkbarer  Möglichkeiten  gesteigert. 

Die  Frauen  hatten  sich  mit  besonderer  Wut  in  diesen  Strudel  der  Fäulnis 
gestürzt.  Mit  den  strengen  Sitten  der  alten  Tage  war  es  längst  vorbei.  Die 
erlauchtesten  unter  den  Patrizierinnen,  Mütter,  Schwestern,  Töchter  der 
Cäsaren  gaben  das  Beispiel  der  Ausschweifung  und  unterschieden  sich  von 
den  Buhlerinnen  nur  durch  eine  noch  größere  Frechheit  in  ihrer  Scham- 
losigkeit. Seit  Kleopatra,  die  den  Julius  Cäsar  und  den  Antonius  verführt 
halte,  treten  nun  auch  die  Frauen  in  die  Öffentlichkeit.  Wenn  Frauen  wie 
Julia  Agrippina,  Messalina,  Faustina  die  andern  römischen  Damen  an  Be- 
rühmtheit noch  übertreffen,  so  sind  diese  etwa  darum  nicht  weniger  un- 
sittlich gewesen. 

Das  Volk  ist  jetzt  nur  noch  ein  habgieriger  und  wilder  Haufen.  Diese 
Tausende  von  Menschen  buntesten  Völkergemisches,  Sklaven  und  Bürger, 
Freigelassene  und  Barbaren,  entlassene  Soldaten  oder  von  weither  ge- 
kommene Ausländer,  bilden  eine  wüste  und  lärmende  Masse,  die  nur  den 
niedrigsten  Trieben  gehorcht.    Unfähig,   ihren   Unterhalt   durch  Arbeit  zu 


86  Viertes  Buch. 


verdienen,  leben  sie  nur  von  Almosen.  Sie  verkaufen  ihr  Stimmrecht  und 
ihre  Gunst  an  denjenigen,  der  Geld  und  Brot  an  sie  verteilt.  Den  Zirkus- 
spielen beizuwohnen  bildet  ihre  Hauptfreude.  In  dem  unermeßlichen 
Kolosseum  werden  ihnen  Schaustellungen  dargeboten,  die  mehrere  Tage 
hintereinander  dauern.  Aber  es  sind  nicht  etwa  des  Theaters  edle  Seelen- 
regungen, die  auf  diesen  Pöbel  Eindruck  machen;  sie  müssen  schon 
Menschenblut  sehen  und  riechen.  Für  sie  müssen  schon  zweihundert 
Opfer,  Märtyrer  ihres  Glaubens  oder  Gladiatoren,  keuchend  auf  dem  Kampf- 
platze hinsinken.  Zu  feige,  um  sich  helbst  zu  schlagen,  will  diese  Menge 
andere  Menschen  sehen,  die  sich  vor  ihren  Augen  schlagen,  und  sie  gibt 
sich  der  Täuschung  eines  Heldentums  hin. 

Die  ganze  Geschichte  des  kaiserlichen  Roms  wurzelt  in  den  schicksals- 
schweren Worten,  die  als  das  Totengeläut  einstiger  Größe  dreihundert 
I  Jahre  lang  in  der  Stadt  widerhallen  sollten:  Panem  et  Circensesl  „Brot  und 
Spiele!" 

Während  die  latinische  Verwaltung  und  der  römische  Friede  den  Pro- 
vinzen einige  Sicherheit  brachten,  häuften  die  Nachfolger  des  Augustus 
zu  Rom  Wahnsinnstaten  auf  Wahnsinnstaten  und  Verbrechen  auf  Verbrechen, 
als  ob  es  ihnen  geradezu  darauf  ankäme,  mit  schlagenden  Beispielen  zu 
beweisen,  was  alles  die  unumschränkte  Gewalt  eines  Herrschers  den  Men- 
schen in  ihrem  Knechtessinn  und  in  ihren  Verirrungen  zumuten  kann. 

Tacitus  und  Sueton  haben  die  Lebensbilder  dieser  elenden  Geschöpfe 
gezeichnet,  die  die  ganze  Unerbittlichkeit  der  Verdammung  der  Geschichte 
verdienen  würden,  wenn  sie  nicht  als  mehr  oder  weniger  geisteskrank  an- 
gesehen werden  müßten. 

Tiberius  (14—37),  haßsüchtig,  verschlossen,  habgierig,  heuchlerisch,  führt 
in  aller  Stille  eine  geheime  Schreckensherrschaft.  Von  der  Insel  Capri,  der 
Freistätte  für  seine  Ausschweifungen,  richtet  er  an  den  gefügigen  Senat 
Ächtungs-  und  Hinrichtungsbriefe.    Er  stirbt  durch  Meuchelmord. 

Caligula  {s7 — 40  führt  ein  kurzes  Regiment,  das  jedoch  eine  einzige 
lange  Raserei  war,  und  stirbt  ebenso  durch  Meuchelmord. 

Claudius  (41—54),  ein  bemitleidenswerter  Halbidiot,  stirbt  wieder  durch 
Meuchelmord. 

Nero  (54—68),  dessen  bloßer  Name  Grausamkeit  und  Raserei  versinn- 
bildlicht, stirbt  gleichfalls  durch  Meuchelmord. 

Mit  ihm  erlischt  die  unselige  Familie  der  Julier.  Die  Welt  ist  ihr  über 
hundert  Jahre  untertänig  gewesen,  und  daß  diese  schmähliche  Knechtschaft 
so  lange  dauern  konnte,  ist  noch  heute  eine  Schande  und  ein  Rätsel. 


Rom.  87 

Unter  Tiberius'  Herrschaft  hat  sich  auch  das  größte  weltgeschichtliche 
Ereignis  abgespielt,  der  Tod  Jesu  Christi  (33). 

Während  die  Griechen  ihre  wunderbare  Sprache  und  ihre  noch  schöneren 
künstlerischen  Schöpfungen  über  das  Mittelländische  Meer  verbreiteten, 
während  die  Römer  den  gewaltigen  Ausbau  ihrer  gesellschaftlichen  Ein- 
richtungen der  Welt  mit  den  Waffen  aufzwangen,  waren  die  Juden,  in  die 
dürre  Berglandschaft  Palästina  eingeschlossen,  eigentlich  nur  dazu  mit 
den  andern  Völkern  in  Beziehung  getreten,  um  harte  Gefangenschaften 
oder  demütigende  Unterwerfungen  erdulden  zu  müssen.  Niemand  konnte 
ahnen,  daß  aus  diesem  verborgenen  und  unbekannten  kleinen  Völkchen 
der  große  Reformator  hervorgehen  würde,  der  das  menschliche  Gewissen 
neu  erweckt,  die  antike  Welt  von  Grund  aus  umgestaltet  und  für  eine 
sieghafte  Religion  begeistert  hat. 

Die  alten  Geschichtschreiber  sprechen  nicht  von  Jesus  Christus,  und 
wir  kennen  ihn  nur  aus  den  Evangelien.  Nun  aber  hat  unter  den  Evan- 
gelisten, Lukas,  Markus,  Matthäus  und  Johannes,  nur  ein  einziger,  näm- 
lich Johannes,  noch  Christus  persönlich  erlebt  und  reden  hören.  Und  doch 
ist  gerade  das  Evangelium  Johannis  dasjenige,  das  zu  den  meisten  Streit- 
fragen Anlaß  gibt. 

Es  ist  übrigens  ganz  unerheblich,  ob  die  Evangelisten  die  unmittelbaren 
Jünger  Christi  gewesen  sind  oder  nicht.  Die  Zeugnisse,  die  sie  gesammelt 
haben,  geben  uns  jedenfalls  in  einer  beredten  und  einfachen  Gestalt  die 
Geschichte  Jesu  Christi,  sein  Leben,  seinen  Tod  und  seine  Lehre. 

Die  Evangelien!  Eine  Schrift  von  einer  großartigen  und  erhabenen 
Schlichtheit,  die  die  Kleinsten  verstehen  und  in  denen  die  Größten  tiefe 
Gedanken  finden  können. 

Jesus  war  zu  Bethlehem,  der  Stadt  Davids,  in  Judäa  geboren  und 
war  von  niedrigem  Herkommen  aus  dem  Volke.  Sein  Vater  Joseph  war 
Zimmermann  zu  Nazareth  in  Galiläa,  wo  er  seine  Erziehung  genoß.  Von 
Kindheit  an  rief  Jesus  durch  seine  Schönheit  und  seinen  scharfen  und  früh- 
reifen Verstand  die  allgemeine  Bewunderung  hervor. 

Schon  lange  traten  unter  den  Juden  Propheten  auf,  die  die  Ankunft  eines 
Messias  verkündigten,  der  von  Jehova  geschickt  werden  sollte,  um  endlich 
dem  schweren  Lose  der  von  andern  Völkern  unterdrückten  und  geknech- 
teten Kinder  Israels  ein  Ende  zu  machen.   Jesus  war  zugleich  ein  Prophet 

und  ein  Messias. 

Er  zog  durch  Städte,  Dörfer  und  Weiler,  um  Vergebung  für  Beleidi- 
gungen, Entsagung,  Verachtung  irdischer  Güter,  Vertrauen  auf  eine  gött- 
liche Gerechtigkeit,  Liebe  zu  den  Menschen,  unsern  Brüdern,  zu  predigen! 


88  Viertes  Buch. 


Man  hörte  Worte  von  Gleichheit,  Demut  und  Frieden,  wie  man  sie  bisher 
noch  niemals  gehört  hatte! 

Die  wenigen  Jünger,  die  ihm  zuerst  folgten,  Fischer,  Handwerker  und 
Arme,  beteten  ihn  wie  einen  Herrn,  ja  fast  wie  einen  Gott  an.  In  diesen 
selben  Tagen  beschlossen  in  Rom  der  Senat  und  das  römische  Volk  in 
prächtigen  Palästen  göttliche  Ehren  für  Julius  Cäsar,  Augustus  und  Ti- 
berius.  Aber  die  Religion  der  zwölf  galiläischen  Apostel  hat  die  Welt  er- 
obert, während  die  Religion  der  Cäsaren  in  Verachtung  gesunken  ist. 

Bald  mehrte  sich  die  Zahl  der  Anhänger  Jesu.  .  Man  erzählte  sich,  daß 
er  Wunder  täte,  daß  er  Dämonen  ausgetrieben,  Wasser  in  Wein  verwandelt, 
Tote  erweckt  hätte  und  auf  den  Wassern  gegangen  sei.  Nun  fingen  die 
Priester  Jerusalems,  die  eifersüchtigen  Hüter  der  alten  mosaischen  Über- 
lieferungen, an,  sich  allmählich  zu  beunruhigen.  Da  Jesus  offen  erklärte, 
daß  er  ein  neues  Gesetz  predige,  und  sich  als  den  Sohn  Gottes  bezeichnete, 
wünschten  sie  der  immer  größer  werdenden  Ketzerei  ein  für  allemal  ein 
Ende  zu  machen.  Sie  beschlossen  also  das  Gericht,  d.  h.  den  Tod  Jesu 
Christi. 

Judäa  war  eine  einem  Statthalter  (Pontius  Pilatus)  unterstellte  Provinz 
des  römischen  Reiches.  Eine  kleine  römische  Besatzung  lag  in  Jerusalam. 
Aber,  wie  es  bei  allen  römischen  Verwaltungsbeamten  in  den  Provinzen 
der  Fall  war,  scherte  sich  auch  Pilatus  keineswegs  um  die  Streitigkeiten 
der  Juden,  die  er  verachtete,  und  wollte  mit  ihnen  nichts  zu  tun  haben. 
Die  Römer  hatten  auch  ebensowenig  genügend  religiösen  Schwärmergeist, 
und  so  ließen  sie  die  theologischen  Erörterungen  zwischen  den  Propheten 
vollkommen  gleichgültig  und  kalt.  Daher  legte  auch  damals  Pontius 
Pilatus  den  Häuptern  der  Synagoge  nichts  in  den  Weg,  Jesus  >.u  verur- 
teilen und  zu  kreuzigen. 

So  erfüllte  sich  die  grausame  Marter  durch  den  Willen  der  jüdischen 
Priester,  wenn  auch  allerdings  nicht  durch  den  des  jüdischen  Volkes  selbst. 
Aber  es  sind  nun  einmal  die  Nationen  für  die  Verbrechen  verantwortlich, 
die  ihre  Führer  begehen.  Das  ganze  Judentum  hat  für  diese  verhängnisvolle 
Ungerechtigkeit  büßen  müssen,  und  sie  hat  zu  allen  Zeiten  auf  den  Kindern 
Israels  gelastet  und  lastet  noch  heute  schwer  auf  ihnen.  Achtzehn  Jahr- 
hunderte des  Leidens  haben  sie  nicht  auslöschen  können. 

Der  Tod  Jesu  Christi  wurde  in  Rom  und  dem  übrigen  Reiche  kaum 
bekannt.  In  Palästina  selbst  rief  er  nicht  weiter  große  Beunruhigung 
hervor.  Die  Jünger  des  Propheten  zerstreuten  sich,  predigten  die  edle  Lehre 
weiter  und  berichteten  und  besprachen  das  Leben  Christi,  seinen  Tod  und 
seine  Wiederauferstehung;  sie  machten  aber  wohl  kaum  Anspruch  darauf, 


Rom.  8g 

eine  neue  Religion  zu  gründen,  sondern  wollten  einfach  weiter  nichts  als 
die  Erinnerung  an  den,  den  sie  einst  so  sehr  geliebt  hatten,  nicht  sogleich 
völlig  dahinschwinden  lassen. 

Doch  sie  wurden  von  den  Juden  mißhandelt  und  verfolgj:.  Niemals  ist 
ein  Haß  gewaltiger  als  unter  Menschen  gleicher  Abstammung.  Stephan,  der 
erste  christliche  Märtyrer,  vmrde  auf  Geheiß  derselben  Priester  gesteinigt, 
die  auch  Jesus  gekreuzigt  hatten  (36). 

Aber  Verfolgungen  haben  nicht  die  Macht,  Ideen  auszulöschen.  Die 
Gefährten  Jesu  blieben  seinem  Gedächtnis  in  Liebe  treu  und  ließen  sich 
nicht  niederdrücken.  Doch  das  damals  zur  Welt  kommende  Christentum 
wäre  gleichwohl  ohne  Zweifel  für  immer  das  geblieben,  was  es  zu  Anfang 
allein  war,  eine  bescheidene  und  einfache  jüdische  Sekte,  wenn  es  nicht 
sogleich  von  dem  bedeutendsten  imter  allen  Christen,  dem  Heidenapostel 
Paulus,  von  Grund  aus  umgestaltet  und  dann  in  alle  Welt  verbreitet 
worden  wäre. 

Für  Petrus  und  die  meisten  Apostel  durfte  sich  die  Predigt  der  Evan- 
gelien nur  an  die  Juden,  das  Volk  Gottes,  wenden.  Aber  Paulus  dachte 
anders.  Es  war  sein  Streben,  nicht  bloß  die  Juden,  sondern  auch  die  Heiden 
zu  bekehren.  Dreißig  Jahre  lang  (38 — 64)  führte  seine  feurige  Sprache, 
die  von  einer  leidenschaftlichen  Beredsamkeit  und  einer  überzeugenden 
Logik  unterstützt  wurde,  Heiden  und  Juden  der  neuen  Lehre  zu.  Er  zog 
nach  Korinth,  Athen,  Rom,  Tarsus,  unermüdlich  und  heldenhaft  in  Ent- 
sagung und  Zuversicht,  mehr  Apostel  für  sich  ganz  allein  als  alle  zwölf 
Apostel  zusammengenommen,   die  noch   Christus   persönlich   erlebt  hatten. 

Dank  seiner  riesenhaften  Tätigkeit  wurde  das  Christentum  eine  von  d.;r 
mosälscHen  vollkommen  abweichende  Religion,  die  allerdings  aus  ihr  her- 
vorgegangen war,  ein  Weltkultus  anstatt  einer  jüdischen  Irrlehre  und 
Ketzerei. 

Als  Paulus  zu  Rom  als  Märtyrer  starb,  gab  es  schon  überall  Christen, 
in  Korinth,  Rom  und  besonders  auch  Antiochia  (67).  Diese  ersten  Christen 
waren  wirklich  bewundernswerte  Menschen,  Heilige  und  Helden  in  einer 
Person.  Von  den  Juden  verfolgt,  von  den  Röinern  verachtet,  fuhren  sie 
fort,  eine  von  Huld  und  Liebe  erfüllte  Lehre,  die  Vergebung  der  Sünden, 
die  Gleichheil  der  Menschen  vor  dem  höchsten  Herrn,  die  Nichtigkeit  der 
irdischen  Güter  gegenüber  dem  ewigen  Leben  201  predigeni,  Sie  waren 
dem  Kaiser  untertänig,  aber  sie  weigerten  sich,  die  Götzenbilder  anzubeten 
und  auf  den  Altären  der  heidnischen  Götter  Opfer  zu  bringen. 

Die  Sklaven,  die  Proletarier,  die  Elenden,  die  Frauen  bekehrten  sich. 
In  den  Vororten  der  großen  Städte  führte  eine  von  den  Reichen,  den  Sol- 


go  Viertes  Buch. 


daten  und  den  Senatoren,  die  zu  vollkommenen  Lakaien  des  Kaisers 
herabgesunken  waren,  ausgebeutete,  ganz  und  gar  zerlumpte  Bevölkerung 
ein  klägliches  Dasein.  Diese  Unglücklichen  hatten  bereits  alle  Hoffnung 
verloren.  Das  Evangelium  gab  sie  ihnen  wieder.  Was  taten  ihnen  Foltern, 
Hunger,  Verbannung,  Gefängnis,  Peitschenhiebe  und  Krankheiten,  wenn 
eine  wundervolle  Ewigkeit  ihrer  wartete!  Weder  die  Philosophen  noch  die 
Patrizier  noch  die  Reichen  und  ebensowenig  die  Künstler  oder  die  Dichter 
bekannten  sich  zu  der  neuen  Lehre.  Zwei  Jahrhunderte  war  das  Christen- 
tum ausschließlich  eine  Religion  für  die  geistig  Armen  und  die  Unglück- 
lichen. 

Aber  gerade  seine  Verfolgung  sollte  ihm  eine  ganz  außergewöhnliche 
Macht  verleihen. 

Dem  schwachsinnigen  Claudius  war  Nero  gefolgt  (54). 

Zu  allererst  schien  dieser  etwas  Achtung  für  die  Gerechtigkeit  bekunden 
zu  wollen.  Etwas  Unerhörtes  für  einen  Kaiser!  Aber  solche  ehrgeizigen  Be- 
strebungen währten  bei  einem  noch  so  jungen  Manne  nicht  lange.  Bald 
zeigte  er  sein  wahres  Gesicht  und  wurde  so  grausam,  lasterhaft,  hinterlistig, 
lächerlich,  wie  man  es  nur  wünschen 'und  von  einem  so  plötzlich  zum  unum- 
schränkten Herrscher  gewordenen  heruntergekommenen  jungen  Lebemann 
erwarten  konnte.  Eines  Tages  kam  es  ihm  in  den  Sinn,  Rom  in  Brand 
zu  stecken,  nur  um  einem  rührseligen  Schauspiel  beizuwohnen,  das  ihm 
erlaubte,  Verse  zu  deklamieren.  Und  als  ihm  nun  einfiel,  wite  schön  es 
doch  sei,  zur  Grausamkeit  noch  den  Hohn  hinzuzufügen,  verfiel  er  auf  d.-^n 
geistreichen  Gedanken,  die  Christen  der  Brandstiftung  zu  beschuldigen. 

Eine  große  Zahl  der  Anhänger  der  neuen  Religion  endete  unter  schreck- 
lichen Foltern.  Sie  wurden  den  wilden  Tieren  in  den  Zirkussen  preisgegeben, 
ein  abstoßendes  Schauspiel,  das  aber  die  blutdürstige  Menge  erfreute.  Nur 
wenige  Christen  schworen  ihren  Glauben  ab;  die  übrigen  treugebliebenen 
mußten,  wenn  sie  ihre  Religion  ausüben  wollten,  schon  einen  Versteck  auf- 
suchen. Sie  flüchteten  sich  in  die  Katakomben,  die  ihren  geweihten  gottes- 
dienstlichen Handlungen  lange  Zeit  hindurch  ein  schützendes  Obdach  ge- 
währten, das  sie  den  Späheraugen  der  römischen  Polizei  und  der  gewerbs- 
mäßigen Angeber  entrückte. 

Eine  Verfolgung  erfüllt  nur  dann  ihren  Zweck,  wenn  sie  kein  Erbarmen 
und  kein  Mitleid  kennt.  Wird  nicht  alles  vernichtet  und  bleibt  nur  irgend 
etwas  verschont,  so  verfehlt  sie  die  gewünschte  Wirkung.  Oft  verdoppelt 
sie  sogar  die  Widerstandskraft  der  Verfolgten.  Der  Glaube  der  über- 
lebenden  Christen   nahm  eine   schwärmende   Begeisterung  angesichts   der 


Rom. 


91 


Foltern  eines  ihrer  Glaubensbrüder  an,  und  jedem  neuen  Opfertode  eines 
heldenmütigen  und  glaubensstarken  Blutzeugen  folgten  auch  stets  zahl- 
reiche neue  Bekehrungen. 

In  dem  gewaltigen  römischen  Reiche  freilich  machte  diese  heimliche  Ver- 
breitung eines  neuen  Glaubens  unter  Sklaven,  und  Proletariern  nicht 
weiter  viel  Aufsehen.  Die  Schriftsteller  der  Zeit  sprechen  davon  überhaupt 
nicht  oder  kaum.  In  den  Städten  Asiens,  Europas  und  Ägyptens,  großeni 
wie  kleinen,  faßte  die  römische  Zivilisation  ebenso  friedlich  wie  dauerhaft 
festen  Fuß.  An  den  äußersten  Grenzen  des  Reiches  bestanden  die  Legionen 
überall  wieder  und  wieder  die  härtesten  Kämpfe  gegen  die  Barbaren.  In 
Rom  gab  es  noch  immer  einen  Senat,  Konsuln,  Prätoren,  Zensoren,  und  alle 
diese  Würden  wurden  noch  immer  leidenschaftlich  erstrebt.  Es  schien  in  der 
Welt  überhaupt  nichts  anders  werden  zu  wollen,  als  daß  höchstens  von 
Zeit  zu  Zeit  die  Namen  der  Kaiser  wechselten. 

Jetzt  waren  es  die  Soldaten,  die  sich  damit  befaßten,  sie  zu  bestimmen. 
Nach  Neros  Tode  (68)  hatte  der  Senat  die  Kaiserwürde  an  den  bejahrten 
Galba  verliehen,  doch  die  Prätorianer  zogen  ihm  Otho  vor,  und  Galba  wurde 
ermordet.  Andere  Truppenteile  ernannten  Vitellius,  noch  andere  Ve- 
ßpasian.  Nach  einer  langen  Reihe  unrühmlicher  Kämpfe  wurden  nun  auch 
Otho  und  Vitellius  von  ihren  Soldaten  ermordet,  und  Vespasian  konnte  im 
Triumph  in  Rom  seinen  Einzug  halten  (70). 

Unter  der  Herrschaft  Vespasians  nahm  sein  Sohn  Titus  das  aufsässige 
Jerusalem  durch   Sturm.    Das  jüdische  Volk  wurde  fast  völlig  vernichtet. 

Die  Geschichte  der  Menschheit  hat  gewiß  viele  Schrecken  gesehen,  doch 
die  Greuelauftritte  jenes  Tages  haben  die  Grenzen  alles  überhaupt  nur 
Denkbaren  überschritten.  Die  Hälfte  der  Einwohner  wurde  niedergemetzelt; 
die  übrigen  erlagen  dem  Hungertod  oder  wurden  als  Sklaven  verkauft. 
Niemals  konnte  das  Judentum  und  Jerusalem  sich  von  diesem  vernich- 
tenden Schlage  wieder  erholen.  Die  Christen  sahen  in  dem  verhängnis- 
vollen Ereignis  eine  gerechte  Buße  für  den  Tod  Jesu  Christi  (70). 

Und  doch  war  Titus,  dieses  „Ergötzen  des  Menschengeschlechts",  kein 
Ungeheuer;  aber  wenn  ein  Feldherr  an  der  Spitze  seiner  Truppen  eine 
Stadt  erstürmt,  wenn  sich  den  Launen  oder  der  Rache  des  Siegers  kein 
Widerstand  entgegenstellt,  bedurfte  es  schon  einer  nicht  ganz  gewöhnlichen 
Stärke,  wenn  der  Sieger  seinen  Sieg  nicht  mißbrauchen  sollte. 

Domitian,  der  Bruder  des  Titus,  führte  eine  ruhmlose  und  grausame 
Herrschaft  (81 — 96).  Er  schließt  die  Reihe  der  zwölf  ersten  Kaiser  würdig 
ab.  Vielleicht  haben  die  Patrizier,  die  allein  imstande  waren,  Geschichte 
zu   schreiben,   die   Leiden   übertrieben,    die    die   Cäsaren   entfesselt   haben. 


92  Vierfes  Buch. 


Sicher  gab  es  unter  diesen  elenden  Kaisern  mehr  Glücksehgkeit  und  Zu- 
friedenheit, als  man  glauben  möchte,  wenn  man  die  Geschichte  ihrer  kriege- 
rischen Heldentaten  liest.  Die  Gesetze  des  Reiches  waren  zu  gerecht  und 
das  Reich  zu  weit,  als  daß  ein  Mann,  mochte  er  auch  noch  so  abscheulich 
sein,  Schrecken  und  Verbrechen  überallhin  hätte  verbreiten  können. 

Doch  in  jedem  Falle  war  das  Zeitalter  der  Antonine  für  die  Welt  glück- 
licher als  das  der  Julier  und  Flavier.  Nerva,  Trajan,  Hadrian,  Antoninus 
waren  weise,  und  Marcus  Aurelius  war  geradezu  bewundernswert. 

Nach  der  kurzen  Regierung  des  Nerva  (96 — 98)  folgte  ihm  sein  Adoptiv- 
sohn Trajan  (98—117). 

Die  ehrfurchtgebietende  Weltmacht  des  römischen  Reiches  vermochte  es 
gleichwohl  nicht  zu  hindern,  daß  die  mit  jedem  Tag  an  Stärke  und  kühner 
Verwegenheit  zunehmenden  Barbaren  immer  furchtbarer  wurden.  Die  Ger- 
manen am  Rhein,  die  Dazier  an  der  Donau,  die  Parther  in  Asien  erneuten, 
von  den  römischen  Reichtümern  verlockt,  immer  wieder  ihre  feindlichen 
Grenzüberfälle.  Da  unternahm  Trajan  die  schwierige  Aufgabe,  nunmehr 
seinerseits  zum  Angriff  überzugehen  und  ihre  Völlige  Unterwerfung  zu  ver- 
suchen. Seine  Adler  waren  überall  siegreich,  wohin  er  sie  auch  führte,  von 
der  Donau  bis  zum  Persischen  Meerbusen  und  von  Indien  bis  zum  Pontus 
Euxinus.  Obwohl  die  römische  Herrschaft  sich  auch  schon  bei  seinem  Re- 
gierungsantritt über  die  ganze  Welt  auszudehnen  schien,  fand  er  auch  dann 
noch  Möglichkeiten,  sie  zu  erweitern.  Die  Trajansäule  zu  Rom  bewahrt 
für  die  Nachwelt  die  Erinnerung  an  seine  kriegerischen  Unternehmungen. 
in  Mitteldazien. 

Auch  als  Herrscher  zeigte  er  eine  gleiche  Arbeitskraft  wie  als  Feldherr 
und  war  nicht  weniger  rührig  daheim  in  seinem  Palast  zu  Rom  als  draußen 
an  den  Ufern  der  Donau  heldenmütig. 

Die  Regierung  Trajans  bezeichnet  den  Höhepunkt  der  römischen  Größe. 
Unter  ihm  war  es  gelungen,  die  Barbaren  zurückzuschlagen  und  die  Christen 
zum  Gehorsam  gegen  die  Reichsgesetze  zu  zwingen.  Aber  die  Stunde  naht 
bereits,  wo  Barbaren  und  Christen  über  diese  Gesetze  selbst  Herren  sein 
sollten. 

Hadrian  (117 — 138),  Antoninus  (138 — 161),  Marcus  Aurelius  (161 — 180) 
setzten  Trajans  Werk  fort  und  mißbrauchten,  so  allmächtig  sie  waren, 
ihre  Allmacht  nie.  Hadrian  war  vielleicht  noch  mehr  als  Aug^stus  der  Be- 
schützer der  Künste.  Überall  erhoben  sich  die  stolzesten  Prachtbauten. 
Die  herrlichsten  Paläste  wurden  nach  dem  Muster  der  griechischen  Kunst 
von  ihrer  gelehrigen  römischen  Schülerin  geschaffen  und  mit  Bildsäulen 
bevölkert.    Hervorragende   Schriftsteller  wie    Seneca,    der   tiefe   Philosoph 


Rom.  93 

(2 — 66),  Juvenal,  der  leidenschaftliche  und  phantasievolle  Dichter  (42 — 125), 
Plinius,  der  gelehrte  Naturforscher  (23 — 79),  Tacitus,  der  größte  unter  allen 
Geschichtschreibern  (55 — 140),  verbreiteten  hohe  und  edle  Gedanken  und 
vor  allem  die  stoische  Weltanschauung,  die  die  letzte  geistige  Zuflucht  und 
der  letzte  Trost  aller  derer  wurde,  die  sich  bis  in  jene  Zeiten  hinein  ihre 
Unabhängigkeit  und  Freiheit  gewahrt  hatten. 

Durch  ein  eigenartiges  Spiel  des  Zufalls  war  nun  gerade  der  erlauchteste 
unter  den  Stoikern  ein  römischer  Kaiser  und  Nachfolger  von  Männern  wie 
Octavian,  Caligula  und  Nero.   Es  war  Marcus  Aurelius. 

Marcus  Aurelius  war  nicht  nur  ein  Philosoph,  er  war  auch  ein  furchtloser 
Feldherr,  der  die  Strapazen  und  Gefahren  seiner  Soldaten  tedlte  und  wie 
der  gemeinste  unter  seinen  Legionären,  in  seinen  Mantel  gehüllt,  auf  der 
Pritsche  lag.  Er  ist  wirklich  ein  großer  Kaiser  gewesen  und  hat  uns  ein 
Buch  hinterlassen,  das  man,  auch  ohne  sich  einer  Lästerung  schuldig  zu 
machen,  dem  Evangelium  wegen  mancher  ähnlichen  Züge,  die  als  eben- 
bürtig beide  aufweisen,  an  die  Seite  stellen  kann.  Die  Gleichheit  aller  Men- 
schen, die  Verachtung  der  niedrigen  Leidenschaften,  die  Ehrfurcht  vor  dem 
Gesetze,  der  kaltblütige  Mut  im  Unglück,  die  Überlegenheit  der  Vernunft 
und  —  alles  beherrschend!  —  die  sich  dem  Gewissen  aufnötigende  Pflicht, 
die  einzige  Gottheit,  der  die  Menschen  zu  huldigen  haben  I  So  hat  der  un- 
umschränkte Herr  und  Gebieter  von  hundert  Millionen  Menschen  gedacht 
und  gelebt. 

Marcus  Aurelius,  der  Kaiser  und  Stoiker,  bleibt  in  seiner  großartigen  und 
erhabenen  Vereinsamung  eine  der  eigenartigsten  und  glänzendsten  Er- 
scheinungen der  Menschheitsgeschichte. 

Nach  einer  achtzigjährigen  Ruhe  fiel  das  römische  Reich  wieder  ins 
Unglück  zurück.  Commodus,  der  Nachfolger  des  Marcus  Aurelius,  war 
ein  nicht  weniger  verworfenes  Wesen  als  ein  Tiberius,  edn  Caligula  oder 
auch  ein  Nero.   Wie  sie,  fiel  auch  er  durch  Meuchelmord. 

Der  Tod"  des  Commodus,  des  letzten  der  Antonine,  entfesselte  die  mili- 
tärische Anarchie.  Der  Kaiser  Pertinax,  den  sich  die  Prätorianejr  selbst 
gegeben  hatten,  wurde  von  den  nämlichen  Prätorianexn  schon  nach  Ver- 
lauf von  drei  Monaten  ermordet  (193).  Nun  kam  die  Kaiserwürde  meist- 
bietend unter  den  Hammer.  Sie  wurde  Didius  Julianus  zugeschlagen,  der 
mehr  als  alle  seine  Mitbewerber  versprochen  hatte,  aber  er  fand  bereits 
Septimius  Severus  vor,  der  die  illyrischen  Legionen,  die  kriegsgeübtestan 
des  gesamten  römischen  Reiches,  befehligte.  Gleichzeitig  wurden  auch  noch 
andere  Kaiser  von  andern  Legionen  ausgerufen,  so  Pescennius  Niger  im 
Orient  und  Albinus  in  Britannien. 


q4  Viertes  Buch. 


Über  seine  ohnmächtigen  Nebenbuhler  siegreich  geblieben,  führte  Sep- 
timius  Severus  nunmehr  ein  drückendes  Regiment.  Er  war  ein  geehrter 
Haudegen,  der  auch  die  letzten  noch  übriggebliebenen  Scheinfreiheiten 
stürzte.  Sonst  war  er  ein  rauher  Kriegsfürst,  der  bald  mit  den  Parthern, 
bald  mit  den  Kaledoniern,  bald  am  Euphrat  und  bald  am  Clyde  blutige 
Schlachten  schlug  (193— 211). 

Sein  Sohn  und  Nachfolger  Caracalla  ist  vielleicht  der  schlimmste  unter 
allen  Cäsaren  (211 — 217),  war  er  doch  noch  eitler  als  Nero,  noch  wahn- 
sinniger als  Caligula  und  noch  grausamer  als  Tiberius. 

Die  Kaiser  nach  ihm  sind  nur  noch  unheimliche  und  grauenhafte 
Schatten,  die  bereits  deutliche  Spuren  von  Roms  Verfall  an  sich  tragen. 

Heliogabalus  ist  ein  Syrer.  Er  führt  in  Rom  aus  seiner  Heimat  die 
orientalischen,  zweigeschlechtigen  Götter  ein,  trägt  Frauenkleidung,  umgibt 
sich  mit  Eunuchen  und  verbindet  mit  seinen  Geheimkulten  die  unzüchtigsten 
Ausschweifungen.  Er  hat  nicht  einmal  den  Mut,  auf  anständige  Weise  zu 
sterben,  und  findet  so,  als  er  sich  den  Dolchen  der  Meuchelmörder  gegen- 
übersieht, das  einzige  Ende,  das  seiner  würdig  ist.  Feige  flüchtet  er  sich 
auf  den  Abtritt,  fällt  in  die  Grube  .und  erstickt  darin  elendiglich. 

Maximinus  ist  ein  roher  Krieger;  er  hat  nichts  Römisches  mehr;  daßi 
ihn  die  Prätorianer  zum  Kaiser  ausersehen  haben,  verdankt  er  ausschließ- 
lich seinem  riesigen  Wüchse  und  seiner  unersättlichen  Gefräßigkeit  (235 
bis  238). 

Dann  gab  es  andere,  nur  von  einem  Teile  der  Legionen  ausgerufene 
Kaiser,  die  mit  den  Kaisern,  die  die  mit  ihnen  rivalisierenden  Legionen 
bestimmt  hatten,  im  Kampfe  lagen.  Ihre  unbekannten  Namen  zusammen- 
auslellen,  wäre  zwecklos.  Es  gab  einen  Augenblick  gleichzeitig  zwanzig 
Kaiser  in  aller  Welt  verstreut,  in  Pannonien,  in  Gallien,  in  Ägypten,  in 
Syrien,  in  Achaja.  Der  römische  Senat  bestätigte  alle,  die  ihm  die  jedesmal 
Rom  am  nächsten  stehenden  Legionen  angaben. 

So  war  dieser  römische  Senat  wirklich  nur  noch  ein  Schatten,  aber  ein 
durch  alle  Erinnerungen  aus  der  Vergangenheit  Ehrfurcht  einflößender 
Schatten.  Mit  Diocletian  (284—305)  verschwindet  er  dann  ganz  aus  der 
Well. 

Zweihundert  Jahre  waren  nun  seit  Trajans  Thronbesteigung  verflossen, 
und  anscheinend  stand  das  römische  Reich  noch  immer.  Aber  alles  hatte 
sich  von  Grund  aus  umgewandelt. 

Die  Anhänger  Christi  waren  nicht  mehr  zu  zählen,  und  allmählich  hatte 
auch  die  neue  Religion  ihre  festen  Glaubenssätze*  (Dogmen)  ausgebildet.' 
Die  Christen  waren  nicht  mehr,  wie  zu  Zeiten  des  Petrus  und  Paulus,  einige 


Rom.  gS 

wenige  gebrechliche  Sklaven,  arme  Freigelassene  und  elende  Handwerks- 
biirschen,  die  heimlich  zusammenkamen,  um  die  Lehren  ihres  Messias  zu 
hören,  das  Wort  Gottes  auszulegen  und  ihre  schlichten ,  Bräuche  auszuüben. 
Vielmehr  hatte  im  Laufe  der  Zeit  eine  große  Zahl  reicher  Patrizierinnen 
und  hervorragender  Frauen  ein  glänzendes  Beispiel  zur  Bekehrung  gegeben. 
So  waren  die  Christen  jetzt  eine  große  Partei  im  Staate  geworden.  All- 
mählich hatte  sich  unter  ihnen  eine  in  die  verschiedensten  Rangstufen  ge- 
gliederte Priesterherrschaft,  eine  geistliche  Hierarchie,  gebildet,  die  auf 
einer  so  scharfsinnigen,  folgerichtigen  und  starken  Lehre  fußte,  daß  auch 
heul,  trotz  aller  geschickten  und  notwendigen  Umwandlungen,  aus  der  Ver- 
gangenheit doch  noch  immer  jene  Hierarchie  und  jene  Lehre  da  sind. 

Da  eine  Religion  der  Zucht  und  der  Lehre  nicht  entbehren  kann,  so  be- 
stand die  christliche  Kirche  von  nun  an  nicht  bloß  aus  einem  gläubigen 
Laienpublikum,  sondern  außerdem  auch  noch  aus  geweihten  Priestern, 
die  die  Aufgabe  hatten,  das  Wort  Gottes  unter  Ausschluß  aller  übrigen 
zu  lehren.  Die  Priester-  berufen  Bischöfe,  die  über  sie  zu  sagen  haben,  und 
unter  diesen  Bischöfen  der  erste  ist  der  Bischof  'von  Rom  oder  der  Papst. 

Hervorragenden  Männern  von  hohem  Geist  und  Gemüte,  die  im  Studium 
des  Griechischen  zu  Hause  waren,  wie  Irenäus  und  Tertullian,  war  es  all- 
mählich durch  ihre  gelehrten  Erklärungen  der  Evangelien  gelungen,  Un- 
sicherheiten zu  zerstreuen,  Dunkelheiten  aufzuklären  und  Widersprüche  zu 
lösen.  Die  christliche  Religion  hatte  seitdem  durch  ihr  erhabenes  Bemühen, 
Vernunft  und  Glauben,  Philosophie  und  Religion  in  Einklang  zu  bringesn, 
einen  Zusammenhang  und  eine  Einheit  bekommen,  wie  sie  bis  dahin  noch 
keine  Religion  gekannt  hatte. 

Trotz  der  mehr  oder  weniger  heftigen  Verfolgungen,  die  die  Kaiser  im 
Laufe  der  Jahrhunderte  versucht  hatten,  waren  doch  mittlerweile  Konzilien 
oder  Versammlungen  von  Bischöfen  zustande  gekommen,  die  sich  über 
gewisse  fundamentale  Lehrsätze  oder  Dogmen  einigten.  So  fanden  Kon- 
zilien in  Karthago,  in  Alexandria  und  in  Antiochien  statt,  waren  doch 
Ägypten  und  Syrien  damals  mehr  als  selbst  Rom  zu  einer  Art  von  Brenn- 
punkten des  jungen  Christentums  geworden. 

Hello  Brennpunkte,  zwischen  die  keine  verdunkelnde  ernste  Ketzerei  trat! 
Den  ruchlosen  syrischen  und  den  wunderlichen  griechischen  Gottheiten 
stellte  sich  dort  der  strenge  und  vernunftgemäße  jüdische  Monotheismus 
entgegen,  geläutert  durch  die  reine  Sittlichkeit  der  Evangelien.  Die  Hoff- 
nung, eine  große  und  unermeßliche  Hoffnung,  winkte  allen  Gläubigen. 
Daher  wuchs  auch  die  Zahl  der  Christen  immer  mehr.  Es  gab  Christen  im 
Heer  und  beim   Gericht,   unter   den   Verwaltungsbeamten  und   unter  den 


g6  Viertes  Buch. 


Sonatoren.  Sie  bauten  Kirchen  und  Schulen.  Sie  wurden  eine  Macht,  die 
die  Behörde  weder  übersehen  noch  bekämpfen  konnte.  Die  Opfer  der  alten 
Religion  waren  nur  noch  eine  verjährte  Überlieferung.  Sie  bestanden  jedoch 
weiter,  denn  immer  dauern  die  äußeren  Formen  des  Kultus  auch  dann  noch 
an,  wenn  schon  längst  aller  Glaube  daran  erloschen  ist. 

Diocletian  versuchte  umsonst,  die  Christen  noch  ein  letztes  Mal  durch 
eine  Verfolgung  zu  vernichten.  Sie  war  ebenso  grausam  und  ebenso  un- 
wirksam wie  die  andern. 

Von  allen  Seiten  stürzte  das  Reich  zusammen.  Die  Barbaren  griffen, 
durch  den  Reichtum  der  Völkerschaften  mit  römischer  Kultur  und  ihre 
Schwäche  ermutigt,  alle  Grenzen  bedrohlich  an.  Schon  waren  keine  Legio- 
nen mehr  aufzutreiben,  um  ihnen  Halt  zu  gebieten;  denn  anstatt  an  den 
Grenzpfählen  des  Reiches  zu  lagern,  hatten  sich  die  Soldaten  in  die  von 
ihnen  selbst  mit  Befestigungswerken  versehenen  Städte  zurückgezogen.  In 
Britannien,  in  Numidien,  in  Armenien,  an  der  Donau,  'überall  wichen  die 
römischen  Heere  vor  jenen  neuen  Völkern  zurück,  die  nichts  weiter  als 
Krieg  kannten  und  nichts  weiter  als  zu  plündern  verlangten.  Eine  ver- 
derbte Zivilisation  hatte  sie  nicht  herabgewürdigt,  und  ihre  Stärke  war 
ihre  Fruchtbarkeit,  eine  Fruchtbarkeit,  die  alle  Niedermetzelungen  unter 
ihnen  zwecklos  machte.  Hinter  den  Angreifern  drängten  sich  wieder  neue 
unbekannte  Völkerschaften,  die  sie  ihrerseits  vorwärtstrieben,  zum  Anstürme 
gegen  die  römische  Welt. 

Aber  die  römische  Welt  verjüngte  sich  selber  nicht  mehr;  eine  freiwillige 
Unfruchtbarkeit  und  eine  Art  fester  Wille  sich  nicht  fortzupflanzen  zer- 
rüttete die  Ehen.  Die  Fluren  wurden  entvölkert;  die  Städte  wurden  die 
Zufluchtsstätten  der  schlimmsten  Abenteurer,  die  Schlupfwinkel  der 
schmutzigsten  Ausschweifungen.  Rom  konnte  keine  Soldaten  mehr  aus- 
heben; seine  Heere  waren  nur  noch  Hteere  von  Söldnern,  ja  von  Bar- 
baren; denn  das  Reich  konnte  gegen  die  Barbaren  nur  noch  mit  Unter- 
stützung der  Barbaren  selbst  ankämpfen. 

Diocletian  dachte,  daß  noch  immer  zu  viel  Freiheiten  übrig  wären,  und 
so  schaffte  er  die  letzten  Spuren  der  alten  Republik  ab.    Er  nannte  sich 
nicht  mehr  Imperator,  sondern  Herr  (Dominus).    Es  gab  keine  aus  freien 
.Wählen  hervorgegangenen  selbständigen  Verwaltungsbeamten  mehr,   son- 
dern nur  noch  Diener  des  Kaisers,   die  unmittelbar  von  dem  Herrscher 
,  als    solche   berufen    wurden,    Herzöge,    Grafen,    Statthalter.     Er    trug   das 
I  Diadem,  schmückte  sich  mit  kostbaren  Kleinodien  und  ließ  sich  von  einem 
t  ganzen  Harem  bedienen.    Wie  vor  den  Königen  von  Persien  mußte  man 
'sich  vor  ihm  niederwerfen.    Die  Würdenträger   wurden   Lakaien,   und  die 


Rom.  97 

Lakaien  wurden  die  vornehmen  Herren.  Die  rühmlichen  aristokratischen^ 
Überlieferungen  von  dereinst  sanken  ru  e.iner'  einförmigen  sklavischen 
Unterwürfigkeit  herab. 

Das  monarchische  Prinzip,  das  die  Völker  in  ihrer  Kindheit  noch  in 
seiner  ganzen  schafsmäßigen  Einfältigkeit  aufgefaßt  hatten,  jenes  Prinzip, 
das  schon  dereinst  die  Griechen  und  die  alten  Römer  verwünscht  hatten 
und  das  auch  Kaiser  wie  Nero  und  Commodus  nicht  wieder  in  Rom  ein- 
zuführen vermochten,  war  nun  in  seiner  ganzen  Häßlichkeit  triumphierend 
wiedergekommen. 

In  derselben  Zeit  untergrub  Diocletian  selbst  die  Einheit  des  römischen 
Reiches  und  ernannte  aus  freiem  Willen  zwei  Augusti,  d.  h.  zwei  Kaiser, 
und  außerdem  zwei  Cäsaren,  die  im  voraus  dazu  bestinmit  waren,  jenen 
zu  folgen.  Der  eine  erhielt  Gallien  und  Spanien,  der  andere  Griechen- 
land und  die  adriatische  Küste,  ein  dritter  ItaÜen  und  Afrika.  Diocletian 
selbst  nahm  sich  Thrazien  und  das  Morgenland. 

Ja,  um  sein  weites  Reich  leichter  zu  regieren,  wollte  er  auch  nicht  mehr 
in  Rom  bleiben,  in  jenem  Rom,  das  er  so  verachtete  und  von  dem  er  so 
verachtet  wurde;  er  verlegte  daher  deri  Sitz  seines  Reiches  nach  Niko- 
medien  in  Kleinasien,  aber  alles  war  umsonst ;  er  konnte  nur  feststellen, 
daß  er  auch  jetzt  den  Verhältnissen  gegenüber  ohnmächtig  blieb,  und  so 
dankte  er  auf  seine  alten  Tage  müde  und  von  allem  angewidert  ab  (305). 

Nun  machten  die  verschiedensten  Bewerber  ihre  Ansprüche  auf  die 
Kaiserwürde  geltend;  einer  verriet  den  anderen,  und  Ströme  Blutes  flössen 
in  diesen  Kämpfen  zwischen  so  vielen  Nebenbuhlern.  Da  zog  Konstantin, 
der  ernannte  Cäsar  in  den  beiden  Gallien,  seinem  Widersacher,  dem  imvor- 
nehmen  Maxentius,  dem  Cäsar  Italiens,  entgegen  und  brachte  ihm  in 
allernächster  Nähe  Roms  an  dem  Pons  Milvius  eine  vernichtende  Nieder- 
lage bei  (312).  Einer  späten  Sage  zufolge  soll  Konstantin  während  der 
Schlacht  ein  leuchtendes  Kreuz  am  Himmel  bemerkt  haben,  auf  dem  er 
die  Worte  erkannte:  „/n  hoc  signo  vinces  /"  Von  dem  Tage  an  soll  er  sich 
dann  entschlossen  haben,  Christ  zu  werden.  In  Wirklichkeit  aber  war 
Helena,  Konstantins  Mutter,  bereits  lange  vor  dieser  Schlacht  Christin 
geworden  und  auch  die  Bekehrung  von  Konstantin  selbst  schon  geraume 
Zeit  vorbereitet  gewesen. 

Das  bisher  stets  verfolgte  Christentum  tritt  damit  seine  Weltherrschaft 
an.  Die  Macht  geht  an  die  katholische  Kirche  über,  die  auf  lange  Zeit  hin 
unumschränkt  über  die  Massen  und  ihre  Gewissen  herrschen  sollte. 

Mit  diesem  Zeitpunkt  endet  das  Altertum,  da^  immer  noch  weit  i-^icher 
an  Ruhmestaten  als  an  beschämenden  Vorgängen  ist.  Konstantin  überläßt 
7  Riebet,  Geschichte  der  Menschheit 


Q8  Viertes  Buch.     Rom. 


nun  Italien  ungeschickten  Statthaltern  und  den  Barbaren.  Byzanz  an  den 
Gestaden  des  Bosporus  wird  von  jetzt  an  Konstantins  Stadt  und  heißt  nun 
Konstantinopel,  und  das  oströmische  Reich  tritt  an  die  Stelle  des  alten 
römischen  Reiches,  das  entartete  Spätrömertum  an  die  Stelle  des  echten, 
ursprünglichen. 

Alles  wandelt  sich  in  den  menschlichen  Gemeinschaften,  doch  geht  darin 
nichts  verloren.  Die  Barbaren  und  die  Christen  sollten  es  zuwege 
bringen,  die  Einrichtungen  Roms  von  Grund  aus  umzustürzen  und  die 
Meisterwerke  Athens  auszurotten.  Doch  was  tut  es?  Athen  und  Rom 
sind  noch  heute  in  unserem  ganzen  modernen  Dasein  lebendig^. 

Die  Welt  des  Altertums  ist  nicht  entschwunden,  hat  sie  doch  der  Mensch- 
heit das  hinterlassen,  'was  die  eigentliche  Kraft  und  Stärke  der  Menschheit 
ausmacht:  die  athenische,  die  Kunst  und  das  Denken,  die  römische,  das 
Recht  und  die  Verwaltung.  Die  lateinische  Sprache  ist  in  den  verschie- 
densten Gestaltungen  diejenige,  >,die  noch  heute  Millionen  und  aber 
Millionen  von  Menschen  sprechen.  Und  nachdem  die  Kirche  zwölf 
Jahrhunderte  lang  geherrscht  hatte,  bis  endlich  der  menschliche  Geist 
seine  Macht  wiederfand,  sollte  er  von  da  an  nach  Rom  vmd  Athen  zu- 
rückkehren. 


Fünftes  Buch.     Die  Kirche.  gg 


FünftesBuch. 

Die  Kirche. 

Die  Zeiten,  die  der  Bekehrung  Konstantins  folgen,  waren  durch  das 
Ringen  des  Christentums  mit  dem  erlöschenden  Heidentum  bezeichnet. 

Der  Glaube  der  Christen  war  um  so  tiefer,  je  heftiger  die  Verfolgungen 
waren,  die  er  noch  eben  durchgemacht  hatte.  Nun  verträgt  sich  Glaube 
etwa  nicht  mit  Duldsamkeit.  Daher  war  auch  schon  bald  nicht  mehr  das 
geringste  von  der  Verehrimg  der  alten  Götterbilder  zu  bemerken^  die 
höchstens  durch  Volksaberglauben  manchmal  in  christliche  Kultusgegen- 
stände timgearbeitet  wurden.  Die  Bildsäulen  wurden  zertrümmert  (Ikono- 
klasten),  die  Tempel  zerstört  oder  in  Kirchen  umgewandelt.  Alles,  was  an 
die  den  falschen  Götzen  geweihte  Kunst  degr  Griechen  und  der  Römer 
erinnerte,  wurde  in  Acht  und  Bann  getan.  Ein  neuer  Stil  in  der  Malerei, 
Bildhauerei  und  Architektur  verdrängte  die  Kunst  eines  Phidias  und  eines 
Praxiteles,  jene  auserleserie  Kunst,  deren  Nachahmung  sich  die  römischen 
Künstler  zur  Ehre  gerechnet  hatten,  und  mißgestaltete  Bilder  traten  an 
die  Stelle  der  Meisterwerke. 

Bis  dahin  hatten  die  verschiedenen  JCirchen,  wie  die  römische,  die 
syrische,  die  afrikanische,  die  griechische,  die  ägyptische,  einigermaßen  ihre 
Unabhängigkeit  voneinander  bewahrt,  aber  jetzt  verlangte  die  Ausbreittmg' 
des  Christentums  strengere  Regeln  und  eine  straffere  Hierarchie.  Die  Ge- 
walt der  Priester  über  die  Gläubigen,  der  Bischöfe  über  die  Priester,  des 
Papstes  über  die  Bischöfe  und  der  Konzilien  über  den  Papst  wurd'e  allent- 
halben erhöht.  Große  und  edle  Geister,  die  Kirchenväter,  vertieften  die 
Dogmen,  legten  das  Evangelium  aus,  indem  sie  für  die  Gleichnisse  den 
einen  oder  den  andern  Sinn  beschlossen  und  nach  hin-  und  hergehenden 
gründlichen  Erörterungen  die  Bestätigung  ihrer  Auslegung  bei  den  Kon- 
zilien einholten.  So  bildete  sich  allmählich  die  allgemeine  (katholische) 
Religion  in  ihrer  starken  Einheit  und  imerbittlichen  Logik  aus. 

Aber  das  endgültige  Dogma  triumphierte  erst  nach  herzzerreißenden 
blutigen  Zerwürfnissen;  denn  diese  theologischen  Streitigkeiten,  die  alle 
Geister  entflammten,  brachten  tiefgehende  Spaltungen  hervor. 

7* 


loo  Fünftes  Buch. 


So  gab  es  eine,  die  gefährlicher  als  alle  übrigen  war  undi  im  Begriffe 
stand,  die  Oberhand  zu  gewinnen.  Ein  Priester  namens  Arius  bewies  mit 
Gründen,  die  hier  unmöglich  ausgeführt  werden  können,  daß  in  der 
Heiligen  Dreieinigkeit  keine  Gleichheit  zwischen  Vater,  Sohn  imd  Heiligem 
Geist  bestünde.  Da  Arius  ein  gewandter  Logiker  und  ein  begabter  Redner 
war,  traten  viele  Priester  seiner  Ansicht  bei. 

Da   berief  Konstantin,   der  sich  zum   bevollmächtigten   Schutzherrn   des 

gesamten   Christentums  entwickelt  hatte,   ein   Konzil   nach   Nicäa;,   in  dem 

des    Arius   Ketzerei   feierlich   verdammt   wurde    (321).     Konstantin    selbst, 

der  die  Unerschütterlichkeit  seines  neuen  Glaubens  beweisen  wollte,  über- 

j   nahm  es,  diesem  Beschlüsse  des  Konzils  Gesetzeskraft  zu  geben.  Jeder  An- 

I   hänger  des  Arius  wurde  zum  Tode  verurteilt. 

So  hatte  kaum  die  Verfolgungswut  gegen  die  Christen  nachgelassen,  als 
sich  nunmehr  die  Christen  selbst  gegenseitig  verfolgten. 

Die  Ketzerei  des  Arius  zeigte  hartnäckige  und  zähe  Widerstandskraft. 
Noch  zwei  Jahrhunderte  nach  dem  Konzil  von  Nicäa  waren  Spuren  davon 
in  Syrien  und  Ägypten  vorhanden. 

Andere  Christen,  die  ein  nicht  weniger  lebhafter,  aber  um  vieles  schwär- 
merischerer Glaube  von  den  spitzfindigen  Erörterungen  der  Theologie  und 
den  gebrechlichen  Größen  dieser  Welt  fernhielt,  schlugen  wieder  einen 
andern  Weg  ein.  Besonders  im  Morgenlande  und  noch  mehr  in,  Ägypten, 
in  dem  Lande  der  metaphysischen  und  religiösen  Träumereien,  traten  sie 
nicht  bloß  zum  Beten,  sondern  auch  zu  einem  gemeinschaftlichen  Leben 
zusammen.  Es  bildeten  sich  christliche  Ordensbrüderschaften.  Einige  unter 
diesen  Ordensbrüdern,  die  von  einem  noch  glühenderen  Glauben  waren, 
wie  Cönobiten,  Asketen,  Einsiedler  (Eremiten),  zogen  sich  in  die  Wüste 
zurück,  um  sich  zu  kasteien  und  zu  Gott  zu  beten. 

Aber  die  Schicksale  der  Asketen  waren  nicht  etwa  gleiche  wie  die  den 
Klostermönchen  vorbehaltenen.  Der  Asketismus  ging  bald  in  dem  Sande  der 
afrikanischen  Wüste  unter,  während  noch  lange  nach  ihm  in  den  ver- 
schiedensten und  verfeinertsten  Gestalten  die  Organisation  der  Mönche  in 
Konventen,  Klöstern  und  Mönchsorden  eine  ganz  ungewöhnliche  Ent- 
wicklung erfuhr.  Das  Mittelalter  und  auch  die  Neuzeit  hat  diese  noch  in 
voller  Blüte  gesehen.  * 

Es  war  wahrhaftig  kein  plötzlicher  Zwischenfall  von  entscheidender 
Wirkung,  wie  wir  ihn  bisweilen  auf  der  Bühne  bei  einem  Sensationsstück 
erleben,  der  die  Ablösung  des  heidnischen  Götterkultus  durch  die  christliche 
Religion  herbeiführte.  Nein,  so  unvermittelt  war  die  neue  Lehre  wirklich 
nicht    zur  Herrschaft  gelangt.     Vielmehr  konnte    man    geraume  Zeit    ein 


Die  Kirche.  lOl 

Schwanken  zwischen  den  beiden  rivalisierenden  Religionen  bemerken,  be- 
sonders auch  bei  den  Kaisern,  derart,  daß  beispielsweise  die  letzteren  nach 
dem  Vorgange  Konstantins  noch  lange  an  dem  kaiserlichen  Gewände  neben 
dem  christlichen  Sinnbilde  des  Kreuzes  die  heidnischen  Abzeichen  der 
Oberpriesterwürde  trugen. 

Ja,  sogar  einige  Jahre  hindurch  (355 — 362)  bekannte  sich  ein  Kaiser 
ebenso  kühn  wie  offen  wieder  zum  alten  Heidentum.  Es  war  dies  Julian, 
von  den  Christen,  deren  Lehre  er  tatsächlich  zurückwies,  Apostata  genannt. 
Julian  versuchte  den  Hellenismus  noch  einmal  ins  Leben  zurückzurufen. 
Aber  die  Zeiten  waren  schon  von  zu  starrer  Unduldsamkeit  und  Glaubens- 
wut erfüllt,  und  so  war  er,  so  geschickt  er  sich  auch  als  Staatsmann  zeigen 
mochte,  nicht  imstande,  die  Gemüter  zu  beruhigen. 

Obwohl  ein  wackerer  Soldat,  konnte  er  doch  nicht  die  Barbaren  für 
die  Dauer  zurückdrängen.  Er  fand  in  einem  Alter  von  nur  dreiunddreißig 
Jahren  bei  Susa  in  einer  großen  Schlacht  gegen  die  Perser  einen  ruhmvollen 
Tod.  Es  wird  berichtet,  daß  er  das  Geschoß,  das  ihn  tödlich  getroffen  hatte, 
aus  der  Wunde  zog  und  es  mit  dem  Ausruf  in  die  Luft  warf:  „Du  hast 
gesiegt,  Galiläer!"  Die  Sage  ist  in  dieser  Gestalt  wohl  kaum  der  Wirklich- 
keit entsprechend,  aber  jedenfalls  sinnig  und  bezeichnend.  Von  jenem  Tage 
an  war  die  Religion  Christi  in  der  Tat  die  große  Weltmacht  geworden,  als 
die  wir  sie  von  nun  an  kennen. 

Nach  einer  Reihe  unbedeutender  Kaiser,  wie  Jovian,  Prokop,  Valeu- 
tinian,  Valens,  Gratian,  folgt  Theodosius  (379—395),  der  nach  seinen  mehr 
oder  weniger  mittelmäßigen  Vorgängern  einmal  wieder  durch  Fähigkeiten 
hervorragt. 

Er  versuchte  noch  einmal  die  Einigkeit  des  Reiches  herzustellen  und 
hatte  auch,  solange  er  lebte,  damit  Erfolg;  aber  schon  nach  seinem  Tode 
teilte  sich  das  Reich  wieder  unter  seine  beiden  Söhne. 

Er  bekämpfte  die  Heiden  wie  auch  die  Arianer.  Durch  strenge  Ver- 
ordnungen verhinderte  er  die  Verbreitung  der  Ketzerei  und  tilgte  er  die 
letzten  Spuren  des  Heidentums.  Gleichwohl  mußte  er  sich  den  anmaßenden 
Forderungen  der  katholischen  Kirche  fügen.  Schon  mischte  sich  die  geist- 
liche Gewalt  herrschend  in  die  Angelegenheiten  des  Staates.  Der  Heilige 
Ambrosius  zu  Mailand  verwehrte  dem  Kaiser  Theodosius  so  lange  den 
Zutritt  zur  Kirche,  bis  er  sich  durch  öffentliche  Buße  von  den  allerdings 
abscheulichen  Metzeleien,  die  er  in  Thessalonich  zugelassen  hatte,  zu 
reinigen  entschloß. 

Um  einen  kräftigeren  Widerstand  gegen  die  Barbaren  zu  ermöglichen, 
hatte  er  sich  mit  ihnen  in  Unterhandlungen  eingelassen  und  sich  mit  den 


I02  Fünftes  Buch. 


Goten  verbündet;  hatten  doch  die  Streitmächte  Roms  wirkUche  Römer 
schon  lange  nicht  mehr  aufzuweisen.  Die  schhmmsten  Feinde  des  Reiches 
wurden  in  seine  Heeresabteilungen  eingegliedert. 

Schon  gegen  Ende  des  vierten  Jahrhimderts  war  der  Ansturm  der  Bar- 
baren nicht  mehr  wie  vor  Zeiten  eine  bloße  Drohung,  sondern  bereits  eine 
ernste  Wirklichkeit.  Von  allen  Seiten  folgten  immer  wieder  neue  Stämme 
stoßend  und  drängend  den  Germanen  nach,  jenen  alten  Feinden  Roms, 
die  es  ja  nun  schon  so  lange  und  so  gut  kannte.  Aber  nicht  bloß  mit 
kriegerischen,  nein,  auch  mit  friedlichen  Einbrüchen  überzogen  die  Bar- 
baren Rom  gleichfalls  von  allen  Seiten.  In  diei  fasjt  völlig  vereinsamten, 
Fluren  drangen  sie  ein  und  ließen  sich  dort  nieder,  ohne  jeden  Kampf,  ja 
auf  dem  geräumten  Grund  und  Boden  von  der  zurückgebliebenen  um- 
wohnenden  Bevölkerung  noch  freudig  willkommen  geheißen. 

Aus  dem  nördlichen  Germanien  und  den  baltischen  Ländern  waren  die 
Goten  in  Thrazien,  Italien  und  Gallien  eingebrochen.  So  hatten  sie  ein 
gotisches  Reich  gründen  können,  das  sich  bald  in  zwei  selbständige  Stämme 
schied:  die  Wisigoten  oder  Westgoten  (westlich  der  Elbe)  und  die  Ostro- 
goten  oder  Ostgoten  (376),  die  sich  an  den  Ufern  der  Donau  und  am 
Schwarzen  Meere  niederließen. 

Andere  bisher  unbekannte  Völkerschaften  germanischen  und  slawischen 
Ursprungs  überschwemmten  die  beiden  gallischen  Provinzen  Roms,  den 
römischen  Teil  Germaniens  und  alle  übrigen  Teile  des  Reiches;  sie  nannten 
sich  Franken,  Burgunder,  Vandalen,  Alamannen  *,  Angeln,  Sachsen ;  die 
damals  noch  vollkommen  neuen  Namen  sollten  in  Zukunft  die  der  großen 
europäischen    Völker    werden. 

Diese  noch  jungen  Barbarenstämme  drängten  wieder  andere  derartige 
weiter,  die  die  römische  Zivilisation  bereits  halb  umgebildet  hatte,  und 
nötigten  auch  ihnen  wieder  ihre  wilden  Sitten  auf.  So  herrschte  überall 
Schrecken;  Legionen  aber  gab  es  nicht  mehr,  um  der  zerstörenden  Flut 
Einhalt  zu  tun. 

Da  schien  es  einen  Augenblick  dem  Theodosius  mehr  durch  Verträge 
als  durch  Schlachten  gelingen  zu  wollen,  den  Ansturm  zurückzuschlagen. 
Aber  nach  seinem  Verschwinden  begann  er  sich  sogleich  wieder  zu  regen, 
und  diesmal  konnte  seinem  weiteren  Vordringen  nichts  in  den  Weg  gelegt 
werden. 

Es  war  der  Westgotenkönig  Alarich,  der  nun  in  Thessalien,  Mazedonien, 
Griechenland  und  Italien  eindrang,  überall,  wo  er  hinkam,  plünderte  und 

*  Nach  den  Alamannen  werden  ja  die  Deutschen  von  den  Franzosen  Allemands 
genannt. 


Die  Kirche.  103 

raubte.  Mehrmais  zwar  wurde  ier  zunächst  besiegt,  büeb  aber  schließhch 
selbst  Sieger  und  bemächtigte  sich  Roms,  das  er  einer  furchtbaren  Plün- 
derung aussetzte.  Er  war  allerdings  ebenfalls  zum  Christentum  über- 
getreten, doch  galt  das  der  Kirche  nicht  so  recht  als  eigentlicher  Gewinn, 
weil  Alarich  aus  unbekannten,  doch  wohl  wirklich  nicht  gerade  philo- 
sophischen   Gründen    den   arianischen    Ketzerglauben   angenommen   hatte. 

Während  sich  die  Westgoten  im  südlichen  GalUen  niederließen,  drangen 
die  Vandalen,  ein  anderer  germanischer  Stamm,  nachdem  er  zuvor  den 
Rhein  überschritten  und  die  beiden  galHschen  Provinzen  verwüstet  hatte, 
in  Spanien  ein.  Die  Herren  der  Welt  sind  jetzt  nicht  mehr  die  Nachfolger 
der  römischen  Cäsaren,  sondern  ein  Theodorich,  der  König  der  Westgoten, 
und  ein   Geiserich,  der  König  der  Vandalen. 

In  diesen  stürmischen  Zeiten,  wo  in  wenigen  Jahren  Reiche  neu 
erstanden  und  auch  schon  wieder  vergingen,  gab  es  nur  ein  wahrhaft 
großes  Reich,  das  vandalische  (422 — 476).  Geiserich  war  mit  seinem 
Heer  in  Afrika  gelandet.  Er  eroberte  Mauretanien,  nahm  Karthago  und 
Hippo  (Bona),  welches  letztere  er  zu  seiner  Hauptstadt  machte  (435)-  Er 
verstand  es,  sich  eine  Flotte  zu  schaffen,  fuhr  nach  Korsika,  Sardinien, 
den  Balearen  und  unterwarf  alle  diese  Inselländer  seiner  Macht.  Er  drang 
bis  Rom  vor,  das  er  belagerte  und  plünderte,  eine  denkwürdige  Plünderung, 
die  länger  als  die  Belagerung  dauerte.  Von  da  fuhr  er  nach  Dalmatien  imd 
dann  nach  Griechenland,  so  daß  es  ihm  gelang,  ein  gewaltiges,  wenn  auch 
vergängliches  Reich  zu  gründen. 

Die  Geschichte,  so  nachsichtig,  wie  sie  im  allgemeinen  Eroberem 
gegenüber  ist,  hat  sich  gegen  die  Vandalen  äußerst  streng  gezeigt.  Ala- 
mannen,  Franken,  Burgunder,  Langobarden,  Normannen,  Sachsen,  sie  alle 
haben  in  der  Welt  die  gleiche  tierische  Zerstörungswut  betätigt,  und  doch 
stehen  ihre  Namen  geehrt  da,  während  der  der  Vandalen,  man  weiß 
nicht  recht,  warum,  berüchtigt  ist. 

*  * 

* 

Noch  ein  anderer,  weit  furchtbarerer  Völkersturm  kündigte  sich  drohend 
an,  in  dessen  Verlaufe  mehr  Blut  fließen  und  sich  mehr  Trümmer  anhäufen 
sollten  als  in  allen  vorangehenden  Kriegen,  die  doch  schon  wahrhaftig 
mörderisch  und  entsetzlich  genug  gewesen  waren.  Diesmal  waren  es  die 
Hunnen. 

Bisher  waren  die  angreifenden  Völker  stets  von  gleicher  Menschen- 
rasse gewesen  als  die  angegriffenen :  Franken,  Goten,  Burgunder,  Vandalen, 
Dazier,  ja  auch  die  Parther,  alle  waren  sie  von  weißer  Rasse,   Menschen 


jo4  Fünftes  Buch. 


von    kräftigem    Körperbau,    hochgewachsen,    blauäugig    und    blondhaarig. 

Aber  in  den  Hunnen  lernt  Europa  eine  neue  Rasse  kennen,  die  hinter  den 

älteren  europäischen  in  allem  zurückbleibt,    nur    in    ihrer    Tierheit    ihnen 

vielleicht    noch    über    ist.     Aus    Mittelasien     (der    Mongolei)    stammend, 

sind    die    Hunnen    Barbaren    unter    den    Barbaren.     Attila,    ihr   häßlicher 

I  Häuptling,    ist    nur    ihr    typisches    Abbild.     Klein,    untersetzt,    zottig,    mit 

I  engen  Schlitzaugen  und  platt  gedrückter  Nase,  gibt  er  ein  widerwärtiges 

!  Wesen  ab,   das  ebensoviel   Ekel   wie   Entsetzen   erregt.    „Wohin  der   Huf 

j  meines  Pferdes  gekommen  ist,  wächst  kein  Grasl"  äußerte  er  wiederholt. 

I  Und   er   bezeichnete   sich   selbst  als   Gottesgeißel. 

Aber  er  wußte  auch,  wie  alle  echten  Eroberer,  an  gewissen  Tagen 
mit  der  Gewalt  die  List  zu  vereinen.  Man  nötigt  dem  Morgen-  und  dem 
Abendlande  vom  Pontus  Euxinus  bis  zur  Seine  und  von  Thessalien  bis  zum 
Rheine  seine  Herrschaft  nicht  auf,  wenn  man  ihr  nicht  mit  ein  wenig  Schlau- 
heit  von  mehr  oder  minder  zweifelhaftem   Werte  nachhilft. 

Er  fängt  im  Osten  an,  indem  er  die  Germanen  Thraziens  bedrängt 
und  hinschlachtet  (446).  Ein  schwacher  oströmischer  Kaiser,  Theodosius  H., 
zahlte  ihm  eine  drückende  Abgabe  (sechstausend  Pfund  Gold)  dafür,  daß 
er   nicht   auch  in   Konstantinopel   einzog. 

Da  wandte  er  sich  wieder  zum  Abendlande  zurück,  fvon  einem  anderen 
Kaiser  veranlaßt,  der  noch  schwächer  als  Theodosius  war,  Valentinian.  Er 
wollte  auf  dem  Wege  über  die  beiden  Gallien  inach  Rom  vorrücken  und 
ergoß  sich  mit  einem  unzähligen  Schwärme  von  Barbaren  laller  Rassen, 
die  herbeigeströmt  waren,  um  ihm  Folge  leisten  und  unter  ihm  rauben 
und  plündern  zu  dürfen,  über  den  Rhein.  Überall,  wo  er  hinkommt,  folgen 
Verheerung  und  Entsetzen.  Blühende  Städte  wie  Trier  und  Reims  werden 
dem  Erdboden  gleichgemacht.  Er  dringt  bis  Paris  vor,  das,  wie  die 
Sage  berichtet,  die  heilige  Genoveva  rettet,  dann  bis  Orleans.  Aber  die 
germanischen  Völker,  die  damals  unter  den  römischen  Adlern  kämpften, 
die  Franken  und  die  Westgoten,  unter  der  Führung  des  Aetius,  eines 
großen  Feldherrn  von*  dunkler  Herkunft,  bringen  ihm  in  der  Champagne 
auf  den  Katalaunischen  Gefilden  nach  einem  der  blutigsten  Kämpfe,  die 
die   Geschichte  erlebt  hat,   eine  vernichtende   Niederlage  bei   (451). 

Doch  es  gelang  ihm,  zu  entkommen  und,  aus  Gallien  zurückgedrängt, 
sich  wieder  auf  Italien  zu  werfen  und  Rom  zu  bedrohen. 

Das  Blut  jener  alten  Römer,  die  einem  Hannibal  widerstanden  hatten, 
floß  nicht  mehr  in  den  Adern  irgendeines  Römers  jener  Zeit,  und  so  kamen 
sie  der  Gottesgeißel  schon  auf  halbem  Wege  nicht  als  Soldaten,  sondern 
als  Flehende  entgegen.    Vielleicht  war  Attila  ebenso  wie  sein  Heer  des 


Die  Kirche.  Io5 

Krieges  müde;  jedenfalls  nahm  er  den  Tribut,  der  ihm  damals  angeboten 
wurde,  um  sich  an  die  Ufer  der  Donau  in  seinen  Holzpalast  zurückzuziehen 
und  hier  ein  Jahr  später  zu  sterben  (453)- 

Nach .  seinem  Tode  brach  das  Hunnenreich  zusammen,  das  sich  noch 
weit  vergänglicher  erwies  als  das  Alexanders.  Doch  dieser  gräßliche 
Völkersturm  war  darum  nicht  weniger  verhängnisvoll  gewesen.  Ganz  abge- 
sehen von  den  Verwüstungen  und  Metzeleien,  die  er  angerichtet  hat,  hat  er 
Mongolenblut  in  das  Blut  der  weißen  Rassen  gemischt,  wodurch  dieses  nur 
an  Wert  verlieren  konnte. 


Das  4.  und  5.  Jahrhundert  gehören  zu  den  traurigsten  der  menschlichen  ■  i 
Vergangenheit.  ' 

Alle  Zivilisation  ist  erloschen,  braucht  doch  der  Kulturmensch  etwa  gar 
nicht   so  lange  Zeit,   um  zu   dem   Zustande   der   Wildheit  zurückzukehren. 

Die  Fluren  werden  eine  nach  der  andern  verlassen;  auch  die  Städte, 
mochten  es  die  sein,  die  vor  Zeiten  groß  gewesen  waren,  oder  die,  die  es 
noch  einmal  werden  sollten.  Die  Bewohner  des  Landes  und  der  Heide 
(„Heiden",  pagani),  die  für  ihre  alten  abergläubischen  Bräuche  Achtung 
bewahrt  haben,  werden  von  den  Christen  gehetzt  und  verfolgt  oder  von 
den  Barbaren  niedergemetzelt.  Die  alten  Baudenkmäler  werden  zerstört, 
sei  es  von  ketzerischen  Sekten,  von  denen  es  wimmelt,  sei  es  von  den 
Barbaren  selbst.  Der  Einfluß  Roms  ist  nur  noch  in  der  Erinnerung  vor- 
handen; er  ist  gleichzeitig  geschätzt  und  unbekannt;  denn  die  Barbaren, 
die  sich  in  den  eben  noch  von  ihnen  geplünderten  Ländern  niederlassen, 
wissen  von  allem  Vorausgegangenen  nichts.  Spanien,  Germanien,  Gallien, 
Kyrenaika,  ja  Italien  haben  keine  Thermen  mehr  noch  Luxusvillen,  noch 
Zirkusse,   noch  Theater. 

Bildliche  Darstellungen,  die  die  denkbar  ungeschicktesten  und  plumpsten 
Machwerke  sind,  verdrängen  die  edle  griechische  Plastik.  Es  gibt  keine 
Geschichtschreiber,  Philosophen  und  Dichter  mehr.  Die  germanischen  oder 
keltischen  Sprachen,  die  vor  der  der  Römer  zurückgewichen  waren,  ver- 
schwinden vollends,  da  sich  alle  Barbaren  beeilen,  Latein  zu  sprechen. 
Aber  das  Latein,  das  sie  sprechen,  besteht  nur  noch  aus  mehreren 
Abarten  desselben,  die  verdorben,  mißgestaltet  und  ebenso  barbarisch  sind 
wie  sie  selbst,  und  ist  dazu  bestimmt,  sich  durch  fortgesetzte  Umgestal- 
tungen schließlich  je  nach  der  Gegend  zu  dem  Italienischen,  Spanischen, 
Portugiesischen,  Provenzalischen,  Französischen  und  Rumänischen  zu  ent- 
wickeln. 


I  o6  Fünftes  Buch. 


Inmitten  dieser  allgemeinen  Trostlosigkeit  waren  die  christlichen  Kirchen 
die    einzige    Zuflucht. 

Das  Abendländische  Römische  Reich  war  dahingeschwunden.  Ein  ger- 
manischer Heerführer  Odoaker  hatte  den  letzten  der  Kaiser  abgesetzt, 
einen  Knaben,  der  sich  vermöge  einer  sonderbaren  Laune  der  Geschichte 
nach  dem  Gründer  Roms  Romulus  und  zugleich  nach  dem  Gründer  des 
Kaiserreichs  Augustus  nannte  (476). 

Nach  Odoaker  wurden  die  Ostgoten,  die  Theodorich  nach  Italien  geführt 
hatte,  die  Herren  dieses  Landes  (493).  In  jenem  Augenblicke  waren 
die  Westgoten  die  Herren  von  Südgallien  mit  der  Hauptstadt  Toulouse 
(418),  von  Spanien  und  von  Afrika.  Der  Ostgotenkönig  Theodorich,  der 
die  meisten  der  traurigen  Herrscher  seiner  Zeit  an  Staatsweisheit  übertraf, 
suchte  die  durch  die  vielen  Kriege  angerichteten  schweren  Schäden  wieder 
ein  wenig  gut  zu  machen  und  durch  eine  gemeinsame  Gesetzgebung,  unter 
die  er  sie  stellte,  ein  Zusammenleben  zwischen  Siegern  und  Besiegten, 
d.    h.   zwischen    Italienern   und    Barbaren,    zu   ermöglichen. 

Im  nördlichen  Gallien  hatte  der  Stamm  der  Franken  das  Übergewicht 
gewonnen,  dank  der  staatsklugen  Geschicklichkeit  eines  seiner  Häuptlinge. 
Chlodwig  ist  gewissermaßen  als  der  Gründer  des  Königreichs  Frankreich 
anzusehen  (466 — 511).  Dieser  scheinbar  so  plumpe  und  ungeschickte  Barbar 
war  im  Grunde  ein  höchst  berechnender  und  berechneter  Staatsmann. 

Die    über    die    Galloromanen    gewonnene   'Schlacht    bei    Soissons    (486) 
öffnete  ihm  das  Seinetal,  wo  er  seine  Macht  fest  begründete.    Er  kämpfte 
auch  gegen  die  benachbarten  germanischen  Völkerschaften  siegreich:  im 
Norden  gegen  die  Alamannen,  die  er  bei  Tolbiacum,  im  Osten  gegen  die 
Burgunder,  die  er  an  den  Ufern  der  Ouche  (500),  im  Süden  gegen  die  West- 
goten, die  er  bei  Vouill6  in  der  Nähe  von  Poitiers  schlug  (507).    Er  hatte 
'sich  zum   Christentume   bekehrt   und   wurde   von   dem   Heiligen   Remigius 
i  zu  Reims  gekrönt.    Dieser  Häuptling  eines  kleinen  germanischen  Stammes 
■  wurde  so  der  erste  König  von  Frankreich. 

Die  Barbaren  hatten  die  Länder,  in  die  sie  kamen,  bei  ihrer  Ankunft 
verwüstet  vorgefunden  und  kaum  eine  weitere  Eroberung  machen  können, 
als  die  des  bloßen  Grund  und  Bodens.  Aber  das  Klima  war  weniger  rauh 
als  in  den  düsteren  Wäldern  der  Wfeichsel  odet  der  Elbe.  Daher  setzten 
sie  sich  schon  lieber  in  den  eroberten  Gebieten  fest,  als  daß  sie  erst  wieder 
auf  neue  Eroberungen  ausgingen.  So  die  Vandalen  in  Afrika,  die  West- 
goten in  Spanien,  die  Franken  und  die  Burgunder  in  den  beiden  Gallien, 
die  Ostgoten  und  die  Langobarden  in  Itahen,  die  Alamannen,  die  Baju- 
varen    und    die    Sachsen    in    Germanien,    die    Angeln    auf    dem    britischen 


Die  Kirche.  107 

Inselland,  alle  erstrebten  dauernde  Niederlassungen,  und  siehe  da,  vom 
sechsten  Jahrhundert  an  hörten  in  der  Tat  die  Völkerwanderungen  und 
Völkerstürme  auf.  Die  Führer  nahmen  von  den  Ländern  Besitz,  die 
Krieger  mischten  sich  mit  der  einheimischen  Bevölkerung  und  begannen 
den  Boden  zu  bearbeiten  oder  sich  in  Marktflecken  niederzulassen.  Die 
Soldaten  verwandelten  sich  in  Ackerbauer  und  Handwerker.  Von  nun 
an  gab  es  keine  Völkerwanderungskriege  mehr,  sondern  nur  noch  Kriege 
der  Eifersucht  zwischen  zwei  benachbarten  Stämmen,  deren  Häuptlinge  das 
eigne  Gebiet  auf  Kosten  des  andern  erweitern  wollten.  Solche  Häuptlinge 
nannten  sich  gern  Könige.  Der  Ostgotenkönig  Theodorich  machte  sogar 
einen  vergeblichen  Versuch,  die  alte  römische  Kaiserwürde  seiner  Person 
zu  Ehren  wieder  aufrichten  zu  wollen. 

Chlodwig,  Dagobert,  Chlotar  maßten  sich  alle  Kennzeichen  des  König- 
tums an;  sie  bauten  sich  Paläste  und  umgaben  sich  mit  einer  Art  Hof, 
an  dem  sie  alles  neu  erstehen  ließen,  was  geeignet  war,  Sie  Erinnerungen 
an   das   alte    Rom   wieder   lebendig   zu   machen. 

Chlodwig  und  die  Franken  waren  im  Jahre  497  zum  Christentum  über- 
getreten. Die  Angeln  und  Sachsen,  die  in  das  Land  der  Briten  (Groß- 
britannien) eingedrungen  waren,  traten  später  im  6.  Jahrhundert  über. 
Die  Sachsen  Norddeutschlands  waren  die  letzten,  die  die  christliche  Religion 
annahmen;  im  Jahre  800  nötigte  sie  ihnen  Karl  der  Große  durch  heiße 
Kriege  auf. 

Die  Volksgrenzen  jener  Zeit  stimmten  etwa  keineswegs  genau  mit  den 
heutigen  überein.  Die  Einheit  Frankreichs  existierte  ebensowenig  wie 
die  Germaniens,  Spaniens  oder  Italiens.  Es  ist  nicht  unnütz,  liieran  die- 
jenigen zu  erinnern,  die  in  unsern  zufälligen  augenblicklichen  Grenzen 
unverbrüchliche  Schicksalsbeschlüsse  für  die  Ewigkeit  sehen.  Der  König 
von  Frankreich  war  gleichzeitig  Herr  über  den  Rhein  wie  über  die  Seine 
und  genau  ebenso  deutsch  wie  französisch.  Die  Burgunder  hatten  den 
Südosten,  die  Westgoten  die  Mitte  und  den  Südwesten  Galliens  inne,  die 
Langobarden  nahmen  nach  Zurückdrängung  der  Ostgoten  ganz  Italien  in 
Besitz. 

Nichts  war  veränderlicher  als  diese  Grenzen.  Noch  nach  dem  Tode 
eines  jeden  Königs  teilten  sich  seine  Söhne  in  die  Erbschaft.  Die  Bevöl- 
kerungen wechselten  ihre  Herren  mit  vollkommener  Gleichgültigkeit;  denn 
unter    den    verschiedensten    Namen    blieb    das    Elend   immer   das   gleiche. 

Die  Fürsten  waren  ohne  Gewalt  über  die  Gemüter,  die  wahre  Herrschaft 
war  die  der  katholischen  Kirche.  Sogar  gegenüber  den  Barbaren  ist  die 
sittliche   Macht  nicht  ganz  einflußlos.    Und  jetzt,   wo  von  dem  römischen 


Io8  Fünftes  Buch. 


Staatsgebäude  nur  noch  schwache  Spuren  übrig  waren,  war  unter  den 
Trümmern  allein  die  Kirche  aufrecht  und  unversehrt  stehen  geblieben, 
die  Kirche,  die  selbst  den  erstaunten  Barbaren  einen  Glauben  eingab,  den 
sie  zwar  nicht  richtig  verstehen  konnten,  dessen  Größe  sie  aber  unbestimmt 

'  ahnten.  Die  Krippe  von  Bethlehem  und  das  Kreuz  von  Golgatha  sind 
geeigneter,   die   Seelen  zu  rühren,   als   der   Gorgias   des   Plato. 

Die  Priester,  die  Bischöfe,  die  Mönche  waren  durch  die  Macht  der 
Tatsachen  gewissermaßen  die  Hüter  dessen  geworden,  was  von  der  alten 

;  griechisch-römischen  Kultur  noch  zu  retten  möglich  war.    In  die  Klöster, 

;  die  die  Barbarenkönige  allein  achteten,  hatten  sich  alle  die  Menschen 
geflüchtet,  die  noch  zu  denken  fähig  waren.  Es  handelte  sich  nicht  etwa 
um  gelehrtti  oder  begabte  Schriftsteller,  sondern  es  waren  Leute,  die  in 
einem  lebendigen  und  schlichten  Glauben  lebten  und  mitten  in  der  allge- 
meinen Unwissenheit  einige  Achtung  für  die  Dinge  des  Geistes  bewahrten. 
Es  war  das  gewissermaßen  ein  schwacher  Lichtschein,  der  schüchtern  in 
all  der  dichten  Finsternis   flackerte. 

Während  das  weströmische  Reich  von  den  Barbaren  zerstückelt  wurde, 
baute  das  oströmische  zu  Byzanz  den  überlieferten  Formenkram  immer 
weiter  aus  und  brachte  ihn  dadurch  nur  noch  mehr  herunter. 

Diese  oströmischen  Kaiser,  unbedeutende  Persönlichkeiten,  die  ihre  Mittel- 
mäßigkeit der  strengen  Beurteilung  der  Geschichte  entzieht,  hatten  nichts 
weiter  zu  tun,  als  sich  mit  ihrem  Palastzeremoniell,  mit  den  Ränken  ihrer 

,  Dienerschaft  und  mit  den  Spitzfindigkeiten  ihrer  Theologen  zu  beschäftigen. 
Nur    einen    gab    es,    der    eine    wirkliche    Tatkraft    zeigte,    und    das    war 

>  Justinian    (527 — 565). 

'  Wenn  auch  unter  seinen  Untertanen  eine  Spaltung  in  zwei  Parteien 
herrschte,  die  sich  nach  den  Farben  der  Kunstreiter  eines  Zirkus  die  Blauen 
und^die  Grünen  benannten,  so  konnte  er  aus  ihnen  doch  ein  geschultes  und 
kriegstüchtiges  Heer  aufstellen,  das  unter  dem  Oberbefehle  des  Belisar 
den  Vandalen  Afrika  wieder  abnahm.  Später  nahm  ein  von  Narses  be- 
fehligtes Heer  auch  den  Ostgoten  wieder  Italien  ab.  Einen  Augenblick 
dehnte  sich  Justinians  Reich  wieder  fast  so  weit  wie  das  des  Augustus 
aus,  hatte  er  doch  im  Norden  die  Germanen,  im  Osten  die  Parther 
siegreich  zurückgedrängt.  Er  konnte  beinahe  hoffen,  die  große  kaiserliche 
Macht  von  ehedem  wieder  erstehen  zu  sehen. 

Aber  wenn  der   Name   des  Justinian  der  Nachwelt  erhalten  zu  werden 

I   verdient,  so  geschieht  dies  nicht  etwa  um  seiner  vergänglichen  Eroberungen 

I  willen,  sondern  allein  wegen  seiner  unsterblichen  juristischen  Wirksamkeit. 

t  Er  ließ  durch  Tribonian  alle  römischen  Gesetze,  alte  wie  neue,  zu  einem 


Die  Kirche. 


rog 


Rechtskodex  sammeln,  der  ein  unvergleichliches  Denkmal  bildet,  das  noch 
heute  fast  bindende  Kraft  für  die  Fachmänner  besitzt.  Alle  neueren 
Gesetzgebungen  haben  das  römische  Recht  zur  Grundlage,  so  wie  es 
uns  Justinian  überliefert  hat.  Tribonian  war  der  Anordner,  Justinian  der 
Anreger  für  dies  Werk,  das  an  sich  nur  eine  fleißige  Zusammentragung  ist. 
Und  doch  genügte  dies  vollständig,  den  Namen  der  Nachwelt  zu  erhalten. 

Das  oströmische  Reich  schien  also  von  der  Völkerwanderung  verschont 
bleiben  zu  sollen.  Zwar  drohten  die  Goten,  die  Avaren,  die  Slawen  von 
allen  Seiten,  doch  gelang  es  ihnen  gleichwohl  nicht,  in  Byzanz  einzudringen. 

Aber  wenn  auch  die  alte  griechisch-römische  Kultur  durch  die  kaiserlichen 
Einrichtungen  scheinbar  zur  Hälfte  erhalten  geblieben  war,  so  war  sie 
darum  nicht  minder  vergänglich.  Der  Verfall  war  nur  etwas  weniger 
stürmisch,  aber  doch  gleichwohl  ebenso  sicher  wie  im  Abendlande.  Die 
Baumeister  schufen  Kirchen  und  Basiliken,  die  mit  den  verschiedenartigsten 
Ornamenten  überladen  und  dabei,  vielleicht  mit  Ausnahme  des  gewaltigen 
Gottestempels  der  Heiligen  Sophia,  trotz  ihrer  unermeßlichen  Ausdehnungen 
wahrhafter  Größe  entbehrten.  Die  antiken  Statuen  werden  als  Darstel- 
lungen von  Gottheiten  einer  entehrend  gewordenen  Religion  durch  christ- 
liche Heiligenbilder  ersetzt,  und  die  Schönheit  des  menschlichen  Körpers 
verhüllte  sich  jetzt  ungeschickt  unter  vergoldeten  Gewandungen.  Die  Mosaik 
trat  an  die  Stelle  der  Malerei  und  die  Anfertigung  von  Heiligenbildern  an 
die  Stelle  klassischer  Bildhauerkunst.  Auf  dem  Gebiete  des  Theaters 
gab  es  nur  noch  Zirkusrennen,  und  auf  dem  Gebiete  der  Literatur  gab  es 
überhaupt  nichts  mehr. 

Von  aller  Erfahrungs-  oder  Geisteswissenschaft  bleibt  nichts  weiter  übrig, 
als  nichtssagende  weitschweifige  Hin-  und  Hererwägungen  der  unbegreif- 
lichsten theologischen  Spitzfindigkeiten.  Niemals  gab  es  einen  solchen 
Überfluß  an  Sekten  und  eine  derartige  Schwärmerei  für  die  albernsten 
Dinge.  Anläßlich  einer  untergeordneten  Rangfrage  weigert  sich  der  Patri- 
arch von  Byzanz,  den  Bischof  von  Rom  als  Vorgesetzten  anzuerkennen, 
und  die  griechische  Kirche  bezeichnet  sich  als  orthodox,  um  sich  von  der 
römischen  Kirche  trennen  zu  können,  die  sich  ihrerseits  nicht  weniger 
bescheiden  den  Namen  einer  katholischen,  d.  h.  einer  allumfassenden, 
zulegt. 

Kurz,    die    Barbarei   war   die   gleiche   im    Morg^en-   wie   im   Abendlande. 

Im  Morgenlande  grausame  und  unfähige  Kaiser  mit  einem  Volke  von 
Sophisten,  Höflingen  und  Sklaven.  Im  Abendlande  halb  wilde  Könige, 
die  nur  die  rohe  Gewalt  kannten  und  über  verwüstete  Gegenden  herrschten. 
Im  Abendlande  das  Gewimmer  der  Kindheit,  im  Morgenlande  das  Todes- 


HO  Fünftes  Buch. 


zucken  der  Altersschwäche.   Das  war  der  Zustand  Europas,  als  Mohammed 
in  die  Erscheinung  trat. 

Mohammed  oder  Muhammed  wurde  zu  Mekka  in  Arabien  im  Jahre  571 
geboren.  Arabien  ist  eine  öde  Gegend,  nicht  sowohl  ein  anbaufähiges 
Ackerland,  als  eine  von  einer  unbarmherzigen  Sonnenglut  ausgedörrte 
Sandwüste.  Die  Bevölkerung  dort  war  schon  damals,  wie  heute  noch, 
von  äußerst  geringer  Dichtigkeit  und  in  einem  kläglichen  Zustande.  Mekka, 
das  80  Kilometer  vom  Roten  Meere  abliegt,  war  die  einzige  bedeutendeare 
Stadt.  Im  Jahre  571  betete  man  dort  noch  Götzenbilder  an,  und  in  der 
wohl  zum  Teil  mit  dem  Judentum  verwandten  und  sonst  nicht  recht 
einzuordnenden  Religion  stand  vor  allem  der  Patriarch  Abraham  in  großen 
Ehren. 

So  ursprünglich  und  niedrig  auch  die  Bildungsstufe  dieses  Volkes  war, 
es  zählte  doch  schon  Reiche  und  Arme,  wohlhabende  Kaufleute  und  ge- 
drückte Proletarier,  wie  etwa  die  damaligen  Schäfer  und  Kameltreiber; 
aus  einer  solchen  niederen  Klasse  war  ja  auch,  wie  die  sagenhafte  Über^ 
lieferung  berichtet,  höchst  wahrscheinlich  Mohammed  hervorgegangen. 
Seine  frühesten  Jugendjahre  sind  traurig  und  düster.  Etwas  wirklich 
Verbürgtes  über  ihn  wissen  wir  erst  aus  dem  Jahre  613,  wo  er  bereits  einigen 
Anhängern  eine  neue  Religion  verkündete.  Er  war  damals  42  Jahre  alt. 
Er  behauptete,  unmittelbar  von  Gott,  dem  Herrn  des  Weltalls,  Allah,  eine 
j  übernatürliche  Offenbarung  empfangen  zu  haben.  Er  erzählte,  daß  das 
göttliche  Buch,  der  Koran,  ihm  von  dem  Engel  Gabriel  auf  den  Befehl 
vom  Allah  selbst  diktiert  worden  sei. 

Zunächst  fand  diese  erstaunliche  Behauptung  keine  rechten  Gläubigen 
und  erregte  nur  Spott  und  Verfolgungswut.  Zehn  Jahre  lang  gewann  Mo- 
hammed nur  wenig  Anhänger,  und  auch  die  zu  erhalten  war  ihm  schwer 
genug  gefallen.  Da  flüchtete  er  eines  Tages,  um  seinen  Feinden  zu  ent- 
rinnen und  besonders  auch,  um  noch  mehr  Bekehrungen  zu  versuchen, 
als  ihm  in  seiner  engeren  Heimat  gelingen  wollte,  nach  Yatrib,  das  von  nun 
an  den  Namen  Medina  bekam;  dieses  Ereignis  wird  von  den  Moslems 
als  die  Hedschra  bezeichnet  und  bildet  das  Datum,  das  sie  als  Ausgangs- 
punkt der  mohammedanischen  Zeitrechnung  angenommen  haben  (16.  Juli  622}. 
Medina  war  bisher  eine  zum  Teil  heidnische  und  zum  Teil  jüdische  Stadt ; 
nun  wurde  sie  mohammedanisch.  Der  Koran  war  ihr  geheiligtes  Buch, 
ein  der  hebräischen  Bibel  mit  mehr  oder  weniger  Treue  nachgebildetes. 
Die  jüdische  Überlieferung  vereinigte  sich  hierin  mit  den  Phantasiegebilden 
Mohammeds,    Abraham,  Moses  und  Jesus  Christus  werden  hier  die  Pro- 


Die  Kirche.  1 1 1 

pheten,  die  nur  die  Vorboten  für  den  letzten  Messias,   den  größten  von 
allen  Propheten,  Mohammed,  den  Propheten  schlechthin,  sind. 

Bisher  war  die  Werbung  für  die  neue  Religion  noch  etwas  zaghaft  vor 
sich  gegangen.  Jetzt  faßt  sie  sich  Mut.  Ihre  Apostel  werden  kühn.  Eine 
Moschee  wird  gebaut;  ein  bescheidenes  Heer  wird  ausgerüstet,  die  neue 
Lehre  zu  verteidigen.  Der  Koran  wird  das  allgemeine  Buch.  Er  hört  auf, 
bloß  noch  eine  einfache  Sammlung  von  sittlichen  Begriffen  zu  sein,  um  von 
nun  an  vielmehr  eine  ganze  Gesetzessammlung  zu  bilden,  die  eine  genaue 
gesellschaftliche  Ordnung  vorschreibt,  deren  Grundlage  eine  Religion  mit 
einem   bestimmten   Kultus   ist. 

Gleich  in  den  ersten  Jahren  nach  der  Hedschra  schlägt  der  Islam  bereits 
geiiäu  die  Richtung  ein,  die  er  später  immer  weiter  verfolgen  sollte:  die 
Werbung  für  den  Glauben  durch  die  Waffen.  Hiervon  rührt  eine  ganz 
eigenartige  Mischung  von  Plünderungs-  tmd  Bekehrimgszügen  her. 

Zu  Anfang  fanden  sich  recht  viel  Schwierigkeiten.  Die  Muselmanen 
von  Medina  waren  zunächst  nur  eine  Handvoll  Leute;  doch,  obwohl  durch 
beständige  Kämpfe  noch  mehr  gelichtet,  nahmen  sie  gleichwohl  Jahr  für 
Jahr  an  Zahl  zu.  Nach  mancherlei  Zwischenfällen  drangen  sie  endlich  im 
Jahre  8  der  Hedschra  (630)  siegreich  in  Mekka  ein.  Mehr  aus  Furcht  als 
aus  Überzeugung  bekehrten  sich  nun  auch  die  Bewohner  von  Mekka;  die 
anderen  jüdischen,  heidnischen  und  sogar  christhchen  arabischen  Stämme 
wandten  sich  dem  Erfolge  zu  und  schlössen  sich  der  neuen  Lehre  an. 
Die  erobernde  Macht  des  Islam  hatte  ihre  Laufbahn  begonnen. 

In  diesem  Augenblick  vereinte  Mohammed  bereits  ein  Heer  von  dreißig- 
tausend Mann;  er  schickte  sich  auch  schon  an,  gegen  die  griechischen 
(oströmischen)  Heere  in  Syrien  zu  Felde  zu  ziehen,  als  er  vom  Tode 
überrascht    wurde.  • 

Der  unbekannte  Kameltreiber  war  mittlerweile  zu  einem  mächtigen 
Herrscher  geworden,  und  er  konnte  mit  einigem  Stolz  auf  die  Entwicklung 
seiner  Macht  zurückblicken.  Aber  wieviel  höher  hätte  wohl  noch  sein  Herz 
geschlagen,  wenn  er  das  wunderbare  weitere  Schicksal  der  von  ihm  ins 
Leben  gerufenen  Religion  hätte  voraussehen  können?  Heute  gehören  ihr 
Millionen  und  aber  Millionen  von  Menschen  an.  Sie  stellt  sich  ebenso 
entschieden  der  Religion  Buddhas  wie  der  Jesu  gegenüber.  Sie  ist  eine  der 
größten  sittlichen  und  wirtschaftlichen  Kräfte  der  Welt  geworden. 

Es  ist  recht  lächerlich,  mit  Voltaire  zu  behaupten,  daß  Mohammed  ein 
bewußter  Betrüger  gewesen  sei,  der,  um  eine  Rolle  zu  spielen,  eigens  zu 
diesem  Zwecke  ersonnene  Märchen  verbreitet  hätte.  Nein,  ein  solcher 
Betrug   ist   nicht   bloß    unwahrscheinlich,    sondern   einfach   ganz    imd   gar 


112  Fünftes  Buch. 


unmöglich.  Mohammed  ist  vielleicht  ein  Verblendeter  gewesen,  ein  Betrüger 
war  er  sicher  nicht.  Er  hat  mehr  oder  weniger  unklare  Traumbilder,  Gesichte 
gehabt,  die  dadurch,  daß  er  sie  seinen  begeisterten  Jüngern  erzählt  hat, 
schließlich  für  ihn  selbst  den  vollen  Anschein  bestimmtester  Wirklichkeit 
gewonnen  haben.  Im  Koran  herrscht  eine  so  tiefe  Überzeugung,  ein  so 
starker  Glaubenshauch,  ein  so  feuriger  Bekehrungseifer,  daß  für  die  Schöp- 
fung des  so  genialen,  fast  übermenschlichen  Werkes,  das  hinter  der  Ilias  und 
der  Bibel  um  nichts  an  Schönheit  zurücksteht,  unmöglich  ein  von  langher  vor- 
bereiteter und  planmäßiger  Täuschungsversuch  angenommen  werden  kann. 

Der  Koran  ist  nicht  etwa  ausschließlich  eine  Bekehrungsschrift;  er  ist 
auch  gleichzeitig  ein  großartiges  Dichtwerk.  Der  Zauber,  den  er  ausgeübt 
hat,  beweist,  bis  zu  welchem  Grade  sich  die  menschliche  Seele  von  den 
prächtigen  Bildern  verführen  läßt.  Eine  ebenso  gelehrte  wie  begeisterte 
Dichtung,  die  die  Größe  eines  einzigen  Gottes  in  einförmigen,  aber  gerade 
durch  diese  Einförmigkeit  wirksamen  Ausdrücken  besingt  1 

Doch  dieser  Gott,  dessen  Preis  und  Ehre  in  jedem  Verse  wiederkehrt,  ist 
ohne  metaphysische  Tiefe.  Er  ist  auf  der  Vorstellung  von  einem  allmäch- 
tigen, allwissenden,  sehr  weisen  und  sehr  gütigen  höchsten  König  aufgebaut. 
Von  dem  Throne  aus,  auf  dem  er  im  Himmel  sitzt,  lenkt  er  Sterne,  Sonne 
und  Erde.  Er  sieht  alles,  was  die  Menschen  machen,  die  schwachen 
Menschen.  Er  hat  alles  geschaffen:  Osten  und  Westen,  Nacht  und  Tag, 
Meer  und  Sand,  Gewitter  und  Sturm,  Wolken  und  Geschöpfe.  Alles  gehorcht 
ihm:  Alles  steht  in  seiner  mächtigen  Hand.  Der  Mensch  ist  ein  niedriger 
Sklave,  dem  der  Blick  und  der  Wille  Gottes  überallhin  folgt.  Der  Gottheits- 
begriff des  Korans  beruht  ausschließlich  auf  der  unbedingten  Herrschaft  des 
einen  einzigen  Gottes.    Allah  ist  Allah  und  Mohammed  sein  Prophet. 

So   ist   es   die   große    Pflicht   des    Menschen,    diesen    Meister   anzubeten 

und  vor  ihm  niederzufallen.    Aber  man  soll  auch  barmherzig  sein,  Almosen 

spenden,  das  Recht  beobachten  und  alle  die  als  Brüder  ansehen,  die  diesen 

1^     j  einzigen  Gott  verkünden.    Im  ganzen  ist  die  Sittlichkeit  des  Koran  schön 

*     i  und  rein,  wenn  auch  Ströme  von  Blut  um  seinetwillen  vergossen  worden  sind. 

Als  eine  schlichte,  logische,  von  Bräuchen  fast  vollkommen  verschont  ge- 
bliebene Religion,  die  mit  einer  unbeabsichtigten  Feinfühligkeit  Vorschriften 
einer  höchst  einfachen  Sittenlehre  mit  einem  ebenso  einfachen  Weltbilde 
vereinigt,  ist  der  Islam  wie  geschaffen  für  Völker,  die  noch  in  ihrer  Kindheit 
stehen.  Es  bedarf  keiner  tiefen  Überlegung,  um  die  so  einfache  Vorstellung 
zu~eHassen,  daß  der  Himmel  von  einem  Gotte  bewohnt  wird,  der  nach 
Aussehen  und  Benehmen  nicht  anders  ist,  als  irgendein  sehr  vornehmer 
und  sehr  prachtliebender  Herr,  und  daß  es  Gesetz  ist,  ihm  zu  gehorchen. 


Die  Kirche. 


"3 


Es  ist  kaum  viel  mehr,  was  sich  darüber  in  dem  Koran  findet,  aber  es 
genügt,  um  die  Welt  zu  erobern. 

Bis  zum  Koran  beschränkte  sich  alles,  was  in  arabischer  Sprache  ge- 
schrieben war,  auf  einige  höchst  mittelmäßige  und  unschöne  Gedichte. 
Der  Koran  erst  eröffnete  recht  eigentlich  die  arabische  Literatur,  so  daß 
in  ihm  nicht  allein  ein  religiöses  Lehrbuch,  sondern  mindestens  ebenso  das 
älteste  und  schönste  Denkmal  einer  ganzen  Sprache  zu  sehen  ist. 

Das  Arabische  wurde  von  einigen  Tausenden  Menschen  gesprochen: 
Kaufleuten,  Schäfern,  Viehtreibern,  Kamelführern,  die  in  dem  unfruchtbaren 
und  öden  Arabien  in  den  verschiedensten  Teilen  zerstreut  lebten.  Mit  dem 
Koran  sollte  sich  das  Arabische  schneller  in  der  Welt  verbreiten,  als  es 
das  Griechische  und  das  Lateinische  vermocht  hatten.  Schon  hundert 
Jahre  nach  Mohammeds  Tode  sollte  man  in  Bagdad,  Cordova,  Karthago 
wie  Smyrna  überall  das  gleiche  Arabisch  sprechen.  Kein  Buch,  als 
höchstens  noch  das  Evangelium,  hat  eine  so  überraschende  Herrschaft 
auf  das  Gemüt  der  Menschen  ausgeübt. 

Die  Eroberung  Asiens,  Afrikas  und  eines  Teiles  von  Europa  in  der 
denkbar  kürzesten  Zeit  verbreitete  überallhin  Furcht  und  Schrecken  wie  ein 
einschlagendes  Gewitter.  Sie  war  ebenso  dem  Buche  wie  dem  Schwerte 
zu  verdanken.  Götzenanbeter,  Heiden,  Juden,  Christen  traten  über.  Es 
heißt  im  Koran,  daß  die  Ungläubigen  allezeit  und  überall  bekämpft  und 
sämtlich  Gott  unterworfen  werden  müßten.  Es  ist  ein  heiÜger  Krieg;  wer 
in  ihm  fällt,  geht  geradenwegs  ins  Paradies  ein.  Daher  jener  unerbittliche 
Fanatismus,  der  den  Sieg  an  die  stürmenden  Heere  heftete;  die  verschie- 
denen Besiegten  verbanden  sich  sogleich  und  wurden  dann  ebenso  fanatisch 
wie   die   Sieger. 

Damaskus  und  Syrien  unterwarfen  sich  (634).  Schon  zwei  Jahre  darauf 
Persien  und  Kleinasien  (636).  Amru,  der  siegreiche  Feldherr  des  Kalifen 
Omar  in  Ägypten,  belagert  Alexandrien,  das  nach  einjähriger  Belagerung 
fällt  (641).  Die  noch  immer  wunderbare  Bibliothek  wird  von  Omar  in 
Brand  gesteckt,  und  es  ist  nicht  sicher,  ob  das  aus  religiöser  Verblendung 
oder  aus  kriegerischer  Wildheit  geschah;  denn  diese  beiden  bösen  Feen 
mengen  sich  immer  in  die  mohammedanische  Eroberung  ein.  Jm  Jahre 
642  wird  Armenien  erobert,  im  Jahre  648  Cypern,  im  Jahre  651  Rho- 
dus,  im  Jahre  653  ganz  Ägypten.  Im  Jahre  672  eröffnen  die  Araber 
die  Belagerung  von  Konstantinopel,  und  schon  unmittelbar  darauf  be- 
ginnen sie  auch  mit  dem  Römischen  Reich  anzubinden.  Sie  nehmen  Kor- 
sika und  Sardinien  (669),  plündern  Sizilien,  bemächtigen  sich  Karthagos 
(670)  und  dringen  bis  nach  Spanien  vor  (711). 
8  Riebet,  Geschichte  der  Menschheit 


I  r4  Fünftes  Buch. 


Noch  zu  Lebzeiten  der  Witwe  Mohammeds,  Aischa,  hatte  der  Islam 
bereits  die  Hälfte  des  Mittelmeeres  und  ganz  Asien,  soweit  es  auch  schon 
den  Alten  bekannt  war,  erobert. 

Bei  diesen  stürmischen  Eroberungen  ging  es  nicht  ohne  furchtbare 
Rangstreitigkeiten  zwischen  den  einzelnen  Heerführern  ab.  Die  Geschichte 
gestaltet  sich  in  diesem  Teile  so  düster,  so  blutig  und  so  einförmig, 
daß  es  zwecklos  ist,  die  wildesten  und  scheußlichsten  Entwicklungen  dieser 
entsetzlichen  Tragödie  zu  zeichnen.  Übrigens  tut  es  auch  wenig  zur  Sache, 
wer  der  und  der  General  oder  Kalif  gewesen  ist;  schließlich  triumphiert 
ja  doch  kein  anderer  als  der  Koran,  und  ist  allein  er  der  unwiderstehliche 
Sieger.  Während  sich  zu  Medina  und  zu  Mekka  Mohammeds  Nachfolger 
um  die  Herrschaft  stritten,  breiteten  sich  arabische  Sprache  und  Gesittung 
wie  eine  andringende  Flut  aus.  Vergeblich  stritten  sich  die  Kalifen  von 
Ägypten,  Afrika  und  Bagdad  in  wildem  Kampfe  um  die  Oberherrschaft. 
Nichts  konnte  dem  Eroberungszuge  des  Islam  Einhalt  tun. 

Zu  Anfang  des  8.  Jahrhunderts  werden  auch  die  Mauren  Moslems. 
Die  Westgoten  werden  aus  Afrika  vertrieben.  Nach  der  Schlacht  bei  Xeres 
(711)  genügen  Musa  fünf  Jahre,  um  ganz  Spanien  zu  unterwerfen  und 
bis   zu   den    Pyrenäen    vorzurücken    (710 — 715). 

Die  Araber  fanden  in  Spanien  keine  Soldaten,  die  sie  bekämpft  hätten, 
und  so  ließen  sie  sich  hier  nieder,  ohne  irgendwelchen  Widerstand  zu 
finden.  Die  Christen  (Westgoten  oder  den  Westgoten  untertänige  Hispano- 
Römer)  unterwarfen  sich  den  neuen  Herren  und  traten  in  großer  Anzahl 
zum  Islam  über.  Viele  unter  ihnen  jedoch  flüchteten  sich  in  die  Berge, 
um  ihren  alten  Glauben  bewahren  zu  können. 

In  weiterer  Verfolgung  ihres  Bekehreramtes  und  ihrer  Plünderungen 
überschritten  die  Araber  die  Pyrenäen,  bemächtigten  sich  der  Stadt 
Bordeaux  und  drangen  tief  in  die  Mitte  Frankreichs  bis  nach  Poitiers  vor. 
Aber  hier  stießen  sie  auf  Widerstand  bei  dem  Frankenheere  unter  dem 
Oberbefehle    von    Karl    Martel    (732). 

Abd-ar-Rähman,  der  die  sarazenischen  Truppen  befehligte,  wurde  besiegt 
und  fiel  in  der  Schlacht.  Es  fand  ein  gewaltiges  Gemetzel  statt,  und  der 
arabische  Siegeszug  auf  europäischem  Boden  hatte  ein  für  allemal  sein 
Ende  gefunden.  Es  war  das  erstemal,  daß  die  Heere  des  Propheten  sich 
zurückziehen  mußten.  Vierzig  Jahre  später  überschritten  die  Franken 
ihrerseits  unter  der  Führung  von  Kaiser  Karl  dem  Großen  die  Pyrenäen, 
und  nun  ließen  sich  umgekehrt  die  Sarazenen  auf  ihrem  eigenen  spanischen 
Gebiete  besiegen. 


Die  Kirche.  1 1 5 

Aber  soweit  auch  die  Niederlage  bei  Poitiers  die  Eroberer  zum  Zurück- 
weichen gebracht  hatte,  der  Islam  in  Asien,  Afrika  und  Spanien  blieb 
gleichwohl  noch  immer  mächtig.  Damals  entwickelte  sich  eine  neue 
Kultur  in  ihrem  ganzen  Glänze,  jenes  verfeinerte  sinnliche  Araber  tum,  das 
von  Bagdad  bis  Cordova,  von  Smyrna  bis  Alexandria  eine  erstaunliche 
Einheit  in  Sitten,  Religion,  Baudenkmäler  und  Sprache  einführte. 

Während  das  Abendland  und  Byzanz  noch  tief  in  der  Nacht  eines  das 
Licht  der  Vernunft  scheuenden  Christentums  steckte,  das  ebenso  wirr  wie 
spitzfindig  war,  machten  sich  die  Araber  nun  schon  seit  langer  Zeit  an  das 
Studium  der  Geistes-  und  Erfahrungswissenschaften,  sowie  aller  schönen 
Künste.  Sie  hatten  Romanschriftsteller,  Dichter,  Theologen,  Philosophen, 
Grammatiker,  Ärzte,  Gelehrte  (Mathematiker,  Astronomen,  Alchimisten, 
Juristen).  Schulen,  die  beinahe  den  Charakter  von  Universitäten  trugen, 
erstanden  in  Bagdad,  Cordova,  Alexandria,  Damaskus.  Moscheen  von 
einem  bisweilen  geradezu  bezaubernden  Stile  wurden  erbaut,  wie  die 
Alhambra  von  Granada.  Der  Handel  nahm  einen  ungeahnten  Aufschwung 
und  mit  ihm  auch  der  Luxus.  Die  Meisterwerke,  die  die  großen  Geister 
von  Athen  und  Rom  hervorgebracht  hatten,  wurden  erhalten  und  übersetzt. 
Zwei  bis  drei  Jahrhunderte  hindurch  hat  die  Zivilisation  weit  mehr  in  der  zu 
jener  Zeit  in  ihrem  hellsten  Lichte  strahlenden  Araberwelt  als  in  der  damals 
noch  so  tiefstehenden  Christenheit  einen  sicheren  Hort  gefunden. 

Alles  in  allem  ist  es  nicht  etwa  viel,  was  wir  den  Arabern  verdanken.  1 
Ihr  Denken  ist  von  weniger  Tiefe  als  Eigenartigkeit,  und  unsere  moderne 
Kultur  schuldet  ihnen  allein  dafür  Dank,   daß   sie  es  gewesen  sind,   die 
damals  den   Untergang  des  griechischen   Geisteslebens   verhindert  haben. 

Aber  wenn  auch  auf  die  Abendwelt  der  mohammedanische  Einfluß 
nur  schwach  gewesen  ist,  so  ist  er  jedenfalls  für  Afrika  und  Asien  ein 
durchgreifender  gewesen.  Hier  hat  er  sich  für  alle  Zeiten  verewigt  mit  einer 
Zähigkeit,  die  geradezu  ein  Wunder  zu  nennen  ist.  Ungeachtet  zehn 
langer  Jahrhunderte,  die  für  das  Abendland  an  gründlichen  Umgestaltungen 
so  fruchtbar  gewesen  sind,  ist  das  Morgenland  noch  heute  genau  so  ge- 
blieben, wie  es  in  den  fernen  Zeiten  der  Abassiden  war.  Der  Koran  wird 
in  den  Schulen  gelehrt  und  in  den  Moscheen  gelesen,  genau  wie  vor 
tausend  Jahren.  Es  herrscht  noch  immer  derselbe  geistige  Zustand,  dieselbe 
ästhetische  Anschauung,  dieselbe  literarische  Kunst,  derselbe  Handels-  und 
Gewerbebetrieb.  Der  Islam  der  Araber  hat  überall,  wo  er  durchgegangen 
ist,  auf  das  Leben  der  Menschen  ein  dauerndes  und  einförmiges  Gepräge 
gedrückt. 
8* 


1 1 6  Fünftes  Buch. 


Weit  mehr,  er  hat  auch  bis  heute  noch  nicht  aufgehört,  erobernd  zu 
sein.  Gerade  im  AugenbHcke  versucht  er  wieder  einmal,  sich  in  der  ahen 
Welt  weiter  auszudehnen,  und  wenn  er  in  Europa  zurückweicht,  so  gewinnt 
er  überall  wo  anders  neue  Verehrer.  In  der  gegenwärtigen  Stunde,  wo 
die  Religion  Christi  weder  die  chinesischen  oder  indischen  Volksmassen 
noch  die  Neger  in  Afrika  erreicht,  breitet  sich  Mohammeds  Religion 
durch  ihre  erhabene  und  natürliche  Einfachheit  leicht  aus  und  dringt, 
da  sie  nicht  mehr  die  Gewalt  anzurufen  vermag,  auf  dem  Wege  friedlicher 
Eroberung  bis  in  Indien  und  China  ein.  Der  Islam  zählt  heute  über 
zweihundert    Millionen   Anhänger. 

Was  ihn  charakterisiert,  ist  ein  kindlicher  und  demokratischer  Mono- 
theismus, der  fast  jeden  äußeren  Kultes  entbehrt.  Und  was  seine  Moral 
betrifft,  so  unterscheidet  sie  sich  nicht  viel  von  der,  die  Bibel  und 
Evangelium,  aus  denen  er  doch  stammt,  lehren. 

Buddhismus,  Islam  und  Christentum  teilen  sich  heute  in  die  Welt. 
Aber  wer  kann  wissen,  ob  nicht  eine  oder  die  andere  dieser  Religionen,  die 
alle  fast  die  gleichen  sittlichen  Lehren  predigen,  siegen  oder  auch  schwinden 
wird.  Der  Buddhismus  hält  sich  durch  die  Zahl  seiner  Bekenner  und  die 
geistige  Mittelmäßigkeit  seiner  Gläubigen.  Christentum  und  Islam  ander- 
seits sind  zwei  mächtige  miteinander  wetteifernde  Religionen,  die  sich 
nicht  einschüchtern  lassen.  Ein  Moslem  kann  einen  Christen  ebensowenig 
bekehren,  wie  ein  Christ  einen  Moslem.  Auch  heute  noch  erscheinen 
genau  so  wie  schon  einst  zur  Zeit  der  Kreuzzüge  Kultus  und  Dogma  bei 
beiden  gleich  unüberwindlich.  Wer  weiß  jedoch,  was  aus  dem  einen 
wie  dem  andern  angesichts  der  immer  mehr  zunehmenden  Vernunft  und 
Wissenschaft    eines    Tages    werden    wird? 

Der  Sieg  Karl  Martels  bei  Poitiers  verschaffte  seinem  Sohne  Pippin 
dem  Kleinen  die  französische  Königskrone.  Die  merowingischen  Könige, 
die  entarteten  Nachkommen  Chlodwigs,  hatten  die  Christenheit  nicht  gegen 
die  Araber  verteidigen  können;  sie  hatten  den  höchsten  Adel  in  ihre 
nächste  Umgebung  gezogen;  der  aber  ließ  sie  selbst  im  Stich,  als  sie  ihm 
nichts  mehr  zu  bieten  hatten,  und  so  fielen  sie  der  allgemeinen  Verachtung 
anheim.  Da  sperrte  Pippin  den  letzten  Merowinger  in  ein  Kloster  ein 
und  ließ  sich  zum  Könige  von  Frankreich  ausrufen  (752).  Ein  tüchtiger 
Staatsmann  und  tapferer  Soldat,  bereitet  er  den  Ruhm  seines  Sohnes  Karls 
des  Großen  vor,  wie  Philipp  von  Mazedonien  den  seines  Sohnes  Alexander. 

Karl  der  Groi3e  ist  eine  jener  vom  Hauch  der  Romantik  berührten  Persön- 
lichkeiten, um  deren  Besitz  sich  Sage  und  Dichtung  mit  der  Geschichte  strei- 
ten.  In  der  tausendjährigen  Ferne  erscheint  er  uns  gerade  märchenliaft  wie 


Die  Kirche.  r  1 7 

ein  Theseus,  ein  Abraham  oder  ein  Agamemnon.  Die  Heldengesänge,  die 
Schwanke  oind  die  Volksepen  der  alten  französischen,  deutschen  und  spani- 
schen Literatm  führen  ihn  uns  in  den  verschiedensten  Gestalten  vor  Augen, 
einmal  als  einen  Eroberer,  dann  wieder  als  einen  Heiligen  und  abwechselnd 
als  erhabenen  Herrscher,  unbesieglichen  Krieger,  unversöhnlichen  Gerichts- 
herrn,  fürsorglichen  Beschützer  der  Schulen  und  schließlich  am  Ende  seiner 
Tage  als  einen  leichtgläubigen  und  redseligen  Greis  wie  liebevollen  und 
leutseligen  Landesvater. 

Und  so  groß  auch  der  Ruhm  ist,  mit  dem  er  gefeiert  wird,  so  läßt  derselbe 
doch  die  Wirklichkeit  nicht  etwa  hinter  sich  zurück.  Durch  seinen  mit 
Weisheit  gepaarten  Mut,  seine  mit  Kühnheit  gepaarte  Vorsicht  ist  er  wirklich 
eine  von  den  großen  Gestalten  der  neueren  Zeit. 

Ebenso  war  er  auch  in  der  Tat  ein  trefflicher  Krieger  und  ein  großer 
Staatsmann. 

Das  Frankreich,  das  er  als  Erbteil  von  seinem  Vater  Pippin  dem  Kleinen 
bekam,  umfaßte  Aquitanien,  die  Täler  des  Rheins  und  der  Seine.  Aber 
tatsächlich  erstreckte  sich  seine  Macht  lange  nicht  so  weit. 

Auf  allen  Seiten  seines  Reiches  hatte  er  Feinde  und  Nebenbuhler. 
Jenseits  von  Aquitanien  die  Mauren,  Sarazenen  und  Araber,  lauter  Moham- 
medaner, die  die  Niederlage  bei  Poitiers  nicht  etwa  zu  Boden  geworfen 
hatte.  Im  Südosten  die  Langobarden,  die  Herren  Itahens  und  der  Provence, 
die  sich  anheischig  machten,  die  Päpste  ihrer  Herrschaft  zu  unterwerfen. 
Was  die  ebenso  endlose  wie  unbestimmte  Ostgrenze  betrifft,  so  war  sie 
bedroht  und  unsicher.  Die  Sachsen,  die  immer  noch  Heiden  waren,  hatten 
auch  noch  die  heldenmütigen  Kampfessitten  des  alten  Germaniens  bewahrt. 
An  den  Ufern  der  Donau  lagerten  Hunnen,  die  die  Sachsen  noch  an  Wild- 
heit und  Ungestüm  überboten  (Avaren  und  Tschechen).  Im  Norden 
plünderten  Friesen,  Dänen  und  Normannen,  die  mehr  Seeräuber 
als  Soldaten  waren,  von  Zeit  zu  Zeit  die  Küsten  und  drangen  sogar 
am  Ende  von  Karls  des  Großen  Regierung  bis  zur  Mündung  der  Seine  vor. 

Gegen  sie  alle  der  Reihe  nach  führte  Karl  der  Große  seine  siegreichen 
Truppen. 

Gleich  nach  dem  Tode  seines  Bruders  Karlmann,  der  einen  Teil  von 
Pippins  Reich  geerbt  hatte,  trägt  er  kein  Bedenken,  sich  als  alleinigen 
Herrscher  ausrufen  zu  lassen,  ohne  Rücksicht  auf  die  Rechte  zu  nehmen, 
die  die  Söhne  Karlmanns,  seine  Neffen,  vorbrachten.  Er  verstößt  seine 
junge  Frau  Desideria,  die  Tochter  des  Langobardenkönigs  Desiderius,  und 
überzieht  unter  dem  Vorgeben,  den  Papst  gegen  die  Pläne  des  Langobarden- 
königs  verteidigen  zu   müssen,    Italien   mit    Krieg.    Italien   unterwirft   sich 


n 


1  i8  Fünftes  Buch. 


fast  ohne  Kampf,  und  er  zieht  in  Rom  ein.  Er  gesteht  dem  Papst  einige 
Ländereien  für  den  Kirchenstaat  zu  und  wird  zum  Entgelt  dafür  ziun 
Langobardenkönig  ernannt   (774). 

Nachdem  er  so  Herr  über  ganz  Italien  geworden  war,  zog  er  nun 
gegen  die  Sachsen  zu  Felde,  und  das  war  wirklich  ein  schrecklicher  Krieg. 
Die  beiden  Gegner  wetteiferten  an  Ausdauer  und  Grausamkeit.  Dreißig 
Jahre  lang  (770 — 800)  wurde  ganz  Sachsen  von  den  leidenschaftUchsten 
und  blutigsten  Kämpfen  heimgesucht.  Der  letzte  Verteidiger  sächsischer 
Unabhängigkeit,  Widukind,  mußte  sich  schUeßlich  unterwerfen  und  zum 
Christentum  übertreten.  Er  empfing  feierlich  die  Taufe,  und  seinem 
Beispiel  folgte  dann  auch  das  sächsische  Volk.  An  jenem  Tage  verfuhren 
die  Heere  Christi  ganz  wie  die  Heere  Mohammeds;  nur  der  Sieg  hatte 
die  Bekehrung  zur  Folge,  und  die  Sachsen  wurden  nur  Christen,  um  nicht 
niedergemetzelt  oder  in  die  Gefangenschaft  geschleppt  zu  werden. 

Zwischendurch  kämpfte  Karl  der  Große  auch  noch  am  andern  Ende 
des  Reiches  mit  den  Sarazenen.  Im  Jahre  778  drang  er  in  Spanien  ein 
und  nahm  Pampelona.  Nachdem  er  aber  Saragossa  lange  ganz  vergeblich 
belagert  hatte,  blieb  ihm  nichts  übrig,  als  wieder  über  die  Pyrenäen  nach 
Frankreich  zurückzukehren.  Hierbei  wurde  seine  Nachhut  in  dem  Engpaß 
von  Roncesvalles  ganz  unvermutet  von  den  Feinden  überfallen  und  trotz 
heldenmütigen  Widerstandes  bis  auf  den  letzten  Mann  niedergemacht. 
Zu  den  Opfern  gehörte  auch  ein  Graf  namens  Roland.  Diese  Waffentat 
ist  der  Ausgangspunkt  einer  herrlichen  Dichtung  geworden,  die  das  unver- 
gängliche Denkmal  der  französischen  Sprache  in  ihrer  Entstehung  bildet; 
es  ist  dies  das  Rolandslied.  Diese  epische  Dichtung,  deren  Abfassung  ins 
II.  Jahrhundert  fällt,  hat  vom  historischen  Standpunkt  auch  nicht  das  ge- 
ringste Interesse;  denn  was  auch  darin  begegnen  mag,  alles  beruht  auf 
bloßer  Erfindung.  Aber  es  zuckt  darin  die  große  Seele  des  Rittertums. 
Roland  ist  ein  ebenso  großer  Held  wie  Achill,  vielleicht  sogar  ein  noch 
wackererer  Kämpe.  Obwohl  von  Feinden  umgeben,  verschmäht  er  es 
lange  und  er  kann  sich  erst  todeswund  dazu  entschließen,  sein  Hörn  zu 
benutzen,    um    Karl   den    Großen   zur    Hilfe   herbeizublasen. 

Noch  zwei  Jahrhunderte  lang,  bis  zur  Renaissancezeit  hin,  sollte  das 
Rittertum  Rolands  im  Engpaß  von  Roncesvalles,  so  wie  es  von  unbekannten 
Dichtergenien  ausgesponnen  und  ausgescfmiückt  worden  ist,  den  Franzosen 
den  Heldenmut  eines  Leonidas  in  den  Termopylen  eingeben.  Das  Rolands- 
lied ist  Frankreichs  Ilias. 


So   rühmlich  auch   diese    Heerfahrt   war,    sie   endete   beinahe   mit  einer 
Niederlage,   Karl  der  Große  kam  denn  auch  schon  in  den  nächsten  Jahren 


Die  Kirche. 


"9 


wieder  auf  den  Gedanken,  noch  einmal  nach  Spanien  zu  gehen.  Diesmal 
blieb  er  zwar  siegreich,  konnte  aber  gleichwohl  nur  bis  zum  Ebro  vor- 
dringen. Doch  sein  Kampf  mit  den  Moslems  in  Spanien  setzte  etwa  nicht 
einen  gleichzeitigen  Kriegszustand  mit  ihren  Stammes-  und  Glaubensbrüdern 
in  Asien  voraus.  Vielmehr  hat,  wie  es  scheint,  Karl  der  Große  mit  ihrem 
allbeliebten  Kalifen  zu  Bagdad,  Harun  al  Raschid,  einen  Freundschafts- 
bund, ja  sogar  ein  regelrechtes  Völkerbündnis  geschlossen.  Bekannt  ist 
ja,  wie  der  große  Frankenkönig  durch  Abgesandte  des  morgenländischen 
Fürsten  die  kostbarsten   Geschenke  erhielt. 

Ein  letzter  schwerer  und  blutiger  Krieg  sollte  noch  Karl  dem  Großen 
eine  Mehrung  seines  Ruhmes  und  Reiches  bringen.  Es  war  der  Krieg 
mit  den  Avaren  (791 — 796),  einem  hunnischen  Stamme,  der  sich  an  den 
Ufern  der  Donau  (Ungarn)  niedergelassen  hatte.  Sie  wohnten  diesem 
großen  Strome  ganz  nahe  und  hatten  dort  ein  weites  Dorf  aus  Holz  gebaut, 
in  dem  sie  ihre  Beute  aufstapelten.  Wie  die  Sachsen,  Langobarden  und 
Sarazenen,  wurden  nun  auch  die  Avaren  besiegt,  und  so  dehnte  sich  Karls 
des    Großen    Macht   über   das   ganze   christliche   Europa   aus. 

Er  war  damit  der  Erbe  der  weströmischen  Kaiser  geworden,  und  es 
fehlte  ihm  nur  noch  der  Titel.  Und  den  sollte  er  in  Rom  finden.  Am 
25.  Dezember  800  rief  ihn  Papst  Leo  IH^^in  der  Peterskirche  zu  Rom 
zum   Kaiser  aus. 

Dann  kehrte"  er  heim  nach  Aachen,  der  Stadt,  die  er  so  sehr  liebte 
und  deshalb  zur  Hauptstadt  seines  weiten  deutschen  Reiches  machte,  und 
versuchte  in  dieses  unermeßliche  und  undurchdringliche  Gebiet,  über  dem 
er  nun  auch  als  oberster  Lehnsherr  stand,  etwas  Ordnung  und  Frieden  zu 
bringen. 

Er  läßt  die  alten  deutschen  Gesetze  und  Volksrechte  niederschreiben 
und  trifft  auch  selbständig  neue  Anordnungen,  sogenannte  Kapitularien, 
weil  er  sie  in  den  Sammlungen  in  Kapitel  einteilen  läßt,  Anordnungen, 
die  Gesetzeskraft  oder  vielmehr  über  die  verschiedenen  alten  Gesetze  der 
in  seinem  Reiche  so  zerstreuten  Volksstämme  das  Übergewicht  bekommen; 
er  sucht  Stützen  für  seine  Macht  und  ehrt  darum  die  Priester,  Mönche 
und  Päpste ;  er  achtet  die  Sitten  der  unterworfenen  Völker  und  verlangt 
von  ihnen  nur,  sich  der  etwas  unklar  umgrenzten  Amtsgewalt  der  ihnen 
geschickten  Aufseher  (Missi  Dominici)  zu  fügen.  Er  schont  die  ihm 
unterstehenden  Lehnsherren,  die  Grafen  (Comites),  die  alljährüch  zu  den 
Maifeldern  aufgeboten  werden  in  dem  Augenblicke,  wo  gerade  irgendein 
unvermeidlicher  Feldzug  in  Sicht  ist,  er  gibt  ihnen  auf,  sich  mit  ihnen 
mit  allem  ausgestatteten  Lehnsmännern  in  vollen  Waffen  zum  Kriege  zu 


I20  Fünftes  Buch. 


stellen,  wie  es  dereinst  in  grauer  Vorzeit  in  den  Tagen  des  Tacitus  die 
germanischen   Häuptlinge  taten. 

Vor  allem  strebt  er,  die  freien  Männer,  Handwerker  wie  Gewerbe- 
treibende, die  sich  weder  Grafen  noch  Herren  zu  sein  rühmen  können, 
an  Kraft  und  Einfluß  zu  heben  aus  dem  unwillkürlichen  Gefühl  heraus, 
daß    grade    sie    die    festesten    Stützen    der    kaiserlichen    Gewalt    bildeten. 

Karls  des  Großen  Fürsorge  erstreckt  sich  auf  alles.  Dieser  Kriegsmann, 
der  dauernd  im  Felde  liegt,  hat  für  die  Macht  des  Geistes  ein  besseres 
Verständnis  als  noch  irgendeiner  von  den  Barbaren  bisher.  Er  umgibt 
sich  mit  Priestern  und  Mönchen,  die  nicht  so  unwissend  sind  wie 
seine  rohen  Waffengefährten;  er  sucht  Latein  schreiben  und  sprechen  zu 
lernen;  er  richtet  Schulen  ein,  baut  Kirchen,  gründet  Klöster,  in  denen 
die  Künste  in  Ehren  stehen  und  sucht  den  Ackerbau  zu  fördern  imd  den 
Handel  zu  heben.  Auch  um  seine  eigene  Person  herum  in  seinem  Palaste 
zu  Aachen  sucht  er  ein  verfeinertes  Hofleben  einzurichten,  bei  dem  allen 
hervorragenden  Geistesgrößen,  die  er  aus  In-  und  Ausland  zusammen- 
beruft, mit  Hochachtung  begegnet  werden  muß. 

Doch  bei  aller  Tatkraft  und  Weitsichtigkeit  konnte  er  nichts  Dauerndes 
schaffen  oder  auf  die  Entwicklung  der  Völker  gestaltend  einwirken. 
Mohammed  hatte  das  Morgenland  von  Grund  aus  erneuert.  Karl  der 
Große  konnte  die  Geschicke  des  Abendlandes  nicht  wesentlich  ändern. 
Was  er  geschaffen,  war  nur  allzu  vergänglich,  weil  es  ganz  und  gar  von 
seiner    überragenden    Persönlichkeit    abhing. 

So  blieb  in  der  Tat  schon  wenige  Jahre  nach  seinem  Tode  (814),  in 
dem  Vertrage  von  Verdun  (843),  kaum  noch  etwas  anderes  von  ihm  übrig, 
als  die  Erinnerung  an  eine  fast  übermenschliche  Macht  und  ein  reicher 
Kranz  von  Sagen,  die  seine  mächtige  Gestalt  hervorgerufen  hatte.  Anstatt 
sich  zu  einem  einzigen  Volke  zu  vereinen  —  und  daraus  wäre  der  größte 
Segen  für  die  Menschheit  entsprossen!  —  sollten  von  nun  an  Jahrhunderte 
und  Jahrhunderte  hindurch  Frankreich  und  Deutschland  unversöhnliche 
Gegner  werden!  Und  leider  ist  auch  heute  noch  immer  kein  recTites  Ende 
für  diesen  unseligen  Gegensatz  zwischen  den  beiden  Nachbarvölkern  ab- 
zusehen ! 

Der  Vertrag  von  Verdun  bezeichnet  den  Anfang  eines  dem  heutigen 
nur  recht  wenig  entsprechenden  Europas.  Das  Reich  Karls  des  Großen 
wird  unter  seine  drei  Enkelsöhne  verteilt.  Der  älteste,  Lothar,  erhält  das 
größte  Stück,  das  bevölkertste,  das  reichste,  das,  an  dem  der  Kaisertitel 
hängt;  es  ist  die  ganze  Gegend,  die  sich  zwischen  den  beiden  Gebieten 
des    jetzigen    Frankreichs   und    Deutschlands   ausdehnt,    von    den    Nieder- 


Die  Kirche.  I2I 

landen  bis  Italien.  Ein  Teil  dieses  so  weiten  Gebiets  bekam  sogar  den 
Namen  nach  dem,  der  damals  sein  Herrscher  wurde,  nämlich  Lotharingen, 
ein  Name,  der  später  zu  Lothringen  verkürzt  wurde.  Von  den  beiden 
andern  Enkelsöhnen  Karls  des  Großen  erhielt  der  eine,  Ludwig,  Deutsch- 
land, der  andere,  Karl,  Frankreich.  Nach  anfänglichem  Kampfe  miteinander 
versöhnten  sich  Ludwig  und  Karl  und  verbanden  sich  gegen  ihren  gemein- 
samen Feind,  den  älteren  Bruder  Lothar,  und  schlössen  in  Straßburg 
angesichts  der  Truppen  in  feierlicher  Weise  einen  Bundesvertrag;  Ludwig 
von  Deutschland  sprach  seinen  Eid  französisch,  Karl  von  Frankreich  den 
seinen  deutsch.  Die_betreffende  Urkunde  (die  sogenannten  Straßburger 
Eide)    bildet    das   älteste   schriftliche    Zeugnis    der   französischen    Sprache. 

So  waren  seit  dieser  Zeit  Frankreich  und  Deutschland  durch  Völker  ge- 
trennt, die  weder  Franzosen  noch  Deutsche  sein  durften  und  die  zum 
höchsten  Unglück  für  diese  beiden  größeren,  so  bedeutenden  europäischen 
Völkerschaften  zehn  Jahrhunderte  lang  beständige  Anlässe  zum  Kriege 
gebildet  haben. 

Der  blendende  Titel  eines  abendländischen  römischen  Kaisers  ging 
unter  den  Nachkommen  Karls  des  'Großen  von  einem  zum  andern  weiter, 
je  nach  dem  Zufallsspiel  der  Kriege  oder  auch  der  Interessenpolitik  der 
Päpste.  Eine  kurze  Reihe  von  Jahren  vereinte  sogar  ein  einziger  Fürst 
das  ganze  Reich  seines  Ahnen  in  seiner  Hand.  Es  war  der  schwache  Karl 
der  Dicke,  der  Urenkel  Karls  des  Großen  (88 1 — 888).  Später  wurde  die 
Kaiserwürde  immer  nur  einem  deutschen  Herrscher  zuteil. 

Mit  dem  Kaiser titel  war  der  Titel  eines  Königs  von  Italien  verbunden. 
Daher  stammen  die  unaufhörlichen  Züge  der  Deutschen  nach  der  Apen- 
ninenhalbinsel,  die  so  einen  gewissen  Schein  von  Recht  haben,  daher 
jene  Kriege,  jene  Räubereien,  jene  Feindseligkeiten,  die  bis  zum  Ende 
des  19.  Jahrhunderts  dieses  so  schicksalsgeprüfte  Land  verwüsteten. 

So  sollten  sich  durch  das  Auseinanderfallen  des  großen  fränkischen 
Reiches  jahrhundertelange  Kriege  für  Europa  vorbereiten  und  der  Vertrag 
von  Verdun  der  Welt  noch  ganz  unleidliche  Sorgen  machen. 

Verhängnisvoll  waren  für  Europa  die  beiden  Jahrhunderte  gewesen,  die 
Karl  dem  Großen  vorangegangen  waren,  aber  noch  verhängnisvoller  sollten 
die  beiden  folgenden  werden. 

Je  unabhängiger  der  Adel  von  Jahrzehnt  zu  Jahrzehnt  geworden  war, 
um  so  roher  wurde  er  auch.  In  ihren  Graf-  und  Baronschaften  waren  die 
adligen  iHerren  die  Besitzer  des  Grund  und^Bodens,  aber  auch  der  Menschen 
auf  demselben.  Ihre  Leibeigenen  wurden  gleich  richtigen  Sklaven  für  die 
geringsten  Verstöße  gepeitscht  oder  gehenkt,  erbarmungslos  gebrandschatzt 


I  22  Fünftes  Buch. 


und  zu  den  härtesten  Fronen  genötigt.  Gesetzlosigkeit  herrschte  überall 
völlig  willkürlich;  denn  die  Laune,  mit  der  diese  unzahligen  kleinen 
Tyrannen  die  Provinzen  Frankreichs,  Deutschlands  und  Italiens  ganz  nach 
Gutdünken  unter  sich  teilen,  ist  weiter  nichts  als  Gesetzlosigkeit,  Gesetz- 
losigkeit in  ihren  beiden  grausamsten,  scheinbar  so  verschiedenartigen 
Formen,   in  denen  der   Unsicherheit   und   der   Sklaverei. 

Vergebens  suchte  die  Kirche  diesen  Barbarenhäuptlingen  einige  Kultur 
zu  geben  und  etwas  Milde  in  ihre  Sitten  zu  bringen;  sie  fand  keinen 
Gehorsam  und  wurde  zudem  auch  durch  eigene  Verdorbenheit  geschwächt. 
Trotz  aller  päpstlichen  Verordnungen  heirateten  die  Priester  oder  hielten 
sogar  Weiber  in  wilder  Ehe  aus.  Während  Jesus  Verachtung  der  irdischen 
Reichtümer  gepredigt  hatte,  dachten  die  Mönche,  ja  selbst  die  Bischöfe 
an  weiter  nichts,  als  daran,  sich  zu  bereichern  und  ihre  Besitzungen  aus- 
zudehnen, derart,  daß  die  Leute  aus  dem  Volke  sich  abwechselnd  zwischen 
den  adligen  Herren  und  den  Priestern  als  Opfer  ihrer  gleich  großen  und 
miteinander  wetteifernden  Raubsucht  hin-  und  hergeworfen  sahen. 


I  Weitere,  vielleicht  noch  schrecklichere  Plünderer  traten  auf:  die  Nor- 
mannen oder  Nordmannen,  die  aus  Dänemark  und  Skandinavien  kamen. 

\  Mit  Beginn  des  Frühjahrs  rüsteten  sie  immer  eine  kleine  Flotte  von 
festgebauten  Schiffen  aus,  mit  denen  sie  es  auf  die  Küsten  absahen.  Mit 
Waffen  und  Lebensmitteln  gut  versehen,  unerschrockene  und  erprobte  See- 
leute, Soldaten  ohne  Furcht  und  ohne  Bedenken,  segelten  sie  die  Meeres- 
ufer entlang,  bis  sie  die  Mündung  eines  Flusses  gefunden  hatten;  nun  fuhren 
sie  ihn  hinauf,  bemächtigten  sich  einiger  kleinerer  Ortschaften,  deren  Be- 
wohner erschrocken  die  Flucht  ergriffen,  und  plünderten  von  hier  aus 
ringsherum  die  Burgen,  Städte  und  Klöster  und  waren  dabei  ganz  besonders 
bestrebt,  Geiseln  zu  nehmen,  für  die  sie  dann  hohes  Lösegeld  verlangten. 

,  Im  Herbst  kehrten  sie  darauf  wieder  mit  reicher  Beute  beladen  an  den 
heimischen  Herd  zurück,  wo  sie  ihre  Frauen  und  Kinder  wiederfanden. 
Bei  solchen  Plünderungen  begegneten  sie  kaum  irgendeinem  nennenswerten 
Widerstände ;  denn  die  wehrlose  Bevölkerung  wußte  sich  nicht  zu  helfen, 
und  die  feudalen  Herren  waren  mehr  darum  besorgt,  ihre  persönlichen 
Streitigkeiten  untereinander  abzumachen,  als  ihre  Lehnsmänner  ihrer  Pflicht 
gemäß    zu    schützen. 

Je  strafloser  die  Normannen  davonkamen,  um  so  frecher  wurden  sie. 
Sie  erscheinen  zum  erstenmal  im  6.  Jahrhundert  in  der  Nähe  von  Calais. 
Im  Jahre  795  setzen  sie  sich  auf  den  Faröer-Inseln  fest ;  im  Jahre  800  gehen 


Die  Kirche. 


123 


sie  an  den  Küsten  Frieslands  mit  zweihundert  Schiffen  an  Land  und 
plündern  die  ganze  Gegend.  Hierauf  landen  sie  fast  jedes  Jahr  in  Schott- 
land und  Irland.  Im  Jahre  836  nehmen  sie  die  Insel  Walcheren  in  Besitz; 
im  Jahre  840  fahren  sie  in  die  Seine  ein,  plündern  Ronen  und  Jumieges 
und  ziehen  verwüstend  und  sengend  im  Land  umher.  Während  einer 
Küstenfahrt  im  Jahre  844  suchen  sie  die  Loire  heim,  besetzen  Nantes  und 
dringen  bis  Tours  vor.  Kurz  darauf  fahren  sie  auch  die  Gironde  hinauf 
und  plündern  Toulouse.  Jedes  Jahr  werden  die  Fahrten  weiter  und  kühner. 
Sie  dehnen  sich  bis  an  die  Küsten  Spaniens  und  Lusitaniens  aus,  erstrecken 
sich  über  den  Tajo  und  gehen  bis  nach  Cadiz.  Später  durchsegeln  Nor- 
mannen auch  die  Meerenge  von  Gibraltar  und  steuern  in  die  Rhone  hinein 
bis  Valence  hinauf.  Andere  gelangen  bis  nach  Sizilien  und  Italien,  wo  sie 
die  Stadt  Pisa  plündern.  Einige  unter  ihnen  sind  noch  tollkühner,  durch- 1 
kreuzen  das  Atlantische  Meer  und  suchen  Grönland  und  Nordamerika  auf.i 
Diese  Fahrten  verbreiteten  weithin  Schrecken  und  Grauen.  Die  gebrand- 
schatzten Bevölkerungen  baten  ihre  Herren  um  Hilfe.  Die  Klöster  wurden 
mit  Befestigungen  versehen  und  Burgen  mit  Verließen,  Schanzen  und 
Türmen  erbaut.  Die  Dörfer  wurden  so  angelegt,  daß  sie  im  Kreise  um 
einen  Herrensitz  lagen,  der  mit  Zinnen  versehen,  von  einer  Zugbrücke 
geschützt  und  auf  einer  Anhöhe  errichtet  war,  um  sich  gegen  alle  Über- 
rumpelungsversuche verteidigen  zu  können.  Stadt-  wie  Landbewohner 
stellten  sich  unter  das  Banner  ihres  gnädigen  Herrn,  und  die  feudale 
Zwangsherrschaft  wuchs. 

Doch  die  Normannen  wurden  von  Tag  zu  Tag  zahlreicher  und  nach 
ihrer  Jagdbeute  wilder.  Im  Jahre  885  drangen  sie  mit  siebenhundert  Fahr- 
zeugen und  nahezu  vierzigtausend  Mann  bis  Paris  vor.  Die  Stadt  hielt 
einer  zehnmonatlichen  Belagerung  stand,  und  in  dieser  Zeit  geriet  die 
Bevölkerung  der  gesamten  Umgegend  in  die  schlimmste  Bedrängnis.  Pest, 
Hungersnot,  Armut,  alle  diese  ständigen  entsetzlichen  Begleiterinnen  des 
Krieges,  waren  auch  diesmal  herbeigeeilt.  Karl  der  Dicke,  der  König 
von  Frankreich  und  Kaiser  von  Deutschland,  hielt  es  für  leichter  und 
vorsichtiger,  den  Seeräubern  statt  des  Kampfes  lieber  ein  Kaufgeld  anzubieten. 

Aber  diese  dachten  diesmal  gar  nicht  mehr  daran,  das  liebliche  Frank- 
reich, das  sie  immer  wieder  hingelockt  hatte,  zu  verlassen.  Auch  für  die 
kühnsten  Abenteurer  kommt  stets  ein  Augenblick,  wo  sie  sich  nach  Ruhe 
sehnen.  Viele  Normannen  setzten  sich  nun  in  dem  Lande  fest,  das  sie 
bisher  so  verwüstet  hatten,  verlangten  die  Taufe  und  vollzogen  ihre 
Unterwerfung  unter  den  Landesfürsten.  \ 


124  Fünftes  Buch. 


Einer  ihrer  Häuptlinge,  Rollo,  verhandelte  mit  Karl  dem  Einfältigen 
und  erlangte  die  Einräumung  eines  weiten  Gebiets  (911).  Im  folgenden 
Jahre  ließ  er  sich  taufen.  Er  wurde  der  erste  Herzog  der  Normandie.  Die 
Ländereien  dieses  fruchtbaren  Gebiets  wurden  unter  seine  Waffengefährten 
verteilt,  die  damit  Herren  der  Landschaft  wurden.  Bald  nahmen  die  wilden 
Seeräuber  des  Nordens,  die  sich  nun  mit  der  französisch-gallisch-römischen 
Bevölkerung  mischten,  die  Sprache  und  die  Religion  des  von  ihnen  teils 
eroberten,  teils  erkauften  Landes  an.  Nach  Vollendung  zweier  Menschen- 
alter waren  sie  Franzosen  geworden. 

Bis  zur  Schlacht  bei  Hastings  (1066)  begibt  sich  in  Europa  nichts  weiter 
Erwähnenswertes.  In  Spanien  führen  die  Könige  mit  wechselndem  Glücke 
fortgesetzte  Kämpfe  gegen  die  Mauren.  In  Frankreich  folgen  den  Karo- 
lingern die  Kapetinger.  In  Deutschland  ziehen  die  Kaiser  gegen  die  Polen, 
Ungarn  und  Böhmen  zu  Felde.  In  dem  Becken  des  Mittelmeeres  nehmen 
die  Sarazenen  Sizilien  und  Sardinien  ein  und  bedrohen  Italien.  In  Groß- 
britannien entthront  das  dänische  Königshaus  das  sächsische.  Überall  Krieg, 
Seuche,  Hungersnot,  Plünderung  und  Unglück. 


'  Inmitten  dieses  ganzen  Trümmerhaufens  blieb  allein  die  christliche 
Kirche  in  ihrer  ganzen  Gewalt  unerschüttert  und  aufrecht;  denn  der 
Glaube  war  damals  tief,  blind  und  weltbeherrschend.  Niemals  gab  es 
weniger  Ketzereien,  Spaltungen  oder  Ungläubigkeiten.  Der  Zweifel  ist  un- 
bekannt. In  ganz  Europa  erhebt  sich  auch  nicht  eine  Stimme,  um  die  Lehre 
der  Kirche  etwa  irgendwie  zu  erörtern  oder  gar  zu  bestreiten.  Sio  haben 
denn  auch  die  Priester  Waffen,  die,  wenn  auch  geistige,  darum  nicht 
weniger  schreckliche  sind.  Sie  gebrauchen  sie  gegen  adlige  Herren,  Könige 
und  sogar  Kaiser.  Keiner  von  ihnen  wagt  dem  Kitchenbanne  zu  trotzen, 
wurde  doch  in  jenen  Zeiten  geistiger  Trägheit  ein  mit  dem  Bannfluch 
belegler  Mensch  wie  ein  Pestkranker  angesehen.    Im  Jahre  1077  muß  der 

1  deutsche  Kaiser  Heinrich  IV.,  um  dieser  so  schweren  Strafe  zu  entgehen, 
sich  zu  Canossa  vor  dem  Papste  demütigen. 

Weit  häufiger  jedoch  übt  die  Kirche  ihren  Einfluß  zum  Guten  aus.  So 
vermag  sie  bereits  im  Jahre  1050,  um  den  mörderischen  Kriegen,  die  von 
Provinz  zu  Provinz,  von  Grafschaft  zu  Grafschaft  wüteten,  wenigstens  ein 
vorübergehendes  Ende  zu  machen,  den  Gottesfrieden  zu  verkünden,  durch 
den  der  Krieg  für  eine  bestimmte  Zeit  untersagt  ist.  Sie  hat  auch  das 
Asylrecht,  und  die  von  den  geistlichen  Gerichtshöfen  gepflegte  Gerechtig- 
keit isl  weniger  streng  und  weit  unparteiischer  als  die  der  Herren. 


Die  Kirche.  125 

Wenn  im  lo.  und  ii.  Jahrhundert  die  Gewalt  der  Kirche  in  raschem 
Zunehmen  begriffen  ist,  so  ist  es  ihr  Reichtum  'zur  gldchen  Zeit  noch  viel 
mehr.  Die  Güter  der  Kirche  wachsen  von  Jahr  zu,  Jahr,-  und  niemals  gibt 
sie,  was  sie  einmal  erworben  hat,  wieder  heraus. 

Klöster  erstehen  überall  mit  Stiftungen,  die  keine  Rechtsprechung  an- 
zufechten vermag,  mit  Vorrechten,  denen  sich  auch  nicht  einer  von  den 
Feudalherren  zu  widersetzen  wagt.  So  ist  die  Kirche  bald  die  Besitzerin 
alles  Reichtums. 

Von  ihren  begüterten  Abteien  aus  bringen  jedoch  die  Mönche  in  die  all- 
gemeine Unbildung  und  Sittenroheit,  auf  die  sie  in  jener  Zeit  von  allen 
Seiten  stoßen,  noch  einige  Kultur  hinein.  In  diesem  Sinne  ist  die  Tätigkeit 
der  Benediktiner,  der  Franziskaner  und  der  Dominikaner  (1221)  von  reichem 
Segen  begleitet.  Sie  sind  gebildeter,  doch  weniger  verdorben  als  die 
Pfarrer  und  Bischöfe.  Durch  ihren  lebendigen  Zusammenhang  mit  der 
Laienwelt  und  ihre  geringe  Fühlung  mit  Rom  begünstigt,  streben  sie, 
wenn  nicht  für  die  Lehre,  so  doch  wenigstens  für  das  Privatleben  von  der 
priesterlichen  Vormundschaft  unabhängig  zu  werden,  so  sehr,  daß  wieder- 
holt die  Päpste  dazwischentreten  müssen,  um,  wenn  auch  ziemlich  erfolglos, 
gegen   die   schimpflichen   Sitten  der  weltlichen   Geistlichkeit   zu   eifern^ 

Augenscheinlich  litt  die  durch  nichts  ins  Wanken  zu  bringende  Gläubig- 
keit der  niederen  Volksklassen  auch  ebensowenig  unter  diesen  Verfehkmgen. 
Doch  ließ  allmählich  die  Reinheit  der  christlichen  Dogmen  nach;  die  An- 
betung der  Heiligen  und  der  Jungfrau  Maria  nahm  bald  eine  unerwartete 
Entwicklung.  Man  vergaß  Christus  und  besonders  Gott  den  Vater,  um 
nur  noch  die  Mutter  Gottes  und  ihr  ganz  kleines  Kind  anzubeten.  Das 
Leben  der  Heiligen  wurde  erklärt,  umgearbeitet  und  gestaltete  sich  zu  er- 
bauUchen  Fabeln.  Die  Bilder  der  Jungfrau  schmückten  alle  Kirchen.  Die 
Reliquien  wurden  Gegenstände  der  Verehrung  und  des  Handels.  Die 
Götzendienerei,  die  in  der  Tiefe  jedes  menschlichen  Geistes  schlummert, 
hob  wieder  ganz  unverhohlen  ihr  Haupt  empor.  Noch  niemals  gab  es 
zu  irgendeiner  andern  Zeit  eine  so  weitgehende  Unterwerfung  und  Schwä'-^ 
chung  des  Geisteslebens.  Wenn  man  vom  Rolandslied  oder  den  Kunst- 
schöpfungen der  wunderbaren  gotischen  Dome  absieht,  die  ims  noch  heute 
entzücken,  bleibt  der  Geist  des  Menschen  vier  Jahrhunderte  lang  in  einen 
schweren  Schlaf  versunken,  von  dem  kein  Ende  abzusehen  zu  sein  scheint. 
Sittliche  Knechtung  durch  die  Kirche,  wirtschaftliche  Knechtung  durch 
den  Adel,   das  ist  der  doppelte  Charakter  der  Zeit  des  Lehnswesens. 

In   Frankreich  beginnt  diese  Zeit  unmittelbar  nach   Karl  dem  Großen, 
um  mit  Ludwig  XI.  zu  endigen;  in  Spanien,   Italien  und  England  macht 


126  Fünftes  Buch. 


sie  nahezu  dieselben  Wandlungen  durch  wie  in  Frankreich,  und  in  Deutsch- 
land sollte  sie  noch  länger  dauern.  ' 
Wenn  Karl  der  Große  in  seinen  Gesetzgebtings-,  Kriegs-  und  Verwal- 
tungswerken eigentlich  überall  leidlichen  Erfolg  gehabt  hatte,  so  zeigte  er 
doch  in  einer  Sache  vollkommene  Ohnmacht,  nämlich  in  dem  Versuche, 
den  Adel  der  königlichen  Gewalt  unterzuordnen.  Gleich  hinter  ihm  be- 
ginnt die  Lehnsherrschaft.  Solange  er  am  Leben  ist,  senkt  sie  noch  ver- 
schämt ihr  Haupt;  aber  kaum  ist  er  dahingeschwunden,  so  werden  die 
Herren  in  ihren  Herrschaften  mächtiger  als  der  König  selbst.  In  ganz 
Frankreich  und  in  ganz  Deutschland  beginnt  die  Lehnsherrlichkeit  ihr 
wildes  Spiel  entfesselt  zu  treiben.  Der  Riesen-  und  Wunderbau  des  alten 
römischen  Kaiserreichs  stürzt  auf  allen  Seiten  zusammen.  Jeder  kleine 
Herr  will  selbständig  werden  und  nur  den  eignen  Launen  und  Interessen 
zu  gehorchen  brauchen. 


Die  Formen  der  Lehnsherrschaft  (im  9.,  10.  und  11,  Jahrhundert)  sind 
zu  verschiedenartig  und  verwickelt,  als  daß  eine  gemeinsame  Beschreibung 
sich  gleichmäßig  auf  alle  europäischen  Völkerschaften  anwenden  ließe. 

Die  Lehnsherrschaft  ist  vor  allem  die  Trennung  sämtlicher  Menschen  in 
zwei  unterschiedliche  Klassen;  die  einen  sind  die  Herren,  Besitzer,  Ritter, 
Adligen.  Die  andern  sind  die  Leibeignen  oder  Hörigen,  von  ihrem  Herrn 
beinahe  wie  Sklaven  abhängig.  Der  Adel  vererbt  sich  von  Vater  zu  Sohn 
und  die  Hörigkeit  ebenso. 

Unter  den  Herren  besteht  eine  Rangstuf ung.  Es  gibt  große  Herren  und 
kleine  Herren,  die iLehnsmänner  der  ersteren.  Häufig  sogar,  wie  in  Deutsch- 
land, ist  die  Lehnsordnung  noch  verwickelter,  und  es  bestehen  an  fünf  Arten 
von  Herren  unter  mannigfaltigen  Bezeichnungen,  wie  Herzöge,  Grafen, 
Barone,  Ritter.  Der  Adlige  ist  Besitzer  von  Ländereien,  die  ihm  bald 
durch  Erbschaft  zugefallen,  bald  von  dem  Lehnsherren  überlassen  sind. 

Über  seine  Ländereien  ist  der  Adlige  unumschränkter  Gebieter.  Er  zieht 
die  Abgaben  (Steuern) ;  er  läßt  die  Leibeignen  für  sich  arbeiten  (fronen) ; 
er  leitet  einen  Gerichtshof;  er  hebt  Truppen  aus.  Er  ist  ein  richtiger  un- 
umschränkter Herrscher,  der  als  Grenze  für  seine  Gewalt  nur  ein  unbe- 
stimmtes Lehns Verhältnis  gegenüber  noch  mächtigeren  Herren  kennt,  von 
denen  er  wieder  abhängt,  dem  König  in  Frankreich,  Spanien  und  England, 
dem  Kaiser  in  Deutschland. 

Eine  Volkseinheit  gibt  es  nicht.  Ganz  Europa  ist  zwischen  kleinen  Macht- 
habern  zerstückelt,  die  unter  dem  Vorwande,  ihre  Untertanen  zu  schützen. 


Die  Kirche.  127 

sie  in.  harter  Knechtschaft  halten  und  ohne  jede  Kontrolle*  eine  Gewalt 
ausüben,  für  deren  Einschränkung  keine  Behörde  und  kein  Gesetz  zu 
sorgen  da  sind.  , 

In  den  Städten,  die  sich  nun  zu  bilden  beginnen,  sind  die  Handwerker 
und  die  Krämer  der  Leibeigenschaft  nicht  unterworfen.  So  schiebt  sich 
dort  allmählich  eine  Klasse  zwischen  den  Leibeignen  und  den  Adligen  ein; 
es  ist  die  Klasse  der  Städter  und  der  Bürger,  die  sich  etwas  Unabhängig- 
keit zu  wahren  wissen.  In  gewissen  großen  Städten  Deutschlands,  Italiens, 
•Flanderns  kommen  mit  einem  Mal  einige  städtische  Freiheiten  zum  Vor- 
scheine. Diese  Städte  verwalten  sich  selbst;  sie  haben  einen  Senat,  einen 
Bürgermeister,   Schöffen,  Räte,   Richter. 

Aber  selbst  den  Bürgern  gegenüber  haben  die  Adligen  ganz  übertriebene 
Vorrechte,  um  wieviel  mehr  noch  den  Leibeignen!  Diese  sind  völlig  wehr- 
los. Den  einzigen  Schutz,  den  sie  finden,  der  aber  auch  nur  unsicher  und 
teuer  erkauft  ist,  bietet  ihnen  die  Kirche  und  der  König.  Gegen  Ende  des 
zwölften  Jahrhunderts  sollte  ein  Augenblick  kommen,  wo  die  Kirche  und 
der  König  mit  vereinter  gemeinsamer  Anstrengung  sich  auf  die  Bauern  und 
die  Städter  zu  stützen  lernen  sollten,  um  damit  den  Adel  besser  bekämpfen 
zu  können. 

Bei  alledem  sind  die  Adligen  trotz  ihres  Hochmuts,  ihrer  Vorrechte  und 
ihrer  Anmaßungen  von  keinem  andern  Geblüt  als  die  Leibeignen.  Alle  Per- 
sönlichkeiten, die  dem  Lehnsherrn  nähertreten,  können  Ländereien  zu  Lehn 
bekommen,  was  ihnen  erblichen  Adel  verleiht.  Die  Diener  des  Fürsten 
werden  wieder  ihrerseits  Herren.  Und  der  Fürst  selbst  ist  auch  nur  ein 
glücklicher  Krieger,  ein  aus  dem  Volke  hervorgegangener  Mann,  der  sich 
zu  schlagen  und  Ritter  zu  werden  verstanden  hat.  Nach  Verlauf  von  zwei 
bis  drei  Geschlechtern  kommen  sich  Diener  und  Ritter  vor,  als  ob  sie  Men- 
schen von  anderm  Safte  als  die  Leute  aus  dem  Volke  seien,  und  reden  das 
schließlich   noch  dem  Volke   selbst  ein. 

Ihr  wesentliches  Gepräge  bekommt  diese  Zeit  des  Lehnswesens  von  ihrer 
bunten  Verschiedenartigkeit.  Es  gibt  Tausende  von  kleinen  Herrschaften, 
und  jede  dieser  Herrschaften  hat  ihre  besondere  Gesetzgebung,  die  mit 
jedem  neuen  Herrn  wechseln  kann.  Der  heillose  Wirrwarr  aller  dieser  nur 
denkbaren  Gewohnheitsrechte  spricht  jeder  ordnungsmäßigen  Aufzählung 
Hohn;  aber  all  die  unendliche  Mannigfaltigkeit  im  einzelnen  führt  doch 
immer  nur  zu  dem  gleichen  Ergebnis :  der  Vernichtung  der  Schwachen  durch 
die  Starken,  der  Unterdrückung  der  Kleinen  durch  die  Großen,  der  Aus- 
beutung der  Armen  durch  die  Reichen.  ' 


120  Fünftes  Buch. 


Diese  Adligen  und  Ritter  waren  in  ihrem  Maingel  an  geistiger  Bildung 
und  ihrer  noch  ganz  ursprünglichem  Sittenroheit  völlig  wie  große  Kinder, 
tapfer  bis  zur  wahnsinnigsten  Verwegenheit,  mit  Leidenschaft  an  ihren  Vor- 
rechten hängend  und  sich  nur  schwer  in  ein  Gesetz  fügend,  wäre  es  selbst 
das  der  Kirche.  Da  verbreitete  sich  wie  ein  neuer  sittlicher  Lehrsatz  die 
aufopfernde  Hingabe  für  die  Standesehre  in  einer  Weise,  wie  sie  die  Alten 
noch  nicht  oder  wenigstens  nicht  in  dem  Umfange  gekannt  hatten.  Die  Ehre 
ist  die  Entfaltung  der  Würde  der  EinzelpersönUchkeit,  die  Achtung  für  die 
beschworene  Treue:  sie  verlangt,  daß  ein  Edelmann  keines  seiner  Ehren- 
rechte aufgibt  und  daß  er  zu  ihrer  Verteidigung  mit  Einsetzung  des  Lebens 
kämpft  (Ehrenhändel). 

Gleichzeitig  hebt  sich  auch  die  Lage  der  Frau  —  allerdings  noch  nicht 
im  niederen  Volke,  wo  ja  die  Frau,  leibeigen  wie  ihr  Mann,  außerdem 
noch  die  Leibeigne  ihres  eigenen  Mannes  war,  wohl  aber  bei  den  Bürgern 
und  vor  allem  bei  den  Adligen  — .  Die  Trouveres  hüben  an,  die  Reize  der 
Frau  zu  besingen,  die  Ritter  die  Farben  einer  vornehmen  Dame,  ihrer 
Herrin,  anzunehmen,  und  alle  ohne  Unterschied,  Adlige  wie  Hörige,  Geist- 
liche wie   Laien,   blindlings  die  Jungfrau   Maria  anzubeten. 

*  * 

* 

Mitten  in  diesem  Lehnszeitalter  wurde  Großbritannien  von  den  Nor- 
mannen erobert. 

Obwohl  die  britische  Insel  in  den  sie  einschließenden  Meeren  einen  star- 
ken natürlichen  Schutz  fand,  hatte  sie  fast  gleichzeitig  wie  Gallien  die  rö- 
mische Herrschaft  und  Gesittung  kennen  gelernt.  Die  Briten,  die  sie 
bewohnten,  wurden  halbe  Römer,  während  im  Norden  der  großen  Insel 
die  Skoten,  Pikten  und  Kaledonier  (die  heutigen  Schotten)  im  Schutz  ihrer 
Berge  unabhängig  geblieben  waren.  Übrigens  führten,  wie  es  unzivilisierte 
Nachbarstämme  stets  zu  tun  pflegen,  Briten  und  Kaledonier  beständig  fCriege 
miteinander. 

Im  fünften  Jahrhundert  kamen  die  Angeln  und  Sachsen  von  Germanien 
nach  Großbritannien  hinüber.  Trotz  des  bewundernswerten  Heldenmuts 
des  Königs  Artus,  des  sagenhaften  Anführers  der  Briten,  blieben  schließlich 
doch  die  Einwanderer  siegreich.  Sie  vermochten  sogar  ein  angelsächsisches 
Königreich  zu  gründen,  das  zu  großer  Macht  gelangte.  Dann  kamen  auch 
noch  die  Dänen  hinüber,  und  eine  geraume  Zeit  setzte  sich'  in  einve.r  end- 
losen Reihe  von  Schlachten  zwischen  Dänen  und  Angelsachsen  der  Kampf 
um  die  Herrschaft  fort.  Einem  sächsischen  König  Alfred  dem  Großen  (849 
bis  901)  gelang  es  endlich,  den  größten  Teil  der  Insel  unter  seinem  Zepter 


Die  Kirche.  129 

zu  vereinen.  Ebenso  tüchtig  als  Gesetzgeber  wie  als  Krieger,  glückte  es 
ihm,  Ruhe,  Ordnung  und  Ständigkeit  in  sein  Land  zu  bringen.  Unter  deiner 
und  seiner  Nachfolger  Herrschaft  lernte  England  endlich  ein  waiig  Frieden 
und  Wohlstand  kennen. 

Zu  Anfang  des  elften  Jahrhunderts  setzte  wieder  einmal  die  kriegerische 
Auswanderung  ein,  die  die  Völker  offenbar  noch  immer  nach  Süden  oder 
nach  Westen  zu  drängen  scheint,  Unter  der  Führung  des  gefürchteten  See- 
räubers Knut  unternahmen  die  Dänen  eine  siegreiche  Fahrt  nach  England 
und  entthronten  die  sächsischen  Könige.  Aber  die  Macht  der  Dänenkönige 
sollte  nicht  von  langer  Dauer  sein  (1016 — 1042).  Die  Sachsen  wurden  bald 
wieder  die  Herren  des  Landes. 

Der  letzte  König  des  sächsischen  Hauses  war  Harold.  Unter  seiner  Herr- 
schaft erfuhr  England  einen  neuen  Völkersturin.  Ein  großes  Ereignis,  das 
auf  die  Geschicke  der  Welt  einen  segensreichen  Einfluß  ausübte. 

Mit  Berufung  auf  nichtige  Vorwände,  mit  schlechter  Verhehlung  seiner 
Begehrlichkeit  unter  dem  Scheine  berechtigter  Eigentumszurückforderung 
und  mit  dem  Vorgeben,  die  Verteidigung  der  katholischen  Kirche  in  die 
Hand  nehmen  zu  wollen,  griff  Herzog  Wilhelm  von  der  Normandie  England 
an  und  eroberte  es. 

Welches  auch  die  Folgen  dieses  siegreichen  Angriffs  gewesen  sein  mögen, 
die  Eroberung  Englands  war,  wie  die  meisten  Eroberungen,  in  Wirklichkeit 
nur  ein  riesiger  und  einträglicher  Plünderungszug.  Aber  dieser  Plün- 
derungszug wurde  mit  solchem  Heldenmute  geführt  und  von  einer  so 
fähigen  Staatskunst  befruchtet,  daß  er  die  Billigung  und  die  Bewunderung 
aller  Geschichtsschreiber  gefunden  hat. 

Am  27.  September  1066  brach  Wilhelm  von  Saint- Valery  an  der  Somme 
mit  einem  Heere  von  60000  Mann,  Franzosen,  Flamländern  und  besonders 
Normannen  auf.  Einige  Tage  später  (14.  Oktober)  begegnete  er  bei  Hastings 
den  sächsischen  Streitkräften  unter  der  Führung  von  Harold.  Die  Schlacht 
war  lang  und  blutig.  Harold  fiel  zugleich  mit  den  meisten  seiner  Soldaten. 
Da  zog  Wilhelm,  ohne  noch  irgendwelchen  weiteren  Widerstand  zu  findsn, 
in  London  ein  und  ließ  sich  in  der  Westminster-Abtei  zum  König  krönen 
(25.  Dezember  1066). 

In  den  ersten  Jahren  seiner  Regierung  mußte  er  zunächst  eine  Reihe  von 
Aufständen  niederwerfen,  die  so  ernst  wie  richtige  Kriege  waren.  Aber  er 
ging  aus  allen  als  Sieger  hervor.  Als  gleichzeitiger  Herrscher  der  Nor- 
mandie wie  Englands  zog  er  abwechselnd  von  einem  Lande  zum  andern,  trotz 
seines  dicken  Schmerbauchs  unermüdlich  und  jeden  Augenblick  bereit,  sich 
zu  schlagen;  hierbei  brannte  er  Städte  und  Dörfer  nieder,  schlachtete  die 
ü  Riebet,  Geschichte  der  Menschheit. 


130  Fünftes  Buch. 


Aufständischen  erbarmungslos  hin,  schloß  und  löste  seine  Bündnisse  nach 
den  Erfordernissen  der  Stunde,  fügte  sich  der  Geistlichkeit  scheinbar  stets 
willig,  während  er  ihr  ein  anderes  Mal  wieder  Gesetze  diktierte,  und  erregte 
so  gleichzeitig  Schrecken  und  Bewunderung. 

In  den  neu  eroberten  Ländern  richtete  er  einen  Lehnsstaat  ein,  der  sich 
den  bisher  von  ihm  ausschließlich  gekannten  und  so  erfolgreich  durch- 
geführten Plünderungen  in  einer  Weise  anpaßte,  wie  es  nur  ein  so  alter 
Praktikus  wie  er  fertig  bringen  konnte.  Die  angelsächsischen  Herren 
ersetzte  er  nämlich  durch  die  normannischen,  von  denen  er  aber  nun  zum 
Entgelt  einen  Treu-  und  Lehnseid  forderte.  Sie  wurden  für  einen  Kriegs- 
fall verpflichtet,  eine  je  nach  der  Ausdehnung  ihres  Gebiets  mehr  oder 
weniger  große  Zahl  von  Mannschaften  zu  stellen.  Alle  normannischen 
Krieger,  die  an  dem  Heereszuge  teilgenommen  hatten,  wurden  also  zwar 
belohnt,  aber  gleichzeitig  zu  Untergebenen  des  Eroberers. 

Trotz  einer  aufrichtigen  Frömmigkeit  und  Gottergebenheit  hatte  Wilhelm 
eine  viel  zu  hohe  Vorstellung  von  seiner  königlichen  Gewalt,  um  sich  der 
Kirche  gegenüber  ohne  weiteres  zu  beugen.  Er  behielt  sich  die  Wahl  der 
Bischöfe  vor  und  ersetzte  die  angelsächsischen  Priester  durch  französische. 
Er  schränkte  die  Gerichtsgewalt  der  Kirche  ein  und  beanspruchte  ein  Auf- 
sichtsrecht über  die  vom  Papste  gesandten  Bullen. 

Es  war  das  um  dieselbe  Zeit,  wo  sich  in  Italien  Kaiser  Heinrich  IV.  von 
Deutschland  vor  dem  Papste  zu  Canossa  demütigte.  Barfüßig  und  nur  mit 
einem  wollenen  Büßerhemde  bekleidet  wartete  er  drei  Tage  lang  in  den 
Laufgräben  und  vor  den  Toren  der  dortigen  Burg,  bis  Gregor  VII.  geruhte, 
ihm  Absolution  zu  gewähren. 

Als  Wilhelm  der  Eroberer  starb,  war  er  der  mächtigste  Fürst  ganz 
Europas  und  verfügte  über  ein  kriegserprobtes  Heer,  blühende  Staats- 
finanzen, den  zauberischen  Ruf  eines  gefeierten  Siegeshelden  und  die  wirk- 
liche Macht  eines  unumschränkten  Herrschers  über  den  größten  Teil  von 
England  und  ein  Drittel  von  Frankreich. 

Die  normannischen  Sieger  nahmen  nun  die  Sprache  und  die  Sitten  der  von 
ihnen  besiegten  Angelsachsen  an.  In  zwei  Menschenaltem  war  diö  Ver- 
schmelzung vollendet.  Gleichwohl  blieb  die  Wirkung  dieses  Eindringens 
des  Normannentums  in  das  ursprüngliche  Germanentum  auf  das  ganze  staat- 
liche und  gesellschaftliche  Leben  Englands  eine  tiefe  und  nachhaltige. 

So  hat  das  englische  Volk,  gerade  wie  alle  übrigen  europäischen  Völker, 
seine  endgültige  Gestalt  erst  durch  wiederholte  Völkerwanderungen  und 
Eroberungszüge  gewonnen.  Eingeborenen  unbekannten  Ursprungs  haben 
sich  zunächst  die  Kelten,  die  wahrscheinlich  aus  Deutschland  eingewandert 


Die  Kirche.  131 

sind,  später  die  Sachsen,  die  ebenfalls  aus  Deutschland  kamen,  die  Dänen, 
die  aus  Skandinavien,  und  die  Normannen,  die  aus  Frankreich  kamen,  nach- 
einander beigemischt.  Diese  Mischung  aller  der  genannten  Stämme  hat 
nun  das  so  edle  englische  Volk  hervorgebracht,  das  trotz  seiner  starken 
nationalen  Einheit  auch  nicht  die  geringste  ethnische  Einheit  besitzt.  Und 
es  ist  auch  nicht  mit  irgendeiner  der  vielen  europäischen  Völkerschaften 
anders!  Unsere  Ursprünge  sind  überall  die  gleichen!  Das  gleiche  Blut 
fließt  in  unser  aller  Adern!  Wir  sind  alle  durch  eine  so  enge  Verwandt- 
schaft verbunden,  daß  die  sämtlichen,  ausschließlich  durch  die  eigennützig- 
sten Interessenkämpfe  der  Fürsten,  entfesselten  Kriege  ohne  Ausnahme  in 
Wahrheit  eigentlich  niemals  etwas  anderes  waren  als  das,  was  wir  sonst 
Bürgerkriege  nennen. 

Selten  hinterlassen  die  Gründer  von  großen  Reichen  Erben,  die  ihr  Werk 
fortzuführen  oder  auch  nur  zu  erhalten  verstehen.  Die  Nachkommen  Wil- 
helms, die  höchst  mittelmäßig  und  gewalthaberisch  waren,  dachten  immer 
nur  an  Krieg,  und  zwar  an  den  Krieg  mit  ihren  verhaßten  Nebenbuhlern, 
den  Königen  von  Frankreich.  So  sollte  von  mm  an  zum  schweren  Unheil 
der  beiden  edlen  Völker  die  Geschichte  Englands  mit  der  Frankreichs  durch 
ebenso  unerbittliche  wie 'unfruchtbare  blutige  Fehden  auf  lange  Zölt  ver- 
bunden bleiben. 


Die  letzten  Jahre  des  elften  Jahrhunderts  waren  durch  ein  Ereignis  von 
weltgeschichtlicher  Bedeutung  gekennzeichnet:  die  Kreuzzüge. 

Dieselben  dehnten  sich  über  das  ganze  zwölfte  Jahrhundert  aus. 

Papst  Gregor  VII.  (1073 — 1085)  hatte  nach  langer  Zeit  wieder  zum  aller- 
ersten Male  den  schwachen  Versuch  gewagt,  die  Sitten  der  Priester  von 
Grund  aus  umzugestalten  und  die  Unterwerfung  der  Fürsten  zui  fordern. 
Sein  Traum  war,  der  höchste  Führer  zu  werden,  alle  Gewissen  zu  be- 
herrschen und  alle  Willensregungen  zu  lenken.  Er  dachte  darüber  nach, 
wie  er,  auf  die  Gläubigkeit  der  christlichen  Völkerschaften  gestützt,  die  An- 
maßungen der  Könige,  der  hohen  Herren  oder  auch  s'einer  eigenen  Bischöfe 
zurückweisen  könnte.  Aber  in  seinem  Ringen  um  die  Macht  mit  dem  deut- 
schen Kaiser  mußte  sich  Gregor  schließlich  besiegt  erklären. 

Seine  Nachfolger  waren  schon  glücklicher.  Dank  den  Kreuzzügen  wurden 
die  Päpste  im  zwölften  Jahrhundert  zu  den  höchsten  Schiedsrichtern  der 
katholischen  Welt. 

Auf  der  Kirchenversammlung  zu  Clermont  (1095)  stellte  sich  Papst  Ur- 
ban  II.  entschlossen  an  die  Spitze  einer  großen  Volksbewegung,  die  Völker, 
9* 


132  Fünftes  Buch. 


Könige  und  Kaiser  fortriß.  „Ist  es  nicht  für  die  Kinder  Christi  beschämend, 
daß  sein  Grab  in  den  Händen  der  Ungläubigen  ist?  Wollen  es  die  Christen 
Europas  ruhig  mitansehen,  wie  die  Barbaren  ihre  Brüder  in  Syrien  und 
Palästina  um  ihres  Glaubens  willen  martern?  Der  Krieg  zur  Befreiung  des 
Heiligen  Grabes  ist  ein  heiliger  Krieg,  und  wer  in  denselben  ziehen  wird, 
wird  Vergebung  aller  seiner  Sünden  finden.  Heftet  ein  Kreuz  auf  eure 
Kleider  zum  Zeichen  eures  Glaubens  und  machet  euch  zum  Heiligen  Lande 
auf.   Gott  will  esl" 

Es  war  ein  gewaltiger  Begeisterungssturm,  der  die  Bevölkerungskreise 
überall,  in  Flandern,  Deutschland  und  Frankreich,  damals  fortriß.  Ein 
Mönch  von  Amiens,  Peter  der  Einsiedler,  predigte  den  Kreuzzug,  von  Ort 
zu  Ort  wandernd  (und  seine  beklagenswerten  Zuhörer  mit  sich  lockend.  Unter 
seiner  Führung  zogen  die  Pilger,  an  Zahl  nahezu  zweihunderttausend,  durch 
ganz  Deutschland,  Ungarn  und  Bulgarien.  Da  man  leben  mußte,  plün- 
derten diese  eigenartigen  Wanderkrieger,  ihren  Zug  mdt  Verwüstung  und 
Vernichtung  bezeichnend.  Aber  auch  sie  wurden  auf  ihrem  Weg  übel 
mitgenommen.  So  war  ihre  Zahl  schon  beträchtlich  zusammengeschmolzen, 
als  sie  in  Konstantinopel  anlangten  (30.  Juli).  Die  Griechen  erleichterten 
ihnen  die  Überfahrt  über  den  Bosporus,  aber  sobald  sie  ans  andere  Ufer 
hinübergekommen  waren,  metzelten  die  Türken  sie  nieder. 

Das  war  der  klägliche  Ausgang  dieses  Kreuzzuges  der  kleinen  Leute. 
Der  nachfolgende  Nachzug  der  Ritter  war  schon  ernster. 

Die  Mannschaft  des  Heeres  war  zwar  heldenmütig,  kühn  und  begeistert, 
aber  jeder  soldatischen  Zucht  abhold.  So  kamen  sie  auf  vier  verschiedenen 
Wegen  in  Konstantinopel  an  (1096).  Dann  zogen  sie  nach  Kleinasien  weiter 
und  erfochten  durch  das  glänzende  Feldherrngeschick  des  normannischen 
Ritters  Bohemund,  den  sie  zum  Führer  gewählt  hatten,  einen  bedeutenden 
und  entscheidenden  Sieg  in  der  Schlacht  bei  Doryläum. 

Es  bedurfte  einer  Zeit  von  zwei  Jahren,  um  bis  nach  Jerusalem  zu 
gelangen,  sich  vorher  der  Städte  Nicäa  und  Antiochia  zu  bemächtigen 
und  die  türkischen  Heere  zu  zerstreuen,  die  sich  nach  jeder  Niederlage 
neu  bildeten  und  noch  verstärkt  zurückkehrten.  Die  Krankheiten,  die 
Schlachten,  besonders  aber  andauernde  Streitigkeiten  untereinander  hielten 
die  Kreuzfahrer  in  ihrem  Vormarsche  auf,  und  sie  wären  auch  sicher  xmter- 
legen,  wenn  nicht  auch  im  Sarazenenheere  beständige  Meinungsverschie- 
denheiten die  Führer  entzweit  hätten.  Am  15.  Juli  1099  drangen  endlich 
die  Christen  in  Jerusalem  ein,  wo  sie  ihren  Sieg  durch  ein  grausiges  Ge- 
metzel und  Blutbad  schändeten.   Schon  zu  Titus'  Zeiten  war  dort  das  Blut 


Die  Kirche.  133 

in  Strömen  geflossen.  Ein  düsteres  Verhängnis  scheint  über  dieser  Un- 
glücksstadt schon  von  alters  her  geschwebt  zu  haben. 

Gottfried  von  Bouillon  wurde  nun  zum  König  von  Jerusalem  aus- 
gerufen, Bohemund  zum  Fürsten  von  Antiochia.  Auch  noch  manchem 
andern  von  den  adligen  Herren  fielen  Städte  und  Ländereien  zu.  Syrien 
und  Palästina  wurden  geradezu  französisches  Gebiet.  Auch  in  unsern  Tagen 
ist  auf  Grund  einer  Überlieferung,  die  sogar  lange  Jahrhimderte  der  Gleich- 
gültigkeit noch  immer  nicht  haben  verwischen  können,  der  französische 
Einfluß  der  maßgebende  in  Syrien  und  Palästina  geblieben. 

Doch  der  Einrichtung  des  französischen  Lehnsstaats  an  den  morgen- 
ländischen Gestaden  des  Mittelmeers  war  keine  allzulange  Lebensdauer  be- 
schieden. Viele  Kreuzfahrer  waren  in  Kummer  und  Not  dahingestorben, 
und  die  meisten  von  denen,  die  mit  dem  Leben  davongekommen  waren, 
waren  in  die  Heimat  zurückgekehrt. 

So  waren  die,  die  zurückblieben,  wenn  auch  mutig  und  tüchtig,  so  doch 
an  Zahl  nicht  gar  zu  stark.  Europa  schickte  ihnen  nicht  mehr  Lebens- 
mittel noch  Geld,  und  so  war  ihr  Los  ein  klägliches.  Als  nun  auch  noch  gar 
im  Jahre  11 46  die  Türken  immer  bedrohlicher  wurden,  entschied  man  sich 
für  einen  neuen  Kreuzzug.  Er  endete  für  die  nur  schlecht  ausgerüsteten 
und  schlecht  befehligten  christlichen  Heere  mit  einem  vollständigen  Miß- 
erfolge, so  daß  schließlich  Jerusalem  von  den  Türken  wieder  eingenommen 
wurde  (1187). 

Papst  Innocenz  IIL  suchte  nun  die  Christenheit  für  einen  abermaligen 
Heereszug  zu  gewinnen.  Sein  Einfluß  war  ein  so  gewaltiger,  daß  er  die 
drei  größten  Herrscher  Europas:  König  Richard  von  England,  König 
Philipp  August  von  Frankreich  und  den  deutschen  Kaiser  Friedrich  Bar- 
barossa zu  bestimmen  vermochte,  nach  dem  Heiligen  Lande  zu  ziehen. 

Dieser  dritte  Kreuzzug  mißlang  ebenso  wie  der  vorhergehende.  Kaiser 
Friedrich,  der  durch  seine  Tapferkeit  die  Herzen  aller  Kreuzfahrer  ge- 
wonnen hatte,  fand  gleich  zu  Anfang  des  Elrieges  das  Ende  seines  taten- 
reichen Lebens.  Philipp  August  machte  sich  im  Grunde  seines  Herzens 
recht  wenig  aus  den  asiatischen  Angelegenheiten,  und  so  beeilte  er  sich,  um 
sich  wieder  möglichst  bald  den  Regierungsgeschäften  des  eignen  Landes  zu- 
wenden zu  können,  sowie  er  es  nur  mit  .einigem  Anstand  konnte,  nach 
Frankreich  heimzukehren.  Richard  Löwenherz  aber,  ein  ebenso  grausamer 
wie  heldenmütiger,  höchst  abenteuerlicher  ritterlicher  König,  wurde  nach 
mancherlei  Wundertaten  von  Tapferkeit  .schließlich  doch  so  völlig  besiegt, 
daß  er  den  Sultan  Saladin  um  Frieden  bitten  und  Jerusalem  ein  für  allemal 
aufgeben  mußte.   So  blieb- Saladin  Herr  von  Ägypten,  Syrien,  Palästina  und 


134  Fünftes  Buch. 


Kleinasien.  Er  war  nach  seinem  Siege  weit  hochherziger,  als  es  jemals  die 
Christen  gewesen  waren,  und  führte  seine  Herrschaft  ohne  jede  Grau- 
samkeit. 

Bisher  hatten  alle  Kreuzzüge  in  christlicher  Gläubigkeit  und  Abenteuer- 
lust ihre  Triebfeder  gehabt.  Der  vierte  Kreuzzug  wurde  von  weniger  rühm- 
lichen Gefühlen  eingegeben. 

Die  Stadt  Venedig  hing  nur  noch  dem  Namen  nach  vom  oströmischen 
Reiche  ab,  doch  durch  die  Schwäche  der  Kaiser  behielt  sie  in  Wahrheit 
volle  politische  Selbständigkeit.  Allmählich  schüttelte  sie  das  Joch  ganz  ab 
und  gab  sich  eine  republikanische  Verfassung.  In  dieser  Zeit  sammelte  sie 
auch  durch  ihren  Handel  bedeutende  Reichtümer  und  erweiterte  ihr  Gebiet. 

Im  Jahre  1201  erbot  sich  der  hochbetagte  Doge  von  Venedig,  Dandolo, 
die  Kreuzfahrer  nach  Ägypten  zu  schaffen  unter  der  Bedingung,  daß  ihm 
ein  Teil  der  Beute  abgetreten  würde.  Die  Kreuzfahrer  nahmen  das  Aner- 
bieten an.  Da  bestimmte  der  Doge  mit  einemmial  die  Christen,  anstatt 
gegen  die  Moslems  vorzugehen,  doch  lieber  gegen  die  Seeräuber  lUyriens  zu 
Felde  zu  ziehen.  Hierauf  wandten  sich  die  Kreuzfahrer  nun  geradeswegs 
gegen  das  oströmische  Reich.  So  wurde  Konstantinopel,  eine  christliche 
Stadt,  im  Sturme  von  Soldaten  genommen,  die  selbst  im  Namen  Christi 
kämpften  (1204).  Das  griechische  Kaisertum,  d.  h.  das  griechisch-katho- 
lische, wurde  durch  ein  lateinisches,  d.  h.  römisch-katholisches,  ersetzt.  Die 
Venetianer  aber  wurden  die  Herren  der  Jonischen  Inseln  und  fast  aller 
Inseln  des  Ägäischen  Meeres. 

Das  lateinische  Kaisertum  währte  nur  ein  halbes  Jahrhundert;  dpch 
Venedig  blieb  von  nun  an  auf  lange  hin  die  Beherrscherin  des  Adriatischen 
Meeres. 

So  gleicht  der  vierte  ICreuzzug  in  nichts  dem  ersten.  Er  wird  nicht 
mehr,  wie  dieser,  durch  die  gläubige  Begeisterung  einer  unwissenden  christ- 
lichen Masse,  sondern  nur  noch  durch  den  schlauen  Ehrgeiz  einer  Minder- 
heit vermögender  Großkaufleute  geführt. 

Überall  wächst  in  der  damaligen  Zeit  der  Eigennutz  und  sinkt  der 
Glaube.  Weder  die  Massen  noch  die  Ritter,  noch  selbst  die  Päpste  kümmern 
sich  viel  um  das  Heilige  Grab.  Aufrichtig  und  fromm  interessiert  sich  nur 
noch  einer  für  die  Grabstätte  Christi,  und  das  ist  König  Ludwig  IX.  von 
Frankreich. 

Ludwig  IX.  (der  Heilige  Ludwig)  war  weder  ein  besonders  begabter 
Feldherr  noch  ein  besonders  hervorragender  Staatsmann,  aber  seine  hagere, 
durchgeistigte  Erscheinung,  aus  der  so  viel  Sanftmut,  Ruhe  und  Friede 
sprach,  sticht  erfreulich  ab  von  der  der  meisten  Könige  und  Herren  jener 


Die  Kirche.  136 

Tage  mit  ihrem  so  boshaften,  hartherzigen  und  habsüchtigen  Aussehen. 
LeutseUg,  unerschrocken  und  treu,  liebte  er  die  Gerechtigkeit  über  alles 
und  hielt  sein  einmal  verpfändetes  Wort  selbst  den  Ungläubigen.  Er  verab- 
scheute den  Krieg,  und  in  jenen  kampfdurchtobten  Zeiten  fand  er  sich 
höchstens  bereit,  die  Waffen  gegen  die  Anhänger  des  Islam,  also  die  Feinde 
Christi,  zu  ergreifen.  Fromm  bis  zu  einer  überschäumenden  Inbnmst,  ließ 
er  sich  gleichwohl  nicht  in  der  Führung  der  Regierungsgeschäfte  von  Papst 
und  Priestern  bevormunden.  Vielleicht  wäre  es  klüger  von  ihm  gewesen, 
ruhig  in  Frankreich  zu  bleiben,  um  hier  die  Ausübung  seines  königlichen 
Berufes  fortzusetzen,  aber  seine  Frömmigkeit  duldete  das  für  die  Länge 
der  Zeit  nicht,  sondern  wurde  allmählich  Herr  über  ihn,  und  so  unternahm 
er  einen  Kreuzzug  (1248 — 1252),  der  elend  scheiterte.  Einige  Jahre  später 
wandte  er  sich  noch  einmal  den  heiligen  Stätten  zu.  Aber  er  wurde  wider 
seinen  Willen  durch  eine  längere  Verzögerung  in  Tunis  zurückgehalten  und 
wurde  hier  von  der  Pest  dahingerafft.  Dies  war  der  letzte  Kreuzzug  (1270). 

So  blieb  Jerusalem  in  den  Händen  der  Türken,  ebenso  Ägypten,  Syrien 
und  die  ganze  afrikanische  Küste.  Die  große  Anstrengung  der  Christenheit 
hatte  schließlich  nur  dazu  gedient,  die  Macht  des  Islam  zu  kräftigen.  Kein 
politisches  Ergebnis,  kein  sittlicher  Vorteil  war  aufzuweisen.  Die  Kriege  im 
allgemeinen,  aber  ganz  besonders  die  Religionskriege,  sind  nun  einmal  keine 
Förderungsmittel  für  die  Zivilisation!  Was  die  Christen  aus  dem  Morgen- 
lande nach  Hause  gebracht  haben,  ist,  soviel  man  auch  dagegen  einwenden 
mag,  im  Grunde  recht  wenig,  was  sie  abea*  dem  Morgenlande  gegeben 
haben,  noch  viel  weniger,  waren  sie  doch  noch  zu  jener  Zeit  in  einem 
roheren  gesellschaftlichen  Zustande  als  die  Araber;  die  arabische  Walt 
ist  freilich  auch  nach  den  Kreuzzügen  völlig  auf  dem  Standpunkte  stehen 
geblieben,  auf  dem  wir  sie  schon  vorher  hatten  stehen  sehen.  Ein  paar 
Jahre  friedlichen  Verkehrs  hätten  hier  sicher  mehr  gewirkt  als  ein  Jahr- 
hundert von  Schlachten  und  Gemetzeln. 

Man  kann  nicht  einmal  behaupten,  daß  die  europäischen  Völker  dadurch, 
daß  sie  Schulter  an  Schulter  unter  derselben  Fahne  kämpften,  sich  gegen- 
seitig verstehen  und  lieben  gelernt  hätten,  sollten  doch  noch  so  viele 
folgende  Zeitalter  eine  ununterbrochene  Reihe  von  Kriegen  und  Feind- 
seligkeiten zwischen  Franzosen,  Engländern,  Italienern  und  Deutschen 
erleben ! 

Und  doch,  welch  wunderbares  Schauspiel  dieser  erste  Kreuzzug,  in  dem 
eine  aufrichtige,  heldenmütige  Masse,  die  sich  aus  allen  Völkern  und  allen 
Ständen  zusammensetzte,  von  einer  uneigennützigen  und  edlen  Idee  ent- 
flammt und  von  einer  glühenden  Leidenschaft  getrieben  hinauszieht,  ohne 


136  Fünftes  Buch. 


daß  sie  dazu  etwa  irgendein  Herrscher  anzuspornen  oder  zu  leiten  brauchte  I 
In  der  Geschichte  der  Menschheit  findet  sich  nichts,  was  diesem  allge- 
nieinen  Ausbruche  gläubiger  Begeisterung  auch  nur  einigermaßen  an  die 
Seite  zu  stellen  wäre. 


Im  12.  und  13.  Jahrhundert  ist  die  Kirche  noch  immer  allgewaltig;  aber 

schon  zu  dieser  Zeit  beginnt  ihre  Macht  so  langsam  herunterzugehen,  treten 

doch  ganz  imvermutet  und  plötzlich  völlig  unvorhergesehene^  Hemmungen  in 

die  Erscheinung. 

.       Es  entstand  nämlich  damals  zu  Salerno    in  Italien  die  erste  Universität, 

j  d.  h.   eine  Hochschule,  in  der  sämtliche  Wissenschaften  der  Zeit  gelehrt 

1  wurden  (1096);  eine  zweite  folgte  zu  Bologna  (1158).  .Die  Universität  Paris 

1  stammt  aus  dem  Jahre  1200.    Bald  wurde  sie  unter  allen  die  berühmteste 

'    und  besuchteste.    Von  allen  Seiten  Europas  strömten  die  Schüler  herbei, 

ungestüm,   streit-  und  händelsüchtig,  begeistert  und  eifersüchtig  auf  ihre 

Vorrechte.     Es   wurde   viel   Theologie,    etwas    Recht    und   etwas   Medizin 

gelrieben. 

Sicher  blieben    diese  Universitäten,  an  denen  Kleriker  und  Laien    ihre 
Vorlesungen  hielten,  strenggläubig  im  Sinne  der  Kirche  und  ihrem  Geiste 
treu ;  doch  setzt  dieser  Unterrichtsbetrieb  schon  die  wissenschaftliche  Unter- 
suchung voraus,  derart,  daß  von   nun   an  die  katholischen  Dogmen  auszu- 
legen, also    zu  erörtern  waren.    Die  Theologie,  die  Jurisprudenz  und  ganz 
besonders  auch  die  Medizin  dieser  Universitäten,  schlössen  sich  zu  jener 
Zeit    eng  und  geheimnisvoll    in    ziemlich    willkürlichen    und    wunderlichen 
^  I  Formeln  in  einer  Weise  ab,  über  die  wir  heute  lächeln  würden.   Und  doch 
'  handelte   es    sich   auch   schon   damals    um    den   nämlichen    menschlichen 
1 1   Geist,   der   sich  zu  befreien  suchte ! 

Auch  machten  sich  gleichfalls  bereits  ganz  von  ferne  einige  Ketzereien 
bemerklich:  in  Italien,  besonders  auch  im  Süden  Frankreichs  die 
der  Albigenser  und  im  Gebiete  von  Lyon  die  der  Waldenser.  Sie  traten 
nur  schüchtern  hervor  und  wagten  sich  kaum  zu  zeigen.  Doch  plötzlich 
kamen  sie  zum  offenen  Ausbruch  und  erhoben  sich  in  einer  für  die  katho- 
lische Einheit  bedrohlichen  Weise.  Nachdem  es  die  Kirche  mit  Überredung 
imd  dann  auch  mit  Bann  vergeblich  versucht  hatte,  mußte  sie  zur  Gewalt 
schreiten  und  die  Könige  zu  einem  Kreuzzuge  gegen  diese  armen  franzö- 
sischen Bauern  bestimmen,  die  sicher  leichter  zu  besiegen  waren  als  die 
sarazenischen  Heere  (1299).  Die  Unterdrückimg  war  blutig.  Die  Ketzerei 
wurde  nun  allerdings  mit  Stumpf  und  Stiel  ausgerottet,  aber  es  war  doch 


Die  Kirche.  137 

schon  viel,  daß  sie  überhaupt  hatte  entstehen  und  sogar  vorübergehend  eine 
bedenkliche  Macht  gewinnen  können. 

Die  Feudalmacht  des  Adels  wurde  damals  von  den  Herrschern  Frank- 
reichs, Englands  und  Deutschlands  hart  mitgenommen.  Besonders  heftig 
wurde  sie  von  den  Königen  von  Frankreich  bekämpft.  Den  ersten  Kape- 
tingern,  Ludwig  VI.  und  Ludwig  VIL,  wollte  es  noch  nicht  recht  gelingen, 
die  Besitzungen  oder  auch  nur  den  Einfluß  der  Könige  von  Frankreich 
auf  ihre  Kosten  auszudehnen,  aber  Philipp  August  (1180 — 1223)  hatte 
schon   mehr    Glück. 

Dieser  König  erbaute  in  seiner  Hauptstadt  Paris  den  Louvre,  der  an- 
fangs "ein  befestigtes  Schloß  gewesen  war,  zwei  Jahrhunderte  später  ein 
Palast  wurde  und  heute  ein  Museum  ist,  ein  wahrer  Mittelpunkt  für  die 
Kultur  Frankreichs  und  vielleicht  auch  für  die  der  Welt.  Er  kämpfte  mit 
den  Normannen,  den  Engländern,  den  Deutschen  sowie  mit  dem  Papste. 
Er  nahm  das  Anjou,  das  Poitou,  die  Normandie  und  trat,  als  sich  Johann 
ohne  Land,  der  König  von  England,  gegen  Frankreich  mit  dem  deutschen 
Kaiser  Otto  IV.  verbunden  hatte,  den  vereinten  deutsch-englischen  Heeren 
entgegen  und  brachte  ihnen  eine  vernichtende  Niederlage  bei  Bouvines 
bei  (12 14). 

Dieser   Sieg    hatte    entscheidende  Folgen.     Durch   ihn   wurde    Philipp 
August    mit  einem    Schlage  der,  mächtigste  Herrscher  Europas,    aber    er 
bewirkte   noch   ganz    etwas   anderes.     Er   rief   in    England    eine   schwere 
Empörung    gegen  Johann,  den    unfähigen  König    dieses    Landes,    hervor. 
Zu  Windsor    versammelt,    verweigerten     die     englischen    Barone     ihrem 
Herrscher  den  Gehorsam,  wenn   er  nicht  gewisse  Bürgschaften   bewilligte. 
Es  war  die  Magna  Charta,  die  dem  durch    seinen  Adel    vertretenen    eng- 
lischen Volke  Freiheiten  gab,  die  denen  an  die  Seite  zu  stellen  sind,  die  in 
alten  Tagen  die  Plebejer  zu  Rom  nach  langen,  schweren!  Kä"mpfen  dem   <^a^^ 
Senate  abgerimgen  hatten.    Der  König  versprach,  jede  Steuer  erst  seinen  \    '' 
Vasallen    zur  Bewilligung  vorzulegen    und  die    freien  Angehörigen    seines 
Königreichs    ausschließlich  nach    festen  und  bestimmten   Rechtssätzen    zu    j 
richten.    So  wurden  die  Untertanen  eines  Königs  zu  "Bürgern  eines  Volkes.    | 

Vergebens  suchten  Johann  und  seine  Nachfolger  diese  bedeutungsvolle 
Urkunde  anzufechten.  Die  englischen  Lords  hielten  ihre  Ansprüche  aufrecht. 
Nicht  nur  darf  der  König  ohne  die  Zustimmung  der  Lords  keine  Steuern 
erheben,  sondern  er  ist  auch  gehalten  und  verpflichtet,  sie  jährlich  wenig- 
stens einmal  zu  berufen,  um  ihre  Ausstellungen  entgegenzunehmen.  Diese 
Vereinigung  bildet  den  Ausgangspunkt  für  das  spätere   Parlament. 


138  Fünftes  Buch. 


Ein  bescheidener  Anfang  für  eine  große  Sache  1  Di«  Tatsache  der 
freien  Ermächtigung  zur  Annahme  oder  Verweigerung  von  Steuern  ist  die 
Grundlage  des  parlamentarischen  Systems.  Es  ist  jenes  ursprüngliche 
Recht,  durch  welches  jeder  einzelne  einen  Anteil  an  der  höchsten  Staats- 
gewalt hat,  insofern,  als  en  seiner  Stimme  durch  den  Abgeordneten,  den  er 
ins  Parlament  entsendet,  Gehör  verschaffen  kann.  Die  politische  Gesamt- 
entwicklung der  modernen  Völker  hängt  von  dieser  englischen  Einrichtung 
ab:  der  Großen  Urkunde  von  Johann  ohne  Land  (121 5). 

Es  gab  sTunächst  nur  eine  einzige  Versammlung,  die  Kammer  der  Lords, 
das  Oberhaus.  Aber  schon  einige  Jahre  später  erlangten  die  Grundbesitzer 
und  die  Bürger  das  Recht,  ebenfalls  Abgeordnete  zii  entsenden.  Es  war 
das  die  Kammer  der  Gemeinen,  das  Unterhaus  (1254).  So  hatte  seit  dem 
13.  Jahrhundert  in  England  das  parlamentarische  System  eine  feste  Grund- 
lage gewonnen.  Den  andern  Völkern  Europas  sollten  noch  sechs  Jahr- 
hunderte langen  und  erbitterten  Kämpfes  bevorstehen,  ehe  sie  dasselbe  er- 
rangen. 

Wie  im  12.  und  13.  Jahrhundert  die  Geschichte  Englands  und  Frank- 
reichs eng  zusammengeht,  so  auch  in  derselben  Zeit  die  Deutschlands 
und  Italiens. 

Auch  einer  der  deutschen  Kaiser,  Otto  I.,  war  so  eine  Art  Eroberer 
(936 — 973).  Er  schlug  die  Ungarn  zurück  imd  ließ  sich  in  Rom  vom  Papste 
ziun    Kaiser   des    Heiligen    Römisch-Deutächen    Reiches    salben. 

Italien  war  in  diesem  Reich  inbegriffen.  So  hat  denn  auch  bis  zum 
Ende  des  neunzehnten  Jahrhunderts  der  Besitz  Italiens  noch  immer  in  den. 
Köpfen  der  Nachfolger  Karls  des  Großen  herumgespukt.  Ob  es  sich  um 
die  einstigen  Hohenstaufen  oder  um  die  heutigen  Habsburger  handelt,  sie 
werden  stets  das  Gebiet  von  Mailand,  die  Lombardei  und  die  Toskana 
für  sich  beanspruchen.  Es  macht  ihnen  wenig,  daß  die  Italiener  eine  andere 
Sprache  sprechen  und  daß  ihre  Sitten  und  ihre  Abstammung  andere  sind, 
j'Alle  deutschen  Kaiser  sollten  von  nun  an  die  Eroberung  Italiens  zur  Grund- 
lage ihrer  Politik  machen  zum  Unglück  für  beide,  Deutschland  sowohl  wie 
Italien. 

Einer  der  mächtigsten  deutsch-römischen  Kaiser  war  Friedrich  Bar- 
barossa (11 52 — 1190),  eine  Jialb  sagenhafte  Gestalt,  wie  alle  Persönlichkeiten, 
die  es  bis  zu  einer  bestimmten  Höhe  von  Berühmtheit  gebracht  haben. 
Friedrich  suchte  es  in  Deutschland  wie  Philipp  August  in  Frankreich  zu 
machen,  d.  h.  die  Lehnsfürsten,  die  damals  zur  Verteidigung  ihrer  Unab- 
hängigkeit auch  hier  zu  den  blutigsten  Fehden  mit  dem  Kaiser  schritten, 
endgültig  unter  seine  Oberherrlichkeit  zu  bringen. 


Die  Kirche.  13g 

Ein  tragisches  Geschick  wollte  es,  daß  gerade  er  bei  seiner  großen 
Frömmigkeit  mit  dem  Papst  Krieg  führen  mußte.  Doch  gingen  die  Päpste 
mit  Bannbullen  vor,  so  blieb  dem  Kaiser  schließlich  nichts  weiter  übrig,  als 
an  der  Spitze  einer  bewaffneten  Macht  zu  erscheinen. 

Aber  der  gewaltigste  unter  allen  deutschen  Kaisern  war  Barbarossas 
Enkel  Friedrich  II.  (121 5 — 1250).  Schon  mit  einem  Alter  von  drei  Jahren 
war  er  König  der  beiden  Sizilien.  Seine  Erziehung  hatte  Papst  Innocenz  III. 
geleitet,  dem  es  nach  der  Niederlage  Kaiser  Ottos  bei  Bouvines  (12 14)  durch 
List  gelang,  die  Absetzung  des  geschlagenen  Fürsten  durchzusetzen«  um 
statt  dessen  schon  im  folgenden  Jahre  seinen  Zögling  in  einem  Alter  von 
erst  zweiundzwanzig  Jahren  zum  Kaiser  krönen  zu  lassen. 

Friedrich  nahm  seinen  Aufenthalt  besonders  zu  Palermo  in  Sizilien, 
wo  das  dortige  arabische  Kulturleben  dem  sonstigen  abendländischen  an 
Zivilisation  weit  voraus  war.  Er  hielt  einen  Harem.  Er  neigte  zu  keinem 
bestimmten  Religionsbekenntnis,  doch  hatte  er  für  die  Moslems  eine  be- 
sondere Vorliebe.  Er  zog  an  seinen  Hof  Rechtsgelehrte,  die  die  Verwaltung 
lediglich  nach  weltlichen  Gesichtspunkten  auf  Grund  des  römischen  Rechtes 
führen  mußten,  und  Dichter  (Trobadors  und  Minnesänger). 

Im  gleichzeitigen  Besitze  von  Unteritalien  und  Deutschland  mußte  er 
seine  Hauptgegner  in  dem  Papste  und  den  Städten  der  Lombardei  sehen. 
Der  Kampf  gegen  die  Päpste  war  äußerst  heftig.  Dreimal  wurde  Friedrich 
in  den  Bann  getan,  doch  im  Gegensatz  zu  allem  jemals  bisher  Erlebten 
gleichwohl  nicht  von  seinen  Untertanen  im  Stiche  gelassen.  Beim  Tode 
Gregors  IX.  ließ  Friedrich  die  Kardinäle,  die  zum  Konklave  zusammen- 
treten sollten,  gerade  als  sie  Rom  auf  dem  Wasserwege  erreichen  wollten, 
auf  hoher  See  gefangen  nehmen  und  zwang  nunmehr  die  Kirche,  ziemlich 
zwei  Jahre  (21  Monate)  ohne  Papst  zu  bleiben.  Ein  weiterer  Papst,  Inno- 
cenz VI.,  mußte  nach  Genua  flüchten  (1245). 

Aber  Friedrich  wurde  von  den  lombardischen  Städten  besiegt,  die  einem 
deutschen  Fürsten  nicht  gehorchen  und  die  ihnen  auferlegten  schweren 
Steuern  nicht  bezahlen  wollten.  Der  Kampf  dauerte  Friedrichs  ganze  Re- 
gierung hindurch,  an  deren  Ende  er  so  ziemlich  sein  gesamtes  kaiserliches 
Ansehen  in  Deutschland  verloren  hatte.  Der  Sohn,  den  er  hinterließ, 
herrschte  nur  vier  Jahre  und  hinterließ  als  Nachfolger  hinwiederum  ein 
zweijähriges  Kind.  Dieser  Mangel  an  Thronerben  sollte  dem  Deutschen 
Reich  die  blutigsten  Bewerbungskämpfe  um  die  Kaiserwürde  zwischen 
den  mit  den  Päpsten  verbündeten  verschiedensten  ausländischen  Macht- 
habern  bringen,  was  für  dasselbe  den  Anfang  zur  Anarchie  bedeutete. 


l4o  Fünftes  Buch. 


Trotz  alledem  war  Friedrich  einer  der  bedeutendsten  und  eigenartigsten 
Fürsten  des  Mittelalters.  In  seinen  Anschauungen  gleicht  er  modernen 
Herrschern  weit  mehr  als  solchen  seiner  Zeit.  Niemals  wa'r  Deutschland 
ruhiger  als  unter  ihm,  niemals  Italien  reicher. 

Aber  es  war  auch  zu  derselben  Zeit,  wo  in  dem  letztgenannten  dieser 
beiden  Länder  wenigstens  in  den  Städten  überall  zwei  feindliche  Parteien 
entstanden:  die  Weifen  als  des  Papstes  und  die  Ghibellinen  als  des  Kaisers 
Anhänger.  : 

Die  Herrschaft  der  Deutschen  über  Italien  dehnte  sich  bis  über  Sizilien 
aus.  Kaiser  Friedrich  II.  war  so  eine  Zeitlang  der  alleinige  H.err  eines 
ganz  riesenhaften  Reiches,  das  das  gesamte  Deutschland,  das  gesamte 
Italien  und  auch  einen  Teil  der  Provence  umfaßte. 

Doch  diese  Oberherrengewalt,  die  mehr  zum  Schein  als  in  Wirklichkeit 
vorhanden  war,  sollte  nicht  lange  währen.  Dem  stets  in  Aufruhr  befind- 
lichen Adel  in  Deutschlaind,  den  um  ihre  kommunalen  Freiheiten  wenig  be- 
sorgten italienischen  Städten  wie  den  ihrer  weltlichen  Güter  enthobenen 
Päpsten  gelang  es  nach  Friedrichs  II.  Tode,  alles  ihnen  jemals  vom  Kaiser 
Entrissene  wiederzugewinnen  und  das  Reich  dermaßen  aus  den  Fugen  zu 
bringen,  daß  hier  die  feudale  Anarchie  stärker  erschien  als  zu  irgendeiner 
Zeit  bisher. 

In  Frankreich  war  es  im  Gegensatz  hierzu  den  Königen  gelungen, 
ihre  Gewalt  immer  mehr  zu  befestigen,  ob  nun  Philipp  August  (1180 
bis  1220)  oder  Ludwig  IX.  (1226 — 1270)  regierte.  War  dieser  ein  edel- 
denkender  und  gottesfürchtiger  Fürst  gewesen,  der  sich  durch  solche 
zwei  Tugenden  für  immer  den  Beinamen  „der  Heilige"  erworben  hatte, 
so  erwies  sich  hinwiederum  einer  seiner  Nachfolger,  nämlich.  Phir 
lipp  IV.  der  Schöne,  als  höchst  staatskluger  Herrscher  (1285 — 1314). 
Er  verstand  es,  den  königlichen  Kronbesitz  um  ein  beträchtliches 
zu  erweitern  (die  Champagne  und  das  Lyonnais),  bei  seinen  Unter- 
tanen die  militärische  Dienstpflicht  einzuführen  und  bei  seinem  im- 
ersättlichen  Bedürfnis  nach  Geld  so  geschickt  die  Rolle  eines  Falsch- 
münzers zu  spielen,  daß  er  immer  wieder  unbemerkt  mehr  oder  weniger 
falsche  Münzen  auf  den  Markt  werfen  konnte,  sowie  die  verschiedensten 
Steuern  im  voraus  zu  erheben  und  schließlich  noch  zu  demselben  Zweck 
eine  gerichtliche  Verurteilung  der  Tempelherren  herbeizuführen  wußte. 
Diese  Ritter,  halb  Priester,  halb  Soldaten,  waren  die  ersten  gewesen,  die  den 
Versuch  machten,  ein  internationales  Banksystem  zu  begründen.  Seit  der 
Zeit  der  Kreuzzüge,  »besonders  auch  gerade  während  ihres  Verlaufs, 
hatten    sie  auf  diese  Weise  wohl  oder  übel  unermeßliche  Reichtümer  er- 


Die  Kirche.  I^l 

worben,  die  der  König  unter  Aufbietung  seiner  gesamten  Lust  an  sich  zu 
bringen  suchte.  Die  Unglücklichen  wurden  wegen  Ketzerei  und  be- 
trügerischer Machenschaften  mit  öffentlichen  Geldern  in  Anklagezustand 
versetzt  und  zum  Feuertode  verurteilt. 

Obwohl  Enkel  des  Heiligen  Ludwig,  ließ  sich  Philipp  der  Schöne  durch 
keinerlei  sittliche  Bedenken  in  seinen  höchst  zweifelhaften  Plänen  beirren. 
Als  er  mit  dem  Banne  belegt  worden  war,  bestellte  er  eine  Bande 
Strolche,  die  sich  des  höchsten  Priesters  in  rohester  Weise  bemächtigten. 
Der  arme  hochbetagte  Greis  (88  Jahre  alt)  starb  einen  Monat  nachher 
(1303),  wie  es  hieß,  an  den  Folgen  des  Schreckens  imd  der  Erregung, 
die  ihm  dieser  Vorfall  gebracht  hatte.  Durch  seine  Ränke  brachte  es 
Philipp  dann  auch  zuwege,  daß  nun  ein  Franzose  als  Nachfolger  von 
Bonifacius  VIII.  und  Benedikt  XI.  zum  Papst  ernannt  wurde,  dem  er 
Avignon  als  Wohnsitz  anwies,  wo  er  ihn  besser  in  Abhängigkeit  von  sich 
halten  konnte.  Diese  Verlegung  des  päpstlichen  Sitzes  bildete  ein  Ereignis 
von  einschneidendster  Bedeutung.  War  die  gesellschaftliche  Stellung  des 
höchsten  Priesters  durch  dasselbe  ganz  bedenklich  gesunken,  so  war  es 
die  sittliche  natürlich  noch  viel  mehr! 

Mit  seinem  Tode  hinterließ  Philipp  der  Schöne  eines  der  blühendsten  / 
Reiche.    Er  war  es,  der  die   Grundlage  zu  der  späteren  starken  Einheit/ 
Frankreichs  gelegt  hatte.  ' 

Niemals  war  auch  je  zuvor  der  französische  Einfluß  in  der  Welt  so 
mächtig  gewesen :  in  Konstantinopel  ein  lateinischer  Kaiserthron,  in  Syrien 
fränkische  Lehnsherrschaften,  aber  auch  in  Sizilien,  Italien,  England 
trugen  Franken  die  Fürstenkrone.  Ja,  auch  in  Böhmen  kam  das  königliche 
Zepter  in  die  Hand  eines  französischen  Herrn  (1306). 

Es  war  das  auch  die  Zeit,  wo  die  französische  Sprache  zum  erstenmal 
ein  gewisses  einheitliches  Gepräge  bekam.  Der  Romanz  de  Renart  und 
die  Denkwürdigkeiten  des  Geschichtschreibers  Joinville  bilden  schon,  wenn 
auch  noch  aus  der  Ferne,  die  leisen  Vorboten  der  gegenwärtigen  Sprache.  ''^~*'  ^ 
Aber  gleichwohl  steckte  Europa  —  wie  natürlich  auch  Frankreich  — 
noch  immer  tief  in  der  Barbarei.  Weder  Wissenschaft,  noch  Malerei, 
noch  Dichtkunst  I 

Damals  jedoch  war  es,  wo  Baukünstler,  deren  Namen  so  gut  wie  völlig 
in  Vergessenheit  versunken  sind,  jenen  herrlichen  Wunderbau  ersannen, 
den  wir  als  gotischen  Dom  bezeichnen :  das  Werk  vieler,  nicht  eines 
einzelnen,  das  ein  schon  ererbter  gläubiger  Sinn  einer  Unzahl  von  Arbeitern 
zu  Christi  Ruhm  errichtete,  ohne  darum  irgendwelchen  für  die  eigne 
Person  erstreben  zu  wollen.    Der  gotische   Stil  hat  in  Frankreich  seine 


//n 


l42  Fünftes  Buch. 


Entstehung    gefunden    (Saint-Denis    1143)   und   sich    von   dort    über   ganz 
Europa   verbreitet.    Zu   Chartres,   Paris,    Bourges,   Amiens,    Reims,   West- 
minster,   Köln,   Mailand  war  es  eine  wirkliche  Pracht,   jene  großartigen, 
kühnen    und    gewaltigen    Riesen    einen    nach    dem    andern    wie    aus    der 
Erde  emporwachsen  zu  sehen!    So  wurde  der  kalte  romanische  Kirchen- 
baustil von  dem  soviel  erhebenderen  gotischen  abgelöst.    Bei  allem  noch 
so    wunderlichen    Formenreichtum    an    Blattornamenten,    bei    allem    noch 
[  so   üppig   wuchernden   phantastischen    Schmuckwerk  gewähren   uns   diese 
I  Denkmäler  gotischer  Baukunst  doch  jenes  entzückende  Gefühl  der  Wonne 
\  und  des  Wohlgefallens,  das  sonst  nur  die  erhabensten  Kunstschöpfungen 
griechischer  Tempel  in  uns  hervorzurufen  vermögen. 

So  erwachte  die  Menschheit  ganz  allmählich  aus  ihrem  tiefen  Schlafe. 
In  derselben  Zeit  nahm  auch  das  Elend  ein  wenig  ab.  Ein  bescheidenes  Maß 
von  Wohlstand  trat  an  die  Stelle  dauernder  Not;  das  Land  bevölkerte  sich 
wieder;  man  merkte  bei  den  Bürgern  schon  etwas  reicheren  Aufwand, 
bei  den  Bauern  schon  etwas  gemütlichere  Behaglichkeit.  Die  Dörfer  ent- 
wickelten sich,  die  Städte  erschlossen  sich  wieder  dem  Handel  und  Wandel, 
und  durch  die  Sicherheit  und  den  Frieden  erstarkte  auch  die  Geistes- 
bildung. Es  war  wie  eine  erste  Renaissance. 
I  Und  siehe  da  —  plötzlich  kommt  ein  langer,  ruchloser  Krieg  dazwischen, 
um  diese  ganze  noch  so  junge  Zivilisation  zu  vernichten  und  das  Herannahen 
der  Neuzeit  zu  verzögern,  aus  seinem  Schauplatze  Frankreich  aber  ein 
Trümmerfeld  zu  machen  1 

Die  Verantwortung  für  dies  unselige  Wagstück,  das  volle  hundert  Jahre 
dauert,  fällt  ganz  allein  auf  England  oder  vielmehr  auf  seine  Könige  zurück. 
Sie  maßten  sich  in  der  Tat  an,  die  Franzosen  mit  Gewalt  unter  ihre 
Herrschaft  zu  bringen,  wie  es  doch  auch  umgekehrt  ihrem  französischen 
Ahnen  Wilhelm  dem  Eroberer  mit  den  Angelsachsen  gelungen  war. 
Die  Engländer  sind  in  diesem  Kriege  bei  allen  ihren  Zusammenstößen 
mit  dem  Feinde  fast  ausnahmslos  Sieger  geblieben.  Die  Tapferkeit  war 
auf  beiden  Seiten  gleich  groß,  gleich  groß  auch  die  Zahl  ihrer  Kämpfer. 
Aber  der  wesentlichste  Bestandteil  der  französischen  Truppen  war  die 
Reiterei.  Obwohl  bis  zur  Tollkühnheit  heldenmütig  und  entsprechend  ein- 
gebildet, kannten  doch  diese  Reiter  von  der  eigentlichen  Kriegskunst  auch 
nicht  das  geringste.  Worauf  sie  sich  ausschUeßlich  verstanden,  war 
ihre  Lanze,  mit  der  sie  nach  allen  Regeln  der  Turniere  und  allen  Vor- 
schriften des  Rittertums  schwere  Stöße  zu  versetzen 'wußten.  Die  Engländer 
hingegen  führten  von  Beginn  des  Krieges  an  ihre  Schützen  ins  Treffen; 
es   waren   dies   äußerst   geschickte   und   kräftige   Kämpfer,    die   mit  ihren 


Die  Kirche.  1^3 

Bogen  gar  weithin  trafen  und  mit  ihren  Pfeilen  auch  aus  der  Entfernung 
die    Panzerhemden    der    französischen    Ritter    durchbohrten. 

So  wurde  gleich  die  erste  Schlacht   verloren   (Cr^cy   1346). 

Im  Anschluß  an  diesen  großen  Sieg  bemächtigte  sich  der  englische 
König  Eduard  III.  der  französischen  Stadt  Calais  (1347),  um  sie  alsbald 
dem  eignen  Reich  einzuverleiben.  Calais  mußte  zwei  Jahrhunderte  lang 
englisch  bleiben  (bis  zum  Jahre  1558). 

Nach  einem  kurzen  Waffenstillstände  begann  der  Krieg  von  neuem. 
In  England  war  auf  Eduard  III.  wieder  Eduard  IV.  gefolgt,  in  Frankreich 
auf  Philipp  VI.  Johann  der  Gute,  und  es  kann  für  zwei  junge  Könige  gar 
kein    angenehmeres    Vergnügen    geben    als    Krieg! 

Aus  denselben  Gründen  wie  bei  Cr^cy  fiel  auch  diesmal  wieder  der  Sieg 
den  Engländern  zu  (Poitiers  1356).  Der  französische  König  Johann  der 
Gute  wurde  gefangen  genommen. 

Die  verhängnisvollen  Zeiten  des  zehnten  Jahrhunderts  waren  wieder- 
gekommen. Banden  von  bewaffneten  Kriegern,  Söldner  ohne  alle  Treu  und 
Glauben  verwüsteten  die  Lande,  alle  gleich  schändlich,  ob  Freund  oder 
Feind,  ob  Engländer  oder  Franzose.  Aus  den  dem  Könige  von  Frankreich 
damals  noch  gehörigen  Landschaften  mußte  um  jeden  Preis  Geld  heraus- 
gepreßt werden,  damit  für  die  als  Gefangene  zurückgehaltenen  Ritter 
und  den  König  selbst  das  verlangte  Lösegeld  bezahlt  werden  konnte. 
Furchtbare  Seuchen,  die  getreuen  Freundinnen  des  Krieges,  kündeten  sich 
überall  an.  Der  Papst  zu  Avignon  hatte  nur  noch  eine  Schattenmacht,  und 
der  gefangen  gehaltene  König  wurde  von  seinem  Sohne,  dem  Dauphin 
Karl,  vertreten,  einem  zwanzigjährigen  jungen  Prinzen  ohne  jeden  Nimbus 
und  jedes  Ansehen.  Und  trotz  aller  dieser  Mißgeschicke  dachten  die  adUgen 
Ritter,  die  sich  aus  den  Gemetzeln  von  Cröcy  und  Poitiers  gerettet  hatten, 
noch  immer  an  nichts  anderes,  als  an  ihre  privaten  Händel  und  Streitig- 
keiten. 

Unmittelbar  vor  der  Schlacht  bei  Poitiers  hatten  die  nach  Paris  zusammen- 
berufenen Generalstände  dem  Könige  Beihilfe  bewilligt.  Aber  nach  der 
blutigen  Niederlage  des  französischen  Heeres  wollten  sie  nicht  darauf  ver- 
zichten, dem  Dauphin  ihre  Bedingungen  zu  diktieren.  Dieser  aber  weigerte 
sich  nachzugeben.  An  der  Spitze  der  Unzufriedenen  stand  der  Vorsteher 
der  Pariser  Kaufmannschaft,  Etienne  Marcel.  Dieser  hatte  hohe  und  edle 
politische  Gedanken,  mit  denen  er  seiner  Zeit  weit  voraus  war.  Aber  seine 
schlimmsten  Feinde  waren  seine  eignen  Anhänger,  die  ihn  zu  Unvorsichtig- 
keiten trieben  und  ihn  durch  alle  möglichen  verbrecherischen  Handlungen 
bloßstellten.  Während  die  meuterischen  Bauern  von  der  Partei  des  Jacques 


l44  Fünftes  Buch. 


Bonhomme,  die  sogenannten  Jacques,  sich  auf  dem  flachen  Lande  der 
grausamsten  Selbsthilfe  schrankenlos  hingaben,  lernte  Paris  die  Greuel  des 
Bürgerkrieges  kennen;  hierbei  kam  es  einmal  zwischen  Etienne  Marcels 
Freunden  und  Feinden  zum  Handgemenge,  in  dessen  Verlauf  Etienne 
Marcel  einem  hinterlistigen  Mordanschlage  zum  Opfer  fiel  (1358).  Und 
von  nun  an  kam  die  bitterste  Not  über  das  gesamte  arme  französische  Volk. 

Nach  seiner  Thronbesteigung  jedoch  gelang  es  dem  bisherigen  Dauphin 
und  nunmehrigen  König  KarlV.  (1364 — 1380),  endlich  seinem  Reiche  einen 
kurzen  Frieden  zu  verschaffen  dank  der  verdienstlichen  Tätigkeit  eines 
Duguesclin,  des  heldenmütigen  Feldherrn  aus  der  Bretagne,  sowie  auch 
des  gesamten  französischen  Volkes,  das  unter  dem  Drucke  des  Auslandes 
die  unbestimmte  Empfindung  von  dem  Erwachen  jenes  Gefühls  in  sich 
spürte,  das  nun  schon  seit  dem  Ende  der  römischen  Republik  nicht 
mehr  in  der  Welt  zu  finden  war.  Es  war  dies  das  Nationalgefühl,  d.  h. 
das  Bewußtsein  der  Zugehörigkeit  zum  gesamten  Volke. 

Die  Regierung  Karls  V.  bedeutete  für  die  Franzosen  eine  vorüber- 
gehende Unterbrechung  seiner  Drangsale.  Dessen  Sohn  Karl  VI.  (1380  bis 
1422)  verfiel  in  Wahnsinn,  und  nun  mischte  der  Bürgerkrieg  seine  unheil- 
verkündende Stimme  in  die  des  äußeren  Krieges. 

Der  englische  König  Heinrich  VI.  hatte  sich  nun  auch  zum  König  von 
Frankreich  ausrufen  lassen.  Paris  mit  seinem  Residenzschlosse,  seiner 
Festung,  seiner  Universität  und  ihrem  damals  schon  die  Welt  erfüllenden 
Ruhme,  dieses  Paris  sollte  jetzt  den  Ausländer  in  seinen  Mauern  dulden  und 
sich  als  Herrscher  gefallen  lassen.  Die  unglaubliche  Niederlage  bei 
Azincourt  (141 5)  lieferte  dem  Feinde  alles  Land  nördlich  der  Loire  aus. 
Karls  VI.  Erbe,  Karl  VII.,  war  nur  noch  König  zu  Bourges. 

In  diesem  Augenblicke  trat  Johanna   von  Are   hervor. 

Das  so  fromme,  keusche  und  kühne  Lothringermädchen  aus  den  ein- 
fachsten Ständen  bildete  sich  in  ihrem  unerschütterlichen  Glauben  an  Gott 
ein,  es  sei  ihr  der  Erzengel  Michael  erschienen,  um  ihr  zu  befehlen,  die  Eng- 
länder aus  dem  Lande  zu  jagen  und  den  französischen  König  Karl  nach 
Reims  zu  führen  und  dort  krönen  zu  lassen.  Mit  einem  Häuflein  Reisiger, 
die  ihr  gelang,  von  ihrer  fast  übernatürlichen  Macht  zu  überzeugen,  brach 
sie  nach  Chinon  auf,  wo  sich  gerade  der  König  aufhielt,  und  meldete  ihm  ihre 
göttliche  Sendung.  Nicht  ohne  Mühe  erwirkte  sie  sich  ein  kleines  Heer  mit 
der  Ermächtigung,  den  Engländern,  die  die  Stadt  Orleans  belagerten, 
in  den  Rücken  zu  fallen.  Es  gelang  ihr,  dort  einzudringen.  Sogleich  faßten 
die  Belagerten  wieder  Mut  und  verdrängten  die  Engländer.  Orleans  war 
befreit   (8.   Mai   1429). 


Die  Kirche.  1^5 

Dieser  unerwartete  Erfolg  schien  ein  Werk  Gottes.  Und  so  fand  jetzt 
auch  Johannas  Sendung  bei  dem  Volke  Glauben,  Edle  und  Gemeine  kamen 
jetzt  aus  allen  vier  Windrichtungen  des  Landes,  um  sich  unter  ihr  Banner 
zu  scharen  und  todesmutig  zu  kämpfen.  Man  bewunderte  ihre  Güte,  ihre 
Unerschrockenheit,  ihren  durchdringenden  und  klaren  Verstand.  Eine  unge- 
wöhnliche Kühnheit  beseelte  sie  mitsamt  ihrem  Heere.  Alle  Schlachten, 
die  sie  lieferte,  endeten  in  Triumphen.  Von  Sieg  zu  Sieg  führte  sie  ihren 
König  bis  nach  Reims,  wo  er  seine  Krönung  beging  und  sich  salben  ließ 
(17.  Juli  1429). 

Als  sie  sich  kurze  Zeit  darauf  bei  Compi^gnes  in  ihrem  kriegerischen 
Ungestüm  einmal  zu  weit  vorgewagt  hatte,  geriet  sie  in  die  Gefangenschaft 
der  Engländer,  die  sie  nach  Rouen  brachten,  um  sie  hier  vor  Gericht 
zu  stellen   (23.   Mai   1430). 

Da  ereignete  sich  eine  jener  heuchlerischen  Komödien,  die,  in  dem 
Gewissen  der  Völker  mit  ehernem  Griffel  eingegraben,  eine  dauernde  Stätte 
finden.  Die  Doktoren  der  Universität  Paris,  die  normannischen  Bischöfe, 
die  englischen  Generale,  kurz  alle  Großen  dieser  Welt  verständigten  sich 
damals,  um  Johanna  als  Ketzerin  und  Hexe  zu  erklären.  Die  kühnen  und 
ruhigen  Antworten  der  Heldenjungfrau  vermochten  nicht  ihre  herzlosen 
Richter  zu  rühren.  Sie  mußte  zu  Rouen  den  Feuertod  mit  allen  seinen 
unsäglichen  Qualen  erleiden   (30.   Mai   1431). 

Von  dem  König  im  Stich  gelassen,  von  der  Kirche  verdammt,  von  den 
Engländern  auf  den  Scheiterhaufen  gebracht,  ging  dieses  schlichte  Bauern- 
mädchen, das  Frankreich  gerettet  hatte,  heldenmütig  in  den  Tod. 

Die  Verurteilungen  eines  Sokrates,  eines  Jesus  und  einer  Johanna  von      (^ 
Are  sind  drei  schwere  Verbrechen  im  Namen  der  Kirche,  die  sich  wie  drei 
große  dunkle  Flecken  aus  dem  Leben  der  Menschheit  abheben. 

Zwar  hatte  Johannas  Ruhmes-  und  Heldenlaufbahn  den  ganzen  Haß 
des  Auslandes  erweckt.  Doch  erstanden  jetzt  im  eignen  Lande  Karl  VH. 
überall  warme  Verteidiger. ,  Er  selbst  erwachte  aus  seiner  Stumpfheit  und 
stellte  zum  erstenmal  ein  wirkliches  stehendes  Heer  auf,  d.  h.  eines, 
das  ausschließlich  aus  Berufssoldaten  bestand,  eines,  das  nicht,  wie  es 
bisher  bei  den  Feudaltruppen  gang  und  gäbe  war,  nach  jedem  Kriege 
immer  wieder  auseinanderlief. 

Ein  neues  Gewaltmittel  für  den  Krieg  war  soeben  mit  der  Erfindung 
des  Schießpulvers  in  die  Erscheinung  getreten.  Bei  Cr^cy  war  es,  wo  zum 
erstenmal  auf  dem  Schlachtfelde  jene  vollkommen  neuen  Maschinen  zu 
sehen  gewesen  waren,  aus  denen  kleine  Eisenkugeln  geflogen  kamen,  um 
Menschen  und  Pferde  zu  erschrecken.    Diese  Donnerbüchsen  machten  in 

10  Riebet,  Geschichte  der  Menschheit 


i46  Fünftes  Buch. 


kurzer  Zeit  rasende  Fortschritte,  so  daß  bereits  Karl  VII.  zu  Ende  seiner 
Regierung  über  eine  Artillerietruppe  verfügte.  Freilich  sollten  noch  lange, 
etwa  bis  zum  Jahre  1500  hin,  die  Feuerwaffen  lediglich  für  den  Belagerungs- 
krieg angewendet  werden. 

Die  Vorbedingung  für  die  Einrichtung  eines  starken  Heeres  ist  die 
eines  starken  Finanzwesens.  Daher  beschloß  auch  Karl  VII.  drückende 
Steuern  und  führte,  von  dem  waghalsigen  und  geschickten  Jacques  Coeur 
unterstützt,  bei  sich  eine  regelrechte  Finanzverwaltung  mit  ihrem  ganzen 
umfänglichen  und  verwickelten  Geschäftsbetrieb  ein.  Er  wurde  damit  zu 
einem  ganz  modernen  Herrscher,  der  seine  Macht  auf  die  beiden  Eckpfeiler 
jedes  monarchischen  Regierungsgebäudes  stützt:  ein  zuverlässiges  Heer 
und  geordnete  Finanzen. 

Nach  und  nach  zogen  sich  auch  die  Engländer  zurück.  Schon  im  Jahre 
1453  besaßen  sie  weder  mehr  Paris  noch  auch  die  Normaridie,  noch  auch 
die   Gascogne.    Es  gehörte  ihnen  niu"  noch  Calais. 

Als  Karl  VII.  starb  (1461),  war  die  Macht  der  feudalen  Herren  in 
dem  Kriegssturme  untergegangen,  um  der  schon  lange  in  ihrem  Einfluß 
gestiegenen   Königsgewalt  nunmehr  endgültig  Platz  zu  machen. 

Als  die  Engländer  in  ihr  Vaterland  zurückgekehrt  waren,  und  dann 
nicht  mehr  in  Frankreich  Krieg  führen  konnten,  begannen  sie  nunmehr 
den  Krieg  untereinander.  Ein  langjähriger  Bürgerkampf  zerriß  England 
von  jetzt  an  (der  Krieg  der  beiden  Rosen  1452— 1485).  Stolz  auf  ihre 
jedem  Ansturm  gewachsene  Unabhängigkeit  und  reich  von  der  in  Frankreich 
gemachten  Beute  vernichteten  sich  die  englischen  Lords  und  Barone  gegen- 
seitig um  die  Wette,  um  ihre  Unabhängigkeit  und  ihre  Reichtümer  zunächst 
noch  immer  zu  vermehren.  Doch  zum  Schlüsse  verblieb  gleichwohl  der 
Sieg  einem  Könige  in  der  Person  Heinrichs  VII.  Tudor,  der  durch  Be- 
schlagnahmen oder  durch  Schenkungsverträ^e  die  meisten  der  grund- 
herrlichen Ländereien  an  sich  zu  reißen  wußte.  Er  gewann  so  dieselbe 
Gewalt  über  den  Adel  Englands  wie  Karl  VII.  über  den  Frankreichs. 

In  Deutschland  blieb  im  Gegensatz  zu  diesen  beiden  Ländern  die 
Feudalmacht  noch  vorläufig  in  ihrem  ganzen  Umfange  bestehen.  Nachdem 
das  Haus  Hohenstaufen  ausgestorben  war  (1254),  waren  die  deutschen 
Fürsten  übereingekommen,  ihr  Oberhaupt  selbst  zu  ernennen.  Die  sieben 
Wahl-  oder  Kurfürsten  (die  Bischöfe  von  Mainz,  Köln  und  Trier,  der 
König  von  Böhmen,  der  Pfalzgraf  bei  Rhein,  der  Herzog  von  Sachsen  und 
der  Markgraf  von  Brandenburg)  bezeichneten  nun  selbst  einen  Herrscher, 
der  später  in  Rom  vom  Papste  zum  Kaiser  zu  krönen  war.  Einer  dieser 
Kaiser,  ein  Edelmann  schweizerischer  Abstammung,  Rudolf  von  Habsburg 


Die  Kirche.  i^-j 

(1273),  eroberte  in  einem  Kriege  mit  dem  Könige  von  Böhmen  das  Herzog 
tum  Tost  erreich  und  begründete  jenes  mächtige  österreichische  Herrscher- 
haus, das  noch  bis  in  die  Gegenwart  regiert.  Eine  lange  Zeit  hindurch 
fiel  die  deutsche  Kaiserwürde,  obgleich  damals  für  ihren  iBesitz  die 
Wahl  und  nicht,  wie  im  heutigen  Deutschen  Reiche,  die  Erblichkeit 
entschied,  immer  wieder  einem  Habsburger  zu. 

Gleichwohl  war  die  Macht  des  Kaisers  keineswegs  so  gesichert  wie  die 
des  Königs  von  Frankreich  oder  auch  die  des  Königs  von  England.  Die 
deutschen  Herren,  groß  oder  klein,  waren  ganz  richtige  Herrscher,  die 
dauernd  zu  Aufständen  neigten  und  eine  Gewalt  über  sich  nicht  anerkennen 
wollten.  Im  Jahre  1450  gab  es  noch  keine  deutsche  Einigkeit,  die  größer 
gewesen  wäre  als  die  französische  zu  Zeiten  Karl  Martels  fünf  Jahr-  ^ 
hunderte  zuvor.  ^ 

Doch  gelingt  es  erfreulicherweise  auch  damals  schon  dem  Geiste  des 
deutschen  Volkes,  dessen  Wesen  zu  allen  Zeiten  in  zäher  Ausdauer  und 
mühsamer  Arbeit  bestanden  hat,  den  feudalen  Anmaßungen  und  Rempe- 
leien seiner  adligen  Herren  erfolgreichen  Widerstand  entgegenzusetzen. 
Die  Städte  legen  zu  ihrem  Schutze  feste  Wälle  an  und  sichern  sich  dadurch 
vor  junkerlichen  Überfällen.  Sie  führen  Selbstverwaltung  ein,  werden  freie 
Städte  und  treiben  blühenden  Handel.  Ja,  es  glückt  ihnen,  untereinander 
einen  Bund  abzuschließen  und  damit  die  bald  so  einflußreiche  Hansa  zu 
begründen.  Lübeck,  Hamburg,  Köln,  Bremen,  Danzig  erwerben  große 
Reichtümer  durch  einen  regen  Verkehr  mit  England,  Flandern,  Schweden 
und  sogar   Rußland. 

Auch  zeigt  sich  damals  schon  ein  Anfang  von  deutscher  Literatur.  Die 
Sprache  gewinnt  allmählich  festere  Gestalt.  Das  Nibelungenlied,  dem  die 
deutsche  romantische  Schule  und  später  der  Genius  eines  Wagner  neues 
Leben  gegeben  haben,  ist  das  große  Volksepos  aus  jener  Zeit.  Universitäten 
erstehen  nach  dem  Muster  der  Pariser  Hochschule,  um  im  deutschen 
Leben  einen  Platz  einzunehmen,  der  im  Laufe  der  Zeit  sich  noch  erheblich 
steigern   sollte. 

England  hat,  ganz  und  gar  von  dem  Krieg  in  Anspruch  genommen, 
noch  immer  weder  Künstler  noch  Dichter  aufzuweisen.  Doch  die  dereinstige 
englische  Sprache  mit  ihrer  weiten  Herrschaft  über  die  Welt  kündet  sich 
jetzt  schon  leise  in  ihren  ersten  Anfängen  an.  Aus  dem  Angelsächsischen 
und  dem  Französischen  emporgewachsen,  entwickelt  sie  sich  allmählich  aus 
beiden  zu  einem  einheitUchen  Ganzen. 

Wie  anders  Frankreich,  das  trotz  aller  Nöte  und  Leiden  des  hundert- 
jährigen  Krieges  bereits  seine   Geschichtschreiber  in   Villehardouin   (1160 

10* 


M8  Fünftes  Buch. 


bis  1213)  und  Froissart  (1338— 1404)  besitzt,  seine  entzückenden  Dichter 
in  Charles  d'Orl^ans  (1391 — 1450?)  und  Frangois  Villon  (1431 — 1488?) 
und  schließlich  auch  seinen  Theologen,  der  sein  unsterbUches  Werk  in 
lateinischer  Sprache  geschrieben  hat  —  ist  es  der  Franzose  Gerson  oder 
i  der  Flamländer  Thomas  a  Kempis?  — ,  nämlich  die  Imitatio  Jesu  Christi, 
ein  Werk  von  seltener  Mystik,  das  aus  den  Einöden  der  Thebais  zu 
kommen  scheint  1  Es  ist  der  Lobgesang  auf  die  Vernichtung  in  Gott 
oder  auf  eine  Art  himmlisches  Nirwana,  ein  in  hoffnungsloser  Verzweiflung 
am  irdischen  Leben  ausklingendes  Werk !  Weder  der  Prediger  Salomo  noch 
Buddha  haben  mit  beredteren  Tönen  die  Eitelkeit  alles  Irdischen  verkündet! 

Aber  es  war  weder  Frankreich  noch  England  oder  etwa  Deutschland, 
von  wo  diese  große  zivilisatorische  Bewegung  ausging.  Vielmehr  hat  die 
eigentliche  Renaissance  ihren  Ursprung  in  Italien. 

Von  mehreren  Herrschern  gleichzeitig  geknechtet,  vermag  Italien  seine 
äußere  Drangsal  zu  vergessen  und  einen  Zustand  der  geistigen  Befreiung 
herbeizuführen,  in  dem  es  seine  Künste  und  Wissenschaften  in  einem 
Maße  triumphieren  sieht,  daß  es  seinen  kulturellen  Einfluß  bald  über 
die  ganze  Welt  ausdehnen  sollte.  Selten  gab  es  eine  so  große  sittliche 
Kraft  im  Verein  mit  solcher  politischen  Schwäche. 

Wie  in  dem  gesamten  übrigen  Eiiropa  hatte  auch  auf  der  Apenninen^ 
halbinsel  der  Feudalismus  das  ganze  Land  in  lauter  kleine  Teile  zerrissen. 
Das  römische  Reich  war  durch  eine  Unzahl  von  untereinander  eifersüchtigen 
und  feindlichen  Fürstentümern  ersetzt  worden.  Aber  trotz  der  wahnsinnigen 
Kriege,  die  Provinzen  und  Städte  zerfleischten,  trotz  der  grausigen  Seuchen, 
die  sie  heimsuchten,  trotz  der  unmenschlichen  Gelüste  der  deutschen  Kaiser 
und  der  normannischen  Fürsten  Frankreichs  und  Englands  wußten  sich 
die  Bürger  der  großen  Städte  ein  gewisses  Maß  Unabhängigkeit  zu  erringen 
und  sogar,  was  noch  mehr  als  die  Unabhängigkeit  bedeutet,  sich  eine 
staatliche  Sicherheitsbehörde  zu  schaffen.  Sie  waren  auf  den  so  sinnigen 
Einfall  gekommen,  Bandenführer  zu  unterhalten  zu  ihrem  persönlichen 
Schutze  (condottieri),  gerade  wie  man  in  unsern  ziviHsierten  Stadtgemeinden 
eine  Polizei  unterhält,  die  die  Aufgabe  hat,  die  Ordnvmg  in  den  Straßen 
zu  wahren. 

Venedig,  schon  immer  durch  seine  örtliche  Lage  geschützt,  war  zudem 
jetzt  eine  selbständige  Republik  geworden.  Es  hatte  durch  seinen  Handel 
im  Morgenlande  außerordentliche  Reichtümer  gesammelt  und  legte  eine 
geschäftliche  Tüchtigkeit  an  den  Tag,  in  der  es  damals  kein  europäisches 
Volk  mit  ihm  aufzunehmen  vermochte. 

Noch  reicher  allerdings,  ja  die  reichste  und  bedeutendste  Stadt  von  ganz 


Die  Kirche.  l49 

Italien  war  Florenz.  Es  hatte  den  erstaunlichsten  Wohlstand  entfaltet 
dank  seiner  Tuchfabrikation,  seines  Bankgeschäftes  und  seiner  Gold- 
schmiedekunst. Wie  Venedig,  hatte  sich  auch  Florenz  in  eine  Republik 
verwandelt,  in  eine  recht  eigenartige  Repubhk,  die  sich  die  Herrschaft 
despotischer  Tyrannen  gefallen  ließ. 

Es  kam  vor,  daß  sich  solche  Tyrannen  von  Florenz,  deren  Amt  mehr 
oder  weniger  erblich  war,  durch  gleichzeitige  Vererbung  der  dazugehörigen 
Eigenschaften  von  ihren  Vorfahren  her  als  fähige  Köpfe,  feine  Politiker 
und  begeisterte  Verehrer  für  die  Erzeugnisse  der  Kunst  und  die  Werke  des 
Geistes  erwiesen.  Sicherlich  waren  ihre  Sitten  ebenso  grausam  wie  nicht 
allzustreng.    Aber  sie  wurden  gleichwohl  zu  großen  Wohltätern. 

Dank  dieses  Reichtums  und  dank  dieser  Sicherheit  verfeinerte  sich 
die  Zivilisation  der  Stadt  Florenz  in  immer  höherem  Maße.  Während 
des  ganzen  14.  Jahrhunderts  war  sie  weit  mehr  als  Rom  die  geistige 
Hauptstadt  Italiens.  Die  Sprache,  die  damals  in  Florenz  gesprochen 
wurde  (Lingua  Toscana),  ist  bereits  die  heutige  italienische  Sprache,  eine 
würdige  Tochter  des  Lateins,  klangreich  und  geschmeidig,  bilderreich  und 
wohllautend  Imd  gleich  fügsam  dem  Gebrauche  der  Gelehrten,  der  Redner 
wie  der  Dichter. 

Unter  den  letzteren  der  größte,  der  sich  ihrer  für  sein  Schaffen  bediente, 
war  Dante  (1265 — 1321). 

Seine  Göttliche  Komödie  (Divina  Commedia)  ist  ein  gewaltiges  Dicht- 
werk, dem  er  als  Voraussetzung  zugrunde  legt,  daß  er  selbst  von  Vergil 
durch  Hölle,   Fegefeuer  und  Paradies  geführt  werde.    Mit  Zuhilfenahme 
dieser  dichterischen  Erfindung  erzählt  Dante  die  packendsten  Zwischen-       ^  _    . 
fälle  der  von  ihm  erlebten  Bürgerkriege.    Seine  Erzählungen  bedeuten  in       <^>-«/ 
sich  nichts,  aber  in  der  Dichtung  ist  es  die  Form,  die  alles  macht.    Nun''^  »--w-^v,. 
aber    ist    in   der   Schöpfung   Dantes,    die   tief  in    die   menschliche    Seeler*-^v,<xi^ 
dringt,  die  Form  eine  ganz  wunderbare.    Alles  in  der  so  herrlichen  poeti- 
schen  Offenbarung   ist  noch  lebend,'  noch   zuckend,   abwechselnd  lyrisch, 
satirisch  und  philosophisch,  bald  heftig,  bald  zart  und  immer  erhaben  1 

Niemand  kann  die  italienische  Renaissance  so  großartig  eröffnen  wie 
Dante.  Er  ist  der  älteste,  ehrwürdigste  und  auserwählteste  aller  Meister 
dieser  glanzvollen  Zeit. 

Ihm  ist  es  also  zu  danken,  daß  die  italienische  Sprache  schon  damals 
so   gut   wie  zu  ihrer   abschließenden    Gestaltung   gekommen   ist.    Ebenso 

glänzend  und  fast  gleichzeitig  trugen  zwei  andere  hervorragende   Schrift-       

steller  zu  deren  Vollendung  bei:  Boccaccio   (1313 — 1375),  vor  allem  aber     /  /  j/ 
Petrarca    (1304—1374)-  —- '■ — 


i5o 


Fünftes  Buch. 


Florenz  hatte  im  14.  und  noch  im  15.  Jahrhundert  ferner  auch  Künstler 
gehabt,  denen  sich  ebensowenig  irgend  etwas  anderes  an  die  Seite  stellen 
läßt  wie  seinen  damaligen  Dichtern. 

In  der  Malerei  unternimmt  Giotto  (1266 — 1337)  zum  ersten  Male  den 
entschiedenen  Versuch,  sich  von  den  steifen  und  kalten  byzantinischen 
Sudeleien  freizumachen.  Orcagna  (1329 — 1368)  hinterläßt  auf  dem  Campo 
Santo  von  Pisa  eine  ganz  wunderbare  Schöpfung.  Es  ist  die  Zeit  der 
Frührenaissance,  deren  Vertreter  nur  zu  lange  geringgeschätzt,  aber  heute 
als  vielleicht  den  erprobten  Kunstgenossen  der  ihnen  folgenden  Geschlechter 
überlegene  Meister  erkannt  worden  sind:  Fra  Angelico  (1387 — HSSX 
Filippo  Lippi  (1406 — 1469)  und  der  entzückende  BotticelU  (1447 — 1510), 
dessen  liebliche   Anmut   noch  niemand   wieder   erreicht   hat. 

Florenz  bringt  auch  die  großen  Meister  der  Bildhauerkunst  hervor: 
Niccolo  Pisano  (1206 — 1278)»  Lorenzo  Ghiberti  (1378 — 1455)  ^^^  besonders 
Donatello  (1383 — 1466).  Anstatt  den  Versuch  zu  machen,  die  lautere  Voll- 
endung der  Kunst  des  Altertums  sklavisch  nachzuahmen,  schaffen  die 
Florentiner  zwar  mühseligere  und  gekünsteltere,  aber  dabei  auch  weit  lebens- 
vollere Werke,  die  dem  Marmor  oder  der  Bronze  eine  Beweglichkeit  geben, 
die  die  griechische  Kunst  allerdings  gewiß  gekannt,  sich  jedoch  bemüht 
hatte,   unter  einer  leidenschaftslosen   Ruhe  zu   verbergen. 

Überall  erstehen  herrliche  Prachtbauten.  In  Venedig,  wo  bereits  die 
Markuskirche  die  schönste  Leistung  byzantinischer  Kunst  aufwies,  ist  es 
vollends  der  Dogenpalast,  an  dem  sich  später  sogar  die  sarazenische 
Arabeske   einträchtig  zu  dem  christlichen   Spitzbogen   gesellte. 

Zu  Pisa,  zu  Parma,  zu  Florenz,  zu  Siena  finden  wir  Taufkapellen, 
Glockentürme,  Dome,  deren  zarte  Schönheit  kein  Baumeister  späterer 
Jahrhunderte  je  zu  erreichen  vermocht  hat. 

Aber  all  dieser  Glanz  der  italienischen  Kunst  blieb  dem  übrigen  Europa 
fast  unbekannt.  Spanien  kämpfte  gegen  die  Mauren,  Frankreich  rang 
mit  England  und  England  mit  Frankreich.  Die  Deutschen  zerfleischten 
sich  gegenseitig.  Die  Slawen  waren  vorläufig  noch  nichts  weiter  als  Wilde. 

Obwohl  die  christUche  Kirche  noch  immer  unangetastet  dastand,  zeigten 
sich  doch  schon  Ansätze  zu  Bewegungen  von  mehr  oder  weniger  aufleh- 
nendem Charakter.  Zu  Beginn  des  15.  Jahrhunderts  hatte  der  Priester 
Johann  Hus  als  Vorläufer  der  Reformation  ganz  Böhmen  gegen  gewisse 
katholische  Dogmen,  besonders  auch  gegen  die  päpstliche  Autorität,  aufge- 
wiegelt. Volk  und  Adel  des  Landes  unterstützten  ihn,  und  die  Ketzerei 
machte  rasende  Fortschritte. 

Johann  Hus  wurde  vor  das  Konzil  zu  Konstanz  geladen;  er  beging  die 


Die  Kirche.  i5t 

heldenmütige  Unvorsichtigkeit,  vor  dieser  größten  aller  Kirchenversamm- 
lungen zu  erscheinen.  Man  hatte  ihm  ja  allerdings  Sicherheit  des  Lebens 
zugesagt,  aber  man  hielt  sich  nicht  gezwungen,  einem  Ketzer  das  Wort 
zu  halten.  So  wurde  er  eingekerkert  und  dann  gerichtet,  wenn  anders 
man  diese  heilige  Bezeichnung  auf  die  ungerechteste  Verurteilung,  die  es 
je  gegeben  hat,  anwenden  und  dadurch  in  ihrer  Heiligkeit  entweihen  darf. 
Im  Jahre  141 5  erlitt  er  den  Feuertod. 

Johann  Hus  eröffnet  das  Zeitalter  der  Märtyrer  des  selbständigen 
Denkens. 

Nach  seinem  Tode  erhoben  sich  seine  Anhänger.  Zwanzig  Jahre  lang 
sollte  Böhmen  das  Opfer  eines  grauenhaften  Religionskrieges  werden,  ja 
einer  der  blutigsten  Kämpfe  —  und  das  bedeutet  wahrhaftig  nicht  wenig !  — , 
die  überhaupt  jemals  die  Geschichte  befleckt  haben!  Schließlich  unter- 
lagen die  Hussiten,  nachdem  auch  sie  unsägliche  Greuel  begangen  hatten. 
Man  darf  aber  dafür  nicht  den  so  geistvollen  und  doch  so  ohnmächtigen 
Begründer  ihrer  Lehre  verantwortlich  machen  (1434). 

So  beginnt  bereits  eine  sich  allerdings  nur  langsam  entwickelnde  Gegen- 
bewegung gegen  die  bisher  unangefochtene  Autorität  der  Kirche.  Die 
Streitigkeiten  der  Päpste  mit  den  Herrschern,  die  italienische  Renaissance, 
die  Ketzereien  der  Albigenser,  Waldenser  und  Hussiten  bedeuten  schon 
die  ersten  Geburtswehen  einer  neuen  2eit. 


Zwei  großs  Ereignisse  von  nicht  völUg  gleicher  Bedeutung  treten  nun  ein, 
die  das  Ende  des  Mittelalters  bezeichnen :  die  Eroberung  von  Konstantinopel 
durch  die  Türken  (1453)  und  die  Erfindung  der  Buchdruckerkunst  (1450). 

* 
Die  Araber  hatten  zwar  noch  den  Kreuzzügen  der  Christen  standgehalten, 
aber  sie  wußten  sich  bereits  nicht  mehr  gegen  den  Völkersturm  der  Ange- 
hörigen der  gelben  Rasse,  der  Mongolen,  zu  schützen.  Aus  dem  asiatischen 
Berglande  kommend,  war  ein  turkomanischer  Stamm  lange  Zeit  in  Klein- 
asien seßhaft  gewesen,  hatte  sich  aber  gleichwohl  inmitten  der  blühenden 
arabischen  Zivilisation  seine  wilden  Sitten  und  sein  völliges  Heidentum 
bewahrt.  Halb  Nomaden  und  halb  Räuber,  waren  sie  die  Feudalen  Asiens. 
Einer  jener  Barbaren,  der  kühner  als  alle  seine  Gefährten  war  und  sich 
mit  diesem  elenden  Leben  nicht  begnügen  wollte,  Osman,  ging  an  die 
Eroberung  von  ganz  Kleinasien  und  hatte  dabei  die  glänzendsten  Erfolge 
zu  verzeichnen.  Er  ließ  sich  Fürst  nennen  und  bekehrte  sich  zum  Islam 
(1289). 


|52  Fünftes  Buch. 


Seine  Nachfolger  setzten  seine  Eroberungspolitik  fort.  An  die  Stelle 
der  sinnlichen,  weichlichen,  verfeinerten  griechisch-arabischen  Zivilisation 
setzten  sie  eine  rohe  und  unerbittliche  Militärherrschaft.  Sie  wußten  sich 
eine  Stütze  zu  geben  in  einem  starken  stehenden  Heere,  einer  Truppe  von 
Janitscharen,  d.  h.  ihren  Familien  entrissenen  und  im  Islam  erzogenen 
Christenkindern.  Die  Janitscharen  waren  bald  durch  ihre  Manneszucht 
und  Unerschrockenheit  das  zuverlässigste  Heer  jener  Tage  und  damit 
ein  blindes  und  schreckliches  Werkzeug  für  ehrgeizige  Eroberer. 

Es  sind  dies  die  heutigen  Ottomanen  oder  Türken,  die  sich  jetzt  an  die 
Spitze  der  islamitischen  Bewegung  stellen.  Herren  von  Syrien,  Arabien, 
Turkestan  und  Kleinasien,  überschreiten  sie  den  Bosporus  und  über- 
schwemmen mit  ihren  Horden  Griechenland  und  die  Balkanhalbinsel. 
Obwohl  sie  sich  bis  jetzt  noch  nicht  Konstantinopels  zu  bemächtigen 
vermögen,  rücken  sie  gleichwohl  schon  bis  ins  Innere  Europas  vor  und 
dringen,  nachdem  sie  Serbien  und  Bulgarien  verheert  haben,  sogar  bereits 
in  Ungarn  ein.  Aber  dort  wurden  sie  von  den  Streitmächten  des  Landes 
unter  Johann  Hunyady  und  dem  Ungarnkönig  Wenzel  zurückgehalten  (1444). 

Doch  es  war  das  nur  ein  Waffenstillstand  in  dem  heiligen  Kriege.  Einige 
Jahre  später  (1453)  eröffnete  Sultan  Mohammed  II.  die  Belagerung  von 
Konstantinopel. 

Mohammed  II.  ist  das  Urbild  des  erobernden  Kriegers,  der  sich  kein 
Hindernis  auch  nur  vorstellen  kann  und  dessen  Wildheit  seiner  Tapferkeit 
gleichkommt.    Er  ging  als  unbestrittener  Sieger  aus  dem  Kampfe  hervor. 

Vergebens  suchte  nun  noch  der  letzte  der  oströmischen  Kaiser  Kon- 
stantin XIII.  Paläologus,  den  zweihunderttausend  türkischen  Soldaten 
Mohammeds  einen  Widerstand  entgegenzusetzen.  Die  Griechen  von  Kon- 
stantinopel entbehrten  des  sittlichen  Haltes  und  der  militärischen  Kraft. 
Konstantin  konnte  nur  eine  Handvoll  Soldaten  ausheben,  um  gemeinsam 
mit  ihnen  zu  kämpfen  und  zu  sterben. 

Nun  wurde  die  Stadt  Konstantinopel  einer  Plünderung  preisgegeben, 
mit  der  ein  ebenso  großes  Blutbad  verbunden  war.  Es  gab  über  hundert- 
tausend Tote.  Durch  diese  herrliche  Waffentat  erwarben  die  Türken  das 
Recht,  eine  europäische  Macht  zu  werden! 

Mehrere  Jahrhunderte  lang  sollten  diese  Türken  bleiben,  was  sie  ur- 
sprünglich gewesen  waren:  ein  Heer  von  ebenso  heldenmütigen  wie  unge- 
sitteten, durch  Glaubenswut  verblendeten  Soldaten,  das  sein  Feldlager 
mit  seinen  Pferden,  Söldnern,  Kanonen  inmitten  europäischer  Kultur  auf- 
geschlagen hat.  ^  n:- 


Die  Kirche.  l  03 

Etwa  um  dieselbe  Zeit  machte  ein  bis  dahin  ziemhch  unbekannter  Mainzer 
Kaufmann,  namens  Johannes  Gutenberg,  die  Erfindung  der  Buchdrucker- 
kunst, eine  Erfindung,  die  eine  allgemeine  Umwälzung  hervorrufen  sollte. 
Es  gibt  in  der  Geschichte  der  Menschheit  zwei  Hauptabschnitte.  Der 
eine  ist  der,  in  dem  sich  die  Gedanken,  so  fruchtbar  und  wirksam  sie  auch 
sein  mögen,  nur  mit  einer  außerordentlichen  Langsamkeit  über  Familie, 
Gemeinde  und  Volk  hinaus  ausbreiten  können.  Der  Mensch  kann  den 
übrigen  Menschen,  seinen  Brüdern,  seine  Stimme  weder  weithin  mitteilen 
noch  vernehmlich  machen.  Es  sind  dies  die  der  Buchdruckerkunst  vorauf- 
gegangenen alten  Zeiten. 

Aber  sobald  ein  menschlicher  Gedanke,  durch  die  Buchdruckerpresse  in 
Tausenden  von  Exemplaren  vervielfältigt,  imstande  ist,  die  Entfernungen 
unbehindert  zu  überwinden,  überall  einzuziehen,  in  Hütten  wie  Paläste, 
weithin  Anhänger  zu  gewinnen  und  sein  Licht  bis  in  die  ödesten  Gegenden 
dringen  zu  lassen,  dann  kann  sogleich  das  persönlichste  Werk  auch  die 
Seelen  der  übrigen  Menschen  erreichen  und  ein  ergänzender  Wesensteil 
der  gesamten  Menschheit  werden.  Es  ist  dies  der  zweite  Hauptabschnitt 
in  unserer   Geschichte:  die   Neuzeit. 

Anfangs  Vereinzelung,  alsdann  Zusammenarbeit. 

Fortschritt  ist  allein  auf  die  letzte  Weise  mögHch.  Auf  ihre  eignen 
Kräfte  angewiesen,  ist  die  Geistigkeit  eines  Menschen  entwaffnet.  Sie 
muß  von  den  Geistigkeiten  anderer  Menschen  unterstützt  werden.  Die 
Eroberung  der  Wahrheit,  dieses  höchste  Ziel,  von  dem  unser  Glück  abhängt, 
wird  nie  dem  Genie  eines  einzelnen  Menschen  zu  verdanken  sein;  was 
unentbehrlich  ist,  ist  gemeinschaftliche  Arbeit.  Getrennt  sind  wir  ohn- 
mächtige Geschöpfe ;  vereinigen  wir  unsere  Anstrengungen,  sind  wir  unüber- 
windliche Wesen. 

Nicht  etwa  sofort  hat  die  Erfindung  Gutenbergs  die  Welt  in  die  neuen 
Bahnen  geleitet.  Dazu,  daß  aus  einer  großen  Entdeckung  die  fruchtbaren 
Keime  aufgehen,  die  sie  in  ihrem  Schöße  birgt,  sind  natürlich  lange, 
Jahrhunderte  umfassende  Zeiträume  notwendig,  und  es  sollte  noch  bis  zimi 
Ende  des  neunzehnten  Jahrhunderts,  d.  h.  bis  zur  Thronbesteigung  des 
triumphierenden  Journalismus,  dauern,  daß  uns  die  Erfindung  der  Buch- 
druckerkunst ihre  segensreichen  Wirkungen  restlos  erschloß. 

Im  Jahre  1454  erscheint  in  Mainz  ein  erstes  derartiges  Werk  (Ablaß- 
briefe), das  mit  beweglichen  Lettern  gedruckt  ist.  Eine  Bibel  erscheint 
1456,  eine  andere  1460  in  Bamberg,  noch  eine  andere  1462  in  Mainz,  wo- 
selbst auch  Ciceros  De  Officiis  im  Jahre  1465  gedruckt  wird.  1466  gibt 
es  schon  eine  Buchdruckerei  in   Rom.    Im  Jahre   1470  etabliert  sich  eine 


i54  Fünftes  Buch.     Die  Kirche. 

in  Paris  an  einer  so  hervorragenden  Stätte  wie  der  Sorbonne,  eine  zweite 
in  Venedig  und  eine  dritte  in  Bologna. 

Im  Jahre  1 480  besitzt  jede  größere  europäische  Stadt  eine  Buchdruckerei : 
Straßburg,  Metz,  Poitiers,  Cafen  und  Lyon  in  Frankreich,  Oxford  und 
London  in  England,  Lerida,  Sevilla,  Saragossa  und  Granada  in  Spanien, 
Prag  in  Böhmen,  Haarlem,  Antwerpen,  Utrecht,  Gent  und  Brüssel  in 
Flandern,  Mailand,  Lucca  und  Neapel  in  Italien,  Basel,  Münster  (Kanton 
Bern)  und  Genf  in  der  Schweiz,  Köln,  Speyer,  Nürnberg,  Ulm,  Würzburg, 
Eßlingen,   Erfurt   und  Augsburg  in  Deutschland. 

Mit  jedem  Jahre  nimmt  die  Zahl  der  gedruckten  Werke  wie  die  der 
Exemplare  von  jedem  einzelnen  zu. 

Von  nun  an  sollte  der  letzte  unter  den  Bürgern  eines  jeden  Landes 
in  der  Lage  sein,  aus  sich  selbst  heraus  verstehen  zu  lernen,  zu  lesen  und 
wiederzulesen  —  denn  das  Buch  liegt  bereit  zur  Hand,  zu  Häuptenl  — , 
was  bedeutende  Menschen  gedacht  oder  was  bedeutende  Dichter  geträumt 
haben;  er  wird  sich  mit  der  Bibel  beschäftigen  können,  dem  Gottesbuche 
seiner  Religion,  das  törichte  Mönche  ihn  in  einem  unverständlichen  Latein 
herleiern  ließen  und  durch  kindische  Auslegungen  völlig  im  Sinne  ent- 
stellten. Was  ursprünglich  der  ausschließliche  Besitz  einiger  weniger 
hochgestellten  Persönlichkeiten  gewesen  war,  sollte  nun  das  Eigentum 
eines  jeden  Menschen  werden,  der  lesen  gelernt  hatte.  Der  geringste 
Dorfhandwerker  unserer  Zeit  kann  heute  eine  Büchersammlung  besitzen, 
die  reicher  ist,  als  dereinst  die  eines  Aristoteles  oder  Cicero  gewesen  sind. 

Seit  dem  Jahre  1454  sollte  die  Zunahme  der  allgemeinen  Bildung  dank 
der  Ausbreitung  des  Geisteslebens  durch  das  Buch  eine  deutliche  Vorwärts- 
,  entwicklung,  ja  geradezu  eine  gewisse  Überstürzung  zeigen.  Durch  das 
Buch  und  bald  auch  durch  die  Zeitung  findet  das  Denken  eines 
Menschen  überall  in  dem  anderer  und  das  anderer  in  seinem  eignen 
Denken  einen  Widerhall. 

Das  ist  das  gewaltige  und  segensreiche  Zusammenarbeiten  aller  .Menschen- 
wesen,  die  auf  unserem  winzigen  Planeten  leben. 

Bisher  war  die  Menschheit  stets  gespalten  und  darum  ohnmächtig 
gewesen.  Aber  von  nun  an  sollte  sie  sich  zu  einer  gemeinsamen  Anstrengung 
gegen  Unwissenheit  und  Beschränktheit  vereinen. 


Sechstes  Buch.     Das  Königtum.  l55 


SechstesBuch. 

Das  Königtum.  (1450 — 1789). 

In  den  folgenden  drei  Jahrhunderten  (1450— 1789)  errang  das  Königtum 
eine  unumschränkte  Macht.  Das  monarchische  Zeitalter  folgt  dem  feudalen. 
Die  katholische  Kirche  sieht  ihre  Gewalt  über  die  Fürsten,  ihre  Macht  über 
die  Völker,  ihre  Herrschaft  über  die  Gewissen  schwinden'.  Großes,  in  sich 
geschlossene  Volkseinheiten  treten  an  die  Stelle  der  zerrissenen  Guts- 
bezirke. Ein  jeden  Widerstand  überwindender  Wille  sich  auszudehnen 
vergrößert  die  Macht  des  kleinen  Europas,  das  seine  Flotten  und  Ansiedler 
über  den  ganzen  Erdkreis  entsendet.  Sobald  die  Menschheit  erst  die 
Herrschaft  über  sich  jn  eigne  Hände  zu  nehmen  bestrebt  ist,  beginnt  sie  die 
Eroberung  ihrer  Freiheit  damit,  daß  sie  sich  die  Materie  durch  die 
Wissenschaft  dienstbar  zu  machen  sucht. 

Es  handelt  sich  um  nicht  mehr  als  drei  Jahrhunderte,  aber  in  dieser 
für  eine  derartige  Aufgabe  fast  lächerlich  kurzen  Zeitspanne  ist  von  dem 
Menschen  mehr  geleistet  worden  als  in  allen  vorangehenden  zwölf  Jahr- 
hunderten zusammengenommen.  Das  neunzehnte  Jahrhundert  insbesondere 
sollte  für  die  Ausbreitung  der  menschlichen  Kraft  für  sich  allein 
noch  einmal  ebensoviel  leisten,  wie  schon  die  drei  voraufgegangenen 
großen   Jahrhunderte   bisher   gemeinsam   geleistet   hatten. 

Dieses  für  die  Hebung  der  Menschheit  so  fruchtbare  Zeitalter  beginnt  mit 
der  Entdeckung  Amerikas  und  der  Erforschung  des  Erdballs;  hierbei  hat 
keiner  eine  wichtigere  Rolle  gespielt  als  Spanien. 


Wie  auf  dem  Boden  Frankreichs,  Englands,  Deutschlands  und  Italiens, 
halten  sich  auch  in  den  spanischen  Landen  alle  möglichen  Stämme  und 
Völker  zusammengefunden  und  miteinander  vermischt.  Vielleicht  ist  in 
das  Blut  von  Kelten,  Iberern,  Römern,  Westgoten  und  Vandalen,  die  alle 
abwechselnd  Sieger  oder  Besiegte  gewesen  sind,  auch  etwas  Araberblut  ge- 
drungen. Doch  es  ist  jedenfalls  nicht  viel  gewesen,  sind  doch  .A-raber  und 
Moslem  zwei  ganz  verschiedene  Begriffe,  die  man  nur  gewöhnlich  nicht  ge- 
nügend auseinanderzuhalten  vermag.    So  waren  bereits  im  10.  Jahrhundert 


l56  Sechstes  Buch. 


die  moslemischen  Bevölkerungsklassen  des  Landes  fast  immer  nur  von 
alters  her  eingesessene  Spanier,  die  zum  Islam  übergegangen  waren. 

Im  8.  Jahrhundert  waren  die  Araber  bereits  die  Herren  der  gesamten 
Halbinsel.  Ihr  Anführer  Abd-ar-Rahmän  gründete  damals  in  Cordova  ein 
spanisch-arabisches  Königreich,  das  zweihundert  Jahre  lang,  vom  Glücke 
begünstigt,  gedieh. 

Die  Christen  nahmen  nun  zunächst  ihre  Zuflucht  in  das  nördlich  ge- 
legene Gebirge  und  begannen  von  hier  aus  einen  unerbittlichen,  Jahre 
dauernden  Kampf  gegen  die  Araber;  doch  der  Erfolg  blieb  lange  aus.  Als 
Herren  Andalusiens  bebauten  die  Araber  seinen  reichen  Boden.  Große  mo- 
hammedanische Städte  waren  emporgewachsen,  wie  Toledo,  Cordova,  Gra- 
nada, Sevilla,  mit  blühenden  Industrien.  Im  Gegensatz  hierzu  waren  die  in 
das  steinige  Kastilien  und  das  bergige  Galizien  zurückgedrängten  Christen 
zwar  arm,  doch  tapfer  und  bescheiden. 

Aber  schließlich,  wenn  auch  erst  nach  langer  Zeit,  sollten  die  Christen  in 
diesen  verspäteten  Kreuzzügen  triumphieren.  Die  spanische  Seele  läutertev 
sich  in  ihnen.  Indem  sie  aber  auf  diese  Weise  an  Stolz  und  Tapferkeit  das 
denkbar  Äußerste  leistete,  wurde  sie  grausam  und  hart.  Kein  Volk  hat  so 
viel    Heldenmut    und   zugleich   so    viel    Barbarei    gezeigt. 

Der  volkstümlichste  Held  war  der  Cid,  der  an  Sagenhaftigkeit  sogar  noch 
Roland  übertrifft  (ii.  Jahrhundert).  Seine  halb  erfundene  Geschichte  wurde 
in  ungekünstelten,  doch  äußerst  schwungvollen  Versen  in  dem  Romancero 
del  Cid  (1245?)  erzählt,  einer  Dichtung,  die  zur  Verherrlichung  des  christ- 
lichen Geistes  und  der:  Würde  des  Rittertums  die  höchsten  Töne  anschlägt. 
Der  Romancero  bildet  an  der  spanischen  Literatur  den  Ausgangspunkt. 

Die  christlichen  Königreiche  der  Pyrenäenhalbinsel  waren  im  13.  Jahr- 
hunden Portugal,  Aragonien,  Kastilien,  Navarra,  Leon  und  Katalonien. 
Aber  die  starke  Konzentrationsbewegung,  die  damals  in  ganz  Europa  voc 
sich  ging,  dehnte  sich  auch  auf  seine  südwestliche  Halbinsel  aus  und 
schränkte  nach  imd  nach  die  Zahl  dieser  Reiche  so  ein,  daß  aus  ihrer  Ger 
samtheit  das  vereinigte  Königreich  Spanien  hervorging.  Nur  Navarra,  das 
von  den  alteingesessenen  Pyrenäenstämmen,  den  Basken,  bewohnt  war, 
sollte  lange  von  dem  übrigen  Spanien  getrennt  bleiben  und  auch  später 
nur  zur  Hälfte  spanisch,  zur  Hälfte  aber  französisch  werden.  Portugal 
allerdings  mit  seiner  besonderen  Sprache  bewahrte  schon  damals,  wie 
ja  auch  heute  noch,  seine  Selbständigkeit.  Doch  im  übrigen  wurde  nun 
Spanien    ein    einziges    Königreich. 

Zuerst  kamen  die  Könige  von  Kastilien  auf  den  spanischen  Thron.  Fer- 
dinand III.  vereinigte  die  Reiche  Kastilien  und  Leon  (i  129— 1252);   er  ver- 


Das  Königtum.  1 5^ 


trieb  die  Mauren  p.usi  Sevilla  und  Cadiz,  so  daß  auf  diese  .Weise  den  Moslems 
das  reiche  Königreich  Granada  blieb. 

Ganz  ebenso  hatten  sich  die  Könige  von  Aragonien  Kataloniens  bemäch- 
tigt und  damit  auch  Siziliens  und  Sardiniens. 

Der  Erbe  dieses  großen  Königreichs  Aragonien,  Ferdinand  V.  (1452  bis 
15 16),  w^urde  nun  durch  seine  Heirat  mit  der  Erbin  des  kastilischen  Thrones, 
Isabella,  im  Jahre  1474  der  Herr  der  gesamten  spanischen  Lande. 

Er  verjagte  auf  Nimmerwiedersehen  die  Moslems  aus  der  ganzen  Halb- 
insel (Belagerung  und  Eroberung  von  Granada  1492).  Den  Beinamen  eines 
Katholischen  hat  sich  dieser  König  durch  seinen  übermäßigen  Eifer  wahrlich 
verdient;  in  dem  letzten  furchtbaren  Vernichtungskampfe  gegen  die  Mauren 
hat  er  ebensoviel  Treulosigkeit  wie  Mut  gezeigt.  Er  hatte  den  Verteidigern 
des  belagerten  Granada  für  den  Fall  ihrer  Übergabe  Gerechtigkeit  und 
Freiheit  versprochen.  Doch  kaum  war  er  Herr  der  Stadt,  so  zwang  er  die 
Besiegten,  unter  Androhung  des  Scheiterhaufens  oder,  für  den  Fall  der  Be- 
gnadigung, der  Verbannung,  zur  Abschwörung  ihres  Glaubens.  Ganz  Anda- 
lusien wurde  geplündert  und  entvölkert.  Der  Sieg  war  so  vollständig,  daß 
die  kastilianischen  Heere  auch  noch  über  das  Meer  gingen  und  in  Marokko 
eindrangen.  Die  ganze  Berbernküste  wurde  für  einen  Augenblick,  wenn 
nicht  untertänig,  so  doch  wenigstens  tributpflichtig :  Tlemsen,  Bougie,  Oran, 
ja  sogar  Timis. 

Der  Kreuzzug  Ferdinands  V.  gegen  die  Juden  war  schon  weniger  rühm- 
lich. Die  Juden,  Handwerker,  Wucherer,  Händler,  manchmal  auch  Gelehrte, 
Künstler  und  Ärzte  und  von  überlegener  Kultur,  wehrten  sich,  als  ihren  ein- 
zigen Verteidigungswaffen,  mit  Wehklagen.  Sie  wurden  vertrieben,  ver- 
brannt und  zwangsweise  bekehrt.  Kurz,  sie  verschwanden  aus  Spanien  so 
gut  wie  ganz.  Es  blieb  nur  eine  kleine  Zahl  dieser  Unglücklichen  übrig,  die 
von  der  Inquisition  gehetzt  und  zu  einem  elenden  Schicksale  gezwungen, 
sich  nur  nach  der  arabischen  Herrschaft  zurücksehnen  konnten,  die  sicher 
weniger  barbarisch  war.  i 

Die  Inquisition,  die  i^rsprünglich  zur  Bekämpfung  der  Mauren  und  Juden 
begründet  worden  war,  hatte  eine  ganz  unglaubliche  Gewalt  erlangt,  ja 
war  mächtiger  als  die  Könige  selbst  geworden.  In  Frankreich,  in  Italien, 
in  Deutschland  hatten  diese  herrischen  und  glaubenswütigen  Mönche  bei 
den  Herrschern  nur  mäßige  Gunst  gefunden;  aber  in  Spanien  fanden  sie 
kein  Hindernis  auf  ihrem  Wege.  Was  der  Großinquisitor  auch  für  Befehle 
und  Anweisungen  geben  jnochte,  er  äußerte  sie  alle  im  Namen  der  Religion, 
und  so  waren  sie  geheiligt,  welche  sie  auch  sein  mochten.    Der  berühmte 


i58  Sechstes  Buch. 


^.Xorquemada,  der  (aus  Spanien  ein  Trümmerfeld  machte,  war  als  zerstörendes 
Element  tlicht  weniger  gefürchtet  als  ein  bewaffneter  Einfall  von  Barbaren. 
Bis  dahin  hatte  Spanien  über  die  Grenzpfähle  seiner  Halbinsel  hinaus  nur 
eine  sehr  verschwindende  Rolle  gespielt,  hatte  es  doch  mit  seinen  erbitterten 
Kämpfen  gegen  die  Mauren  vollauf  genug  zu  tun.  Mit  Ferdinand  V.  tritt 
es  nun  auch  auf  den  Kampfplatz  der  europäischen  Mächte,  um  als  eine 
ebenbürtige  Wettbewerberin  mit  ihnen  um  die  Palme  zu  ringen.  Sein  kriegs- 
gewohntes Heer  sollte  von  nun  an  von  Eroberung  zu  Eroberung  schreiten 
und  Spanien  im  i6.  Jahrhundert  zur  bedeutendsten  Militärmacht  der  Welt 
werden  lassen.  Am  Schlüsse  seines  Lebens  sieht  sich  Ferdinand  V.  sogar 
als  Herrn  eines  Teils  von  Italien.  Er  kann  als  derjenige  betrachtet  werden, 
der  den  Ruhm  Karls  V.  vorbereitet  hat. 


Doch  nicht  bloß  auf  Europas  Grenzen  beschränkt  sich  die  Ausdehnung 
Spaniens.  Sie  genügen  seinem  Volke  nicht,  und  es  geht  über  das  Atlantische 
Meer  und  schafft  drüben  die  Grundlage  zu  einer  neuen  Welt. 


So  unglaublich  es  klingt,  die  Alten  wußten  in  der  Tat  auf  dem  Erdballe 
von  nichts  anderm  als  von  Europa  und  den  Ländern  um  das  Mittelmeer. 
Bei  dem  Periplus  des  Hanno  handelte  es  sich  um  eine  nur  vereinzelte  Ent- 
deckungsfahrt und  bei  Piatos  Atlantis,  jener  großen  Wunderinsel  jenseits 
der  Säulen  des  Herkules,  wahrscheinlich  nur  um  eine' Sage. 

Im  lo.  und  ii.  Jahrhundert  wagte  sich  eine  kühne  Schar  normannischer, 
dänischei  und  norwegischer  Entdecker  aufs  Weltmeer  hinaus.  Einige  von 
ihnen  erreichten  auch  Grönland;  andere  drangen  sogar  ganz  sicher  schon 
damals  bis  nach  Amerika  vor.  Doch  das  war  von  geringer  Bedeutung,  zogen 
doch  weder  der  Handel  noch  die  geographischen  Wissenschaften  irgend- 
welchen Nutzen  aus  ihren  Entdeckungen. 

Doch  Ehre  sei  der  ungewöhnlichen  Waghalsigkeit,  Kühnheit  und  Unter- 
nehmungslust, so  ohne  Führer  aufs  ungefähre  den  Küsten  den  Rücken  zu 
kehren  und  sie  immer  weiter  hinter  sich  zu  lassen,  um  in  die  einsamen 
Fernen    unbekannter   Weltmeere   hinauszusegeln! 

Später  wurden  die  Reisen  leichter,  dank  der  Erfindung  des  Kompasses, 
eines  Magneteisens  oder  einer  Magnetnadel  {Kalamit),  die  sich  immer  wie- 
der einer  und  derselben  Himmelsrichtung  zuwenden  mußten.  Es  ist  nicht 
genau   bekannt,   ob   diese  Entdeckung  chinesischen  oder   arabischen   Ur- 


Das  Königtum.  169 

Sprungs  ist.  Jedenfalls  war  sie  schon  im  11',  JißJirhuadert  den  Qiristen  be- 
kannt, so  daß  bereits  bei  den  Kreuzfahrern  auf  ihren  Biiinenmehrfahrten 
der  Gebrauch  des  Kompasses  gang  und  gäbe  war. 

Ein  neapolitanischer  Seemann  Flavio  Gioja  kam  auf  den  genialen  Ge- 
danken, die  Magnetnadel  auf  einem  Stift  anzubringen  und  das  Ganze  in 
einem  solchen  Gehäuse  frei  schweben  zu  lassen,  das  selbst  wieder  durch 
seine  eigenartige  schwebende  Lagie  gegen  die  Schwankungen  des  Schiffes 
geschützt  war  (1302). 

Es  waren  die  Portugiesen,  die  diesen  so  sinnreichen  Mechanismus  zum 
ersten  Male  nutzbar  machten.  Zu  einer  Zeit,  wo  der  Venetianer  Marco  Polo 
die  Länder  des  äußersten  Ostens,  China  imd  Japan,  erforschte  (1307),  wo 
die  Genuesen  und  die  Neapolitaner  in  Handelsverkehr  mit  Indien  traten, 
entdeckten  die  Portugiesen  bei  ihren  afrikanischen  Küstenfahrten  die  nord- 
westliche Inselwelt  dieses  Erdteils  und  begannen  sogleich  die  Ansiedlung 
des  neuentdeckten  Landes. 

Der  König  von  Portugal,  Heinrich,  mit  dem  Beinamen  der  Seefahrer 
(1390— 1460),  förderte  den  Unternehmungsgeist  seiner  Untertanen  aufs 
kräftigste.  Unter  seiner  Regierung  lernten  die  Portugiesen  die  Kap  Ver- 
dischen  Inseln  mit  Sao  Vicente,  wohin  sie  zuerst  kamen,  dann  Madeira 
(1420)  und  die  Azoren  (1431)  kennen.  Alle  wurden  Ansiedlungen,  die  sich 
gut  fortentwickelten. 

Als  die  Portugiesen  ihre  afrikanischen  Küstenfahrten  immer  weiter  aus- 
dehnten, entdeckten  sie  schließlich  Guinea  imd  den  Kongo  (1481).  Sie 
wagten  sich  nicht  'recht  in  das  unheimliche  Innere,  vor  dessen  mannigfaltigen 
Gefahren  und  schädlichen  Gesundheitseinflüssen  sie  sich  fürchteten.  Aber 
sie  tauschten  mit  den  Küstennegern  einige  minderwertige  Kurzwarenartikel 
igegen  Goldstaub  aus. 

Alle  diese  Seeleute  hatten  dieselbe  Hoffnung.  Indien  mit  seinen  Perlen, 
seinen  kostbaren  Hölzern,  seinen  prächtigen  Stoffen  zog  sie  an.  Sie  dach- 
ten, daß  sie,  wenn  sie  an  der  Küste  Afrikas  immer  weiter  entlang  führen, 
schließlich  Indien  erreichen  müßten.  Eine  überseeische  Entdeckungsfahrt 
unter  der  Leitung  von  Diaz  (i486)  kam  bis  zu  der  äußersten  Südspitze  von 
Afrika,  wobei  er  das  Kap  der  Guten  Hoffnung  (Vorgebirge  der  Stürme) 
kennen  lernte. 

Man  schloß  hieraus,  daß  man  nicht  auf  dem  richtigen  Wege  nach  Indien 
sei.  Da  nun  die  Portugiesen  mit  eigensinniger  Hartnäckigkeit  immer  wieder 
den  Weg  durch  das  Mittelmeer  einschlugen,  um  ihn,  wie  sie  sich  irrtümlich 
dachten  und  wie  es  heute  möglich  wäre,  dann  durch  das  Rote  Meer  fortzu- 
setzen, aber  jedesmal  von  neuem  bei  der  damals  üoch  nicht  durchstochenen 


l6o  Sechstes  Buch. 


Landenge  von  Suez  die  ersehnte  Verbindung  zwischen  beiden  Meeren  ver- 
missen mußten,  so  war  auch  nun  der  Seeweg  nach  Indien  noch  immer  nicht 
gefunden.  Ohne  etwa  irgendeinen  klaren  Begriff  von  der  Kugelgestalt  der 
Erde  zu  haben,  kam  gleichwohl  schon  damals  mancher  auf  den  Gedanken, 
daß,  wenn  man  immer  weiter  nach  Westen  führe,  man  schließlich  irgendwo 
Asien  wiederfinden  müsse.  Es  war  das  nur  so  eine  kindliche  Phantasie  ohne 
jede  reale  Grundlage!  Viele  unter  den  kühnen  portugiesischen  Seefahrern 
halten  ohne  Zweifel  einen  solchen  Gedanken  gehabt,  der  italienische  Geo- 
graph Toscanelli  zum  Beispiel:  aber  es  gab  nur  einen  Mann,  der  ihn  in 
die  Tat  umsetzte :  es  war  Christoph  Kolumbus  (italienisch  Cristoforo  Co- 
lombo,  spanisch  Cristobal  Colon,  1446  bis  1506). 

Kolumbus  war  in  Genua  als  Sohn  armer  Weber  geboren.  In  zarter  Jugend 
kam  er  schon  nach  Portugal,  verheiratete  sich  dort,  machte  Fahrten  durchs 
Miltelmeer,  zu  den  Azoren  und  zum  Kap  Verde  und  wurde  ein  erfahrener 
Seemann.  Da  versuchte  er,  König  Johann  II.  von  Portugal  für  ein 
Unternehmen  zu  gewinnen,  das  sein  Denken  und  Trachten  erfüllte  (1488); 
doch  er  wurde  zurückgewiesen.  Neue  Gedanken  finden  bei  den  Königen 
genau    so  wenig  Verständnis  wie  bei  der  großen   Masse. 

Aber  nach  vielen  Bemühungen  gelang  es  ihm  gleichwohl,  die  Königin 
Isabella  von  Spanien  seinem  allerdings  auf  den  ersten  Blick  kaum  durch- 
führbar erscheinenden  Vorhaben  geneigt  zu  machen. 

Er  segelte  von  Palos  am  3.  August  1492  ab  mit  drei  Karavellen,  die  ihm 
Isabella  zugestanden  hatte  (La  Capitana,  La  Pinta,  La  Nifia).  Die  Besatzung 
war  neunzig  Mann  stark,  lauter  Spanier  bis  auf  einen  Engländer.  Am 
9.  August  erreichte  er  die  Kanarischen  Inseln,  wo  er  sich  fast  einen  Monat 
aufhielt.  Am  6.  September  fuhr  er  wieder  ab  und  steuerte  nach  Westen, 
d.  h.  ins  vollkommen  Unbekannte.  Zweiunddreißig  Tage  ununterbrochen 
hintereinander  fuhr  er  kühn  und  verwegen  immer  geradeaus  und  immer 
weiter  und  weiter,  ohne  sich  durch  die  wiederholt  in  stürmischer  Weise 
geäußerten  Bedenken  in  dem  sich  einmal  gesetzten  Ziele  beirren  zu  lassen. 
Doch  sprachen  bereits  gewisse  Zeichen  dafür,  daß  das  Land  nichlt  mehr 
allzufern  sein  könne.  Es  wurden  Vögel  und  schwimmende  Hölzer  sichtbar. 
Am  12.  Oktober  1492  tauchte  beim  ersten  Morgengrauen  —  man  kann  sich 
die  unsägliche  Freude  denken!  —  ein  Eiland  im  schmucken  Grün  auf.  Es 
war  San  Salvador,  eine  der  Bahamainseln.  Kolumbus  ging  als  erster  an 
Land\und  pflanzte,  auf  die  Knie  sinkend,  sein  nach  damaliger  Art  kreuz- 
förmiges Schwert  auf  dieses  unbekannte  Land  auf,  als  ein  Sinnbild  für  seine 
nunmehrige  Besitzergreifung  im  Namen  seines  Fürsten  und  in  dem  seines 
Heilandes,  nach  dem  er  die  Insel  benannte  (San  Salvador  =  Heiland). 


Das  Königtum.  i6l 


Bei  den  Wilden,  die  von  allen  Seiten  nackt,  wie  sie  die  Natur  geschaffen 
halte,  herbeiliefen,  erkundigte  er  sich,  ob  sie  nicht  Gold  hätten,  das  sie 
ihm  bringen  könnten. 

Da  er  jedoch  kein  Gold  vorfand  und  immer  noch  hoffte,  auf  die  fabel- 
haften Reichtümer  jenes  gesuchten  Indiens  zu  stoßen,  das  er  nun  ganz  nahe 
glaubte,  machte  er  sich  auf  die  Weiterfahrt.  Nun  entdeckte  er  noch  zwei 
Inseln,  zuerst  Cuba  und  dann  Haiti,  wo  er  eine  kleine  Besatzung  zurück- 
ließ, um  nun  nach  Europa  heimzukehren  (15.  März,  1493).  Er  wurde  wie 
ein  Triumphator  empfangen.  Wenn  der  spanische  Hof  auch  noch  nicht  die 
Bedeutung  des  Ereignisses  in  seiner  ganzen  Tragweite  übersah,  so  begriff 
er  doch  soviel,  daß  es  keine  Kleinigkeit  war,  was  der  genuesische  Seemann 
mit  seinen  drei  erbärmlichen  Karavellen  geleistet  hatte.  So  wurden  ihm 
denn  für  eine  zweite  Reise  auch  schon  siebzehn  Schiffe  gewährt  und  fünf- 
zehntausend Mann  mitgegeben,  die  zukünftigen  Ansiedler  einer  neuen  Welt. 
Schnell  war  man  reisefertig;  jeder  wollte  gern  der  erste  sein,  der  in  den 
Gold-  und  Wunderländern  ankam. 

Kolumbus  verließ  nun  Spanien  zum  zweitenmal  am  25.  September  1493. 
Neue  Inseln  wurden  entdeckt,  und  in  Cuba  und  Haiti  eine  zukunftsreiche 
spanische  Besiedlung  angebahnt.  Kolumbus  verblieb  dort  zwei  Jahre  und 
behandelte  die  schwächlichen  Eingeborenen  zwar  hart,  doch  nicht  mit  der 
Roheit,  die  die  andern  Europäer  gegen  sie  anwandten,  die  beutegieriger  als 
eine  Schar  Raubvögel  sich  um  ein  Wildbret  imtereinander  rauften,  wie  ein 
Schwärm  Geier  um  ein  Aas. 

Am  Hofe  von  Madrid  regten  sich  Ränke  und  Umtriebe.  Kolumbus  wurde 
zurückgerufen,  um  sich  wegen  gewisser  Handlungen  und  Äußerungen  zu 
rechtfertigen;  er  tat  das,  so  gut  er  konnte,  und  fuhr  noch  einmal  aus.  Aber 
mit  den  Zeiten  seines  Ruhmes  war  es  vorüber.  Die  Antillen  waren  in 
königlichen  Besitz  übergegangen,  und  schon  machte  man  dem  Kolumbus 
seine  Vorrechte  streitig.  Es  war  das  um  so  eher  möglich,  als  mit  der  spa- 
nischen Herrschaft  zugleich  Unordnung,  Anarchie,  Plünderung  und  Roheit 
eingezogen  waren.  Ein  von  dem  König  entsandter  Statthalter  namens  Boba- 
dilla  beschlagnahmte  die  Güter  des  Mannes,  der  die  Neue  Welt  entdeckt 
hatte.  Kolumbus  wurde  ins  Gefängnis  geworfen  und  bald  wie  ein  Über- 
führter  in  Ketten  nach  Europa  zurückgeschafft,  wo  er  dann  endlich  frei- 
gelassen wurde.  Aber  er  hatte  auch  auf  dieser  Reise  neue  Länder  entdeckt 
und  das  amerikanische  Festland  aufgefunden  (Columbia  und  Venezuela, 
1508).  Allein  er  selbst  ließ  sich  von  seinem.  Glauben  nicht  abbringen,  daß 
er  in  Indien  gewesen  sei. 
11  Riebet,  Geschichte  der  Menschheit 


i62  Sechstes  Buch. 


Er  machte  noch  eine  letzte  Reise,  die  nichts  weniger  als  glücklich  war. 
Im  Jahre  1504  kehrte  er  nach  Spanien  zurück,  gealtert,  entmutigt,  verkannt 
und  auch  nur  von  wenigen  erkannt,  ein  in  ein  eigenartiges  religiöses  Schwär- 
mertum  versunkener  phantastischer  Projektenmacher.  Er  erfuhr  die  Qualen 
des  Siegers,  der  seinen  Ruhm  überlebt,  und  sah  sein  Werk  der  Raubgier  der 
damaligen  Jugend  preisgegeben. 

Die  von  ihm  entdeckte  Welt  trägt  auch  nicht  'den  Namen  des  Kolumbus. 
i  Durch  eine  jener  vielen  Ungerechtigkeiten,  deren  Urheber  unbekannt  ge- 
I  blieben  sind  und  sich  so  der  Verantwortung  entzogen  haben,  trägt  Amerika 
den  Namen  eines  florentinischen  Seefahrers  Amerigo  Vespucci,  der  auf  sei- 
ner ersten  Reise  in  spanischem  Auftrage  zum  zweiten  Male  nach  Kolumbus 
■'Miltelamerika    (1497)  und  auf  seiner  dann  folgenden  in  portugiesischem 
Auftrage  zum  zweiten  Male  nach  Pedro  Cabral  Brasilien  (1503)  entdeckte. 
Doch  darum  bleibt  der  Ruhm  des  wagemutigen  Genuesen  ungeschmälert. 
Er  besitzt  —  imd  das  ist  das  Kennzeichen  der  größten  unter  den  Menschen  1 
1  —  Kühnheit  im  Handeln  wie  im  Denken.    Weder  haben  die  Spötteleien  an- 
derer sein  Denken  beeinflussen  noch  ihre  Zweifel  sein  Handeln  beeinträch- 
tigen können.   Niemals  (hat  jemand  vorher  oder  nachher  mit  so  erbärmlichen 
Hilfsmitteln   einen  so  folgenreichen   Sieg  über   entfesselte   Elemente  und 
feindliche  Menschen  davongetragen. 

Während  Spanien  sich  der  Antillen  und  des  amerikanischen  Festlandes 
bemächtigte,  wurden  von  selten  Portugals  nicht  geringere  Eroberungen  ge- 
macht. 

Bartholomäus  Diaz  hatte  sich  nicht  recht  über  das  von  ihm  entdeckte 
gefährliche  Kap  der  Guten  Hoffnung,  das  er  selbst  wohlweislich  Vorgebirge 
der  Stürme  benannte,  hinausgetraut.  Vasco  de  Gama  unternahm  dies  Wag- 
nis und  fuhr  weiter  die  Ostküste  Afrikas  hinauf,  bis  er  in  das  Gebiet  von 
Mozambique  kam.  Hier  fand  er,  friedlich  mit  den  einheimischen  Negern 
vereint,  Araber,  die  ihm  den  Weg  nach  Indien  genau  zeigten.  Auf  seiner 
ersten  Reise  nach  Asien  (1497)  hatte  man  Vasco  beinahe  für  einen  Men- 
schenfreund halten  können,  der  es  nur  nebenbei  auf  ein  paar  einträgliche 
Geschäfte  abgesehen  hatte;  aber  schon  fünf  Jahre  später  zeigte  er  sich  in 
seiner  ganzen  grausamen  Unbarmherzigkeit.  Auf  der  Reede  von  Kalkutta, 
dem  Haupthafen  Indiens,  erklärte  er  als  den  einzig  berechtigten  Herrscher 
dieses  so  gewaltigen  Reiches  den  König  von  Portugal.  Und  da  weder  die 
indischen  Rajahs  noch  die  arabischen  Kaufleute  sich  ihm  fügen  wollten, 
beschoß  er  die  Stadt  mit  den  allerneuesten,  soeben  auf  den  Schiffen  einge- 
führten unförmigen  Sprengmaschinen.  Nun  stellte  er  wie  ein  richtiger  See- 
räuber auf  die  schwachen  indischen  Fahrzeuge  Jagd  an,  bohrte  die  Schiffe 


Das  Königtum.  163 

in  den  Grund,  metzelte  die  Mannschaften  nieder  und  nahm  das  aus- 
schließliche Recht  des  Handelsverkehrs  für  Portugal  in  Anspruch.  Von 
Furcht  und  Schrecken  gelähmt,  gingen  die  Einheimischen  auf  alles  ein. 

Jedes  Jahr  bewegte  sich  jetzt  von  neuem  ein  portugiesisches  Geschwader 
die  afrikanische  Küste  entlang,  bis  es  in  Indien  anlangte  und  Soldaten  und 
Statthalter  dorthin  brachte.  Eine  dieser  Fahrten,  die  Cabral  leitete,  verirrte 
sich  nach  Westen  und  endete  an  der  Küste  Brasiliens  („Land  mit  den  roten 
Hölzern").  Felix  culpa  1  Brasilien  sollte  bald  die  größte  und  reichste  der 
portugiesischen  Kolonien  werden. 

Der  Handel  der  Portugiesen  in  Indien  war  streng  militärisch  geordnet. 
Sie  sandten  Schiffe,  ließen  sich  an  irgendeinem  abgesonderten  imd  durch 
einen  sicheren  Hafen  geschützten  Orte  nieder,  bauten  dort  eine  Festung 
und  zwangen  die  Einwohner  der  gesamten  Umgegend,  ihnen  die  Erzeugnisse 
ihres  Bodens,  Spezereien,  Stoffe,  ja  sogar  Sklaven  zu  verkaufen.  Zudem  er- 
kannten sich,  einer  auch  von  den  Holländern,  Franzosen,  ja  sogar  Englän- 
dern treu  gewahrten  Überlieferung  zufolge,  die  verschiedenen  Vizekönige 
gegenseitig  nicht  an.  Doch  im  Anfang  ging  alles  gut.  Albuquerque  legte 
zu  Goa  einen  bedeutenden  Kriegshafen  an  (15 10)  und  setzte  sich  in  Malakka 
und  dann  auch  in  Ormus  fest  (15 15). 

Schon  damals  war  das  portugiesische  Kolonialreich  ganz  unermeßlich. 
Und  doch  sollte  es  sich  bald  noch  weiter  ausdehnen.  Indochina,  die  Mo- 
lukken,  Borneo,  Sumatra,  gar  nicht  zu  sprechen  von  dem  Roten  Meer  und 
dem  Persischen  Meerbusen,  alle  diese  Gegenden  achteten  keine  andere 
Fahne  als  die  portugiesische.  Alle  Meere,  gleichviel,  ob  asiatisch  oder 
afrikanisch,  waren  portugiesisch  geworden.  Kein  Kolonialreich  ist  so 
ausgedehnt,   aber  auch   so  gebrechlich  gewesen! 

Portugals  Hauptstadt  Lissabon  war  damals  im  16.  Jahrhundert  eine 
der  reichsten  Städte  der  Welt.  Die  von  seinem  Volke  gesprochene  Sprache 
hatte  allmählich  ihren  Abschluß  gefunden  und  zeichnete  sich  durch  Le- 
bendigkeit, Klarheit  und  Bilderreichtum  aus.  Ein  großer  Dichter, 
Camöes  (ij72J^  feierte  die  hehren  Taten  der  heldenmütigen  Seefahrer, 
die  auf  eine  kurze  Zeit  ihrem  so  kleinen  romanischen  Volke  das  mächtigste 
Reich  der  Welt  geschenkt  hatten  (Lusiaden). 

Die  Spanier  nutzten  die  Reisen  des  Kolumbus  ebenso  gründlich  aus 
wie  die  Portugiesen  die  des  Vasco  de  Gama,  Im  Jahre  1520  nahm  ein 
Angehöriger  des  letzteren  Volkes,  Magalhaes,  dem  die  ersteren  ein  Ge- 
schwader von  fünf  Schiffen  anvertraut  hatten,  wieder  den  alten  Gedanken 
des  Kolumbus  auf,  daß,  wenn  man  immer  nach  Westen  steure,  man 
schließlich  Indien  finden  müsse.  Er  fuhr  Südamerikas  ganze  Küste  ent- 
11* 


l64  Sechstes  Buch. 


lang,  dann  durch  die  nach  ihm  benannte  Magalhaes- Straße  und  schließlich 
in  einen  bisher  unbekannten  gewaltigen  Ozean  ein,  den  Stillen  Ozean.  Nach 
einer  langen,  nicht  endenwollenden  Seefahrt  kam  er  dann  auf  den  Philip- 
pinen an,  wo  er  seinen  Tod  fand.  Seine  Mannschaft,  die  immer  weiter  nach 
Westen  steuerte,  erreichte  noch  die  Molukkeninseln,  wo  die  Portugiesen 
bereits  einen  regelrechten  Handel  trieben.  Einem  der  Schiffe  des  Ma- 
galhaes gelang  es,  nach  Etiropa  zurückzukehren;  seit  seiner  Abfahrt  waren 
gerade  drei  Jahre  vergangen.  Zum  ersten  Male  war  nun  ein  Schiff  um 
die  ganze  Erde  herumgefahren. 

Auf  den  Antillen  hatte  Kolumbus  nur  ganz  wilde  Stämme  gesehen.  Es 
waren  Leute  von  mittlerem  Wüchse  mit  kleinen  und  geschlitzten  Augen, 
vorstehenden  Backenknochen  und  borstigem  Haare,  Leute,  die  nicht  lesen 
und  schreiben  konnten,  wohl  aber  Feuer  anzumachen,  Kanoes  und  Hütten 
zu  bauen  und  allerlei  Töpferwaren  -  zu  verfertigen  wußten.  Als  aber 
I  Pedro  de  Halvaredo  im  Auftrage  des  Statthalters  von  Cuba  in  Mexiko 
i  eindrang  (15 17),  traf  er  dort  völlig  zivilisierte  Völkerschaften  an.  Diese 
Mexikaner  waren  von  fast  gleicher  Abstammung  wie  die  Eingeborenen  der 
Antillen,  und  doch  waren  sie  keine  Wilden  mehr. 

In  bezug  auf  die  Herkunft  der  Stämme,  die  den  riesigen  amerikanischen 
Erdteil  in  dem  Augenblicke  bewohnten,  wo  dieser  von  den  Europäern  ent- 
deckt wurde,  ist  man  auf  reine  Hypothesen  angewiesen.  Es  sieht  fast  so 
aus,  als  ob  alle  diese  Rassen  einen  gleichen  mongolischen  Ursprung  haben 
und  als  ob  sie  von  asiatischen  Wanderungen  aus  über  den  äußersten 
Norden  Sibiriens  nach  Alaska  hinübergegangen  seien,  ohne  das  Meer  allzu- 
viel berührt  zu  haben,  und  sich  von  da  über  ganz  Amerika  ausgebreitet, 
sich  hier  fortgepflanzt  und  nach  mehreren  Arten  unterschiedlich  geteilt 
hätten. 

Wer  eine  ganz  oberflächliche  ethnographische  Einteilung  der  Mensch- 
heit entwerfen  wollte,  könnte  etwa  sagen,  daß  Europa  von  den  Weißen, 
Afrika  von  den  Schwarzen,  Asien  oder  zum  allermindesten  Ostasien  von  den 
Gelben  und  Amerika  von  Stämmen  bevölkert  sei,  die  den  Gelben  ganz  nahe 
stünden  und  wohl  von  ihnen  stammen  müßten,  mit  olivenbrauner  Haut, 
spärlichem  Bartwuchs  und  gesträubtem  Haar. 

Die  Hypothese,  die  die  größte  Wahrscheinlichkeit  für  sich  hat,  ist  die, 
daß  die  Gelben  durch  die  amerikanischen  Boden-  und  Klimaverhältnisse 
etwas  gewandelt  sich  in  ganz  Amerika  ausbreiteten.  Die  einen  blieben  in 
den  nordamerikanischen  Prärien  (Rothäute).  Sie  führten  ein  Nomaden- 
ieben, waren  Fischer  oder  Jäger  und  trieben  nur  höchst  selten  Ackerbau. 
Andere  gingen  mehr  nach  Süden.  Hier  unter  dem  milderen  Himmel  wurden 


Das  Königtum.  i65 


diese  Wilden  zivilisierte  Menschen  und  schlössen  sich  auch  zu  richtigen 
Völkern  zusammen.  Diese  Stämme,  die  um  so  kultivierter  wurden,  je  näher 
sie  dem  Äquator  kamen,  sind  wohl  früher  sehr  viel  zahlreicher  und  stärker 
als  heute  gewesen,  nach  den  Spuren  zu  urteilen,  die  sie  beispielsweise  an 
den  Ufern  des  Mississippi  hinterlassen  haben.  In  dem  Maße,  wie  man 
umgekehrt  unter  den  Äquator  hinuntergeht,  sieht  man  wieder  der  Wilden 
Lebensweise  in  die  Erscheinung  treten.  Die  Patagonier  Südamerikas  waren 
noch  roher  und  'Ungebildeter  als  die  Sioux  Nordamerikas, 

In  Mexiko,  in  Honduras,  in  Peru  war  die  Zivilisation  schon  sehr  alt. 
Es  gab  dort  bereits  Könige  (Inkakönige)  und  eine  von  Priestern  bediente 
Religion.  Majestätische  .Gebäude  schmückten  die  größeren  Städte,  in 
denen  schon  damals  Reiche  und  Arme,  Edelleute  und  Handwerker, 
Maler,  Bildhauer,  Ärzte,  Dichter  und  Soldaten  vertreten  waren.  Die 
Mexikaner  hatten  also,  ganz  wie  Europäer,  eine  alte  Geschichte,  die  jedoch 
etwas  dunkel  ist  und  uns  nicht  so  anzieht,  weil  ihr  Stamm  uns  ganz 
fremd  ist  und  in  seinem  Dasein  auch  nicht  den  geringsten  Einfluß  auf 
das   unsere  gehabt   hat. 

Auch  sie  haben  die  Einfälle  fremder  Völker  und  die  Eroberungskriegte 
gekannt.  Zu  der  Zeit,  wo  die  Spanier  hinüberkamen,  waren  die  bisherigen 
Mexikaner  (Nahuas,  Tolteken)  unter  dem  Joch  der  Azteken,  der  Eroberer 
ihres  Landes. 

In  Peru,  in  Yukatan,  in  Mexiko  bleiben  von  der  an  Glücks-  und  Un- 
glücksfällen wahrscheinlich  reichen  ganzen  langen  Vergangenheit  nur  noch 
einige  kümmerliche  Stämme  elender  Mischlinge  und  einige  die  Spuren  alter 
Herrlichkeit  zeigende  Ruinen.  So  kann  eine  ganze  gewaltige  zivilisierte  Welt 
verschwinden  und  zugrunde  gehen,  ohne  irgend  etwas  anderes  zu  hinter- 
lassen als  Steintrümmer  für  Touristen  und  Sehenswürdigkeiten  für  Museen. 

Es  scheint  übrigens  nicht,  als  ob  die  Mexikaner  imstande  gewesen  seien, 
irgendeine  nennenswerte  wissenschaftliche  oder  sittliche  Höhe  zu  erreichen. 
Ihre  Kunst  war  plump,  ujid^von^  jhren  Schriften  ist  nichts  auf  uns  ge- 
kommen. Sie  beteten  äußerst  blutdürstige  Götzen  an,  und  so  standen  die 
Menschenopfer  bei  ihnen  in  hoher  Gunst.  Ihr  Hauptgott  war  eine  Art 
Moloch  mit  dem  drolligen  Namen  Huitzilopochtli  (Vitzliputzli),  zu  dessen 
Ehren  man  ab  und  zu  eine  Anzahl  Kriegsgefangene  schlachtete;  es  sollen 
angeblich  einmal  an  einem  Tage  siebzigtausend  gewesen  sein.  Die  sieg- 
reichen Azteken  wurden  von  der  uransässigen  Bevölkerung,  die  ihnen  nur 
durch  die  blutigsten  Kriege  untertänig  geworden  war,  aufs  höchste  gehaßt 
und   verabscheut. 

So  wenig  uns  auch  alle  diese  so  knechtischen  und  gleichzeitig  so  durch- 


i66  Sechstes  Buch. 


triebenen,  auf  einer  so  hohen  und  zugleich  so  kindlichen  Kulturstufe 
stehenden  Völkerstämme  anheimeln  mögen,  so  können  wir  uns  darum 
gleichwohl  doch  nur  mit  dem  höchsten  Abscheu  von  der  unglaublich 
rohen  Grausamkeit  abwenden,  mit  der  Fernando  Cortez,  der  spanische 
Conquistador,  und  seine  Nachfolger  diese  Unglücklichen  behandelten,  und 
müssen  das  —  was  die  Mexikaner  betrifft  —  um  so  mehr,  als  diese  damals 
vollkommen  verteidigungsunfähig  waren.  Mit  ihren  Schiffen,  Haken- 
büchsen, Pferden  erschienen  überdies  die  Spanier  wie  übernatürliche  Wesen, 
gegen  die  irgend  etwas  zu  wagen  vollkommen  überflüssig  sei.  Cortez  hatte 
nicht  mehr  als  fünfhundertundfünfzig  Soldaten  bei  sich.  Diese  Handvoll 
Leute  genügte,  um  ein  unbekanntes,  dreimal  so  großes  Land  »wie  Spanien 
mit  mehreren  Millionen  Einwohnern  zu  unterwerfen.  Durch  Verrat  be- 
mächtigte er  sich  des  Königs  von  Mexiko,  Montezuma,  und  wurde  hierauf 
innerhalb  von  vier  Jahren  Herr  des  ganzen  Landes.  Diese  vier  Jahre 
bildeten  nur  eine  herzzerreißende  Orgie  von  Zerstörungen,  Gemetzel  und 
Plünderungen.  Die  einheimische  mexikanische  Rasse  wurde  stark  gelichtet, 
aber  der  kleinen  spanischen  Truppe  gelang  es,  Mexiko,  Guatemala  und 
Honduras  zu  erobern.  Cortez  selbst  aber  kehrte  nur  wenige  Jahre  später 
nach  Spanien  zurück,  wo  er,  von  den  meisten  seiner  früheren  Freunde  ver- 
lassen, starb  (1547). 

Alles,  was  uns  bei  der  Eroberung  von  Mexiko  entgegengetreten  war, 
wiederholte  sich  ganz  ebenso  bei  der  von  Peru.  Auch  in  diesem  Lande  war 
eine  uralte  Zivilisation  heimisch.  Nachdem  die  Inkas,  ein  Volk,  das  zur 
Hälfte  aus  Kriegern  bestand,  die  verschiedenen  älteren  Stämme,  die  vor 
ihnen  Peru,  Bolivia  und  Chile  innegehabt  hatten,  zu  unterwerfen  verstanden 
hatten,  hatten  sie  es  verschmäht,  eine  so  kindliche  Zivilisation,  wie  sie  etwa 
die  Mexikaner  besaßen,  nun  auch  für  ihr  Volk  aufzubauen.  Götter  aus 
reinem  Golde,  doch  weniger  blutgierig  als  die  mexikanischen,  wenn  auch 
ganz  ebenso  stumpfsinnig,  wurden  in  den  prunkvollen  Tempeln  angebetet. 
Gold  war  also,  wie  man  sieht,  in  solchem  Überfluß  vorhanden,  daß  es  wahr- 
haftig die  Raubgier  der  europäischen  Abenteurer  heranlocken  konnte.  Doch 
erfolgreich  war  unter  den  vielen  allein  ein  Schweinehirt  namens  Francisco 
"IPizarro.  Mit  zweihundert  Soldaten  drang  er  in  Peru  ein  (1532).  Die  Perua- 
ner, uneinig,  abgestumpft,  ängstlich,  wie  sie  waren,  wurden  ohne  Kampf 
besiegt  und  ohne  Widerstand  niedergemetzelt.  Sie  suchten  vergeblich  sich 
durch  Gold  loszukaufen.  Die  Spanier  nahmen  das  Gold,  was  sie  aber  nicht 
hinderte,  den  Überbringern  die  Kehle  abzuschneiden.  Zudem  konnten  sich 
die  Plünderer  auch  nicht  untereinander  verständigen.  Die  ganze  Geschichte 
der  Eroberung    von  Peru  hallt    von  den    persönlichen  Streitigkeiten     der 


Das  Königtum.  167 

beiden  triumphierenden  großen  Räuber  Almagro  und  Pizarro  um  die 
Beute  wider. 

Diesen  blutigen  Räubereien,  den  gemeinsten  in  der  ganzen  Geschichte 
der  Menschheit,  trat  ein  einziger  Mann  entgegen,  ein  Priester  (von  dem 
Orden  der  Dominikaner,  Bartolomeo  de  las  Casas  (Bartholomäus  de  Casis). 
Unermüdlich  in  der  Verteidigung  der  unterdrückten  Eingeborenen,  fuhr  er 
zwölf  mal  immer  von  neuem  über  das  Weltmeer  nach  Spanien  Zurück,  um 
die  Könige  seines  Heimatlandes  zu  veranlassen,  den  maßlosen  Erpressungen 
und  Ausbeutungen  jener  durch  die  Ansiedler  und  Statthalter  für  'immer 
einen  Riegel  vorzuschieben.  Aber  seine  Stimme  fand  nur  ßelten  Gehör, 
und  sein  Name  ist  wenig  genannt.  Es  geht  .einem  nmmer  so,  wenn  man  die 
Gerechtigkeit  anruft. 

Fünfzig  Jahre  waren  seit  dem  Tage  verflossen,  an  dem  Kolumbus  zum 
ersten  Male  Land  von  dem  neuen  Erdteile  bemerkt  hatte,  und  schon 
war  eine  ganze  Welt  erobert  worden,  erobert,  bevor  sie  noch  durchforscht 
war.  Mexiko,  Florida,  die  Antillen,  Mittelamerika,  Peru  und  Chile  waren 
spanisches  Land  geworden.  Die  Eingeborenen  kamen  nicht  mehr  in  Be- 
tracht. Als  eine  minderwertige  Rasse,  die  dazu  verurteilt  war,  einer  lebens- 
fähigeren den  Platz  zu  räumen,  ließen  sie  die  Plünderungs-,  Eroberungs- 
und Vernichtungszüge  ruhig  über  sich  ergehen.  Die,  die  dem  Blutbad 
entkamen,  flüchteten  sich  in  die  Wälder,  um  hier  ein  elendes  Leben  zu 
führen  und  von  nun  an  richtige  Wilde  zu  werden.  Ander'e,  die  in  den  halb- 
zerstörten Städten  zurückblieben,  mußten  sich  mit  den  niedrigsten  Be- 
rufen, ja  meist  mit  dem  Sklavenstande  begnügen.  Es  kamen  allerdings  auch 
häufig  Kreuzungen  mit  den  Weißen  vor,  doch  die  daraus  entstammenden 
Mestizen  bildeten  sowohl  in  bezug  auf  die  körperlichen  Kräfte  wie  auf  die 
geistigen  Fähigkeiten  eine  nur  höchst  mäßige  Volksklasse.  Zum  Glücke 
für  diese  großartigen  Länder  bringt  eine  sehr  rührige  europäische  Ein- 
wanderung, die  auch  heute  noch  nicht  ihren  Abschluß  gefunden  hat,  be- 
ständig frisches  Blut  hinzu,  und  es  ist  mancherlei  Aussicht  für  ein  zu- 
künftiges Wachstum  und  Gedeihen  dieser  jungen  Völker  vorhanden. 

So  teilten  sich  in  der  Mitte  des  16..  Jahrhunderts  Portugal  und  Spanien; 
in  die  weite  Welt.  Alles  amerikanische  Land  wurde  spanisch,  allerdings  ab- 
gesehen von  Nordamerika,  das  noch  öde  dalag  und  überhaupt  nicht  erforscht 
war,  Argentinien,  das  völlig  unbekannt  war,  und  Brasilien,  das  portu- 
giesischer Besitz  wurde.  Auch  die  afrikanischen  und  asiatischen  Gewässer 
bildeten  samt  und  sonders  portugiesische  Besitzsphären. 


l68  Sechstes  Buch. 


Durch  diese  in  der  Geschichte  einzig  dastehenden  Eroberungen  erbten 
Spanien  und  Portugal  die  alte  römische  Macht,  und  es  schien  damals 
wirklich,  daß  die  Welt  lateinisch  werden  sollte.  Weder  Frankreich  noch 
England,  noch  ganz  besonders  Deutschland  und  Italien  hatten  so  ehr- 
geizige Absichten,  und  ihr  Gesichtskreis  ging  nicht  über  ilir  kleines  Europa 
hinaus. 

In  Frankreich  dachten  die  Könige  nur  daran,  die  Macht  der  Krone  inner- 
halb des  eignen  Landes  zu  stützen  und  zu  stärken. 

Keiner  machte  sich  dies  mehr  zur  Aufgabe  als  Ludwig  XL  (146L 
bis  1483). 

Dieser  eigenartige  Mann,  der  so  viel  für  das  königliche  Ansehen  und  die 
französische  Einheit  geleistet  hat,  hatte  von  einem  Ritter  rein  gar  nichts 
an  sich.  Er  war  ohne  jede  Vornehmheit  und  ohne  jeden  Mut,  unerbittlich 
gegen  seine  Feinde,  arglistig,  knickrig  und  abergläubisch.  Doch  sei  dem, 
wie  ihm  wolle,  er  hat  in  seinem  Reich  eine  vortreffliche  Ordnung  hergestellt. 
Hat  er  das  Volk  durch  sehr  harte  Steuern  ausgesaugt,  so  hat  er  auf  der 
anderen  Seite  höchst  gesunde  Finanzen  hinterlassen  und  den  Handel  in 
wirksamster  Weise  gefördert.  Er  hat  ein  ausgezeichnetes  Heer  zu  bilden 
verstanden  aus  kriegserfahrenen  und  an  Manneszucht  gewöhnten  Söldnern, 
die  er  aus  Schottland  und  der  Schweiz  berief,  und  er  hat  eine  der  besten 
Artillerien  der  Zeit  geschaffen.  Er  war  ein  außerordentlich  geschickter 
Staatsmann,  der  seine  Ziele  mit  List  und  Verschlagenheit  verfolgte.  Mit 
den  eigensüchtigen  Bestrebungen  der  Fürsten,  die  Frankreich  zu  zerstückeln 
drohten,  wurde  aufgeräumt. 

Sein  Hauptgegner  war  Herzog  Karl  der  Kühne  von  Burgund  (i433 
bis  1477).  Dank  ihrer  Bündnisse  und  Kriege  waren  die  Herzöge  von 
Burgund  ebenso  mächtig  geworden  wie  die  Könige  von  Frankreich 
selbst.  Sie  besaßen  Burgund,  ganz  Flandern,  die  Franche-Comt6,  die  Pi- 
kardie,  die  Champagne,  Savoyen  und  strebten  nach  der  Kaiserkrone.  Karl 
der  Kühne  versuchte  sogar  die  Rolle  eines  Eroberes  zu  spielen  und  unter- 
nahm so  einen  Feldzug  gegen  die  Schweiz.  Aber  er  hatte  mit  rauhen 
Bergbewohnern  zu  tun,  die  ihre  Unabhängigkeit  zu  verteidigen  wußten. 
Zu  Grausen  und  Murten  (1476)  triumphierten  ihre  Bürgerheere  über  seine 
adligen  Ritterscharen.  Noch  weniger  glücklich  war  Karl  im  Kampfe  gegen 
die  Lothringer,  wo  er  bei  der  Belagerung  von  Nancy  fiel  (1477). 

Damit  war  Ludwig  XL  von  seinem  furchtbarsten  Gegner  befreit.  In 
der  Tat  endigte  mit  Karl  dem  Kühnen  zugleich  auch  die  Macht  der  Her- 
zöge von  Burgund.  Die  Niederlande  wurden  unabhängig;  Burgund  und 
die  Pikardie  fielen  an  die  französische  Krone  zurück. 


Das  Königtum.  169 


Die  Nachfolger  Ludwigs  XI.  setzten  seine  Politik  fort.  In  Frankreich 
wie  in  Spanien  und  England,  überall  zeigt  sich  dasselbe  Streben  nach 
Zentralisierung  und  unumschränkter  Herrschaft,  dasselbe  Ringen  um  die 
nationale  Einheit  unter  dem  Zepter  eines  absoluten  Monarchen.  Im 
Jahre  1550  hat  sich  diese  Einheit  gebildet  nach  großen  Schwierigkeiten, 
aber  auf  starker  Grundlage  für  Frankreich,  England  und  Spanien;  Deutsch- 
land und  Italien  indessen  bleiben  nach  wie  vor  zerstückfeit  und  unfähig, 
sich  zu  verteidigen. 

Frankreich  hätte  außerordentlich  reich  und  blühend  sein  können,  wenn 
es  seine  Könige  nicht  über  fünfzig  Jahre  lang  nach  Italien  in  ebenso  stumpf- 
sinnige wie  heldenmütige  Kriege  geführt  hätten  (1494 — 1549). 

Da  war  es  zunächst  das  waghalsige  Unternehmen  Karls  VIII.,  Lud- 
wigs XI.  Sohn.  Unter  dem  nichtigen  Vorwande,  daß  er  der  Erbe  des 
Königreichs  Neapel  sei,  überfällt  er  Piemont  (1494),  das  Herzogtum 
Mailand,  die  Staaten  des  Papstes  Alexander  VI.  Borgia  und  zieht  als 
triumphierender  Sieger  in  Neapel  ein  (1495).  In  fünf  Monaten  hat  er  die 
ganze  Halbinsel  unterworfen.  Keiner  der  kleinen  Fürsten,  die  sich  damals 
in  Italien  teilten,  hat  ihm  irgendwelchen  Widerstand  entgegenzusetzen 
gewußt. 

Diese  nicht  gerade  sehr  fest  begründete  und  sehr  zuverlässige  Eroberung 
weckte  die  Eifersucht  der  Spanier  und  den  Unabhängigkeitssinn  der 
Italiener.  Venedig,  der  Papst  und  Kaiser  Maximilian  I.  vereinigten  sich 
mit  dem  König  von  Spanien,  um  einen  Bund  gegen  die  Franzosen  zu 
bilden.  Karl  VIII.  mußte  seinen  Rückzug  antreten.  Auf  demselben  stieß 
er  bei  Fomovo  auf  das  Heer  der  Verbündeten;  zwar  gelang  es  ihm  noch 
einmal,  nach  Frankreich  zurückzukehren,  doch  brachte  er  von  seinem 
Heere  nur  noch  elende  Trümmer  heim. 

Ludwig  XII.  hatte  von  seinem  Vorgänger  wenig  gelernt.  Er  setzte 
dieselbe  unsinnige  Eroberungspolitik  fort,  besetzte  wieder  das  Herzogtum 
Mailand  und  die  ganze  Lombardei  und  rief  natürlich  ein  neues  Bündnis 
hervor,  das  noch  weit  mächtiger  war  als  jenes,  durch  das  es  gelungen  war, 
Karl  VI  IL  zu  vertreiben.  Papst  Julius  IL  hatte  sich  an  die  Spitze  der 
Verbündeten  gestellt.  Er  war  ein  rauher  Krieger,  der  den  Helm  lieber 
als  die  Tiara  auf  dem  Haupte  trug  und  der  sich  bald  mit  Frankreich,  bald 
mit  dem  Kaiser,  bald  mit  Spanien,  ja  sogar  bald  mit  dem  Sultan  verbündete, 
je  nachdem  es  die  Politik  des  Augenblicks  erforderte.  Er  tat  den  König 
von  Frankreich  in  den  Bann,  aber  die  päpstlichen  Bannstrahlen  waren 
bereits  nur  noch  eine  altmodische  Waffe.    Ludwig  XI L  antwortete  mit  der 


lyo  Sechstes  Buch. 


Berufung  eines  Konzils  nach  Pisa.  Er  hoffte,  die  Absetzung  des  Papstes 
durchzusetzen. 

Dieser  Versuch  zur  Herbeiführung  einer  Kirchenspaltung  schlug  fehl. 
Ein  Heer  aus  Spaniern,  Venetianern  und  Päpstlichen  zog  gegen  das  Frank- 
reichs aus.  Dieses  wurde  von  einem  zwar  noch  sehr  jugendlichen,  aber 
ganz  hervorragenden  Feldherrn  Gaston  von  Foix  befehligt,  der  zu 
Ravenna  einen  glänzenden,  aber  nutzlosen  Sieg  davontrug  (15 12),  wobei 
er  den  Tod  fand.  Zum  zweiten  Male  verlor  mm  Frankreich  die  Ober- 
herrschaft über  Italien. 

Auch  Franz  I.,  der  nun  Ludwig  XII.  folgte,  wiederholte  die  Irrtümer 
seiner  beiden  Vorgänger  und  zog  sofort  wieder  in  den  Krieg  mit  Italien. 
Er  fing  mit  einem  glänzenden  Sieg  über  die  im  Dienste  des  Papstes,  des 
Kaisers  und  Spaniens  stehenden  Schweizer  bei  Marignano  an  (13.  Sep- 
tember 151 5).  Der  Sieg  war  so  entschieden,  daß  der  Friede  sofort  unter- 
zeichnet wurde.    Das  Herzogtum  Mailand  wurde  Frankreich  zuerkannt. 

Einige  Jahre  später  war  dieser  vergängliche  Besitz  schon  wieder  ver- 
loren. So  hatten  dreißig  Jahre  des  Krieges  nur  dazu  gedient,  schließlich 
doch  die  Vertreibung  der  Franzosen  aus  ganz  Italien,  und  nun  für  immer, 
herbeizuführen.  Noch  niemals  hatte  die  Politik  der  feindlichen  Einfälle 
und  Schlachten  so  klar  ihre  Ohnmacht  gezeigt. 


Aber  diese  Streif züge  des  französischen  Heeres  unter  Führung  aben- 
teuerlicher Herrscher  von  Mailand  nach  Pavia,  von  Florenz  nach  Neapel, 
von  Venedig  nach  Rom  zeitigten  ganz  überraschende  Ergebnisse.  Frank- 
reich kannte  bisher  Italien  überhaupt  noch  nicht;  nun  lernte  es  dasselbe 
kennen,  also  auch,  wie  man  sich  denken  kann,  würdigen  xuid  bewundern. 
Italien,  dem  Frankreich  Plünderimg  und  Verwüstung  brachte,  hat  um- 
gekehrt Frankreich  mit  Licht  und  Aufklärung  vergolten. 

Seit  den  Kriegen  mit  Italien  verbreitet  sich  die  Kunst  dieses  Landes 
in  der  ganzen  Welt,  besonders  auch  in  Frankreich.  Vielleicht  hätte  die  Ein- 
führung in  dieselbe  um  geringeren  Preis  als  um  solche  Ströme  Blutes 
geschehen  können! 

Nach  Erfindung  der  Buchdruckerkunst  waren  die  ersten  g'edruckten 
Bücher  die  Werke  der  bedeutendsten  griechischen  und  lateinischen  Schrift- 
steller. 

In  Italien  besonders  grub  man  die  Schriften  der  Klassiker  aus,  die  in 
den  verschiedenen  Klöstern  versteckt  ruhten,  und  man  machte  erstaun- 
liche   Entdeckungen.     Man    fand    Vergil,    Cicero,    Aristoteles,    Sophokles, 


Das  Königtum.  lyi 

Plato,  Tacitus,  Titus  Livius,  Äschylus,  Homer  wieder.  Man  begeisterte 
sich  für  diese  wunderbaren  Werke,  deren  Schönheit  in  um  so  hellerem 
Glanz  erstrahlte,  je  elender  die  der  Gegenwart  waren.  Die  Bewunderung 
für  das  Altertum  war  so  groß,  daß  lange  Zeit  hindurch  (bis  gegen  1525) 
nur  sehr  schwer  Drucker  zu  finden  waren,  die  bereit  gewesein»  wären, 
irgendein  Werkjier  Zeitgenossen  zu  drucken. 

Die  Schriftsteller  machten  es  also  nur  so,  wie  es  die  Baumeister  schon 
ein  halbes  Jahrhundert  vorher  gemacht  hatten,  ebenso  die  Meister  der 
Plastik  und  die  Maler;   sie  kehrten  nach  Athen  zurück. 

Die  Menschen  jener  Zeit  nannten  diese  Rückkehr  zur  Kunst-  und 
Gedankenwelt  des  Altertums  Renaissance  (Wiedergeburt),  aber  die  Künstler 
und  erst  recht  die  Schriftsteller  des  13.  und  14.  Jahrhunderts,  die  man 
heute  in  der  Tat  wieder  zu  Ehren  zu  bringen  sucht,  bereiten  einem  mit 
ihren  Stümpereien  nur  eine  schmerzliche  und  niederdrückende  Ent- 
täuschung. Doch  als  die  Menschheit  zur  antiken  Schönheit  zurückkehrte, 
genoß  sie  wirklich  den  Zaubef  ^nes  neuen  Morgenrots. 

In  Italien  glaubten  die  Fürsten,  Bischöfe  und  Päpste  mit  Recht,  daß 
sie  sich  selbst  durch  nichts  mehr  ehren  könnten  als  dadurch,  daß  sie 
die  bedeutenden  Künstler  wie  ihresgleichen  behandelten,  sie  an  ihre  Tafel 
zogen  und  sie  großartig  bezahlten.  Auf  diese  Weise  wurden  alle  diese 
glänzenden  Paläste  erbaut  imd  mit  den  kostbaren  Bildsäulen  und  Gemälden 
ausgestattet,  die  noch  heute  Italiens  Stolz  ausmachen. 

Durch  ihren  umfassenden  Geist  wie  durch  ihren  ursprünglichen  und 
schöpferischen  gewaltigen  Gedankenreichtum  versinnbildlichen  besonders 
zwei  Männer  dieses  ruhmvolle  Zeitalter:  Leonardo  da  Vinci  (1452 — 15 19) 
und  Michelangelo  Buonarotti  (1475 — 1564). 

Leonardo  da  Vinci  hat  in  allem  Großes  geleistet;  er  war  gleichzeitig 
ein  gewaltiger  und  eigenartiger  klassischer  Maler  (die  Gioconda,  das  Heilige 
'Abendmahl),  ein  bedeutender  Ingenieur  und  ein  scharfsinniger  und  gründ- 
licher Gelehrter.  Mit  besonderer  Liebe  hatte  er  Anatomie  getrieben,  derart, 
daß  sich  in  seinen  Gemälden  sittlicher  Ausdruck  mit  anatomischer  Rea- 
listik paart.  Er  war  Chemiker  und  Mathematiker.  Er  suchte  durch  genaue 
und  planmäßige  Beobachtung  den  Vogelflug  zu  erforschen  und  entwarf 
sogar,  der  Zukunft  vorauseilend,  eine  Flugmaschine.  Er  sah  die  Kunst  und 
die  Wissenschaft,  das  Wahre  und  das  Schöne  nicht  als  zwei  widerstreitende 
Gottheiten  an,  hatte  er  sich  doch  entschlossen,  ihnen  beiden  sein  Leben 
zu  weihen.  In  allen  Dingen  ist  sein  weiter  Geist  dem  seiner  Zeitgenossen 
beträchtlich  voraus.  Als  Zeuge  des  so  vielerlei  Kummers,  den  der  Krieg 
um  ihn  entfesselte,  hat  er  über  die  Tollheit  des  Krieges  und  der  Schlachten 


1J2  Sechstes  Buch. 


die  bitterste  Entrüstung  ausgesprochen.    Leonardo  da  Vinci  ist  einer  der 
Männer,  die  dem  Menschengeschlecht  zur  höchsten  Ehre  gereichen. 

Michelangelo  hatte  eine  Seele,  die  ebenso  stürmisch,  wie  Leonardo 
da  Vincis  friedlich  und  heiter  war.  Er  ist  der  größte  unter  den  Meistern 
der  Plastik;  er  gibt  dem  Marmor  Bewegung,  Geist,  Leben  (Moses,  die  Pietä, 
das  Grabmal  der  Medizeer,  David).  Seine  Malerei  gibt  seiner  Bildhauer- 
kunst an  Großartigkeit  nichts  nach  (Sixtinische  Kapelle,  Jüngstes  Gericht), 
Auch  als  Baumeister  ist  Michelangelo,  der  die  San  Lorenzokirche  in  Florenz 
und  die  Peterskirche  in  Rom  geschaffen  hat,  ebenso  groß  wie  als  Maler 
und  Bildhauer.  So  ist  Michelangelo  in  den  drei  darstellenden  Künsten 
der  gleiche  hervorragende  Meister.  Doch  er  war  auch  Dichter.  In  seinen 
Sonetten  erkennt  man  denselben  hohen  schwungvollen  Geist,  aber  auch 
dieselbe  innige  Hingebung  an  das  Ewige  und  Göttliche. 

Es  ist  noch  eine  große  Zahl  anderer,  fast  ebenso  erlauchter  Namen  zu 
;.  '7  nennen:  Raffael  Santi  (1483— 1520),  der  trotz  eines  vorzeitigen  Todes 
eine  ebenso  riesenhafte  wie  erhabene  Arbeit  geleistet  hat,  Correggio^ 
A(  ()  (1494— 1534),  Andrea  del  Sarto  (1487— 1553),  j' Tizian  (1477— 1576),  lauter 
bewundernswürdige  und  fruchtbare  Künstler,  die  zu  Rom,  Parma,  Florenz, 
Venedig  unvergleichliche  Malereien  hinterlassen  haben,  die  in  ihrer  Voll- 
endung nicht  übertroffen,  ja  vielleicht  nicht  einmal    erreicht  worden  sind. 

Sie  haben  vor  allem  auf  Bestellung  der  Bischöfe  und  der  Kirchen 
Heiligenbilder  gemalt,  Madonnen,  Heilige  Familien.  Doch  sie  waren  darum 
kaum  von  einer  echten  religiösen  Idee  durchdrungen.  Bei  diesen  Künstlern 
hatte  das  Heidentum  mit  den  zauberischen  Reizen  seiner  Schönheit  den 
festen  Glauben  vergangener  Tage  erstickt,  und  mit  ihnen  schickte  sich  ganz 
Italien  an,  zum  Altertum  zurückzukehren  und  seine  falschen  Gottheiten 
anzubeten. 

Niemals  wohl  hat  der  christliche  Glaube  weniger  schwer  auf  den  Ge- 
wissen gelastet.  Adlige  und  Bürgerliche,  Arbeiter  und  Hörige,  Künstler  und 
Soldaten,  die    einen    wie  die    andern    erklärten    ihre    geistige  Mündigkeit. 
I  Eine  allgemeine  Ungläubigkeit  ergriff  die  Gemüter,  bei  den  Priestern  noch 
\  mehr  als  bei  der  großen  Menge  und  bei  den  Päpsten  wieder  noch  mehr 
als  bei  den  Priestern. 
•      Es  gab  damals  ein  sonderbares  Schauspiel,   das  so  leicht  nicht  wieder 
erlebt  werden  wird:   Päpste,   die  ungläubiger  und  ausschweifender  waren 
als     irgendeiner     der    ungläubigsten    und   ausschweifendsten    unter    ihren 
Zeitgenossen.    Auf  einen  Sixtus  IV.  (1471 — 1484)  und  einen  Innocenz  VIII. 
(1484— 1492)  folgte  ein  Alexander   VI.   Borgia   (1492 — 1503).    Dieser  war 
ein  höchst  unsauberer  und  unsittlicher  Charakter,"'der  die  päpstliche  Würde 


Das  Königtum.  173 

wahrlich  geschändet  hätte,  wenn  man  sie  nach  den  Tugenden  des  höchst2n 
Priesters  der  Kirche  zu  beurteilen  gehabt  hätte.  Dieser  einzigstehende  Papst 
vergiftete  mit  derselben  Seelenruhe  Feinde  und  Freunde  und  lebte  mit  seiner 
eigenen  Tochter  Lucrezia  in  Blutschande, 

~'  Da  empörte  sich  der  katholische  Glaube,  so  geschwächt  er  auch  war. 
Ein  Dominikanermönch  aus  Florenz,  Gerolamo  Savonarola,  erkühnte  sich, 
gegen  das  siegreich  vordringende  Heidentum  lauten  und  stürmischen  Ein- 
spruch zu  erheben.  Den  alten  Propheten  in  Israel  ähnUch,  predigte  er  in 
der  Stadt  Florenz,  sagte  schwere  Mißgeschicke  als  Züchtigungen  für  die 
allgemeine  Verderbnis  voraus,  donnerte  gegen  die  Adligen,  Reichen  und 
Priester  und  verband  die  mönchische  Strenge  mit  einer  Art  demolcratischem 
Kommunismus.  Er  hatte  eine  vornehme  Seele,  die  sich  frei  wußte  von 
jeder  Unlauterkeit  und  Schändlichkeit.  Da  ließ  ihn  Papst  Alexander  VI. 
verbrennen  (1498). 

Ein  seltsames  Schauspiel,  das  wie  geschaffen  schien,  einige  Zweifel  an 
der  menschlichen  Gerechtigkeit  aufkommen  zu  lassen:  ein  Borgia  zündete 
den  Scheiterhaufen '  eines  Savonarola  an.  Übrigens  war  Savonarolas  Tod 
nichts  anderes  als  ein  kurzes,  fast  unbemerkt  vorübergegangenes  Zwischen- 
spiel in  der  großen  Bewegung,  die  das  gesamte  geistige  Leben  zur  Lösung 
ganz  anderer  Aufgaben  fortriß,  als  die  waren,  die  ihm  das  mystische 
Schwärmertum  des  florentinischen  Mönches  gestellt  hatte. 


Frankreich,  England  und  Spanien  waren  damals  die  drei  miteinander 
wetteifernden  großen  und  reichen  einheitlichen  Monarchien,  die  in  der 
Lage  waren,  wenn  es  darauf  ankam,  gewaltige  Heere  auf  den  Kampfplatz 
zu  stellen. 

Ein  Zufall  fügte  es,  daß  im  Jahre  15 16  diese  drei  großen  Reiche  unter 
der  unumschränkten  Herrschaft  dreier  noch  ganz  jugendlicher  Fürsten 
standen.  Der  König  von  England  war  damals  der  fünfundzwanzigjährige 
Heinrich  Vi  IL,  der  König  von  Frankreich  der  einundzwanzigjährige 
Ffanz  I.  und  der  König  von  Spanien  der  sechzehnjährige  Karl  V.  Die 
Kämpfe  um  die  Macht  zwischen  diesen  drei  jungen  Nebenbuhlern  sollten 
nun  bald  das  Geschick  Europas  bestimmen. 

Heinrich  VIII.  aus  dem  Hause  Tudor,  dessen  Leben  in  die  Jahre 
1491 — 1547  fiel,  und  der  seit  1509  auf  dem  Throne  saß,  ein  schöner,  ver- 
führerischer und  prächtiger  Ritter,  der  ebenso  verschwenderisch,  wie  sein 
Vater  Heinrich  VII.  geizig  war,  erwies  sich  bei  aller  Vergnügungssucht 
nicht  weniger  geschäftseifrig.    Als  Staatsmann  zeigte  er  sich  recht  fähig, 


174  Sechstes  Buch. 


aber  doch  nicht  genug,  um  seinem  Despotismus  eine  Maske  aufzusetzen. 
Im  übrigen  war  er  grausam,  eitel,  ausschweifend  und  alles  in  allem  von 
emein  trotzigen  Eigennutze,  dem  keinerlei  Edelmut  auch  nur  irgendwie 
Einhalt   tun  konnte. 

Franz  I.,  der  von  1495 — 1547  lebte,  war  ein  noch  prächtigerer  Ritter 
als  sein  englischer  Nebenbuhler,  schön  und  verführerisch  wie  er,  auch  eitel, 
verschwenderisch  und  ausschweifend.  Wie  er,  ein  trotziger  Egoist,  der 
aber  seine  Laster  mit  einem  vornehmen  Edelmute  zu  erkaufen  verstand. 
Im  übrigen  tapfer  bis  zum  Übermaße,  unfähig  zur  Arbeit,  unüberlegt  in 
seinen  Handlungen,  aber  unwillkürlich  geneigt,  das  Schöne  zu  lieben  und 
zu  bewundern,  nichts  wissend  von  Haß  und  Grausamkeit  und  ebenso  un- 
fähig, eine  gemeine  Tat  zu  begehen,  wie  einer  seiner  königlichen  Aufgaben 
auch  nur  eine  einzige  seiner  vielen  Vergnügungen  zu  opfern. 

Karl  V.,  der  im  Jahre  1500  geboren  war  und  im  Jahre  1558  starb,  war, 
wenn  das  möglich  ist,  noch  eigennütziger  als  sein  französischer  und  sein 
englischer  Nebenbuhler,  doch  umgekehrt  auf  der  einen  Seite  ebenso  tapfer 
und  auf  der  andern  ebenso  ausschweifend  wie  sie.  Ein  zügelloser  Ehrgeiz 
erstickte  bei  ihm  jeden  Edelmut,  aber  er  besaß  eine  wunderbare  Zähigkeit 
in  seinen  Plänen,  eine  außerordentliche  Arbeitskraft,  ein_ebensq  riesig;es  wie 
sicheres  Gedächtnis  und  alle  Eigenschaften  eines  fähigen  Staatsmannes. 
Er  war  der  einzige  imter  den  dreien,  der  religiös  war,  tief  und  aufrichtfg 
tieli'giös.  Di©  Sorge  um  die  katholische  Religion  ist  immer  die  Richtschnur 
für  all  sein  Tun  gewesen. 

Diese  drei  Fürsten  nahmen  alle  ein  trauriges  Ende  im  besten  Mannes- 
alter an  den  verzehrenden  Folgen  ihrer  Ausschweifungen.  Franz  I.  starb 
zuerst,  von  der  scheußlichen  Krankheit  niedergestreckt,  die  bisher  in 
Europa  völlig  unbekannt  gewesen  war.  Heinrich  VIII.,  der  durch  seinen 
Schmerbauch  immer  unkenntlicher  und  von  unheilbaren  Geschwüren  ganz 
zerfressen  war,  starb  unter  gräßlichen  Qualen.  Der  gichtische  und  gebrech- 
liche Karl  V.  wurde  noch  an  seinem  Lebensabend  von  einem  heftigen 
Trübsinnsanfall  ergriffen.  Dieser  Mann,  der  der  mächtigste  Herrscher 
der  Welt  gewesen  war,  erkannte  nun  das  Nichtige  aller  Macht.  Er 
dankte  ab  und  schloß  sich  in  das  Kloster  Saint-Just  ein,  um  hier  ein 
Jahr    später   in    gottseligem    Glauben    zu    sterben. 

Sie  führten  alle  drei  miteinander  Krieg,  einen  Krieg,  der  aber  trotz 
aller  der  Schlachten,  die  sie  sich  gegenseitig  lieferten,  unentschieden 
blieb.  Ein  Triumph  des  europäischen  Gleichgewichts  I  Die  drei  Reiche 
standen  sich  so  an  Kräften  gleich,  daß  auch  dreißig  Kriegsjahre  keinem 
von  ihnen  einen  nennenswerten  Vorsprung  verschaffen  konnten. 


Das  Königtum.  jrr5 


Über  einen  einzigen  Punkt  jedoch  schienen  sie  sich  verständigt  zu 
haben:  die  furchtbare  Vermehrung  der  Steuern  und  der  Heere.  Schon 
entspannen  sich  zwischen  den  Fürsten  auf  Kosten  der  Völker  jene  Über- 
bietungen an  Geld  und  Soldaten,  die  zuletzt  in  der  heutigen  wider- 
sinnigen Politik  wirrster  Gesetzlosigkeit  und  tollster  Kriegslust  enden 
sollten. 

Schließlich  wußten  die  drei  großen  Fürsten  jeden  Widerstand  gegen 
ihre  königliche  Gewalt  zu  brechen.  Dabei  taten  sie  außerordentlich  viel 
für  die  Pflege  edler  Geselligkeit.  So  waren  Despotismus  und  Egoismus 
bei  ihnen  gleich  groß. 

Dreißig  Jahre  lang  setzte  sich  das  Ringen  (zwischen  Franz  I,  und 
Karl  V.)  mir  buntem  Wechsel  des  Glückes  fort.  Heinrich  VHI.  pendelte 
von  einer  Seite  zur  andern,  allein  darauf  bedacht,  daß  nicht  einer  seiner 
beiden    Nebenbuhler    zu    mächtig    wurde. 

Nach  dem  glänzenden   Siege  bei   Marignano   schien   die   Überlegenheit 
Frankreichs    erwiesen.    Aber   Karl   V.    wurde   zum   deutschen   Kaiser   aus- 
gerufen (15 19),  wodurch  er  sofort  Ehre  und  Einfluß  gewann.    Sein  Reich 
war  so  unermeßlich,   daß  die  Sonne   in  seinen  Landen  nicht  unterging,    j 
Er    besaß    Nord-    und    Südamerika,    Deutschland,    Flandern,    Sardinien,    ' 
Sizilien,   Neapel,  die  Franche-Comte,   Ungarn,  Böhmen  und  Spanien. 

Nachdem  er  sich  die  Unterstützung  Heinrichs  VHI.  gesichert  hatte, 
wollte  er  von  den  Franzosen  wieder  Mailand  zurückgewinnen.  Nach  drei 
Jahre  langem  Ringen  blieb  ihm  schließlich  der  Sieg.  Franz  I.,  ein  ebenso 
trefflicher  Ritter  wie  schlechter  Feldherr,  wurde  in  der  Schlacht  bei  Pavia 
vollständig  geschlagen  und  gefangen  genommen  (1525).  Zwar  besaß  er 
ein  schönes  Heer  und  eine  starke  Artillerie,  aber  er  glaubte  sich  in  der 
Schlacht  wie  in  einem  Turniere  und  mißachtete  jede  neuere  Waffen- 
gattung. 

Als  Gefangener  nach  Madrid  gebracht,  versprach  hier  Franz  I.  alles, 
was  sein  Besieger  verlangte:  das  Herzogtum  Mailand,  Burgund  und  eine 
schwere  Summe  Geldes. 

Da  wurde  die  Macht  Karls  V.  gar  zu  groß.  Und  so  wandte  sich  das 
Bündnis,  das  sich  im  Jahre  1525  gegen  Frankreich  gebildet  hatte,  jetzt 
ohne  die  geringsten  Bedenken  gegen  den  Kaiser.  Papst  Clemens  VH.,  der 
König  von  England  und  Sultan  Soliman  taten  sich  nun  mit  Franz  I.  gegen 
Karl  V.  zusammen,  und  wieder  war  das  unglückliche  Italien,  wie  immer, 
Kriegsschauplatz  und  Kampfespreis.  Die  kaiserlichen  Heere  drangen  in 
Rom  ein,  das  nun  der  Plünderung  preisgegeben  war.  Aber  von  den  Türken 
bedroht,  die  bis  vor  die  Tore  Wiens  vorgerückt  waren,  mußte  der  Kaiser 


IjG  Sechstes  Buch. 


das  Spiel  aufgeben.  Aber  auch  der  König  von  Frankreich  zog  seit  der 
unglücklichen  Schlacht  bei  Pavia  dem  Kriegsleben  bei  weitem  sein  Jäger- 
leben vor  und  den  Nachtlagern  auf  der  Pritsche  den  Aufenthalt  in 
seinem  Schlosse  Fontainebleau.  So  wurde  der  Friede  zu  Cambrai  unter- 
zeichnet  (1529). 

Inzwischen  hatten  Luther  und  seine  ketzerischen  Genossen  Kirche  und 
Königtum  in  ihrem  Bestand  und  in  ihren  bisherigen  Daseinsformen  bedroht  I 
Dem  gemeinsamen  Feinde  gegenüber  versöhnten  sich  die  beiden  katho- 
lischen Herrscher  anscheinend  wenigstens  für  einige  Zeit.  Um  zu  beweisen, 
daß  er  ein  rechtmäßiger  Nachfolger  Karls  des  Großen  sei,  eröffnete 
Karl  V.  einen  Kreuzzug  gegen  die  Türken  und  die  seeräuberischen 
Berber,  womit  er  sich  den  Anschein  eines  Kämpfers  für  'die  Christen- 
heit gab. 

Diesen  Augenblick  hielt  nun  Franz  I.  günstig  für  den  Angriff,  und 
so  erklärte  er  dem  Kaiser  von  neuem  den  Krieg.  Karl  V.  antwortete  durch 
eine  Herausforderung  seines  Nebenbuhlers  zu  einem  ritterlichen  Lanzen- 
stechen, die  folgenden  Wortlaut  hatte:  ^^Wenn  der  König  den  Krieg  will, 
wäre  es  schon  das  beste,  Mann  gegen  Mann  persönlich  zu  kämpfen.'' 
Es  hätte  eine  glückliche  Neuerung  bedeutet,  die  an  die  vergangenen 
Tage  des  epischen  Heldenzeitalters  zurückerinnert  hätte,  wenn  damals  für 
die  Schlachten  zwischen  den  Völkern  wirklich  die  Zweikämpfe  zwischen 
ihren  Königen  eingetreten  wären.  Aber  Franz  L  nahm  den  wunderlichen 
Fehdebrief  nicht  an,  sondern  ging  nun  zum  offenen  Kriege  über.  Es  gab 
wieder  feindliche  Einfälle  und  dann  wieder  friedliche  Versöhnungen  und 
dann  abermals  feindliche  Einfälle.  Endlich  wurde  der  Friede  geschlossen. 
Der  Tod  Franz'  L  und  die  Abdankung  Karls  V.  hatten  der  Kampfeslust 
ihrer  beiden  Völker  keinen  Einhalt  getan.  Ihre  Söhne  und  Nachfolger, 
Heinrich  I.  und  Philipp  IL,  schlugen  sich  auch  jetzt  noch  einige  Zeit 
miteinander,  um  allerdings  dann  bald  den  Vertrag  zu  Cateau-Cambresis 
zu  unterzeichnen.    Spanien  behielt  seinen  Besitz  in  Italien  auch  jetzt  noch. 

So  hatten  fünfundsechzig  Kriegsjahre  (1495 — 1559)  den  Spaniern  und 
Franzosen  keine  andern  Lorbeeren  als  ausschließlich  solche  des  Kampfes 
gebracht. 


Doch  Franz  I.  ist  nicht  etwa  bloß  einseitig  unter  diesem  Gesichtspunkt 
aufzufassen.  Unter  seiner  Herrschaft  und  auch  ein  wenig  dank  seiner 
Bemühungen  verschaffte  uns  die  italienische  Renaissance,  die  im  Gegensatz 
zu  den  Waffen  Italiens  einen  glänzenden  Siegeszug  durch  Frankreich  hielt, 


Das  Königtum.  i'j'j 


auch    eine    eigne    französische    Renaissance,     die    geradezu    bezaubernde 
Leistungen   aufzuweisen   hatte. 

Vor  allem  zog  die  Architektur  aus  der  italienischen  Kunst  Nutzen. 
Um  einen  wirklich  neuen  Stil  hervorzubringen,  mußte  sie  sich  noch  von 
Grund  aus  umbilden!  W9hin  auch  der  Blick  fiel,  überall  in  Frankreich, 
besonders  aber  an  den  aller  einseitigen  Mystik  und  Symbolik  so  abholden 
lieblichen  Loireufern,  erhoben  sich  Schlösser  von  einem  ganz  auserlesenen 
Reize  und  in  einem  halb  griechischen  und  halb  gotischen  Stile,  der  aber 
von  allem,  was  man  damals  als  griechisch  kannte,  vollkommen  abwich, 
wie  Chambord,  Amboise,  Blois  und  Chenonceaux.  Für  die  Ausschmückung 
seines  Palastes  zu  Fontainebleau  beruft  Franz  I.  aus  Italien  Maler  sowie 
Bildhauer.  In  Paris  erbaut  ein  italienischer  Baumeister  das  Rathaus 
und  beginnt  ein  Franzose,  Pierre  Lescot,  im  Jahre  1546  den  Louvre,  jenes 
Wunderwerk,  zu  dem  noch  eine  jede  Kunstepoche  Frankreichs  einen 
neuen  Beitrag  liefern  sollte. 

Die  französische  Malerei  läßt  sich,  so  geschmackvolle  Künstler  die 
beiden  Clouet,  Vater  und  Sohn  (Jean  und  Frangois),  auch  sein  mögen, 
doch  nicht  mit  der  der  großen  italienischen  Meister  auf  eine  Linie  stellen, 
ebensowenig  wie  die  französische  Plastik.  Trotz  alledem  bringt  ein  so 
köstlicher  Meister  der  Bildhauerkunst  wie  Jean  Goujon  Werke  von  einer 
Zartheit  hervor,  die  der  des  von  Franz  I.  aus  Florenz  geholten  Italieners 
Benvenuto    Cellini    zum    mindesten    gleichkommt. 

Die  französische  Sprache  hat  noch  nicht  ihren  endgültigen  Abschluß 
gefunden.  Aber  es  ist  ihr  ein  genialer  Mann  erstanden,  Frangois  Rabelais, 
der  unter  ganz  tollen  Albernheiten  die  ernstesten  Dinge  der  Welt  einzu- 
streuen weiß  (1483 — 1553).  Rabelais  ist  ein  sehr  gelehrter,  sehr  skeptischer 
und  sehr  kühner  Possenreißer,  der  unter  seiner  Possenreißerei  die  Seele 
eines  ganz  verwegenen  Reformators  birgt.  Er  fürchtet  sich  vor  nichts 
und  lacht  über  alles,  derart,  daß  sein  Buch  eine  allgemeine  Satire  ist. 
Übrigens  hat  er  niemanden  nachgeahmt,  und  niemand  hat  ihn  nach- 
geahmt. Das  alberne  Epos  vom  Gargantua,  Pantagruel  und  Panurge  nimmt 
in  seiner  glänzenden  Schalkhaftigkeit  in  der  Weltliteratur  aller  Zeiten 
eine  ganz  eigenartige  Sonderstellung  ein  (1523). 

Wie  die  Künstler  Frankreichs,  kehren  auch  seine  Schriftsteller  zu 
dem  griechischen  und  römischen  Altertum  zurück.  Es  sind  die  Humanisten, 
die  der  König  von  Frankreich  durch  Jahresgehälter  und  sonstigen  Schutz 
hegt  und  pflegt.  Für  sie  gründet  er,  in  der  Absicht,  damit  der  Sorbonne 
ein  Gegengewicht  zu  geben,  das  College  royal,  das  spä.tere  College  de 
France^  eine  ausgezeichnete  und  großzügige  Anstalt,  die  neben  der  Univer- 
12  Richet,  Geschichte  der  Menschheit 


178  Sechstes  Buch. 


sität  ersteht,  ohne  mit  ihr  zu  verschmelzen,  und  die  durch  die  Neuheit  ihres 
Unterrichts  die  oft  ebenso  klassischen  wie  nichtsnutzigen  Vorlesungen 
der  Professoren  an  ^r  Sorbonne  mit  ihren  pedantischen  Methoden  zu 
verbessern   sucht. 

Weder  England  noch  Spanien  scheinen  aus  der  Renaissance  einen 
unmittelbaren  Nutzen  gezogen  zu  haben.  Deutschland  hingegen  hat  zu 
jener  Zeit  ganz  außergewöhnliche  Maler  hervorgebracht:  Hans  Holbein 
(1497 — 1543),  Lukas  Cranach  (1472 — 1553),  tiefe  Beobachter  und  natur- 
getreue Porträtmaler,  und  besonders  Albrecht  Dürer  zu  Nürnberg  (1471 
bis  1523).  Die  Fruchtbarkeit  dieses  Meisters  war  eine  ganz  außer- 
gewöhnliche. Seine  Zeichnungen,  die  immer  neues  Interesse  zu  wecken 
wissen,  sind  nicht  zu  zählen.  Wie  alle  großen  Künstler  dieses  schönen 
Zeitalters,  war  er  Maler,  Kupferstecher  und  Bildhauer  in  einer  Person, 
zeigte  sich  aber  in  allen  seinen  Schöpfungen  stets  von  einer  überraschenden 
Selbständigkeit.  Seine  von  Gleichnissen  und  Sagen  erfüllte  schwärmende 
dichterische  Einbildungskraft  geht  niemals  so  weit,  in  ihm  das  Ver- 
ständnis für  die  lebendige  Wirkhchkeit  zu  ertöten,  das  den  Künstler  im 
letzten  Grund  allein  beraten  darf.  Albrecht  Dürer  ist  gleichzeitig  ein  in 
Sinnbildern  redender  Dichter,  doch  darum  nicht  weniger  leidenschaft- 
licher Vertreter  der  Wirklichkeit.  Er  ist  der  größte  Maler  Deutschlands 
und  auf  einer  Stufe  mit  Raffael,   Velasquez  und  Rembrandt. 


Doch  das  größte  Ereignis  dieses  Jahrhunderts,  weit  größer  noch  als 
die  Renaissance,  ist  die  Reformation. 

In  der  ganzen  Christenwelt  murrte  seit  einiger  Zeit  ein  Geist  des 
Aufstandes  gegen  die  Mißbräuche  der  Kirche,  in  Frankreich,  in  England, 
aber  ganz  besonders  in  Deutschland.  Mehj  als  jedes  andere  Land  hatte 
Deutschland  unter  der  Allmacht  der  Päpste  gelitten,  die  ihnen  in  den 
habgierigen  und  gewalttätigen  Bischöfen  Gebieter  von  einem  oft  unerträg- 
lichen Herrentume  einsetzten.  Die  deutschen  Priester  und  Mönche,  die 
in  Armut  und  Gebet  lebten,  unterwarfen  sich  zunächst,  doch  allmählich 
wurden  auch  sie  von  Unwillen  erfüllt.  Dieser  Mangel  an  Unterwerfung 
schloß  nicht  etwa  einen  Mangel  an  Glauben  in  sich.  Gerade  im  Gegenteil  1 
Alle  Meutereien  dieser  Zeit  richteten  sich  nicht  sowohl  gegen  die  christ- 
liche Lehre  als  gegen  Rom.  Weder  Wiclef  in  England  noch  die  Wal- 
denser  in  Frankreich,  noch  die  Hussiten  in  Böhmen,  noch  Savonarola  zu 
Floren«,  noch  Ulrich  von  Hütten  in  Deutschland  haben  sich  gleichzeitig 
mit    ihrer    Erhebung    gegen    den    Papst    auch    etwa    gegen    die    Religion 


Das  Köniertum. 


179 


erheben    wollen;   sie   hatten   weit   mehr   religiösen    Sinn   als   ihre    Gegner. 
Die  Zeiten  waren  reif  für  eine  Kirchenspaltung. 

Was  sie  herbeiführte  und  ihr  sogleich  einen  Anstoß  und  ein  Leben  von 
einer  ganz  wunderbaren  Kraft  gab,  war  das  gewaltige  Genie  des  deutschen 
Mönches    Martin    Luther    (1483 — 1546). 

Obwohl  einer  armen  B ergmann sfamilie  entstammend,  hatte  er  es  doch 
erreicht,  gründliche  Rechts-  und  Theologiestudien  machen  zu  können. 
Mit  zweiundzwanzig  Jahren  trat  er  ins  Kloster,  und  seine  schwärmerische 
Einbildungskraft  fand  allein  in  dem  glutvollen  Feuer  Ruhe,  das  er  in  seine 
leidenschaftlichen  Predigten  goß.  An  der  Universität  zu  Wittenberg,  wo 
er  Vorlesungen  hielt,  gewann  ihm  die  Wucht  seines  Wortes  die  Studenten 
und  die  Gläubigen. 

Seinen  alten  Wunsch,  eine  Romfahrt  zu  machen,  hatte  er  im  Jahre  1511 
zu  befriedigen  Gelegenheit  gehabt,  als  er  von  seinem  Orden  mit  Aufträgen 
nach  Rom  geschickt  worden  war.  Aber  er  war  von  den  Frechheiten  des 
triumphierenden  Heidentums  aufs  höchste  im  Innern  entrüstet  nach  Hause 
zurückgekehrt.  Papst  Leo  X.  schätzte  theologische  Streitigkeiten  und 
mönchische  Askese  weit  wenfger  als  die  Umrisse  einer  antiken  ßüste,  und 
der  Nachfolger  des  heiligen  Petrus  kannte  keine  andere  Sorge  als 
Reichtümer  aufzuhäufen,  um  seine  Paläste  mit  altertümlichen  Bildsäulen 
zu  schmücken  oder  eine  monumentale  Kirche  als  den  Dom  für  die  ganze 
Welt  zu  bauen. 

Da  nahm  Leo  X.  seine  Zuflucht  zu  dem  Ablaß  vertriebe ;  es  war 
dies  ein  außerordentlich  einfaches  und  sinniges,  übrigens  schon  längere 
Zeit  bestehendes  System,  auf  Grund  dessen  für  eine  bestimmte  zum 
Schatze  St.  Peters  beigetragene  Geldsumme  jeder  Sünder  Vergebung 
seiner  Sünden  erhielt  (Peterspfennig).  Luther  entrüstete  sich  aufrichtig. 
Um  ihn  scharten  sich  einige  Jünglinge,  die  sich  nicht  weniger  entrüsteten 
als  er,  Studenten,  Adlige,  Leute  aus  dem  Volke.  Auch  Fürst  Friedrich 
von  Sachsen,  der  Gründer  der  Universität  Wittenberg,  nahm  )für  ihn 
Partei.  VergebUch  schickte  der  Papst  eine  Bulle,  die  die  Ketzerei  gleich 
in  ihrem  ersten  Keime  verdammte.  Sie  wurde  zu  Wittenberg  feierlich 
verbrannt  (1520). 

Nun  kam  Luther  in  den  Bann  und  wurde  von  Kaiser  Karl  V.  vor 
den  Reichstag  zu  Worms  geladen  (1521).  Nach  einigem  Bedenken  erklärte 
er  laut  und  vernehmlich,  daß  er  nichts  zurücknehmen  könne.  Das  war 
der  endgültige  Bruch  mit  den  beiden  großen  Mächten  jener  Zeit:  der 
Kirche  und  dem  ICaiser. 


1 8o  Sechstes  Buch. 


Ein  großes,  für  immer  denkwürdiges  Datum,  das  Morgenrot  einer 
neuen  Zeit! 

Nachdem  Luther  in  der  zum  Besitze  des  Kurfürsten  von  Sachsen 
gehörigen  Wartburg  Zuflucht  gefunden  hatte,  verbrachte  er  liier  fast  ein 
volles  Jahr  in  Einsamkeit  und  ernster  Sammlung.  Dann  konnte  er  seine 
Predigertätigkeit  fortsetzen,  und  von  allen  Seiten  strömten  ihm  Anhänger 
zu,  Bauern,  Adlige  und  Priester, 

Mit  den  Bauern  gewinnt  die  Reformation  den  Anschein  eines  Stände-, 
mit  den  Adligen  eines  Raubritterkrieges  (Sickingep),  mit  den  Priestern 
eines  theologischen  Glaubensstreites. 

Im  Jahre  1530  wurde  das  Bekenntnis  der  neuen  christlichen  Lehre  in 
aller  Öffentlichkeit  und  Feierlichkeit  verlesen  (Augsburgische  Konfession). 
Bis  auf  einige  wenige  Zugeständnisse  bedeutete  das  einen  vollständigen 
Bruch  mit  dem  katholischen  Dogma,  weigerten  sich  doch  die  Lutheraner 
gerade  das  anzuerkennen,  was  so  ziemlich  die  gesamte  Grundlage  des 
Katholizismus  ausmacht:  die  Unterordnung  unter  die  päpstUche  Allgewalt, 
die  Ehelosigkeit  der  Priester  und  die  wirkliche  Gegenwart  des  Leibes 
Christi  bei   dem  heiligen  Abendmahl. 

Diese  kühne  Erklärung  hatte  auch  die  persönliche  Anwesenheit  Karls  V. 
zu  Augsburg  nicht  zu  unterdrücken  vermocht.  Er  war  darüber  empört; 
aber  von  den  Türken  bedroht  und  in  Furcht  und  Besorgnis  vor  dem  König 
von  Frankreich  verschob  er  die  festbeschlossene  Ausrottung  der  Ketzerei 
lieber  auf  günstigere  Zeiten. 


Doch  diese  günstigeren  Zeiten  kamen  nicht.  Anstatt  zu  verschwinden, 
verbreitete  sich  die  neue  Lehre  immer  weiter.  Ganz  Norddeutschland  wird 
lutherisch  (Pommern,  Württemberg,  Hamburg,  Hannover,  Brandenburg). 
Auch  in  der  Schweiz  triumphiert  sie  dank  den  Bemühungen  Zwingiis. 
Kalvin  ließ  sich  in  Genf  nieder  (1536).  In  Dänemark,  in  Norwegen  und  in 
Schweden  bemächtigten  sich  die  Könige  der  Güter  der  katholischen  Geist- 
lichkeit und  gingen  zur  lutherischen  Kirche  über. 

Als  Luther  im  Jahre  1546  starb,  war  die  Reformation  bereits  zu  mächtig, 
als  daß  sie  noch  hätte  vernichtet  werden  können.  Wohl  hatte  die  katholische 
Kirche  einst  die  Arianer  niederzuwerfen  vermocht;  sie  hatte  noch  eben 
die  Wiedertäufer  (1535)  und  die  Waldenser  (1542)  ausgerottet.  Gegen 
den    Protestantismus    jedoch   sollte   sie   nichts    vermögen. 

Das  Werk  Luthers  bezeichnet  gleichzeitig  den  Abbau  einer  alten  und 
den  Aufbau  einer  neuen  Religion.  Aber  der  Aufbau  ist  nur  schwach, 
i  während  die  Befreivmgstat  ein  Kraftwerk  ersten  Ranges  ist. 


Das  Königtum.  röi 

Bei  aller  seiner  Größe  ist  dieser  gewaltige  Mann  aus  den  anscheinend 
unvereinbarsten  Widersprüchen  zusammengesetzt.  Er  hat  die  Allgewalt 
der  Päpste  angefochten,  was  ihn  aber  nicht  hinderte,  für  seine  Person 
fest  an  einen  leibhaftigen  Teufel  zu  glauben.  Er  hat  Duldsamkeit  gepredigt 
und  doch  im  Leben  manchmal  eine  geradezu  leidenschaftliche  Unduldsam- 
keit bewiesen.  Wie  alle  Religionsstifter,  hat  auch  er  nicht  ahnen  können, 
was  seine  Anhänger  und  Nachfolger  noch  einmal  alles  aus  seiner  Lehre 
machen  würden.  Sicher  ist  der  Triumph  des  Protestantismus  Luther  zu 
danken,  aber  seit  seinem  Dahinscheiden  ist  eine  solche  Menge  protestan- 
tischer Sekten  entstanden,  die  gleichzeitig  so  viele  Anhänger  haben  und 
doch  alle  hinwiederum  so  stark  voneinander  abweichen,  daß  diesen  so 
vielen  und  so  mannigfaltigen  Glaubensabarten  einfach  jede  gemeinsame 
Einheit  fehlt.  Unter  den  Protestanten  unterscheidet  sich  ein  Teil  von  den 
Katholiken  nur  durch  ganz  unbedeutende  Kleinigkeiten,  andere  hin- 
wiederum   erkennen    nicht    einmal    die    Gottheit    Christi    an. 

Mag  dem  sein,  wie  ihm  wolle,  dank  Luthers  Großtat  war  es  eine 
gewaltige  Religion,  die  man  damals  in  die  Welt  treten  sehen  konnte,  wenn 
anders  man  den  Namen  Religion  einer  Lehre  geben  kann,  die  weder  eine 
Offenbarung  kennte  noch  einen  vorgeschriebenen  rituellen  Kult,  noch 
geweihte    Priester. 

Luther  selbst,  der  von  den  einen  als  Heiliger  und  von  den  andern 
als  Betrüger  angesehen  wurde,  war  von  beiden,  einem  Betrüger  wie  einem 
Heiligen,  gleich  weit  entfernt.  Rücksichtslos  offen  gegen  jedermann, 
bieder,  natürlich  und  keusch  starb  er  arm  und  ohne  daß  er  jemals  auch 
nur  einen  einzigen  Andersdenkenden  auf  den  Scheiterhaufen  gebracht 
hätte.  Trotz  seines  kindlichen  Aberglaubens,  seiner  etwas  wunderlichen 
Glaubenslehre  und  seiner  wütenden  Streitsucht  ist  und  bleibt  er  ein  wahrhaft 
großer  Mann.  Er  zählt  zu  den  heldenmütigsten  Kriegern  "des  Geistes. 
Mag  er  selbst  an  die  Freiheit  geglaubt  haben  oder  nicht,  jedenfalls  wurde 
er   zu   einem    Befreier. 

Wenn  die  Reformation  in  Deutschland  demokratisch  war,  war  sie  in 
Frankreich   aristokratisch  und  in   England  monarchisch. 

In  Frankreich  hatten  die  Vertreter  der  Geisteswissenschaften  oder, 
wie  man  sie  damals  nannte,  die  Humanisten,  zu  denen  sich  auch  eine 
Anzahl  Adliger  rechnen  durfte,  zu  Anfang  des  i6.  Jahrhunderts  ein  Maß 
von  geistiger  Unabhängigkeit,  wie  es  die  große  Masse  nicht  kannte.  Noch 
vor  Luther  wagte  ein  hochbetagter  Professor  der  Universität  Paris, 
Lef^vre  d'Etaples  (im  Jahre  1512),  einen  Kommentar  zu  den  Paulinischen 
Briefen  zu  veröffentlichen.  Es  war  dies  ein  sehr  kühnes  Buch,  wird  doch 


102  Sechstes  Buch. 


darin    ausschließlich    der    Heiligen    Schrift    irgendwelche    Autorität    zuge- 
standen.  Derselbe  Lef^vre  d'Etaples  übersetzte  das  Neue  Testament  (1523) 
wie  auch  das  Alte  (1528)  zu  einer  Zeit  ins  Französische,  wo  auch  Luther  die 
I   Bibel  noch  nicht  ins  Deutsche  übersetzt  hatte.    Und  die  Bekanntmachung 
I    des  Volkes  mit  den   Heiligen   Büchern,   das  gerade  ist  ja  die   Grundlage 
\  der    Reformation. 

Als  die  Schriften  und  Predigten  Luthers  in  Frankreich  bekannt  wurden, 
fanden  sie  alsbald  einen  freudigen  Widerhall,  doch  nicht  sowohl  gleich 
in  den  breiten  Massen  des  Volkes  als  vorläufig  noch  allein  in  dem  Adel, 
der  damals  die  Blüte  des  Landes  darstellte;  Des  Königs  Schwester  selbst, 
Königin  Margarete  von  Navarra,  der  volkstümliche  Dichter  Marot,  der 
ehrwürdige  Bischof  von  Meaux,  Brigonnet,  der  Hellenist  Budäus,  sie  alle 
neigten  zur  Reformation,  ohne  ihr  ausdrücklich  anzugehören.  Lange 
Zeit  war  auch  Franz  L  unentschieden.  Auf  der  einen  Seite  sah  er  den 
Papst,  die  Sorbonne  und  die  ganze  große  Masse  des  Volkes,  aber  daneben 
Karl  V.,  seinen  verhaßten  Nebenbuhler,  auf  der  andern  einige  aufgeklärte 
Forscher,  Adlige,  Buchdrucker,  Gelehrte,  Künstler  und  Freigeister,  lauter 
Elemente,  die  Franz  I.  im  Grunde  seines  Herzens  bevorzugte. 

Groß  war  die  Versuchung,  diesen  zu  folgen,  und  eine  Zeitlang  schwankte 

auch  der  König  und  sah  es  nur  widerwillig  mit  an,  als  Jobert,  Doullon  und 

Berquin  den  Feuertod  erleiden  mußten.   Aber  gegen  Ende  seiner  Regierung 

ließ  er,  siech  und  durch  sein  Siechtum  auch  geistig  gebrochen,  alles  gehen, 

wie  es  ging,  genehmigte  die  Verbrennung  des  Etienne  Dolet  (1543)  sowie 

das    Blutbad   unter   den   Waldensern   und   trat   nun   ganz   entschieden   zur 

I  Partei  Karls  V.  über,  um  mit   Nachdruck  gegen  die  noch  im  Entstehen 

I  begriffene   Ketzerei  zu  kämpfen.    Er  hätte   nur  zu   wollen  brauchen,   und 

!  Frankreich   wäre   damals  protestantisch  geworden. 

So  aber  hatte  Jean  Calvin,  um  sich  seinen  Verfolgern  zu  entziehen, 
nun  schon  seit  mehreren  Jahren  (1553)  Frankreich  verlassen.  Jean  Kalvin 
(1509 — 1565)  ist  jemand,  der  nach  Luther  und  auch  so  ziemlich  in  den- 
selben Grenzen  wie  Luther  den  Protestantismus  zum  zweitenmal  be- 
gründet hat. 

In  noch  verhältnismäßig  früher  Jugend  hatte  er  in  lateinischer  Sprache 
eine  Abhandlung  verfaßt :  Institutio  christianae  religionis  (Institution 
chretienne,  1536),  eine  kühne  Schutz-  und  Trutzschrift  zugunsten  der 
Reformation,  die,  schon  im  Jahre  1540  von  ihm  selbst  ins  Französische 
>  übersetzt,  bald  den  maßgebenden  Wegweiser  für  den  französischen  Pro- 
testantismus  bildete. 


Das  Königtum.  1R3 


Die  Stadt  Genf  hatte  den  reformierten  Glauben  angenommen.  Hier 
lebte  Kalvin,  von  seinem  beredten  und  feurigen  Freunde  Guillaume  Farel 
berufen,  von  1536  bis  zu  seinem  Tode.  Er  war  zuerst  Professor  "der 
Theologie,  dann  Professor  des  Konsistoriums.  Da  er  allmächtig  war, 
übte  er  schließlich  eine  richtige  Diktatur  aus,  die  ihn  zu  ganz  abscheulichen 
Übertreibungen  verleitete.  Die  Theologen,  die  nicht  genau  so  dachten  wie 
er,  wurden  auf  Grund  eines  Scheingerichtsverfahrens  dem  Feuertode 
überliefert.  Es  fielen  verhältnismäßig  nur  wenig  Opfer,  sah  man  doch 
im  ganzen  nicht  mehr  als  sechzig  Scheiterhaufen  lodern,  was  für  jene  Zeit 
nicht  viel  ist.  Doch  unglücklicherweise  war  unter  den  Märtyrern  auch 
ein  besonders  hervorragender  Mann;  es  war  dies  der  Spanier  Miguel 
Servet,   der  soeben  den  Blutumlauf  entdeckt  hatte  (1555). 

Kalvin  starb  zehn  Jahre  nach  der  Gewalttat  an  Servet  (1564).  Schon 
hatte  sich  seine  Lehre  über  ganz  Frankreich  verbreitet  und  zahlreiche 
Anhänger  gewonnen.  Eine  düstere  und  kalte  Lehre,  die  nur  von  einer 
einzigen  schwärmerischen  Vorstellung  belebt  war:  der  Vorherbestimmung 
(Prädestination) !  Und  in  der  Tat,  Kalvin  leugnete  ganz  wie  Luther  den 
freien  Willen,  Diese  beiden  Männer,  deren  gesamtes  Wirken  der  Freiheit  I 
gegolten  hat,  konnten  dieselbe  im  menschlichen  Gewissen  nicht  finden. 
Die  Entgegnung  der  Katholiken  fiel  ebenso  reichlich  aus,  wie  sie  sich  auf 
armseligen  Spitzfindigkeiten  aufbaute.  Dieses  ganze  Theologengeschwätz, 
um  dessentwillen  sich  an  hundert  edle  Menschen  verabscheuen,  verbrennen  \ 
und  hinschlachten  ließen,  wog  nicht  eine  einzige  Seite  des  Epiktet  oder 
auch    nur    ein    einziges    Gleichnis    des    Evangeliums    auf. 

Kalvin  hat  einen  ganz  wunderbaren  Einfluß  ausgeübt.  Er  hat  die 
Reformation  nach  Schulmeisterart  zu  lehren  verstanden,  da  wo  Luther 
nur  geträumt  und  gepredigt  hatte.  In  der  rauhen  Schule  Kalvins  erzogen, 
sollten  die  französischen  Protestanten  bald  allen  ihren  Verfolgern  mit  so 
vielem  Heldenmut  und  so  segensreichen  Wirkungen  für  ihre  Sache  die 
Stirn  bieten  können,  wie  man  sie  nur  einst  an  den  ersten  Christen  unter 
Nero    bewundert    hatte. 

Von    allen    Seiten    erschienen    nun    kühne    Bücher,    die    sich    an    solche 
Dinge  heranwagten,  die  bisher  als  die  heiligsten  angesehen  worden  waren, 
Thomas   Morus  zu  Oxford  veröffentlicht  im  Jahre   151 5   eine  Schilderung 
der  Republik  Utopia,  die  dem  Lob  der  Narrheit  des  Erasmus  und  den 
Faicts   et  Dicts   de   Pantagruel  (Taten   und    Worte   des   Pantagruel)   von    ^ 
Rabelais  an  die  Seite  zu  stellen  ist.    Rabelais,   Erasmus  und  Morus  sind    ' 
keineswegs  offene  Protestanten,  die  sich  als  solche  zu  erkennen  gegeben  ' 
haben.    Sie  haben  nicht  gerade  ein  besonderes  Verlangen  danach,  geächtet 


t84  Sechstes  Buch. 


und  verfolgt  zu  werden,  und  so  bekennen  sie  sich  zur  alleinseligmachenden 
Kirche.  Gleichwohl  denken  sie  frei  und  haben  dadurch,  vielleicht  unbeab- 
sichtigt, der  Reformation  die  Bahn  geebnet.  Sie  hatten  sich  hinter  die 
Maske  des  Possenreißers  versteckt,  ein  bequemes  Mittel,  die  Wahrheit  sagen 
zu  können,  ohne  das  Martyrium  auf  sich  nehmen  zu  brauchen. 

Ganz  anders  verlief  die  Reformation  in  England.  Heinrich  VIII. 
verstand  in  religiösen  Dingen  keinen  Spaß.  Er  hielt  sich  für  einen  Theo- 
logen, und  so  unterließ  er  nicht,  ganz  wie  seine  erlauchten  Freunde 
Franz  I.  und  Karl  V.,  die  Reformation  zu  bekämpfen.  Aber  in  "der 
gleichen  Zeit,  wo  er  die  Protestanten  verfolgte,  brach  er  mit  dem  Papste 
und  eröffnete  so  in  England,  wenn  auch  nicht  die  Ketzerei  selbst,  aber 
doch  ihre  Vorbotin,  die  Kirchenspaltung. 

Eine  Frauenfrage  war  es,  um  derentwillen  er  sich  von  der  Kirche 
trennte.  Ebenso  selbstherrlich  in  seiner  Liebe  wie  in  seiner  Theologie, 
beanspruchte  er,  ganz  nach  freiem  Ermessen  eine  Ehe  eingehen  und  sie 
auch  wieder  trennen  zu  dürfen.  Doch  solchen  Ehescheidungen  von  Herr- 
schern sind  die  Päpste  schon  immer  wenig  entgegenkommend  gewesen. 
Diesmal  wollte  es  Clemens  VII.  um  so  weniger  sein,  als  die  erste  Frau 
des  Königs  von  England,  Katharina  von  Anjou,  die  Tante  Karls  V.,  des 
zuverlässigsten  Beschützers  des  Papsttums,  war.  So  gab  es  zwischen  dem 
Papst  und  dem  König  von  England  einen  empfindlichen  Bruch. 

Die  Güter  der  Klöster  waren  beträchtliche.  Sie  wurden  beschlagnahmt 
(Augmentation  Act).  Es  bildete  das  eine  Quelle  unermeßlicher  Ein- 
nahmen für  den  König  und  seine  Günstlinge.  Die  Mönche  wurden  verjagt, 
die  katholischen  Heiligenbilder  den  Flammen  überliefert.  Das  Parlament, 
knechtselig,  wie  es  war,  ging  auf  alles  ein  und  erklärte,  daß  das  Oberhaupt 
der  englischen  Staatskirche  der  König  sei. 

So  kam  es  auch,  daß  Heinrich  VIII.  sich  ebensowenig  ein  Gewissen 
daraus  machte,  sich  seiner  Minister  auf  dem  kürzesten  Wege  zu  entledigen, 
wie  er  es  mit  seinen  Frauen  getan  hatte.  Zu  der  Zeit,  wo  er  noch  dejn 
Katholizismus  angehörte,  führte  er  die  Regierung  zuerst  mit  Kardinal 
Wolsey,  der,  wenn  nicht  eine  tödliche  Krankheit  seiner  Verurteilung 
vorausgegangen  wäre,  ohne  Zweifel  auf  dem  Schafott  geendet  hätte,  und 
dann  mit  Sir  Thomas  More,  der  in  der  Tat  enthauptet  wurde.  Sein  Bruch 
mit  der  Kirche  wurde  durch  Verhandlungen  herbeigeführt,  mit  denen  er 
Thomas   Cromwell   beauftragt   hatte    (1530).     Im   Jahre    1540   wurde   auch 

schon  dieser  enthauptet. 

f 

'      Nun  aber  erst  seine  Frauen  I   Das  ist  erst  ein  wenig  erbauliches  Kapitel  I 


Das  Königtum.  i85 

Im  Jahre  1531  verstößt  er  Katharina  und  heiratet  Anna  Boleyn.  Im  Jahre 
1536  wird  Anna  Boleyn  enthauptet,  und  schon  am  folgenden  Tage  heiratet 
er  Johanna  Seymour,  dann  Katharina  Howard,  die  ebenfalls  enthauptet 
wurde,  und  dann  Katharina  Parr,  die  sicher  demselben  Schicksal  anheim- 
gefallen   wäre,    wenn    den    König   nicht   rechtzeitig   der    Tod    ereilt    hätte. 

Grausam,  ausschweifend,  eitel,  ist  Heinrich  VIII.  einer  von  jenen 
eigensinnigen  Tyrannen,  deren  unsterbliches  Urbild  Nero  ist.  Scheiter- 
haufen und  Schafott  waren  das  Argument,  das  er  stets  in  Bereitschaft 
hielt,  um  eine  Erörterung  abzuwehren  oder  auch  eine  seiner  vielen  Lieb- 
schaften zur  Eingehung  einer  neuen  zu  lösen. 

Sein  Sohn  Eduard  VI.  (1547 — 1553)  war  erst  zehn  Jahr  alt,  als  er 
König  wurde.  Anstatt  seiner  führte  sein  Oheim,  der  Herzog  von  Somerset, 
die  Regierung.  Mit  ihm  trat  die  englische  Monarchie  ganz  offen  zum 
Kalvinismus  über. 

Eine  eigens  für  englische  Verhältnisse  eingerichtete  Gottesdienstordnung, 
die  auch  Kalvins  Beifall  fand,  wurde  nunmehr  eingeführt.  Die  königliche 
Regierung  ließ  die  letzten  noch  übriggebliebenen  katholischen  Andacht- 
gegenstände verbrennen  und  die  letzten  Kirchenverbände  und  Klöster 
zerstören.  Somerset  hatte  so  viel  Haß  gegen  sich  aufgehäuft,  daß  auch 
er  schließlich  angeklagt,  verurteilt  und  enthauptet  wurde  (1552). 

Auf  Eduard  VI.  folgte  seine  Tochter  Maria  Tudor  (1553— 1558).  Sie 
war  katholisch,  und  so  mußten  auch  die  amtlichen  Kreise  Englands 
wieder  die  Religion  wechseln.  Und  wieder  gab  es  Märtyrer,  die  mutig 
starben,    wie   man   denn   überhaupt   in   jenen   Zeiten   zu   sterben   verstand. 

Im  Jahre  1558  kommt  Elisabeth,  Anna  Boleyns  und  Heinrichs  VIII. 
Tochter,  zur  Herrschaft.  Unter  ihrer  langen  Regierung  (1558 — 1603) 
bekam  die  Reformierte  Kirche  ihren  endgültigen  Abschluß  in  ihrem  Reiche 
(in  Gestalt  der  Anglikanischen  Hochkirche). 

In  Spanien  kann  von  der  Reformationsbewegung  nicht  recht  die  Rede 
sein,  aus  dem  einfachen  Grunde,  weil  sie  dort  so  gut  wie  gar  nicht  vor- 
handen war.  Das  Volk  blieb  hier  nicht  nur  der  römischen  Religion  an 
und  für  sich  treu,  sondern  es  wahrte  sogar  auch  die  Inquisition,  die 
nicht  gezögert  hätte,  die  Protestanten  wie  die  jüdischen  Scheinchristen 
oder  die  Araber  zu  behandeln  und  ihnen,  wie  diesen,  Massenautodafes 
anzuzünden.    Aber  der  spanische  Glaube  wankte  nicht. 

In  Italien  war  der  Protestantismus  ebenso  ohnmächtig  wie  in  »Spanien; 
war  es  aber  in  Spanien  Gläubigkeit,  die  ihn  nicht  aufkommen  ließ,  so  war 
es  in   Italien  Gleichgültigkeit. 


i86  Sechstes  Buch. 


Doch  in  halb  Nordeuropa  hatte  die  Ketzerei  triumphiert.  Die  Kathohken 
begriffen  jetzt  die  Notwendigkeit  einer  Abwehr,  die  sie  nun  mutig  in  die 
Hand  nahmen,  indem  sie  zunächst  damit  anfingen,  bei  sich  selbst  einzu- 
kehren. 

So  zeitigte  die  Reformation  das  sonderbare  Ergebnis,  daß  sie  die 
römische  Kirche,  die  sie  anfangs  bedrohte,  schließlich  ebenfalls  reformierte, 
und  zwar  sowohl  in  bezug  auf  die  Unumstößlichkeit  ihrer  Dogmen  wie 
in  bezug  auf  die  Strenge  ihrer  Sittenlehren.  Am  Ende  des  15.  und  zu  Anfang 
des  16,  Jahrhunderts,  also  bis  zu  Luther  und  Kalvin,  war  keine  von  den 
mancherlei  Vorschriften,  die  die  Lehre  oder  die  Sitten  betrafen,  wirklich 
scharf  und  bestimmt  abgefaßt.  Die  Mönche  waren  ohne  jedes  Ansehen, 
die  Priester  unwissend,  die  Bischöfe  habgierig  und  die  Päpste  ungläubig. 

I  In   den   oberen   kirchlichen   Kreisen   hatte   an    Stelle   des   tiefen   Glaubens 

^  und  der  Überzeugungstreue  der  ersten  Jahrhunderte  ein  vornehmer  Skepti- 

/  zismus  Platz  gegriffen. 

I  Alles  in  der  Religion  war  damals  strittig  und  schwankend:  Gottesdienst- 
ordnung und  Dogma.  Die  Ehelosigkeit  (der  Zölibat)  der  Priester  war 
ein  Gegenstand  beständiger  Meinungsverschiedenheit.  Die  Kirchenversamm- 
lungen oder  Konzilien  zu  Konstanz  und  Basel  hatten  sich  nur  mit  großer 
Mühe  über  die  Wahl  eines  Priesters  zu  verständigen  gewußt.  Wenn  die 
Borgia  und  die  Medici  auf  den  päpstlichen  Stuhl  gelangten,  hatten  sie 
immer  nur  Vergnügungs-,  Geld-,  Kunst-  oder  Kriegssorgen.  Nach  der 
Reformation  wird  plötzlich  alles  anders,  gleich  anfangs  mit  dem  bejahrten 
Paul  in.  (1534 — 1549),  besonders  aber  mit  der  Inquisition,  die  ihren  Be- 
schlüssen Geltung  zu  verschaffen  weiß.  Die  Päpste  werden  jetzt  streng, 
ja  geradezu  düster.  Sie  verstatten  den  Priestern  keine  Freiheiten  mehr, 
sei  es  in  ihrem  Privatleben  oder  in  ihren  theologischen  Anschauungen, 
und  sobald  sich  erst  bei  den  Priestern  der  Glaube  gehoben  hatte,  sollten 
von  nun  an  immer  dann,  wenn  die  Päpste  nicht  mehr  die  Priester  zur 
Tugend  anhielten,  dies  umgekehrt  die  Priester  den  Päpsten  gegenüber  tun. 
Einem  Mönch,  Ignatius  von  Loyola  (1491 — 1556),  gebührt  das  Verdienst, 

i   eine    derartige    Läuterung    der    Kirche    unternommen    zu    haben. 

'  Es  war  dies  ein  junger  spanischer  Edelmann,  der  den  Feldzug  mit- 
\}^  gemacht  hatte.  Er  wollte  die  strenge  Manneszucht,  die  das  Wesen  aller 
Heere  im  Kriege  ausmacht,  nun  auch  auf  die  religiösen  Dinge  übertragen. 
Die  Priester  seines  Ordens  oder,  wie  er  es  nannte,  seiner  Gesellschaft 
(Jesuiten)  sind  vor  allem  zum  unbedingten  Gehorsam  verpflichtet.  Anstatt 
jenes  asketische  Leben  der  Einkehr  und  Schwärmerei  zu  führen,  in  dem 
sich  bisweilen  die  Mönche  der  andern  Orden  verloren,  um  gänzlich  darin 


tw 


Das  Königtum.  jQj 


unterzugehen,  mußten  die  Jesuiten  mitten  in  das  Getümmel  des  Lebens  (das 
weltliche  Leben),  Irrlehren  bekämpfen,  die  Jugend  vmterweisen,  unerlaubte 
Lastor  zur  Anzeige  bringen  und,  zwar  den  allgemeinen  priesteilichen 
Vorschriften  treu  bleiben,  aber  als  höchste  Autorität  das  Gebot  ihres 
Generals   anerkennen. 

Gleich  von  ihrer  Gründung  im  Jahre_£54o  an  machte  die  Gesellschaft 
Jesu  rasende  Fortschritte.  In  Spanien,  Portugal  und  Deutschland  konnte 
man   an   den   verschiedensten   Punkten   Jesuitengymnasien   erstehen   sehen. 

Die  Jesuiten  waren  mit  geringen  Ausnahmen  fromme  und  leidenschaft- 
liche Christen,  die  als  glühende  Verteidiger  ihrer  Kirche  gegen  die  herein- 
brechende Ketzerei  in  die  Schranken  traten  und  das  Christentum  bis  an 
das  Endo  der  Welt  unter  Wilden  und  Ungläubigen  zu  verbreiten  strebten. 
Durch  ihre  Bedeutung  auf  geistigem  Gebiete  und  ihre  strengen  Sitten  haben 
sie  sich  unter  den  Vorkämpfern  des  katholischen  Glaubens  für  alle  Zeiten 
den  ersten  Platz  erobert.  Die  monarchischen  Regierungen  haben  sie  freilich 
immer  nur  mit  einigem  Mißfallen  gesehen  als  unabhängige  Männer,  die 
kein  anderes  Gesetz  als  das  ihres  Ordens  kannten.  Man  hat  sie  verfolgt 
und  verleumdet,  was  sie  übrigens  nicht  gehindert  hat,  gelegentlich  selbst 
die    Verfolger   und   Verleumder   zu    spielen. 

Unter  dem  Eindruck  dieser  neuaufblühenden  katholischen  Begeisterung 
führten  die  Päpste  die  Geistlichkeit  wieder  zur  strengsten  Innehaltung 
der    Glaubenssätze    und    kirchlichen    Sitten    zurück. 

Das  Konzil  zu  Trient  (1545 — 1563),  eines  der  bedeutendsten  in  der 
gesamten  Kirchengeschichte,  faßte  die  römisch-kathoHsche  Lehre  klipp  und 
klar  in  einer  jeden  Zweifel  ausschließenden  Weise  zusammen.  Im  Gegen- 
satz zu  dem  bunten  Durcheinander  der  Ansichten  der  dem  Katholizismus 
abtrünnigen  Christen  bestand  die  große  Macht  der  römischen  Kirche 
darin,  den  vielfachen  und  verschiedenartigen  Sekten,  in  die  der  Protestan- 
tismus zerfiel,  eine  einzige  einheitliche  Lehre  von  einer  ganz  wunderbaren 
Geschlossenheit  und  Folgerichtigkeit  entgegenzusetzen.  Die  Tridentiner 
Kirchenversammlung  stellt  in  allen  Einzelheiten  die  wesentlichsten  Grund- 
sätze des  Katholizismus  fest,  Grundsätze,  die  noch  heute  eine  unumstößliche 
Herrschaft  ausüben.  Es  sind  dies  die  sieben  Sakramente,  die  heilige  Messe 
mit  der  wirklichen  Gegenwart,  die  alleinige  Autorität  der  Kirche  für  die 
Auslegung  der  Heiligen  Schrift,  der  Zölibat  der  Priester.  Es  war  das  alles 
zwar  nichts  Neues,  aber  etwas,  das  bisher  noch  niemals  in  so  bestimmter 
Weise  gesagt  und  gefordert  worden  war. 

Die  feurige  Sprache  Luthers  hatte  das  Christentum  aus  seiner  Betäubung 
geweckt.    Jetzt  galt  es   für   jeden   Christenmenschen,   Farbe  zu   bekennen. 


t88  Sechstes  Buch. 


Es  gab  nicht  ein  Gemüt,  das  nicht  von  einem  gewissen  Zustand  der  Er- 
regung ergriffen  worden  wäre.  In  Frankreich,  in  Deutschland,  in  England, 
überall  ging  man  mit  wahrem  Feuereifer  an  die  Erörterung  der  schwierigsten 
.  religiösen  Streitfragen.  Wo  man  sich  aber  nicht  durch  Vernunftgründe 
'  hatte  überzeugen  können,  nahm  man  seine  Zuflucht  zur  Gewalt.  Es  hieß 
entweder  zum  Pastor  in  die  Predigt  oder  zum  Priester  in  die  Messe,  wenn 
man  nicht  als  ein  Abgesandter  des  Teufels  gelten  wollte!  Dazu  war  die 
noch  nicht  hundert  Jahre  alte  Buchdruckerkunst  zu  einer  gefürchteten 
neuen  Macht  geworden,  die  das  Feuer  schürte.  Die  polemischen  Schriften 
verbreiteten  sich  überall  und  säten   Zweifel,   Zwietracht  und   Haß. 

Wie  schon  einmal  vor  langen  Zeiten  in  Byzanz,  so  herrschte  auch  jetzt 
wieder  in   der   Christenwelt   ein   Pfaffengezänk   und   eine   religiöse   Fehde, 
durch  die  alles  menschliche   Streben  zum   Schönen  und  Wahren  in  öder 
und  nichtiger   Unfruchtbarkeit  unterging,   jenes   Streben,   das   die   Renais- 
sance so  herrlich  hatte  anbrechen  sehen. 
!        Das  i6.  Jahrhundert,  das  mit  einem  Christoph  Kolumbus,  einem  Michel- 
angelo und  einem  Kopernikus  eingeläutet  worden  war,  sollte  in  unseligen 
Religionskriegen    ausklingen.     Sicher    haben    diese    Kriege    manche    glän- 
zenden  Waffentaten   gezeitigt;    viele    Glaubenszeugen   haben   in   ihnen   die 
Gelegenheit  gefunden,  ihren  Heldenmut  zu  beweisen  und  ihre  Überzeugungs- 
treue mit  Blut  zu  besiegeln;  manche  Seelen  haben  sich  in  diesem  Kampfe 
I    gestählt.     Aber    das    war    nicht    mehr    ein    Reich    Gottes    zu   nennen,    und 
i    Christus,    für    den    man    sich    zu    schlagen    vorgab,    war    in    Wirklichkeit 
völlig  in  Vergessenheit  geraten. 

Doch  wer  wollte  behaupten,  daß  die  wesentliche  Voraussetzung  aller 
Freiheit  —  Gewissensfreiheit,  persönlicher  Freiheit,  nationaler  Unabhängig- 
keit —  nicht  darin  bestehe,  sie  sich  erst  durch  Blut  erkaufen  zu  müssen? 
Die  religiösen  Kämpfe  in  Frankreich,  vom  Tode  Heinrichs  H.  bis 
zur  Thronbesteigung  Heinrichs  IV.,  haben  von  den  Königen  Frankreichs 
wohl  kaum  eine  nennenswerte  Einwirkung  erfahren.  Von  den  drei  Söhnen 
Heinrichs  II.,  den  drei  letzten  Valois,  Franz  II.  (1559 — 1560),  Karl  IX. 
(1560 — 1574)  und  Heinrich  III.  (1574 — 1589)  starb  der  erste  in  dem  jugend- 
lichen Alter  von  siebzehn  Jahren  nach  einer  nur  einjährigen  Regierung, 
war  der  zweite  ebenso  unfähig  wie  verkommen,  der  dritte  vielleicht  noch 
unfähiger  und  verkommener  als  der  zweite!  Aber  sie  wurden  unter  der 
Vormundschaft  ihrer  Mutter  Katharina  von  Medici  gehalten;  es  war  dies 
eine  ränkesüchtige  und  abergläubische  Italienerin,  die  aus  den  Lehren 
eines  Macchiavelli  keine  anderen  Herrschertugenden  als  Doppelzüngigkeit 
und  gemeine   Hinterlist   herauszuholen   gewußt   hatte. 


Das  Königtum.  l8g 

Ein  Volk  verzeiht  seinem  Könige  alles,  wenn  er  nur  recht  tapfer  und 
bieder  ist.  Karl  IX.  und  Heinrich  III.  waren  keines  von  beiden,  daher 
wurden  sie  auch  sehr  schnell  unvolkstümlich.  Die  Franzosen  hatten  sich 
zudem  in  ihrer  Mehrzahl  zu  höchst  aufrichtigen  und  äußerst  fanatischen 
Katholiken  entwickelt.  Sie  rechneten  also  für  die  beabsichtigte  große 
Hugenottenhetze  weniger  auf  die  Person  des  Königs  als  auf  gewisse  adHge 
HeiTcn,  die  sehr  tapfer  und  ebenso  ehrgeizig  wie  tapfer  waren,  nämlich 
die  Guisen.  Die  bekannte  Maria  Stuart  stammte  mütterlicherseits  gleich- 
falls aus  dem  Hause  der  Guisen,  die"  sich  lange  vergeblich  weigerten,  die 
so  unglückliche  Prinzessin  König  Franz  II.,  diesem  halben  Kinde,  zur 
Frau  zu  geben. 

Auch  die  Kalvinisten  hatten  an  der  Spitze  ihrer  Partei  Männer  aus  dem 
höchsten  Adel,  deren  Ehrgeiz  an  sich  nicht  geringer  als  der  der  Guisen 
war,  aber  doch  durch  die  kalvinistische  Sittenstrenge  in  gewissen  Schranken 
gehalten  wurde,  so  einen  Admiral  von  Coligny,  einen  Montmorency  und 
einen  Conde. 

In  jenem  Zeitalter  war  das  Nationalgefühl  viel  weniger  stark  ausgeprägt 
als  das  religiöse.  Keiner  der  damaligen  Franzosen  hatte  auch  nur  das 
leiseste  Bedenken,  Geld  oder  militärische  Unterstützungen  vom  Auslande 
anzunehmen;  die  Guisen  suchten  ihre  Anlehnung  an  Spanien,  die  Kal- 
vinisten  an    England. 

Aber  wenn  einer  Spanien  fürchtete,  war  es  Katharina  von  Medici, 
war  doch  dieses  Land  die  mächtigste  und  habgierigste  der  Monarchien  der 
Zeit.  So  konnte  auch  Katharina,  mochte  sie  auch  die  Kalvinisten  noch 
so    sehr    bekämpfen    und    verfolgen,    die    Guisen    ebensowenig    ausstehen. 

Im  Jahre  1562  brach  nun  zwischen  Hugenotten  und  Katholiken  der 
offene  Krieg  aus,  und  er  fand  die  schon  längst  ersehnte  endgültige 
Erledigung  erst  im  Jahre  1594,  wo  Heinrich  IV.  in  Paris  einzog.  Wenn 
Bürgerkriege  stets  an  Unbarmherzigkeit  noch  die  andern  Kriege  über- 
bieten, so  hat  dieser  unter  denen  aller  Zeiten  das  Höchstmaß  daran  geleistet  1 

Und  innerhalb  desselben  hinwiederum  waren  es  imter  den  beiden  Parteien 
die    Katholiken,    deren    Unmenschlichkeiten    besonders    furchtbar    waren. 

Der  Massenmord  der  Bartholomäusnacht  ist  das  erschreckende  Sinnbild 
des  Zeitalters.  Durch  königlichen  Erlaß  (Vertrag  von  Saint-Germain 
1570)  beruhigt,  waren  die  kalvinistischen  Führer  Cond^,  Coligny  und  der 
noch  ganz  jugendliche  König  Heinrich  von  Navarra  nach  Paris  zur  Hochzeit 
Margaretes,  der  Schwester  des  französischen  Königs,  mit  dem  König  von 
Navarra  gekommen.  In  der  Nacht  des  24.  August  1572  stürzte  sich  der 
von  den   Soldaten  des   Herzogs  von   Guise  aufgehetzte,   geführte  und  ge- 


igo  Sechstes  Buch. 


schützte  Pariser  Pöbel  auf  die  Hugenotten.  Auch  der  greise  CoHgny  fiel 
einem  Bubenstreiche  zum  Opfer.  Die  Zahl  der  Mordtaten  ist  nicht  genau 
bekannt,  aber  sicher  waren  es  in  der  einen  Nacht  mehr  als  zweitausend. 
Die  Blüte  von  ganz  Frankreich  mußte  damals  in  Paris  ihr  Leben  lassen. 
Der  große  protestantische  Dichter  Agrippa  d'Aubigne  hat  gegen  den  König 
Karl  IX.  die  furchtbare  Anklage  erhoben,  daß  er,  der  nicht  einmal  den 
traurigen  Mut  gehabt  hätte,  der  Anstifter  dieses  heimtückischen  Überfalls 
sein  zu  wollen,  zum  Spaße  mit  einer  Hakenbüchse  hinter  den  Hugenotten 
hergeschossen  habe,  die  die  vom  Morden  berauschte  Menge  auf  den 
Straßen  verfolgte  oder  auch  in  die   Seine  warf. 

Der  neue  Papst  Gregor  XHI.  hieß  die  Tat  des  französischen  Königs  noch 
nachträglich  gut,  ja  König  Philipp  H.  von  Spanien  beglückwünschte  ihn. 

Auch  in  der  Provinz  fand  das  "Beispiel  von  Paris  Nachahmung.  Es 
wurden  zusammengenommen  in  Paris  wie  in  Troyes,  Orleans,  Toulouse 
und  anderen  Städten  etwa  achttausend  Menschen  dahingeschlachtet.  Doch 
mit  Ziffern  lassen  sich  die  großen  Verbrechen  der  Weltgeschichte  über- 
haupt nicht  bemessen!  Die  Bluthochzeit  in  der  Bartholomäusnacht  ist 
in  der  Volksseele  für  alle  Zeiten  lebendig  geblieben  als  eine  der  furcht- 
barsten Erinnerungen  an  Grausamkeit  und  Verrat. 

Zwar  waren  die  Reihen  der  Hugenotten  erschreckend  gelichtet,  aber 
gleichwohl  gaben  sie  sich  noch  nicht  besiegt.  Mit  dem  Mute  der  Verzweif- 
lung nahmen  sie  den  Krieg  noch  einmal  auf,  sie  sammelten  sich  in 
einigen  Städten,  besonders  in  La  Rochelle,  das  sie  befestigten. 


Zwei  Jahre  später  starb  Karl  IX.  Der  Thronerbe  war  sein  Bruder 
Heinrich,  der,  soeben  zum  König  von  Polen  ernannt,  nun  schleunigst  nach 
Paris  heimkehrte,  um  sich  die  ihm  zugefallene  französische  Krone  aufs 
Haupt  zu  setzen. 

Er  fand  Frankreich  durch  den  Bürgerkrieg  in  zwei  Hälften  zerrissen 
und  die  königliche  Gewalt  alles  Ansehens  und  Einflusses  beraubt.  Die 
Guisen,  die  der  traurige  Ruhm  der  Bartholomäusnacht  dem  Pöbel  nur 
noch  teurer  gemacht  hatte,  strebten  ganz  offen  nach  der  französischen 
Krone,  als  die  einzigen  wahrhaften  Verteidiger  des  katholischen  Glaubens, 
wie  sie  angaben.  Da  riefen  sie,  von  Spanien  unterstützt,  die  Ligue  ins 
Leben,  ein  eigenartiges  Gemisch  von  kirchlichem  Eifer  und  Demagogie,  das 
sich  im  Grunde  ebenso  gegen  Heinrich  IIL,  diese  Xammergestalt  von  König, 
wie   umgekehrt   gegen   die    Hugenotten   richtete.     Natürlich   war    vor    der 


Das  Königtum.  igr 

Öffentlichkeit  die  Liga  dem  König  nicht  feindhch  gesinnt,  war  dieser  doch 
sogar   anfangs   wenigstens   dem    Namen   nach   ihr   Anführer. 

Der  Mittelpunkt  dieser  sogenannten  Heiligen  Liga  war  Paris.  Paris 
ist^  immer  die  Stadt  blindester  Entzückungsgefühle  und  unbedachtester 
Haßanwandlungen  gewesen.  Die  Seele  seiner  spottsüchtigen,  wetterwen- 
dischen und  bisweilen  etwas  oberflächlichen,  gleichzeitig  skeptischen  wie 
leichtgläubigen,  an  allem,  was  Überlieferung  ist,  ebenso  zäh  hängenden 
wie  zu  jedem  Umsturz  geneigten,  der  edelsten  Regungen  nicht  weniger 
als  der  feigsten  Ausschreitungen  fähigen  Bevölkerung  kennzeichnet  sich  also 
mit  einem  Wort  am  besten  als  das,  was  man  „Massenseele"  nennt.  Nun 
aber  war  im  Jahre  1580  Paris  für  Heinrich  von  Guise,  mit  dem  Beinamen 
„der  Benarbte",  von  einer  ganz  wahnsinnigen  Leidenschaft  ergriffen; 
dies  ging  so  weit,  daß  er  schließlich  der  Person  des  Königs  durch  seine 
Großsprecherei  und  seine  Anmaßungen  unerträglich  wurde.  Es  erfolgte 
zwischen  beiden  eine  Auseinandersetzung  und  darauf  ein  derartiger  Bruch, 
daß  der  König  Heinrich  III.  Paris  verlassen  mußte,  um  sich  nach 
Blois  zu  flüchten,  während  die  Pariser,  nicht  wenig  stolz  darauf,  diesen 
gekrönten  politischen  Kuppler  hinausgeworfen  zu  haben,  nunmehr  das 
Recht   der    Selbstverwaltung   in   Anspruch   nahmen    (Sechzehnerausschuß). 

Nun  trat  Knappheit  an  Geld  ein.  Die  Landstände  (Generalstaaten), 
die  letzte  Hilfe  der  französischen  Könige,  wenn  die  Finanzen  verzweifelt 
sind,  wurden  nach  Blois  berufen.  Heinrich  von  Guise  fand  den  Mut, 
sich  ebenfalls  dorthin  zu  begeben  und  dem  Könige  Vorhaltungen  zu 
machen.  Heinrich  III.  beantwortete  diese  Offenheit  mit  der  Treulosigkeit, 
ihn   heimlich  in   seinem   Schlosse   ermorden   zu   lassen    (1588). 

Der  Bürgerkrieg  begann  von  neuem,  heftiger  denn  je.  Die  Pariser  und 
auch  ein  Teil  des  gesamten  Frankreichs  erklärten  ihren  Abfall  vom  König. 
Eine  Truppe  spanischer  Soldaten  quartierte  sich  in  Paris  ein,  um  die  Liga 
und  die  Religion  zu  verteidigen.  Da  blieben  dem  Throne  als  einzige  Stützen 
die  Hugenotten  übrig.  Und  so  verband  sich  der  junge  König  von  Navarra, 
ein  Protestant  und  zugleich  der  nächste  Erbe  der  französischen  Krone, 
nunmehr  ganz  offen  mit  Heinrich  III.,  mit  dem  er  an  der  Spitze  der  ver- 
einten Heere  der  Hugenotten  und  Anhänger  des  Königtums  gegen  das  auf- 
rührerische Paris  vorrückte. 

Vjerzigtausend  Mann,  ein  buntes  Durcheinander  von  Hugenotten» 
königslreuen  Katholiken  und  schweizerischen  Söldnerscharen,  gingen  nun 
unter  Führung  der  beiden  Könige  Heinrich,  des  von  Frankreich  und  des 
von  Navarra,  an  die  Belagerung  von  Paris.  Die  Erregung  der  Pariser  war 
aufs  höchste  gestiegen;  Universitätsprofessoren,  Studenten,  Leute  aus  dem 


r92  Sechstes  Buch. 


Volke,  Mönche,  Edelleute  vom  Anhange  der  Guisen,  alle  brachen  in  er- 
bitterte Schmähreden  gegen  Heinrich  III.  aus,  den  sie  als  den  schlimmsten 
aller  Tyrannen  bezeichneten  und  mit  Herodes  und  Sardanapal  verglichen. 
j  Ein  halb  blödsinniger  junger  Mönch,  Jacques  Clement,  machte  sich  zum 
,'  Vollstrecker  dieser  Wutausbrüche.  Er  lauerte  König  Heinrich  III.  in  Saint- 
Cloud  auf  und  erdolchte  ihn  (1589). 

Der  König  von  Navarra,  Heinrich  von  Bourbon,  der  Hugenotte,  war 
nun  von  Gesetzes  wegen  französischer  König  unter  dem  Namen  ,, Hein- 
rich IV.,  des  Königs  von  Frankreich  allerchristlichste  Majestät". 

Zunächst  war  er  noch  ein  König  ohne  Königreich  und  besonders  ohne 
Geld,  der  nichts  als  ein  ganz  kleines,  aber  ebenso  tapferes  Heer  zu  seiner 
Verfügung  hatte.  Er  hatte  gegen  die  Spanier  zu  kämpfen  und  auch  gegen 
die  Liga,  der  so  viele  französische  Katholiken  beigetreten  waren.  Aber  er 
ersetzte  das  Fehlende  reichlich  durch  seinen  Mut,  seine  Besonnenheit, 
seine  Tatkraft  und  seine  vornehme  Gesinnung.  Nach  seinen  Siegen  bei 
Arques  und  Ivry  ging  er  von  neuem  an  die  Belagerung  von  Paris, 
das  jetzt  ein  spanisches  Heer  innehatte,  nicht  etwa  in  der  Absicht,  den  dort 
bedrohten  römisch-katholischen  Glauben  zu  schützen,  sonder  vielmehr  zu 
dem  Zwecke,  die  Rechte  ihrer  Infantin  auf  den  französischen  Thron  v/ahr- 
zunehmen. 

Es  war  nicht  mehr  die  Zeit  eines  Franz  I.,  wo  Frankreich  nicht  recht 
wußte,  wofür  es  sich  entscheiden  sollte,  und  zwischen  der  Reformation  und 
der  katholischen  Kirche  wie  ein  Pendel  hin-  und  herschwankte.  Fünfzig 
Kampfesjahre  hatten  schließlich  jedem  einzelnen  Franzosen  eine  bestimmte 
Überzeugung  aufgenötigt.  Jetzt  waren  sie  in  ihrer  großen  Mehrheit  ent- 
schiedenf.  Katholiken.  Heinrich  IV.,  der  sich  darüber  klar  wurde,  daß  sie 
jnie  einen  hugenottischen  König  wollen  würden,  dachte,  daß  „Paris  eine 
/  Messe  wert  sei",  und  entsagte  dem  Protestantismus.  Was  ihm  den  Übertritt 
so  schwer  machte,  war  nicht  sowohl  seine  treue  Gläubigkeit  als  reformierter 
Christ,  mit  der  es  sich  halten  ließ,  als  vielmehr  die  stille  Mißbilligung  seiner 
Getreuen.  Doch  es  half  alles  nichts!  Inmitten  aller  Kampfesarbeiten  bei 
der  Belagerung  von  Paris  schwor  er  zu  Saint-Denis  am  25.  Juli  1593  seinen 
kalvinistischen  Glauben  ab. 

Bald  zog  er  nun  auch  in  die  französische  Hauptstadt  ein  (22.  März  1594), 
von  denselben  Parisern,  die  ihn  noch  vor  kurzem  so  sehr  verhöhnt  hatten, 
jetzt  aufs  freudigste  willkommen  geheißen.  Paris  bedeutete  ja  die  ganze 
Hälfte  Frankreichs,  und  nun  erst  war  Heinrich  IV.  wirklicher  König. 

Der  neue  Papst  Clemens  VIII.  sah  ein,  daß  es  unverständig  von  ihm 


Das  Königtum.  193 


sein  würde,  die  einseitige  spanische  Politik  seiner  Vorgänger  fortzusetzen, 
und  so  fand  er  sich  mit  der  vollendeten  Tatsache  ab  und  gab  seinen  Segen. 

Allmählich  unterwarfen  sich  auch,  zum  Gehorsam  zurückgeführt,  die 
Anhänger  der  Liga.  Die  Spanier  wurden  aus  dem  Lande  gewiesen  (Vertrag 
zu  Vervins  1598). 

Die  schwerste  aller  Fragen  war  die  Religionsfrage.  Aber  auch  sie  fand 
nun  ihre  geschickte  und  friedliche  Regelung  durch  das  Edikt  von  Nantes 
(13.  April  1598).  Die  Kalvinisten  bekamen  das  Recht  zur  Eröffnung  von 
Kirchen  und  Schulen  und  freien  Zutritt  zu  jedem  Staatsamt;  der  Grund- 
satz der  Gewissensfreiheit  wurde  verkündet,  als  von  nun  an  durchzuführen. 

Leider  hatte  man  für  diese  so  große  und  doch  so  einfache  Sache  noch 
nicht  das  rechte  Verständnis.  Hugenotten  wie  Katholiken  gaben  nur  nach, 
weil  sie  des  ewigen  Bürgerkrieges  müde  waren,  aber  im  Innern  blieb  der 
Glaubenshaß  auf  beiden  Seiten  lebendig.  Ludwig  XIV.,  der  ein  Jahr- 
hundert später  durch  einen  Beschluß  höchster  Unduldsamkeit  das  große 
.Werk  seines  Ahnen  vernichtete,  sollte  von  seinen  Zeitgenossen  besser  ver- 
standen werden  als  Heinrich  IV.,  der  im  Jahre  1598  auf  rehgiösem  Gebiete 
Gewissensfreiheit  erklärte. 

Damit  endeteti  in  Frankreich  jene  schrecklichen  Religionskriege,  die 
nahezu  ein  halbes  Jahrhundert  gedauert  hatten.  Frankreich  verarmt  und 
fast  ein  Trümmerhaufen!  Die  besten  seiner  Söhne  heimtückisch  ermordet 
oder  auf  dem  Schlachtfelde  gefallen  I  Keine  Möglichkeit,  sich  auf  den  neuen 
großen  Gebieten  zu  betätigen,  die  sich  soeben  der  Welt  eröffnet  hatten! 
Sollte  das  der  so  freudig  begrüßten  Reformation  letztes  Ende  sein?  Es 
hätte  einen  wirklich  jammern  können,  wenn  nicht  aus  allen  nebelgrauen 
Wolken  der  Zeit  das  Morgenrot  der  Freiheit  hervorgeleuchtet  hätte! 

Die  fünfzehn  Jahre  der  Regierung  Heinrichs  IV.  waren  für  Frankreich 
äußerst  glückliche.  Die  Finanzen  hatten  sich  dank  der  weisen  Sparsamkeit 
Sullys  ganz  wesentlich  gehoben,  Ackerbau  und  Gewerbe  hatten  neuen  Mut 
gewonnen,  das  Heer  sich  verjüngt  und  ergänzt.  Jetzt  konnte  das  neu- 
erstarkte und  geeinigte  Frankreich  über  ganz  Europa  herrschen  imd  ihm 
den  Frieden  aufnötigen.  In  seinen  Denkwürdigkeiten  hat  SuUy  Heinrich  IV. 
den  Gedanken  an  eine  Art  europäischen  Staatenbundes  zugeschrieben, 
dessen  Oberhaupt  der  König  von  Frankreich  sein  sollte  und  durch  den 
ein  dauernder  Friede  zwischen  den  Mächten  gesichert  worden  wäre.  Dieser 
große  Plan  paßt  jedenfalls,  ob  er  geschichtlich  verbürgt  ist  oder  nicht,  ganz 
vortreffUch  in  den  Kreis  der  Vorstellungen  von  Duldsamkeit  und  Ge- 
rechtigkeit, wie  sie  der  König  hatte  vuid  sie  seinem  Jahrhundert  so  weit 
13  Riebet,  Geschichte  der  Menschheit 


ig4  Sechstes  Buch. 


voraus  sind,   daß   er  damit  zum  Vorboten  und   Vorverkünder  eines  noch 
heute  erwarteten  neuen  Zeitalters  wird. 

Aber  das  mit  Spanien  verschwägerte  Haus  Österreich,  das  auch  in  den 
Niederlanden  herrschte,  bildete  vorläufig  noch  ein  schlimmes  Hindernis  für 
die  Unabhängigkeit  des  gesamten  Europas.  So  riefen  die  deutschen  und 
niederländischen  Protestanten  zu  ihrem  Schutze  den  König  von  Frankreich 
herbei.  Während  er  noch  mit  den  Rüstungen  zu  diesem  großen  Kriege 
beschäftigt  war,  wurde  der  Nichtsahnehde  nach  einer  Fahrt  durch  die 
Straßen  von  Paris,  von  der  ihn  so  liebenden  Bevölkerung  stürmisch  be- 

«  grüßt,  plötzlich  in  der  Nähe  des  Louvre  von  einem  heimtückischen  Messer- 
stoß   des    Fanatikers    Ravaillac   getroffen,    der    ihn   jäh    aus    dem    Leben 

1    riß  (14.  Mai  1610), 

i  Heinrich  IV.  ist  in  der  Erinnerung  des  Volkes  nicht  erloschen,  ja  es 
hat  sich  seiner  Persönlichkeit  sogar  die  Sage  bemächtigt.  Er  lebt  fort  als 
„der  gute  König  Heinrich".    U;nd  in  der  Tat,  er  war  gut  und  edel,  weder 

f    nachtragend     noch   rachsüchtig.      Gewiß,    die    Frauen     sind    seine    große 

■     Schwäche  gewesen,  und  er  hat  wahrlich  nicht  bloß  ei'ne  Geliebte  besessen; 

\    aber  sein  unheilbares  Rittertum,  das  indessen  niemals  in  schmutzige  Ge- 
meinheit ausartete,  ist  seinem  guten  Rufe  nicht  etwa  im  Wege  gewesen, 
sondern   hat    vielmehr    noch    zu   demselben   sehr   viel    beigetragen.     Un- 
erschrocken und  geistvoll,  bewahrte    er  auch  in  der  Gefahr,  ja  zu  einem 
guten    Teil    noch    im    schwersten    Unglück    die     so    echt     französische 
höchste  Tugend,  nie  seine  frohe  Laune  zu  verlieren.  Soweit  es  sein  kräftiger, 
aber  mit  anmutiger  Sorglosigkeit  gepaarter  Eigennutz   nur  irgendwie  ge- 
stattete, liebte  er  sein  Volk  aufs  herzlichste,  und  so  sehr  er  auch  -auf  seine 
königlichen    Vorrechte  hielt,    waren  ihm   doch    Prunksucht   und   Prahlerei 
stets  ein  Greuel.   Er  hat  schwere  Prüfungen  durchmachen  müssen  und  hat 
dank  seines  Mutes  und  seiner  Fähigkeit  alle  siegreich  bestanden.    Er  war 
j  kühn  und  vorsichtig;  in   seinem  Kopfe  hat  er  viele  große    Ideen  gestaltet, 
■   deren  Verwirklichung  ihm  auch  zu  einem  großen  Teile  gelungen  ist.  Mit 
einem  Worte;  Heinrich  IV.  nimmt  unter   den  Königen  Frankreichs  den 
I  allerersten  Ehrenplatz  ein. 


Das  Zeitalter  der   inneren  Wirren   ist  zwar  im  allgemeinen  der  Wissen- 

^  Schaft    und  Kunst  nicht  gerade    günstig    gewesen,    aber    doch    dasjenige, 

i  in    dem  Michel  de  Montaigne   (1533 — 1592)   seine    köstlichen  Werke    ge- 

'  schrieben  hat.    Sie  sind  die  Arbeit   eines  Skeptikers,  verfeinerten  Egoisten 

imd  tiefen  Beobachters,  der  für  die  törichten  religiösen  Streitigkeiten,  an 


Das  Königtum.  ig5 


denen  seine  Zeitgenossen  ein  so  unsinniges  Gefallen  finden,  nur  ein  ihn 
beschämendes  Gefühl  des  Mitleids  übrig  hat.  Der  Stil  seiner  unvergleich- 
lichen Essays  ist  hinreißend,  lebendig  und  anmutig,  das  ist  schon  das  voll- 
kommene richtige  moderne  Französisch. 

Bernard  de  Palissy  (1500 — 1589),  ein  eifriger  Hugenotte,  starb  im  Ge- 
fängnis in  Armut  und  Acht.  Er  war  mehr  als  bloß  ein  recht  befähigtea* 
Töpfer.  Er  hat  mit  weit  vorausschauendem  Blicke  die  heutige  vorgeschicht- 
liche Forschung  (Paläontologie)  vorweggenommen.  Als  erster  oder  einer  der 
ersten  (nach  Fabio  Colonna)  hat  er  den  Mut  gehabt,  zu  behaupten,  daß 
die  hl  der  Erde  gefvmdenen  versteinerten  (fossilen)  Formen  die  Überreste 
der  Wesen  sind,  die  in  den  frühesten  Zeitaltern  der  Erde  lebten. 

Der  große  Gelehrte  auf  exaktem  Gebiete  ist  Vi'ete,  mit  seinem  latei- 
nischen Schriftstellernamen  Vieta  *  (1540 — 1603),  der  die  Algebra  geschaffen 
hat,  jene  allerdings  schon  von  den  arabischen  Meistern  der  Rechenkunst, 
wenn  auch  noch  ganz  unbestimmt,  geahnte,  so  einfache,  planvolle,  gemein- 
verständliche und  wirksame  Sprache,  ohne  die  jeder  weitere  Fortschritt  in 
der  mathematischen  Analyse  unmöglich  gewesen  wäre.  Nun  ist  auch  für 
einen  Descartes  und  einen  Leibniz  Raum  da,  die  erst  eine  Sprache  haben 
mußten,  in  der  sie  sich  ausdrücken  konnten. 


In  einer  Zeit,  wo  Frankreich  an  gegenseitiger  Zerfleischung  verblutete, 
hat  Spanien  zwar  von  eigentlichen  Bürgerkriegen  nichts  erfahren,  doch 
darum  nicht  etwa  weniger  unter  dem  langen  Religionsstreite  leiden  biüssen, 
ja  vielleicht  noch  grausamer  als  Frankreich.  In  der  Tat  ist  dieses  Land 
von  seinem  Könige  Philipp  II.  in  einen  Krieg  mit  der  Reformation  hinein- 
gezogen worden,  der  für  dasselbe  von  Anfang  bis  zu  Ende  von  den 
schwersten  Mißgeschicken  begleitet  gewesen  ist. 

Philipp  II.  (1559— 1598),  der  Nachfolger  Karls  V.,  hatte  eine  Macht  ge- 
erbt, deren  Umfang  ganz  bedrohliche  Formen  angenommen  hatte.  Die 
spanische  Infanterie,  die  als  eine  der  besten  von  ganz  Europa  galt,  bestand 
aus  alten  erprobten  Kriegern,  die  zwar  im  heißen  Schlachtgetümmel,  wenn 
nötig,  bis  in  die  sinkende  Nacht  hinein  ihre  Manneszucht  wahrten,  aber 
schon  am  nächsten  Morgen  sich  als  das  denkbar  tollste  Raubgesindel 
entpuppten  —   es  ist   diese    vom    sittlichen    Standpunkt  als    höchst    ver- 


*  Seine  einschlägigen  Werke  sind,  wie  damals  noch  alle  fachwissenschaftlichen 
Werke,  nicht  etwa  in  seiner  Muttersprache,  dem  Französischen,  sondern  lateinisch 
geschrieben. 
13» 


igö  Sechstes  Buch. 


brecherisch  zu  verdammende  Eigenschaft  für  den  kriegerischen  Sinn  von 
Soldaten  etwa  keineswegs  ungünstig  I  — ,  die  im  übrigen  nüchtern  und 
tapfer,  ebensowenig  zu  Furcht  wie  zu  Mitleid  geneigt  und  fanatische 
Katholiken  waren,  die  sich  teils  von  Berufs  wegen,  teils  aus  Überzeugimg 
und  auch  teils  zum  Vergnügen  schlugen.  Dieses  Heer  verfügte  auch  über 
die  genügende  Menge  Goldes.  Von  Peru,  von  Mexiko,  von  den  Antillen 
und  von  den  sämtlichen  übrigen  so  unbarmherzig  ausgesogenen  damaligen 
spanischen  Besitzungen  in  Amerika  strömten  die  Edelmetalle  herbei,  ohne 
etwa  der  ewigen  Leere  der  durch  die  Luxus-  und  Militärausgaben  völlig 
erschöpften  königlichen  Schatzkammer  vorbeugen  zu  können.  Um  irgend- 
welche inneren  Unruhen  brauchte  man  sich  nicht  etwa  Sorge  zu  machen! 
Die  Cortes  waren  ja  gefügig,  das  Volk  schwieg,  und  die  Inquisition,  die 
eigentliche  Herrin  und  Meisterin  der  Krone,  stand  natürlich  mit  Philipp  H. 
unter  einer  Decke,  teilte  er  doch  alle  ihre  Bestrebungen. 

Diese  Bestrebungen,  die  den  begeisternden  Ausgangspunkt  für  alle  seine 
Handlungen  während  seiner  langen  Regierung  bildeten,  fanden  ihren  ge- 
meinsamen Mittelpunkt  in  dem  Gedanken,  daß  ihm  von  Gott  selbst  die 
große  Aufgabe  gestellt  sei,  allüberall  die  weltliche  Herrschaft  der  katho- 
lischen Kirche  wiederherzustellen.  Für  ihn  bildeten  Spanien,  die  Monarchie 
und  die  Religion  das  einzige  Glaubensbekenntnis,  das  ihm  unter  drei  ver- 
schiedenen Formen  immer  dasselbe  zu  sagen  hatte. 

I  Zunächst  unterdrückte  er  noch  den  kleinen  Rest  von  Protestanten, 
|der  der  Inquisition  entgangen  war.  Aber  es  war  auch  noch  immer  eine 
ganz  kleine  Zahl  Moriskos  (übergetretene  Mauren)  im  Lande  verblieben; 
sie  wurden,  nicht  ohne  erheblicheren  Widerstand,  verbrannt  und  nieder- 
gemetzelt. Angesichts  solcher  entschiedenen  Maßregeln  ist  es  schließlich 
kein  Wunder,  daß  sich  der  ganzen  Pyrenäenhalbinsel  die  völligste  religiöse 
und  monarchische  Einheit  bemächtigte. 

So  war  es  keineswegs  in  der  reichsten  spanischen  Besitzung,  den  Nieder- 
landen. Und  in  der  Tat,  vermöge  wiederholter  Akte  einer  bei  der  Diplo- 
matie ja  gewohnten  Willkür  hingen  die  Niederlande  damals  von  der 
spanischen  Krone  ab.  Es  war  das  das  Ergebnis  einer  Reihe  von  Fürsten- 
ehen gewesen,  mit  dem  weder  Sitten  noch  Abstammung,  noch  auch  geo- 
graphische Rücksichten  irgend  etwas  zu  tun  hatten,  waren  doch  die  Nieder- 
lande von  den  Herzögen  von  Flandern  an  die  Herzöge  von  Burgund,  von 
da  an  die  Habsburger  und  von  da  wieder  an  die  Könige  von  Spanien 
übergegangen. 

Die  flandrischen  Lande  verfügten  über  unermeßliche  Reichtümer,  be- 
sonders auch  in  ihren  so  schönen  imd  großen  Städten,  wie  Gent,  Löwen, 


Das  Königtum.  igy 


Brügge  und  Brüssel.  Die  ihnen  von  Spanien  auferlegten  Steuern  waren 
drückend,  waren  es  doch  diese  rührigen  und  gewerbefleißigen  städtischen 
Gemeinwesen,  aus  denen  die  spanische  Schatzkammer  ihre  Haupt- 
einnahmen bezog.  Gleichwohl  hatte  Karl  V.  keinen  Augenblick  Bedenken 
getragen,  zu  der  dort  überall  in  die  Erscheinung  tretenden  Härte  des 
Fiskus  nun  auch  noch  die  der  Inquisition  hinzuzufügen.  Und  die  Inquisition 
war  äußerst  blutig.  Es  ist  wohl  übertrieben,  aber  es  wird  von  fünfzig- 
tausend Opfern  gesprochen,  die  ihr  damals  gebracht  worden  seien.  Jeden- 
falls schien  bereits,  als  Karl  V.  abdankte,  in  den  Niederlanden  sich  ein 
Aufstand  anzukündigen. 

Und  er  sollte  nicht  lange  auf  sich  warten  lassen. 

Für  alle  Flamländer,  Adel  sowie  Volk,  waren  die  Spanier  die  ver- 
wünschten Ausländer.  Zu  den  Grausamkeiten  der  Priester  gesellten  sich 
die  Gewalttätigkeiten  und  Ausbeutungen  seitens  der  Beamten.  In 
einigen  Städten,  besonders  in  Antwerpen,  nahm  der  Aufstand  sogleich  den 
Charakter  einer  umfänglichen  Volkserhebung  an.  Die  Antwerpener  Kirche 
wurde  gestürmt  und  verwüstet  (1566);  Kaufleute,  Adlige  und  Kalvinisten, 
alleo  bildete  eine  einheitliche  und  geschlossene  Masse  gegen  den  gemein- 
samen Feind  aus  dem  Auslande. 

Sogleich  trat  der  König  von  Spanien  dem  Sturme  mit  Entschiedenheit 
entgegen  und  suchte  ihm  die  Stirn  zu  bieten.  Er  schickte  deshalb  in  die 
Niederlande  ein  Heer  von  zwanzigtausend  kriegstüchtigen  Soldaten  unter 
dem  Oberbefehl  des  Herzogs  von  Alba.  Und  nun  ging  die  Unterdrückung 
des  Aufstandes  mit  unheimlicher  Entschiedenheit  vor  sich;  das  Blut  floß 
in  Strömen,  dem  Wasser  gleich.  Graf  Egmont  wurde  enthauptet;  der  vor- 
'"sirhtige  Graf  Wilhelm  I.  von  Nassau,  Prinz  von  Oranien,  mit  dem  Beinamen 
der  Schweigsame,  hatte  jedoch  rechtzeitig  die  Flucht  ergriffen  und  sich 
mit  einigen  Tausend  Flamländern  in  den  beiden  nördlichsten  Provinzen 
Zeeland  und  Holland  gesammelt. 

Die  Flüchtlinge,  die  in  einem  Landkriege  den  Soldaten  des  Herzogs 
von  Alba  doch  nicht  gewachsen  gewesen  wären,  rüsteten  mm  einige  Schiffe 
aus  (W assergeiisen).  Sie  hatten  sogleich  einige  Erfolge  zu  verzeichnen;  aber 
auch  der  Prinz  von  Oranien  behauptete  im  äußersten  Norden  mit  seiner 
kleinen  Schar  von  Getreuen  das  Feld.  Acht  Jahre  lang  (1568— 1576) 
v.'aren  die  unglücklichen  beiden  Provinzen  den  schlimmsten  Verheerungen 
ausgesetzt.  Antwerpen  erholte  sich  erst  zwei  Jahrhunderte  später  Avieder 
von  jener  Einäscherung  und  Plünderung,  durch  die  diese  vorher  so  schöne 
Stadt  damals  einem  Schutthaufen  gleichgemacht  worden  war. 


198  Sechstes  Büfch. 


Vergeblich  suchte  der  Prinz  von  Oranien  zwischen  Protestanten  und 
Katholiken  zu  vermitteln  (Religionsfriede  zu  Marche-en-Fam^ne  12.  Februar 
1577)  durch  Vorschlag  des  sogen.  Ewigen  Ediktes,  das  genau  so,  wie  es 
später  das  Edikt  von  Nantes  tat,  die  Gewissensfreiheit  sichern  sollte.  Doch 
niemand  hatte  das  richtige  Verständnis  für  das,  was  Graf  Wilhelm  damit 
bezweckte.  Anstatt  sich  unter  dem  Zepter  eines  nationalen  Herrschers 
zu  vereinen,  löste  sich  die  damalige  niederländische  Bevölkerung  vielmehr 
in  ihre  beiden  Teile  auf:  den  Norden,  wo  die  Protestanten,  und  den  Süden, 
wo  die  Katholiken  vorherrschten.  Der  Süden  söhnte  sich  mit  Spanien  aus, 
während  sich  die  übrigen  mehr  protestantischen  Provinzen  zur  Utrechter 
Union  vereinigten  und  unabhängig  erklärten  (1579).  Dort  trat  ein  illegi- 
timer Enkel  Karls  V.,  Prinz  Alexander  Farnese  von  Parma,  an  die  Spitze, 
hier  der  Prinz  von  Oranien,  und  noch  dauerte  der  Kampf  zwischen  beiden 
Teilen  mit  wechselndem  Erfolge  fort,  als  Wilhelm  von  Nassau  imerwartet 
durch  Meuchelmord  fiel  (1587). 

Jetzt  war  die  Sache  der  Unabhängigkeit  Flanderns  anscheinend  so  gut 
wie  besiegt.  Bei  allen  ihren  Zwistigkeiten  mit  dem  Könige  von  Spanien 
schickten  weder  Frankreich  noch  England  den  Anhängern  des  Hauses 
Oranien  Hilfe.  Farnese  gewann  nach  und  nach  alle  aufrührerischen  Städte 
wieder. 

Aber  Philipp  IL,  in  dessen  Gedanken  der  gewaltige  Vernichtungs kämpf, 
in  den  er  sich  soeben  mit  England  eingelassen  hatte,  jetzt  alles  andere  be- 
herrschte, rief  Farnese  und  einen  Teil  seiner  Soldaten  zurück.  Infolge- 
dessen gelang  es  den  Kalvinisten  unter  der  Führung  des  jungen  Moritz  von 
Nassau  aus  dem  Hause  Oranien,  auch  wieder  die  Oberhand  zu  gewinnen. 
Ja,  Moritz  von  Nassau  wußte  ein  kleines  Heer  aufzubringen  und  seinem 
teuren  Holland,  das  nunmehr  (1598)  den  Namen  Vereinigte  Provinzen  der 
Niederlande  erhielt,  Anerkennung  der  Unabhängigkeit  bei  Frankreich  und 
England  zu  verschaffen.  Noch  zehn  Jahre  wurde  der  Krieg  zwischen 
Spanien  und  dem  neuen  Staatswesen  fortgesetzt,  ohne  daß  eine  der  beiden 
Mächte  sich  dafür  besonders  ins  Feuer  gelegt  hätte.  Schließlich  stellte  ein 
zwölfjähriger  Waffenstillstand  (1609)  Frieden  her. 

So  spalteten  sich  die  Flandrischen  Lande  in  zwei  Teile.  Der  nördliche, 
der  etwa  mit  dem  heutigen  Holland  zusammenfällt  und  der  vorwiegend 
kalvinistisch  war,  wurde  eine  Art  unabhängiger  Bundesrepublik,  der  süd- 
liche, in  dem  die  Katholiken  in  der  Mehrheit  waren  (Brabant  und  Henne- 
gau, d.  h.  etwa  das  heutige  Belgien),  blieb  spanische  Provinz. 

Aber  das  Land,  soweit  es  in  spanischen  Händen  blieb,  hatte  sich  in  ein 
Trünmierfeld  verwandelt.    Die  erlesenste  Bevölkerung  war  nach  Holland 


Das  Königtum.  igg 


ausgewandert  und  hatte  dorthin  seine  Kunst,  seinen  Gewerbefleiß  und  be- 
sonders auch  seine  rege  und  emsige  Tatkraft  mitgenommen.  Antwerpen, 
Brüssel,  Gent  und  Brügge,  die  einst  so  blühenden  Städte,  waren  sämtlich 
nur  noch  solche  einzelnen  Trümmerhaufen.  Gerade  im  Gegensatz  hierzu 
gelangten  die  holländischen  Städte,  die  eine  zahlreiche  Bevölkerung  von 
Auswanderern  aus  den  südlichen  Niederlanden,  aber  auch  aus  allen  nur 
möglichen  sonstigen  Gegenden  bereitwillig  aufnahmen,  zu  einer  ganz 
wunderbaren  Blüte.  Antwerpen  wurde  von  Amsterdam,  Brügge  von  Leyden 
vollkommen  überflügelt  und  in  den  Schatten  gestellt. 

Es  war  das  ein  wichtiges  Ereignis,  die  Gründung  eines  so  wackeren 
kleinen  demokratischen  freien  Staates  inmitten  des  damals  so  ganz  und 
gar  monarchischen  Europas!  Ein  kräftiger  und  arbeitsfreudiger  Menschen- 
schlag! Unglück  und  Verfolgung  hatten  bei  ihm  von  jeher  eine  ungewöhn- 
Uche  Tatkraft  entwickelt  und  sollten  es  in  Zukunft  noch  mehr!  Ja,  im 
i3.  Jahrhundert  sollte  dieses  Völkchen  durch  seine  Tüchtigkeit  auf  kriege- 
rischem und  Handels-,  wissenschaftlichem  und  künstlerischem  Gebiete  die 
Bewunderung  der  ganzen  Welt  erregen! 

Die  Hauptsorge  Philipps  II.  war,  wie  bereits  angedeutet,  der  Vernich- 
tungskampf mit  England. 

Ehe  er  aber  gegen  England  und  seine  Protestanten  zu  Felde  zog,  gab 
Philipp  II.  den  Anstoß  zu  einem  Kreuzzuge  gegen  den  alten  Feind  der 
Christenheit,  die  Türken.   . 

Seit  der  Einnahme  von  Byzanz  hatten  die  Türken  ihre  bisherigen 
Vernichtungs-  und  Eroberungskriege  ununterbrochen  weiter  fortgesstzt. 
Selim  (i  512— 1520)  entriß  den  Mamelucken  Syrien  (1513)  und  \gypten 
(1517),  Die  Macht  des  Islams  war  damals  in  Osteuropa,  Nordafrika  imd 
Vorderasien  eine  nahezu  grenzenlose;  sie  erreichte  ihren  Höhepunkt  mit 
SöUman.  Soliman  der  Große,  der  Nachfolger  Selims  (1520 — 1566),  war  ein 
begabter,  hochherziger  und  von  den  besten  Absichten  beseelter  Fürst. 
Während  seine  Vorgänger  wie  Nachfolger  nur  eine  lange  Reihe  toll  ge- 
wordener Bluthunde  darstellten,  zeigte  umgekehrt  er  ein  gewisses  Maß  von 
einem  sich  bei  seinen  Umtrieben,  Aufstandsunterdrückungen  und  Kriegs- 
unternehmungen allerdings  noch  recht  ungesittet  äußernden  Edelmute,  so 
gut,  wie  er  sich  eben  bei  einem  Sultan  nur  finden  kann. 

Er  hatte  seine  See-  und  Landmacht  zeitentsprechend  umgestaltet.  Mit 
dieser  kämpfte  er  gegen  Ungarn,  mit  seinen  Kriegsschiffen  gegen  Venedig. 

Als  im  Jahre  1569  sein  Nachfolger  SeUm  II.  das  Arsenal  von  Venedig, 
seine  Reederei  und  Schiffswerft  in  Brand  gesteckt  hatte,  sandte  Philipp  II. 
um  der  christlichen  StädterepubUk  für  diese  Missetat  Genugtuung  zu  ver- 


200  Sechstes  Buch. 


schaffen,  dem  Dogen  Andrea  Doria  fünfzig  Galeeren  zu  Hilfe.  Gleichwohl 
mußte  dieser  es  ruhig  mitansehen,  daß  Cypern  in  die  Hände  der  Un- 
gläubigen fiel  (1570). 

Im  folgenden  Jahre  wollten  Papst  Pius  V.,  der  Doge  Doria  und  König 
Philipp  n.  Cypern  zurückerobern.  Der  Generalissimus  des  christlichen 
Heeres  war  der  noch  ganz  jugendliche,  aber  ebenso  heldenmütige  wie  be- 
geisterte und  fähige  Don  Juan  d'Austria,  ein  natürlicher  Sohn  Karls  V. 
und  folglich  ein  Bruder  Philipps  11.  Am  7.  Oktober  1571  stießen  die  beiden 
feindlichen  Flotten  bei  Lepanto  zusammen.  Um  ein  anschauliches  Bild 
von  der  Grausamkeit  der  Zeit  zu  gewähren,  mag  nur  an  die  eine  Tatsache 
erinnert  werden,  daß  zwölftausend  Gefangene  von  selten  der  Christen  auf 
den  türkischen  Galeeren  und  ebensoviele  von  selten  der  Türken  auf  den 
christlichen  Galeeren  als  Sträflinge  ruderten.  Der  Sieg  der  Christen  war 
ein  glänzender,  wenn  auch  mit  herben  Verlusten  erkaufter.  Er  wurde  in 
Rom  mit  großem  Gepränge  gefeiert. 

Karl  V.  hatte  seinen  Sohn  und  Nachfolger  Philipp  II.  gezwungen, 
eine  Frau  zu  heiraten,  die  zwölf  Jahre  älter  und  obendrein  sehr  häßlich  war; 
aber  es  war  Maria  Tudor,  die  gewaltige  katholische  Königin  Englands. 
Nach  den  Vermählungsfeierlichkeiten  in  London  (1554)  kehrte  er  nach 
Spanien  zu  seinen  Regierungsgeschäften  zurück,  um  Maria  Tudor  in  ihrem 
Inselreiche  zu  belassen.  Doch  sie  starb  schon  bald  darauf.  Da  suchte  er 
das  seinen  weiten  Plänen  so  nützliche,  entsprechende  Ehebündnis  mit 
Elisabeth,  der  Nachfolgerin  von  Maria  Tudor,  zu  erneuern.  Aber  die 
junge  englische  Königin  legte  keinen  sonderlichen  Wert  darauf,  sich  an 
einen  Herrn  und  Gebieter  zu  fesseln,  und  wäre  er  selbst,  wie  dieser,  durch 
das  Weltmeer  von  ihr  getrennt. 

Diese  beiden  Reiche,  das  Philipps  II.  (1559 — 1598)  und  das  Elisabeths 
(1558 — 1603)  bildeten  fast  ein  halbes  Jahrhundert  lang  zwei  Seitenstücke, 
die  ihr  Gepräge  durch  einen  blutigen  Wettstreit  erhielten,  der  sich  mit 
dem  zwischen  Karl  V.  und  Franz  I.  vergleichen  ließ.  Philipp  war  der  Ver- 
fechter des  Katholizismus,  Elisabeth  die  Verfechterin  der  Reformation. 
Die  Geschichte,  deren  Unparteilichkeit  in  ihren  Urteilen  nicht  größer  ist 
als  die  einer  erregten  Masse,  hat  Philipp  gebrandmarkt  und  Elisabeth 
verherrlicht.  Doch  vielleicht  hat  die  unerbittliche  Überzeugung  des  spa- 
nischen Königs  mehr  Größe  an  sich  als  die  heuchlerische  Eigennützigkeit 
»  und  Selbstsucht  Elisabeths.  Allerdings  ist  der  Baum  nach  seinen  Früchten 
\  zu  beurteilen,  und  da  muß  ohne  weiteres  zugegeben  werden,  daß  Philij)ps 
■  blinde  Schwärmerei  in  Glaubenssachen  Spaniens  Verfall,  Elisabeths  Zweifel- 
j  süchtigkeit  auf  diesem  Gebiete  hingegen  Englands  Größe  herbeigeführt  hat. 


Das  Königtum.  201 


Der  Seesieg  bei  Lepanto  wurde  nicht  weiter  verfolgt  und  ausgenutzt. 
Philipp  kannte  noch  andere  Feinde,  die  bedenklicher  waren  als  die  Türken, 
und  auch  Venedig  fand  zu  viel  Nutzen  in  dem  Handelsverkehr  mit  den- 
selben, um  sich  nicht  zu  beeilen,  mit  ihnen  Frieden  zu  schließen. 

Doch  durch  seinen  großen  Erfolg  ermutigt  und  gekräftigt,  glaubte 
der  spanische  König  gegen  das  unter  Elisabeth  vom  Katholizismus  mit 
Entschiedenheit  abgerückte  England  mit  einer  noch  umfänglicheren  Unter- 
nehmung,  als   die  türkische   war,   vorgehen  zu  können. 

Einige  unbedeutende  Streitigkeiten  auf  dem  Gebiete  des  Seehandels- 
rechts waren  des  Krieges  äußere  Veranlassung,  natürlich  nicht  seine  tiefere 
Ursache.  Seit  1580  hatte  Philipp  seinem  Reiche  auch  noch  Portugal 
unter  dem  Namen  Lusitanien  einverleibt  und  gleichzeitig  damit  alle  die 
zahlreichen  portugiesischen  Besitzungen  in  Asien  und  Afrika.  Den  Haupt- 
handel der  Zeit  aber,  und  den  allereinträglichsten,  den  merkwürdigerweise 
alle  europäischen  Seeleute  trieben,  bildete  der  Fleischmarkt  mit  schwarzer 
Ebenholzware,  d.  h.  mit  andern  Worten :  die  Negerausfuhr.  Die  U'nglück- 
lichen,  die  in  Afrika  zu  den  niedrigsten  Preisen  erstanden  waren,  wurden 
in  den  Antillen,  in  Mexiko,  in  Brasilien,  in  Florida  gegen  Gold  weiter- 
verkauft. Elisabeth,  der  alle  Vorteile  galten,  streckte  sogar  einem  der 
Sklavenschiffe,  das  bereits  von  den  Spaniern  mit  Beschlag  belegt  worden 
war,  Geld  vor,  um  an  seinen  Geschäften  Anteil  nehmen  zu  können.  Und 
in  der  Tat  betrachteten  die  Mutterstaaten  ihre  Kolonien  als  ihr  ausschheß- 
liches  Eigentum,  so  daß  innerhalb  der  spanischen  Kolonien  der  Handel 
natürlich  allein  den  Schiffen  Spaniens  vorbehalten  wurde.  Und  bei  einer 
solchen  Rechtslage  ließ  nun  Elisabeth  in  den  englischen  Häfen  nicht  bloß 
jenes  eine  Mal  die  spanischen  Schiffe  mit  Beschlag  belegen. 

Einen  Augenblick  zögerte  jedoch  noch  Philipp  H.,  das  große  Kriegs- 
unternehmen zu  wagen.  Zur  festen  Entscheidung  in  dieser  nun  schon  so 
lange  gehegten  Absicht  brachte  ihn  jedoch  erst  die  Hinrichtung  der 
Maria    Stuart    (1587). 

Ein  unermeßliches  Geschwader  wurde  ausgerüstet  (hundertdreißig  Schiffe 
mit  zweitausendsechshundertundvierzig  Geschützen  und  fünfunddreißig- 
tausend  Mann).  Es  war  die  furchtbarste  Flotte,  die  bis  dahin  jemals 
die  Meere  gesehen  hatten.  In  dem  Augenblick,  wo  sie  auf  das  offene 
Meer  hinausging  (22.  Juli  1588),  wurde  sie  etwas  vorzeitig  mit  dem  stolzen 
Namen  ^^die  unüberwindliche  Armada"  bezeichnet,  sollte  ihr  doch  noch 
dieser  Name  zum  bittersten   Hohne  werden. 

Lange  nachher  ward  ja  noch  einmal  der  Versuch  einer  Landung  an 
Englands  Gestaden  von  dem  bei  Boulogne  bezogenen  Küstenlager  aus  durch 


202  Sechstes  Buch. 


einen  Eroberer  versucht,  der  noch  ein  ganz  anderer  als  Philipp  II. 
war!  Aber  beide  Male  ist  England  dem  großen  Unheil,  das  ihm  wahr- 
scheinlich hieraus  erwachsen  wäre,  durch  sein  gütiges  Geschick  und  den 
Heldenmut    seiner    Marine    entronnen! 

Die  spanischen  Schiffe  waren  ungeschickt  und  bewegten  sich  langsam 
und  schwerfällig;  sie  waren  vollgepfropft  mit  Soldaten,  die  in  dieser 
Überzahl  zum  hinderlichen  und  unnützen  Ballast  wurden,  sobald  die 
Elemente  feindlich  waren.  Die  kleinen  englischen  Fahrzeuge  waren  leicht 
und  beweglich  und  wurden  von  einer  verhältnismäßig  geringen  Zahl 
erfahrener  und  entschlossener  Seemänner  bedient,  die  jedenfalls  groß 
genug  war,  um  mit  dem  spanischen  plumpen  Riesengeschwader,  das  nicht 
von  der  Stelle  zu  kommen  schien,  ohne  allzu  große  Schwierigkeit  fertig 
zu  werden.  Ein  verschmitzter  englischer  Führer  Drake,  der  seit  vielen 
Jahren  als  Kapitän  von  Kaperschiffen  alle  Meere  der  Welt  durchsegelt 
hatte,  kam  auf  eine  sinnreiche  Erfindung.  Er  Heß  Branderschiffe  vom 
Stapel,  die  die  feindliche  Flotte  in  Flammen  zu  setzen  drohten.  Erschreckt 
ergriffen  die  Spanier  die  Flucht  und  trieben,  von  einem  wütenden  Sturme 
zerstreut,  ohne  jede  Ordnung  dahin,  um  an  den  Felsenküsten  Schottlands 
oder  Irlands  ihren  Untergang  zu  finden.  Die  spanischen  Schiffe  gingen 
mit  zwanzigtausend  Mann  ihrer  tüchtigsten  Soldaten  fast  ausnahmslos 
elendiglich  zugrunde  (August  1588), 

So  hatte  Spanien  seine  gesamte  Marine  verloren.  Die  Herrschaft  auf 
den  Meeren  sollte  nun  an  England  übergehen,  und  zwar  so  nachhaltig 
und  unbestritten,  daß  weder  Holland  noch  Frankreich  in  einem  darauf- 
folgenden ganzen  Jahrhundert  fortgesetzter  ruhmreicher  Kämpfe  ein  ge- 
nügendes Maß  von  Beharrlichkeit  und  Stärke  besessen  haben,  um  sie  ihm 
entreißen    zu    können. 

Die  letzten  Lebensjahre  Philipps,  der  überall,  mochte  es  nun  auf  dem 
Ozean  oder  auch  in  den  Niederlanden  sein,  besiegt  und  in  seinen  Hoff- 
nungen getäuscht  war,  waren  düstere.  Mehr  als  je  zuvor  zog  er  sich  in  das 
von  ihm  erbaute  unheimliche  und  verlassene  Escurial  zurück.  Er  hatte 
einen  Sohn  gehabt,  Don  Carlos,  der  durch  Schiller  unverdienterweise 
berühmt  geworden  ist.  Don  Carlos  war  in  Wirklichkeit  ein  bereits  erblich 
belasteter  Geisteskranker  und  eine  schwächliche  Frühgeburt,  den  sein 
Vater,  anstatt  ihn  wie  einen  Verbrecher  ins  Gefängnis  zu  stecken,  lieber 
als  einen  Verrückten  ins  Irrenhaus  hätte  sperren  lassen  sollen.  Philipp  II. 
wurde  vom  Unglück  geradezu  verfolgt.  Er  war  von  seiner  eignen  Ge- 
liebten, der  Prinzessin  von  .  Eboli,  verraten  worden.  Er  sah  den  altehr- 
würdigen  spanischen   Thron,   dem   er   sein   ganzes   Leben   geopfert   hatte, 


Das  Königtum.  203 


dazu  verurteilt,  in  die  Hände  eines  ohnmächtigen  Schwächlings,  seines 
zweiten  Sohnes  Philipp,  überzugehen.  Er  fühlte,  daß  auch  sein  Volk, 
so  fanatisch  es  sein  mochte,  allmählich  der  Folterstrafe  müde  war.  Viel- 
leicht machte  er  sich,  wenn  auch  leider  zu  spät,  jetzt  endlich  klar,  daß  das 
Blut  kein  guter  Tau  ist,  und  daß  für  ein  Volk  die  landwirtschaftliche 
Arbeit  mehr  sittliche  Förderung  und  sogar  auch  mehr  wirtschaftlichen 
Nutzen  bringt  als  die  Ausbeutung  von  Goldbergwerken  in  Ländern  mit  \ 
Sklavenarbeit. 

Und  in  der  Tat  war  das  Spanien,  das  vordem  mit  so  viel  Glanz  auf 
der  Weltbühne  aufgetreten  war,  durch  und  durch  in  Verfall  geraten.  Und 
es  scheint  sogar,  als  ob  mit  diesem  gänzlichen  Verfall  auch  die  geistige 
Fruchtbarkeit  Spaniens  verarmt  sei;  ein  langer  Zeitraum  der  Öde  folgte 
der  großen  Epoche,  in  der  Spanien  das  erste  Volk  der  Welt  gewesen  war. 
Als  der  in  der  Abgeschlossenheit  seines  Eskurials  fast  völlig  ver- 
einsamte und  verlassene  Sohn  Karls  V.  sein  nahes  Ende  fühlte,  ließ  er 
sich  einen  Menschenschädel,  mit  einer  goldenen  Krone  darauf,  bringen  und 
hauchte,  mit  starrem  Blicke  auf  diesem  Sinnbild  der  Vergänglichkeit  und  | 
der  Königswürde  verweilend,  sein  Leben  aus. 

In  demselben  Augenblick,  in  dem  sich  Spanien  auf  der  Höhe  seines 
militärischen  Könnens  fühlte,  stand  es  auch  auf  der  seines  literarischen 
Schaffens.  Besonders  genial  waren  seine  Leistungen  auf  dramatischem 
Gebiete.  Was  könnte  auch  wunderbarer  für  das  Drama  gestimmt  sein, 
als  die  hohe,  stolze  und  heldenmütige  spanische  Seele,  die  vielleicht  eine 
gewisse  Herbheit  haben  mag,  aber  aller  Leidenschaften  der  Liebe  wie 
aller  Regungen  der  Ehre,  die  man  sich  nur  vorstellen  kann,  fähig  ist. 
Das  Drama  und  das  Lustspiel  eines  Lope  de  Vega  und  Calderon  sollten 
noch  den  französischen  Schriftstellern  des  17.  Jahrhunderts  als  Muster 
dienen. 

Doch  es  trat  ein  noch  Größerer  auf  im  Reiche  des  Geistes  und  der 
Feder,    Cervantes    (1547 — 1616). 

Er  hat  eine  jener  damaligen  unruhigen  romantischen  Existenzen  geführt, 
die  unsere  heutigen  ruheliebenden  Schriftsteller  überraschen  würden.  In 
der  Schlacht  bei  Lepanto  verwundet  und  gefangen  genommen,  mußte  er 
auf  den  türkischen  Galeeren  rudern.  Er  hat  eins  der  schönsten  Werke 
menschlicher  Phantasie  hinterlassen  (1605).  Don  Quixote  ist  tief  und 
zart  und  zugleich  entzückend  komisch.  Die  Satire  des  Cervantes  ist 
weniger  grob,  aber  ebenso  tief  wie  die  des  Rabelais  und  des  Aristophanes. 
Die  Geschichte  dieses  Ritters  von  der  traurigen  Gestalt  ist  ein  Meisterwerk 
unter  den  Meisterwerken. 


2o4  Sechstes  Buch. 


Und  als  ob  damals  in  der  so  eigenartigen  Zeit  Spaniens  und  Englands 
Geschicke  immer  parallel  laufen  sollten,  stirbt  Shakespeare  an  demselben 
Tage   wie    Cervantes. 

Unter  der  langen  Regierung  Elisabeths  hat  England  ebenso  geblüht, 
wie  Spanien  verarmt  ist.  Die  Engländer  haben  ihrer  Königin  den  Ehren- 
namen der  großen  Elisabeth  gegeben,  weil  sie  bei  aller  Inschutznahme 
des  Protestantismus  ihrem  Reiche  den  schrecklichen  Religionskrieg,  der 
damals  Frankreich  und  Deutschland  zerfleischte,  zu  ersparen,  dem  Par- 
lamente einige  Freiheiten  zu  gewähren,  der  unwiderstehlichen  Armada  die 
Spitze  zu  bieten  und  die  Finanzen  zu  kräftigen  gewußt  hat.  Zu  einem  solchen 
Erfolge  hat  es  eines  eindringenden,  klugen  und  geschmeidigen  Verständ- 
nisses bedurft,  das  auch  durch  eine  lächerliche  Eitelkeit  nicht  beeinträchtigt 
werden  konnte.  Elisabeth  läßt  sich  in  mancher  Beziehung  mit  Ludwig  XI. 
vergleichen,  der  mit  den  kleinen  Mitteln  der  List,  der  Geduld  und  eines 
schmutzigen  Geistes,  der  Schöpfer  der  Größe  des  französischen  Königtums 
wurde. 

Ein  tragisches  und  romantisches  Abenteuer  zieht  sich  durch  'die  ganze 
Regierungszeit  der  Königin  EHsabeth  hindurch.  Ihre  Nebenbuhlerschaft 
mit  Maria  Stuart  ist  vielleicht  rührender  als  ihr  Vemichtungskampf  mit 
Philipp    II. 

Schon  lange  war  das  mit  England  um  sein  Dasein  ringende  schottische 
Volk  in  freundschaftliche  Beziehungen  zu  Frankreich  getreten  (die  Schotten 
hatten  an  der  Universität  Paris  schon  seit  dem  Mittelalter  eine  sehr  besuchte 
besondere  Stiftung).  Die  Stuarts  hatten  sich  als  Könige  von  Schottland 
mit  den  Königen  wie  den  Herren  vom  Hochadel  in  Frankreich  verbündet. 
Jakob  V.  Stuart  hatte  eine  Prinzessin  von  Guise,  Maria  von  Lothringen, 
geheiratet.  Ihre  Tochter  Maria  (Maria  Stuart),  die  Königin  von  Schottland, 
wurde  nun  durch  ihre  Ehe  mit  Franz  II.  auch  Königin  von  Frankreich, 
Aber  Franz  II.  starb  mit  achtzehn  Jahren,  und  Maria  Stuart  kehrte  nach 
dem  Tode  ihres  jungen  Gatten  nach  Schottland  zurück,  um  hier  die 
Regierung  zu  übernehmen   (1560). 

Unglück  und  Dichtung  haben  dieser  ebenso  leichtfertigen  wie  an- 
ziehenden Frauengestalt  auf  dem  Herrscherthrone  zu  ihrer  Königskrone 
noch  einen  Glorienschein  ums  Haupt  gewunden.  Aber  von  Herzen  Katho- 
likin und  Französin,  hatte  sie  für  die  glühenden  religiösen  Leidenschaften 
des  schottischen  Volkes  kein  rechtes  Verständnis.  In  der  Tat  war  damals 
Schottland,  wie  das  ganze  übrige  Großbritannien,  in  zwei  Lager  gespalten: 
Kalvinisten  und  Katholiken.    Zu  diesem  religiösen  Gegensatze  traten  noch 


Das  Königtum.  2o5 


dynastische  Ansprüche  hinzu.  Maria  Stuart  glaubte  Rechte  auf  den  eng- 
lischen Thron  zu  haben,  wie  andererseits  Elisabeth  auf  den  schottischen. 

Aber  Maria  Stuart  beging  die  Torheit,  einen  schottischen  Edelmann 
namens  Darnley  zu  heiraten,  einen  ziemlich  kläglichen  Menschen.  Da 
entrollten  sich  die  Wechselfälle  eines  wirren  Liebesepos,  das  verwickelter 
war  als  das  beliebigste  Bühnendrama.  Zuerst  läßt  Darnley  den  Italiener 
Riccio^  den  Geheimschreiber  der  Maria,  der  vielleicht  auch  ihr  Geliebter 
war,  meuchlings  ermorden ;  dann  versöhnt  sich  Maria  scheinbar  mit  Darnley, 
dann  sprengt  Bothwell  durch  ein  Pulverfaß  das  Haus,  in  dem  Darnley 
wohnte,  in  die  Luft.  Bothwell  wird  auf  Grund  eines  gerichthchen  Schein- 
verfahrens freigesprochen,  und  nun  heiratet  Maria  Stuart  schließlich 
noch   Bothwell. 

Da  erhob  sich  ganz  Schottland.  Maria  Stuart  mußte  flüchten  und 
suchte  Schutz  in  England.  Mit  herablassender  Hochachtung  gab  ihr 
Elisabeth  ein  Gefängnis  zum  Obdach.  Es  mußte  der  englischen  Königin 
ein  wahrer  Triumph  sein,  sie,  die  verhaßte  Nebenbuhlerin,  die  Neben- 
buhlerin in  Schönheit  und  Königskrone,  achtzehn  Jahre  lang  unter  Schloß 
und  Riegel  halten  zu  dürfen. 

Erst  im  Jahre  1587  stellte  sie  die  Gefangene  unter  dem  Vorwande,  daß 
diese  mit  den  Katholiken  und  Spaniern  Ränke  spönne,  vor  Gericht  und 
setzte   ihre    Hinrichtung   durch. 

Im  folgenden  Jahre  verschaffte  die  Vernichtung  der  unüberwindlichen 
Armada  Elisabeth  Ruhm  und  Macht.  Sie  starb  gefeiert,  angebetet  und 
bewundert,  nachdem  sie  noch  vorher  über  einige  vergebliche  Aufstände  sieg- 
reich geblieben  war.    Sie  hinterließ  ein  unabhängiges  und  starkes  England. 


Wie  in  Spanien,  hatte  auch  in  England  das  Theater  die  Gunst  von 
hoch  und  niedrig  erobert.  Mochte  es  sich  nun  wie  in  Italien  um  Possen- 
reißereien  handeln,  in  denen  die  Inhaber  von  Rollen  eines  ganz  bestimmten, 
von  langher  feststehenden  überlieferten  typischen  Charakters  die  Zuhörer- 
schaft erheiterten  oder,  wie  im  alten  Griechenland,  um  Heldendramen,  die 
die  gewaltigsten  Leidenschaften  der  Seele  auf  die  Bühne  brachten.  Solch 
ein  Gemisch  von  beidem.  Lachen  und  Grauen,  wie  es  sich  ja  auch  in  der 
Welt  der  Wirklichkeit  nur  allzu  häufig  zusammenfindet,  ist  es,  worin  in  der 
denkbar  höchsten  Steigerung  die  wundervolle  Eigenart  Shakespeares  be- 
steht. Er  hat  alles :  die  Anmut  eines  Homer,  die  Ironie  eines  Aristophanes, 
die  Erhabenheit  eines  Äschylus,  die  durchschauende  Unerbittlichkeit  eines 
Tacitus,  Hamlet,  Macbeth,  der  Sommernachtstraum  sind  nicht  eigentümlich 


2o6  Sechstes  Buch. 


englische,  sondern  allgemein  menschliche  Werke,  die  alle  Zeitalter  und  alle 

Völker    in    Bewunderung    und    Entzücken    versetzen.     Nur    zu    lange    war 

Shakespeare,  besonders  auch  in  England  selbst,  ein  Verkannter,  ja  teilweise 

völlig  Unbekannter.  Doch  heute  steht  er  an  erster  Stelle,  und  die  Nachwelt 

hat   ihm   eine,    wenn    auch    späte    Gerechtigkeit    widerfahren   lassen    (1564 

bis   161 6). 

*  * 

* 

Noch  im  Jahre  seiner  Abdankung  hatte  Karl  V.  den  protestantischen 
Fürsten  Deutschlands  ein  bescheidenes  Maß  von  Religionsfreiheit  bewilligen 
müssen  (Augsburg  1555),  das  will  sagen:  er  verUeh  jedem  einzelnen  von 
ihnen  das  Recht,  die  Religion  seiner  Untertanen  selbst  zu  bestimmen. 
Dieser  Versuch  einer  Beilegung  des  religiösen  Zwistes  in  Deutschland 
dauerte,  so  gut  es  eben  ging, "fast  ein  halbes  Jahrhundert  an,  auch  noch  in 
den  Stunden,  wo  in  Frankreich  bereits  die  schmerzlichste  Zerfleischung 
stattfand.  Aber  auch  in  Deutschland  wollten  damals  die  Völker  noch  nicht 
ihren  religiösen  Leidenschaften,  besonders  aber  auch  die  Fürsten  noch  nicht 
ihren  ehrgeizigen  politischen  Bestrebungen  völlig  entsagen.  So  sollte  auch 
Deutschland,  ebenso  wie  Frankreich,  noch  die  Religionskriege  kennen 
lernen ;  was  sie  dort  später  eintraten,  das  mußten  sie  um  so  drückender  sein. 

Fünfzig  Jahre  nach  Luthers  Tode  war  das  in  Protestanten  und  Katho- 
liken ungefähr  gleichmäßig  geteilte  Deutschland  dem  Namen  nach  einem 
und  demselben  deutschen  Kaiser  untertänig.  Nxm  war  dieser  Kaiser  damals 
immer  ein  Habsburger,  d.  h.  ein  glühender  Katholik,  wodurch  die  Katho- 
liken natürlich  ein  Übergewicht  bekamen. 

Die  Protestanten  hatten  den  Norden,  die  Katholiken  den  Süden  inne. 
An  der  Grenze  zwischen  Nord  und  Süd  lag  das  damals  vorwiegend  protestan- 
tische Böhmen.  Im  Jahre  1597  leitete  der  spätere  Kaiser  Ferdinand  IL,  der 
vorher  auch  noch  Erzherzog  von  Österreich  werden  sollte,  eine  große  Ver- 
folgung der  österreichischen  Protestanten  damit  ein,  daß  er  diejenigen 
unter  ihnen,  die  ihren  Glauben  nicht  abschwören  wollten,  verbannte. 

Im  Jahre  161 7  wurde  er  zum  König  von  Böhmen  ernannt  und  glaubte 
nun  die  Böhmen  ebenso  wie  die  Österreicher  behandeln  zu  können;  aber 
die  Böhmen  lehnten  sich  hiergegen  auf.  In  der  Hauptstadt  Prag  stürzten 
die  gegen  den  Kaiser  aufständischen  protestantischen  Edelleute  nach 
einem  eigenartigen  Landesbrauche,  der  schon  öfter  bei  politischen  Wort- 
wechseln in  die  Erscheinung  getreten  war,  zwei  von  Ferdinands  Statt- 
haltern, ohne  ihnen  übrigens  nennenswerten  Schaden  zu  tun,  zum  Fenster 
hinaus  {Exfenestratio  Pragensis,  Prager  Fenstersturz  161 8).    Da  wuchs  die 


Das  Königtum.  207 


Auflehnung"  zur  offenen  Empörung.  Nach  Abstammung  und  Sprache 
Slawen,  haben  die  Böhmen  ebensoviel  Freimut,  größere  Lebhaftigkeit  und 
geringere  Überlegung  als  die  Germanen.  So  ergriff  der  Aufstand  bald  ganz 
Böhmen.  Die  Landstände  wurden  zusammenberufen;  sie  sprachen  die 
Absetzung  Ferdinands  aus  und  beriefen  den  jungen  Kurfürsten  Friedrich 
von  der  Pfalz  zum  König  von  Böhmen.  Friedrich,  ein  eifriger  Kalvinist, 
erregte  schon  lange  die  Unzufriedenheit  der  Lutheraner,  die  ihn  auch  jetzt 
nicht  unterstützten.  Nun  waren  ohne  die  Unterstützung  der  lutherischen 
Fürsten  die  Aufständischen  Böhmens,  jeder  Manneszucht "  und  Erfahrung 
bar,  nicht  imstande,  den  kaiserlichen  Streitkräften  genügenden  Widerstand 
zu  leisten.  Diese  wurden  von  l'illy,  einem  ebenso  tüchtigen  General 
wie  glühenden  _und  aufrichtigen  Katholiken,  befehligt.  In  der  Schlacht 
am  Weißen  Berge  (8.  November  1620)  wurden  die  Böhmen  vollständig 
geschlagen.  Diese  Schlacht  entschied  das  Schicksal  eines  ganzen  Volkes, 
gingen  doch  die  slawischen  Böhmen  an  jenem  Tage  ihrer  nationalen  p 
Unabhängigkeit  für  immer  verlustig.  / 

Die  katholischen  Sieger  verstanden  ihren  Sieg  auszunutzen.  Die  böh- 
mischen Adligen  wurden  gehenkt  oder  landesverwiesen,  die  Bauern  zum 
Übertritt  oder  zur  Auswanderung  gezwungen.  Wenn  die  Bevölkerung 
ihren  Glauben  nicht  abschwören  wollte,  wurde  zu  wiederholten  Malen 
eine  Massenschlächterei  unter  ihr  vorgenommen.  Die  irgendwie  in  Betracht 
kommenden  Güter  der  Protestanten  wurden  sämtlich  eingezogen  und  an 
die  gutkatholischen  österreichischen  Adügen  verteilt.  Die  tschechischen 
Bücher  wurden  verbrannt.  Vierzigtausend  Familien  mußten  ins  Ausland 
fliehen,  und  in  wenigen  Monaten  waren  zwei  Drittel  des  böhmischen  Volkes 
verschwunden. 

Aber  diese  traurige  Niederwerfung  eines  ganzen  Volkstums  war  nicht 
ohne  Folgen.  Böhmen  wurde  damals  katholisch  und  blieb  es  ein  für  allemal. 

Dies    waren    die    Anfänge    des    Dreißigjährigen    Krieges. 

Dieser  war  nicht  nur  ein  religiöser,  sondern  auch,  und  zwar  vorwiegend, 
ein  Eroberungskrieg  zugunsten  der  Habsburger.  Stolz  darauf,  die  Nach- 
folger Karls  des  Großen  zu  sein,  strebten  sie  nach  der  unbedingten  Vor- 
herrschaft im  Reiche.  Weil  sie  diese  Bestrebungen  ihres  kaiserlichen  Ehr- 
geizes und  ihren  katholischen  Glauben  nicht  genügend  auseinander  halten 
konnten,  wollten  sie  aus  ganz  Deutschland  ein  ihnen  untertäniges  einheit- 
liches katholisches  Gebiet  machen,  so  wie  es  die  französischen  Könige  aus 
Frankreich  zu  machen  gewußt  hatten.  Sie  fanden  sich  hierin  im  Gegensatz 
zu  den  Protestanten  Deutschlands  und  des  Auslandes,  dem  auf  seine  uralten 
verbrieften  Rechte  sehr  eifersüchtigen  deutschen  Lehnsadel  und  sämtlichen 


2o8  Sechstes  Buch. 


europäischen  Herrschern,  die  die  unersätthchen  Gelüste  des  Hauses  Öster- 
reich  nicht    wenig   in    Schrecken    setzten. 

Da  in  jenen  Tagen  die  Schlachten  und  die  feindlichen  Einfälle  mehr 
noch  als  heute  zum  Vorwand  für  einträgliche  Plünderung  herhalten  mußten, 
strömten  die  Soldaten  oder  richtiger  die  Raubgesellen  von  allen  Seiten 
herbei.  Die  schlimmsten  Abenteurer  Europas  kamen,  um  sich,  einer  zu- 
fälligen Eingebung  folgend,  in  dies  oder  jenes  Heer  einreihen  zu  lassen, 
um  Söldner  in  der  schlimmsten  Bedeutung  des  Wortes  zu  werden  — 
Abenteurer  ohne  Treu  und  Glauben!  Das  unglückliche  Deutschland  wurde 
dreißig  Jahre  lang  von  Kriegerbanden  gebrandschatzt,  die  im  Grunde 
nichts  weiter  waren  als  ganz  gemeine  Räuberbanden.  Das  Gewerbe  war 
gewinnbringend,  ohne  ernstere  Gefahren,  überhob  jeder  Arbeit  und  gab 
einen  Schein  von  Ruhm. 

Gleichzeitig  mit  den  Protestanten  Böhmens  wurden  auch  die  der  Pfalz 
vom  Kaiser"  niedergeworfen  (1624).  Jetzt  fingen  sich  Frankreich  und 
Holland  zu  beunruhigen  an  und  stifteten,  ohne  sich  selbst  unmittelbar  in 
den  Krieg  einzumischen,  zuerst  den  König  von  Dänemark  und  dann  den 
König  von  Schweden  an,  dazwischenzutreten. 

Nach  einigen,  wenn  auch  nur  teilweisen  Erfolgen  erlitten  die  dänischen 
und  protestantischen  Truppen  eine  völlige  Niederlage  von  dem  kaiserlichen 
Heere  unter  dem  Befehle  eines  kühnen  und  erprobten  Generals  namens 
Waldstein  oder  Wallenstein. 

Es  war  das  ein  böhmischer  Edelmann,  der,  von  Geburt  ein  Protestant, 
in  früher  Jugend  zum  Katholizismus  übergetreten  war.  Übrigens  gehörte 
alles,  was  religiöser  Glaube  heißt,  zu  seinen  geringsten  Sorgen,  glaubte 
er  doch  ausschließlich  an  die  Astrologie  *.  Seine  einzige  Leidenschaft  war 
eine  ziemlich  gemeine  Käuflichkeit,  Er  führte  Krieg,  um  Gebiet,  Gold  und 
Titel  zu  erwerben. 

Er  begriff  sehr  schnell,  daß  der  Sieg  immer  nur  dem  Heere  folgt, 
in  dem  Manneszucht  herrscht,  und  es  gelang  ihm  wirklich,  der  Herde  von 
Abenteurern,  die  er  zu  führen  hatte,  eine  gewisse  Einheit  zu  geben.  Dank 
seines  Feldherrntalents  wurde  aus  dieser  Menschenmasse  ein  wirkliches 
Pleer.  So  wurde  es  ihm  nicht  schwer,  bei  Dessau  über  den  mit  dem  König 
Christian  IV.  von  Dänemark  verbündeten  Söldnerführer  Grafen  von  Mans- 
feld  Sieger  zu  bleiben. 

Die    protestantische    Partei    schien    verzweifelt,    hatte    doch    der    Kaiser 


*  über   Astrologie  im  Verhältnis  zu   Astronomie  vgl.  Wilhelm   Foerster  in  der 
hier  S.    12  angeführten  Abhandlung  S.  4.    10 — 18. 


Das  Königtum.  209 

durch  diesen  Sieg  seine  ganze  frühere  Allmacht  wiedererlangt.  Ja,  dieser 
hielt  sich  sogar  stark  genug,  Wallenstein  beiseite  zu  schieben,  dessen  Ehr- 
geiz natürlich  mit  den  geleisteten  Diensten  wuchs.  Es  bekommt  nun  einmal 
einem  Günstling  nicht,  sich  gar  zuviel  Ruhm  zu  erwerben. 

In  diesem  Augenblick  erschien  König  Gustav  Adolf  von  Schweden  auf 
dem  Kriegsschauplatz. 

Wie  Dänemark,  hatte  sich  auch  Schweden  bis  zu  jenem  Tage  niemals 
in  die  europäischen  Händel  eingemischt.  Weder  Frankreich  noch  Deutsch- 
land noch  auch  Italien  hatten  bisher  seine  Soldaten  gesehen.  Gleichwohl 
hatte  es  schon  eine  lange  Geschichte  hinter  sich.  Im  15,  Jahrhundert 
bildeten  Dänemark  und  Schweden  nur  ein  einziges  Königreich.  Da  er- 
klärten im  Jahre  1550  die  Schweden,  die  das  dänische  Joch  nur  widerwillig 
ertrugen,  ihre  Unabhängigkeit  und  nahmen  sich  einen  König  aus  dem 
eignen  Volke.  Es  war  das  Gustav  Wasa.  Das  schwedische  Volk  und  Gustav 
Wasa  wurden  nun  lutherisch.  ^ 

Schweden  war  dünn  bevölkert  und  arm,  der  Boden  unergiebig,  das 
Klima  rauh,  der  Handel  unbedeutend  und  der  Großbetrieb  noch  ganz  un- 
bekannt. Aber  die  Schweden,  bieder,  kernig  und  stark,  waren  auch  kriege- 
risch, wie  es  die  Normannen,  ihre  Voreltern,  gewesen  waren.  Ernst  und 
feurig  zugleich  neigten  sie  ganz  ebenso  zu  stillem  Schwärmen  wie 
kräftigem  Handeln.  Luthers  Lehre  wurde  sogleich  mit  einer  Begeisterung 
angenommen,  die  ebenso  kühl  wie  zu  jedem  Opfer  bereit  war.  Aber  das 
Volk  wollte,  so  sehr  es  auch  seinen  Königen  ergeben  war,  sich  seine  Frei- 
heilen wahren,  und  so  war  der  königliche  Wille  durch  einen  aus  Wahlen 
hervorgegangenen  Landtag  eingeschränkt. 

Gustav  Adolf  kann  auf  den  Ehrentitel  eines  der  größten  Feldherren 
der  Neuzeit  Anspruch  machen  nicht  sowohl  wegen  seiner  hervorragenden 
Tapferkeit  und  Entschlossenheit  auf  dem  Schlachtfeld  als  vielmehr,  weil 
er  zu  den  hervorragendsten  Neuschöpfern  von  Taktik  und  Strategie  gehört. 
Wie  Cäsar  und  Hannibal,  wußte  auch  er,  daß  die  Infanterie,  wenn  sie 
leicht  und  beweglich  ist,  ein  gefügiges  Werkzeug  in  der  Hand  des  Feld- 
herrn bildet  und  die  Königin  der  Schlachten  ist.  Nun  setzt  die  Infanterie 
eine  tadellose  Bewaffnung  voraus.  Die  Muskete  der  Infanteristen  war  ein 
schwerfälliges  Werkzeug.  Er  entlastete  sie  und  machte  daraus  eine  hand- 
liche, verhältnismäßig  leichte  Feuerwaffe,  die,  von  guten  Schützen  geführt, 
Spießen  und  Speeren  trotzt. 

Seine  Leute,  schwedische  Bauern,  die  sich  erst  auf  den  Schlachtfeldern 
Deutschlands  zu  Soldaten  entwickelt  hatten,  waren  von  einer  spröden  luthe- 
14  Riebet,  Geschichte  der  Menschheit 


aio  Sechstes  Buch. 


rischen  Frömmigkeit  und  beteten  ihn  an,  bereit  ihm  zu  folgen,  wohin  es 
auch  sei. 

Schweden  war   zu    arm,   um    sie    allein  bezahlen  zu  können.    So  über- 
nahm   es  Richelieu,   den    die  Fortschritte  des  Kaisers  beunruhigten,    das 
nötige  Geld  für  ihre  Löhnung  zu  liefern  (1631). 
1       Die  deutschen  protestantischen  Fürsten  hatten  bisher  gezögert,  zu  den 
beiden  Parteien  eine  bestimmte  Stellung  zu  nehmen,  übte  doch  noch  immer 
der   Name  des   Kaisers   seinen  unwiderstehlichen   Zauber  aus.    Aber   das 
kaiserliche    Heer    bemächtigte   sich   unter   der    Führung   Tillys    der    Stadt 
;  Magdeburg.      Diese    Hochburg    norddeutschen     Protestantentums    wurde 
nach  der  Erstürmung  eingeäschert,  geplündert  und  durch  eine  jener  blutigen 
Massenschlächtereien  befleckt,  wie  man  sie  nur  in  alten  Zeiten  hätte  für 
möglich   halten   sollen,   und   die   ein    Schandmal   in   der   Geschichte   eines 
I  Volkes  bilden. 

Das  ganze  protestantische  Deutschland  empörte  sich  jetzt  und  trat 
helfend  Gustav  Adolf  zur  Seite.  Da  ging  dieser  seinerseits  zum  Angriff 
über,  trat  bei  Breitenfeld  unweit  Leipzig  Tillys  Heer  entgegen  und  schlug 
es  vollständig.  Nun  drang  er  in  Württemberg  und  Bayern  ein  und  trug 
einen  zweiten  großen  Sieg  über  Tilly  davon,  der  eine  tödliche  Wunde  er- 
hielt (Schlacht  am  Lech).  Er  selbst  fiel  einige  Monate  später  bei  Lützen 
(1632)  auf  dem  Schlachtfelde,  als  er  sich  in  seinem  feurigen  Ungestüm 
Jr  ^       zu  weil  vorwagte.   Er  war  erst  achtunddreißig  Jahre  alt. 

Gustav  Adolf  war  mehr  Soldat  als  Herrscher  und  hat  seine  Landeskinder 
ohne  greifbaren  Vorteil  zu  blutigen  Kriegsabenteuern  in  die  Fremde  ent- 
führt. Aber  er  war  frei  von  Prahlerei,  Grausamkeit  und  Haß.  Er  hat 
Deutschland  die  religiöse  Gewissensfreiheit  gerettet  und  Brandenburg,  der 
Pfalz  und  Sachsen  das  Schicksal  des  unglücklichen  Böhmens  erspart. 

Wallenstein  war  vom  Kaiser  zurückgerufen  worden;  aber  anstatt  sich  nun 
ehrlich  der  kaiserlichen  Sache  wieder  anzuschließen,  unterhandelte  er  ins- 
geheim mit  den  protestantischen  Fürsten,  einzig  und  allein  darauf  bedacht, 
am  Kaiser  Verrat  zu  üben.  Dieser  kam  ihm  zuvor  und  ließ  ihn  zu  Eger 
meuchlings  ermorden  (1634).  « 

Wallensteins  Tod  nützte  der  kaiserlichen  Sache  fast  ebenso  wie  der 
Gustav  Adolfs.  Vergebens  suchten  die  Schweden  wieder  die  Oberhand  zu 
gewinnen;  sie  wurden  bei  Nördlingen  völlig  geschlagen  (1634).  Die  meisten 
protestantischen  Fürsten  nahmen  den  ihnen  vom  Kaiser  angebotenen 
Frieden  an  (Prager  Friede  1635).  Die  freie  Ausübung  ihrer  Religion  wurde 
ihnen  gewährleistet. 

So  hatte    das  Reich    nacheinander    über  die  Böhmen,    die  Dänen    vmd 


Das  Königtum. 


die  Schweden  zu  triumphieren  vermocht.  Es  hatte  nur  noch  einen  F^mnf 
3U  bestehen,  in  dem  es  aber  besiegt  wurde,  „ämhch  gegen  Fanteir' 
Rtcheheu.  der  als  Minister  Ludwigs  XIII.  in  Wahrheit  der  ^  che, 
über  Frankrcch,  und  zwar  der  unumschränkte  Herrscher  war,  beunr^hil  ! 
steh  etwa  mch.  tm  genngsten  um  religiöse  Fragen,  wenn  es  sich  dar™ 
handelte  em  Bündnis  zu  schließen  oder  einen  Krieg  zu  unternehmen  e" 
betrachtete  aUe  die  als  Feinde  Frankreichs,  die  solche  GebTerinne 
hatten.  d,e  er  als  französische  ansah,  so  den  König  von  Spanien    der  Is 

T:  "f  t/"'^^^^'"^^'  ^"^"^  (Franche-cLte),  u'n d  den  Kait 
der  das  Elsaß  besetzt  hielt.  Er  erklärte  also  Spanien  Jd  dem  Kaiser  din 
Kneg  und  verbündete  sich  mit  den  gemeinsamen  Feinden  b  Mer  ^  h  2 

Z  s""'      "  ^"'"'^'^"  "™^'"^^"  '-  ^'^'■-'-^^  -0  <^em  HerzT; 

Diese   beiden  Kriege   zogen  sich  über  eine  lange  Reihe  von  I,^        ,,• 
und  überdauerten  auch  noch  den  Mann,  der  sieTfranfaßf  hal   i     r". 
keineswegs    ihr  F„j.       ■.  j         .  veranlaßt  hatte.  Sie  fanden 

wilw        Jf  '^'"  Augenblick,    wo   auf    Ludwig  XIII    Lud- 

w.g  XIV.  und  damit  auf  Richelieu  Mazarin  gefokt  war  Sn  l\  7 
Kneg  Frankreichs  mit  Deutschland  volle  zwölf  Ihfe  M-\  .e.sf  .  T 
Frankreichs  t^t  Spanien  nicht  weniger  als  ..  i  (^TS^  ""'  '" 

Anfangs    erfuhr  Frankreich    nur  Nackenschlä^e      Fin  V       „ 

überschwemmte  vom  Artois  aus  die  Piferd"  Eta;  ,  JTt"'  "'=' 
drang    sogar  einmal  bis    unmittelbar    an  2  t  p       ^^"^"^"^ 

.m  folgenden  Jahre,  und  sein  Heer  trat  Tn  tln    •    t  ^'  ""  "'^'"' 

Die   guten  Erfolee    rfi.   =  l  ^        '"  französische  Dienste. 

bald  aus    Z  llponuZ    'TT    T""^'  ™  verzeichnen  hatte,  blieben 

Truppen  au  Frankrd  h  „a'h  f  f ""  "'°''^"'  ■""'"=  "  ^-^«  -- 
gegen   die  M.IT,  '"yrenäenhalbinsel   zurückberufen,   um 

gInK  ntpflrer'urd  'f-  ^^  '"""^  >'^°'=''  "->>  »"•-  -en 
Jahre  fang  luf  a>  "''":      '  "'''"  ^°'^"'^"  zurücklassen,  die  zwanzig 

fe^mpft  baten  Docrn"^"'*'"  europäischen  Schlachtfeldern  mi^ 
Schlaf    hl    p  unvergleichliche    Infanterie   wurde  in    der 

u  es  e'  :',^:::°^  «■>  -"-»t«  (,643),  u„d  der  Glanz  eines  I 
wigs  x!v    begfnn  I"  l  T"'"'  °™  '^"-   °'^  ^^Sierung  Lud- 

danken  war.    Es  war  di«  7»    h  2' jahngen   Jünglings  zu  ver- 

von  Cond^.  "'™^    ™"  ^»^''i»'    der    spätere   Prin. 


14* 


212  Sechstes  Buch. 


In  Deutschland  brachte  das  von  Turenne  geschickt  und  sachkundig 
geleitete  französische  Heer  bei  Nördlingen  den  Kaiserlichen,  die  elf  Jahre 
vorher  an  derselben  Stelle  so  glänzend  über  die  Schweden  gesiegt  hatten, 
eine  völlige  Niederlage  bei  (1645). 

Turenne  bei  Nördlingen  und  Cond6  bei  Rocroy  haben  nicht  nur  Frank- 
reich, sondern  das  von  der  alles  beherrschenden  Übermacht  Spaniens 
und  Österreichs  bedrohte  Europa  gerettet,  hatten  sich  doch  diese  beiden 
'Mächte  in  dem  ihnen  gemeinsamen  imversöhnlichen  Katholizismus  zur  Aus- 
rottung der  Volks-  und  Gewissensfreiheit  auf  dem  ganzen  Erdteil  geeinigt. 

Jetzt  wurden  die  kaiserlichen  Heere  überall  geschlagen.  Die  vereinigten 
Franzosen  und  Schweden  fielen  in  Böhmen  und  Bayern  ein;  es  gelang 
ihnen  sogar,  bis  an  die  Tore  von  Wien  vorzurücken. 

Da  endlich  bat  Kaiser  Ferdinand  III.,  ohne  sich  um  das  ihm  verbündete 
Spanien  zu  kümmern,   um   Frieden   (der  Westfälische   Friede    1648). 

Die  Abmachungen  dieses  Friedens  sind  das  große  diplomatische  Er- 
eignis des  17,  Jahrhunderts.  Sie  haben  auf  lange  hin  die  Gebietsgrenzen 
der  europäischen  Staaten  festgelegt. 

Die  Schweiz  und  Holland  wurden  als  unabhängige  Staaten  anerkannt. 
Schweden  gewann  den  nördlichen  Teil  Pommerns,  d.  h.  Vorpommern  und 
von  Hinterpommern  das  rechte  Oderufer.  Der  Kurfürst  von  Brandenburg 
bekam  den  südlichen  Teil  Pommerns,  d.  h.  Hinterpommern  mit  dem  Bistum 
Cammin;  das  war  der  unbedeutende  Anfang  zu  der  späteren  mächtigen 
preußischen  Monarchie.  Frankreich  behielt  einen  Teil  des  Elsaß,  der 
also  von  nun  an  nicht  mehr  Reichsland  war.  Österreich  blieb  im  Besitze 
von  Böhmen  und  Ungarn;  dem  Kaiser  verblieb  sein  kaiserlicher  Titel. 
Aber  auch  den  deutschen  Fürsten  wurde  die  Landeshoheit  in  ihren  Einzel- 
gebieten nicht  geschmälert. 

Die  religiöse  Freiheit  der  lutherischen  wie  der  katholischen  Bevölkerungs- 
kreise wurde  bestätigt,  blieb  aber  der  Religion  ihrer  Fürsten  untergeordnet. 
Cuius  regio,  eius  religio. 

Die  Beschlüsse  des  Westfälischen  Friedens  drücken  der  Vorherrschaft 
Frankreichs  in  Europa  das  feierliche  Siegel  endgültiger  Bestätigung  auf. 
In  der  Tat  hatte  allein  Frankreich  den  Ehrgeiz  Österreichs  in  Schach  zu 
halten  und  in  die  gebührenden  Schranken  zurückzuweisen  gewußt.  Wenn 
es  auch  Ungarn  und  Böhmen  bekam,  so  war  das  Haus  Habsburg  doch 
gegen  Schluß  dieses  langen  Krieges  geschwächt,  gedemütigt  und  ge- 
zwungen, den  einzelnen  Fürsten  ihre  Landesherrlichkeit  und  den  einzelnen 
Völkern   ihre  Religion  unangetastet  zu  lassen. 


Das  Königtum.  213 


Doch  der  eigentliche  Besiegte  war  das  unglückliche  Deutschland. 
Dreißig  Jahre  lang  war  es  der  Schauplatz  wahnsinniger  Zerstörungswut 
gewesen.  Die  Fluren  verwüstet,  die  Städte  niedergebrannt,  der  Handel  ver-^ 
nichtet,  die  Freiheiten  der  einzelnen  Gemeinden  aufgehoben  und  ihre 
Bürgerschaften  verhungert  und  verängstet!  Überall  Trümmer,  Wehklagen 
und  Jammer!  Noch  nie  hatte  der  Krieg,  der  häßliche  Krieg  Unglück  und 
Mißgeschick  dermaßen  gehäuft.  Dreißig  Jahre  hatten  genügt,  um  jenes 
edle  Deutschland  des  16.  Jahrhunderts,  das  zu  einem  Mittelpunkt  der  Ge- 
sittung und  des  Wohlstandes  bestimmt  schien,  in  eine  Wüste  zu  verwandeln, 
die  von  nichts  anderem  als  Flüchen  widerhallte.  In  manchen  deutschen 
Städten  war  die  Bevölkerung  auf  die  Hälfte  zusammengeschrumpft.  Es  ist 
gut,  wenn  die  Deutschen  diese  dreißrg  unseligen  Jahre  ihrer  Geschichte 
recht  gründlich  überdenken.  Sie  sollen  daraus  alle  wesentlichen  Voraus- 
setzungen entnehmen,  um  einen  unüberwindlichen  Abscheu  gegen  den  Krieg 
überhaupt  zu  fassen! 


Zu  ■  derselben  Zeit,  wo  sich  Deutschland  in  ein  Trümmerfeld  ver- 
wandelte, erholte  sich  umgekehrt  Frankreich  von  seinen  Religionskriegen 
so  weit,  daß  es  sich  sogar  zu  einer  gewissen  Blüte  erhob.  Diese  ist  aber 
nicht  etwa  dem  Verdienste  von  König  Heinrichs  IV.  Sohn,  Ludwig  XIII., 
zuzuschreiben,  sondern  ausschließlich  dessen  Minister  Kardinal  von  Richelieu, 
hat  er  doch  achtzehn  Jahre  für  den  König  ganz  allein  regiert  (1624 — 1642). 
So  ist  Ludwig  XIII.,  wenn  für  nichts  anderes,  schon  jedenfalls  dafür 
Dank  zu  wissen,  daß  er  es  über  sich  gewonnen  hat,  fast  seine  ganze  könig- 
liche Gewalt  an  seinen  großen  und  überlegenen  Minister  abzutreten. 

Die  ersten  Regierungsjahre  Ludwigs  XIII.  waren  unruhige.  Die  Königin- 
Mutter  Maria  von  Medici,  die  für  den  noch  minderjährigen  König  die  Re- 
gierung führte,  berief,  als  sie  Geld  brauchte,  die  Landstände  (General- 
staaten) (161 4).  Doch  das  gewünschte  Einvernehmen  blieb  aus,  so  daß  die 
Stände  wieder  entlassen  werden  mußten.  Sie  gingen  auseinander,  ohne  be- 
sonderen Widerstand  zu  leisten. 

Die  Königin-Mutter  hatte  ihre  ganze  Gunst  einer  ihrer  Landsmänninnen, 
ihrer  Milchschwester  Leonora  Galligai  und  deren  Gatten  Concino  Concini, 
zugewendet,  der  ein  aus  den  untersten  Volksklassen  hervorgegangener, 
höchst  ehrgeiziger  Streber  war  und  von  ihr  zu  einem  Marquis  von  Ancre 
und  französischen  Marschall  ernannt  wurde.  Aber  obwohl  Ludwig  XIII. 
noch  ganz  jugendlich  war,   ließ  er  ihn,   auf    seinen   Einfluß    eifersüchtig, 


2l4  Sechstes  Buch. 


ermorden.     Concinis  Frau  aber  wurde    der  Zauberei    angeklagt    und  ver- 
brannt. 

Nach  Concini  suchte  sich  Ludwig  XIII.,  der  nun  einmal  kein  selbstän- 
diger Herrscher  war,  einen  neuen  Günstling  und  fand  ihn  in  Albert 
de  Luynes,  der  alles  kurz  und  klein  regierte.  Glücklicherweise  starb 
de  Luynes  im  Jahre   1623   und  wurde  nun  durch  Richelieu  ersetzt. 

Dieser  hervorragende  und  durch  die  Schwäche  seines  Königs  allmächtig 
gewordene  Mann  bildete  sich  eine  ebenso  einf..:he  wie  bestimmte  Ansicht, 
die  er  dank  einer  ihm  innewohnenden  außerordentlichen  Zähigkeit  und 
Geschicklichkeit  durchzuführen  wußte;  er  wollte,  daß  der  König  von  Frank- 
reich im  gesamten  Lande  unumschränkter  Herr  sei  und  daß  sich  vor  seinem 
königlichen  Willen  alles  ohne  Widerrede  beuge.  Aber  es  hieß  dies  die  lang- 
jährige Überlieferung  der  sämtlichen  französischen  Herrscher  seit  Lud- 
wig XL  verleugnen. 

Es  verfügten  nämlich  die  Protestanten  kraft  des  Ediktes  von  Nantes 
über  sogenannte  Freistädte,  wodurch  es  ihnen  ermöglicht  wurde,  gewisser- 
maßen einen  Staat  im  Staate  zu  bilden.  Sie  hatten  das  Recht,  sich  zu- 
sammenzuschließen und  von  den  Ihrigen  Beiträge  für  ihre  Unternehmungen 
zu  erheben.  Sicher  waren  die  französischen  Hugenotten  am  Morgen*  nach 
einer  jener  einstigen  so  grausamen  Verfolgungen  in  ihrem  guten  Recht, 
wenn  sie  Mißtrauen  hegten  und  Bürgschaften  verlangten.  Aber  jetzt,  nach 
etwa  25  Jahren,  war  dasselbe  ein  Mißbrauch  des  Rechtes  und  eine  An- 
maßung und  sogar  Unduldsamkeit  ihrerseits,  wenigstens  in  denjenigen 
Städten,  in  denen  sie  die  Mehrheit  hatten.  So  konnte  Richelieu  in  dem, 
was  bei  den  Hugenotten  hochgespannter  Unabhängigkeitssinn  war,  eine 
Übertretung  ihrer  Rechte  sehen.  Sie  aber  wollten  nicht  nachgeben,  hatten 
sich  vielmehr  in  La  Rochelle  gesammelt,  wo  sie  unter  dem  Beistande  der 
englischen  Flotte,  die  ihnen  Lebensmittel  brachte,  den  sie  belagernden 
Streitmächten  des  Königs  einen  langen  und  ruhmvollen  Widerstand  ent- 
gegensetzten. Trotz  alles  ihres  Mutes  wurden  sie  schließlich  von  Hungers- 
not überwältigt  und  zur  Übergabe  gezwungen  (1628).  Es  waren  bereits 
16000  Mann  Hunger  und  Krankheit  erlegen. 

Doch  Richelieu  mißbrauchte  diesen  Sieg  nicht,  und  das  Edikt  von 
Nantes  stand  damals  noch  immer  in  Achtung.  Die  Kalvinisten  wahrten 
sich  auch  ferner  das  Recht  der  freien  Ausübung  ihres  Kultus.  Allerdings 
hatten  sie  schon  damals  keine  Sicherheitsplätze  mehr,  auf  daß  nur  die 
politische  Einheit  des  Reiches  keinen  Schaden  litt. 

Wie  die  Protestanten,  mußten  sich  auch  die  adligen  Herren  der  Recht- 
sprechung in  des  Königs  Namen  unterwerfen.    Sie  bekamen  als  alleinige 


Das  Königtum.  21  5 


Vorrechte  nur  solche,  die  ihnen  die  königliche  Gunst  aufzuzwingen  geruhte. 
Nicht  alle  ließen  sich  ein  derartiges  halbes  Diener  Verhältnis  gefallen;  einige 
empörten  sich.  Nun  kannte  Richelieu  keine  Gnade  mehr.  Todesstrafen 
ereilten  die  Aufsässigen,  bis  sich  überall  der  unerbittliche  Wille  des  Königs 
durchsetzte. 

Der  Kampf,  den  Richelieu  gegen  Spanien  und  Österreich  unternommen 
hatte,  erschöpfte  den  Staatsschatz  vollständig.  Selbst  wenn  sie  siegreich 
endigen,  sind  Kriege  kostspielig;  die,  die  Richelieu  auf  allen  Seiten  anfing, 
schlugen  dem  armen  Frankreich  Wunden,  an  denen  es  fast  verblutete. 
Steuern  mußten  erhöht,  Anleihen  gemacht,  ja  sogar  schließlich  von  Staats 
wegen  die  Zahlungen  eingestellt  werden.  Das  Elend  war  überall  in  Frank- 
reich, in  Stadt  und  Land,  ein  furchtbares.  Die  Einnehmer  (Geldleute,  die 
die  Einziehung  der  Steuern  gepachtet  hatten)  saugten  das  Volk  erbarmungs- 
los aus,  und  die  Sendlinge  des  Königs  konnten  die  Steuerpflichtigen  nur 
dadurch  zur  Zahlung  bewegen,  daß  sie  ihnen  Vollstreckungsbeamte  in  die 
Dörfer  schickten.  So  wurde  denn  auch  die  Nachricht  von  Richelieus  Tode 
mit  allgemeiner  Freude  aufgenommen.  Es  war  das  vielleicht  nicht  gerecht, 
hatte  er  doch  im  Grimde  alles  in  allem  nicht  so  viel  Schaden  angerichtet 
als  Gutes  gestiftet. 

Er  hatte  ohne  Frage  große  Leistungen  aufzuweisen;  wenn  die  unum- 
schränkte Gewalt  einem  Menschen  von  überlegener  Befähigung  zufällt,  ist 
sie  zum  mindesten  für  eine  vorübergehende  Zeit  von  einem  ganz  wunder- 
baren Segen.  Es  ist  keine  Kleinigkeit,  dem  Richterstande  die  über- 
wiegendste Stellung  in  der  ganzen  Beamtenschaft  errungen  und  so  ziemlich 
im  ganzen  Reich  eine  einheitliche  Rechtsprechung  durchgeführt  zu  haben! 
Es  ist  keine  Kleinigkeit,  große  Schiffahrtsgesellschaften  ins  Leben  gerufen 
zu  haben,  wie  die  Gesellschaft  Neu-F rankreich,  die  in  Kanada  unter  Cham- 
plain  eröffnet  wurde,  die  Amerikanische  Inselgesellschaft,  die  Martinique, 
Guadeloupe  und  Dominique  umfaßt,  die  Senegal-  imd  die  Madagaskar- 
gesellschaft. Leider  mißglückten  diese  Versuche;  schon  in  dieser  Zeit  fehlte 
es  in  den  französischen  Ansiedlungen  an  Ansiedlern.  Während  die  Hol- 
länder und  besonders  die  Engländer  und  Spanier  Ostasien  und  Amerika 
bevölkern,  können  sich  die  Franzosen,  von  einigen  nicht  gerade  allzuhäufig 
vorkommenden  Ansiedlern  abgesehen,  nicht  dazu  entschließen,  das  liebliche 
Frankreich  zu  verlassen. 

Überall  verlangte  Richelieu  unbedingte  Unterwerfung  und  Einheitlichkeit. 
Das  war  es,  was  er  ins  Heer  einführte,  wenn  er  ein  Kriegsministerium 
schuf,  das  den  Generälen,  die  bisher  vollkommen  nach  eigner  Willkür 
handelten,  ganz  bestimmt  abgegrenzte  Aufträge  gab.    Er  regelte  die  Aus- 


21  ß  Sechstes  Buch. 


hebung  der  Rekruten,  die  bisher  gänzlich  dem  Zilfall  überlassen  blieb.  Er 
verschaffte  der  militärischen  Stufenleiter  einen  Vorrang  vor  der  des  Adels. 
Ebenso  konnten  aus  der  Zivilbeamtenschaft  die  königlichen  Verwaltungs- 
beamten  und  die  Richter  ihre  Entscheidungen  im  Namen  des  Königs  den 
entrüsteten  Edelleuten  als  Verbindliche  auferlegen. 

Er  erstrebte  sogar  die  Einheitlichkeit  der  französischen  Sprache  durch 
Verfügungen  herzustellen  und  begründete  dazu  die  französische  Akademie, 
die  die  überlieferten  Gesetze  der  Grammatik  und  des  guten  Geschmacks 
möghchst  unversehrt  erhalten  sollte. 

Unter  seiner  Regierung,  wenn  auch  von  ihm  unabhängig,  tmd  sicher, 
ohne  daß  irgend  jemand  die  ihr  bestimmte  glänzende  Zukunft  voraussehen 
konnte,  wurde  auch  die  erste  in  regelmäßigen  Zwischenräumen  wieder- 
kehrende Zeitung  begründet.  Ein  im  übrigen  unbekannt  gebliebener  Arzt, 
der  jedoch  zweifellos  einer  der  kühnsten  und  erfinderischsten  Köpfe  war, 
die  Frankreich  jemals  hervorgebracht  hat,  Theophraste  Renaudot,  be- 
gründete die  Gazette  de  France  (1631).  Es  war  nur  ein  kleines  imd  auch 
nur  alle  acht  Tage  herausgegebenes  Blatt  von  vier  Seiten.  Ein  damals 
fast  unbemerkt  gebliebener  bescheidener  Anfang  zu  der  gegenwärtigen 
modernen  Presse,  d.  h.  zu  jener  Großmacht,  die  heute  alle  Hoheitsrechte, 
die  es  nur  geben  kann,  an  sich  gerissen  hat. 


Aber  eine  andere  Macht,  die  vielleicht  noch  größer  als  die  Presse  war, 
trat  in  jener  ersten  Hälfte  des  17.  Jahrhunderts  in  die  Erscheinung.  Es 
war  die  Wissenschaft. 

Sie  nahm  nun  sogleich  den  ihr  wesentlichen  Charakter  an,  nämlich 
den  internationalen.  Zu  einer  Zeit,  wo  noch  die  wilden  Gelüste  der  Fürsten 
die  religiösen  Verblendungen  der  Völker  ausbeuten  und  Heere  dazu  treiben, 
sich  gegenseitig  zu  vernichten,  verfolgen  bereits  die  Gelehrten  mit  der 
größten  Geduld  ihr  mühseliges  und  segensreiches  Werk  bis  zu  Ende,  ein 
wahrhaft  erhabenes  Ziel,  zu  dessen  Erreichung  sie  sich  vereinigen  nicht 
nur  in  Gedanken-,  sondern  auch  in  Sprachgemeinschaft!  Das  Lateinische 
bleibt  noch  immer  die  wissenschaftliche  Sprache.  Lehrer  und  Studenten 
!  ziehen  von  einem  Ende  Europas  zum  andern,  von  Universität  zu  Universität, 
um  zu  studieren,  zu  lehren,  zu  forschen  und  die  Grundlagen  für  jene  große 
Republik  der  Wissenschaften  vorzubereiten,  die  eines  Tages  dem  Menschen 
die  Befreiung  dadurch  bringen  soll,  daß  sie  ihn  die  Wahrheit  kennen  lehrt. 

Die  Kunst  hatte  bereits  das   16.  Jahrhundert  vollkommen  umgestaltet. 


Das  Königtum.  217 


Das  17.  Jahrhundert  hat  die  Wissenschaft  erneuert,  und  die  großen  wissen- 
schaftlichen Wahrheiten  der  Neuzeit  stammen  von  damals  her. 

Kepler  in  Deutschland,  Harvey  in  England,  Galilei  in  Italien,  Descartes 
in  Frankreich  sind  es,  die  das  Morgenrot  dieses  neuen  Zeitalters  herb'ei- 
führeji. 

Schon  Kopernikus  (1473— 1543),  ein  Pole,  hatte  die  Sonne  als  den 
Mittelpunkt  der  Welt  angesehen,  und  Tycho  de  Brahe,  ein  Däne  (1546 
bis  1601),  hatte  sogar  bereits  dank  seiner  vollkommenen  Instrumente  wert- 
volle astronomische  Beobachtungen  zu  machen  gewußt.  Aber  der  eigent- 
liche Neuschöpfer  der  Astronomie  war  erst  der  Deutsche  Johann  Kepler 
(1571 — 1630),  der,  auf  seines  Vorgängers  an  der  Prager  Sternwarte,  Tycho 
de  Brahe,  aufgezeichneten  Wahrnehmungen  weiterbauend,  für  diese  Wissen- 
schaft grundlegende  Gesetze  ableitete  und  eine  Theorie  des  Sonnensystems 
aufstellte,  an  der  auch  die  Neueren^  nichts  Wesentliches  mehr  geändert 
haben  *. 

Die  Entdeckungen  dieser  großen  Astronomen  eignete  sich  Galileo  Galilei 
an,  um  sie  beträchtlich  zu  erweitern  und  zu  ergänzen  (1564— 1642).  Zu- 
nächst erfindet  Galilei  das  Himmelsfernrohr  (1610),  das  die  Gegenstände 
dreißigfach  vergrößert  und  die  Mondgebirge,  Sonnenflecken  und  in  ihren 
Achsen  rechnerisch  zu  bestimmenden  kreisförmigen  Planetenbewegungen 
sichtbar  macht.  Ferner  gibt  er  die  mathematische  Theorie  des  Pendels  und 
stellt  er  das  Gesetz  von  der  beschleunigten  Bewegung  der  Himmelskörper 
auf,  um  schließlich  kühn  und  offen  in  Anlehnung  an  Kopernikus  den  Satz 
zu  verfechten,  daß  sich  auch  die  Erde  um  die  Sonne  als  den  Mittelpunkt 
der  Welt  drehe.  Nichts  fehlt  zu  Galileis  Ruhme,  nicht  einmal  die  Ver- 
folgung. Vor  das  heilige  Ketzergericht  der  Inquisition  geladen  wird  dieser 
gefeierte  Greis,  der  der  ganzen  Menschheit  zur  Ehre  gereicht,  aufgefordert, 
seine  Irrlehren  abzuschwören  und  als  Schuldbeladener  in  die  Knie  zu 
sinken.  Die  Verirrung  war  in  der  Tat  schlimmer  Artl  Die  Erde  war  ja 
dann  nui  noch  einer  von  vielen  Planeten  und  nicht  mehr  die  in  der 
Mitte  befindliche  Achse,  um  die  sich  das  weite  Weltall  gruppiert  und  dreht. 

Auch  Frankreich  hat  seinen  Geisteshelden  gehabt;  es  war  das  Ren6 
Descartes.  (1596— 1650).  Keiner  ist  ihm  überlegen,  und  er  ist  den  Größten 
im  Reiche  des  Wissens  ebenbürtig.  Philosoph,  Mathematiker,  Physiker, 
Physiologe,  belebt  er  alles,  war  er  anfaßt,  und  erneuert  er  alle  Wissen- 
schaften. Als  Philosoph  zerstört  er  durch  seine  unerbittliche  Logik  alle 
Widersinnigkeiten   der   Scholastik,   des   Aristotelismus   und   der   Theologie. 


*  Vgl.  Wilhelm  Foerster  in  der  hier  S.  208  angeführten  Abhandlung  S.  14—19- 


21 8  Sechstes  Buch. 


In  seiner  Abhandlung  über  die  Methode  nimmt  er  in  erneuerter  Gestalt  die 
alte  sokratische  Theorie  von  der  Erkenntnis  wieder  auf  und  beweist, 
daß  es  keine  andern  Wahrheiten  gibt  als  die  erwiesenen  oder  an  sich 
augenscheinlichen.  Es  ist  dies  ein  gewagter,  vielleicht  allzu  gewagter  Satz, 
bedeutete  er  doch  nahezu  eine  gänzliche  Leugnung  der  religiösen  Autorität I 

Als  Physiker  gibt  er  eine  klare  und  bestimmte  Theorie  vom  Licht  und 
seiner  Brechung.  Als  Mathematiker  schlägt  er  in  einer  unsterblichen 
kleinen  Schrift  einen  völlig  neuen  Weg  ein  mit  der  Begründung  der 
analytischen  Geometrie  (1637).  Als  Physiologe  gibt  er  ein  ebenso  knappes 
wie  einleuchtendes  Bild  von  der  Reflexwirkung  als  das  alle  Theorie  der 
Nervenbewegung  Beherrschende  und  erfindet  er  das  wunderbare  System 
von  den  Lebensgeisterchen  der  Menschen  und  den  belebten  Maschinen 
der  Tiere,  das  man  verspottet  hat,  anstatt  sich  lieber  zu  bemühen,  es 
zu  verstehen.  ♦ 

Descartes  ist  ebenso  genial  in  seinen  Entdeckungen  wie  in  seinen 
Methoden,  und  so  bedeutend  auch  die  Gelehrten  sein  mögen,  die  ihm 
vorangegangen,  wie  die,  die  ihm  gefolgt  sind,  er  überragt  sie  alle.  Auch 
ihm  hat  die  Verfolgung  nicht  gefehlt,  und  er  hat  sich  nur  dadurch  vor  ihr 
gerettet,  daß  er  freiwillig  in  die  Verbannung  ging,  zuerst  nach  Holland 
und  dann  nach  Schweden,  wo  er  in  jungen  Jahren  starb. 

Descartes  war  nicht  der  einzige,  der  gegen  das  drückende  Joch  der 
Scholastik  ankämpfte.  Der  Engländer  Francis  Bacon,  gen.  Baco  von 
Verulam,  (1561 — 1628)  behauptete  in  seinem  Novum  Organon  (1620)  mit 
großem  Nachdruck,  daß  man,  um  die  Naturgesetze  kennen  zu  lernen,  selber 
forschen  und  experimentieren  müsse,  anstatt  die  Wahrheit  in  dem  Sum- 
marium  des  heihgen  Thomas  von  Aquino  oder  in  den  Schriften  des  Aristo- 
teles zu  suchen. 

Ein  anderer  berühmter  Engländer  WilHam  Harvey  (1578— 1658)  ent- 
deckte damals  im  Jahre  1628  den  Blutkreislauf,  so  wie  ihn  schon  fast  ein 
halbes  Jahrhundert  zuvor  im  Jahre  1543  der  unglückliche  Miguel  Servet 
(Michael  Servetus)  mit  ziemlicher  Klarheit  vorausgesehen  hatte.  Man 
erkannte  damals,  die  wunderbare  Erscheinung  von  dem  Herzen,  das  das 
Blut  in  die  Lungen  treibt,  von  dem  Blute,  das  zum  Herzen  zurück- 
kehrt —  welches  letztere  es  selbst  wieder  in  die  einzelnen  Körperteile  ver- 
teilt —  und  das,  nachdem  es  die  einzelnen  Organe  durchrieselt  hat,  wieder 
durch  die  Adern  ins  Herz  zurückkehrt,  um  dann  von  neuem  in  die 
Lunge  zurückgetrieben  zu  werden.  Es  war  etwa  keine  logische  Geistes- 
verrichtung oder  Gelehrsamkeit,  durch  die  Harvey  diese  großartige  Wahr- 
heit erkannt  hat,  sondern  einzig  und  allein  der  feste  Wille,   die  Erschei- 


Das  Königtum.  3ig 

nungen  der  Natur  durch  ihre  unmittelbare  Beobachtung  zu  erschauen,  ohne 
sich  seinen  Blick  durch  etwaige  später  als  irrig  erkannte  Ansichten 
seiner  Lehrer  trüben  zu  lassen.  Harvey  zeigte  so  durch  sein  lebendes 
Beispiel,  welches  die  Bahnen  seien,  die  in  Zukunft  einzuschlagen  wären, 
um  eine  neue  Wahrheit  zu  erobern;  es  waren  dies  die  Beobachtung  und 
das  Experiment. 

In  diesem  denkwürdigen  Zeitalter  sind  weiter  tmter  den  großen 
Namen  zu  nennen:  Pierre  de  Fermat,  ein  Franzose  (1601 — 1655),  der  die 
von  Viete  eben  erst  geschaffene  Algebra  schon  nach  kurzer  Zeit  auf  eine 
ganz  gewaltige  Höhe  brachte,  Blaise  Pascal,  ebenfalls  ein  Franzose  (1623 
bis  1662),  der  die  Wahrscheinlichkeitsrechnung  ersann,  Evangelista  Torri- 
celli,  ein  Italiener  (1608 — 1647),  der  nachwies,  daß  die  Luft  eine  Schwere 
wie  jeder  sinnlich  wahrnehmbare  Körper  habe,  und  der  das  Barometer 
erfand,  das  die  Schwere  der  Luft  mißt. 

Auch  die  Herrscher  zeigten  für  die  Wissenschaft  Verständnis.  Ein 
Harvey  machte  Vivisektionen  in  Gegenwart  von  König  Karl  I.  Hein- 
rich IV.  begründete  den  Königsgarten  (Jardin  du  Roi),  den  nachmaligen 
Botanischen  Garten  (Jardin  des  Plantes),  zu  dem  er  sich  unter  Ludwig  XV. 
ausgestaltete.  Schwedens  Königin  Christine  nahm  sich  eines  Descartes 
an.    Ein  Cosimo  di  Medici  rettete  einen  Galilei  aus  dem  Gefängnis. 


Nun  bilden  sich  auch  gelehrte  Gesellschaften;  es  werden  Laboratorien 
eröffnet,  besonders  in  Italien;  es  werden  Sternwarten  begründet,  besonders 
in  Deutschland.    Die  endgültige  Thronerhebung  der  Wissenschaft    kündigt 

sich  an. 

*  * 

* 

Die  imumschränkte  Herrschaft,  die  die  Könige  von  Spanien  und  Frank- 
reich sowie  der  Kaiser  von  Deutschland  ihren  Untertanen  aufzuzwingen  so 
trefflich  verstanden  hatten,  ließ  sich  nicht  etwa  ebenso  einfach  dem  eng- 
lischen Volke  mundgerecht  machen.  Mit  jener  weisen  und  stolzen  Zähig- 
keit, von  der  dieses  der  Welt  so  manchesmal  ein  Beispiel  gegeben  hat,  wußte 
es  dem  reaktionären  Absolutismus  erfolgreich  zu  widerstehen.  Seine  Ge- 
schichte in  den  Jahren  zwischen  1603  und  1688,  d.  h.  vom  Tode  der 
Königin  Elisabeth  bis  zur  Thronbesteigimg  Wilhelms  III.,  ist  der  be- 
ständige Kampf  zwischen  einem  Volke,  das  frei  sein  will,  und  Herrschern, 
die  es  knechten  wollen.  Was  dieses  Ringen  so  sehr  verlängert  hat,  ist 
nicht  sowohl  die  Fähigkeit  der  angestammten  Könige,  die  nur  mäßig  war, 


220  Sechstes  Buch. 


als  vielmehr  die  treue  Gesinnung  der  so  fest  an  ihrem  altehrwürdigen 
Herrscherhause  hängenden  Engländer. 

Die  religiöse  Frage  beherrschte  alles.  Die  Engländer,  besonders  aber 
auch  die  Schotten,  waren  mit  ihrer  ganzen  Person  für  die  Reformation  ein- 
getreten. Aber  die  Könige  aus  dem  Hause  Stuart  zeigten  für  die  allgemeine 
Volksstimmung  nun  einmal  kein  Verständnis.  Heimlich  oder  offen  neigten 
sie  zum  Katholizismus,  der  sich  mit  einem  absoluten  Regimente  stets  gut 
zu  stellen  gewußt  hat.  Aber  die  Engländer  des  17.  Jahrhunderts  hatten 
sich  zu  leidenschaftlichen  Reformierten  entwickelt  und  ließen  sich  in  ihrem 
Glauben  zu  einer  solchen  blinden  Unduldsamkeit  hinreißen,  daß  sie  ihrem 
Herrscher  seine  Hingebung  zu  der  verwünschten  papistischen  (katholischen) 
Sekte  nicht  verzeihen  konnten.  Sie  verlangten  nach  Verfolgungen,  Abschwö- 
rungen, Verbannungen.  Und  so  entwickelte  sich  ein  langjähriger,  drei  Viertel 
eines  ganzen  Jahrhunderts  währender  hartnäckiger  Widerstand  gegen  den 
König.  Er  war  in  erster  Reihe  das  Werk  der  in  ihrer  kalten  Verblendung 
so  rücksichtslos  aufrichtigen  Puritaner.  Doch  im  Grunde  stand  das  ganze 
Volk  hinter  ihnen. 

Auf  Elisabeth  war  der  Sohn  der  Maria  Stuart,  Jakob  I.,  gefolgt  (1603). 
Wie  alle  Könige  jener  Zeit,  ließ  er  ausschließlich  das  göttliche  Recht  gelten, 
wonach  die  Völker  um  der  Könige  willen  und  nicht  die  Könige  um  der* 
Völker  willen  da  seien.  Ja,  da  er  ein  großer  Redner  und  ein  scharfsinniger 
Theologe  war,  schwatzte  er  gern  von  der  Lehre  von  den  königlichen  Vor- 
rechten und  ereiferte  er  sich  den  schottischen  Presbyterianern  gegenüber, 
wenn  sich  diese  nicht  seiner  Ansicht  beugen  wollten. 

Um  von  ihrem  Volke  gewisse  Geldmittel  zu  erlangen,  hatte  schon  Maria 
von  Medici  in  Frankreich  die  Landstände  einberufen  müssen;  aus  demselben 
Grunde  berief  in  demselben  Jahre  (161 4)  auch  Jakob  I.  sein  Parlament; 
aber  das  englische  Parlament  zeigte  sich  widerspenstiger  als  die  franzö- 
sischen Landstände.  Es  legte  feierliche  Verwahrung  ein,  aus  der  sich  aber 
der  König  nicht  das  geringste  machte.  Schon  im  Jahre  1621  erfolgte  eine 
neue  Berufung  des  Parlaments;  diesmal  handelte  es  sich  um  eine  ganz 
andere  Angelegenheit.  Jakob  wollte  seinen  Sohn  Karl  an  die  Infantin  von 
Spanien  verheiraten.  Auch  diesmal  legte  das  Parlament  Verwahrung  ein, 
aber    es    wurde    aufgelöst. 

Diese  Ehe  kam  allerdings  nicht  zustande.  Doch  Karl  heiratete  dem 
Parlament  und  der  öffentlichen  Meinung  zum  Trotz  eine  andere  Katholikin: 
Henriette  von  Frankreich,  die  Schwester  Ludwigs  XIII.  Bald  darauf  starb 
sein  Vater,  und  nun  wurde  er  König  von  England  (1625). 

Dieser  Fürst,  dessen  Geschick  ein  so  tragisches  war,  ist  wirklich  ebenso- 


Das  Königtum.  221 


wenig  ein  Bösewicht  wie  ein  Narr  gewesen.  Aber  wenn  es  galt,  fest  zu 
bleiben,  besaß  er  keine  Widerstandskraft,  und  wenn  es  hinwiederum  darauf 
ankam,  Zugeständisse  zu  machen,  wußte  er  umgekehrt  nicht  rechtzeitig 
nachzugeben.  Er  glaubte  seine  englischen  Untertanen  nicht  besser  be- 
handeln zu  brauchen,  als  es  Philipp  II.  mit  seinen  spanischen  getan  hatte. 
Eingebildet  auf  sein  königliches  Geblüt  verharrte  er  gern  in  hochmütigem 
Schweigen,  um  andererseits,  wenn  er  einmal  sprach,  ganz  schamlos  zu  lügen. 

Jedesmal,  wenn  das  Parlament  einberufen  war,  erhob  es  sogleich  zahl- 
reiche Einsprüche  gegen  die  verschiedensten  Regierungshandlungen  des 
Königs  und  besonders  auch  seines  leitenden  Ministers  und  bevorzugten 
Günstlings,  des  jüngeren  George  Villiers,  Herzogs  von  Buckingham.  Zwei- 
mal verlangte  das  Parlament  seine  Entlassung,  doch  erfolglos.  Der  Gegen- 
satz hätte  noch  lange  bestehen  können,  wenn  nicht  Buckingham  durch  die 
Hand  eines  Meuchelmörders  gefallen  wäre. 

Die  Parlamentssitzungen  des  Jahres  1629  verliefen  sehr  stürmisch.  Da 
entschloß  sich  Karl  kurz  und  bündig,  das  Parlament  überhaupt  nicht  mehr 
zusammenzurufen  in  der  Voraussetzung,  daß  dies  das  einfachste  Mittel  sei, 
jeden  Widerstand  desselben  zu  brechen.  Das  Haupt  der  Opposition,  Jones 
Elliot,  ein  bedeutender  und  gewaltiger  Redner,  wurde  ins  Gefängnis  ge- 
worfen, wo  er  bald  starb.  An  Stelle  von  Buckingham  wurde  nun  der  dem 
Könige  treu  ergebene  Thomas  Wentworth,  Herzog  von  Strafford,  Minister. 

Da  versuchte  der  König,  ohne  deshalb  einen  förmlichen  Übertritt  zum 
Katholizismus  zu  vollziehen,  eine  Versöhnung  oder  vielmehr  eine  Wieder- 
versöhnung mit  der  römischen  Kirche.  Eine  derartige  Duldsamkeit  empörte 
die  Puritaner  dermaßen,  daß  sie  sich  durch  Verbreitung  einer  Unzahl 
Tieftiger  Schmähschriften  über  den  König  an  diesem  bitter  rächten.  Sie 
taten  das  allerdings  nicht  ohne  alle  Gefahr;  denn  sie  wurden  dafür  sofort 
an  den  Pranger  gestellt,  sie  selbst  mitsamt  den  Schmähschriften.  In  den 
Jahren  1629  und  1630  schnürten  zweitausend  Menschen  ihr  Bündel,  um  in 
der  Neuen  Welt,  und  zwar  in  Massachusetts,  ein  zweites  Heim  zu  begründen. 
Nächst  einigen  Auswanderern,  die  bereits  zur  Zeit  der  Königin  Elisabeth 
über  das  Weltmeer  gefahren  waren,  wurden  diese  die  ältesten  Bestandteile 
des  schon  in  kurzem  so  gewaltigen  stolzen  Amerikanervolkes.  In  ihrer 
heißen  Frömmigkeit  und  blinden  Gläubigkeit  gingen  sie  nach  Amerika 
hinüber,  nicht  nur,  um  frei  zu  sein,  sondern  auch,  um  ihre  Lehre  auszu- 
breiten. Von  diesen  freiwilligen  Verbannten  mochte  damals  wohl  keiner 
die  ungeheure  Macht  ahnen,  die  ihre  Urenkel  dermaleinst  entfalten  sollten. 

Karls  I.  Unvolkstümhchkeit  wuchs  immer  mehr.  Da  die  von  ihm  ver- 
fügten neuen  Steuern  nicht   von  dem  Parlament  bewilligt  worden  waren, 


222  Sechstes  Buch. 


konnten  sie  als  ungesetzmäßig  angesehen  werden.  John  Hampden,  ein 
Freund  von  Elliot,  sträubte  sich,  sie  zu  bezahlen.  Er  wurde  zwar  von  den 
Richtern  verurteilt,  aber  das  Volk  jauchzte  ihm  zu.  Andere  folgten,  um 
dieselbe  Behandlung  wie  Hampden  zu  erfahren.  Doch  jede  neue  Ver- 
urteilung wurde  von  einer  neuen  Volksbewegung  begleitet.  Jedesmal, 
wenn  ein  Schmähschriftenschreiber  an  den  Pranger  geschleppt  wurde, 
wurde  er  zum  Gegenstand  einer  Huldigung.  Doch  brach  zunächst  noch 
keine  offene  Empörung  aus,  weil  die  Achtung  vor  den  gesetzlichen  Formen, 
sogar  Ungesetzmäßigkeit  gegenüber,  vorläufig  noch  alles  beherrschte. 

Der  wirkliche  Aufruhr  begann  in  Schottland  aus  einem  ganz  gering- 
fügigen Anlasse.  Es  stand  nicht  etwa  ein  ernstes  theologisches  Interesse 
auf  dem  Spiele,  sondern  es  handelte  sich  allein  um  eine  einfache  Frage 
der  äußeren  Gottesdienstordnung.  Der  Erzbischof  von  Canterbury,  William 
Laud,  der_die  ganze  königliche  Gunst  besaß,  beabsichtigte,  den  schottischen 
Presbyterianern  die  englische  Liturgie  aufzuzwingen.  Der  Bischof  von 
Edinburg,  der  die  Neuerung  einzuführen  wagte,  wurde  ausgezischt.  Ein 
Weib,  Jenny  Geddes,  gab  im  Gotteshause  selbst  den  ersten  Anstoß  zur 
Auflehnung.  Die  Masse  rottete  sich  zusammen.  Eine  Art  Volksregierung 
aus  Adligen  und  Priestern  wurde  ernarmt.  Sie  faßte  eine  grundsätzliche 
Erklärung  ab  (Covenant  1638).  Die  Covenanters  beschränkten  sich  aber 
hierauf  nicht,  sondern  brachten  auch  noch  ein  Heer  von  20000  Mann  zu- 
sammen, um,  wenn  es  sein  mußte,  ihr  Recht  auch  mit  Gewalt  verteidigen 
zu  können.  Karl  verfügte  über  keine  Soldaten,  die  er  ihnen  hätte  entgegen- 
stellen können;  so  berief  er  das  Parlament  zusammen  (Mai  1640).  Dieses 
Parlament,  das  schon  nach  wenigen  Tagen  wieder  aufgelöst  wurde,  mußte 
dann  noch  einmal  einberufen  werden  (November  1640).  Es  war  das  Lange 
Parlament,  das  eine  langwierige  und  denkwürdige  Staatsgewalt  ausüben 
sollte. 

Es  bemächtigte  sich  ihrer  auf  der  Stelle,  und  gleich  in  der  ersten 
Sitzung  beschloß  es  nach  eingehender  Erörterung  die  Erhebung  der  An- 
klage gegen  Strafford.  Stolz  und  trotzig  hattd  er  noch  das  Oberhaus 
betreten,  aber  schon  nach  vier  Stunden  mußte  er  bereits  niederknien  und 
sein  Schwert  aushändigen,  um  sich  als  Gefangener  abführen  zu  lassen. 
Diesmal  beging  das  um  die  gesetzlichen  Formen  sonst  so  besorgte  englische 
Parlament  einen  wirklichen  Rechtsbruch;  denn  die  beratende  Gewalt  soll 
nicht  gleichzeitig  die  vollziehende  sein.  Aber  die  ganze  Londoner  Bevölke- 
rung stand  auf  selten  ihres  Parlaments,  und  der  König  verfügte  nicht  mehr 
über  die  geringsten  Streitkräfte. 

Straf ford  wurde  gerichtet,  verurteilt  und  mit  dem  Tode  bestraft.   Ebenso 


Das  Königtum.  223 

Laud.  Zwar  hatte  der  König  auch  keinen  Schatten  von  Macht  mehr,  aber 
er  erfreute  sich  noch  immer  des  altehrwürdigen  Nimbus,  mit  dem  er  nun 
einmal  als  König  umgeben  war,  und  so  trug  das  Parlament  ein  gewisses 
Bedenken,  bis  an  die  äußersten  Grenzen  seiner  Macht  zu  gehen. 

Karl  zeigte  sich  nun  in  der  Tat  den  Ereignissen  vollkommen  im- 
gewachsen.  Anstatt  sich  wieder  frischweg  rückhaltlos  mit  den  gemäßigten 
Dissenters  zu  verbinden,  täuschte  er  sie,  die  ihn  sicher  unterstützt  haben 
würden,  wenn  er  auch  nur  einige  wenige  ehrliche  Zugeständnisse  gemacht 
hätte.  Zwar  nahm  er  sie  zu  Ministern,  verlangte  aber  dann  ohne  sie  und 
sogar  gegen  sie  zu  regieren.  Am  4.  Januar  1642  drang  er  mit  seinen  Leib- 
truppen und  einigen  ihm  treu  gebliebenen  Edelleuten  in  den  Parlamentssaal 
ein  und  machte  fünf  Mitglieder  der  Opposition  namhaft,  die  ihm  ausge- 
liefert werden  sollten;  aber  diese  waren  rechtzeitig  gewarnt  worden  und 
nicht  erschienen.  Sie  hatten  sich  in  irgendeinem  Winkel  Londons  ver- 
borgen und  die   Scherifs    (Gaurichter)   verweigerten  ihre  Ausüeferung. 

Es  blieb  nichts  übrig,  als  sich  dem  Zwange  der  Notwendigkeit  zu  fügen, 
war  doch  die  Londoner  Bevölkerung  in  offenem  Aufruhr.  So  verließ  der 
König  nun  seine  Residenzstadt  in  der  Hoffnung,  bald  wieder  als  Sieger  an 
der  Spitze  eines  gefügigen  Heeres  einziehen  zu  können. 

Zunächst  hatte  er  allerdings  einige  militärische  Erfolge  zu  verzeichnen. 
Auch  fand  er  in  England  und  Irland  einige  Anhänger.  Um  sich  einen 
Anschein  von  Gesetzmäßigkeit  zu  geben,  berief  er  aus  der  Menge  der 
Parlamentsmitglieder  diejenigen,  die  zu  einem  offenen  Aufstand  ihre  Mit- 
hilfe versagt  hatten,  nach  Oxford. 

Aber  schon  erhob  sich  ganz  Schottland  gegen  ihn.  An  der  Spitze  der 
gesamten  puritanischen  Streitmächte  stand  eines  der  jüngeren  Mitglieder 
einer  kleinen  Adelsfamilie,  Oliver  Cromwell,  ein  trotziger  Puritaner,  be- 
geistert von  Gottesfurcht  und  Tapferkeit,  schrecklich  durch  seine  kalte  Ent- 
schlossenheit und  seinen  unbezähmbaren  Tatendrang.  Er  kannte  keine 
Nachsicht,  keine  Gnade,  kein  Erbarmen,  eine  Art  soldatischer  Robespierre, 
ein  Freund  von  Kampf  und  Kanzel,  ein  demokratischer  Edelmann,  der 
sich  mit  Theologen  und  Soldaten  umgab,  ohne  sie  nach  ihrem  Prüfungs- 
zeugnis oder  Wappenschild  zu 'fragen.  Er  scharte  so  Männer  um  sich, 
die  ebenso  leidenschaftliche  Schwärmer  wie  ihr  Führer  waren,  aber  für 
niemanden  leidenschaftlicher  schwärmten  als  für  ihren  Führer  selbst. 

Nach  einigen  anfänglichen  Erfolgen  ließ  er  sich  zum  Generalleutnant 
der  Parlamentstruppen  ernennen  (1644). 

Diese  auf  ihren  Feldherm  wie  auf  ihr  gutes  Recht  vertrauende  be- 
geisterte demokratische  Streitmacht   wurde  mit  den  in  sich  so  gespaltenen. 


224  Sechstes  Buch. 


hohlen  und  vollkommen  abgestumpften  Royalisten  aufs  leichteste  fertig. 
So  erlitt  denn  auch  Karl  bei  Naseby  (1645)  ^i^^  vollkommene  Niederlage, 
bei  der  er  siebentausend  seiner  besten  Soldaten  verlor. 

Nun  begann  für  den  unglücklichen  Herrscher  eine  ebenso  lange  wie 
schmerzliche  Leidenszeit.  Er  flüchtete  sich  nach  Schottland;  aber  die 
Schotten  lieferten  ihn  dem  Parlament  aus,  und  dieses  hielt  ihn  in  einem 
Schlosse  derartig  in  Haft,  daß  man  nicht  recht  wußte,  ob  er  eigentlich 
König  sei  oder  Kriegsgefangener.  Noch  einige  Monate  lang  versuchte  er 
es  damit,  unter  seine  Feinde  Uneinigkeit  bringen,  ja  auch  einen  Cromwell 
durch  schöne  Versprechungen  locken  zu  wollen.  Selbst  aus  den  kleinen 
Meinungsverschiedenheiten,  die  zwischen  Parlament  und  Heer  entstanden 
waren,  glaubte  er  Vorteil  ziehen  und  damit  vielleicht  doch  noch  die  Ober- 
hand gewinnen  zu  können.    So  ging  es  noch  einmal  in  den  Kampf. 

Doch  Cromwells  Heer  war  unbesieglich ! 

Gleichwohl  begann  sein  Führer,  als  ob  er  an  dem  endgültigen  Erfolge 
zu  zweifeln  schien,  bereits  einige  Verhandlungen  anzuknüpfen,  als  ein  auf- 
gefangener Brief  Karls  T.  ihm  die  Doppelzüngigkeit  seines  Gegners  bewies. 
Da  zögerte  er  nicht  länger.  Der  gefangene  Karl  wiu-de  nunmehr  nach 
London  geschafft,  und  als  sich  das  Parlament  weigerte,  ihn  in  Anklage- 
zustand  zu  setzen,  trat  Oberst  Pride  in  den  Sitzungssaal  und  verfügte  mili- 
tärisch oder  mit  anderen  Worten  ohne  Recht  und  Gesetz  die  Ausschließung 
der  Opposition  (Pride  s  purgation).  Selbst  nach  dieser  gründlichen  Säube- 
rung ergab  sich  das  Parlament  nur  ungern  darein,  seinen  König  als  schuldig 
zu  erkennen.  Von  hundertfünfzig  Mitgliedern  waren  nur  vierundsechzig 
anwesend,  und  im  Augenblick  der  Abstimmung  über  die  Schuldfrage  des 
Hochverrats  waren  nur  vierundvierzig  Stimmen  für  Verurteilung  zum  Tode 
gegenüber  achtundzwanzig  von  anderer  Ansicht.  Die  Todesstrafe  wurde 
mit  noch  nicht  einem  Drittel  der  Stimmen  des  Hauses  beschlossen.  Es  war 
das  eine  so  schamlose  Ungesetzmäßigkeit,  daß  im  Grunde  nicht  sowohl 
von  einem  richterlichen  Urteil  die  Rede  sein  konnte  als  vielmehr  von  einem 
begangenen  Verbrechen. 

So  wurde  Karl  L  am  31.  Januar  1649  in  den  Mauern  des  Whitehall- 
gebäudes  enthauptet;  er  starb  mutig  und  zeigte  sich  in  seiner  Todesstunde 
zum   erstenmal   als   wirklicher   König. 

Nun  rief  das  Parlament  die  Republik  aus  (Commonwealth).  Das  Ober- 
haus wurde  abgeschafft,  und  es  blieb  ausschließlich  das  Haus  der  Ge- 
meinen bestehen.  Ein  von  ihm  ernannter  Rat  von  vierzig  Mitgliedern  stellte 
die  Regierungsgewalt  dar. 


Das  Königtum.  225 


Dies  war  der  Abschluß  einer  großen  Umwälzung,  die  durch  ein  Ge- 
misch von  Gewalt  und  Recht  die  Herrschaft  der  Völker  über  die  Könige 
herstellte.  Indessen  war  jene  Umwälzung,  die  es  sich  zur  Aufgabe  gemacht 
hatte,  England,  wenn  nicht  die  vollkommene  politische  Freiheit,  so 
doch  wenigstens  sichere  Bürgschaften  gegen  die  königliche  Übermacht  zu 
erringen,  eigentlich  nur  ein  Triumph  religiöser  Unduldsamkeit. 

Sie  blieb  ausschließlich  auf  England  beschränkt.  Für  die  Verkündung 
der  allgemeinen  Menschenrechte  war  die  Zeit  noch  nicht  reif. 

Wer  hätte  denn  auch  schon  in  dem  Europa  des  Jahres  1650  an  die 
Menschenrechte  denken  sollen?  Frankreich,  Spanien,  Deutschland,  Italien 
waren  sämtlich  leidenschaftlich  monarchisch  und  absolutistisch.  Aber  auch 
England  kannte  noch  nicht  die  wahre  Freiheit.  Selbst  Oliver  Cromwell, 
der  rauhe  Gründer  der  englischen  Republik  vom  Jahre  1649,  war  nur  ein 
sektiererischer  Soldat,  der  für  einen  Unabhängigkeitskampf  der  Völker  kein 
Verständnis  gehabt  hätte. 

Er  hatte  auch  schon  damals  nur  zu  bald  Gelegenheit,  es  zu  zeigen.  Als 
sich  das  Parlament  immer  wieder  aus  eigner  Machtvollkommenheit  von 
Jahr  zu  Jahr  vertagte  in  dem  Bestreben,  dadurch  sein  Dasein  künstlich 
hinauszuschieben  und  seinen  Willen  dauernd  zu  diktieren,  trat  Cromwell 
eines  Tages  stolz  mit  dem  Hut  auf  dem  Kopf  in  die  Sitzung  und  kündigte 
den  Parlamentsmitgliedern  an,  daß  es  nun  endlich  Zeit  sei,  den  Platz  zu 
verlassen  (1653).  Die  lange  Anstrengung  der  Engländer  zur  Erringung 
der  Freiheit  endigte  so  in  der  fluchwürdigsten  Regierungsform,  die  es  nur 
geben  kann,  nämlich  einer  militärischen  und  zugleich  religiösen  Diktatur, 
die  beide  so  abscheuliche  Formen  der  Tyrannei  in  sich  vereinigte. 

Cromwell  hatte  Macht  imd  Ruhm.  Da  stieg  in  ihm  der  Wunsch  auf, 
daß  diese  Macht  und  dieser  Ruhm  auch  in  seinem  Titel  zum  erkennbaren 
Ausdruck  kämen,  und  so  ließ  er  sich  zum  Protektor  ausrufen.  Er  dachte 
sogar  einen  Augenblick  daran,  den  Namen  eines  Königs  anzunehmen,  aber, 
als  ihm  seine  Freunde  dann  wirklich  die  Krone  anboten,  wies  er  sie  zurück, 
ganz,  wie  es  einst  Cäsar  im  Senate  getan  hatte. 

Man  erlebte  damals,  was  man  eines  Tages  mit  einem  andern  sieg- 
reichen Soldaten  wieder  erleben  sollte,  der  noch  größer  als  Cromwell  war: 
die  stolzesten  europäischen  Monarchien,  Spanien,  Frankreich,  Österreich 
und  Schweden,  stritten  sich  um  seine  Unterstützung.  Die  Könige  ver- 
gaßen offenbar  bei  beiden,  daß  sie  Königsmörder  waren. 


15  Richet,  Geschichte  der  Menschheit 


226  Sechstes  Buch. 


Die  westfälischen  Friedensverhandlungen,  die  den  Krieg  zwischen  Frank- 
reich und  dem  Reiche  beendet  hatten,  hatten  nicht  in  gleicher  Weise  ver- 
mocht, den  Krieg  zwischen  Frankreich  und  Spanien  in  seinem  Fortgange 
zu  stören.  Cromwell  fühlte  sich  von  den  geschickten  Liebeswerbungen 
Mazarins  geschmeichelt  und  nahm  für  Frankreich  Partei.  Infolge  der 
Schlacht  bei  den  Dünen,  in  der  die  vereinigten  Franzosen  und  Engländer 
siegreich  waren,  bemächtigte  er  sich  Dünkirchens  und  brachte  es  in 
dauernden  Besitz  seines  Landes  (1658).  Die  enghsche  Flotte  nahm 
den  Spaniern  Jamaika  ab  und  brachte  es  ebenfalls  in  englischen  Besitz. 

Als  Cromwell  starb  (1658),  war  er  allmächtig  nicht  nur  in  England, 
son"3ern  in  der  ganzen  Welt. 

Zwar  hatte  sich  England  für  Cromwell  begeistert,  keineswegs  aber 
für  seine  mihtärische  Regierung.  Ein  Jahr  nach  dem  Tode  des  Protektors 
wurde  daher  ein  Konvent  gewählt,  der  den  Sohn  Karls  L  zurückrief. 
General  Monk,  der  das  eine  der  beiden  puritanischen  Heere  befehligte, 
stellte  sich  auf  die  Seite  der  Anhänger  des  Königs.  Karl  IL  kehrte 
nach  London  zurück,  von  demselben  Pöbel  angejauchzt,  der  sich  um 
das  Schafott  seines  Vaters  gedrängt  hatte. 

Der  neue  König  (1660 — 1685)  war  einsichtig  genug,  zu  erkennen,  daß 
der  Papismus  jedem  Engländer  in  der  Seele  zuwider  sei.  Da  er  nun 
nicht  gerade  wünschte,  den  Weg  in  die  Verbannung  zurückzumachen, 
zeigte  er  sich  äußerlich  als  guter  Anglikaner,  so  sehr  er  im  Innern  als 
echter  Stuart  noch  immer  den  Katholiken  zugetan  sein  mochte.  Den 
Presbyterianern  war  er  anderseits  gar  nicht  hold,  fand  er  sie  doch  lang- 
weilig geschwätzig,  lehrhaft  überhebend,  von  Sittenstrenge  triefend,  mucke- 
risch und  scheinheilig,  und  so  benutzte  er  jede  gute  Gelegenheit,  ihnen 
etwas  Ordentliches  am  Zeuge  zu  flicken.  Aber  die  Sitten  hatten  sich 
gemildert,  und  es  gingen  auch  die  Plackereien  gegen  sie  nicht  über  Haft 
und   Geldstrafen  hinaus. 

Das  erste  von  Karl  II.  einberufene  Parlament  hing  noch  an  ihm  mit 
treuer  Ergebenheit.  Karl  hütete  sich  wohlweislich,  es  nach  Hause  zurück- 
zuschicken. Aber  die  allmählich  erforderlichen  Ergänzungswahlen  änderten 
nach  und  nach  den  dort  herrschenden  Geist  in  einer  Weise,  daß  es 
schließlich  sogar  wagte,  dem  König  offenen  Widerstand  zu  zeigen. 

Was  Karls  IL  Untertanen  am  meisten  ärgerte,  war  seine  nur  schlecht 
verhehlte  geheime  Neigung  für  die  Katholiken.  Nachdem  er  sich  mit 
Ludwig  XIV.  verbunden  hatte,  wollte  er  im  Jahre  1672  den  englischen 
Katholiken  des  Recht  der  freien  Ausübung  ihrer  Religion  verleihen 
(Declaration   of  Indulgence).    Das  -Parlament   antwortete   mit   dem   Vor- 


Das  Königtum.  227 

schlag  eines  gehässigen  Gesetzes,  der  Test  bill  (1663),  die  einem  Katholiken 
jedes  Staatsamt  verschloß.    Karl  gab  nach. 

Er  war  entschlossen,  alles  über  sich  ergehen  zu  lassen,  um  nur  den  '^^>**^ 
Thron  zu  halten.  So  willigte  er  in  die  Heirat  seiner  Nichte,  der  mutmaß- 
lichen Thronerbin,  mit  dem  Prinzen  Wilhelm  III.  von  Oranien,  und  v/eigerte 
sich  auch  ferner  nicht,  mit  Ludwig  XIV.  Krieg  zu  führen.  Ja,  er  erhob 
die  Habeas  corpus  bill  zum  Gesetz,  die  die  persönliche  Freiheit  eines  jeden 
Bürgers  gegen  alle  willkürliche  Verhaftung  schützte.  Die  regelmäßig 
wiederkehrenden  Zeitungen  hatten  sich  inzwischen  ins  unermeßliche  ver- 
mehrt, waren  aber  bisher  der  Zensur  unterworfen  gewesen.  Nun  wurde 
auch  diese  abgeschafft.  So  entriß  das  geduldige  und  beharrliche  englische 
Volk  der  Monarchie  Schritt  für  Schritt  und  Stück  für  Stück  die  sämt- 
lichen Freiheiten,  die  es  brauchte. 

Bei  aller  Nachgiebigkeit  suchte  Karl  noch  immer  ein  paar  Brocken 
der  persönlichen  Gewalt  zurückzugewinnen.  Er  weigerte  sich,  dieses  uner- 
trägliche Parlament  einzuberufen,  das  sich  herausnahm,  seine  privatesten 
Luxusausgaben  nachprüfen  zu  wollen.  Er  wurde  von  den  Tories  (abhorrers 
=  Verächter)  unterstützt  und  von  den  Whigs  (petitioners  =  Bittsteller) 
bekämpft.  Von  diesem  Zeitabschnitt  schreibt  sich  die  Bildung  der  beiden 
großen  politischen  Parteien  Englands  her,  nämlich  der  Tories,  der  An- 
hänger der  Überlieferung,  die  mit  Nachdruck  die  Vorrechte  des  Königs 
und  der  anglikanischen  Hochkirche  vertraten,  und  der  Whigs,  meist 
Presbyterianer,  die  weit  mehr  um  Volksrechte  als  um  Vergünstigungen 
für   den   Herrscher   besorgt   waren. 

Die  letzten  vier  Regierungsjahre  Karls  II.  waren  die  eines  unum- 
schränkten Alleinherrschers.  Das  Volk  war  der  Bürgerkriege  müde  und 
wurde  wieder  mehr  und  mehr  den  monarchischen  Überlieferungen  treu. 
Obwohl  Karl  im  Grunde  eher  ein  Wollüstling  als  ein  Tyrann  zu  nennen 
war,  ließ  er  gleichwohl  seine  Widersacher  gegen  alles  Recht  verurteilen 
und  hinrichten,  unter  andern  Rüssel  und  den  heldenmütigen  Algernon 
Sidney.  Als  er  schließlich  starb  (1685),  bekannte  er  sich  noch  auf  seinem 
Sterbebette  zum  katholischen  Glauben,  dem  er  im  Grunde  seiner  Seele 
ja   niemals   untreu  geworden   war. 

Sein  Bruder  Jakob  II.  (1685 — 1688)  erklärte  sich  ziemlich  unverhohlen 
für  den  Katholizismus.  In  demselben  Augenblick  aber  entstanden  Putsche 
und  Aufstände,  die  streng  geahndet  wurden.  Ein  so  hervorragender  Richter 
wie  der  berüchtigte  George  Jeffreys  überließ  sich  einer  wahren  Orgie  von 
Hinrichtungen,  die  ein  blutiger  Hohn  auf  alle  Rechtsprechung  waren. 
Jetzt  fühlte  sich  Jakob  seines  Heeres  sicher  und  trug  seine  Vorhebe  für 

15* 


)28  Sechstes  Buch. 


die  katholische  Religion  ganz  offen  zur  Schau.  Das  Beispiel  Ludwigs  XIV., 
dem  es  gelungen  war,  in  Frankreich  die  unumschränkte  monarchische 
Regierung  für  lange  Zeit  fest  zu  begründen,  blendete  ihn.  Er  veröffent- 
lichte eine  Declaration  of  Indulgence  (Duldsamkeitserklärung),  d.  h.  er 
sprach  den  Katholiken  das  Recht  zu,  wieder  Katholiken  werden  zu  dürfen. 
An  sich  kann  gar  nichts  gerechter  sein,  aber  in  Wirklichkeit  bedeutete 
das  nichts  anderes  als  die  Rückkehr  zu  einer  verabscheuten  Religion! 
Da  gaben  die  Bischöfe,  die  Edelleute,  der  Pöbel,  ja  sogar  auch  die  Soldaten 
die  königliche  Sache  preis.  Alle  diese  unzufriedenen  Elemente  riefen,  in 
dem  Bestreben,  den  Grundsatz  der  erblichen  Monarchie,  und  wäre  es  auch 
nur  in  der  Einbildung,  aufrechtzuerhalten,  Wilhelm  von  Oranien,  den 
Schwiegersohn  des  Königs,  aus  den  Niederlanden  hinüber.  Höchsterfreut 
leistete  dieser  ihnen  bereitwilligst  Folge.  Er  schiffte  sich  mit  einem 
holländischen  Heere  von  vierzehntausend  Mann  nach  England  ein  (5.  No- 
vember 1688).  Doch  es  bedurfte  keiner  Gewalt.  Die  königlichen  Truppen 
gaben  jeden  Widerstand  auf  und  zerstreuten  sich  ohne  Zucht  und  Ordnung. 
Jakob  ergriff  die  Flucht  und  warf,  als  er  an  der  Themse  vorbeikam,  sein 
königliches  Siegel  in  den  Fluß,  gleich  als  ob  er  hoffte,  durch  diese  Kinderei 
die  Regierungsakte  des  Mannes,  der  ihn  vom  Throne  verdrängt  hatte, 
dadurch   in   ihrer   Gesamtheit   ungültig   machen   zu   können. 

Er  flüchtete  sich  nach  Frankreich  zu  Ludwig  XIV.,  den  er  unbedachter- 
weise zum  Muster  genommen  hatte.  Mit  ihm  stirbt  das  Haus  der  Stuarts 
aus.  Trotz  glänzender  und  bisweilen  außerordentlich  einnehmender  Eigen- 
schaften waren  sie  nicht  nur  ohnmächtige  Schwächlinge,  sondern  auch 
kurzsichtige  Toren. 

iDamit,  daß  England  Wilhelm  III.  von  Oranien  zum  Herrscher  wählte, 
setzte  es  die  monarchische  Überlieferung  fort.  Aber  der  neue  König 
mußte  auf  die  Bedingungen  eingehen,  die  ihm  bei  seiner  Krönung  auf- 
erlegt wurden.  Keine  Truppen  können  ausgehoben,  keine  Steuern  verein- 
nahmt werden  ohne  ein  von  beiden  Kammern  angenommenes  Gesetz; 
jeder  Bürger  hat  das  Recht,  von  ordentlichen  Gerichten  abgeurteilt  zu 
werden.  Das  Parlament  ist  immer  wieder  zusammenzuberufen,  und  die 
Wahlen  müssen  freie  sein  (Bill  of  Rights  =  Verzeichnis  der  Rechte  1688). 
In  der  Tat  auf  allen  Seiten  von  einem  unerbittlich  monarchischen 
Europa  umgeben,  erkämpfte  das  englische  Inselvolk  gleichwohl  seine 
Freiheiten.  Es  hatte  sie  durch  seine  zähe  und  unwiderstehliche  Ausdauer 
wohlverdient    (13.    Februar    1689). 


Das  Königtum.  229 


Wohl  war  noch  vor  England  ein  anderes  Land,  ein  kleines  Ländchen, 
das  sich  selbst  in  manchen  Gefahren  und  schweren  Nöten  bewährt  hatte, 
die  Zuflucht  und  das  Obdach  des  freien  Gedankens  geworden.  Republi- 
kanisch in  dem  despotischen  Europa,  war  das  holländische  Volk  durch 
die  beiden  wichtigsten  Tugenden,  die  ein  Volk  haben  kann,  durch  Unab- 
hängigkeit und  Beharrlichkeit,  zu  einer  glänzenden  Blüte  auf  wirtschaft- 
lichem  wie   auf   geistigem   Gebiete   gelangt. 

Die  Utrechter  Union  (1579)  hatte  eine  Bundesrepublik  unter  dem 
Namen  „Die  Vereinigten  Provinzen  der  Niederlande"  geschaffen,  die 
aus  sieben  Staaten  bestanden:  Holland,  Zeeland,  Geldern,  Utrecht,  Fries- 
land, Oberyssel  und  Groningen.  Holland  war  für  sich  allein  ebenso  reich 
und  auch  ebenso  bevölkert  wie  alle  andern  Provinzen  zusammengenommen; 
es  umfaßte  die  Städte  Amsterdam,  Rotterdam,  Leyden,  Haarlem  und  Delft. 
So  entstana  gleich  von  Anfang  an  ein  Gegensatz  zwischen  dem  Regierungs- 
vertreter Hollands  (Ratspensionär)  und  denen  der  andern  Staaten  {Stad- 
houders). 

Die  Stadhouders,  die  immer  aus  der  Familie  Oranien  oder  Nassau  zu 
wählen  waren,  bildeten  das  aristokratische,  in  Religionssachen  unduldsame, 
dem  Einheitsstaate  zustrebende  und  militärische  Element,  die  Vertreter 
von  Holland,  die  anderseits  wenig  Verlangen  nach  Krieg  trugen,  sondern 
weit  mehr  um  den  nationalen  Wohlstand  besorgt  waren  und  an  den  Frei- 
heiten und  Rechten  der  einzelnen  Gemeinwesen  hingen,  das  republikanische 
und  bundesstaatliche,  politisch  duldsame  Element.  Aus  so  hervorragenden 
Männern  sie  auch  beiderseits  bestanden,  und  so  warm  sie  auch  beiderseits 
ihr  Vaterland  liebten,  so  konnten  sie  doch  untereinander  zu  keiner  rechten 
Verständigung  kommen.  Moritz  von  Nassau,  der  Stadhouder,  und  Barne- 
velt,  der  Ratspensionär  von  Holland,  die  vordem  in  dem  rühmlichen  Kampfe 
der  Niederlande  gegen  die  spanische  Zwingherrschaft  so  einig  zusammen- 
gehalten hatten,  bekämpften  sich  schon  nach  dem  Siege  gegenseitig,  wobei 
sich  ein  Akt  schmählichster  Ehrlosigkeit  abspielte.  Nach  einem  scheinbaren 
Bürgerkriege  wurde  Barneveit  das  Opfer  eines  Justizmordes  durch  Moritz 
von   Nassau   (161 9). 

Dieses  Verbrechen  hob  die  Macht  der  Moritz  von  Nassau  folgenden 
Stadhouders  noch  um  ein  beträchtliches.  Sie  wurden  zu  halben  Herrschern 
(1620 — 1650). 

Beim  Tode  Wilhelms  H.  von  Nassau,  der  nur  ein  einziges  Kind  in 
zartestem  Alter  hinterließ,  schöpfte  die  holländische  Partei  neuen  Mut, 
und  die  Gewalt  ging  in  die  Hände  des  Jan  de  Witt,  des  Ratspensionärs 
von    Holland,    über.    Jan    de    Witt    war    ein    rechtschaffener,    fähiger   und 


230  Sechstes  Buch. 


arbeitsfreudiger  Staatsmann.  Er  wollte  sowohl  für  die  eigene  Person 
wie  für  das  ganze  Land  von  allem,  was  nur  im  entferntesten  einem  fürst- 
lichen Hofgepränge  ähnlich  sah,  nichts  wissen.  Er  suchte  seine  Volks- 
genossen nicht  in  die  großen  Kriege  hineinzuziehen  und  auch  nicht  Heere 
für  militärische  Unternehmungen,  seien  sie,  welche  sie  wollen,  zu  sammeln. 
Er  liebte  Freiheit  und  Gerechtigkeit.  Er  paßte  noch  nicht  in  seine  Zeit 
und   wohl    auch   noch   nicht   in    die   unsere. 

Von  räuberischen  Nachbarn  umgeben,  verfügte  er  auf  diese  Weise 
über  keine  bewaffnete  Macht  zu  seinem  Schutze.  Als  daher  Ludwig  XIV. 
im  Jahre  1672  das  traurige  Verbrechen,  aber  gleichzeitig  den  schweren 
Fehler  beging,  die  Vereinigten  Provinzen  der  Niederlande  feindlich  zu 
überfallen,  war  das  feindliche  Land  vollkommen  wehrlos.  Der  Pöbel, 
der  im  Haag  gerade  ebenso  erbärmlich  ist  wie  irgendwo  sonst  in  der 
Welt,  machte  Jan  de  Witt  für  den  Überfall  verantwortlich  und  riß  ihn 
mitsamt  seinem  Bruder  Cornelius  bei  einem  Straßenauflauf  buchstäblich 
in   Stücke. 

Nun  wurde  in  Holland  der  alleinige  Herr  der  Lage  Wilhelm  III.  von 
Oranien-Nassau.  Da  es  aber  jetzt  die  wichtigste  Aufgabe  war,  dem  feind- 
lichen Überfall  aus  dem  Auslande  mit  Erfolg  entgegentreten  zu  können, 
ließ  er  sich  die  Machtvollkommenheiten  eines  Herrschers  und  eine  Militär- 
diktatur  übertragen. 

Die  Holländer  zeigten  sich  wahrhaft  heldenmütig.  Ehe  sie  sich  ergaben, 
setzten  sie  lieber  ihr  ganzes  Land  unter  Wasser.  Die  Deiche,  durch  die 
das  Meer  zurückgehalten  wurde,  wurden  nunmehr  geöffnet,  und  Holland 
versank  in  den  überschwemmenden  Fluten.  Wie  Napoleon  I.  später  vor  dem 
hereinbrechenden  Winter,  so  mußte  Ludwig  XIV.  damals  vor  dem  herein- 
brechenden  Meere   zurückweichen    (1673). 

Europa  raffte  sich  nun  gemeinsam  auf,  war  doch  ein  Herrscher  da, 
den  alle  Völker  fürchteten.  Ein  gewaltiges  Bündnis  wuchs  bedrohlich 
empor  gegen  den  König  von  Frankreich.  Es  verbanden  sich  gegen  Lud- 
wig XIV.  Kaiser  Leopold  I.,  Spanien,  England,  Dänemark.  Aber  die  Seele 
dieses  Bundes  war  Wilhelm  III.  von  Nassau.  Nach  Verlauf  von  sechs 
Jahren  wurde  schließlich  der  Friede  von  Nymwegen  geschlossen  (1678).  Die 
Vereinigten  Provinzen  der  Niederlande  erlitten  an  ihrem  Gebiet  auch  nicht 
den  geringsten  Verlust. 

Jetzt  wurde  die  Volkstümlichkeit  Wilhelms  eine  so  große,  daß  er  bis 
zu  seinem  Tode  (1702)  in  dieser  Bundesrepublik  auch  in  den  nun  folgenden 
Friedenszeiten  weiter  gerade  so  der  unumschränkte  Herrscher  blieb,  wie 
er  es  während  des  Krieges  gewesen  war.    Ja,  auch  noch  als  er  zum  König 


Das  Königtum.  23  1 


von  England  berufen  wurde  (1688),  fuhr  er  ruhig  fort,  Holland  wie  ein  erb- 
licher König  zu  regieren,  zu  einer  Zeit,  wo  umgekehrt  seine  Gewalt  über  das 
englische   Volk   im   Grunde   nicht   größer   als   die    eines    Stadhouder   war. 

Aber  die  Geschichte  der  Vereinigten  Provinzen  der  Niederlande  liegt 
nicht  sowohl  in  den  Kriegen  als  in  der  großartigen  kolonialen  Entwicklung 
des  holländischen  Volkes. 

Wir  hatten  gesehen,  daß  die  Portugiesen  die  ersten  waren,  die  das 
Kap  der  Guten  Hoffnung  umfahren  und  in  Ostindien  Handelsnieder- 
lassungen begründet  hatten.  Als  nun  Portugal  Spanien  untertänig  wurde, 
hielten  es  die  Könige  von  Spanien  unter  ihrer  Würde,  sich  um  diese 
Faktoreien  zu  kümmern,  und  so  kam  es,  daß  sie  sie  schließUch  fast  ganz 
vergaßen.  Da  bemächtigten  sich  ihrer  die  Holländer,  die  mit  den  Spaniern 
in  beständigem  Kriege  lebten.  Sie  gründeten  eine  ostindische  Gesellschaft, 
die  ohne  jeden  Schwertstreich  die  Handelshäfen  für  sich  mit  Beschlag 
belegte  und  das  Kap  der  Guten  Hoffnung  besiedelte.  Die  biederen  süd- 
afrikanischen Buren  sind  die  Nachkommen  dieser  ersten  Ansiedler.  Sie 
besetzten  auch  die  Insel  Ceylon,  die  sie  später  an  England  abtreten 
mußten,  und  ließen  sich  auf  den  Sundainseln  und  Java  nieder,  die  zu 
den  reichsten  Strichen  der  Erde  gehören,  und  die  sie  noch  heute  besitzen. 
Jetzt  riefen  sie  auch  noch  eine  westindische  Gesellschaft  ins  Leben,  die 
Neu-Amsterdam  begründete,  aus  dem  später  New  York  hervorging,  und 
einen  Teil  von  Guyana  und  einige  der  Antilleninseln  besiedelte.  Zum 
Schutz  für  ihre  riesige  Handelsflotte  rüsteten  sie  zwar  langsam,  aber  beharr- 
lich, so  recht  ihrer  ruhigen  und  zähen  Art  entsprechend,  eine  prächtige 
Kriegsflotte  aus,  die  im  17.  Jahrhundert  vorübergehend  die  erste  der 
Welt  war;  es  war  dies  zu  der  Zeit,  wo  die  Große  Armada  Spaniens  als  ein 
Opfer  des  Sturmes  in  den  Wellen  untergegangen  war  und  die  englische 
Seemacht  kaum  in  ihren  ersten  Anfängen  stand. 

Daraus  erwuchs  natürlich  den  Niederlanden  ein  großer  Reichtum.  Zu 
gleicher  Zeit  entwickelten  sich  dort  blühende  Industrien.  Die  Vertreibung 
der  Kalvinisten  aus  Brüssel  und  Antwerpen  und  später  nach  der  Wider- 
rufung des  Ediktes  von  Nantes  die  der  französischen  Protestanten  aus 
ihrem  Vaterlande  zog  eine  Auswahl  von  schöngeistigen  Gelehrten  und 
Edelleuten  und  auch  von  Handwerkern  und  Künstlern  heran. 

Mit  Reichtum  und  Freiheit  verfeinerte  sich  weiter  die  geistige  Kultur 
des  Landes.  An  Druckereien  gab  es  unzählige  und  glänzende.  Leyden 
ist  im  17.  Jahrhundert  einer  der  Hauptmittelpunkte  der  Erzeugung  von 
literarischen  und  wissenschaftlichen  Gütern  gewesen.  Viele  französische 
Werke,  die  in  Paris  nicht  hätten  zur  Ausgabe  kommen  dürfen,  sind  dort 


232  Sechstes  Buch. 


erschienen.  An  die  liolländischen  Universitäten  bekamen  die  hervorragenden 
Gelehrten  aller  Länder  Rufe.  Alle  die  Männer,  die  sich  ihre  Freiheit  im 
Denken  und  Schreiben  bewahren  wollten,  kamen  nach  Holland.  Descartes 
hat  dort  mehrere  Jahre  zugebracht.  Der  portugiesische  Jude  Spinoza 
lebte  in  Amsterdam  (1632— 1677).  Pierre  Bayle  (1647 — 1706),  der  kühne 
Apostel  der  Duldsamkeit  und  Vorläufer  der  Enzyklopädie,  flüchtete  sich 
nach  Rotterdam.  Die  Optiker  von  Amsterdam  können  auf  den  Ruhm 
Anspruch  machen,  die  Linsengläser  ersonnen  zu  haben.  Huyghens,  der 
große  Physiker  (1629 — 1695),  und  Leuwenhoeck  (1632 — 1723),  der  die 
ersten  mikroskopischen  Beobachtungen  machte,  waren  Holländer. 

Besonders  aber  in  der  Malerei  nehmen  die  Holländer  den  ersten  Platz 
ein.  Das  Land  eines  van  Eyck  (1375 — 1440),  des  Vaters  der  modernen 
Malerei,  war  das  so  mancher  gewaltiger  Künstler,  deren  Namen  keinen 
geringeren  Klang  haben  als  die  eines  Raffael,  Tizian,  Velasquez.  Die  Maler 
der  flämischen  Schule  des  17.  Jahrhunderts  sind  nicht  zu  zählen  und  ganz 
auserlesene.  Rubens  (1577 — 1640)  ist  der  große  Farbenkünstler.  Er  hat 
sich  auf  allen  Gebieten  der  Malerei  ausgezeichnet,  und  seine  Fruchtbarkeit 
war  eine  so  erstaunliche,  daß  es  in  Europa  auch  nicht  ein  einziges  Museum 
gibt,  das  nicht  von  diesem  Künstler  eine  Reihe  fesselnder  Gemälde,  ja 
sogar  einzelne  Meisterwerke  besäße.  Rembrandt  (1606 — 1669),  der  vielleicht 
noch  höher  als  Rubens  steht,  ist  unter  den  Malern  der  gewaltigste 
und  tiefste;  seine  Personen  haben  alle  eine  wirkliche  Seele,  und  er  ist  nicht 
bloß  glänzender  Farbenkünstler,  sondern  auch  eindringender  Psychologe. 
Auch  Meister,  wie  van  Dyck,  Ruysdael,  Franz  Hals,  Teniers,  Potter, 
Jordaens,  Jan  Steen,  Snyders,  Metzu,  Hobbema,  sind  aus  dieser  die  all- 
gemeine Bewunderung  erregenden  und  im  hellsten  Lichte  erstrahlenden 
Schule  hervorgegangen.  Das  kleine  niederländische  Völkchen  hat  in  jenem 
Jahrhundert  für  die  Malerei  mehr  geleistet  als  alle  übrigen  europäischen 
Völker  zusammengenommen.  Wenn,  was  trotz  alledem  nicht  ausgeschlossen 
ist,  die  Malkunst  eines  Tages  neue  Verfahrungsweisen  erfinden  sollte, 
so  ist  gleichwohl  nicht  recht  einzusehen,  wie  die  Maler  der  Zukunft  mehr 
Poesie  mit  ebensoviel  Wahrheit  zu  vereinen  imstande  sein  werden. 


In  der  zweiten  Hälfte  des  17.  Jahrhunderts  überragt  unter  der  Regierung 
Ludwigs  XIV.  das  geistige  Leben  Frankreichs  das  aller  übrigen  euro- 
päischen Völker,  das  sich  in  allen  seinen  Verzweigungen  bald  innig 
jenem  vereinen  und  in  ihm  aufgehen  sollte.    Die  Vorherrschaft,  die  bisher 


Das  Königtum.  233 

Karl  V.  und  seine  Nachfolger  für  Spanien  erstrebt  und  beinahe  eroTjert 
hatten,  sollte  jetzt  Frankreich  antreten  und  festhalten. 

Die  glänzende  Regierung  Ludwigs  XIV,  (1643 — ^7^5)>  eine  der  längsten, 
die  in  der  Geschichte  zu  verzeichnen  sind,  ist  für  das  französische  Volk 
gleichzeitig  eine  der  ruhmreichsten  und  der  traurigsten,  eine  der  frucht- 
barsten und  der  schändlichsten. 

Beim  Tode  Ludwigs  Xlll.  war  sein  Sohn  Ludwig  XIV.  noch  nicht  fünf 
Jahre  alt.  Die  Regentschaft  wurde  durch  das  Parlament  zu  Paris  an  die 
Mutter  des  erst  so  jugendlichen  Königs,  Anna  von  Österreich,  übertragen, 
die  auch  nicht  die  geringsten  staatsmännischen  Fähigkeiten  hatte.  Nebenbei 
gesagt  sind  alle  diese  aus  dem  Auslande  stammenden  Fürstinnen  von  Frank- 
reich, von  Isabella  von  Bayern  an  bis  zur  Gemahlin  Napoleons  III.,  Eugenie 
von  Montijo,  der  Politik  ihres  Gatten  bzw.  Sohnes  ausnahmslos  verhängnis- 
voll gewesen.  Erfreulicherweise  ahmte  Anna  von  Österreich  keiner  der 
beiden  Mediceerinnen,  weder  Katharina  noch  Maria,  nach;  sie  nahm  sich 
als  Ratgeber  und  Minister  einen  der  fähigsten  Männer,  die  die  Geschäfte 
eines  großen  Landes  geführt  haben,  denselben,  den  der  sterbende  Richelieu 
Ludwig  XIII.  empfohlen  hatte:  den  Kardinal  von  Mazarin. 

Diese  gleichzeitige  Regierung  von  zwei  Ausländern,  einem  Italiener 
und  einer  Österreicherin,  war  natürlich  sofort  sehr  unvolkstümlich;  doch 
das  kümmerte  Mazarin  wenig.  Er  liebte  die  Macht  in  ihren  greifbaren 
persönlichen  Vorteilen  viel  zu  sehr,  um  sich  nicht  über  die  kleinen  Stiche- 
leien, Spottlieder  und  Schmähschriften,  die  vollständig  an  ihm  abprallten, 
hinwegzusetzen.  So  benutzte  er  seine  Stellung,  um  auf  Kosten  der  Staats- 
kasse seine  eigne  Person  zu  bereichern  und  seine  Nichten  verschwenderisch 
auszustatten.  Aber  so  schwach  auch  sein  Gefühl  für  persönliche  Würde 
entwickelt  war,  ebenso  stark  war  auch  seine  Sorge  für  die  Würde  des  ge- 
samten Frankreichs.  Er  hat  in  der  Tat  den  Ruhm:  allen  Hindernissen 
zum  Trotze,  die  ihm  Menschen  und  Dinge  in  den  Weg  legten,  das  große 
Werk  Richelieus  fortgesetzt  zu  haben  (1643 — 1661). 

Die  ersten  Jahre  dieser  Regierung  wurden  durch  nicht  endenwollende 
Meinungsverschiedenheiten  zwischen  dem  Minister  des  Königs  und  dem 
Parlamente  gestört.  In  diesem  Streite  sah  sich  Mazarin  nach  und  nach 
von  aller  Welt  verlassen;  die  Parlamentarier  erhoben  Einwendungen;  die 
Bürger  wollten  nicht  fortwährend  neue  Steuern  bezahlen,  in  deren  Ersin- 
nung die  fruchtbare  Erfindungskunst  des  Kardinals,  ohne  auch  nur  irgend- 
welche Anstandsfrist  zu  gewähren,  unerschöpflich  war;  das  Volk  litt 
Hunger;  die  Edelleute  dürsteten  nach  Rache  für  die  Abhängigkeit,  in 
der  sie  bereits  RicheUeu  gehalten  hatte;  die  vornehmen  Damen  des  Hofes 


234  Sechstes  Buch. 


und  des  Adels  waren  feindlich  gesinnt,  und  die  Entwicklung  der  Literatur 
wie  das  Eindringen  spanischer  Ritterlichkeit  verlieh  ihnen  eine  wachsende, 
bisweilen  etwas  übertriebene  Bedeutung.  Aus  dem  Zusammenwirken  aller 
dieser   Mißstimmungen   entstand  die   Fronde    (1648). 

Der  Augenblick  war  schlecht  gewählt;  denn  Cond6  hatte  eben  über 
die  Spanier  den  Sieg  bei  Lens  davongetragen  (1648).  Die  Pariser  Bevöl- 
kerung baute  Barrikaden,  und  der  kleine  König  mußte  nach  Saint-Germain 
fortgebracht    werden. 

Kurze  Zeit  nachher  unterzeichnete  Mazarin  die  Westfälischen  Friedens- 
verhandlungen, die  Frankreich  das  Elsaß  und  einen  Teil  Lothringens 
einbrachten.  Doch  dieser  diplomatische  Sieg  kümmerte  die  Fürsten  wenig. 
Die  heilige  Vorstellung  vom  Vaterlande,  wie  wir  sie  uns  heute  bilden, 
war  damals  noch  etwas  vollkommen  Unbekanntes,  ganz  besonders  auch 
beim  Adel.  Das  wird  so  recht  deutlich  an  Conde,  dem  glänzenden  Sieger 
von  Rocroy  und  Lens,  der  den  französischen  königlichen  Dienst  verließ, 
um  den  Oberbefehl  über  das  spanische  Heer  zu  übernehmen  (1651). 
Ihm  schlössen  sich  der  Kardinal  von  Retz,  ein  ebenso  aufrührerischer 
Hetzer  wie  prächtiger,  wenn  auch  stellenweise  nur  allzuleicht  mißverständ- 
licher Schriftsteller,  der  Herzog  von  Nemours,  der  Herzog  von  La  Roche- 
foucauld, der  Herzog  von  Rohan,  Frau  von  Longueville  an,  lauter  Namen, 
die  zu  den  ersten  Frankreichs  gehören.  Die  Fronde  dieser  hohen  Herr- 
schaften verband  sich  mit  der  Fronde  des  Volkes. 

Doch  eine  so  eigenartige  Verbindung  konnte  keinen  langen  Bestand 
haben.  Die  Pariser  wurden  schnell  Cond6s  müde  und  riefen  schließhch  den 
König   zurück   (1652). 

Ohne  die  Unterstützung  von  Paris  konnte  sich  Conde  nicht  halten. 
Er  wurde  bei  Stenay  von  einem  Feldherrn  besiegt,  der  ebenso  bedeutend 
wie  er,  aber  der  Partei  des   Königs  treugeblieben  war,  nämlich  Turenne. 

Das  Bündnis  mit  Cromwell  verschaffte  Mazarin  neuen  Einfluß.  In 
der  Schlacht  bei  den  Dünen  (1658)  wurde  das  spanische  Heer,  das  jetzt 
unter  dem  Oberbefehl  Condes  stand,  völlig  vernichtet,  so  daß  Spanien 
um  Frieden  bitten  mußte;  der  Pyrenäische  Friedensvertrag  (1658)  war 
Frankieich  sehr  günstig;  es  gewann  das  Artois  und  Roussillon  wiedsr. 
Der  junge  König  von  Frankreich  wurde  dazu  verurteilt,  die  Tochter  des 
Königs  von  Spanien  zu  heiraten.  Diesmal  hatte  Mazarin  einmal  wirkliche 
Seelengröße  bewiesen,  wenn  er  sich  der  Ehe  seiner  Nichte  Maria  Mancini 
mit    Ludwig   XIV.,    der   sie   liebte,    widersetzte. 

Bald  nachher  starb  der  große  Staatsmann  (1661).  Es  ist  ihm  schon 
zu  verzeihen,  wenn  er  für  sich  im  Dienste  Frankreichs  so  märchenhafte 


Das  Königtum.  236 


Reichtümer  aufgehäuft  hat  —  er  hat  sie  übrigens  mit  seinem  Tode  dem 
Lande  zurückerstattet  — ,  hat  er  doch  umgekehrt  Frankreich  durch  den 
Westfälischen  und  den  Pyrenäischen  Friedensschluß  seine  natürlichen 
Grenzen  zu  verschaffen  und  Spanien  und  Österreich,  jene  beiden  unver- 
söhnlichen Gegner  des  französischen  Volkes,  die  bei  allen  sonstigen  Gegen- 
sätzen  gegen   dieses   stets    einig   gewesen   waren,    zu   trennen   verstanden. 

Machen  wir  uns  klar,  welches  in  dem  Augenblick,  wo  das  Frankreich 
Ludwigs  XIV.  in  die  Erscheinung  tritt,  die  Lage  der  verschiedenen  euro- 
päischen Völker  gewesen  ist. 

Das  durch  fortwährende  Kriege  zerrüttete  Spanien  war  entvölkert  und 
in  kläglichem  Zustande,  seine  Seemacht  fast  völlig  vernichtet,  sein  Handel 
zerstört,  und  allein  obenauf  —  seine  Inquisition.  Es  hatte  auch  schon 
Portugal  wieder  verloren,  das  sich  erhoben  und  endgültig  von  ihm  getrennt 
hatte.  Sein  ausschweifender,  fauler  imd  verschwendungssüchtiger  König 
Philipp  IV.  sah  dem  Sturze  seines  Reiches  von  der  Höhe  seiner  Weltstellung 
lächelnd  zu  (1621 — 1665).  Sein  verkrüppelter,  anfälliger  und  schwächlicher 
Nachfolger  Karl  sollte  auch  nicht  glücklicher  oder  fähiger  sein. 

Italien  war  zerstückelt;  aber  schon  die  Herzöge  von  Savoyen  gründeten 
sich  dank  ihrer  militärischen  und  politischen  Fähigkeiten  in  Oberitahen 
eine  Macht.  Alle  Regierungen  erstrebten  ein  Bündnis  mit  ihnen;  sie  aber 
stellten  sich  je  nach  ihren  einseitigsten  dynastischen  Interessen  einmal 
auf  die  Seite  der  Franzosen  und  dann  wieder  auf  die  Seite  der  Kaiserlichen 
oder  auch  der  Spanier.  Die  Republiken  Genua  und  Venedig,  so  mächtig 
sie  auch  noch  immer  sein  mochten,  fühlten  gleichwohl  schon  ihre  Kräfte 
etwas  erlahmen,  beherrschten  doch  jetzt  die  englischen,  französischen 
und  besonders  auch  holländischen  Schiffe  ganz  überwiegend  die  Meere, 
die  früher  fast  ausschließlich  sie  allein  beherrscht  hatten.  Das  ganze 
übrige  Italien  war  in  einem  wahren  Jammerzustande.  Die  spanische 
Herrschaft  lastete  schwer  auf  Neapel,  Sizilien,  Sardinien  und  der  Lombardei. 
In  den  Kirchenstaaten  war  die  Räuberei  ganz  an  der  Tagesordnung  und 
wurde  von  vornehmen  Herren  betrieben,  wie  den  Orsini,  den  Colonna, 
den  Sciarra,  die  noch  räuberischer  waren  als  die  Landstreicher,  die  die 
Fluren  beunruhigten.  Die  Herzöge  von  Toskana,  Mantua  und  Ferrara 
waren  traurige  Herren,  die,  genußsüchtig  und  goldgierig,  ganz  und  gar 
auf  die  spanische  Politik  eingeschworen  waren. 

Deutschland  war  kaum  glücklicher.  Kaiser  Leopold  L,  ein  schwankender 
und  schlaffer  Charakter  (1658 — 1705),  besaß  kaum  noch  eine  nennenswerte 
Macht  über  die  nichtösterreichischen  deutschen  Staaten.  Unter  ihnen 
schien  Brandenburg  mittlerweile  der  mächtigste  werden  zu  sollen.   Friedrich 


236  Sechstes  Buch. 


Wilhelm  von  Brandenburg,  der  Große  Kurfürst  benannt  (1640 — 1688), 
bewährte  sich  in  Friedens-  wie  in  Kriegszeiten  als  ein  äußerst  fähiger 
Fürst,  Nach  einem  gemeinschaftlichen  glänzenden  Siege  über  die  polnischen 
Heere  hielt  er  im  Jahre  1656  zusammen  mit  dem  Schwedenkönig  Karl  X. 
einen  feierhchen  Einzug  in  Warschau  und  erlangte  im  Jahre  1657  in  dem 
Vertrage  von  Wehlau  das  Herzogtum  Preußen,  das  er  bis  dahin  vom 
König  von  Polen  Johann  Kasimir  (Wasa)  nur  als  ein  Lehen  gehabt  hatte,  als 
selbständiges,   vollkommen  lehnsfreies  Land. 

Das  war  der  Anfang  zu  der  künftigen  Größe  der  Hohenzollern.  Eine 
ununterbrochene  Reihe  von  Taten  persönlicher  Tüchtigkeit,  Ränkespielen 
und  kriegerischen  Unternehmungen  sollte  ihnen 'im  Verlauf  von  nur  zwei 
Jahrhunderten    eine    ganz    gewaltige    Macht    bringen. 

In  Schweden  war  Gustav  Adolfs  Tochter  Christine  ihrem  Vater  auf  dem 
Throne  gefolgt  (1632 — 1654),  Diese  merkwürdige  Frau,  die  zwar  über 
einen  hohen  und  scharfen  Verstand  verfügte,  jedoch  ebensowenig  sich 
selbst  wie  ihr  Königreich  beherrschen  konnte,  vergeudete  die  von  ihrem 
Vater  aufgehäuften  Schätze  in  den  törichtesten  Ausgaben  und  häufte  statt 
jener  lieber  eine  kostspielige  Kuriosität  nach  der  andern  auf.  Unter 
ihren  willkürlichen  und  launenhaften  Einfällen  war  ihr  letzter  Schweden 
wirklich  einmal  zum  Glücke:  sie  dankte  ab.  Nach  ihrer  Abdankung 
kehrte  sie  Schweden  den  Rücken,  um  von  nun  an  die  auswärtigen  Höfe 
durch  ihre  Überspanntheiten  und  ausschweifenden  Zügellosigkeiten  zu 
beglücken.  Ihr  Vetter  und  Nachfolger,  der  Neffe  Gustav  Adolfs,  Karl  X. 
(1654 — 1660),  regierte  nur  eine  ganz  kurze  Zeit,  die  ihn  vollständig  für 
den  Krieg  mit  Polen  und  Dänemark  in  Anspruch  nahm,  wütete  doch  auch 
die  Kriegsfurie  bei  den  nordischen  Völkern.  Er  nahm  den  Dänen  Schonen 
und  den  Polen  Livland  ab,  um  damit  Schweden  zum  Herrn  über  die 
ganze  Ostsee  zu  machen  und  ihm  durch  kräftigen  militärischen  Ausbau 
eine  Macht  zu  geben,  mit  der  es  nunmehr  kaum  noch  hinter  irgendeiner 
großen   Macht  Europas  zurückstand. 

Auch  Polen  war  beständig  vom  Kriege  zerfleischt  worden;  es  führte  mit 
den  Russen,  den  Türken,  den  Schweden  und  den  Kaiserlichen  Krieg. 
Obwohl  es  sich  nicht  zum  Luthertum  hatte  bekehren  lassen,  hatte  es 
gleichwohl  auch  unter  religiösen  Meinungsverschiedenheiten  leiden  müssen, 
waren  doch  viele  Polen  römisch-katholisch  geblieben,  während  andere 
griechisch-orthodox  wurden.  Im  übrigen  herrschte  die  wildeste  Anarchie. 
Der  König  wurde  auf  Grund  einer  Wahl  ausgerufen;  die  Bauern  wurden 
wie  Sklaven  behandelt  von  Herren,  die  ebenso  unwissend  wie  tapfer, 
ebenso  freigebig  wie  habgierig  waren.    Ein  Artikel   der  polnischen  Ver- 


Das  Königtum.  237 


fassung  bestimmte,  daß  alle  Beschlüsse  der  Landtage  einstimmig  gefaßt 
werden  müßten  (liberum  Veto),  und  diese  sonderbare  Maßregel  machte 
jedes  Regieren  unmöglich.  So  war  das  polnische  Königreich  nur  ein  uner- 
meßliches und  buntgewürfeltes  Gemisch  von  Kosaken,  Litauern  und 
Deutschen,  in  dem  die  eigentlichen  Polen  die  Minderheit  bildeten,  so  daß 
der  langsame  Zerfall  unvermeidUch  schien.  Eine  große  Meuterei  von  ortho- 
doxen Kosaken  schloß  mit  der  Unabhängigkeit  derselben  oder  vielmehr 
mit  einem  Wechsel  ihres  Herrschers.  Sie  begaben  sich  unter  die  Herrschaft 
des  Zaren,  der  orthodox,  wie  sie,  war.  Die  Geschichte  der  unglückseligen 
Polen  besteht  in  einer  endlosen  Reihe  von  mit  verzweifeltem  Heldenmut 
geführten,  aber  darum  nicht  weniger  verhängnisvollen  Kriegen  mit  den 
Russen. 

Während  Polen  immer  schwächer  wurde,  erstarkte  Rußland  immer 
mehr.  Im  13.  Jahrhundert  hatte  der  Fürst  von  Moskau  ein  gewisses  Über- 
gewicht über  die  andern  russischen  Großen  erlangt.  Im  16.  Jahrhundert 
nahm  ein  solcher  Fürst  von  Moskau,  der  noch  kühner,  grausamer  und  ver- 
schmitzter als  seine  Vorgänger  war,  Iwan  IV.,  genannt  der  Schreckliche 
(1533 — 1584),  den  Titel  Cäsar  (Zar)  an.  In  dem  barlDarischen  Moskowien 
flößte  Iwan  mit  seiner  furchtbaren  Unmenschlichkeit  Bewunderung  ein. 
Er  sparte  nicht  mit  Hinrichtungen  und  Foltern,  tötete  in  einer  Zornes- 
aufwallung seinen  eignen  Sohn  und  mischte  in  seine  Grausamkeit  noch 
höhnischen  Spott,  in  seinen  Despotismus  noch  Grillen  und  Launen.  Schließ- 
lich setzte  er  seine  blutige  Gewaltherrschaft  durch  ganz  Rußland  durch 
bis   nach   Sibirien,   dessen   Eroberung   er  mit   Erfolg  betrieb. 

Nach  seinem  Tode  zerstörte  eine  wirre  Zeit,  in  der  Rußlands  Einheit 
beinahe  unterging,  sein  ganzes  Werk.  Ein  gewisser  Demetrius  ließ  sich 
für  den  echten  Zarewitsch  (Sohn  des  Zaren)  ausgeben,  entthronte  den 
rechtmäßigen  Sohn  und  bezog  den  Kreml  der  zum  Mittelpunkte  des 
Reiches  gewordenen  Stadt  Moskau.  Doch  Demetrius,  der  die  Polen 
herbeigerufen  hatte,  verlor  bald  alle  Zuneigung.  Die  Bojaren  verschworen 
sich  gegen  ihn  und  metzelten  ihn  nieder.  Da  eilten  die  Schweden,  Polen 
und  Kosaken  von  allen  Seiten  herbei,  um  die  allgemeine  Verwirrung  zu 
benutzen,  die  damals  das  wehrlose  Rußland  befiel. 

Ein  russischer  Fürst  Michael  Romanow  wurde  zum  Zaren  gewählt, 
um  die  bedrohte  Unabhängigkeit  des  Reiches  zu  verteidigen  (1613 — 1645). 
Es  gelang  ihm,  die  Polen  aus  Rußland  zu  verjagen  und  sie  nach  Polen 
zurückzudrängen.  Er  und  sein  Sohn  Alexei  (1645 — 1676)  legten  zu  der 
späteren  russischen  Macht  die  Grundlage. 


238  Sechstes  Buch. 


Die  Russen  waren  noch  immer  ein  barbarisches  Volk,  das  von  europä- 
ischen Verhältnissen  keine  Ahnung  hatte.  Allerdings  hatte  schon  Iwan 
der  Schreckliche,  der  die  Bedeutung  Westeuropas  zu  würdigen  verstand, 
bei  diesen  von  ihm  in  so  grausamem  Joche  gebeugten  europäischen  Wilden 
einige  französische,  deutsche  und  englische  Einrichtungen  und  Sitten  ein- 
geführt. Michael  und  Alexei  verfuhren  ebenso  und  wurden  dadurch 
die  Schrittmacher  für  Peter  den  Großen.  Doch  die  Zivilisation  brach 
sich  nur  langsam  Bahn  und  führte  mehr  scheinbare  als  wirkliche  Fort- 
schritte herbei,  so  daß  Rußland  sogar  noch  im  17.  Jahrhundert  zwar 
wohl  in  den  Stand  gesetzt  war,  an  den  Grenzen  seines  Reiches  zu  kämpfen 
und  das  Land  zu  verteidigen,  darüber  hinaus  aber  nichts  vermochte  und 
auch   nichts   erstrebte. 

Ungarn  war  in  Parteiungen  gespalten  und  ohnmächtig. 

In  der  damaligen  Türkei  schließlich  war  allerdings  die  militärische 
Organisation  noch  sehr  stark,  aber  die  Sultane  vergaßen  unter  ihren 
blutigen  Haremsintrigen  sowohl  den  Islam  wie  Europa. 


So  war  sowohl  die  größte  Militärmacht  wie  auch  die  größte  Geistes- 
macht .der  Welt  im  Jahre  1 660  kein  anderes  Land  als  Frankreich,  das  gerade 
zu  dieser  Zeit  ausschließlich  dem  Winke  eines  einzigen  Mannes  folgte, 
der  dort  ein  halbes  Jahrhundert  lang  über  die  unumschränkteste  Macht 
verfügte.  Ja,  eine  unumschränktere  Macht  gab  es  wohl  nie,  war  doch 
die  einmütige  Unterwerfung  nicht  etwa  eine  durch  rohe  Gewalt  auf- 
gezwungene,   sondern    eine    von    aufrichtiger    Bewunderung    eingegebene. 

Als  unmittelbar  nach  Mazarins  Tode  der  Erzbischof  von  Rohan  an 
Ludwig  XIV.  mit  der  Frage  herantrat,  an  wen  man  sich  nun  in  Zukunft 
wenden  solle,  antwortete  er  kurz:  „An  michl"  Er  erstrebte  in  der  Tat 
während  seiner  langen  Regierung  alle  Angelegenheiten  persönlich  zu 
leiten,  mochte  es  sich  um  solche  Frankreichs  oder  auch  um  solche  ganz 
Europas  handeln.  Er  glaubte  von  einem  Könige,  daß  er  ein  außerordent- 
licher Mensch,  ein  unbeflecktes  und  von  Gott  selbst  mit  der  höchsten 
und  unbeschränktesten  Gewalt  ausgestattetes  höheres  Wesen  sei.  Lud- 
wig XIV.  ist  der  Vertreter  göttlichen  Rechtes  in  seiner  ganzen  Schauer- 
lichkeit. Die  französischen  Schriftsteller  der  Zeit,  Bossuet  an  der  Spitze, 
formulierten  die  darauf  bezügliche  Lehre,  die  sogleich  auch  von  den 
übrigen  europäischen  Herrschern  bereitwillig  angenommen  wurde. 

Ludwig  XIV.  war  tapfer,  freigebig,  arbeitswillig  bis  zum  äußersten  und 
im  Besitze  einer  Tugend,  die  er  so  weit  trieb,  bis  sie  ihm  zum  unseligsten 


Das  Königtum.  239 


Laster  wurde.  Es  war  das  der  Stolz,  —  ein  Stolz  von  einer  ganz  wunder- 
baren und  übermenschlichen  Pomphaftigkeit,  dem  er  sein  eignes  Glück 
und,  was  weit  mehr  ins  Gewicht  fiel,  das  Glück  seiner  Untertanen  opferte. 
Seine  Eitelkeit  stellte  alles  in  den  Schatten,  und  in  ihr  beging  er  Fehler 
auf  Fehler,  ja  machte  er  sich  sogar  unter  Umständen  lächerlich. 

Der  Kultus,  den  er  mit  seiner  königlichen  Person  trieb,  war  in  ihm 
so  mächtig,  daß  er  dabei  alles  vergessen  konnte,  sogar  seine  Frömmigkeit, 
die  gewiß  eine  tiefe  war.  Es  ging  das  so  weit,  daß  er  dem  Papst  Ale- 
xander VII.  Widerstand  zu  bieten  wagte.  Um  einer  unbedeutenden  Beleidi- 
gung willen,  die  seinem  Botschafter  zu  Rom  widerfahren  war,  verlangte 
er  eine  ausdrückliche  Entschuldigungserklärung;  hätte  der  Papst  nicht  nach- 
gegeben, es  wäre  durch  Ludwig  XIV.  über  die  älteste  Tochter  der  römi- 
schen  Kirche   eine   Kirchenspaltung   gekommen   (1664). 

Er  hatte  die  Weisheit  und  das  Glück,  hervorragende  Männer  in  seinen 
Dienst  zu  ziehen:  de  Lyonne,  Vauban,  Colbert  und  Louvois,  die  ihm  vor 
allem  auch  das  brachten,  was  die  beiden  wesentlichen  Bestandteile  jeder 
Macht  bildet:  Mannschaften  und  Mittel.  Louvois  verschaffte  ihm  ein 
starkes  Heer,  Colbert  geordnete  Finanzen.  Als  diese  beiden  fähigen  Köpfe 
von  der  Weltbühne  abtraten,  ging  nichts  mehr,  wie  es  sollte. 

Colbert  (1619 — 1683)  war  inmitten  dieses  so  aristokratischen  und  hoch- 
mütigen Hofes  nur  ein  Kleinbürger  aus  dem  Mittelstande.  Ebenso  gern, 
wie  Ludwig  XIV.  die  Adligen  an  seinen  Hof  Heß,  schickte  er  die 
Bürgerlichen  in  seine  Ministerien.  Vor  keiner  Mühe  zurückschreckend, 
sorgfältig,  gewissenhaft  und  unerbittlich,  verwaltete  Colbert  die  Finanzen 
mit  Strenge  und  Härte.  Der  gute  Stand  der  Staatskasse  ist  keineswegs 
etwas  Leichtes  unter  einem  Fürsten,  der  für  seine  Vergnügungen,  seinen 
Luxus  und  seine  Kriege  stets  Geld  braucht.  Als  Handelsminister  brachte 
Colbert  ein  strenges  Schutzzollsystem  zur  Herrschaft;  er  ging  sogar  so 
weit,  in  gewissen  Jahren  die  Ausführung  von  Getreide  zu  untersagen. 
Er  suchte  alle  Gewerbszweige  zu  reglementieren  und  in  ihre  kleinsten 
Einzelheiten  einzudringen,  wobei  er  dann  manchmal  private  Anregungen 
förderte  und  manchmal  lähmte.  Diese  Maßregeln  für  den  Handelsschutz, 
die  zunächst  einige  glückliche  Wirkungen  hatten,  wurden  schließlich 
verhängnisvoll.  Er  schuf  staatliche  Gewerbezweige  (die  staatlichen  Gobelin- 
fabriken zu  Beauvais  und  zu  Saint-Gobain),  die  in  Frankreich  ein  bis  dahin 
dort  unbekanntes  Kunstgewerbe  verbreiteten. 

Doch  neben  der  Wiederherstellung  der  Finanzen  bildete  Colberts  Haupt- 
tätigkeit die  Fürsorge  für  die  Marine.  Hier  war  er  in  der  Tat  rührig 
und  erfolgreich.    Er  schuf  eine  Kriegsmarine  dadurch,   daß   er  das  Aus- 


240  Sechstes  Buch. 


hebungsgeschäft  der  Matrosen  durcih  Eintragung  in  die  Seedienstrolle 
sicherte.  Im  Jahre  1664  gab  es  nicht  mehr  als  fünfzehn  Kriegsfahrzeuge; 
beim  Tode  Colberts  waren  es  bereits  zweihundertsechsundsiebzig.  Schiff- 
fahrtsgesellschaften wurden  begründet;  zur  Förderung  der  Handelsmarine 
wurden  die  Häfen  ausgebaut  und  befestigt,  sowie  Kanäle  entworfen. 
Im  Languedoc  entstand  ein  Kanal,  der  Canal  du  Midi,  der  dem  Genie 
und  der  Opferwilligkeit  von  Pierre-Paul  Riquet  de  Caraman  (1604  bis 
1680)  zu  verdanken  war  und  vom  Mittelmeer  bis  zum  Ozean  ging  (1680). 

Louvois  (1641 — 1691),  bürgerlichen  Ursprungs  wie  Colbert,  war  der 
Erneuerer  des  Heeres,  in  dem  er  eine  strenge  Ständeordnung  nach  den 
verschiedensten  Rangstufen  einrichtete.  Er  zwang  alle  Offiziere,  gleich- 
viel, ob  sie  von  hohem  oder  niederem  Adel  waren,  zu  einer  unerbitt- 
lichen Manneszucht.  Er  schaffte  viele  Mißbräuche  ab,  für  die  sich 
allerdings  auch  wieder  andere  einschlichen;  aber  alles  in  allem  konnte 
er  Ludwig  XIV.  das  geben,  was  dieser  von  ihm  verlangte:  ein  gediegenes, 
starkes  und  wohlgezogenes  Heer,  das  beste  von  ganz  Europa. 

Vauban  (1633 — 1707)  hatte  zwar  keinen  so  bedeutsamen  Anteil  an  der 
Staatsleitung  wie  Colbert  und  Louvois,  war  aber  immerhin  ein  sehr 
großer  und  schöpferischer  Geist.  In  diesem  an  französischen  Genies  so 
fruchtbaren  Zeitalter  war  Vauban  eines  der  gewaltigsten,  hat  er  doch  die 
Kriegskunst  von  Grund  aus  umgestaltet,  ein  neues  Befestigungssystem 
«rfunden,  das  zum  Teil  noch  heute  besteht,  und  als  Ersatzstück  für  den 
einstigen  Spieß  das  Bajonett  erdacht,  das  den  Infanteristen  (Musketieren) 
zugleich  als  Wurfwaffe  wie  Hieb-  und  Stoßgewehr  diente.  Dieser  Soldat 
verstand  die  Leiden  des  Krieges  und  hatte  als  Diener  des  größten  aller 
Despoten  den  Mut,  seinen  Herrn  über  die  Schmerzenswirkungen  des 
Despotismus   aufzuklären. 

Die  ersten  Jahre  der  selbständigen  Regierung  Ludwigs  XIV.  verliefen 
äußerst  glücklich  (1661 — 1678).  Er  zwang  ganz  Europa  Frankreichs  Gewalt 
und  Gesetz  auf;  der  erste  Krieg,  den  er  mit  Spanien  führte,  brachte  ihm 
mühelos  in  wenigen  Monaten  Flandern  und  die  Freigrafschaft  Burgund, 
die  er  beide  eroberte  (1667).  Da  verbanden  sich  Holland,  Schweden 
und  England,  um  dem  Vordringen  der  Franzosen  Halt  zu  gebieten.  Dies- 
mal gab  Ludwig  noch  aus  Klugheit  nach  und  mäßigte  seine  Ansprüche. 
Er  verzichtete  auf  die  Freigrafschaft  und  behielt  Flandern  (Friede  zu 
Aachen   1668). 

Aber  in  seinem  Innern  vergaß  er  es  Holland  nicht,  daß  es  ihm  in 
4en  Rücken  gefallen  war.  Nachdem  er  einen  Bündnisvertrag  mit  Schweden 
iind  England  abgeschlossen  hatte,  überfiel  er  unter  irgendeinem  beliebigen 


Das  Königtum.  241 


Verwände  die  Vereinigten  Provinzen  der  Niederlande  und  überschritt 
den  Rhein  (1672),  ohne  auch  nur  den  geringsten  Widerstand  zu  finden. 
Die  Holländer,  die  ohne  Heer  waren,  baten  um  Frieden;  aber  ein 
Eroberer,  der  eine  Rolle  auf  der  Bühne  der  Welt  spielen  will,  wird  niemals 
nachgeben.  So  wies  auch  Ludwig  XIV.  die  ihm  angebotenen  vorteilhaften 
Bedingungen  zurück  (die  Abtretung  von  ganz  Brabant),  um  selbst  ganz 
unannehmbare  Gegenvorschläge  zu  machen. 

Den  Erfolgen  Frankreichs  gegenüber  bildete  sich  ein  neues  Bündnis. 
Die  Holländer  einten  sich  mit  den  Kaiserlichen  und  Spaniern.  Nun  über- 
fiel ein  französisches  Heer  die  Freigrafschaft  Burgund,  ein  anderes  von 
Turenne  befehligtes  überschritt  den  Rhein,  um  in  das  Elsaß  einen  Feldzug 
zu  unternehmen,  dessen  Ruhm  nur  ein  vergänglicher  war.  Doch  bald 
sah  sich  Turenne  gezwungen,  das  Zeichen  zum  Rückzuge  zu  geben,  einem 
Rückzuge,  der  sich  dem  plötzlich  so  viel  stärker  gewordenen  Feinde 
gegenüber  in  aller  Ordnung  und  mit  einer  wunderbaren  Kaltblütigkeit 
und  Kühnheit  vollzog.  Zum  Unglück  wurde  Turenne  selbst  bei  Saßbach 
von   einer   feindlichen   Kugel   dahingerafft    (1675). 

Kurz  darauf  kam  der  Friede  von  Nymwegen  zum  Abschluß.  Frankreich 
erhielt  die  Freigrafschaft  Burgund  (von  nun  als  Provinz  unter  dem 
Namen  Franche-Comt6)  und  das  Elsaß   1678, 

Dieser  Zeitpunkt  bezeichnet  den  höchsten  Gipfel  der  Macht  Ludwigs  XIV. 
und   vielleicht   auch   Frankreichs   überhaupt. 

Alle  Länder  französischer  Zunge  waren  nun  an  die  Krone  Frankreichs 
zurückgekommen.  Der  Handel  blühte.  Die  Heere  galten  als  unbesieglich. 
Der  kränkliche  und  sieche  König  von  Spanien  war  ebenso  ohnmächtig 
wie  der  abgestumpfte  und  gleichgültige  Kaiser  von  Österreich,  während  der 
König  von  England  ein  geheimer  Gönner  war.  Ja,  selbst  der  Doge  von 
Genua  sollte  sich  bald  in  Versailles  demütigen  (1685).  Auch  Algier  und 
Sizilien  hatten  französische  Kriegsschiffe  zu  sehen  bekommen^ 

Angesichts  aller  dieser  von  der  gesamten  Schmeichlerwelt  gefeierten 
Triumphe  kam  schließlich  auch  Ludwigs  XIV.  Vernunft  ins  Wanken. 
Zwar  hatte  er  auch  schon  bisher  Fehler  begangen,  doch  war  keiner  von 
ihnen  unheilbar.  Im  Jahre  1685  aber  beging  er  den  schwersten  Irrtum 
seiner  an  Irrtümern  so  reichen  Regierung  überhaupt :  die  Widerrufung 
des  Ediktes  von  Nantes. 

Die  Frömmigkeit  Ludwigs  XIV.  war  aufrichtig,  aber  engherzig.  Zwar 
wohnte  er  täglich  der  Messe  bei,  indessen  seine  Gottesfürchtigkeit  ging 
nie  bis  zum  Verzicht  auf  irgendeines  seiner  königlichen  Rechte,  hielt  er 
sich  doch  für  den  Vertreter  der  göttlichen  Macht;  er  ließ  in  keinem 
16  Richet,  Geschichte  der  Menschheit 


242  Sechstes  Buch. 


Stadium  die  Einmischung  des  Papstes  in  seine  Landesangelegenheiten 
oder  auch  nur  in  die  äußere  Verwaltung  der  einzelnen  Kirchensprengel 
zu.  Die  Geistlichkeit  von  Frankreich  unterstützte  Ludwig  in  der  festen 
Überzeugung:  dem  göttlichen  Willen  größere  Treue  im  Gehorsam  gegen 
den  König  als  in  dem  gegen  den  obersten  Priester  zu  erweisen.  Ja,  eine 
allgemeine  Versammlung  der  französischen  Geistlichkeit  beschloß,  daß 
die  Könige  in  bezug  auf  welthche  Dinge  keiner  kirchlichen  Macht  unter- 
tänig seien-  es  sind  das  die  sogenannten  Freiheiten  der  Gallikanischen 
Kirche  (1682).  Papst  Innocenz  XI.  legte  hiergegen  entschieden  Ver^ 
Wahrung   ein. 

Zum  Beweise,  daß  er  gleichwohl  ein  guter  Katholik  sei,  beschloß 
Ludwig  XIV,  nun  einen  Schlag  gegen  die  Protestanten.  Er  hätte  das 
noch  zehn  Jahre  zuvor  nicht  über  sich  gebracht;  aber  das  Alter  hatte^ 
aus  ihm  einen  völlig  andern  gemacht.  Er  war  nicht  mehr  der  junge, 
blühende  Fürst,  der  bei  den  Balletten  des  Hofes  selbst  mittanzte,  der 
Liebhaber  der  sanften  La  Valli^re  oder  der  schönen  Montespan,  der 
kühne  Ritter,  der,  angesichts  des  Rheines  in  seiner  ganzen  Herrlichkeit, 
darüber  mit  den  Zähnen  knirschte,  daß  er  an  das  eine  Ufer  dieses  so 
prächtigen  Stromes  gebannt  und  von  dem  andern  ausgeschlossen  bleiben 
sollte.  Vielmehr  war  er  zum  ödesten  Spießbürger  geworden  und  hatte 
in  geheimer  Ehe  eine  alte  Intrigantin,  die  Witwe  des  Dichters  "Scarron, 
Frau  von  Maintenon,  geheiratet.  Diese  Enkelin  eines  mit  Heinrich  IV. 
befreundet  gewesenen  großen  französischen  Protestanten,  des  edlen  Dichters 
Agrippa  d'Aubign6,  war  im  Alter  fromm  geworden  und  verfolgte,  um 
Vergebung  für  ihre  Jugendsünden  zu  erlangen,  den  Protestantismus,  in 
denT  sie  einst  erzogen  worden  war,  mit  ihrem  tödlichsten  Hasse.  Sie 
übte  auf  die  Seele  des  nach  und  nach  nur  allzu  gefügig  gewordenen 
Königs  einen  höchst  verhängnisvollen  Einfluß.  Das  Edikt  von  Nantes 
wurde    widerrufen    und    die    Protestanten    des    Landes    verwiesen    (1685). 

Im  stillen  hatte  die  Verfolgung  schon  einige  Jahre  früher  begonnen. 
Von  1685  an  erreichte  aber  die  Grausamkeit,  mit  der  sie  betriebÄi  wurde, 
ihren  Höhepunkt.  Anderthalb  Millionen  Protestanten,  d.  h.  ein  Zwölftel 
der  gesamten  französischen  Bevölkerung,  sahen  sich  einer  Entscheidung 
zwischen  Zwangsarbeit  auf  den  Galeeren,  Abschwörung  ihres  Glaubens 
oder  auch  Auswanderung  gegenübergestellt.  Und  wirklich  schwor  eine 
große  Zahl,  die  weniger  mutigen,  ihren  Glauben  ab.  Wer  seinem  Glauben 
treu  blieb,  wurde  Märtyrer.  Ein  Teil,  wie  die  Sevennenbauern,  also  die 
einfachen  kleinen  Leute,  wurden  gehenkt,  nachdem  sie  von  den  Dragonern, 
die  Louvois  als  Folterknechte  aufs   Land  schickte,  als   Gefangene  mitge- 


Das  Königtum.  243 

schleppt   worden  waren  (Dragonades).   Die  noch   übrigen,   also   über  vier- 
hunderttausend, gingen  außer  Landes. 

Diese  stellten  nach  Begabung  und  sonstigen  Vorzügen  gewiß  die  Aus- 
lese des  gesamten  Franzosentums  dar.  Nun  hörten  sie  auf  Franzosen 
zu  sein.  Sie  wandten  sich  nach  Genf,  Zürich,  Leyden  und  besonders  auch 
Berlin,  das  zehntausend  von  ihnen  aufnahm.  Sie  brachten  den  Heldenmut, 
die  Industrie  und  das  geistige  Leben  Frankreichs  ins  Ausland  mit.  So 
schändlich  die  Pariser  Bluthochzeit  .  in  der  Bartholomäusnacht  gewesen 
sein  mochte,  sie  bleibt  ein  harmloses  Kinderspiel  im  Vergleich  zu  der 
Widerrufung  des  Ediktes  von  Nantes.  Weder  Ludwig  XIV.  noch  Frank- 
reich haben  sich  jemals  von  diesem  Schlage  zu  erholen  vermocht. 

Und  doch  war  ganz  Frankreich  mitschuldig.  Ein  so  bedeutender  Redner, 
ein  so  hervorragender  schöner  Schriftsteller  der  französischen  Literatur, 
ein  so  kühner  und  gewaltiger  Geist  wie  Bossuet  gab  seinen  Segen.  Ja, 
er  suchte  in  einem  ebenso  wahnsinnigen  wie  wunderschönen  Werke 
zu  zeigen;,  daß  bei  der  außerordentlichen  Verschiedenheit  der  protestan- 
Tischen  Sekten  es  zur  Herstellung  der  Einheit  des  Glaubens  unumgänglich 
sei,  ausnahmslos  eine  jede  dieser  Sekten_auszurotten.  Zur  Rechtfertigung 
des  großen  Verbrechens  mußte  schon  etwas  derartiges  von  einem  der 
tiefsten  Denker  der  Zeit  ausfindig  gemacht  werden. 

Auch  für  die  äußere  Politik  hatte  die  Widerrufung  des  Ediktes  von 
Nantes  allerhand  Unheil  in  unmittelbarem  Gefolge.  Ludwig  XIV.  hatte 
schon  vorher  Österreich  und  Spanien  zu  Feinden.  Seit  1685  bekam  er 
nun  aber  noch,  ohne  sich  übrigens  mit  Spanien  oder  Deutschland  ausgesöhnt 
zu  haben,  Schweden  und  die  sämtlichen  protestantischen  Regierungen 
Deutschlands  zu  Gegnern.  Die  englische  Revolution  ging  ihrem  Ende 
entgegen,  und  der  erbittertste  Feind  Frankreichs,  Wilhelm  III.  von  Oranien, 
wurde  König  von  England  (1688). 

Ein  zweites  Bündnis  kam  zustande  (1689).  Ganz  Europa  verband 
sich  gegen  Ludwig  XIV.  Die  französischen  Heere  überschritten  den 
Rhein.  Louvois  gab  den  Befehl,  die  Pfalz  einzuäschern,  die  schon  einmal 
vor  fünfzehn  Jahren  von  Turenne  gebrandschatzt  worden  war.  Diesmal 
war  die  Verwüstung  noch  schrecklicher.  Es  gab  Einäscherungen,  Hin- 
richtungen, Plünderungen  ganz  abscheulicher  Art.  Ja  gewiß,  ganz  ab- 
scheulicher  Art  1  Doch  warum  hat  das  unglückliche  Deutschland  gerade 
daran  die  Erinnerung  so  treu  bewahrt  ?  Tragen  nicht  die  Kriege  ohne  jede 
Ausnahme  das  Brandmal  von  Verwüstungen  und  Metzeleien?  Und  ist 
etwa,  weil  dieser  Feldzug  in  der  Tat  ein  grausamer  gewesen  ist,  das 
16* 


244  Sechstes  Buch. 


ein  Grund,  auch  jetzt  noch  nach  einer  nun  schon  zwei  Jahrhunderte  währen- 
den Geistes-  und  Sittengemeinschaft  neue,  noch  grausamere  vorzubereiten? 

Um  allen  Feinden  die  Stirn  bieten  zu  können,  brauchte  Frankreich 
gewaltige  Truppenmassen.  Eine  große  Anstrengung  wurde  gemacht.  Zwei- 
hunderttausend Franzosen  traten  unter  Waffen,  und  an  den  Grenzen 
wüteten  auf  allen  Seiten  die  blutigsten  Kämpfe.  Während  ein  Heer  in 
Deutschland  eine  Schlacht  nach  der  anderen  lieferte,  rückte  ein  zweites 
in  Savoyen,  ein  drittes  in  die  Niederlande  und  noch  ein  weiteres  in 
Piemont  ein.  Eine  Heeresabteilung  wurde  nach  Irland  geschickt,  um,  wenn 
auch    ohne    Erfolg,    den    entthronten    König    Jakob    H.    zu    unterstützen. 

Auf  dem  Festlande  trugen  Catinat  und  Luxemburg  glänzende,  doch 
so  gut  wie  vergebliche  Siege  davon;  zur  See  hingegen  wurde  die  fran- 
zösische Flotte  nach  der  ruhmvollen  Schlacht  bei  La  Hougue  vernichtet 
und  vollkommen  niedergebrannt  (1692).  Damit  wurde  die  englische  Flotte 
die  erste  und  auf  lange  nahezu  die  einzige  Flotte  der  Welt.  Sie  hat 
dieses  Übergewicht  zu  wahren  gewußt. 

Frankreich,  das  durch  seine  Siege  wie  durch  seine  Niederlagen  gleich- 
mäßig erschöpft  war,  mußte  sich  nun  schließlich  auf  den  Frieden  ver- 
stehen (Friede  von  Ryswijk  1697).  Frankreich  verlor  seine  eben  gemachten 
Eroberungen;  Luxemburg  kam  an  Spanien  zurück,  Lothringen  an  den 
Herzog  von  Lothringen  und  ein  Teil  des  Elsaß  an  das  Reich.  Wilhelm  III. 
von  Oranien  erhielt  die  endgültige  Anerkennung  als  König  von  England. 
Am  besten  kam  der  Herzog  von  Savoyen  Victor  Amadeus  II.  fort.  Seine 
Tochter  heiratete  den  Herzog  von  Burgund,  einen  Enkel  Ludwigs  XIV.,  und 
er  selbst  fand  einen  Platz  unter  den  größeren  europäischen  Herrschern 
durch  Erlangung  eines  Teiles  von  Piemont  (Susa),  Savoyens,  Nizzas  und  der 
Festung  Pinerolo. 

Der  Ryswijker  Friedensschluß  bedeutete  für  den  großen  König_mehr 
als  den  Verlust  des  Krieges;  er  bedeutete  für  ihn  die  vollständige  De- 
mütigung. 

Frankreich  war  so  verarmt,  erschöpft  und  verelendet,  daß  überhaupt 
keine  größere  Verarmung,  Erschöpfung  und  Verelendung  denkbar  war. 
Und  doch  sollte  die  Wahnsinnstat  eines  neuen  Krieges  ihm  noch  weitere 
verhängnisvolle  Verluste  bringen. 

Von  jeher  ist  Frankreich  von  Spanien  Unglück  gebracht  worden. 
Es  scheint,  als  ob  das  Schicksal  jeder  französischen  Einmischung  in  die 
spanischen  Verhältnisse  nicht  wieder  gutzumachende  Mißerfolge  vorbehalten 
habe.  Ludwig  XIV.  und  die  beiden  Napoleons  haben  Frankreich,  dafür 
den  schmerzlichen  Beweis  geliefert. 


Das  Königtum.  2  45 

Der  kränkliche  und  gebrechliche  König  Karl  II.  von  Spanien  war 
kinderlos.  Ihn  zu  beerben  war  also  das  Ziel  allgemeiner  Begehrlichkeit. 
Es  handelte  sich  um  eine  ganze  Welt:  die  gesamte  Pyrenäenhalbinsel 
bis  auf  Portugal,  Italien  in  seiner  ganzen  Ausdehnung  bis  auf  den  Kirchen- 
staat, Piemont  und  Venedig,  Südamerika,  Mittelamerika  und  von  Nord- 
amerika Florida,  Kalifornien,  Mexiko,  die  Antillen,  Cuba  sowie  schließlich 
von  Ostasien  die  Philippinen  und  die  Karolinen. 

Auf  diesen  Riesenbesitz  machten  zwei  Erben  von  Gesetzes  wegen 
den  gleichen  Anspruch,  hatte  doch  von  den  beiden  Schwestern  Karls  II. 
die  eine  Ludwig  XIV.  und  die  andere  Kaiser  Leopold  von  Österreich  ge- 
heiratet. Sollte  das  gewaltige  Reich  den  Kindern  Ludwigs  XIV.  oder 
denen  des  Kaisers  in  die  Hände  fallen? 

König  Karl  II.  hatte  noch  auf  dem  Sterbebette  den  Enkel  Ludwigs  XIV. 
zu  seinem  Nachfolger  bestimmt.  England  und  Holland  hingegen  schlugen 
eine  derartige  Teilung  der  spanischen  Erbschaft  vor,  daß  Frankreich, 
auch  wenn  dadurch  Ludwigs  XIV.  Enkel  vom  spanischen  Thron  aus- 
geschlossen worden  wäre,  dabei  noch  immer  einen  Machtzuwachs  erfahren 
hätte.  Doch  Ludwig  XIV.  wollte  nicht  sowohl  für  Frankreich  einen  Macht- 
zuwachs als  vielmehr  für  seine  Familie.  So  wurde  einer  seiner  Enkel,  Herzog 
Philipp  von  Anjou,  König  von  Spanien  unter  dem  Namen  Philipp  V.  Lud- 
wig XIV.  schien  sich  wirklich  einzubilden,  daß  er  damit,  daß  er  einen 
Bourbonen  und  seinen  Enkel  auf  den  Thron  Karls  V.  gesetzt  hatte,  auch 
die  Pyrenäen  beseitigt  hätte. 

Dieser  schwere  Fehler  wurde  noch  um  einen  anderen  fast  ebenso 
schlimmen  vermehrt.  Beim  Tode  König  Wilhelms  von  England  glaubte 
Ludwig  XIV.  im  Gegensatze  zu  dem,  was  im  Frieden  von  Ryswijk  be- 
schlossen war,  Jakobs  II.  Sohn,  der  eine  Zuflucht  in  Saint- Germain  gefunden 
hatte,  als  neuen  König  von  England  begrüßen  zu  dürfen.  Hiergegen 
aber  empörte  sich  das  ganze  britische  Volk. 

Da  war  nun  schon  wieder  ein  Krieg  da,  der  sich  über  das  gesamte 
Europa  erstreckte  und  an  allen  Landesgrenzen  blutig  und  unerbittlich 
wütete.  Die  verbündeten  Heere  waren  unter  dem  Oberbefehle  zweier 
hervorragenden  Feldherren;  an  der  Spitze  der  kaiserlichen  Truppen  stand 
Prinz  Eugen  von  Savoyen,  an  der  Spitze  der  vereinten  Heere  Englands 
und  Hollands  Lord  Marlborough.  Die  Franzosen  hingegen  verfügten 
damals  nicht  mehr  über  Feldherren  wie  Turenne,  Cond6  oder  auch 
Catinat,  und  die  Stimme  eines  Vauban,  der  alt  geworden  war  und  allen 
Mut  verloren  hatte,  wurde  nicht  gehört.  Die  Generäle  Villeroy  und 
La   Feuillade   waren   der   Sachlage   nicht   gewachsen;   es   blieb   höchstens 


246  Sechstes  Buch. 


der  Herzog  von  Vendome  übrig,  der  wirklich  ein  Heer  zu  leiten  wußte. 
So  gab  es  denn  einen  Mißerfolg  nach  dem  andern,  zuerst  bei  Höchstädt  * 
(13.  August  1704)  und  dann  bei  Ramillies  (23.  Mai  1706). 

In  Spanien  leistete  der  neue  König  Phiüpp  V.,  der  nun  der  Bundesgenosse 
Frankreichs  geworden  war,  den  Engländern  nur  schwachen  Widerstand. 
So  konnte  es  allein  geschehen,  daß  die  englische  Flotte  Gibraltar  nahm, 
eine  nach  der  geographischen  Lage  dieses  Ortes  höchst  gewagte  und  eigen- 
artige Eroberung,  die  England  nun  schon  seit  zwei  Jahrhunderten  behauptet. 

Jetzt  bat  Ludwig  XIV.  um  Frieden;  aber  die  vorgeschlagenen  Bedin- 
gungen waren  derartig  hart,  daß  sie  unannehmbar  waren,  und  der  Krieg 
begann  von  neuem.  Nie  ist  Frankreich  so  an  Menschen,  Geld  und  Hoff- 
nungen erschöpft  worden.  In  dem  verödeten  Versailles  konnte  man 
damals  Ludwigs  XIV.  Majestät  zwar  traurig,  aber  in  einem  Schaugepränge 
umherwandeln  sehen,  mit  dem  er  bei  aller  feindUchen  Schicksalstücke,  die 
er  selbst  durch  seine  Irrtümer  —  oder  wohl  richtiger  durch  seine  Ver- 
brechen —  hervorgerufen  hatte,  noch  immer  seine  ganze  königliche 
Größe  wahrte. 

Endlich  gelang  es  der  aufopfernden  Tätigkeit  des  Marschalls  von  Villars, 
den  Franzosen  einige  allerdings  teuer  erkaufte  Erfolge  zu  erringen : 
bei  Malplaquet  (1709)  und  bei  Denain  (1712). 

Zwar  bedeutete  das  auch  keine  Rettung,  aber  es  war  das  einzige  Mittel, 
einen  weniger  unheilvollen  Frieden  zu  erlangen.  Mit  England  wurde  er 
zu  Utrecht  unterzeichnet  (17 13).  In  Österreich  aber  geruhte  Kaiser  Leo- 
polds Nachfolger,  Joseph  L,  erst  im  folgenden  Jahre  in  Verhandlungen 
zu   treten;   es   war   das   zu    Rastatt    (17 14). 

Die  Abmachungen  des  Utrechter  Friedens  haben  bis  zur  großen  fran- 
zösischen Revolution  eine  der  hauptsächlichsten  Rechtsgrundlagen  der 
europäischen  Diplomatie  gebildet. 

In  Europa  erlitt  Frankreich  weiter  keine  Gebietsverluste;  in  Amerika 
büßte  es  auch  nur  Neufundland  und  Neuschottland  (von  jden  Franzosen 
Akadien  genannt)  ein.  Aber  die  spanische  Erbschaft  wurde  völlig  zer- 
stückelt. So  hatte  der  Enkel  des  französischen  Königs  damit,  daß  er  König 
von  Spanien  wurde,  ebensowenig  Frankreich  wie  Spanien  Glück  gebracht. 
Jetzt  kam  ganz  Italien  wieder  zum  Reiche  zurück.  —  Unglückseliges 
Italien,  das  vom  Schicksal  verdammt  schien,  nach  den  Launen  der  Diplo- 
maten  dauernd   zwischen   Österreich   und    Spanien   zu   wechseln!    —   Der 


*  Von  den  Engländern  Schlacht  bei  Blenheim  nach  dem  unweit  des  bayerischen 
Donaustädtchens  Höchstädt  gelegenen  Dorfe  Blindheim,  genannt. 


Das  Königtum.  247 


Herzog  von  Savoyen,  Victor  Amadeus  II.,  wurde  nun  König  und  erhielt 
Sizilien.  In  Deutschland  wurde  der  Kurfürst  von  Brandenburg,  Friedrich  III., 
als  Friedrich  I.  König  von  Preußen.  —  Der  Kurfürst  von  Brandenburg 
und  der  Herzog  von  Savoyen  sollten  die  Ahnen  jener  Männer  werden,  die 
annähernd  zwei  Jahrhunderte  später  die  italienische  und  die  deutsche  Ein- 
heit schufen. 

England  behielt  kaum  mehr  als  Gibraltar;  aber  es  hatte  gezeigt,  was 
seine  Seemacht  und  sogar  auch  seine  Landmacht  vermöchte.  Jetzt  wußte 
es,  daß  es  durch  seine  unvergleichliche  Flotte,  deren  Stärke  jeder  neue 
Krieg  nur  noch  vergrößern  konnte,  imstande  war,  im  Widerstreite  mit 
Frankreich  bei  allen  großen  Weltfragen  eine  entscheidende  Rolle  zu 
spielen. 

Im  folgenden  Jahre  starb  Ludwig  XIV.,  ohne  sich  bis  zum  letzten 
Tage  etwas  in  seiner  Herrscherwürde  zu  vergeben,  die  er  immer  gleich- 
mäßig wahrte  (i.  September  171 5).  Der  Tod  dieses  Königs,  der  bei  allen 
seinen  Irrtümern  wahrhaft  groß  war,  rief  eine  im  Grunde  wenig  vornehme 
allgemeine  Freude  hervor.  Frau  von  Maintenon  wartete  nicht  erst  seinen 
letzten  Atemzug  ab,  sondern  ließ  ihn  schon  vorher  allein  und  zog  sich  in 
ein  Kloster  zurück. 


Die  lange  Regierung  Ludwigs  XIV.  war  wirklich  nicht  bloß  eine  fort- 
laufende Kriegsgeschichte.  Sie  bezeichnet  vielmehr  den  höchsten  Triumph 
französischen  Geisteslebens.  Französisch  war  die  Sprache  aller  Höfe : 
Italiens,  Deutschlands,  Englands.  Es  gab  kein  noch  so  kleines  Fürstchen, 
das  nicht  mit  der  Anmäßung  hervortrat,  einen  Palast  nach  dem  Geschmack 
von  Versailles  und  einen  Hof  nach  dem  bisweilen  so  wunderlichen  und 
stets  so  prunkvollen  Zeremoniell  des  französischen  Königshofes  haben 
zu  wollen. 

In  derselben  Zeit  galten  auch  die  französischen  Schriftsteller  in  bezug 
auf  die  Klarheit  ihres  Stils,  die  Schärfe  ihrer  Logik,  die  ebenso  nüchterne 
wie  einschmeichelnde  Sauberkeit  in  ihrem  Ausdruck  in  aller  Welt  mit 
vollem   Recht  als  nachzuahmende   Muster. 

Die  französische  Gesellschaft  hatte  tiefe  Wandlungen  erfahren.  Der 
Adel,  der  noch  mit  Richelieu  um  seine  letzten  Vorrechte  kämpfte,  der 
zur  Zeit  der  Fronde  eine  Art  von  Volksauflehnung  ins  Leben  gerufen  hatte, 
bewarb  sich  jetzt  nur  noch  um  die  Sklavenehre:  den  Morgen-  und  Abend- 
aufwartungen des  Königs  beiwohnen  zu  dürfen.  Bürgerliche,  die  irgendein 
Verdienst  zu  verzeichnen  hatten,  besonders  auch  solche,  die,  ehrlich  oder 


248  Sechstes  Buch. 


nicht,  ein  gewisses  Vermögen  zu  erwerben  verstanden  hatten,  erlangten  jetzt 
zu  den  höchsten  Stellungen  Zugang.  Das  Geld  begann  der  wesentlichste 
Bestandteil  des  gesellschaftlichen  Lebens  zu  werden.  Unter  dieser  unum- 
schränkten Monarchie,  die  noch  immer  eine  glänzende  Aristokratie  umgab, 
wurde  die  Gesellschaft  demokratisch,  und  zwar  vermöge  der  demokrati- 
sierenden  Macht   des   Geldes. 

Sicher  übten  auch  die  Kämpfe  und  Heere  Ludwigs  XIV.  zu  einem 
gewissen  Teile  einen  zauberhaften  französischen  Einfluß  aus,  doch  die 
eigentlichen  Urheber  des  französischen  Übergewichtes,  das  sind  die  ge- 
feierten Schriftsteller,  die  damals  in  den  Jahren  1635 — 1690,  also  über 
ein  volles  halbes  Jahrhundert  hindurch,  in  die  Erscheinung  traten. 

Bis  zu  dieser  Zeit  gab  es  eine  GesamtHteratur  im  strengen  Sinne  des 
Wortes   eigentlich  nur  bei   den   Griechen  und   Römern.    Es  genügt  kein 
einzelner  Schriftsteller,  mag  er  auch  noch  so  bedeutend  sein,  eine  ganze 
Literatur   zu   bilden.    Trotz    des    Genies    eines    Dante,    eines    Shakespeare, 
eines  Cervantes,  trotz  der  köstlichen  Phantasien  eines  Rabelais  und  Mon- 
taigne hatte  keine  der  neueren  Sprachen  Meister  beschert,  die  alle  Literatur- 
l  gattungen    in    erwählten    Formen    vertraten.     Jetzt,    im    17.    Jahrhundert, 
!  wird  Frankreich  mit  seinen  Prosaikern  und  seinen  gleichzeitigen  Dichtern 
i  Griechenland  und  Rom  ebenbürtig. 

Das  französische  Theater  hat  jetzt  Anspruch  auf  den  ersten  Platz 
in  der  Welt  mit  drei  so  gewaltigen  und  tiefgründigen  Geistern,  wie  Pierre 
Corneille  (1606 — 1680),  Jean  Racine  (1639 — 1699)  und  Mohäre  (1622 — 1673). 
Es  geht  nicht  gut  an,  zu  sagen,  daß  sie  Shakespeare,  Äschylus  und  Aristo- 
phanes  überragen,  aber  es  genügt  vollständig  für  ihren  Ruhm,  daß  sie  mit 
ihnen  nahezu  auf  die  gleiche  Stufe  gestellt  werden  können.  Sie  haben  das 
Charakteristische  des  französischen  Geistes  und  besonders  auch  des  fran- 
zösischen Geistes  des  17.  Jahrhunderts,  eine  durch  Geschmack,  Ordnung 
und  Wohlklang  gelenkte  starke  und  nüchterne  Beredsamkeit.  Corneille 
ist  der  erste  mit  seinem  Cid  (1635),  dessen  jugendliches  und  hinreißendes 
Feuer  er  bis  zu  dieser  Gewalt  in  seinem  Alter  nicht  mehr  erreichte. 
Später  folgt  Racine,  der  in  einigen  seiner  Meisterwerke,  wie  Andromache 
(1667),  Britanniens  (1669)  und  besonders  auch  Phädra  (1677),  eine  tiefe 
EmpfängHchkeit  mit  einer  oft  verkannten  gewaltigen  tragischen  Wirkung 
zu  vereinen  weiß.  Nachher  hat  er  noch  Esther  und  Athalie  (1685)  ge- 
schrieben, religiöse  Bühnenwerke,  in  denen  sich  der  Stil  noch  immer 
mehr  geläutert  hat.  Vielleicht  noch  größer  als  die  beiden  Trauerspiel- 
dichter ist  Moli^re.  Er  ist  die  personifizierte  komische  Kraft  in  ihrer 
ganzen  unerschöpflichen,  frischen,  bilderreichen,  phantasievollen  und  kühnen 


Das  Königtum.  249 

Ausdrucksweise.    Er   gehört   wie   Shakespeare   allen   Zeitaltern   und   allen 
Völkern. 

Pascal  ist  nicht  nur  ein  genialer  Mathematiker  und  hervorragende! 
Physiker,  er  ist  auch  noch  ein  ebenso  kräftiger  wie  bitterer  erstklassiger 
Satiriker  (Provinciales  =  Briefe  aus  der  Provinz  1656),  ein  eindringender 
Moralist  (Pensees  =  Gedanken).  Zwischen  Pascal  (161 3 — 1662),  LaBruy^re 
(1645 — 1698)  und  La  Rochefoucauld  (1613 — 1680)  ist  wirklich  kaum  eine 
Entscheidung  möglich:  alle  drei  sind  schöpferische  Kräfte  gewesen,  denen 
die  französische  Sprache  ihre  wesentlichen  Eigenschaften  zu  verdanken 
hat:  die  Bestimmtheit  und  Genauigkeit  des  Bildes  sowie  die  Klarheit, 
die   den   echten    Ideen   soviel   Kraft   gibt. 

La  Fontaine  (1621 — 1696)  ist  ein  verehrungswerter  Dichter,  der  auch 
allzeit  verehrt  worden  ist  und  in  der  Weltliteratur  einzig  dasteht.  Bossuet 
endlich  (1627 — 1704)  spiegelt  aus  seinen  Schriften  dieselbe  erhabene  Bered- 
samkeit wieder,  die  er  in  seinen  Reden  gezeigt  hat. 

Diesen  gegenüber  sind  alle  übrigen  nur  zweiten  Ranges,  aber  jenes 
Zeitalter  ist  so  fruchtbar,  daß  auch  schon  diese  zweitklassigen  Schrift- 
steller in  jeder  anderen  Zeit  zu  ihrer  Verherrlichung  genügen  würden: 
Bourdaloue  (1632 — 1704),  Frau  von  Sevigne  (1626 — 1696),  F^nelon  (1651 
bis  1715),  Boileau  (1636 — 171 1),  Regnard  (1655 — 1709). 

Nur  das  Zeitalter  des  Perikles  ist  in  dem  geradezu  mit  Blitzesschnelle 
erfolgten  gleichzeitigen  Emporblühen  so  vieler  schöner  literarischer  Talente 
dem  damaligen  vergleichbar,  das  daher  wohl  mit  einem  gewissen  Recht 
als  das  Zeitalter  Ludwigs  XIV.  bezeichnet  wird.  Denn  wenn  auch  aner- 
kannt werden  muß,  daß  weder  Corneille  noch  La  Rochefoucauld  noch 
Pascal  Ludwig  XIV.  irgend  etwas  zu  verdanken  haben,  so  ist  doch  immerhin 
der  Einfluß  dieses  Königs  auf  die  andern  (Moli^re,  Racine,  Bossuet)  so 
stark  gewesen,  daß  es  nicht  ungerecht  ist,  das  Aufblühen  der  französischen 
Literatur  mit  dem  Namen  des  großen  Königs  zu  verknüpfen. 

Aber  so  sehr  auch  die  Literatur  alles  bis  dahin  Dagewesene  überragt 
hat,  die  Kunst  dieser  Zeit  ist  nur  mittelmäßig  gewesen.  Wie  arm  sind  doch 
die  künstlerischen  Entwürfe  eines  Charles  Lebrun  (1619 — 1690)  und  eines 
Nicolas  Poussin  (1594 — 1665)  neben  denen  der  flämischen  und  italienischen 
Schule!  Wie  kalt  die  Baukunst  von  Versailles  neben  der  der  gotischen 
Kirchen  oder  der  der  wunderbaren  Schlösser  der  Renaissance! 

Die  Wissenschaften  machen  keine  sehr  großen  Fortschritte.  Descartes, 
Fermat,  Pascal  stehen  außerhalb  dieses  Zeitalters.  Literarische  Bestre- 
bungen übten  ein  drückendes  Übergewicht  über  alles  übrige  geistige 
Leben  aus. 


25o  Sechstes  Buch. 


Außerhalb  Frankreichs  ist  in  der  zweiten  Hälfte  des  17,  Jahrhunderts 
überhaupt  keine  hervorragende  Leistung  auf  dem  Gebiete  der  Malerei 
zu  verzeichnen,  gehören  doch  Rubens,  Rembrandt,  Hals,  van  Dyck  einer 
andern  Zeit  an.  Auch  ist  hier  die  Literatur  kaum  glänzender.  Wohl 
aber  können  hier  auf  dem  Gebiete  der  Wissenschaft  drei  große  Namen 
genannt  werden :  der  Deutsche  Leibniz,  der  Engländer  Newton  und  der 
Holländer  Huyghens. 

Gottfried  Leibniz  (1646— 1716)  und  Isaac  Newton  (1642 — 1729)  streiten 
sich  um  die  Ehre,  die  Integralrechnung  erdacht  zu  haben  (1700).  Diese 
wunderbare  Methode,  die  das  unendlich  Kleine  im  Räume  wie  in  der  Zeit 
der  Berechnung  unterwirft,  eröffnet  der  Algebra  und  der  Geometrie 
ungeahnte  Hilfsquellen.  Doch  es  hat  nach  allem  den  Anschein,  als  ob  die 
zeitliche  Priorität  für  die  Erfindung  der  Integralrechnung  Leibniz  gebühre. 
Dieser  Mathematiker  von  Genie  war  zu  gleicher  Zeit  ein  ebenso  gewaltiger 
wie  selbständiger  Philosoph.  Ja,  er  war  seiner  Zeit  so  weit  voraus,  daß 
er  den  Gedanken  an  eine  einheitliche  Weltsprache  und  den  dauernden 
Frieden  zwischen  den  Völkern  zu  fassen  und  weiterzubilden  wagte. 

Newton  baute  die  Lehre  von  der  reinen  Bewegung  vollkommen  neu 
auf  und  faßte  in  klarer  und  einfacher  Weise  das  große  Grundgesetz  der 
allgemeinen  Schwerkraft.  Es  ist  dies  die  Kraft,  die  den  Fall  der  Körper 
zustande  bringt,  und  auch  die  gleiche,  die  unsern  Planeten  um  die  Sonne 
und  hinwiederum  den  Mond  um  unsere  Erde  im  schwebenden  Gleichgewicht 
erhält  *.  Derselbe  Newton  hat  weiter  durch  das  Prisma  das  Sonnenlicht 
in  seine  einfachsten  Bestandteile  zu  zerlegen  gewußt  und  in  einer  pracht- 
vollen Schrift  die  Grundgesetze  der  Optik  aufs  genaueste  und  bündigste 
bestimmt. 

Neben  Leibniz  und  Newton  gebührt  auch  noch  ein  nahezu  ebenbürtiger 
Platz  dem  Holländer  Christian  Huyghens  (1629 — 1695),  der,  ohne  gerade 
grundlegende  Entdeckungen  zu  machen,  doch  durch  sein  glänzendes  Genie 
die  schwierigsten  Fragen  aus  dem  Gebiete  der  Mathematik,  der  Optik 
und  der  Mechanik  untersuchte  und  der  von  Newton  aufgestellten,  für  die 
Dauer  unhaltbaren  Ausströmungstheorie  (Emanationstheorie,  Emissions- 
theorie) mit  Erfolg  die  Wellentheorie  (Undulationstheorie)  gegenüber- 
stellte, die  noch  in  der  allerjüngsten  Vergangenheit  die  alleinige  Anerken- 
nung fand. 

Doch  trotz  alledem,  trotz  Newton,  trotz  Leibniz,  trotz  Huyghens,  trotz 
der    Gründung    einer    Akademie    der    exakten    Wissenschaften    {Academie 


*  Vgl.   Wilhelm  Foerster  in  der   hier  S.    12  angeführten  Abhandlung  S.   18. 


Das  Königtum.  a5i 


des  Sciences)  zu  Paris,  einer  Akademie  zu  Leipzig,  der  Royal  Society  zu 
London,  trotz  des  Journal  des  Savants  (Paris),  der  Acta  eruditorum 
(Leipzig),  der  Philosophical  Transactions  (London),  hat  das  17.  Jahrhundert 
in  seiner  zweiten  Hälfte  gleichwohl  weniger  wissenschaftlichen  Glanz 
gezeigt  als  in  dem  ersten  Teile  seines  Verlaufs,  wo  es  Namen  wie  Galilei, 
Bacon,  Pascal,  Descartes  und  Harvey  zierten. 


Während  noch  der  europäische  Bund  Ludwig  XIV.  einige  Fetzen 
seiner  ältesten  Eroberungen  zu  entreißen  suchte,  ging  es  in  Nordeuropa 
durch  die  Launen  zweier  trotz  eines  ihnen  gemeinsamen  hohen  Maßes 
angeborener  Roheit  im  übrigen  sehr  unähnlicher  Herrscher  drunter  und 
drüber;  es  waren  das  der  König  Karl  XII.  von  Schweden  und  der  Kaiser 
von  Rußland,  Peter  der  Große.  Von  diesen  beiden  Nebenbuhlern  hat  der 
eme  ein  dauerndes  Werk  hinterlassen,  während  der  andere  umgekehrt  das 
Unglück  seines  Landes  gewesen  ist.  Peter  der  Große  ist  der  Begründer 
und  Karl  XII.   der   Zerstörer   seines   Reiches  geworden. 

In  dem  Augenblick,  wo  Karl  auf  den  Thron  kam  (1697),  war  Schweden 
in  einem  blühenden  Zustande.  Gustav  Adolf,  der  große  Feldherr,  hatte 
ihm  ein  Heer  und  Karl  XI.  (1660 — 1697)  gesunde  Finanzen  geschaffen. 
Im  Besitze  von  Livland  und  ungestört  in  der  Herrschaft  über  die  gesamte 
Ostsee,  durch  die  starken  Bande  glühender  Religiosität  und  treuer  Anhäng- 
lichkeit zur  Monarchie  seitens  seiner  wackeren  Landeskinder  geeint,  war 
Schweden    eine    Macht    ersten    Ranges. 

Karl  XII.  erregte  fast  den  Anschein,  mit  einer  gewissen  Absicht  seine 
ganze  Kraft  auf  die  Schwächung  seines  Landes  zu  setzen.  Er  begann  mit 
Dänemark  und  Rußland  Krieg  zu  führen  und  trug  zunächst  mühelose 
Triumphe  davon.  Dänemark  streckte  sogleich  die  Waffen,  und  auch 
die  Russen  wurden  bei  Narwa  vollständig  besiegt  (1700).  Diese  setzten 
aber   den   Krieg   fort. 

Doch  nun  warf  sich  der  über  die  Russen  siegreich  gebliebene  Karl  XII. 
zunächst  auf  die  Polen,  und  auch  da  ging  er  vorläufig  noch  als  Sieger 
hervor.  Trotz  eines  aus  Sachsen,  Polen  und  Russen  bunt  zusammen- 
gewürfelten starken  Heeres  wurde  August  von  Sachsen,  der  zugleich  König 
von  Polen  war,  bei  Riga  besiegt  (1701).  Das  schwedische  Heer 
drang  nun  in  Warschau  ein,  ebenso,  nach  einem  Siege  bei  Klissow,  in 
Krakau  (1702),  und,  nach  einem  Sieg  bei  Pultusk,  in  Posen  und  Thorn 
(1703).  Da  setzte  der  nun  allmächtig  gewordene  König  von  Schweden  an 
Stelle  Augusts  von  Sachsen  Stanislaus  Leszczynski  zum  Könige  von  Polen 


>52  Sechstes  Buch. 


ein.  Hierauf  zog  er  in  immer  weiterer  Siegeslaufbahn  nach  Sachsen,  dessen 
erschrecktem  König  er  den  Frieden  diktierte  (1707).  Es  war  die  Zeit, 
wo  sich  ganz  Europa  zum  Kampfe  gegen  Ludwig  XIV.  verbunden  hatte. 
So  war  Karl  XII.,  der  unbesieglich  schien,  der  Schiedsrichter  des  in 
zwei  Teile  gespaltenen  Europas  geworden.  Solche  Antrittsvorstellungen 
von  Eroberern  haben  noch  immer  durch  ihren  eigentümlichen  Glanz 
geblendet  1 

Karl  XII.  hielt  sich  für  einen  zweiten  Alexander.  Anstatt  erst  seine 
Eroberungen  zu  sichern,  wollte  er  nun  gleich  wieder  neue  unternehmen 
und  das  weite  und  öde  Rußland  unterwerfen.  Er  setzte  über  den  Njemen 
und  überwand  den  schwierigen  Beresinastrom,  aber  ebenso  wie  später 
über  einen  anderen  Eroberer  triumphierte  auch  hier  russische  Beharr- 
lichkeit im  Verein  mit  ihren  beiden  mitverschworenen  Kampfgefährtinnen, 
der  Kälte  und  der  Entfernung.  Trotz  der  Unterstützung  durch  die  Kosaken 
der  Ukraine  und  ihres  Hetmans  Mazeppa  wurde  Karls  XII.  durch  die 
gewaltigen  Eilmärsche  und  einen  strengen  Winter  geschwächtes  Heer 
bei  Pultawa  bis  auf  die  letzten  Reste  vernichtet  (1709).  Das  militärische 
Übergewicht  Schwedens,  das  Europa  einen  Augenblick  in  Erstaunen 
gesetzt  hatte,   war  endgültig  beseitigt. 

Lange  noch,  d.  h.  volle  fünf  Jahre,  hielt  sich  Karl  XII.  als  Flüchtling 
ohne  alle  Soldaten  und  Geldmittel  bei  den  Türken  im  Verborgenen  auf 
und  versuchte  von  hier  aus  zunächst  seine  Niederlage  möglichst  wieder 
gutzumachen  und  dann,  so  recht  seiner  politischen  Unbeständigkeit  ent- 
sprechend, sich  sogar  mit  dem  Zaren  wieder  auszusöhnen.  Doch  plötzlich 
kehrte  er  in  seine  Länder  zurück  und  wandte  sich  von  hier  aus  gegen 
Norwegen  und  Dänemark,  um  bei  der  Belagerung  von  Bergen  sein 
Ende  zu  finden  (17 18).  Auch  noch  nach  seinem  Tode  mußten  die  Schweden 
über  ihr  armes  Land  einen  verheerenden  Einfall  der  Russen  ergehen  lassen 
und  diese  bis  nach  Stockholm  vordringen  sehen,  worauf  ihnen  nichts 
weiter  übrig  blieb  als  Frieden  zu  schließen  und  um  diesen  Preis  bei  den 
Verhandlungen   zu   Nystädt   ihre    Ostseeprovinzen   aufzugeben    (1721). 

Karl  XII.  gehört  zu  jenen  offenen,  ja  geradezu  kindlichen  Naturen, 
die  so  leicht  zu  verstehen  sind.  Er  liebte  den  Krieg  um  des  Krieges  willen; 
der  Krieg  war  die  Zerstreuung,  die  er  suchte,  ohne  sich  viel  darum  zu 
kümmern,  welche  Leiden  ein  solcher  auch  im  Gefolge  haben  müsse.  Er 
war  tapfer,  starrköpfig  und  jemand,  der  blindlings  in  sein  Unglück  rannte. 

In  den  ersten  Jahren  des  18.  Jahrhunderts  entwickelte  sich  Rußland 
zu  einem  großen  zivilisierten  Volke:  ein  außergewöhnlich  rasches  Empor- 
steigen  eines   bis   dahin   gespaltenen,    ungesitteten   und   ohnmächtigen   ge- 


Das  Königtum.  263 


samten  Volkes.  Zar  Alexei  (1645 — 1676)  und  seine  Tochter  Sophie,  die 
erst  später  auf  den  Thron  kam  (1682 — 1689),  hatten  wohl  schon  bisweilen 
flüchtig  daran  gedacht,  in  Moskau  westeuropäische  Einrichtung3n  und 
Sitten  einzuführen.  Aber  so  etwas  blieb  doch  ganz  bedeutungslos  neben  dem 
von  ihrem  genialen  Nachfolger  Peter  dem  Großen  (1689— 1725)  geleisteten 
Werke. 

Peter  Alexejewitsch  Romanow  war  erst  zehn  Jahre  alt  (geb.  1672),  als 
sein  ältester  Bruder  Zar  Feodor  III.  (1675 — 1682)  starb.  Er  war  von  Hause 
aus  nicht  zur  Regierung  bestimmt,  hatte  er  doch  noch  zwischen  sich  und 
Feodor  einen  älteren  Bruder  Iwan.  Nun  war  Sophie,  die  gemeinsame  Schwe- 
ster aller  dieser  drei,  nicht  etwa  gesonnen,  sich  so  einfach  von  der  Regie- 
rungsgewalt ausschließen  zu  lassen.  So  mußte  Peter  seine  Jugend  fern  vom 
Thron  im  Auslande  verleben,  wo  er  Deutsch  und  Holländisch  lernte,  sich  für 
die  Marine  und  Kriegsangelegenheiten  begeisterte  und  alles  Neue  kennen  zu 
lernen  und  zu  erfahren  strebte,  schon  damals  grob,  roh  und  auffahrend.  Um 
sich  den  Kaiserthron  zu  erhalten,  war  das  erste,  was  er  nach  seinem  Regie- 
rungsantritt tat,  daß  er  sich  der  Treue  seiner  Soldaten  versicherte  und  seine 
Schwester  Sophie  einsperren  ließ  (1689),  Als  bald  darauf  einige  Be- 
schwerden laut  wurden,  erstickte  er  dieselben,  noch  ehe  es  zu  einem  wirk- 
lichen Aufstande  kam,  in  Strömen  Blutes  (1697).  Von  diesem  Augenblick  an 
bis  zu  seinem  Tode  gab  es  in  dem  gewaltigen  Zarenreiche  niemanden, 
der  mit  einem  Worte  oder  auch  nur  mit  einer  Gebärde  seinem  Willen 
oder  auch  nur  seiner  Laune  zu  widersprechen  gewagt  hätte. 

Das  damalige  Moskowien  hatte  eine  weit  geringere  Ausdehnung  als  das 
heutige  Rußland.  Es  war  im  Westen  von  Polen,  im  Nordwesten  von 
dem  damals  Schweden  untertänigen  und  von  deutschen  Lutheranern  be- 
wohnten Livland  begrenzt.  Im  Süden  wohnten  unabhängig  die  unkulti- 
vierten Kosaken  und  die  Türken  als   Herren  der   Krim. 

Gegen  alle  diese  Nachbarn  unternahm  Peter  Kriege,  die  zwar  im  Anfang 
nicht  recht  glücklich  verlaufen  wollten,  doch  später  dank  seiner  unbeug- 
samen Beharrlichkeit  eine  günstige  Wendung  nahmen.  Nach  seiner  Nieder- 
lage bei  Narwa  hatte  er  ja  schon,  wie  wir  gesehen  haben,  über  Karl  XII. 
bei  Pultawa  jenen  glänzenden  Sieg  davongetragen,  der  ihm  die  Ostsee- 
provinzen eintrug.  Darauf  wandte  er  sich  gegen  die  Türken  und  drang 
in  die  Donauländer  ein,  wo  Moldauer,  Serben,  Rumänen  unter  der  Ober- 
hoheit der  Ottomanen  standen,  ohne  ihnen  unmittelbar  untertänig  zu  sein. 
Tollkühn  rückte  er  gegen  Jassy  vor.  Aber  sein  an  sich  schon  kleines  Heer, 
das  durch  den  überwältigenden  Sieg  des  gewaltigen  Türkenheeres  noch 
immer  stärker  zusammengeschmolzen  war,  wurde  nun  vollständig  einge- 
schlossen (1711).  Es  wäre  das  sicher  Peters  Untergang  gewesen,  wäre  nicht 


2^4  Sechstes  Buch. 


seine  Gemahlin  Katharina  mit  ihrer  außergewöhnlichen  Kaltblütigkeit  auf 
den  guten  Einfall  gekommen,  den  Großwesir  Baltadji,  der  das  türkische 
Heer  befehligte,  mit  ihren  Kleinodien  zu  bestechen  und  dadurch  von  ihm 
den  Frieden  zu  erkaufen,  der  nun  am  Pruth  unterzeichnet  wurde.  Auf 
Grund  desselben  wurde  dem  Zaren  mit  seinem  besiegten  Heere  freier 
Abzug  mit  kriegerischen  Ehren  bewilligt  und  kam  ferner  Asow  an  die 
Türkei  zurück.  Es  bedeutete  das  den  vollkommenen  Verlust  des  Krieges, 
war  aber  die  einzig  mögliche   Rettung. 

In  Wirklichkeit  gab  dann  Peter,  als  er  erst  einmal  seine  Freiheit  wieder- 
erlangt hatte,  keineswegs  Asow  heraus,  und  die  nun  mit  der  Eroberung 
Moreas  beschäftigten  Türken  versuchten  auch  nicht  etwa  die  Krim  wieder- 
zuerlangen. 

Da  kam  er,  jeder  Sorge  um  die  Feinde  enthoben,  auf  den  glück- 
lichen Gedanken,  sein  Reich  zu  befestigen.  Mit  dem  Weißen  Meere  bei 
Archangelsk,  mit  der  Ostsee  bei  Livland,  mit  dem  Asowschen  Meere  bei 
Asow  hatte  er  genügend  Küstengebiete  und  Häfen,  um  sich  eine  gewaltige 
Seemacht  schaffen  zu  können.  Aber  das  genügte  ihm  noch  nicht,  und  so 
faßte  er  den  Plan,  an  der  Ostsee  eine  große  Stadt  zu  gründen,  die  gleich- 
zeitig ein  Handels-  und  Kriegshafen  wie  eine  Hauptstadt  sein  sollte. 
Als  Platz  für  diese  Neugründung  wählte  er  das  Sumpf  gebiet  an  der  Newa, 
das  dieser  Strom  bildet,  wenn  er  den  Ladogasee  verlassen  hat,  um  sich  in 
die  Ostsee  zu  ergießen,  eine  bde  und  schmutzige  Gegend,  deren  Wahl  für 
den  gerade  hier  so  schwierigen  Aufbau  der  Stadt  nicht  recht  erklärlich  ist. 
'  Mag  dem  sein  wie  ihm  wolle,  sie  wurde  gebaut,  und  es  erstand  die  Stadt 
Petersburg.  Aus  allen  Teilen  Rußlands  wurden  Tausende  und  aber  Tau- 
sende herbeigeholt,  Leibeigene,  Soldaten,  Kosaken,  Kalmücken,  die  alle 
meist  schon  unmittelbar  nach  ihrer  Ankunft  vor  Kälte  oder  Not  starben. 
Aber  da  die  Einwanderung  darum  nicht  weniger  weiterging,  wuchs  die 
Stadt  gleichwohl  immer  höher  empor  mit  ihren  großen  granitenen  Ufer- 
stegen, die  den  Strom  eindämmten  und  die  prächtigen  Bauten  vor  Über- 
schwemmungen  schützten. 

Mit  demselben  Zwange,  mit  dem  die  Stadt  erbaut  war,  wurde  sie 
auch  bevölkert.  Es  wurden  einfach  dreißigtausend  Bauern  auf  einen  Schlag 
dorthin  verbannt.  Bauten  und  Bevölkerung,  alles  war  willkürlich  und 
gewaltsam.  Petersburg  entspringt  ganz  ebenso  wie  Alexandria  der  Laune 
eines    Menschen    und    nicht    der    Notwendigkeit    der    Verhältnisse. 

In  den  ersten  Zeiten  seiner  Regierung  hatte  Peter  eine  lange  Reise 
durch  Europa  gemacht;  er  hatte  Deutschland,  Österreich  und  Frankreich 
aufgesucht,    sich   aber   besonders   in    Holland   und   England   aufgehalten. 


Das  Königtum.  255 


Von  hier  aus  kehrte  er  zu  seinen  Wilden  zurück,  um  ihnen  gegen  ihren 
Willen   als  ihr   Herr   und   Gebieter  grundlegende   Reformen   aufzunötigen. 

Rußland  war  bis  dahin  völlig  ohne  Heer,  ohne  Finanzen,  ohne  Marine, 
kurz  ohne  irgend  etwas.  Die  Unwissenheit  bei  allen  war  grenzenlos.  Das 
Volk,  abergläubisch  und  verblendet,  wie  es  war,  wollte  keine  Neuerung 
annehmen.  Doch  es  mußte  sie  gezwungenermaßen  über  sich  ergehen 
lassen.  Alles  war  ständisch  geordnet  und  durch  Verfügung  geregelt : 
Polizei,  Gericht  und  Finanzen.  Die  ZentraUsierung  wurde  hier  noch 
schlimmer  betrieben  als  im  Westen.  Das  Heer  wurde  nach  europäischem 
Zuschnitt  eingerichtet;  die  bis  dahin  unabhängigen,  in  den  Reihen  der 
Opposition  stehenden  Popen  mußten  sich  jetzt  den  Entschlüssen  des 
Herrn  und  Gebieters  unterwerfen.  Die  Adligen  mußten  der  Reihe  nach,, 
ganz  wie  in  Paris,  London  und  Wien,  Empfänge  von  einer  in  die  Augen 
fallenden  Pracht  veranstalten.  Sie  hatten  kaum  noch  ein  anderes  Vorrecht 
mehr  als  höchstens  die  Ehrenpflicht  des  Militärdienstes,  der  schwerer 
war    als    bisher. 

Zur  selben  Zeit  läßt  Peter  weiter  Fabriken  bauen,  Bergwerke  graben 
und  Wege  anlegen.  Er  beschäftigt  sich  mit  dem  Ackerbau,  und  seine 
Ukase  gehen  auf  die  geringfügigsten  Einzelheiten  zur  Unterweisung  in 
den  verschiedenen  Arten  des  Säens  und  Beackerns  ein.  Ausländer,  die 
fachkundiger  und  erfahrener  als  die  Russen  sind,  werden  zur  Leitung  der 
Kriegs-  und  Navigationsschulen  berufen.  Unermüdlich,  alles  überwachend, 
an  alles  denkend,  schafft  Peter  eine  Münze,  Krankenhäuser,  Druckereien, 
Museen,  eine  Akademie  der  Wissenschaften.  Alles  ist  neu.  Er  will  Ruß- 
land in  einem  Vierteljahrhundert  Wegstrecken  durchlaufen  lassen,  zu  deren 
Bewältigung  Westeuropa  vier  volle  Jahrhunderte  gebraucht  hatte. 

Natürlich  entrüsteten  sich  alle  älteren  Russen.  Diese  Einrichtungen, 
die  sie  deutsche  nannten,  erregten  ihr  Entsetzen,  Die  Entrüstung  stieg  aber 
aufs  höchste,  als  sie  die  Ausländer,  wie  beispielsweise  Lefort,  einen  Genfer, 
alle  bedeutenden  Staatsstellen  einnehmen  sahen.  Doch  unerschütterUch 
in  dem  einmal  gefaßten  Gedanken  ging  Peter  unbeirrt  seinen  schnur- 
geraden Weg  weiter.  Wenn  etwa  einmal  die  Ausstellungen  zu  lärmend 
wurden,  so  brachte;  er  sie  durch  Knute,  Landesverweisung  oder  Verurteilung 
zum  Tode  zum  Schweigen,  wobei  es  ihn  ebenso  gleichgültig  ließ,  wenn  die 
Widerspenstigen  sogar  aus  seiner  eignen  Familie  waren.  So  ließ  er  seinen 
Sohn  Alexei  zu  Tode  peitschen  und  unterdrückte  grausam  die  unbedeutende 
Verschwörung,  die  die  den  Reformen  abholden  Freunde  seines  Sohnes 
angezettelt  hatten.  Mit  Roheit  allein  hat  er  seinen  Untertanen  Bildung 
und  Gesittung  beigebracht,  aber  er  hat  sie  ihnen  immerhin  beigebracht. 


256  Sechstes  Buch. 


Auch  die  Kaiserinnen  und  die  Kaiser,  die  Peter  gefolgt  sind,  haben 
stets,  sogar  noch  zu  unserer  Zeit,  dieselbe  Staatsweisheit  beobachtet;  sie 
sind  alle  große  Reformatoren  gewesen,  die  in  den  Dienst  des  Fortschritts 
alle   Hilfsquellen   eines   erdrückenden   Despotismus   stellten. 

Zunächst  nun  folgte  Peter  dem  Großen  Katharina  I.  (1725 — 1727). 
Diese  kleine,  hübsche,  kecke  und  verschmitzte  deutsche  Dienstmagd  hatte, 
ehe  sie  Kaiserin  wurde,  die  allerverschiedenartigsten  galanten  Abenteuer 
zu  bestehen  gehabt,  wobei  sie  abwechselnd  und  von  Stufe  zu  Stufe 
emporsteigend  von  einem  gemeinen  Soldaten  an  einen  Leutnant,  von  einem 
Leutnant  an  einen  General  und  von  diesem  General  an  den  leitenden 
Minister  Menschikow  kam,  der  sie  schließlich  dem  Zaren  abtreten  mußte. 

Sie  starb  kurze  Zeit  nach  ihrem  kaiserlichen  Gemahl.  Ihr  folgte 
Peter  II.,  der  Sohn  Alexeis  (1727 — 1730).  Menschikow  wurde  nach  Sibirien 
verbannt.  Schon  im  Jahre  1730  kam  wieder  eine  Frau  auf  den  Thron. 
Dies  Jahrhundert  wurde  für  Rußland  das  Jahrhundert  des  Weiberregiments. 

Die  Niahte  Peters  des  Großen,  Anna  Iwanowna,  die  Herzogin  von 
Kurland,  setzte  die  deutsche  Überlieferung  fort  und  bevölkerte  den 
Hof  mit  Deutschen,  aber  vermehrte  gleichzeitig  die  Zahl  der  Todesstrafen, 
der  Foltern  und  der  Verbannungen.  Sie  starb  und  hinterließ  die  Regent- 
schaft ihrem  Günstling,  einem  deutschen  Stallknecht  namens  Biron.  Um 
einer  Palastintrige  willen  stürzte  der  dumme  Kerl.  Nun  wandte  sich 
Peters  des  Großen  Tochter  Elisabeth  an  die  Soldaten,  um  sich  als  Kaiserin 
ausrufen  zu  lassen.  Es  war  dies  genau  so-  wie  fünfzehnhundert  Jahre 
i  früher,  wo  es  die  Prätorianer  waren,  aus  deren  Händen  einem  Cäsar 
die    Kaiserwürde   zuteil    wurde. 


In  Frankreich  war  dem  König  Ludwig  XIV.  sein  Urenkel  Ludwig  XV. 
gefolgt,  ein  Knabe  von  fünf  Jahren.  Die  Regentschaft  wurde  dem  Herzog. 
Philipp  von  Orleans  überlassen,  der  sich  als  glänzender  Offizier  bewährt 
hatte.  Er  war  ein  Mann  von  42  Jahren,  geistreich,  zweifelsüchtig,  duldsam, 
nachsichtig,  ausschweifend,  gleichgültig  gegen  alles,  sogar  seine  eigenen 
Vergnügungen. 

Von  der  religiösen  Bedrückung  und  den  Kriegssorgen,  die  die  letzten 
Jahre  des  Großen  Königs  verdüstert  hatten,  befreit,  bekannten  sich  Bürger- 
tum wie  Adel  in  Frankreich  in  Nachahmung  des  Regenten  ganz  offen  als 
freidenkerisch  und  religionslos.  Das  Verfangen  nach  Prunk  und  Vergnügen 
wuchs  immer  mehr.  Ein  Schotte  namens  John  Law  war  auf  den  Gedanken 
gekommen,  eine  Ausgabe  von  Banknoten  oder  Kassenscheinen  als  Schuld- 


Das  Königtum.  267 

verschreibungen  auf  Ländereien  in  Amerika,  Kanada  und  Mississippi  zu 
veranstalten.  Eine  zügellose  Spekulation,  die  Abenteurer  aus  aller  Herren 
Länder  nach  Paris  herbeilockte,  trieb  die  Kurse  dieser  unseligen  Aktien  auf 
eine  schwindelhafte  Höhe,  auf  der  sie  sich  natürlich  auf  die  Dauer  nicht 
halten  konnten.  Law  und  sein  System  erlitten  einen  entsetzlichen  Zu- 
sammenbruch   (1720). 

Kurze  Zeit  hierauf  erreichte  Ludwig  XV.   seine   Großjährigkeit   (1723). 

Dieser  lässige  junge  Mann  fand  auch  nicht  den  mindesten  Geschmack 
an  dem  königlichen  Beruf,  für  den  sich  noch  sein  Urahn  so  leidenschaftlich 
begeistert  hatte.  Während  des  ganzen  Verlaufs  seiner  Regierung  (1723 
bis  1774)  ließ  er  seine  Minister  für  sich  regieren.  In  schamloser  Selbstsucht 
sah  er  allen  Nöten  und  Bedrängnissen  gleichgültig  zu,  die  sich  mit  immer 
lastenderem  Druck  auf  die  Monarchie  und  Frankreich  legten.  Im  Alter 
verfiel  er  auf  wüste  Ausschweifung.  Er  war  zwar  noch  nicht  der  schlimmste, 
aber   jedenfalls   der   verächtlichste   unter   allen    Königen   Frankreichs, 

Die  Anfänge  seiner  Regierung  waren  nicht  einmal  so  unglücklich. 
Kardinal  von  Fleury,  der  ihm  sechzehn  Jahre  ununterbrochen  als  Minister 
diente  (1726 — 1743),  wollte  den  Frieden.  Nun  ist  der  Friede  ein  so  kostbares 
Gut,  daß  selbst  jene  von  einem  so  gewissenlosen  Wüstling  wie  Philipp  von 
Orleans  und  einem  so  unbedeutenden  Greise  wie  Kardinal  von  Fleury  ge- 
leitete Regierung  durch  diese  ihre  Friedensliebe  alles  in  allem  für  Frank- 
reich eine  glückliche  gewesen  ist. 

Es  hat  darum  etwa  nicht  an  wiederholten  Gelegenheiten  gefehlt,  wo 
der  Friede  bedenklich  gefährdet  gewesen  ist.  Ludwig  XIV.  hatte  sich  ja 
jene  sonderbare  Vorstellung  gebildet,  daß,  um  Frankreich  das  spanische 
Bündnis  zu  sichern,  es  schon  genüge,  auf  der  andern  Seite  der  Pyrenäen 
einen  Bourbonen  auf  dem  Thron  zu  haben.  Nun  spann  Herzog  Philipp 
von  Anjou,  sobald  er  unter  dem  Namen  eines  Philipp  V.  auf  Spaniens 
Königsthron  gekommen  war,  anstatt  sich  auf  Frankreich  zu  stützen,  gegen 
dasselbe  die  schlimmsten  Ränke.  So  nahm  er  zum  Minister  Alberoni,  einen 
verschlagenen  Italiener,  den  Königin  Elisabeth  von  Spanien  aus  dem  Hause 
Farnese  aus  ihrer  Heimat  nach  Madrid  mitgebracht  hatte.  Im  Grunde 
war  dieser  allem  französischen  Einflüsse  feindhch  gesinnte  Alberoni  der 
wirkliche    Herr   und   Gebieter   Spaniens. 

In  England  hatten  Georg  I,  aus  dem  Hause  Hannover,  dem  erst  noch 
Königin  Anna  vorangegangen  war  (1714 — 1727),  und  Georg  II.  (1727 
bis  1760)  nicht  die  Macht  und  vielleicht  auch  nicht  einmal  den  Wunsch,  einen 
persönlichen  Einfluß  auszuüben.  Es  geschah  dies  nicht  etwa,  wie  in  Frank- 
reich und  in  Spanien,  weil  sich  ein  leitender  Minister  an  den  Platz  des  Königs 
17  Richet,  Geschichte  der  Menschheit 


258  Sechstes  Buch. 


gestellt  hätte,  sondern  vielmehr,  weil  jetzt  die  englische  Revolution  so 
recht  ihre  Früchte  trug.  Das  Haus  der  Gemeinen  hielt  die  Macht  fest 
in  seinen  Händen,  hatte  sich  doch  in  England  der  für  das  parlamentarische 
Regierungssystem  wesentlichste  Grundsatz,  die  Ministerverantwortlichkeit, 
so  langsam  eingebürgert  und  gerade  durch  diese  Langsamkeit  eine  uner- 
schütterliche Festigkeit  erlangt.  Nun  war  es  also  einem  Minister  nicht 
mehr  möglich,   ohne  Zustimmung  der   Kammern  zu  regieren. 

Georg  I.  und  Georg  II.  ließen  demzufolge  die  Whigs,  d.  h.  die  Partei 
der  Presbyterianer,  Kaufleute,  Geldmänner,  Gewerbetreibenden,  die  die 
Mehrheit  hatte,  die  Leitung  der  Geschäfte  übernehmen  und  auch  für  die 
Dauer  behalten.  Der  von  den  Whigs  im  Parlamente  gewählte  leitende 
Minister  war  nun  Walpole,  der  die  Regierungsgewalt  volle  zwanzig  Jahre 
innehatte  (1721 — 1741). 

Weder  die  Whigs  noch  der  Regent  noch  auch  Walpole  oder  Fleury 
wollten  den  Krieg.  Doch  sie  wurden  dazu  gezwungen.  Im  Jahre  17 18  waren 
die  Spanier  in  Sizihen  gelandet  und  hatten  sich  der  Insel  bemächtigt.  Das 
duldete  England  nicht.  Unter  der  Leitung  von  Admiral  Byng  sprengte 
die  englische  Flotte  die  der  Spanier  leicht  auseinander,  um  sie  gänzlich 
zu  vernichten.  Der  Regent,  der  nur  zwischen  dem  Bündnis  mit  Spanien 
und  dem  mit  England  zu  wählen  hatte,  entschied  sich  nun  für  England. 
Sogleich  bat  Philipp  V.  um  Frieden  und  entließ  Alberoni. 

Zehn  Jahre  später  wurde  Fleury  fast  gegen  seinen  Willen  in  den  soge- 
nannten Polnischen  Thronfolgekrieg  hineingezogen.  Der  Kurfürst  von 
Sachsen  und  König  von  Polen  August  II.  war  im  Jahre  1733  gestorben. 
Die  französische  Regierung  schlug  als  seinen  Nachfolger  Stanislaus  Le- 
szczynski  vor,  jenen  entthronten  König,  dessen  Tochter  Maria  Leszczynska 
inzwischen  die  Gemahlin  Ludwigs  XV.  geworden  war.  Österreich  und 
Rußland  unterstützten  August  III.  von  Sachsen.  Spanien  ging  mit  Frank- 
reich zusammen.  Aber  der  Krieg  wurde  auf  beiden  Seiten  nur  lässig 
geführt.  Im  Jahre  1736  wurde  in  Wien  der  Friede  unterzeichnet.  Ein 
Sohn  des  Königs  von  Spanien  bekam  das  Königreich  der  beiden  Sizilien, 
der  Herzog  von  Savoyen,  Victor  Amadeus  IL,  behielt  Sardinien,  das  er  im 
},  Jahre  1720  erlangt  hatte.  Toskana  fiel  dem  Herzog  Franz  Stefan  von 
Lothringen  als  Großherzogtum  zu,  dem  'zukünftigen  Gemahl  der  ispäteren 
Kaiserin  von  Österreich,  Maria  Theresia.  August  III.  bheb  König  von  Polen, 
König  Stanislaus  wurde  Herzog  von  Lothringen  mit  der  ausdrücklichen  Be- 
stimmung, daß  nach  seinem  Tode  Lothringen  an  Frankreich  fallen  solle. 

Österreich,  das  durch  diesen  Frieden  nichts  als  Demütigungen  emp- 
fangen hatte,  wandte  sich  nun  gegen  die  Türkei  (1737).    Aber  trotz  seines 


Das  Königtum.  25g 


Bündnisses  mit  Rußland  hatte  es  auch  nicht  den  geringsten  Erfolg.  Da 
spielte  Frankreich  den  Friedensvermittler.  Der  französische  Botschafter 
Villeneuve  wurde  zu  Konstantinopel  im  Triumph  empfangen,  um  hier  die 
Erneuerung  aller  bisherigen  Staatenverträge  mit  der  Türkei  durchzusetzen 

(1740). 

Das  Jahr  1740  ist  ein  bedeutungsvolles  für  die  Geschichte  der  verschie- 
densten Staaten  des  18.  Jahrhunderts.  Es  gibt  unter  ihnen  keinen  in  ganz 
Europa,  in  dem  nicht  ein  Regierungswechsel  eingetreten  wäre.  In  Österreich 
folgt  auf  Karl  VI.:  Maria  Theresia  (1740 — 1780),  in  Rußland  auf  Anna: 
Elisabeth  (1740— 1762),  in  Preußen  auf  Friedrich  Wilhelm  I.:  Friedrich  II. 
(1740 — 1786).  In  England  werden  die  Whigs  von  den  kriegslustigen 
Tories  verdrängt,  und  auf  Walpole  folgt  Pitt.  Daher  vermag  auch  in  Frank- 
reich der  hochbetagte  Fleury  den  Krieg  nicht  mehr  zu  hintertreiben.  Er 
stirbt  im  Jahre  1743,  und  die  Regierung  Ludwigs  XV,  steht  nun  im 
Begriff,  einen  Fehler  nach  dem  andern  zu  begehen. 

Im  Jahre  1740  hinterließ  der  deutsche  Kaiser  Karl  VI.  seiner  Tochter 
Maria  Theresia,  der  Gemahlin  Herzogs  Franz  Stefan  von  Lothringen,  ein 
weites  Ländergebiet  (Österreich,  Ungarn,  die  einstigen  Herzogtümer  Mai- 
land, Parma  und  Mantua  sowie  Belgien).  Doch  die  Kurfürsten  Karl  Albrecht 
von  Bayern  und  Friedrich  August  II.  von  Sachsen  und  noch  andere  Fürsten 
(die  Könige  Philipp  V.  von  Spanien  und  Karl  Emanuel  I.  von  Sardinien) 
legten  dagegen  Verwahrung  ein  und  erhoben  selber  Erbansprüche,  gleich 
als  ob  die  Völker  tote  Güter  wären,  die  sich,  wie  ein  Sack  mit  Talern,  von 
einem  Besitzer  auf  den  andern  übertragen  lassen. 

Es  war  von  vornherein  völlig  klar,  daß  eine  Regelung  der  Erbfolge 
nur  durch  Waffengewalt  zustande  kommen  werde.  Doch  Maria  Theresia, 
die  gesetzmäßige  Erbin,  bot  dem  Unwetter  die  Stirn.  Sie  war  kühn,  ent- 
schlossen und  wurde  von  fähigen  Ministern  unterstützt.  Allerdings  fand 
sie  einen  ihrer  würdigen  Gegner  in  dem  jungen  Preußenkönig  Friedrich  IL, 
der  gleichzeitig  mit  ihr  auf  den  Thron  gekommen  war.  Sie  war  23, 
Friedrich    22    Jahre    alt. 

Friedrich  IL  ist  eine  der  anziehendsten  Gestalten  der  Weltgeschichte. 
Er  war  wirklich  ein  sehr  großer  König  und  als  solcher  unter  den  Königen 
der  Einzige,  nicht  bloß  diesem  Ehrennamen  nach. 

Noch  im  Jahre  1648  war  sein  Ahn  Kurfürst  Friedrich  Wilhelm  von 
Brandenburg  nur  ein  unbedeutender  kleiner  deutscher  Fürst.  Erst  seit 
dem  Westfälischen  Frieden  konnte  dieser  seinem  Lande  Pommern  hinzu- 
fügen, sich  mit  einem  Hof  umgeben  und  ein  Heer  und  Finanzen  schaffen. 
Derselben     vorsichtig     abwägenden     Politik     folgte     auch     dessen     Sohn 

17* 


26o  Sechstes  Buch. 


Friedrich  III.  (1688 — 1713).  Er  erhielt  vom  Kaiser  Leopold  1.  den  Titel 
eines  „Königs  in  Preußen"  und  nannte  sich  nun  Friedrich  I.,  König  von 
Preußen  (1701  — 1713). 

Sein  Sohn  Friedrich  Wilhelm  I,  (1713— 1740),  war  ein  sehr  eigenartiger 
Mann,  Grob  und  barsch,  dabei  fromm,  war  er  von  zwei  einfachen  und 
richtigen  Vorstellungen  geleitet,  nämlich  erstens,  daß  für  einen  Herrscher 
das  wesentlichste  ist,  ein  gewaltiges  Heer  zu  seiner  Verfügung  zu  haben, 
und  ferner,  daß,  um  ein  gewaltiges  Heer  zu  haben,  vor  allen  Dingen 
Geld  da  sein  muß.  So  war  er  denn  auch  von  einem  schmutzigen  Geize  und 
sah  nur,  wenn  es  sich  um  seine  Soldaten  handelte,  nicht  auf  den  Kosten- 
punkt. 

Dieser  Soldatenkönig  war,  so  vernarrt  er  auch  in  sein  Heer  war,  gleich- 
wohl kein  kriegslustiger  König.  Er  glich  jenen  Kindern,  die  ein  von  ihnen 
bewundertes  Spielzeug  nicht  zu  berühren  wagen  und  stets  in  Furcht  sind, 
es  zu  beschädigen,  und  so  brachte  er  seine  Zeit  damit  hin,  zwar  die  Aus- 
hebung, die  Bewaffnung,  die  Bekleidung  und  die  Manöver  seiner  Truppen 
immer  mehr  zu  vervollkommnen,  ohne  diese  aber  gleichwohl  in  wirkliche 
Schlachten  zu  führen. 

Im  übrigen  rührig,  auf  alle  Angelegenheiten  seines  Königreiches  bis 
ins  kleinste  aufmerksam,  aber  Frauen,  Beamten,  Gelehrten,  Künstlern 
und  allem  gram,  was  kein  Militär  war,  war  er  der  Hauptbegründer  der 
preußischen  Monarchie. 

Dieser  König,  der,  wie  einst  Philipp  dem  Alexander,  seinem  Sohne 
blühende  Finanzen  und  ein  starkes  Heer  zu  hinterlassen  verstand,  war 
aber  auch  neben  den  vielen  andern  diesem  seinem  eignen  Sohne  gram.  Er 
schalt  ihn,  ließ  ihn  einsperren,  schlug  ihn  und  drohte  ihm  mit  dem  Tode. 
Zwar  hat  der  große  Friedrich  an  sich  seinem  Vater  so  mancherlei  zu  ver- 
danken, doch  hat  natürlich  seine  Dankbarkeit  durch  die  Festungsjahre 
und  Stockschläge  erheblichen  Abbruch  gelitten. 

Der  Gegensatz  zwischen  Vater  und  Sohn  war  wirklich  außerordentlich 
groß.  Friedrich  II.  war  nichts  weniger  als  der  fromme  und  gottesfürchtige 
Haudegen,  der  sein  Vater  war.  Er  liebte  die  Künste,  die  Musik  und  den 
Umgang  mit  Philosophen  und  hatte  eine  Verehrung  für  alles,  was  fran- 
zösisch war.  Geistreich,  von  beißendem  Spott,  spaßlustig  und,  wenn  er 
wollte,  bezaubernd,  glaubte  er  an  nichts  und  bekannte  sich  zum  Atheismus. 
Mit  einer  hohen  und  leichten  Auffassungskraft  begabt,  huldigte  er  für 
seinen  ureigensten  Privatgebrauch  einer  realistischen  Auffassung,  ohne  sich 
in  seiner  außerordentlichen  Zurückhaltung  andern  gegenüber  aus  den 
Aussprüchen   seiner  -Lieblingsphilosophen  auch    nur  einen  menschenfreund- 


Das  Königtum.  26 1 

liehen  Gesichtsausdruck,  ja  auch  nur  eine  menschenfreundhche  Hand- 
bewegung anzueignen.  Er  verachtete  die  Menschen  und  ganz  besonders 
die  Frauen.  Irgendein  Bedenken  war  ihm  ebenso  fremd  wie  irgendein 
Laster.  Ein  sehr  großer  König  von  unbeugsamer  Arbeitskraft  und  eiserner 
Beharrlichkeit,  den  weder  Schicksalsschläge  entmutigen  noch  Erfolge  ver- 
wirren konnten!  Kein  zweiter  Eroberer  aber  hat  sich  so  wie  dieser  auf 
seinem  Eroberungszuge  zu  beherrschen  und  kein  zweiter  absoluter  Herr- 
scher so  wie  dieser  die  Fehler  des  Absolutismus  zu  vermeiden  verstanden! 
Damit  hing  auch  seine  Stellung  zu  Krieg  und  Frieden  zusammen ;  sie  bildete 
einen  der  wenigen  Züge  seines  Wesens,  in  denen  er  seinem  Vater  glich;  auch 
er  war  Soldatenkönig  und  doch  nicht  einseitig  kriegslustig  *  I 

Für  Wissenschaft  und  Kunst  gleichmäßig  eingenommen,  gründete  er 
Akademien  und  Museen.  Er  führte  in  Preußen  die  allgemeine  Schulpflicht 
ein.  Ein  ebenso  neues  wie  kühnes  Unterfangen !  Obwohl  aus  innerster  Seele 
eine  Soldaten-  und  Kriegernatur,  hat  er  doch  niemals  wesentliche  Interessen 
des  Bürgertums  irgendwelchen  militärischen  Anmaßungen  geopfert!  Eine 
besondere  Liebe  empfand  er  ebensowenig  für  das  Volk  wie  für  den  Adel 
oder  sonst  jemanden!  Sein  Handeln  wurde  ausschließlich  von  Verstandes- 
rücksichten bestimmt,  und  sein  ausgetrocknetes  und  mitleidloses  Herz  war 
keinerlei  Illusion  fähig!  Manchmal  vermißt  man  wohl  bei  ihm  ein 
wenig  Weichheit  und  Wohlwollen,  Aber  mit  Weichheit  und  Wohlwollen 
wäre  sicher  der  Bau,  den  er  aufgeführt  hat,  nicht  so  stark  geworden  und 
nicht  jenes  lebenskräftige,  kernige,  steifnackige  und  unerbittliche  Preußen 
entstanden. 

So  sah  der  Herrscher  aus,  der  keinen  Geringeren  als  Kaiserin  Maria 
Theresia  als  feindliches  Hindernis  auf  seinem  Wege  finden  sollte.  Er 
zögerte  nicht  lange  sie  anzugreifen;  ohne  etwa  weiter  groß  nichtige  Vor- 
wände geltend  zu  machen,  rückte  er,  bevor  irgend  jemand  etwas  ahnen 
konnte,  in  Schlesien  ein,  das  damals  noch  in  seinem  ganzen  Umfange  eine 
österreichische  Provinz  war  (1741).  Die  französische  Regierung  hatte 
sich,  von  jeher  ihrem  alten  Schlendrian  getreu,  gegen  Maria  Theresia 
erklärt,  Spanien  nicht  anders.  England  und  Sardinien  hingegen  nahmen 
für  Österreich  Partei,  und  so  wurde  der  Krieg  ein  allgemeiner.  Walpole  und 
Fleury  lebten  nicht  mehr,  um  friedlichen  Vergleichen  größeren  Nachdruck 
zu  verschaffen. 

Der  Krieg  beschränkte  sich  nicht  etwa  bloß  auf  das  Festland;  es  gab 
auch    auf  dem  Meere  kaum    ein  Gebiet,  wo    er  sich  nicht  abspielte.     Mit 


♦  Vgl.    S.    292    Nachtrag. 


262  Sechstes  Buch. 


ihrer  Bewunderung  und  Schrecken  einflößenden  Zähigkeit  gab  die  enghsche 
Seemacht  schon  damals  ein  würdiges  Vorspiel  zu  jenem  jahrelangen, 
ununterbrochenen,  unerbittlichen  Ringen  mit  ihrer  französischen  Mit- 
bewerberin um  die  Oberherrschaft  auf  der  See,  einem  Ringen,  das  schließ- 
lich mit  der  dauernden  Überlegenheit  Englands  endigen  sollte. 

Auf  dem  Festlande  hingegen  waren  die  Engländer  weniger  glücklich. 
Sie  wurden  bei  Fontenoy  in  Belgien  geschlagen  (1745).  Kurfürst  Moritz  von 
Sachsen,  der  fähige  Feldherr  des  französischen  Heeres,  gewann  noch 
manche  Schlacht.  Friedrich  führte  in  Böhmen  und  Sachsen  einen  höchst 
sachgemäßen  Feldzug,  ohne  jedoch  ein  greifbares  militärisches  Ergebnis  zu 
erreichen.  Ludwig  XV.,  dessen  schwankenden  Willen  bereits  Frau  von 
Pompadoui  leitete,  ließ  es  sich  nicht  weiter  angelegen  sein,  den  Krieg  un- 
nütz in  die  Länge  zu  ziehen.  Es  kam  daher  bald  der  Friede  zu  Aachen  zu- 
stande: Preußen,  das  eigentlich  im  Grunde  das  besiegte  war,  behielt  Schle- 
sien, Frankreich  aber,  obwohl  überall  siegreich,  gewann  in  den  Niederlanden 
ebensowenig  wie  in  Italien  auch  nur  das  geringste  (1748). 

So  war  nach  diesem  traurigen  Kriege  und  diesem  noch  traurigeren  Frie- 
den der  einzige  Triumphator  König  Friedrich  von  Preußen.  Er  behauptete 
Schlesien;  er  hatte  sich  eine  für  die  Geschicke  Europas  entscheidende 
Stellung  errungen;  er  war  in  Deutschland  volkstümlich  und  in  Frankreich 
berühmt  geworden.  Insbesondere  hatte  er  gelernt,  bei  der  Beurteilung  der 
Heere,  die  ihm  die  beiden  mit  ihm  wetteifernden  Monarchien  im  gegebenen 
Falle  entgegenstellen  konnten,  der  unheilbaren  Schwäche  eines  jeden  von 
ihnen  beiden  einen  ausschlaggebenden  Platz  anzuweisen;  er  entdeckte  in 
dem  österreichischen  Heere  jene  Abenteurer,  die  jeder  Mannszucht  ent- 
behrten und  stets  je  nach  den  Umständen  zur  Fahnenflucht  oder  zur  Plün- 
derung bereit  waren,  in  dem  französischen  jene  noch  weniger  an  Manns- 
zucht gewohnten  Soldaten  unter  dem  Oberbefehl  von  Hofschranzen,  die  es 
allein  ein  paar  der  Frau  von  Pompadour  gewidmeten  galanten  Versen  zu 
verdanken  hatten,  wenn  sie  Generale  geworden  waren. 

König  Ludwig  XV.,  der  bisher  mit  Friedrich  verbündet  gewesen  war, 
um  Maria  Theresia  zu  bekämpfen,  verband  sich  nun  umgekehrt  mit  Maria 
Theresia  gegen  Friedrich.  So  entstand  der  Siebenjährige  Krieg  (1756  bis 
1763). 

Niemals  war  ein  Herrscher  mehr  Gefahren  ausgesetzt  als  Friedrich  im 
Anfang  dieses  Krieges.  Gegen  ihn  Frankreich,  Österreich,  Rußland,  Sach- 
sen, Schweden  und  Spanien.  Sein  einziger  Verbündeter  war  England.  Aber, 
so  leidenschaftlich  auch  die  hannoversche  Frage  den  englischen  König 
Georg  II.   interessierte,    so  kümmerte   sich   doch   sein  Volk  nicht  allzuviel 


Das  Königtum.  263 


darum,  welche  Wendungen  der  Festlandkrieg  nehmen  würde.  Es  begnügte 
sich  vielmehr  damit,  Frankreichs  und  ebenso  Spaniens  Seemacht  und  An- 
siedelungen planmäßig  zugrvmde  zu  richten. 

Auf  dem  Festlande  blieb  also  Friedrich  allein,  hatte  es  aber  umgekehrt 
selbst  mit  drei  Gegnern  auf  einmal  zu  tun,  die  durch  eine  bittere 
Ironie  des  Schicksals  wie  ihm  zum  Hohne  nun  auch  noch  alle  drei  ohne 
Ausnahme  Frauen  sein  mußten,  nämlich  mit  Maria  Theresia,  Elisabeth  von 
Rußland  und  der  durch  des  Königs  Spottgedichte  beleidigten  Frau  von 
Pompadour.  Den  drei  Heeren  der  Verbündeten  hatte  er  nur  ein  einziges 
entgegenzustellen!  Aber  da  die  Verbündeten  sich  nicht  genügend  zu  ver- 
ständigen wußten,  konnte  er  jeden  einzeln  angreifen  und  sie  so  insgesamt 
schlagen ! 

Trotz  alledem  blieb  der  Kampf  ein  ungleicher.  Und  so  nützte  es  Friedrich 
auch  wenig,  daß  er  fortwährend  neue  Verstärkungen  erhielt  und,  wenn  ihn 
der  Feind  schon  zu  umzingeln  geglaubt  hatte,  sich  abwechselnd  demselben 
entzog  und  ihn  dann  wieder  nach  kühnen  Märschen  unversehens  angriff. 
Die  Kriegsgeschichte  dieses  sieben  Jahre  währenden  Feldzuges  hallt  überall 
von  der  Kühnheit,  Kaltblütigkeit  und  Besonnenheit  des  Königs  wider!  Auch 
im  wildesten  Schlachtgetümmel,  wenn  er  von  vier  großen  Heeren  beunruhigt 
wird  und  im  Begriffe  steht,  nicht  bloß  eine  Provinz,  sondern  Thron  und 
Leben  zu  verlieren,  scherzt,  berät  und  erwägt  er  noch.  Ganz  wie  einst  Cäsar, 
ist  auch  er  in  den  Augenblicken  größter  Entscheidungen  gleichermaßen 
Schriftsteller,  Feldherr  sowie  Herrscher. 

So  kann  es  nicht  überraschen,  daß  er  in  diesem  ganz  besonders  schweren 
Kriege  ebenso  große  Siege  wie  schmerzliche  Verluste  erlebt  hat. 

Im  Jahre  1756  besetzt  er  Sachsen,  und  ehe  sich  noch  die  Sachsen  mit  den 
Österreichern  zu  vereinen  vermocht  haben,  schließt  er  bei  Pirna  das  ge- 
samte sächsische  Heer  ein. 

Im  Jahre  1757  wirft  er  sich  auf  Böhmen.  Nach  seinem  Siege  bei  Prag  wird 
er  von  den  Österreichern  bei  Kolin  und  von  den  Russen  bei  Groß-Jägersdorf 
besiegt.  Diese  beiden  Niederlagen  hinderten  ihn  nicht,  zwei  Monate  später 
bei  Roßbach  zu  triumphieren  (5.  November).  Roßbach  war  mehr  ein  Schein- 
gefecht als  eine  wirkliche  Schlacht;  weder  die  Franzosen  noch  die  Öster- 
reicher hatten  sich  ernstlich  verteidigt.  Ein  zweiter  glänzender  Sieg  bei 
Leuiben  besiegelte  Friedrichs  Kriegsruhm.  Das  protestantische  Deutsch- 
land spendete  dieser  völligen  Vernichtung  der  beiden  verbündeten  katho- 
Uschen  großen  Mächte  seinen  reichen  Beifall.  In  Paris  nahm  man  sogar 
diese  Niederlage  von  der  heiteren  Seite,  sei  doch  dieselbe  allenfalls  als 
eine  alberne  Schlappe,  aber  nicht  gleich  als  ein  nationales  Unglück  zu  be- 


a64  Sechstes  Buch. 


zeichnen,  und  dichtete  man  Spottlieder  auf  Soubise,  den  tölpelhaften  und 
gutmütigen  General,  der  sich  von  Friedrich  bei  Roßbach  so  gründlich 
foppen  ließ. 

Das  russische  Heer  war  schon  gefährlicher.  In  den  Jahren  1759  und 
1760  errangen  die  vereinigten  Österreicher  und  Russen  die  größten  Erfolge, 
so  bei  Kunersdorf,  wo  die  Preußen  nicht  weniger  als  zwanzigtausend  Mann 
verloren,  und  bei  Maxen,  wo  sich  ein  ganzes  Armeekorps  von  zehntausend 
Mann  ergeben  mußte. 

Doch  Friedrich  behauptete  das  Feld  trotz  alledem.  Selbst  als  die  Russen 
in  Berlin  eingezogen  waren,  verzweifelte  er  nicht.  Einer  Taktik  getreu,  die 
dereinst  ein  Napoleon  ganz  trefflich  nachzuahmen  verstehen  sollte,  warf  er 
sich  mit  seinen  sämtlichen  vereinigten  Streitkräften  der  Reihe  nach  auf  jeden 
einzelnen  seiner  verstreuten  und  voneinander  getrennten  Gegner.  So  ge- 
lang es  ihm  bei  Torgau  über  die  Österreicher  einen  glänzenden  Sieg  davon- 
zutragen (1760). 

Den  von  unfähigen  und  aufeinander  beständig  eifersüchtigen  Generalen 
in  den  Kampf  geführten  Franzosen  brauchte  Friedrich  bloß  seine  Leutnants 
entgegenzustellen,  und  so  konnte  sein  preußisches  Heer  trotz  weit  geringerer 
Stärke  seine  Angriffsstellung  bewahren. 

Maria  Theresia  und  Elisabeth  waren  entschlossen,  den  Krieg  bis  zur  Er- 
schlaffung zu  führen  und  sich  in  die  Beutestücke  zu  teilen,  die  dem  König 
von  Preußen  abgenommen  wären,  dessen  erschöpftes  Heer  sich  nur  noch 
äußerst  mühsam  ergänzen  ließ. 

Da  starb  Elisabeth  (1762).  Der  neue  Zar  Peter  HI.,  ein  warmer  Be- 
wunderer Deutschlands,  wollte  die  Politik  seiner  Mutter  nicht  fortsetzen.  Er 
schloß  sogleich  mit  Friedrich  Frieden  und  gab  ihm  Ostpreußen  wieder. 
Auch  Schweden  zog  sich  von  dem  Bündnis  zurück.  Endlich  wünschte  auch 
Choiseul,  Ludwigs  XV.  neuer  Minister,  Frieden.  Die  nun  vereinsamte  Maria 
Theresia  mußte  infolgedessen  auf  die  Wiedereroberung  Schlesiens  ver- 
zichten. 

So  wurde  denn  im  Jahre  1763  endgültig  Friede  geschlossen  (Hubertus' 
hurger  *  und  Pariser  Friede).  Der  Gewinn,  den  dieser  dem  Könige  von  Preu- 
ßen brachte,  entsprach  seinem  neuerworbenen  Kriegsruhme.  Schweden,  das 
Pommern,  Österreich,  das  Schlesien,  Rußland,  das  Posen  gewollt  hatte, 
sie  mußten  sämtlich  auf  ihre  Wünsche  verzichten.  Auch  Frankreich  mußte 
alle  seine  Kolonien  an  England  abtreten. 

Diese  Friedensverhandlungen  bilden  die  Voraussetzung  für  die  Ereignisse 


*  Anm.    Friede  zu  Schloß   Hubertusburg  zwischen  Leipzig  und   Dresden 


Das  Königtum.  205 


des  19.  Jahrhunderts.   Durch  sie  wird  ein  für  allemal  Preußen  als  die  große 
Militär-  und  England  als  die  große  Kolonialmacht  bestätigt. 


Wir  müssen  unsere  Blicke  noch  einmal  rückwärts  lenken  und  auf  die  Ge- 
schichte der  Besiedelung  Nordamerikas  zurückkommen. 

Erst  lange  Zeit  nach  der  Erschließung  Mittel-  und  Südamerikas  wurde 
auch  Nordamerika  erforscht,  erobert  und  besiedelt.  Ausschheßlich  Fran- 
zosen und  Engländer  schickten  Forscher  und  Ansiedler  hinüber.  Aber  eine 
ununterbrochene  Folge  unverzeihlicher  Unterlassungssünden  hat  die  ver- 
hängnisvolle Wirkung  gezeitigt,  daß  alle  aufopferungsvolle  Tätigkeit  der 
Franzosen  in  Amerika  für  ihren  dortigen  Einfluß  umsonst  gewesen  ist.  Bei 
ihrem  heißen  Ringen  in  Europa  während  des  Siebenjährigen  Krieges  haben 
die  Franzosen  versäumt,  sich  den  ihnen  gebührenden  Platz  jenseits  des 
Atlantischen  Weltmeeres  zu  sichern.  Auf  dem  gewaltigen  Erdteile  wird 
heute  im  Norden  die  englische,  im  Süden  die  spanische  und  portugiesische 
Sprache  gesprochen.  Die  Franzosen  haben  sich  auch  nicht  das  kleinste 
Stückchen  Erde  in  diesem  Weltteil  zu  sichern  verstanden. 

Und  doch  war  es  ein  Franzose,  Jacques  Cartier,  der  Kanada  entdeckt 
hatte  (1534 — 1543).  Zunächst  allerdings  bheb  die  einzige  Folge  dieser  Ent- 
deckung, daß  Cartiers  Neffen,  die  Kaufleute  waren,  ihren  Handel  bis 
Kanada  ausdehnten.  Aber  schon  Heinrich  IV.  ernannte  einen  gewissen 
Marquis  de  la  Roche  zum  Generalstatthalter  und  Vizekönig  von  Neufund- 
land (1595).  Einige  Jahre  später  gründete  Samuel  Champlain,  der  das  von 
Cartier  entdeckte  Kanada  erst  zu  einem  wirklichen  Staatswesen  erhob,  dort 
die  Stadt  Quebec  (1608).  Einige  französische  Bauern  hatten  sich  bereits 
vorher  in  dem  damaligen  Akadien,  dem  heutigen  Neuschottland,  und  einige 
französische  Fischer  in  Neufundland  niedergelassen.  Im  Jahre  1632  gelang 
es  Richelieu,  bei  England  die  Anerkennung  der  Rechte  dieses  Neufrankreich 
durchzusetzen.  Es  wäre  das  der  Ausgangspunkt  für  eine  gewaltige  Kolonie 
gewesen,  wenn  die  Franzosen  in  Frankreich  dafür  zu  haben  gewesen  wären, 
dorthin  auszuwandern;  aber  damals,  sowie  heute,  waren  selten  Franzosen 
zu  finden,  die  sich  zu  einer  Auswanderung  bereit  erklärten;  die  Uransiedler 
blieben  allein  auf  sich  angewiesen,  und  niemand  kam,  um  sich  zu  ihnen  zu 
gesellen  und  sie  zu  unterstützen.  Nun  ist  aber  der  dortige  Lebensunterhalt 
sehr  schwer  zu  gewinnen;  zwar  ist  das  Land  ziemlich  fruchtbar,  aber  die 
Winter  sind  dort  von  einer  erschreckenden  Strenge;  dazu  kam  noch,  daß 
es  damals  galt,  vor  den  unaufhörlichen  Überfällen  der  Irokesen  oder  Rot- 
häute fortwährend  auf  der  Hut  zu  sein.    Im  Jahre  1663  waren  in  Kanada 


206  Sechstes  Buch. 


nicht  mehr  als  zweitausendfünfhundert  Franzosen.  Die  Protestanten,  die 
gern  dorthin  auswandern  wollten,  hatte  Richelieu  daran  zu  hindern  gewußt. 

In  einem  weit  rascheren  Tempo  und  zu  einer  weit  höheren  Blüte  ent- 
wickelten sich  die  englischen  Niederlassungen.  Im  Jahre  1608  landeten 
einige  Ansiedler  in  einer  Gegend,  die  sie  Virginia  nannten.  Das  Khma  ist 
milder  und  der  Boden  leichter  zu  bebauen  als  in  Kanada.  Bald  sah  man  sich 
weite  Tabak-  und  Zuckerrohranpflanzungen  hinstrecken.  Die  Zufuhr  von 
Negern  brachte  Sklaven,  die  die  Bearbeitung  erleichterten.  Die  Einge- 
borenen aber,  die  weniger  kriegstüchtig  waren  als  die  Rothäute  des  Nordens, 
wurden  nach  und  nach  von  den  im  Jahre  1670  etwa  fünfzehntausend  Seelen 
zählenden  Europäern  verdrängt. 

Im  Jahre  1620  kamen  an  hundert  Separatisten  (eine  protestantische  Son- 
dergemeinschaft) in  New  Plymouth  an.  Sie  taten  sich  zu  einer  selbständigen 
Republik  zusammen   und  zählten  im  Jahre    1640  dreitausend   Seelen. 

Aber  die  Hauptmasse  der  englischen  Ansiedler  bildeten  die  Puritaner, 
die  Massachusetts  gründeten  (1629).  Sie  brachten  in  dieses  noch  vollkom- 
men unberührte  Land  ein  hohes  Maß  von  Religiosität*  und  Liebe  zur  Frei- 
heit mit.  Die  in  dem  Mutterlande  zurückgebliebenen  Engländer  verfolgten 
nun  ihre  ganz  anderen  Pläne  ruhig  weiter,  ohne  sich  etwa  noch  um  diese 
Handvoll  in  dem  fernen  Weltteil  verstreuter  Volksgenossen  irgendwie  zu 
kümmern.  Doch  der  sich  selbst  überlassene  Staat  Massachusetts  blühte  er- 
staunlich schnell  auf.  So  hatte  schon  im  Jahre  1675  4^^  ^^  i^^  gelegene 
Stadt  Boston  siebentausend  Einwohner,  und  Massachusetts  selbst  zählte 
damals  bereits  siebenundsechzigtausend  Seelen. 

Die  Holländer  hatten  Neu-Amsterdam  an  England  abtreten  müssen,  das 
dieser  Stadt  nun  den  Namen  New  York  gab  (1664).  Auch  New  York 
wuchs,  aber  weniger  schnell  als  Boston.  Im  Augenblick  des  Friedens- 
schlusses von   Utrecht  (17 13)  hatte  es  fünftausendachthundert  Einwohner. 

Eine  von  William  Penn  geführte  Gesellschaft  von  Quäkern  gründete 
Pennsylvanien,  das  bald  eines  der  reichsten  Gebiete  Amerikas  wurde.  Im 
Jahre  171 5  zählte  es  bereits  fünf  und  vierzigtausend  Einwohner. 

Bei  allen  diesen  Ansiedlern  herrschten  eine  warme  Religiosität  xmd  die 
lautersten  Sitten.  Die  Einwanderung  brachte  damals  noch  keine  solche 
Abenteurer  jeden  Gelichters,  wie  später,  in  die  Neue  Welt,  Die  Ansiedler 
blieben  ohne  Ausnahme  Loyalists,  d.  h.  Anhänger  der  Königlichen  britischen 
Regierung;  doch  sie  hatten  gleichzeitig  den  festen  Willen,  ihre  Verwaltung 
selbst  in  die  Hand  zu  nehmen  und  sich  nicht  etwa  von  irgendwelchen  Statt- 
halterlaunen oder  gewinnsüchtigen  Absichten  des  Mutterlandes  belästigen 


Das  Königtum.  267 


zu  lassen.  Sie  hatten  bereits  die  allgemeine  Volksschule  und  kannten  weder 
Adel  noch  erbliche  Pairschaft.  Sie  waren,  obgleich  noch  Untertanen  der 
Könige  von  England,  auch  damals  schon  Republikaner  und  Demokraten. 

Diesen  so  urkräftigen  englischen  Niederlassungen  vermögen  die  Fran- 
zosen in  dem  Augenblick,  wo  sich  der  Gegensatz  zwischen  Franzosen  und 
Engländern  zuzuspitzen  beginnt,  allein  Kanada  und  Louisiana  entgegen- 
zustellen. 

Im  Jahre  1673  war  der  Franzose  CaveHer  de  Lasalle  in  Kanada  als  Statt- 
halter des  Ontarioseegebiets  ansässig  geworden.  Cavelier  unternahm  eine 
große  Forschungsreise  in  südlicher  Richtung;  dabei  entdeckte  er  den  Lauf 
des  Mississippi  und  gründete  eine  französische  Niederlassung,  die  sich  aller- 
dings etwas  langsam  entwickelte  und  den  Namen  Louisiana  bekam  (17 12). 

Indessen  alles  in  allem  nahmen  es  Louisiana,  Akadien,  Neufundland, 
Kanada  in  bezug  auf  die  Volkszahl,  obwohl  es  sich  doch  dabei  um  riesige 
Gebiete  handelte,  insgesamt  gleich  wenig  mit  den  englischen  Kolonien  auf. 
Im  Jahre  1750  standen  in  ganz  Amerika  zwölf  hunderttausend  Engländern 
nur  sechzigtausend  Franzosen  gegenüber. 

So  wurden  denn  auch  während  des  Siebenjährigen  Krieges  die  Fran- 
zosen in  Kanada,  da  sie  von  Frankreich  ohne  Hilfe  gelassen  worden  waren, 
trotz  aller  von  ihnen  verrichteten  Wunder  der  Tapferkeit  vollständig  besiegt. 
Der  heldenmütige  Montcalm,  der  die  Franzosen  befehligte,  wurde  in  der 
Schlacht  bei  Abraham  in  der  Nähe  von  Quebec  tödlich  verwundet  (1759). 
Die  Stadt  Quebec  ergab  sich  kurze  Zeit  darauf. 

Auf  Grund  des  Pariser  Friedens  mußte  Frankreich  seinen  gesamten 
Besitz  in  Amerika  an  die  Engländer  abtreten:  weiter  nichts  als  „viele 
Morgen  von  Schneefeldern",  wie  einmal  Voltaire  recht  beschränkt  meinte; 
neben  der  Stadt  Neu-Orleans  und  einigen  Inseln  der  Antillen  behielt  es 
nichts.  Häufig  ist  für  diesen  Verlust  das  scheußliche  Regierungssystem 
Ludwigs  XV.  verantwortlich  gemacht  worden.  Doch  wird  damit  ihm  allein 
ein  Fehler  zur  Last  gelegt,  an  dem  das  ganze  Frankreich  mitschuldig  war. 
Wären  mehr  Franzosen  bereit  gewesen  als  Ansiedler  nach  Amerika  hinüber- 
zugehen, anstatt  ihr  kostbares  Blut  in  törichten  europäischen  Kriegen  zu 
verspritzen,  so  würde  heute  der  ganze  nordamerikanische  Erdteil  französisch 
sprechen. 

Allerdings  haben  diese  Franko-Kanadier,  die  das  Mutterland  im  Stich 
ließ,  rein  gar  nichts  unter  der  englischen  Herrschaft  zu  leiden  gehabt.  Sie 
haben  ihre  Sprache,  ihre  katholische  Religion  und  ihre  Gesetze  bewahren 
dürfen.  Diese  kleine,  aber  edle  Franzosenschar  ist  im  gegenwärtigen  Augen- 
blick zu  einer  zahlreichen  Bevölkerung  angewachsen,  die  aber  französisch 


268  Sechstes  Buch. 


geblieben  und  dabei  gleichzeitig  der  englischen  Monarchie  treu  ergeben  ist, 
derart,  daß  sie  ihr  einstiges  französisches  Banner  und  ihr  heutiges  englisdhes 
in  gleicher  Verehrung  für  beide  stets  in  unzertrennlicher  Vereinigung  zu- 
sammenstellt. 

Der  Pariser  Friede  hat  Frankreich  den  endgültigen  Verlust  seiner 
Kolonialherrschaft  nicht  nur  in  Amerika,  sondern  auch  in  Indien  bestätigt. 

Um  die  Mitte  des  i6.  Jahrhunderts  (1556)  hatte  Akbar,  ein  Nachkomme 
Tamerlans,  dessen  so  schreckliches  bewaffnetes  Apostelamt,  wie  es  ja  der 
Islam  zu  fast  allen  Zeiten  hervorgebracht  hat,  fortgesetzt  und  seine  Herr- 
schaft in  Hindostan  begründet.  Die  lässigen  und  friedhchen  indischen 
Volksmassen  beugten  sich  auch  unter  sein  Joch;  zwar  waren  der  Bekeh- 
rungen zum  Islam  nicht  wenige,  doch  blieben  auch  viele  Hindus  der  alten 
Brahmareligion  getreu. 

Wenn  auch  die  Sittenlehre  des  Brahmanismus  leidlich  rein  ist,  so  ist  er 
'  doch  nur  mit  einer  ziemlich  armen  Metaphysik  ausgestattet,  die  von  lächer- 
lichen Fabeln  wimmelt,  wie  sie  höchstens  auf  Völker  in  ihrer  zartesten 
Kindheit  Eindruck  machen  können.  E^  zerfällt  in  fast  ebenso  viele  ver- 
schiedenartige Sekten,  wie  es  unzählige  auf  der  ganzen  Halbinsel  verstreute 
Völkerarten  gibt.  Dem  starren  Monotheismus  Mohammeds  und  dem  über- 
wältigenden Nihilismus  Buddhas  schien  die  Verehrung  Brahmas  nur  schwa- 
chen Widerstand  entgegensetzen  zu  können.  Aber  die  Völker  bewahren  die 
Religionen,  in  denen  sie  geboren  sind,  stets  treu,  mögen  diese  auch  noch 
so  lächerlich  sein.  Indien  blieb  also  teilweise  der  brahmanischen  Lehre  treu 
und  wurde  nur  mit  einem  gewissen  Teile  durch  seine  Eroberer,  die  Groß- 
moguls, moslemisch. 

Es  waren  das  sehr  strenge,  ausschweifende,  blutdürstige  und  arglistige 
Herrscher!  Nach  Tamerlan  und  Akbar  wurde  Aurengzeb  (1660 — 1707)  der 
große  Eroberer  und  Staatengründer.  Doch  nach  seinem  Tode  zerfiel  dies 
gewaltige  Reich  wieder,  die  Mahratten  und  die  Sikhs  gewannen  ihre  Unab- 
hängigkeit wieder,  und  es  kam  in  die  Hände  der  Europäer,  die  sich  nun 
die  Trümmer  des  so  gebrechlichen  Riesenreiches  gegenseitig  streitig 
machten. 

Zunächst  waren  es  Portugiesen,  dann  Holländer.  Aber  als  sowohl  die 
portugiesische  wie  die  holländische  Marine  im  18.  Jahrhundert  ihr  Über- 
gewicht zur  See  eingebüßt  hatte,  blieben  allein  noch  Engländer  i-nd  Fran- 
zosen vertreten. 

Privilegien,  die  großen  Handelsgesellschaften  gegeben  wurden,  bildeten 
den  Ausgangspunkt  für  die  Eroberung  und  Besiedelung  Indiens.  Im  Jahre 
1641  hatte  Richelieu  einer  französischen  Morgenländischen  und  Madagaskar- 


Das  Königtum.  26g 

gesellschaft  (Compagnie  de  l'Orient  et  de  Madagascar)  das  Handelsmonopol 
für  Indien  gegeben.  Es  wurden  nun  die  Inseln  Bourbon  und  Madagaskar 
besetzt.  Im  Jahre  1674  nahm  und  kaufte  ein  Pariser  Frangois  Martin  die 
Stadt  Pondichery.  Sie  blühte,  solange  Martin  lebte,  und  entwickelte  sich  zu 
einem  bedeutenden  Verkehrspunkt.  In  allernächster  Nähe  von  Pondichery 
hatte  sich  kurz  zuvor  eine  schon  im  Jahre  1599  gegründete  englische  Ge- 
sellschaft zu  Madras  niedergelassen  (1639). 

Die  beiden  Gesellschaften  lebten  bis  in  die  Mitte  des  18.  Jahrhunderts- 
ziemlich friedlich  nebeneinander.  Damals  faßte  ein  Mann,  der  es  verdient, 
daß  sein  Name  nicht  der  Vergessenheit  anheimfalle,  dem  aber  Frankreich 
mit  bösem  Undanke  gelohnt  hat,  Joseph  Dupleix  (1697 — 1763),  den  später 
von  dem  modernen  England  auch  verwirklichten  großartigen  Gedanken, 
Gebietserweiterungen  unter  gewerbliche  Gesichtspunkte  zu  stellen  und 
zu  deren  Erreichung  statt  mit  Händeln  lieber  mit  Handeln  anzufangen.  Auf 
diese  Weise  wollte  er  Indien  den  Hindus  wie  den  Engländern  gleich- 
zeitig entreißen,  waren  doch  zu  jener  Zeit  die  Engländer  im  Besitze  von 
Bombay,  Madras  und  Kalkutta,  die  Franzosen  von  Pondichery,  Chander- 
nagor  und  Mah6,  und  so  ihre  Kräfte  ungefähr  gleich,  die  zehntausendmal 
stärkeren  Inder  aber  unter  sich  gespalten  und  gebrechlich. 

Die  Aussichten  schienen  zunächst  für  Dupleix  günstig.  Nach  Antritt 
seiner  Statthalterschaft  in  Indien  rief  er  sogleich  eine  Abteilung  von  Seapoys 
(Spahis)  zur  Verstärkung  seines  kleinen  französischen  Heeres  ins  Leben, 
mit  denen  ihm  nun  die  Einnahme  von  Madras  gelang  (1746).  Durch  den 
Frieden  zu  Aachen  allerdings  kam  diese  Stadt  schon  wieder  an  die  Eng- 
länder zurück  (1749). 

Doch  der  unfreiwillige  Verzicht  verdoppelte  nur  Dupleix'  Anstrengung. 
Er  befestigte  Pondichery,  besetzte  Dekhan  und  unterhandelte  so  geschickt 
mit  den  indischen  Häuptlingen,  daß  er  einen  Augenblick  lang  sich  als  Herr 
des  gesamten  Indiens  ansehen  konnte.  Obwohl  nun  aber  nach  außen 
zwischen  Frankreich  und  England  vollständiger  Friede  herrschte,  so  hatten 
darum  die  Engländer  etwa  noch  lange  nicht  abgerüstet;  sie  hielten  die 
indischen  Hilfstruppen  noch  immer  und  verlangten  nun  von  der  französi- 
schen Regierung  Dupleix'  Heimberufung.  Da  gab  Ludwig  XV.  feig  nach. 
Dupleix  mußte  nach  Frankreich  zurück,  wo  er  verlassen,  elend  und  ver- 
gessen starb.  j 

Der  Siebenjährige  Krieg  gab  der  so  vergänglichen  franzQsischen  Vor- 
herrschaft in  Indien  noch  den  allerletzten  Rest.  Zwar  hatte  Ludwig  XV. 
einen  Irländer  namens  Lally-Tollendal  zur  Übernahme  und  Leitung  der 
Verteidigung  geschickt,  aber  dieser  wußte  sich  nicht  recht  mit  den  Bevoll- 


270  Sechstes  Buch. 


mächtigten  der  französischen  Gesellschaft  zu  stellen.  Er  wurde  in  Pon- 
dichery  eingeschlossen,  und  so  mußte  er  die  Waffen  strecken  (1761);  nun 
wurde  er  in  Frankreich  des  Verrats  beschuldigt,  angeklagt  und  zum  Tode 
verurteilt  (1766).  Die  Geschichte  kennt  wenig  so  traurige  Ungerechtig- 
keiten ! 

Der  Pariser  Friede  ließ  Frankreich  in  dem  unermeßlichen  Indien  nur 
einen  traurigen  Rest  früherer  Macht,  im  ganzen  nur  drei  Städte,  die  noch 
•dazu  weit  auseinander  lagen:  Chandernagor,  Mah^  und  Pondichery, 

Die  Engländer  hatten  die  Franzosen  in  Indien  zu  gar  keinem  andern 
Zwecke  bekämpft,  als  um  sich  selbst  an  ihre  Stelle  zu  setzen. 

Der  tatkräftige  Robert  Clive  (1725 — 1774),  der  neuernannte  Leiter  der 
englischen  Gesellschaft,  wurde  nun  der  Eroberer  und  Verwalter  Hindostans 
für  England,  dem  er  dieses  Land  für  immer  verschaffte.  In  Bengalen  näm- 
lich, mitten  im  Feindeslande,  hatten  die  Engländer  Kalkutta  befestigt.  Dem 
über  Bengalen  herrschenden  Nabob  aber  gelang  es,  diese  Stadt  zu  nehmen, 
wobei  er  die  Engländer,  die  er  in  derselben  fand,  mit  den  grausamsten 
Foltern  zu  Tode  marterte.  Hieraus  schaffte  sich  Clive  einen  guten  Vor- 
wand, um  sich  Bengalens  zu  bemächtigen.  Der  leichte  und  entscheidende 
Sieg  bei  Plassey  lieferte  ihm  die  bevölkertste  und  reichste  Provinz  von  ganz 
Hindostan  aus.  Von  nun  an  werden  ganz  allmählich  auch  die  andern 
indischen  Herrscher  entweder  vollständig  besiegt  oder  durch  Bestechung 
gekauft  und  so  zur  Ohnmacht  verurteilt.  Von  seinen  Lehnsfürsten  verraten, 
verhandelte  schließlich  auch  der  Großmogul  Alam  IL  mit  der  englischen 
Gesellschaft,  um  von  ihr  nur  noch  im  Besitz  einer  reinen  Scheinherrschaft 
belassen  zu  werden  (1765). 

Zwar  kehrte  Clive  mit  weit  mehr  Ruhm  als  Schätzen  nach  England 
zurück,  aber  gleichwohl  wurde  er  wegen  veruntreuter  öffentlicher  Gelder 
und  wiederholter  Erpressungsversuche  angeklagt.  Wenn  auch  diese  An- 
klagen nicht  in  ihrem  vollen  Umfange  auf  bloßer  Verleumdung  beruht 
haben  mögen,  so  erlangte  er  doch  jedenfalls  ein  freisprechendes  Urteil. 
Gleichwohl  glaubte  er  sich  in  seiner  Ehre  gekränkt  und  nahm  sich  un- 
mittelbar nach  der  Verkündung  des  Urteilsspruchs  das  Leben  (1774). 

Die  Engländer  hatten  jetzt  in  Indien  keinen  europäischen  Neben- 
buhler mehr  zu  fürchten.  Sie  besaßen  die  Gangesebene,  Bengalen,  Dekhan 
und  Audh.  Die  mehr  oder  weniger  nahe  Aussicht  auf  die  völlige  Unter- 
werfung von  Hindostan  wirkte  verhängnisvo.11,  obwohl  wahrhaftig  nicht  be- 
hauptet werden  kann,  daß  ihr  tatsächlicher  Eintritt  jemals  irgendwelche 
verderblichen  Wirkungen  im  Gefolge  gehabt  hat.  Die  indischen  Volks- 
kreise, die  bei  ihrer  Verweichlichung  und  Natürlichkeit  an  unserer  abend- 


Das  Königtum.  27 1 

ländischen  Bildung,  die  für  sie  vor  allen  Dingen  viel  zu  schnell  wuchs, 
augenscheinlich  nicht  teilnehmen  konnten,  lebten  bis  zur  Ankunft  der  Eng- 
länder unter  dem  drückenden  Joche  grausamer  Zwangsherrscher.  Sie 
waren  zudem  derartig  zum  Sklavenleben  geschaffen,  daß  keinerlei  Sklaverei 
denkbar  war,  der  sie  sich  nicht  gefügt  hätten.  England  hat  doch  wenigstens, 
mochte  seine  Habgier  auch  noch  so  groß  sein,  überall  auf  der  weiten  in- 
dischen Halbinsel  an  Stelle  der  bisherigen  Willkür  die  Gerechtigkeit  gesetzt. 
Wenn  ein  gebildetes  Volk  sich  der  verhaßten  Fremdherrschaft  unter- 
werfen muß,  ist  die  Entrüstung  vollkommen  am  Platze;  wenn  aber  zu 
einem  unwissenden  Volke,  das  dauernd  den  fluchwürdigsten  Hungers- 
nöten, Seuchen  und  Tyranneien  zum  Opfer  fällt,  Ausländer  kommen,  um  ihm 
Ordnung,  Wohlergehen,  Fortschritt  und  ein  gut  Teil  Freiheit  zu  bringen, 
dann  werden  diese  Ausländer  zu  Wohltätern. 


Aber  die  eigentliche  Ruhmesgeschichte  des  18.  Jahrhunderts  bilden 
weder  Schlachten,  noch  diplomatische  Kämpfe,  noch  auch  selbst  ferne 
Ansiedlungen.  Ebensowenig  etwa  die  Kunst,  hat  doch  das  sonst 
so  große  Jahrhundert  weder  einen  Cervantes  oder  einen  Shakespeare  noch 
einen  Leonardo  da  Vinci  oder  einen  Michelangelo  noch  etwa  gar  einen 
Moli^re  hervorgebracht!  Auch  nicht  die  Wissenschaft,  gehört  doch  Newton 
mehr  dem  17.  als  dem  18.  Jahrhundert  und  Lavoisier  zwar  nach  seinem 
äußeren  Leben  noch  ganz  diesem  Jahrhundert,  nach  der  Art  seines  Genies 
und  der  Natur  seiner  Schriften  aber  eigentlich  erst  dem  19.  Jahrhundert 
anl  —  Nein!  Wenn  das  18.  Jahrhundert  mit  Recht  als  das  große  Jahr- 
hundert gilt,  so  ist  das  deshalb,  wHresinit'der''runcslchtsIös¥sten  Kühnheit 
alle  politischen,  religiösen  und  sozialen  Probleme  aufgeworfen  und  den 
menschlichen  Geist  von  dem  Joche  der  Überlieferung  befreit  hat!    Gewiß, 


gelöst  ist  damals  kein  einziges  "von  diesen  Problemen  worden !  Aber  noch 
nie  ist  der  menschliche  Geist  mit  den  ersten  Versuchen  gleich  zu  endgültigen 
Ergebnissen  gekommen!  Doch  es  sind  immerhin  die  grundlegenden  Fragen 
aufgestellt,  und  es  ist  doch  wenigstens  ein  schüchterner  Versuch  angestrebt 
worden,  auf  dem  Wege  zu  einer  besseren  Zukunft  der  Menschheit  einen 
kleinen  Schritt  vorwärts  zu  kommen!  Die  Worte  „Freiheit,  Gleichheit, 
Brüderlichkeit!"  sind  doch  nun  einmal  gefallen,  und  man  kann  sie  ja  viel-' 
leicht  auf  Münzen  und  Mauern  auslöschen,  womit  sie  ja  auch  im  Grunde 
nichts  zu  tun  haben,  aber  man  wird  sie  darum  nie  in  den  Gewissen  der 
Völker  und  der  Einzelwesen  auslöschen  können!  Welchen  bisher  offenbar 
noch  unbekannten  Bestimmungen  wird  die  Erfüllung  dieser  drei  Worte  die 


272  Sechstes  Buch. 


Menschen  noch  entgegenführen?  Werden  sie  ihnen  eine  vollkommene 
religiöse  Befreiung  oder  etwa  ganz  neue  Religionen  oder  vielleicht  auch 
mir  eine  Neugestaltung  der  alten  bringen?  Werden  sie  ihnen  die  Mon- 
archie, die  Anarchie  oder  vielleicht  auch  den  Sozialismus  bringen?  G&- 
nossenschaftliches  oder  Einzelleben?  Was  tut's!  Jedenfalls  ist  es  das  18. 
Jahrhundert  gewesen,  das  alle  diese  so  edlen  Probleme  angeregt  imd  damit 
sein  Werk  getan  hat! 

Es  scheint  das  aber  eher  das  Werk  eines  Abbaues  als  das  eines  Aufbaues 
zu  sein!  Und  mit  Recht!  War  doch  die  Errichtung  eines  Neubaues  eine 
späteren  Geschlechtern  vorbehaltene  Aufgabe,  und  mußte  zunächst  vorher 
das  altersschwache  Gebäude  der  Gesellschaft,  das  fünfzehn  volle  Jahr- 
hunderte der  Unwissenheit  aufgerichtet  hatten  und  das  so  vielen  Irrtümern 
Schutz  und  Obdach  gewährt,  bis  aiif  den  Grund  niedergerissen  werden! 

Diese  Aufgabe  sollte  nun  den  französischen  Schriftstellern  zufallen.  Die 
großen  klassischen  Meister  des  17.  Jahrhunderts  hatten  durch  die  erhabene 
Schönheit  und  wunderbare  Reinheit  ihrer  Schöpfungen  jenen  so  herrlichen 
Aufschwung  der  französischen  Sprache  herbeigeführt,  vermöge  dessen  sie 
unter  einem  Ludwig  XIV.  noch  weit  mehr  als  die  französische  Staatskunst 
und  unter  seinem  Nachfolger  Ludwig  XV.  wieder  noch  mehr  als  unter 
Ludwig  XIV.  triumphierte.  Mögen,  besonders  unter  dem  letzteren,  sich 
Frankreichs  Heere  besiegen,  seine  Diplomaten  verspotten,  seine  Ansiedler 
aus  Asien  und  aus  Amerika  vertreiben  lassen,  so  herrscht  doch  überall  der 
französische  Geist,  ob  das  nun  an  dem  preußischen  Hofe  ist,  wo  ihn  Leute 
wie  Voltaire,  d'Holbach,  Maupertuis,  Helvdtius  vertreten,  an  dem  rus- 
sischen, wo  ein  Diderot  und  d'Alembert  leben,  an  dem  österreichischen, 
wo  Kaiser  Josef  II.,  der  Sohn  Maria  Theresias,  als  Philosoph  auf 
einem  Kaiserthrone  sitzt  (1780 — 1790),  an  dem  Hofe  von  Turin,  wo 
alles  französisch  ist,  in  Holland,  in  Schweden,  in  Spanien,  kurz  in  allen 
Kulturländern  der  Erde.  Im  Jahre  1675  beherrscht  die  französische  Litera- 
tur bereits  die  Welt,  um  sich  im  Jahre  1775  noch  immer  derselben 
Stellung  zu  erfreuen.  Im  Jahre  1675  verdankte  sie  das  der  Schönheit 
ihrer  Form,  im  Jahre  1775  der  Schönheit  ihres  Gedankens. 

Allerdings  war  diese  friedliche  Durchdringung  nicht  ganz  ausschließlich 
ein  französisches  Werk.  Sie  war  ein  Ergebnis  wohltätigen  Zusammen- 
arbeitens  französischen  Geistes  mit  englischem. 

Die  Engländer  hatten  sich,  wie  wir  gesehen  haben,  die  volle  politische 
Freiheit  und  eine  fast  uneingeschränkte  Preßfreiheit  erkämpft.  Für  die 
Preßprozesse  waren  die  Geschworenen  zuständig,  und,  kamen  diese  wirk- 
lich einmal  zu  einer  Verurteilung,  so  erhöhte  diese  nur  noch  die  Volks- 


Das  Königtum.  273 


tümlichkeit  des  angeklagten  Schriftstellers.  Die  parlamentarische  Regie- 
rung wurde  von  verantwortlichen  Ministern  unter  der  beständigen  scharfen 
Aufsicht  eines  aus  Wahlen  hervorgegangenen  Parlaments  ausgeübt.  So 
war  dank  der  Preßfreiheit,  vermöge  deren  sich  jede  Ableugnung  und  jede 
Einwendung  an  das  volle  Licht  der  Öffentlichkeit  wagen  konnte,  und  dank 
dem  parlamentarischen  Regierungssystem,  das  der  Politik  ihre  ganze  Rich- 
tung gab,  in  England  die  öffentliche  Meinung  überall  die  unumschränkte 
Herrin. 

Gleich  zu  Beginn  des  18.  Jahrhunderts  sind  zwei  Geisteshelden  von  sel- 
tener Kühnheit  des  Denkens  die  Förderer  der  philosophischen  Bewegung 
gewesen:  der  Franzose  Bayle  und  der  Engländer  Locke.  Bayle,  einer  von 
jenen  zahlreichen  französischen  Flüchtlingen  in  Holland,  die  der  Aufhebung 
des  Ediktes  von  Nantes  zum  Opfer  gefallen  waren,  schrieb  hier  ein  Wörter- 
buch, das  das  Urbild  der  späteren  Enzyklopädie  gewesen  ist  (1700).  Locke, 
ein  großer  Psychologe  und  scharfsinniger  Theologe,  wagte  im  Widerspruch 
mit  der  allgemeinen  Auffassung  die  grundsätzliche  Forderung  der  Duld-_ 
samkeit  mit  Nachdruck  zu  verfechten  (1690). 

Hierbei  ist  nicht  zu  vergessen,  daß  sich  sogar  auch  schon  in  Frankreich 
ein  gewisser  Gegensatz  zum  absolutistischen  und  beinahe  auch  zum  reli- 
giösen Denken  mit  Fenelon  und  Vauban  zu  erkennen  gegeben  hatte. 

Im  18.  Jahrhundert  nimmt  dieser  Gegensatz  immer  verwegenere  Formen 
an,  bis  er  schließlich  Schranken  findet,  über  die  auch  unser  Jahrhundert 
noch  kaum  hinweggekommen  ist.  Er  verkörpert  sich  in  einem  Manne; 
es  ist  dies  Voltaire,  der  sein  Jahrhimdert  erfüllte  (1694 — 1778). 

Das  Leben  Voltaires  ist  nicht  gerade  sehr  erbaulich.  Prahlerisch,  miß- 
günstig, den  Großen  dienerisch,  schmeichelnd,  jähzornig,  rachsüchtig  hat 
er  stets  das  nötige  Maß  an  Würde,  Mut  und  Offenheit  vermissen  lassen. 
Er  hat  erbärmliche  Lustspiele  und  mäßige  Trauerspiele  geschrieben  und  der 
Nachwelt  nur  e  i  n  Meisterwerk  hinterlassen.  Doch  als  Schriftsteller  war  er 
unvergleichHch  durch  die  Klarheit  und  Knappheit  seines  Stils,  der  ;für  die 
französische  Ausdrucksweise  als  vorbildlich  gilt.  Mit  einer  unbeugsamen 
Kjraft  hat  er  die  Duldsamkeit  verteidigt  und  gleich  so  verteidigt,  daß  er  sie 
auch  durchgesetzt  hat.  Ihni,  jawohl,  ihm  allein,  verdanken  wir  diese  große 
sittliche  Lehre,  die  heute  so  einleuchtend  klar  und  allgemein  verbreitet  ist, 
daß  man  nur  über  die  vielen  alle  staunen  kann,  die  in  der  Vergangenheit 
der  entgegengesetzten  Denkweise  zum  Opfer  gefallen  sind;  er  war  les, 
der  mit  ausdauernder  Hartnäckigkeit  verkündet  hat,  daß  ein  Mensch  Inicht 
strafbar  ist,  weil  er  sich  zu  einer  von  der  lunsrigen  abweichenden  Meinung 
bekennt.  Er  hat  die  barbarischen  Gerichtsbräuche  bekämpft:  Folter,  Ver- 
ls Riebet,  Geschichte  der  Menschheit 


274 


Sechstes  Buch. 


mögenseinziehung  und  geheimen  Verhaftsbefehl.  Endlich  hat  er  mit  einer 
Begeisterung,  die  geradezu  eine  vernarrte  zu  nennen  war,  einer  durch- 
dringenden Dialektik,  einer  beißenden  Ironie,  einer  fruchtbaren  Phantasie 
und  einer  unerbittlichen  Logik  volle  sechs  Jahrzehnte  hindurch  die  Ein- 
mischung alles  Übernatürlichen,  Wunderbaren  und  Göttlichen  in  die  Ange- 
legenheiten der  Menschen  geleugnet  und  den  blinden  Glauben  an  eine 
nicht  beweisbare  Religion  leidenschaftlich  verspottet.  Er  war  auf  diesem 
Gebiete  ein  König,  der  die  Welt  beherrschte!  Sein  Einfluß  ist  erstaunlich, 
ja  unvergleichlich  gewesen.  Er  dauert  noch  heute  in  einer  zwar  immerk- 
lichen, doch  wirksamen  Gestalt  fort,  und  diese  Tatsache  ist  um  so  eigen- 
artiger, als  man  ihn  kaum  noch  liest,  und  von  ihm  nur  noch  seine  Gedanken 
fortleben. 

Wie  Voltaire,  hat  auch  Montesquieu  (1689— 1755),  der  tiefe  und  geistreiche 
Philosoph  der  Staatskunde,  des  Rechts  und  der  Geschichte,  den  starken 
Einfluß  des  englischen  Denkens  erfahren.  Er  ist  wirklich  in  dem,  was  er 
verwirft,  nicht  weniger  kühn  als  Voltaire. 

Im  Jahre  1751  beginnt  jene  schon  erwähnte  Enzyklopädie  zu  erscheinen, 
die  einer  neuen  Weltanschauung  die  feierliche  Weihe  gibt.  Der  phrasen- 
haften Deklamation  und  falschen  Logik  mittelalterlicher  Scholastik,  dem 
theologischen  überlieferten  Glauben  stellten  die  Verfasser  der  Enzyklopädie 
die  bestimmte  Tatsache  moderner  Technik  gegenüber.  Man  kann  den  Geist 
der  Enzyklopädie  mit  einem  einzigen  Wort  zusammenfassen:  sie  ist  ein 
streng  wissenschaftliches  Buch.  Ja,  es  ist  etwas  ganz  Neues,  auch  noch 
Im  Jahre  1751:  alles  und  jedes  der  streng  wissenschaftlichen  Lehre  zu 
unterwerfen  und  infolgedessen  nur  das  als  wahr  zuzulassen,  was  bewiesen 
ist.  Zwar  hatte  das  schon  einmal  Pascal  gesagt,  doch  nahm  dieser  noch 
immer  das  religiöse  Denken  aus.  Diderot  und  seine  Mitarbeiter  d'Alembert, 
Duclos,  Buffon,  Helv^tius,  d'Holbach  schlössen  nun  auch  die  Religion 
mit  einl 

Noch  ein  Mann  hat  einen  beträchtlichen  Einfluß  ausgeübt,  der  fast  dem 
Voltaires  gleichkommt.  Es  ist  Jean-Jacques  Rousseau  (17 12 — 1778),  der 
Genfer  Bürger.  In  seinem  Privatleben  war  er  ein  ziemlich  armseliger,  auf 
seine  Laster  dummstolzer  Tropf,  und  sein  berauschendes  Genie  ist  im 
Grunde  ein  unheilvolles  gewesen.  Er  hat  jenen  außerordentlich  wunder- 
lichen Gedanken  entwickelt,  daß  der  Mensch  von  Natur  gut  sei,  und  daß 
ihn  erst  die  Gesellschaft  verderbe,  was  die  Wahrheit  gerade  in  ihr  Gegen- 
teil umkehrt  und  jeden  Gedanken  an  einen  Fortschritt,  jede  Hoffnung  auf 
eine  Mitarbeit  aller  Menschen  an  der  Eroberung  der  Natur  durch  die 
Wissenschaften  lähmen  muß.   In  seinem  Gesellschaftsvertrag,  den  die  Jako- 


Das  Königtum.  ayS 


biner  aus  dem  Zeitalter  der  großen  französischen  Revolution  unglück- 
licherweise zu  ihrem  Evangelium  gemacht  haben,  verherrlicht  er  einen 
erdrückenden  sozialen  Despotismus.  Sein  schwülstiger  und  hochtrabender 
Stil  nimmt  sich  neben  dem  scharfen  und  nüchternen  eines  Voltaire  recht 
jämmerlich  aus;  imd  doch  hat  Rousseau  bis  tief  ins  19.  Jahrhundert  hinein 
Verehrer  und  Nachahmer  gefunden.  Aber  unter  dem  Gesichtspunkte  des 
Stils  wie  der  Lehre  war  er  für  das  18.  und  19.  Jahrhundert  ein  gar  schäd- 
licher Berater. 

Was  die  unwiderstehliche  Gewalt  dieser  großen  Erneuerungszeit  aus- 
macht, ist,  daß  der  von  Männern  wie  Montesquieu,  Voltaire,  Diderot,  Jean- 
Jacques  Rousseau  geführte  Feldzug  bei  unzähligen  unbekannten,  ja  bei- 
nahe namenlos  gebliebenen  Mitarbeitern  Unterstützung  findet.  Man  leistet 
der  Bewegung  in  ganz  Europa  Folge.  In  Italien  veröffentlicht  Beccaria  im 
Jahre  1761  seine  wunderbare  Abhandlung  über  die  Vergehen  und  die  Stra- 
fen, die  die  Todesstrafe  abgeschafft  wissen  will  und;  die  Grundsätze  des 
Anrechts  auf  die  menschliche  Verantwortlichkeit  festlegt.  In  England 
schreiben  Jonathan  Swift  und  Daniel  de  Foe  Bücher,  von  denen  die  des 
einen  zu  den  kühnsten  der  Welt  gehören,  während  der  andere  ein  Werk 
geschrieben  hat,  das  jedermann  entzücken  muß;  doch  der  ver- 
jüngende Geist  des  Jahrhunderts  tritt  ebenso  in  Gullivers  Reisen 
wie  in  den  Abenteuern  Robinson  Crusoes  hervor.  Gibbon,  der  große  eng- 
Usche  Geschichtsschreiber,  Lessing,  der  große  deutsche  Kritiker,  zeigen  die 
gleiche  Verehrung  für  die  Vernunft,  die  gleiche  Mißachtung  für  die  re- 
ligiösen Überlieferungen. 

Die  Vorstellungen,  die  in  dem  Geist  der  großen  Männer,  die  sie  nieder- 
schreiben, zusammengesetzte  sind,  werden  zu  einfachen,  sobald  sie  in  die 
Volksseele  eindringen.  Jene  mit  so  leidenschaftlichem  Eifer  betriebene  ge- 
samte Werbearbeit  läßt  sich  schließhch  in  folgenden  wenigen  kurzen  Sätzen 
zusammenfassen : 

„Der  Mensch  ist  etwas  für  den  Menschen  Heiliges!"  —  Homo  sacra  res 
homini,  hatte  schon  Seneca  gesagt,  der  offenbar  der  Vergessenheit  an- 
heimgefallen ist  — I 

Die  verschiedenen  Einzelwesen  eines  Volkes  haben  alle  gleichen  An- 
spruch auf  Gerechtigkeit! 

Der  Fortschritt  liegt  vor  uns  und  nicht  hinter  uns! 

Nur  der  Wissenschaft  werden  wir  dereinst  unsere  Befreiung  zu  verdanken 
haben  I 

Es  sind  das  Wahrheiten  einfachster  Art,  in  denen  heute  in  der  ganzen 
Welt  schon  die  kleinen  Kinder  von  zwölf  Jahren  unterwiesen  werden.  Trotz 
18* 


276  Sechstes  Buch. 


aller  hoffnungslosen  Bekämpfungen  durch  einige  ehrwürdige  Vertreter  der 
■^      ■    höchsten  Altersstufen  sind  es  derartig  alltägliche  Wahrheiten,  daß  sie  sich 
^  ■    ,   nur    mit    einem   gewissen    Maß    von    Beschämung    niederschreiben    lassen. 
1    Doch  im  Jahre  1760  waren  sie  noch  keineswegs  alltäghch,  und  es  ist  jenes 
französische,  aber  durch  den  englischen  Geist  aufgeklärte  große  18.  Jahr- 
hundert, das  diese  so  gesunden  und  kernigen  Leitsätze  in  der  ganzen  Welt 
verbreitet  hat. 


Die  neuen  Auffassungen  drangen  überallhin,  selbst  nach  Rußland:  zwar 
nocli  nicht  ins  Volk,  das  noch  immer  sehr  ungebildet  blieb,  aber  an 
den  Hof  bis  in  den  Palast  der  damaligen  Kaiserin  Katharina  (1763  bis 
1796)  hinein. 

Katharina  war  eine  Prinzessin  aus  einem  kleinen  deutschen  Fürsten- 
hause, die  den  Großfürsten-Thronfolger  Peter  geheiratet  hatte.  Sie  wurde 
Zarin,  als  ihr  Gemahl  Peter  III.  Elisabeth  folgte  (1762).  Sie  war  so  durch- 
trieben, gleich  von  Anfang  an  mit  ihrer  Geringschätzung  alles  Deutschen, 
ihrem  orthodoxen  Glauben  und  ihrer  Bewunderung  für  das  russische  Heer 
zu  prahlen.  Im  Gegensatz  zu  ihr  brüstete  sich  ihr  bedauernswürdiger  Ge- 
mahl, ein  kleiner,  schwächlicher,  schlapper  und  halb  blödsinniger  Kerl,  dar 
sich  Abend  für  Abend  zu  betrinken  pflegte,  mit  seiner  Mißachtung  alles 
Russischen.  Hieraus  erwuchs  ihm  eine  von  Tag  zu  Tag  steigende  Unvolks- 
tümlichkeit. 

Da  geschah  es,  daß  er  Katharina  öffentlich  beleidigte.  Jetzt  wandte 
sie  sich  an  die  Soldaten,  überzeugte  sie  von  der  Notwendigkeit,  einen  so 
kläglichen  Zaren,  wie  es  ihr  Gatte  sei,  zu  stürzen  und  ließ  sich  nun  als 
Selbstherrscherin  aller  Reußen  ausrufen.  Peter  dankte  ab  und  wurde  ins 
Gefängnis  geworfen.  Er  starb  hier  —  ob  wohl  zufällig  ?  —  schon  nach  vier 
Tagen.  ^ 

Wenig  Frauen  haben  eine  weitere  und  auch  tiefere  geistige  Tätigkeit 
entfaltet  als  Katharina  II.  Sie  liebte  Kunst  und  Wissenschaft,  gründete 
Museen  und  Akademien,  berief  die  besten  französischen  und  italienischen 
Künstler  nach  Petersburg,  schrieb  selbst  Schauspiele  und  Lustspiele,  die 
übrigens  sehr  mäßig  waren,  und  Briefe  in  französischer  Sprache,  die  um- 
gekehrt schon  damals  die  Bewunderung  aller  erregten  und  ebenso  beach- 
tenswert sind  wie  des  großen  Friedrich  Denkwürdigkeiten.  Mit  derselben 
Leidenschaft  wie  dieser  hatte  sie  sich  für  die  französischen  Philosophen 
wie  Montesquieu,  Voltaire  und  besonders  auch  Diderot  begeistert. 

Aber  ganz  ebensowenig,  wie  Friedrich  IL,  ließ  sie  sich  etwa  von  den 


Das  Königtum.  277 


ihr  befreundeten  Philosophen  in  ihrer  PoUtik  leiten.    Sie   hat  durch  eine 
Reihe    fortgesetzter    Gewalttätigkeiten    und    Spitzbübereien,    in    denen    sie 
sich  von  keinerlei  Gewissensbedenken  beirren  ließ,  ein  System  dauernder 
Eroberungen    verfolgt.     Ihre    menschenfreundlichen    Anschauungen    haben   • 
sie  nicht  einen  einzigen  Tag  davon  zurückzuhalten  vermocht,  einen  jeden,    ; 
der  sich  bei  ihr  mißliebig  gemacht  hatte,  mochte  es  sein,   wer  es   wolle,    i 
unbesehen  außer  Landes  zu  schaffen,  seiner  Güter  zu  berauben  oder  hin-  / 
richten  zu  lassen.  ' 

Im  Gegensatz  zu  Friedrich,  der  sich  mit  Geliebten  nicht  aufhielt,  hatte 
Katharina  eine  Unzahl  von  Günstlingen.  Sie  wechselte  häufig  mit  großer 
Freiheit  und  einer  Leichtigkeit,  die  selbst  mit  ihrem  höheren  Alter  nichts 
einbüßte.  Zum  Glück  für  das  Zarenreich  mußten  sich  Günstlinge,  wie 
Orlow,  Ermelow,  Zombow  und  noch  sehr  viele  andere  mehr  damit  be- 
gnügen, sei  es  im  Augenblick  höchster  Gunst  oder  auch  in  dem  einer  Ab- 
reise, einige  prächtige  Angebinde  zu  empfangen,  aber  sie  durften  sich 
niemals  auch  nur  im  allergeringsten  an  den  Staatsgeschäften  beteiligen. 
Der  einzige,  der  hierauf  einen  wirklichen  Einfluß  ausgeübt  hat,  war  Gregori 
Potemkin  (1774 — 1791),  der  so  klug  war,  der  Zarin  ganz  ruhig  vorüber-  j 
gehend  auch  andere  Liebhaber  zu  gönnen,  wenn  er  nur  für  sich  selbst  die 
eigentliche  Macht  mit  ihren  Vorrechten  behielt. 

Friedrichs  und  Katharinas  Staatskunst  hatten  zuviel  Ähnlichkeit  mit- 
einander, um  nicht  an  irgendeiner  Stelle  in  Widerspruch  geraten  zu  müssen. 
Es  schien  anfangs  bei  Polen,  doch  schon  sehr  bald  erfolgte  hierüber  zwischen 
ihnen  beiden  eine  Verständigung,  auf  Grund  deren  sie  ein  unerbittliches 
gemeinsames   Vorgehen  gegen  dies   unglückliche  Land  ins  Auge  faßten. 

Polen  entbehrte,  um  als  ein  wirkliches  Staatswesen  gelten  zu  können, 
sowohl  der  Landesgrenzen  wie  eines  Heeres  und  einer  Regierung.  Es 
blieb  ihm  nur  zur  Wahrung  seines  einheitlichen  Volkstums  seine  ein- 
heimische Sprache,  die  die  unzerstörbare  Macht  bleiben  sollte,  die  auch 
bis  zur  gegenwärtigen  Stunde  anderthalb  Jahrhunderte  der  Unterdrückimg 
und  Vergewaltigung  nicht  auszurotten  vermocht  haben.  Ein  aus  einer 
Wahl  hervorgegangener  König,  ein  starker,  tapferer  armer  Adel,  der  sich 
weder  irgendwelcher  Ordnung  fügen  noch  irgendwelcher  Politik  unter- 
werfen wollte,  verhungerte  und  ungebildete  Bauern,  die  zu  einer  Leib- 
eigenschaft verdammt  waren,  die  vielmehr  eine  Sklaverei  zu  nennen  war, 
zahllose  Juden,  die  noch  sklavischer  als  die  Bauern  waren  und  noch  mehr 
heruntergekommen,  aberjcein  Bürgerstand  1  Der  Adel  dachte  allein  daran, 
seine  Vorrechte  gegen  den   König  zu  behaupten,  xmd  die  Bauern  allein 


278  Sechstes  Buch. 


daran,  nicht  zu  verhungern.    Weder  lutherische  noch  orthodoxe  Religion 
hatten  den  Katholizismus  der  Polen  ins  Wanken  zu  bringen  vermocht. 

Nach  dem  Tode  Augusts  III.  aus  dem  sächsischen  Kurfürst sn- 
hause  (1763)  einigte  sich  Katharina  mit  Friedrich  auf  Stanislaus  Poni- 
atowski  als  den  beiden  genehmen  zukünftigen  König  von  Polen  (1765). 
Um  seine  Wahl  durchzusetzen,  rückte  das  russische  Heer  in  Polen  ein 
und  besetzte  Warschau,  Weder  Österreich  noch  Frankreich  widersprachen. 
I  Von  Katharinas  Gesandten  Repnin  unterstützt,  herrschte  Poniatowski  über 
I  Polen  als  König  mit  etwa  der  Autorität,  über  die  heute  ein  indischer  Fürst 
neben  dem  englischen   Residenten   verfügt. 

Aber  das  polnische  Volk  fügte  sich  diesem  nur  schlecht  verhehlten  Joch 
der  Fremdherrschaft  nicht. 

Es  brach  ein  Aufstand  aus,  für  den  die  Religion  als  Vorwand  herhalten 
mußte  (1768).  Volle  vier  Jahre  behaupteten  die  Verbündeten  das  Feld  in 
einem  Kriege,  den  sie  mit  Freischärlern  zu  führen  hatten,  die  wiederholt 
besiegt  und  zersprengt  wurden,  doch  dann  bald  wieder  siegreich  waren, 
sich  stets  von  neuem  erholten  und  niemals  zu  fassen  waren.  Dazu  kam, 
daß  gerade  damals  Rußlands  Hauptkräfte  für  den  Türkenkrieg  gebraucht 
wurden.  So  wurde  es  Katharina  immer  klarer,  daß  sie  für  sich  allein  mit 
den  Aufständischen  nicht  fertig  werden  würde.  Nun  trat  sie  mit  Friedrich 
und  Maria  Theresia  in  Verhandlungen  und  machte  ihnen  den  Vorschlag, 
Polen  zu  teilen.  Zwar  hatte  die  österreichische  Kaiserin  zunächst  noch 
einige  Bedenken,  um  aber  gar  bald  auf  den  Vorschlag  einzugehen,  doch 
nur  unter  der  Bedingung,  daß  auch  sie  einen  Teil  der  Beute  bekäme. 
Friedrich  bekam  den  polnischen  Teil  des  alten  Ordenslandes  Preußen 
als  Ergänzung  der  heutigen  Provinz  Westpreußen  (achthunderttausend 
Seelen);  an  Österreich  fiel  Galizien  (zwei  Millionen  sechshunderttausend) 
und  an  Rußland  Litauen  und  Weißrußland  (eine  Million  sechshundert- 
tausend) {Erste  Teilung  Polens,  1772).  Nur  noch  wenig  Land  blieb  übrig; 
dieses  behielt  vorläufig  noch  seinen  König  und  ebenso,  wenn  auch  nur  dem 
Namen  nach,   seine  Unabhängigkeit. 

Gewiß,  wir  haben  im  vorausgegangenen  schon  wiederholt  die  empörendsten 

Länderdiebstähle  durch  fremde  Staaten  gesehen  und  werden  es  auch  noch 

im  folgenden;  es  ist  das  die  Geschichte  aller  großen  Reiche;  aber  was 

diesmal  das  Verbrechen  besonders  empörend  und  haarsträubend  machte, 

I  war,  daß  die  Unglücklichen,  die  auf  diese  Weise  Untertanen  Rußlands, 

'  Preußens  und  Österreichs  wurden,  selbst  weder  Russen  noch  auch  Preußen 

noch  auch  Österreicher  waren,  ferner,  daß  die  schamlose  Plünderung  sich 

'  hinter  einer  noch  viel  schamloseren  Heuchelei  versteckte,  und  schließlich. 


Das  Königtum.  27g 


daß  diese  erste  Zerstückelung  nur  das  Vorspiel  einer  JFür  später  doch 
vorbehaltenen  und  bloß  für  den  Augenblick  hinausgeschobenen  völligen 
Unterwerfung  unter  die  erbarmungslose  und  verhaßte  Fremdherrschaft 
war!  Doch  wann  einmal  hätte  die  Erfolgsanbetung,  gleichviel  ob  bei  den 
Großen  oder  den  Kleinen,  nicht  jede  Gewissensregung  erstickt,  und  warum 
sollte  es  hier  anders  sein?  So  halfen  keinerlei  Einwände,  weder  Bitten 
noch   Beschwörungen. 

Die  Türkei,  mit  der  Katharina  damals  gleichfalls  im  Kriege  lag,  machte 
ihr  kaum  viel  mehr  Schwierigkeiten  als  Polen.  Das  türkische  Heer  hatte 
schon  lange  jenen  sieghaften  Fanatismus  und  jene  unbeugsame  Wider- 
standskraft verloren,  die  einst  die  Janitscharen  so  furchtbar  gemacht 
hatten;  jetzt  war  es  schwach,  schlecht  geleitet  und  stets  im  Aufstande 
gegen  Wesire,  die  sich  durch  ihre  ewigen  Eifersüchteleien  um  den  Vorrang 
lächerlich   machten. 

Zunächst  allerdings  schlug  sich  das  kleine  russische  Heer  ganze  vier 
Jahre  hindurch  in  den  Sümpfen  des  Dnjestr  recht  unrühmlich,  allerdings 
mehr  durch  Krankheit  als  durch  feindliches  Feuer  aufgerieben,  wie  es 
ja  etwa  noch  ein  Jahrhundert  später  in  demselben  Gelände  den  vereinigten 
englischen  und  französischen  Heeren  gehen  sollte.  Die  einzige  große 
Schlacht  war  eine  Seeschlacht,  bei  Tschesme  (1770);  hier  bekam  die  von 
Peter  dem  Großen  neuerbaute  Flotte  ihre  Feuertaufe.  Ein  glänzender  Sieg 
für  die  Russen  1  Die  ganze  türkische  Flotte  (sechzehn  große  Schiffe)  wurde 
eingeäschert,  zersprengt  und  vernichtet. 

Nun  wurde  die  Krim  angegriffen,  und  so  schloß  Sultan  Abd-ul-Hamid, 
der  nach  Mustaphas  HI.  Tode  sein  Nachfolger  geworden  war,  bald  nach 
seinem  Regierungsantritt  Frieden  (1774).  Österreich  hatte  die  Vermittelung 
gemacht,  die  es  sich  nun  mit  der  Bukowina  bezahlen  ließ,  einem  Lande, 
dessen  Bewohner  Rumänen  sind. 

Aber  der  Friede  hatte  keinen  langen  Bestand.  Konstantinopel  war 
noch  immer,  ebenso  wie  Polen,  Katharinas  großer  Ehrgeiz,  wie  es  der 
aller  Zaren  war*.  Im  Jahre  1784  rückte  ein  russisches  Heer  in  die  Krim  ein, 
die  von  nun  an  für  immer  an  Rußland  fiel;  doch  das  war  nur  ein  Anfang. 
Katharina  hatte  sich  nun  einmal  in  den  Kopf  gesetzt,  die  Türkei  gerade 
so  zu  zerstückeln,  wie  sie  es  mit  Polen  gemacht  hatte.  Nun  war  sie  bereits 
so  weit,  Österreich  auch  die  Teilung  dieses  Landes  vorzuschlagen;  doch 
hier  war  eben  auf  Maria  Theresia  Josef  IL  gefolgt,  und  er  .-ögerte  (1781). 

So  begann  denn  Katharina  den  Krieg  auf  eigene  Faust;  sie  schickte  den 


Sogen.    Testament  Peters  des   Großen. 


28o  Sechstes  Buch. 


Feindseligkeiten  die  bühnenhafte  Kundgebung  eines  bloßen  Drohungs- 
streifzuges  nach  Südrußland  voraus.  Es  waren  Triumphbögen  aufgerichtet 
worden,  auf  denen  die  Inschrift  prangte:  „Wegr  nach  Byzanz".  Es  war  das 
ein  wenig  zu  früh  geschrien  I   (1787). 

Endlich  gelang  es  Katharina,  den  Kaiser  von  Österreich  zu  überreden, 
der  nun  ihr  Bundesgenosse  gegen  die  Türken  wurde.  Doch  die  ihr  im 
geheimen  feindlich  gesinnten  Mächte  England  und  Preußen  drängten  König 
Gustav  III.  von  Schweden,  die  Russen  auf  der  Ostsee  anzugreifen.  Die 
Schweden  hatten  noch  immer  nicht  die  ihnen  durch  den  Frieden  zu  Nystädt 
entrissenen  Osfseeprovinzen  vergessen,  und  so  erklärten  sie  an  Rußland 
den  Krieg.  Nun  konnten  die  russischen  Heere,  da  sie  einen  Teil  ihrer 
Kraft  auf  die  Verteidigung  der  bedrohten  Hauptstadt  Petersburg  ver- 
wenden mußten,  nicht  mehr  mit  der  bisherigen  Entschiedenheit  den  Feldzug 
am  Dnjestr  und  Don  führen. 

So  dauerte  weder  mit  der  Türkei  noch  mit  Schweden  der  Krieg  länger 
fort.  Der  Friede  mit  Schweden  wurde  zu  Weselowo  unterzeichnet,  nachdem 
die  Schweden  einen  glänzenden  Sieg  zur  See  erfochten  hatten  (1790). 
Mit  den  Türken  aber  schloß  Josefs  II.  Nachfolger,  Leopold  IL,  den  Frieden 
zu  Sistow  (1790),  und  zwei  Jahre  darauf  Katharina  IL  zu  Jassy  (1792). 
Obgleich  die  Türken  sowohl  bei  den  Belagerungen  wie  in  den  regeürechten 
Feldschlachten  von  dem  unbesieg liehen  Suworow  nahezu  ständig  geschlagen 
worden  waren,  ging  ihnen  trotz  alledem  durch  den  Frieden  von  Jassy  kaum 
das  geringste  Stück  Land  verloren;  die  Krim  und  die  Tatarei  freilich 
blieben  endgültig  bei  Rußland. 

Es  entwickelte  sich  in  Osteuropa  das  russische  Zarenreich  allmählich 
zu  einer  europäischen  Großmacht. 


Mittlerweile  erstand  im  Westen,  jenseits  des  Atlantischen  Weltmeeres, 
eine  andere  Großmacht,  die  bei  ihrer  Entstehung  sehr  bescheidene  Anfänge 
aufzuweisen  hatte.  Rußland  stützte  sich  auf  den  Despotismus,  Amerika  auf 
die  Freiheit. 


■  "Seit  dem  Pariser  Frieden  im  Jahre  1763  besaß  England  in  Nordamerika 
eine  Kolonie  mit  etwa  zwölfhunderttausend  Einwohnern,  die  verstreut  an 
der  ganzen  Küste  wohnten,  während  das  Innere  weder  bevölkert  noch 
auch  nur  erforscht  war.  So  grenzten  damals  ans  Meer  von  Norden  nach 
Süden  Neufundland,  Akadien  und  Neuengland  als  die  nördlichen,  Massa- 
chusetts und  Pennsylvanien  als  die  mittleren,  Maryland,  Virginia,  die 
Karolinen  und  Georgia  als  die  südlichen  Kolonien.    Florida  gehörte  noch 


Das  Königtum.  281 


Spanien,  Louisiana  mit  einer  kleinen  französischen  Bevölkerung  ebenso 
Frankreich. 

Die  hauptsächlichsten  Städte  waren  Boston,  der  eigentHche  geistige 
Mittelpunkt  (fünfzehntausend  Einwohner),  New  York,  schon  damals  ein 
bedeutender  Handelsverkehrsplatz  (fünfundzwanzigtausend  Einwohner)  und 
Philadelphia   (zwanzigtausend  Einwohner). 

Die  Ansiedler  waren  überwiegend  Bauern  und  Landwirte,  in  den  Städten 
Kaufleute,  Richter,  Pastoren  und  Ärzte.  Die  Schulbildung  war  weit  ent- 
wickelter als  in  irgendeinem  europäischen  Lande.  Alle  Amerikaner  konnten 
lesen,  und  alle  lasen  eifrig  in  ihrer  Bibel.  Bereits  in  jeder  Stadt  gab  es 
Zeitungen, 

Die  Kolonien  verwalteten  sich  selbst  ohne  allzu  große  Kosten.  .  Das 
hauptsächlichste  oder  besser  gesagt  das  einzige  Band,  das  sie  an  das 
Mutterland  fesselte,  war  der  von  England  gesandte  Statthalter,  der  die 
Aufgabe  hatte,  die  englischen  Gesetze  zur  Durchführung  zu  bringen  und 
die  Steuern  zu  erheben. 

Alle  Auswanderer  waren  mit  einem  berechtigten  Stolze  von  ihrem  Werte 
und  ihrer  Unabhängigkeit  durchdrungen.  Was  an  liberalen  Anschauungen 
England,  was  an  demokratischen  Frankreich  durchbebte,  fand  damals  einen 
lebhaften  Widerhall  in  den  Herzen  aller  jungen  Amerikaner.  Allerdings 
waren  diese  noch  immer  bis  ins  Innerste  ihrer  Seele  monarchisch  und 
wünschten  sich  in  jenen  Tagen  noch  keineswegs  von  ihrem  Mutterlande 
zu  trennen. 

Zehn  Jahre  lang  (1765 — 1775)  bildeten  den  ausschließlichen  Reibungs- 
stoff zwischen  Kolonie  und  Mutterland  unbedeutende  Streitigkeiten  um 
Rechts-  und  Zuständigkeitsfragen.  Die  Körperschaften  einer  jeden  Provinz 
fochten  die  Berechtigung  ihres  Statthalters  auf  die  Erhebung  der  einen 
oder  der  anderen  Steuer  an.  Die  damalige  Toryregierung  Englands  unter 
Lord  North  begriff  nach  mehreren  Zusammenstößen,  von  denen  einige 
sogar  einen  blutigen  Ausgang  nahmen,  schließlich,  daß  die  Einziehung 
dieser  Abgaben  mehr  kostete  als  sie  einbrachte,  und  so  entschloß  sie  sich, 
dieselben  sämtlich  aufzuheben  bis  auf  den  Teezoll,  den  sie  wegen  der 
grundsätzlichen    Natur    der    Sache    beibehalten    wollte    (1770). 

Aber  gerade  auch  um  des  Grundsatzes  willen  weigerte  sich  die  Bevöl- 
kerung von  Boston,  den  so  willkürlich  angesetzten  Zoll  zu  zahlen.  So 
warf  sie  eine  neuangekommene  Sendung  Tee  der  Ostindischen  Gesellschaft 
kurzer   Hand  ins   Meer   (Dezember   1773). 

Mit  Genehmigung  des  britischen  Parlaments  und  des  Königs  Georg  HL 
(1760 — 1820)   sandte   Lord   North   als   Antwort   auf   dieses   Verhalten   den 


202  Sechstes  Buch. 


General  Gage  nach  Boston  'unter  Aufhebung  aller  Freiheiten,  üdie  der  Staat 
Massachusetts   genoß. 

Die  angesehensten  Bürger  von  Boston,  unter  anderen  Samuel  Adam 
und  Warren,  beantworteten  diese  Gewaltmaßregel  mit  Berufung  einer 
Versammlung  von  Vertretern  sämtlicher  nordamerikanischer  Provinzen 
(eines  sogenannten  kontinentalen  Kongresses)  nach  Philadelphia  zur  Wahrung 
der  Rechte  der  Kolonie.  Der  Kongreß  trat  zusammen  (5 .  September  1 774). 
Er  bestand  aus  den  Vertretern  der  sämtlichen  damaligen  zwölf  Kolonien, 
an  Zahl  fünfundfünfzig.  Es  war  das  erste  Mal,  daß  sich  die  bisher  über 
ein  unendliches  Gebiet  verstreuten  amerikanischen  Ansiedler  zu  einem 
einheitlichen  Schritte  und  Beschlüsse  zusammenfanden.  Der  5.  September 
1774  ist  in  den  Kalender  der  Weltgeschichte  als  ein  denkwürdiger  Tag 
eingezeichnet.  „Die  Tyrannei  hat  die  Grenzen  ausgelöscht!"  rief  Patrick 
Henry,  „jetzt  bin  ich  nicht  mehr  Virginier,  jetzt  bin  ich  allein  Amerikaner!" 

Nun  drängen  sich  die  Ereignisse  rasch  und  entscheidend.  Mit  jeder 
neuen  Tatsache  rückt  die  Trennung  einen  Schritt  näher.  Im  April  1775 
liefern  die  englischen  Truppen  unter  Gage  den  Bürgerwehrmännern  des 
Staates  Massachusetts  eine  regelrechte  Schlacht  bei  Lexington.  Schon  im 
Mai  tritt  der  zweite  Kongreß  zusammen,  der  diesmal  ein  Heer  zu  werben 
und  Papiergeld  auszugeben  beschließt.  Im  Juni  ernennt  der  noch  immer 
tagende  Kongreß  George  Washington  zum  Oberbefehlshaber  sämtlicher 
Bürgerwehrmannschaften.  Zwei  Tage  darauf  bezeichnet  eine  heiße  Schlacht 
unmittelbar  vor  den  Toren  von  Boston,  bei  Jankeshill,  den  ersten  großen 
Sieg  des  so  gefeierten  amerikanischen  Freiheitshelden. 
.  Im  folgenden  Jahre  beschloß  der  in  Philadelphia  zusammengetretene 
Kongreß  die  feierliche  Erklärung  seiner  Unabhängigkeit  in  dem  von  Jeffer- 
son,  dem  Vertreter  von  Virginia,  abgefaßten  Wortlaute  (4.  Juli  iJjQ; 
Diese  Unabhängigkeitserklärung  war  für  den  Staat  Virginia  von  einer 
Erklärung  der  Rechte  begleitet,  die  das  Vorbild  für  die  nicht  lange  nachher 
niedergeschriebene,  fast  wörtlich  gleichlautende,  von  derselben  Begeisterung 
eingegebene,  aber  in  der  europäischen  Welt  noch  berühmter  gewordene 
j' französische  Erklärung  der  Menschenrechte  liefern  sollte:  „Alle  Menschen 
sind  von  Natur  frei  und  unabhängig;  jede  Regierungsgewalt  gehört  allein 
dem  Volke;  die  Behörden  sind  weiter  nichts  als  die  Bevollmächtigten 
und  Diener  desselben  und  ihm  zu  jeder  Zeit  verantwortlich.  Kein  Amt  darf 
]  erblich  sein ;  die  beiden  Gewalten  der  Gesetzgebung  und  der  Vollziehung 
sind   von    der   richterlichen   Gewalt   zu   trennen." 

Die  Amerikaner  feiern  den  4.  Juli  1776  mit  Recht  als  einen  nationalen 
Gedenktag,   den  sie  alljährlich  festlich  begehen,  haben  sie  sich  doch  an 


Das  Königtum.  283 


jenem  Tage  zum  Volke  zusammengeschlossen,  und  sollte  doch  dieses  junge 
Volk  mit  seiner  Vaterlandsliebe,  seinen  Gesetzen  und  seinen  Sitten  der 
herrlichsten  Zukunft  entgegengehen  I  Dieses  so  plötzlich  emporgekommene 
Volk,  das  im  Jahre  1775  nicht  mehr  als  zwei  Millionen  Einwohner  zählte, 
wird  voraussichtUch  im  Jahre  191 5  die  hundertste  Million  vollgemacht 
haben  1 

Der  Krieg  dauerte  sechs  Jahre  und  zeigte  die  verschiedensten  Wand- 
lungen. Zunächst  wurde  Washington,  dessen  Bürgerwehrmänner  zwar 
höchst  tapfer,  aber  ebenso  unerfahren  waren,  von  dem  ausgezeichneten 
englischen  Heere  im  Jahre  1776  bei  Brooklyn  und  im  Jahre  1777  bei 
Brandywine  geschlagen.  Doch  schon  bald  gab  eine  denkwürdige  Waffentat 
den  Aufständischen  die  Hoffnung  wieder.  In  Saratoga  mußte  der  englische 
General  Burgoyne  die  Waffen  strecken  und  sich  mit  sechstausend  Mann 
dem  amerikanischen  (General   Gates    ergeben    (16.    Oktober    1777). 

Doch  allem  Heldenmute  der  Bürgerwehrmänner  zum  Trotze  waren 
die  Kräfte  noch  immer  ungleich.  Vor  allem  fehlte  es  an  Geld.  Auch  machten 
die  Kälte  und  die  Entfernungen  den  Krieg  für  die  mit  Kleidern  und  Lebens- 
mitteln schlecht  ausgerüsteten  Amerikaner  sehr  hart,  jedenfalls  viel  härter 
als  für  die  britischen  Soldaten,  die  von  den  die  Küsten  entlang  kreuzenden 
Schiffen  immer  wieder  im  Überflusse  neu  verproviantiert  wurden.  Aber 
Washington  stand  noch  immer  ungebrochen  da. 

Erst    Frankreichs    Dazwischentreten    entschied    den    Sieg    der   Freiheit. 

Die  französische  öffentliche  Meinung  hatte  sich,  besonders  in  Paris, 
für  die  amerikanischen  Unabhängigkeitskämpfer  wahrhaft  leidenschaftlich 
begeistert.  Benjamin  Franklin,  der  nach  Europa  gekommen  war,  tun  die 
Sache  seiner  Landsleute  zu  vertreten  und  für  sie  Stimmung  zu  machen, 
wurde  vom  ersten  Augenblick  seiner  Ankunft  in  Paris  mit  einer  ganz  un- 
gewöhnlichen Wärme  aufgenommen.  Alle  bewunderten  seine  Biederkeit, 
sein  Zartgefühl,  seinen  Scharfsinn;  alle  rühmten  seine  wissenschaftUchen 
Entdeckungen.  Dem  einheitlichen  Zuge  der  öffentlichen  Meinung  folgend, 
erkannte  daher  Ludwigs  XVI.  Regierung  den  Vereinigten  Staaten  Amerikas 
ihre  Unabhängigkeit  an  (6.  Februar  1778).  Das  bedeutete  den  Krieg 
mit   England. 

Die  französische  Marine  hatte  sich  allmählich  wieder  erholt.  Trotz 
Ludwigs  XV.  ablehnenden  Verhaltens  hatte  sich  schon  Choiseul  nicht  von 
dem  Versuche  abschrecken  lassen,  Frankreich  die  Flotte  wiederzugeben, 
um  die  es  seit  la  Hougue  die  wiederholtesten  Mißerfolge  gebracht  hatten, 
ein  Versuch,  der  recht  glücklich  verlief.  Vergennes  setzte  dieses  Erneue- 
rungswerk   nun    weiter    mit    solchem    Erfolge    fort,    daß    bereits     unter 


284  Sechstes  Buch. 


Ludwig  XVI.  im  Jahre  1779  die  mit  den  spanischen  vereinten  französischen 
Schiffe  der  enghschen  Flotte  die  Spitze  bieten  konnten.  Die  Wieder- 
eroberung Gibraltars  gelang  allerdings  nicht.  Auch  war  der  englische 
Admiral  bei  Saintes  siegreich  (1782).  Doch  dieser  Erfolg  war  nicht  ent- 
scheidend, hatte  doch  die  französische  Flotte  ihren  ganzen  alten'  Mut 
wiedergewonnen  und  unter  Suffren,  d'Orvilliers  und  d'Estaing  gezeigt,  daß 
sie   noch   immer   zu    siegen   vermochte. 

In  der  Tat  ist  auch  ihr  zu  einem  guten  Teil  der  glänzende  Sieg  zu 
verdanken,  den  Washington  bei  Thornton  davontrug  (19.  Oktober  1781), 
und  der  für  den  Ausgang  des  englisch-amerikanischen  Krieges  entscheidend 
wurde. 

Frankreich  hatte  eine  kleine  Heeresabteilung  von  sechstausend  Mann 
unter  der  Führung  von  Rochambeau  gerade  in  jenem  bedenklichen  Augen- 
blicke geschickt,  wo  Washington  trotz  wahrer  Wunder  von  Ausdauer  und 
Umsicht  schon  so  gut  wie  verloren  schien.  Nun  konnte  er  in  Virginia  im 
Verein  mit  Rochambeau  gegen  das  englische  Hauptheer  unter  Cornwallis 
vorrücken.  Dieser  hoffte  die  mehr  und  mehr  schwindenden  Lebensmittel 
seines  Heeres  durch  die  englischen  Schiffe  ergänzt  zu  bekommen,  die  jedoch 
durch  eine  Blockade  der  französischen  Flotte  so  von  ihm  abgeschnitten 
wurden,  daß  er  sich  bei  Yorktown  mit  siebentausend  Mann,  den  besten 
Soldaten   Englands,   gefangen   geben   mußte. 

Nun  war  das  englische  Parlament  und  das  ganze  englische  Volk  endlich 
des  Krieges  müde.  Im  Jahre  1782  wurde  der  Friede  mit  Amerika  und 
im  Jahre  1783  der  Friede  mit  Frankreich  und  Spanien  unterzeichnet  (Friede 
zu  Versailles). 

Den  Vereinigten  Staaten  Amerikas  wurde  ihre  Unabhängigkeit  bestätigt. 
Frankreich,  das  nun  auch  vom  Senegal  wieder  Besitz  nahm,  trug  aus 
diesem  Frieden  jedoch  keinen  anderen  Gewinn  davon  als  ausschließUch 
das  stolze  Gefühl :  für  eine  gerechte  Sache  siegreich  und  ruhmvoll  gekämpft 
zu  haben. 


Aber  auch  in  Frankreich  bereiteten  sich  große  Ereignisse  vor,  die, 
ebenso  wie  die  Revolution  in  Amerika,  einen  umgestaltenden  Einfluß  auf 
die  ganze  Welt  haben  sollten. 

Ludwig  XIV,  war,  von  allen  verabscheut,  gestorben,  Ludwig  XV.  starb 
nicht  weniger  von  allen  verachtet.  Seine  letzten  Regierungsjahre  waren  der 
reine  Jammer.  Zwar  hatte  noch  ein  Minister  von  einer  so  bemerkens- 
werten politischen  Weitsichtigkeit  wie  Choiseul  (1758— 1770)  einige  erfolg- 


Das  Königtum.  205 


reiche  Bemühungen  gemacht,  den  Verfall  des  Königtums  hinzuhalten. 
Aber  er  wurde  durch  eine  Palastintrige  gestürzt,  hatte  er  doch  das  Miß- 
fallen von  Frau  du  Barry,  einer  kleinen  Hofdame,  erregt,  die  über  den  alt 
gewordenen   König   jeden   nur   denkbaren   Einfluß   gewonnen   hatte. 

Die  Verschwendung  und  Mißwirtschaft  gestaltete  sich  allmählich  derartig, 
daß  schließhch  der  Ausbruch  des  Staatsbankrotts  nicht  mehr  zu  umgehen 
war.  Ludwig  XV.  hinterließ  seinem  Nachfolger  verzweifelte  Finanzen  imd 
eine    vollständig    heruntergekommene    Monarchie    (i774)- 

Und  doch  hatte  Frankreich  auch  jetzt  noch  nicht  seinen  Glauben 
an  die  Monarchie  verloren.  Über  die  Mißbräuche  nicht  sowohl  von  Ent- 
rüstung beherrscht,  als  vielmehr  ihren  ernsthchen  Besserungsversuchen 
zugeneigt,  hoffte  es  viel  von  dem  neuen  König.  Ehe  es  sich  über  die  Ver- 
gangenheit ereiferte,  wiegte  es  sich  lieber  in  schöne  Zukunftsträume.  Es 
war  ein  Augenblick  der  edelsten  Selbsttäuschungen  und  der  phantastischsten 
Einfälle.     Der    Zorn    sollte    erst    später    kommen. 

Die  Sehnsucht  nach  verbessernden  Umgestaltungen  zeigte  sich  überall; 
Volk,  Geistlichkeit,  Adel,  alle  fühlten,  daß  ein  Wandel  nötig  sei ;  alle  sehnten 
mit  heißen  Wünschen  die  neue  Zeit  herbei,  die  sie  als  das  Ende  aller  Leiden 
und   Irrungen  ahnungsvoll   vorausschauten. 

Ludwig    XVL    war    erst    zwanzig    Jahre    alt.     Die    hochherzigsten    und 
edelsten   Absichten   beseelten   ihn.     Er   war   weder   irgendwie    eigennützig       / 
noch  ausschweifend  noch  auch  arglistig.    Er  wäre  wahrhaft  gut  gewesen,      ' 
wenn  anders  ein  schwacher  Mensch  gut  seih  könnte.   Doch  s'eine  Begabung    '   * 
"war  nur  mäßig,  und  noch  mäßiger  seine  Charakterstärke.    Um  den  Kräften, 
die  sich  bald  entfesseln  sollten,  erfolgreich  zu  widerstehen,  hätte  es  eines 
sehr   großen    Mannes    bedurft,    und    er    war   nur    ein   ganz    gewöhnliches 
Menschenkind. 

Seine  Schwäche,  ja  sein  Verderben  war  seine  Gemahlin  Marie  Antoinette. 
Die  herben  Schicksalsschläge  dieser  unseligen  Österreicherin  dürfen  uns 
nicht  in  unserm  Urteil  über  sie  irremachen.  Sie  wurde  der  französischen 
Monarchie  zum  Verhängnis,  weil  sie  ihre  Leichtfertigkeit  bis  zur  Dummhejt 
und  ihre  Eitelkeit  bis  zur  Schamlosigkeit  trieb.  Inmitten  einer  Gesellschaft, 
fuFdie  sie^kein  Verständnis  hatte,  hat  sie,  als  sie  erst  einmal  auf  Irrwege 
geraten  war,  auch  nicht  einen  einzigen  Fehler  zu  vermeiden  gewußt,  ja, 
wenn  es  gar  keinen  zu  begehen  gab,  machte  sie  es  möglich,  solche  eigens 
zu  ersinnen.  Die  so  anmaßende,  verschwenderische  und  oberflächliche 
Königin  behandelte  Frankreich  wie  ein  erobertes  Land,  und,  so  sehr  Lud- 
wig XVI.  auch  von  dem  Unrecht  der  Königin  überzeugt  war,  er  gab  ihr 
doch  immer  nach,  nicht  sowohl  aus  Liebe  wie  aus  Mangel  an  Widerstands- 


206  Sechstes  Buch. 


kraft.  Besonders,  weil  ihm  die  unglückliche  Kunst  eigen  war,  sich  nie  zur 
rechten  Zeit  zu  fügen  und,  wie  König  Karl  I.  von  England,  gleich  unge- 
schickt im  Versagen  wie  im  Bewilligen  zu  sein. 

Die  Regierung  Ludwigs  XVI.  feierte  ihre  Einweihung  mit  dem  Mini- 
sterium Turgot.  Und  Turgot  war  wirklich  ein  großer  Minister.  Er  suchte 
etwas  Ordnung  in  die  Finanzen  zu  bringen  und  Freiheit  auf  wirtschaftlichem 
Gebiete,  besonders  auch  im  Getreidehandel,  einzuführen.  Sein  Streben 
ging  auf  Beseitigung  aller  amtlichen  Übergriffe  und  Plackereien.  Sogleich 
erhoben  alle,  die  hieraus  bis  dahin  Nutzen  gezogen  hatten  —  es  waren 
das  unzählige  ebenso  einflußreiche  wie  gewissenlose  Leute  —  Einspruch. 
Da  außerdem  diese  Neuerungen  hundertjährigen  Vorurteilen  begegnen 
mußten,  vereinigten  sich  alle,  die  an  Überlieferung  und  Herkommen 
hingen,  mit  den  Verärgerten,  und  bald  hatte  Turgot  alle  Welt  gegen  sich. 
Nicht  einmal  die,  denen  er  seinen  Schutz  lieh,  traten  für  ihn  ein,  ja 
wußten  ihn  vielleicht  gar  nicht  richtig  zu  würdigen. 

Als  im  Jahre  1774  wegen  des  schlechten  Ausfalls  der  Getreideernte  die 
Kornpreise  gestiegen  waren,  redete  sich  das  Volk  ein,  daß  dies  kein  anderer 
als  Turgot  verschuldet  hätte.  Es  gab  Aufstände  und  Krawalle;  es  floß 
sogar  Blut,  und  die  Schmähschriften  mehrten  sich.  Vielleicht  wollte  der 
große  Staatsmann  zuviel  Neuerungen  auf  einmal  versuchen;  Tatsache  ist, 
daß  man  nicht  auf  ihn  hören  wollte.  Vergebens  äußerte  Ludwig  XVL : 
„Nur  wir  beiden,  Turgot  und  ich,  liebten  das  Volkl",  er  mußte  dieses  ihm 
so  teure  Volk  schließlich  doch  den  Ränken  seiner  Gemahlin  überlassen 
(Mai  1776).  Jede  Hoffnung,  die  Monarchie  durch  friedliche  Reformen 
zu  heben,  schwand  dahin. 

Doch  sollte  nach  Turgots  Abgang  die  Hofpartei  zunächst  noch  nicht 
gleich  triumphieren.  Vielmehr  wurde  Necker,  ein  Genfer  Bankherr,  der 
Vater  der  Frau  von  Stael,  mit  der  Leitung  der  Finanzen  beauftragt.  Nun 
gibt  es  für  eine  Regierung,  wenn  die  Staatskasse  erschöpft  ist,  keine  wesent- 
lichere Aufgabe  als  eine  sachgemäße  Finanzverwaltung.  Da  machte  Necker 
einige  schüchterne  Reformvorschläge.  Obgleich  oder  vielleicht  gerade, 
weil  seine  Pläne  nicht  so  kühn  waren,  wie  die  Turgots,  und  die  von  ihm 
eingeschlagenen  Wege  nicht  so  gerade  auf  das  Ziel  führten,  wie  die  jenes, 
erfreute  er  sich  großer  Volkstümlichkeit;  aber  die  Königin  und  der  Hof 
verziehen  ihm  nie,  den  traurigen  Zustand  der  Finanzen  vor  aller  Augen 
enthüllt  und  der  Öffentlichkeit  die  Summe  mitgeteilt  zu  haben,  auf  die  sich 
die  Luxusausgaben  des  Königs,  der  Königin  und  ihrer  Günstlingsschar 
belief;  sie  war  bis  auf  achtundzwanzig  Millionen  angewachsen! 

Obwohl    die    öffentliche    Meinung    schon    damals    sehr    mächtig    war, 


Das  Königtum.  287 


fühlte  sich  der  König  noch  mächtiger.  Ohne  sich  also  viel  um  sie  zu 
kümmern,  hörte  er  allein  auf  die  Königin,  entließ  Necker  imd  ersetzte 
ihn    durch    Calonne. 

Es  galt  nun  Geld  heranzuschaffen.  Da  schritt  Calonne  zu  einer  Anleihe. 
Es  ist  das  ein  bequemes  Verfahren,  das  zu  Anfang  immer  gelingt,  sich  aber 
bald  erschöpft.  Nach  Verlauf  von  drei  Jahren  war  die  Staatskasse  leer. 
Jetzt  nun  kam  Calonne  auf  den  Gedanken,  sich  nicht  etwa  an  die  alten 
Reichsstände,  die  Generalstaaten  und  auch  nicht  an  das  Parlament, 
sondern  vielmehr  an  eine  Sonderversammlung,  die  auf  einer  sehr  undemo- 
kratischen Grundlage  beruhte,  nämlich  an  die  Notabeinversammlung  (1787) 
zu  wenden.  Die  Notabein,  d.  h.  die  angeseheneren  Elemente  des  Bürger- 
tums, ließen  Calonne  im  Stich,  und  so  blieb  ihm  nichts  übrig,  als  nunmehr 
die  öffentliche  Meinung  anzurufen;  hierdurch  wurde  er  aber  beiden  gleich 
unleidlich,  dem  Könige  wie  dem  ganzen  Lande.  Nun  trat  Brienne  an 
seine  Stelle  (April  1787).  Von  Turgot  zu  Necker,  von  Necker  zu  Calonne, 
von  Calonne  zu  Brienne;  mit  jedem  Wechsel  wurde  es  mit  dem  Mini- 
sterium immer  ärger. 

Da  machte  sich  die  Opposition  in  einer  Weise  geltend,  daß  sie  mm  gar 
nicht  überhört  werden  konnte.  Jetzt  handelte  es  sich  nicht  mehr  bloß 
um  die  bittere  Verhöhnung  durch  irgendeinen  Flugblattschreiber  oder 
Schmähschriftverfasser  oder  etwa  auch  um  ein  beißendes  Spottgedicht, 
das  Salonerzeugnis  irgendeines  Marquis,  jetzt  begann  das  ganze  französische 
Volk  aufzustehen.  Man  belästigte  die  Steuerbeamten,  ja,  man  plünderte 
hier  und  da  die  Schlösser.  Die  Königin  wurde  beinahe  öffentlich  als  eine 
Abenteuerin  und  die  Minister  als  Schurken  bezeichnet.  Alle  alten  Ein- 
richtungen der  Monarchie  wurden  lächerlich  gemacht.  Ganz  Paris  war  in 
Gärung.  Die  Hochzeit  des  Figaro  von  Beaumarchais,  das  Meisterwerk  der 
französischen  Lustspieldichtung,  das  mit  allen  Überlieferungen  der  Ver- 
gangenheit beherzt  und  kühn  gebrochen  hatte,  wiirde  mit  begeistertem  Bei- 
fall aufgenommen  (1784).  Das  Heer  zitterte  vor  Erregung  und  Lust  zum 
Meutern,  besonders  seit  Segurs  letzter  Verfügung,  die  einem  Offizier,  der 
nicht  mindestens  vier  Ahnen  alten  Adels  nachweisen  konnte,  von  der  Be- 
förderung zu  allen  höheren  Rangstufen  ausschloß.  Das  Parlament  selbst 
wurde  aufständisch  und  sandte  Protestadressen  ab,  in  denen  es  die  Ab- 
schaffung der  geheimen  Königlichen  Verhaftsbefehle  und  die  Einberufung 
der   Generalstaaten   forderte   (Juli    1787). 

Zuerst  kam  es  zum  Zusammenstoß  zwischen  Parlament  und  Hof.  Die 
Pariser  Bevölkerung  wie  auch  die  Provinz  nahm  für  das  Parlament  Partei; 
es   entstanden  Volksaufläufe,   deren   Zerstreuung   Schwierigkeiten  machte. 


288  Sechstes  Buch. 


Im  Mai  1788  ließ  der  König  zwei  Parlamentsmitglieder  verhaften  und 
löste  mehrere  Kammern  des  Pariser  Parlaments  auf;  doch  nun  legten  die 
Parlamente  gewisser  Provinzen  Verwahrung  ein  und  weigerten  sich,  von 
den  Verfügungen  Vermerk  zu  nehmen.  Da  traten  die  Provinzialkammern, 
auch  ohne  einberufen  worden  zu  sein,  zusammen.  Einige  Adlige  und  einige 
Priester  machten  gemeinsame  Sache  mit  dem  Volke.  Im  Dauphine  zu 
Grenoble,  wo  das  Parlament  aufgelöst  worden  war,  entbot  nunmehr  der 
Adel  den  dritten  Stand  zu  einer  brüderlichen  Verständigungsversammlung 
und  sagte  ihm  die  doppelt  so  starke  Vertretung  zu  oder  mit  andern  Worten : 
es  sollten  in  Zukunft  zwei  Abgeordnete  des  dritten  Standes  auf  je  einen 
Abgeordneten  des  Adels  und  einen  der  Geistlichkeit  kommen.  Wenige 
Tage  nachher  verkündeten  zu  Vizille  sechshundert  Abgeordnete  aus  allen 
drei  Ständen  die  Unerläßlichkeit  der  Einberufung  der  Generalstaaten  mit 
der  Versicherung,  daß  jede  Steuer,  die  nicht  von  den  Bevollmächtigten 
des  französischen  Volkes  gutgeheißen  sei,  verweigert  werden  solle.  —  So 
hatte  auch  gerade  die  englische  Revolution  und  der  Unabhängigkeits- 
kampf  der   amerikanischen   Kolonien   angefangen. 

Der  König  mußte  nachgeben,  Brienne  entlassen  und  Necker  zurück- 
berufen werden.  Die  Verwirrung  war  allgemein;  niemand  gehorchte; 
jedermann  hatte  etwas  auszusetzen.  Jeden  Augenblick  drohte  der  Staats- 
bankrott. Das  allgemeine  Elend  reizte  immer  weitere  Kreise  zum  Aufruhr, 
der  nun  in  Stadt  und  Land  tobte.  Da  blieb  nichts  weiter  übrig,  als  sich 
zur  Einberufung  der  Generalstaaten  zu  entschheßen.  Sie  sollte  das  allge- 
meine Heilmittel,  die  Arznei  für  sämtliche  Krankheiten  bilden. 

Es  verflossen  nun  über  vier  Monate  (27.  Dezember  1788 — 5.  Mai  1789), 
in  denen  die  Wähler,  Adlige,  Priester,  Bürger  und  Bauern,  ihre  Vertreter 
bestimmten  und  jene  berühmten  Hefte  abfaßten,  in  denen  sie  Reformen 
verlangten  und  ihre  Beschwerden  auseinandersetzten.  Diese  Sammlungen 
von  Urkunden  volkstümlichen  Denkens  sind  uns  erhalten  geblieben; 
sie  sind  schlicht,  rührend,  stellenweise  salbungsvoll  und  stellenweise  lächer- 
lich, doch  nirgends  roh.  Das  Volk  ist  der  monarchischen  Anschauung 
noch  treu,  aber  es  fühlt  sich  durch  die  Vorrechte  der  Adligen  erdrückt  und 
durch  die  himmelschreienden  Ungerechtigkeiten  der  Königlichen  Steuer- 
behörde ausgebeutet.  Es  will  die  Freiheit  des  einzelnen;  es  verabscheut 
die  Mißbräuche,  unter  denen  es  leidet.  Hierbei  mischt  es  Wohl  in  das  Ver- 
zeichnis der  gegenwärtigen  Mißstände  manche  phantastischen  Zukunfts- 
hoffnungen ein  und  ahnt  unbestimmt  die  politische  Freiheit.  Es  muß  einer 
schon  sehr  beschränkt  sein,  der  hieraus  Anlaß  zur  Entrüstung  oder 
zum    Spotte    nimmt. 


Das  Königtum.  289 


Die  Zusammenkunft  der  Abgeordneten  des  Adels,  der  Geistlichkeit 
und  des  dritten  Standes  fand  am  4.  Mai  1789  zu  Versailles  statt. 

Eine  Frage  war  es,  die  vor  allem  zu  lösen  und  besonders  schwer- 
wiegender Natur  war :  Sollten  die  drei  Stände  gesondert  oder  gemeinsam 
beraten  ?  Der  Adel  erklärte  sich  für  die  Sonderung,  der  dritte  Stand  für 
Gemeinsamkeit;  die  Geistlichkeit  war  geteilter  Meinung.  Am  19.  Juni  be- 
schließt der  dritte  Stand,  sich  als  Nationalversammlung  zu  erklären,  mit 
der  Aufgabe,  die  Höhe  der  Steuern  zu  beschließen.  Es  bedeutete  das  den 
ersten  Schritt  des  Volkes  zur  Unabhängigkeit,  ja  fast  zur  Selbstbestimmung. 
Der  Hof  antwortete  mit  Schließung  des  Saales,  in  dem  die  Abgeordneten 
zusammentreten  sollten.  Doch  die  Sitzung  wurde  nichtsdestoweniger  abge- 
halten; am  20.  Juni  leisteten  die  Mitglieder  der  Versammlung  unter  dem 
Vorsitz  des  Astronomen  Bailly  im  Saale  des  Versailler  Ballspielhauses 
(Jeu  de  Paume)  den  feierlichen  Eid:  nicht  eher  auseinanderzugehen,  als  bis 
sie  Frankreich  eine  Verfassung  gegeben  hätten. 

Von  den  Fluten  der  allgemeinen  Erregung,  denen  nichts  widerstehen 
kann,  werden  alle  Dämme  fortgerissen.  Der  redegewaltige  Mirabeau  setzt 
einen  Beschluß  durch,  daß  die  Person  der  Abgeordneten  unverletzlich  sei 
(20.  Juni).  Am  24.  Juni  gesellen  sich  ein  Teil  des  Adels  und  auch  der 
GeistUchkeit  zu  dem  dritten  Stand  und  treten  der  Versammlung  bei. 

Anstatt  nun,  wie  es  allein  vernünftig  gewesen  wäre,  sich  dem  Willen 
des  Volkes  zu  fügen,  macht  vielmehr  Ludwig  XVI.  für  alles  Necker  ver- 
antwortlich und  entläßt  ihn  (11.  Juli).  Gleichzeitig  hiermit  bestellt  er,  da 
auf  die  Treue  des  französischen  Heeres  kein  rechter  Verlaß  mehr  war,  ein 
ausländisches  Regiment  vor  Paris,  die  deutschen  Dragoner  eines  bayerischen 
Garnisonstädtchens. 

Das  rief  bei  den  Parisern  einen  wahren  Sturm  hervor.  Es  gab  nur 
einen  Schrei  der  Entrüstung  und  nichts  als  Krawalle  und  Schlägereien. 
Waffenlager  wurden  gestürmt  (13.  Juli).  Und  nun  stürzte  sich  ohne  jeden 
zuvor  vereinbarten  Plan  die  erregte  Masse  auf  die  Bastille  (14.  Juli  1789). 

Der  Platzhalter  Delaunay  verfügte  gerade  nur  über  eine  sehr  schwache 
Besatzung  zu  seiner  Verteidigung.  Von  allen  Seiten  stürmten  die  Angreifer 
heran;  herbeigelaufen  kamen  Bürger,  Arbeiter,  Leibgardisten,  Frauen  und 
Kinder;  sie  führten  die  seltsamsten  Waffen  bei  sich,  schrien  und  tobten. 
Delaunay  verlor  seine  ganze  Kaltblütigkeit.  Zwar  ließ  er  zunächst  auf 
die  Parlamentarier  schießen;  das  war  aber  auch  alles.  Nach  einem  ganz 
kurzen  Scheingefecht  ergab  er  sich;  die  Masse  drang  in  freudigem  Triumph 
in  die  alte  Festung.  Grausam  wie  alle  Massen,  metzelte  sie  nun  noch  den 
19  Riebet.  Geschichte  der  Menschheit 


2go  Sechstes  Buch. 


Mann  nieder,  der  sie  bis  dahin  zurückgehalten  hatte,  und  spießte  sein 
Haupt   auf. 

Der  Sturm  auf  die  Bastille  ist  vom  ausschließlich  militärischen  Stand- 
punkte nur  eine  ganz  mäßige  Leistung:  Ein  verängsteter  Platzhalter  öffnet 
einer  rasenden  Menge  die  Tore  eines  Gefängnisses;  das  ist  eine  weder  für 
den  Platzhalter  noch  für  die  Masse  besonders  rühmliche  Heldentat. 

Gleichwohl  ist  der  Bastillesturm  ein  Ereignis  von  weltgeschichtlicher 
Bedeutung,  sind  doch  stets  im  Leben  alle  wahrnehmbaren  Gegenstände 
nur  Sinnbilder  und  alle  Tatsachen  nur  durch  die  ihnen  zugrunde  liegenden 
Vorstellungen  wertvoll,  und  ist  es  doch  auch  hier  nicht  anders.  Was 
bedeutet  die  Bastillefestung  weiter  als  die  altersschwach  gewordene  Welt 
mittelalterlicher  Lehnsherrschaft,  als  die  Hochburg  aller  gesetzlosen  Über- 
griffe und  tyrannischen  Vergewaltigungen,  als  das  Gefängnis  für  alle  freien 
Geister,  die  dort  in  Fesseln  schmachten  müssen  ?  Kurz,  was  bedeutet 
sie  mit  ihren  Geschützrohren,  ihren  Kerkerlöchern  und  ihren  feilen  und 
käuflichen  Söldnerseelen  weiter  als  die  unumschränkte  Macht  der  alten 
Könige  ? 

Das  haben  die  Könige  verstanden;  nicht  ohne  Grund  verschwören  sie 
sich  alle  gegen  die  Sieger  vom  14.  Juli.  Sie  wissen,  daß  der  Fall  der  Pariser 
Bastille  den  Fall  aller  andern  Bastillen  in  der  Welt  nach  sich  ziehen  wird! 

Und  darin  liegt  der  Grund,  weshalb  der  14.  Juli  einer  der  großen  Tage 
in  den  Jahrbüchern  der  Menschheitsgeschichte  ist.  Er  bezeichnet  das  Ende 
der  uneingeschränkten  Allgewalt  der  Könige;  er  ist  der  Krönungs-  imd 
Thronbesteigungstag   der   Völker. 

Da  aber  die  Völker  ihre  Kraft  weder  wie  die  Kirche  aus  einer  Offen- 
barung, noch  wie  die  Könige  aus  einem  göttlichen  Rechte,  noch  wie  die 
Eroberer  aus  einer  auf  roher  Waffengewalt  begründeten  Zwangsherrschaft 
2u  ziehen  vermögen,  so  werden  sie  eine  andere  Macht  brauchen,  um  sich 
an  sie  zu  wenden  und  sie  anrufen  zu  können,  und  es  war  dem  19.  xmd 
dem  20.  Jahrhundert  beschieden,  ihnen  dieselbe  auch  wirklich  zu  geben. 
Es    ist    die    ehrfurchtgebietende    Macht    der    Wissenschaft. 

«  * 

* 

In  den  letzten  Jahren  des  18.  Jahrhunderts  war  die  Wissenschaft  einen 

ganz  unglaublichen  Schritt  vorwärts  gekommen;  es   war  dies   dem  Genie 

eines   Mannes   zu  verdanken,   der   einer   der   Größ'ten   unter  den   Großen 

war:  Antoine  Lavoisier  (1743 — 1794). 

Mit  einigen  in  einem  geradezu  bewundernswerten  Stil  beschriebenen, 
aufs  gewissenhafteste  ausgeführten  feinsten  Experimenten  hat  er  mit  einem* 


Das   Königtum.  29 1 


Schlage  in  vollkommen  selbständiger  Stellung  zueinander  zwei  Wissen- 
schaften geschaffen,  die  bis  dahin  nur  im  Zustande  unfertiger  Versuche 
vorhanden  waren:  die  Chemie  und  die  Physiologie  (1776 — 1788). 

Es  haben  ihm  zwölf  Jahre  genügt,  um  zu  den  glänzenden  Ergebnissen 
zu  kommen,  daß  die  Wärme  eine  unwägbare  Kraft  ist,  daß  die  Materie  aus 
unzerstörbaren  Atomen  besteht,  und  daß  trotz  des  beständigen  Wechsels 
ihrer  Formen  von  ihr  nichts  verloren  geht  und  sich  umgekehrt  an  ihr 
nichts  neubildet.  Er  hat  den  Sauerstoff  in  der  Luft  aufgefunden  und  dar- 
getan, daß  der  Verbrennungsprozeß  auf  einer  Verbindung  von  Sauerstoff 
mit  den  Körpern  beruht.  Er  hat  nachgewiesen,  daß  die  Lebewesen  den 
Sauerstoff  der  Luft  verbrauchen,  und  daß  folglich  das  Leben  nichts  weiter 
als  eine  Verbrennung,  ein  Feuer,  also  ein  chemisches  Phänomen  ist.  Bis 
zu  diesen  Entdeckungen  hatte  man  sowohl  von  Chemie  wie  auch  von  Physio- 
logie rein  gar  nichts  verstanden.  Aber  von  diesem  Augenblick  an  werden 
die  beiden  Wissenschaften  plötzlich  in  allen  ihren  Rätseln  von  dem  hellsten 
Lichte  bestrahlt;  die  Bahn  zu  den  späteren  großen  Entdeckungen  ist  bereits 
vollkommen  vorgezeichnet. 

Lavoisier  ist  ferner  auch  der  Schöpfer  der  allgemeinen  Physik,  war 
doch  bis  zu  ihm  der  Begriff  des  Gleichgewichts  der  Kräfte,  das  am 
Stützpunkt  hergestellt  wird,  völlig  unbekannt,  und  beherrscht  doch  dieser 
Begriff  die  ganze  neuere  Wissenschaft. 

Seit  jener  Zeit  können  erst  die  Chemie,  die  Physiologie  und  die  allgemeine 
Physik  die  Wege  einschlagen,  die  zu  ihrer  heutigen  Entwicklung  geführt 
haben.  Deshalb  dürfen  sie  nicht  undankbar  sein,  sondern  sollten  sich 
stets  gegenwärtig  halten,  daß  ihre  rasenden  Fortschritte  und  gewaltigen 
Eroberungen  im  19.  Jahrhundert  von  keinem  andern  als  Lavoisier  ein- 
geleitet worden  sind. 

Zu  einer  Zeit  mit  Lavoisier  lebten  auch  die  beiden  berühmten  Männer, 
ein  Engländer  und  ein  Italiener,  die  jene  beiden  mechanischen  Großmächte 
vorausahnten,  die  die  ganze  Welt  beherrschen  sollten:  die  Dampfkraft 
und  die  Elektrizität. 

Galyani  entdeckte  zu  Bologna,  ohne  sie  noch  richtig  erfassen  zu  können, 
jene  geheimnisvolle  Kraft,  die  wenige  Jahre  später  sich  in  den  Händen 
Voltas  als  die  elektrische  Säule  offenbaren  sollte,  und  James  Watt  baute 
planmäßig  jene  Dampfmaschinen,  die  bereits  ein  Jahrhundert  früher  Denis 
Papin  entworfen  und  beinahe  auch  zur  Ausführung  gebracht  hätte. 

Chemie,  Physiologie,  elektrische  und  Dampfmaschinen,  das  Morgenrot 
einer    besseren    Zeitl     Das    18.    Jahrhundert    ging    ruhmvoll- zur    Neige I 

19* 


292  Sechstes  Buch.     Das  Königtum. 

Amerika  war  frei  und  die  Bastille  gestürmt;  die  Materie  aber  sollte  von 
nun  an  die  Dienerin  des  Menschengeistes  werden! 


Nachtrag  des  Herausgebers  zu  Seite  26r. 

In  seinen  „Denkwürdigkeiten  zur  Geschichte  des  Hauses  Brandenburg",  in 
dem  Kapitel,  das  die  Regierungszeit  des  ersten  preußischen  Königs,  Friedrichs  I., 
behandelt,  schildert  Friedrich  der  Große  den  Verlauf  des  Spanischen  Erbfolge- 
krieges und  erwähnt  ein  Friedensangebot,  das  Frankreich  i.  J.  1709,  also  vier  Jahre 
vor  Beendigung  des  Krieges  gemacht  hatte.  Der  königliche  Historiker  schreibt: 
„Die  Franzosen,  entmutigt  durch  den  Mißerfolg  ihrer  Waffen  und  den  Verlust 
von  drei  großen  Feldschlachten,  machten  im  Haag  Friedensvorschläge;  aber  die 
Gärung  der  Geister  war'  noch  zu  groß,  und  die  Hoffnungen  der  beiden  Parteien 
und  ihre  Ansprüche  noch  zu  hoch  gespannt,  als  daß  man  zu  einer  Verständigung 
hätte  gelangen  können.  Ich  frage:  „Wenn  die  Menschen  vernünftiger  Überlegung 
fähig  wären,  würden  sie  wohl  so  lange,  so  erbitterte  und  so  kostspielige  Kriege 
führen,  um  schließlich  früher  oder  später  doch  auf  Friedensbedingungen  zurück- 
zukommen, die  ihnen  unerträglich  nur  in  den  Augenblicken  scheinen,  in  denen  die 
Leidenschaft   sie  beherrscht  oder  das   Kriegsglück  sie  begünstigt?" 

Auch  an  einer  anderen  Stelle  desselben  Werkes  hebt  Friedrich  der  Große  hervor, 
wie  sehr  eine  Politik  der  Verständigung  einem  Appell  an  die  Waffen  vorzuziehen 
sei.  I.  J.  1729  droht  ein  Krieg  zwischen  England  und  Preußen  auszubrechen, 
zwischen  deren  beiden  damalig'en  Herrschern  Friedrich  Wilhelm  I.  und  Georg  II. 
eine  starke,  persönliche  Antipathie  bestand.  Der  König  von  Preußen  beruft  einen 
Ministerrat,  und  die  Räte  der,  Krone  empfehlen  auf  das  dringendste,  den  Krieg 
durch  einen  Ausgleich  zu  vermeiden.  Friedrich  Wilhelm  I.  befolgt  diesen  Rat, 
die  Verständigung  gelingt,  und  Friedrich  der  Große  schreibt:  Gütliche  Ausgleiche 
solcher  Art  sind  um  so  weiser,  als  die  Fürsten,  auch  nach  den  glücklichsten 
Kriegen,  imm^r  wieder  genötigt  sind,  auf  sie  zurückzukommen,  ohne  größere  Vor- 
teile zu  erringen.  —  In  der  gleichen  historischen  Schrift,  wie  alle  prosaischen  und 
poetischen  Werke  des  Königs  in  französischer  Sprache  abgefaßt.,  rühmt  Fried- 
rich der  Große  seinen  Vater,  daß  er  beim  Abschluß  eines  Friedens  auf  alle 
Annexionen  und  sonstigen  materiellen  Vorteile  verzichtet  habe.  Es  handelt  sich  um 
den  Frieden,  über  den  1720  zu  Stockholm  verhandelt  wurde.  Während  "der  Ver- 
handlungen, so  schreibt  Friedrich  der  Große,  ließ  von  Ilge,  wie  es  so  bei  den 
Ministern  Brauch  ist,  nicht  ab,  dem  König  vorzustellen,  daß  er  seine  günstige  Lage 
ausnützen  müsse  und  daß,  wenn  er  eine  noch  festere  Haltung  einnähme,  Schweden 
gezwungen  sein  würde,  ihm  die  Insel  Rügen  und  die  Stadt  "Wolgast  abzutreten, 
sowie  daß  er  in  gleicher  Weise  bei  den  Dänen  die  Aufhebung  der  Zölle  auf  dem 
Sund  durchsetzen  würde.  Die  Antwort  des  Königs  befindet  sich  in  den  Archiven, 
eigenhändig  geschrieben:  „Ich  bin  zufrieden  mit  dem  Geschick,  das  mir  durch  die 
Gnade  des  Himmels  beschieden  worden  ist,  und  ich  will  mich  niemals 
auf  Kosten  meiner  Nachbarn  vergrößern." 

Ein  Wort,  an  das  sich  der  königliche  Verfasser  dann  selbst  freilich  nicht 
gehalten    hat. 


MünAner  Budigewerbchaus  M.  Müller  'S)  Sohn. 


RICHET  /  KULTURGESCHICHTE 

ZWEITE  VERBESSERTE  UND  VERMEHRTE  AUFLAGE 

(2.-5.  TAUSEND) 

BAND  II 


ALLGEMEINE 
KULTURGESCHICHTE 

VERSUCH  EINER  GESCHICHTE  DER  MENSCHHEIT 
VON  DEN  ÄLTESTEN  TAGEN  BIS  ZUR  GEGENWART 

VON 

CHARLES   RICHET 


IN  DEUTSCHER  BEARBEITUNG 
MIT  EINLEITUNG  UND   ERLÄUTERNDEN  ANMERKUNGEN    VON 

DR  RUDOLF  BERGER  (BERLIN) 

(KORR.  MITG.  D.  FRANZ.  AK  AD.  D.  WISSENSCH.  U.  KÜNSTE  ZU  ARRAS) 


1  9  .2  0 

VERLAG  FÜR  KULTURPOLITIK 

MÜNCHEN-BERLIN 


ALLGEMEINE 
KULTURGESCHICHTE 

VERSUCH  EINER  GESCHICHTE  DER  MENSCHHEIT 
VON  DEN  ÄLTESTEN  TAGEN  BIS  ZUR  GEGENWART 

VON 

CHARLES  RICHET 


BAND  II 

DIE  HERRSCHAFT  DER 

WISSENSCHAFT 

(1789—1914) 


19         2         0 

VERLAG   FÜR  KULTURPOLITIK 

MÜNCHEN-BERLIN 


Einzig  bereditlgte  deutsche  Bearbeitung 

Alle  Rechte  vorbehalten 

Copyright  1919  by  Verlag  für  Kulturpolitik 

Mündien-Berlin 


Weltgeschichte 

Von  August   Heinrich   Hoffmann   von   Fallersieben. 

Die  Weltgeschichte,  wie  sie  wird  gelehrt 

In  unsem  Schulen,  ist  am  Ende  nur 

Nichts  weiter  als  ein  langer  Kriegsbericht. 

Der   Menschheit  ganzer  Jammer  wird  erzählt  I 

Nur  Mord  und  Totschlag  ist  das  Heldentum, 

Als  gab  es  weiter  keine  Ehre  mehr 

Und   weiter  kein  Verdienst  als   Schlachtensieg  I 

Die  Fürsten,  welche  nur  durch  Krieg  der  Welt 
Gezeigt,  daß  sie  gewesen  in  der  Welt, 
Verdienen  nicht,  daß  ihre  Namen  noch 
Auswendig   lernen   muß   ein   edles   Volk, 
Das  nur  durch  Friedenswerke  sinnt   und  sinnt 
Gott  wohlgefällig,  gut  und  brav  zu  sein 
Und  seinen  wärmsten  Dank  nur  zollen  will 
Den   Helden,  die  zu  Recht  und  Freiheit  ihm 
Und  hoher  Bildung  und  Gesittung   einst 
Den  Weg  gezeigt,  den  selbst  sie  wandelten! 

O  Trauerspiel,  daß  Krieg  noch  immer .  treibt 
Die  Weltgeschichte  bis  zum  heut'gen  Tag, 
Als   müßte  sein  und  bleiben   der   Soldat 
Der    Menschheit   würdigster   Repräsentant! 


IX 


Inhalts-Übersicht  des  II.  Bandös 

Siebentes    Buch:     DIE    HERRSCHAFT    DER    WISSEN- 
SCHAFT (1789—1912) 

I.  Die  französische  Revolution         .... 

Endgültige    Aufteilung    Polens    305 — 307 
II.  Napoleon  ....... 

Mathematik  und  Naturwissenschaft  (Gauß,  Laplace,  Lamarck 
u.  a.)  348 — 350.  Deutsche  klassische  Literatur  350 — 351. 
Immanuel   Kant   351 — 352. 

III.  Von  1815  bis  1848 

Physik    (besonders   Elektrizität)   und  Physiologie   373—377 
Deutsche,    russische,    französische,    italienische    Literatur    und 
Kunst,  besonders  Musik  (Bach,  Mozart,  Beethoven,  Schubert, 
-  V.    Weber,    Mendelssohn,    Schumann,    Verdi    u.    a.)    377 — 382. 

IV.  Von   1848   bis   1870 

Französische,  nordische,  russische  Literatur  431 — 432.  Deutsche 
Musik  (Richard  Wagner)  432 — 433.  Naturwissenschaft  (Darwin, 
Helmholtz,   Kirchhoff)    426 — 431. 

V.  Von  1870  bis  1914     ...... 

Geschichte  der  Kolonisation  434 — 473  (Buddhismus  460  bis 
462).    Geschichte    des    Balkans    474 — 483. 

Geschichte   der   modernen  Friedensbewegung   .... 

Geschichte  der  modernen  Kriegführung  ..... 

Geschichte  der  modernen  Gesellschaftsentwicklung  in  Verfassung, 

Volksbildung,   Literatur,  Presse  ...... 

Geschichte  der  modernen  Arbeiterbewegung  in  Land  und  Stadt 

Geschichte   der  modernen  Völker-,   Rassen-,   Sprachen-   und   Re- 
ligionsbewegung ........ 

Geschichte  der  modernen  Handels-,  Finanz-  und  Steuerwirtschaft 

Geschichte    der    modernen    Verkehrsmittel 

Eisenbahnen  und  Dampfschiffahrt   .... 

Automobilverkehr  ...... 

Luftverkehr  ....... 

Telegraphie,  Femsprecher,  Telegraphie  ohne  Draht  . 

Internationale   Organisationen  ..... 

Telegraphenverein,    Weltpostverein,     Internationales     Maß- 
und  Gewichtsbureau,  Zentralbureau  der  internationalen  Erd 
messung.    Internationale    Vereinigung   für    den    Schutz    des 
künstlerischen    und    literarischen    Eigentums,    Bureau    zur 
Unterdrückung   des    Sklavenhandels,    Internationales   Eisen- 
bahnvefkehrsbureau.   —  Mitteleuropäische  Zdt 


Seite 

293— 54  i 
293—316 

316—352 


352—386 


386-434 


434-483 


483-488 

488—490 

490—492 
493—497 

497—504 
504—509 

509—515 

509—512 
512 

512—515 
5»5— 517 
517— 519 


Siebentes  Buch. 

Die  Herrschaft  der  Wissenschaft. 

1789 — 1912. 

I.    Die    Französische    Revolution. 

Für  einen  Zeitraum  von  fast  genau  einem  Vierteljahrhundert,  nämlich 
vom  14.  Juli  1789  bis  zum  18.  Juni  181 5,  d.  h.  von  dem  Bastillesturm  bis 
zur  Schlachc  bei  Belle-Alliance,  fällt  nunmehr  die  gesamte  europäische 
Geschichte  mit  der  französischen  bis  zum  restlosen  Aufgehen  in  derselben 
zusammen.  Niemals  erlebte  die  Welt  sowohl  auf  realem  wie  auf  idealem 
Gebiete  in  einem  so  kurzen  Zeitraum  einen  tieferen  Umschwung  und  einen 
rascheren  Aufschwung.  In  nur  fünfundzwanzig  Jahren  fallen  Jahrhunderte 
alte  Einrichtungen  und  steigen  völlig  ungeahnte  und  ganz  neue  Ideen  aus 
dem  bisherigen  Dunkel  empor.  Der  Begriff  des  Vaterlandes  erwacht  bei 
allen  Völkern  und  der  der  persönlichen  Würde  bei  allen  Staatsbürgern 
vom  ersten  bis  zum  letzten.  Auf  einer  altgewordenen  Welt  baut  sich  eine 
neue  auf,  die  sich  auch  noch  heute  in  alle  Zukunft  umbildet,  sich  entwickelt 
und  wächst. 

Unmittelbar  nach  dem  Bekanntwerden  des  Bastillesturmes  erhoben 
sich  die  Bauern  in  den  Dörfern  Frankreichs,  zogen  rotten  weise  verwüstend 
und  verheerend  im  Lande  umher  und  plünderten,  sengten  und  brannten 
Schlösser  und  Burgen;  hierdurch  aber  wurden  sie  der  Ordnung  gefährlich, 
die  die  konstituierende  Versammlung  fest  entschlossen  war,  aufrecht- 
zuerhalten. 

Es  gab  keinen  Franzosen,  auf  den  das  Unabhängigkeitsfieber  nicht 
ansteckend  wirkte.  Die  neue  Volksvertretung  selbst  verspürte  es  am  eigenen 
Leibe.  In  der  berühmten  Nacht  vom  4.  zum  5.  August  schaffte  sie  alle 
sogenannten  feudalen  Vorrechte  unter  eingehender  feierlicher  Begründung 
ab.  Die  Vertreter  des  Adels  und  der  Geistlichkeit  sprachen  selbst  ihre 
Bereitwilligkeit    zu    diesem    Opfer    auf    dem    Altar    des    Vaterlandes    aus. 

Einige  Zeit  darauf  stimmte  die  Versammlung  für  die  Erklärung  der 
Menschenrechte.  Wenn  auch  diese  Urkunde,  ein  getreuer  Abklatsch  der 
amerikanischen  Erklärvmg  vom  Jahre  1778,  in  ihrem  schwer  verständlichen 
1  Riebet,  Geschichte  der  Menschheit,  II. 


2g4  Siebentes  Buch. 


Stile  voll  dunkler  Abstraktionen  und  hochtrabenden  Schwulstes  einen 
nicht  mehr  ganz  modernen  Eindruck  für  unsere  Tage  macht,  so  hat  sie 
doch  das  unbestreitbare  Verdienst,  ein  für  allemal  mit  der  bisherigen  Will- 
kür und  Privilegien  Wirtschaft  aufgeräumt  zu  haben,  um  Gesetzmäßigkeit 
und  Gleichheit  an  ihre  Stelle  treten  zu  lassen.  Trotz  der  mancherlei 
billigen  Spaße,  die  über  dieselbe  zu  machen  so  leicht  ist,  liegt  sie  gleichwohl 
allen  neuzeitlichen  staatlichen  Einrichtimgen  und  aller  sozialen  Gerechtig- 
keit  zugrunde. 

Schlag  auf  Schlag  folgten  die  weiteren  Erklärungen  und  Gesetzes- 
vorschläge, um  schließlich  das  ganze  monarchische  Gebäude  zu  unter- 
graben. 

Im  Grunde  seines  Herzens  war  der  König  mit  nichts  von  alledem 
einverstanden,  doch  er  gab  sich  den  Anschein,  als  ob  ihm  alles  recht  wäre. 
Die  Königin  und  ihre  Freunde  hofften  auf  dem  Wege  der  Gewalt  Widerstand 
leisten  zu  können;  das  Schlimme  war  nur,  daß  ihnen  diese  Gewalt  fehlte. 
Am  5.  und  6.  Oktober  zog  ein  lärmender  Haufe  von  Pariser  Bürgern 
und  besonders  auch  Bürgerinnen  nach  Versailles,  holte  Ludwig  XVI, 
aus  seinem  Palast  heraus  und  brachte  ihn  nach  Paris  zurück,  in  einer  Weise, 
daß  er  mehr  ihr  Gefangener  als  ihr  König  zu  sein  schien.  Schon  wurden 
alle  Ereignisse  von  dem  hauptstädtischen  Pöbel  beherrscht,  nach  dessen 
Laune  die  schwankende  Versammlung  und  der  noch  schwankendere 
Herrscher  tanzen  mußten.  ' 

Im  folgenden  Jahre  wurde  die  allgemeine  Erregung  ruhiger.  Eine  Ver- 
fassung wurde  verkündet,  die  die  Lehre  von  der  Selbstbestimmung  des 
Volkes  zu  ihrer  wichtigsten  Grundlage  machte.  Am  14.  Juli  1790  vereinte 
eine  große  Feierlichkeit  auf  dem  Marsfelde  Abgeordnete  aus  allen  Wind- 
richtungen Frankreichs,  die  sich  eingefunden  hatten,  um  ihre  Zustimmung 
zu  dem  neuen  Regierungssystem  auszusprechen.  Es  war  das  Fest  der 
Verbrüderung.  Feierlich  schwor  der  König  der  Verfassung  und  dem 
Gesetze  Treue.  Die  begeisterte  Menge  jauchzte  ihm  bei  der  Eidesleistung 
zu;   auch   sie   fühlte   sich  an   diesem   Tage   wirklich   der   Monarchie   treu. 

Doch  die  Klubs,  Zeitungen  und  Flugblätter  hielten  alle  Geister  in  einem 
Zustande  dauernder  Erregung.  Ohne  sich  durch  das  Geschrei  beirren 
zu  lassen,  setzte  die  Versammlung  in  ihrem  durch  nichts  zu  trübenden 
Idealismus  ruhig  ihr  friedliches  Einigungswerk  fort  unter  voller  Achtung 
der  königlichen  Gewalt,  die  sich  nunmehr  allerdings  dem  über  ihr  stehenden 
Gesetze    unterwerfen    mußte    (Staatsverfassung    von    1791). 

Viele  Adlige,  die  ihrer  Vorrechte  sowie  Titel  verlustig  gingen  und 
sich  in  ihren  eigenen  Schlössern  nicht  meht  sicher  fühlten,  ergriffen  damals 


Die  Herrschaft  der  Wissenschaft.  '2()5 

den  Wanderstab  und  gingen  als  ^ßmigranteri'  außer  Landes.  Des  Königs 
jüngerer  Bruder,  Graf  von  Artois,  war  einer  der  ersten,  der  so  Frankreich 
den  Rücken  kehrte.  Da  bildete  der  Prinz  von  Conde  am  Rheinufer  eine 
Freischar  aus  solchen  Auswanderern,  die,  leichtfertig  und  tapfer,  wie 
sie  waren,  die  Entschlossenheit  besaßen,  gegen  die  eigene  Volksvertretung 
wie  auch  sogar  das  eigene  Volk  die  Waffen  zu  ergreifen,  um  sich  als 
Verteidiger  des  Königs  aufzuspielen;  als  Grund  machten  sie  die  Unfreiheit 
geltend,  unter  der  der  König  zu  leiden  habe.  Nun,  gewissermaßen  hatten 
sie  da  ja  ganz  recht.  Fraglos  hatte  die  Staatsverfassung  von  1791  die 
unumschränkte  Gewalt  des  Königs  beseitigt;  aber  mit  seiner  persönlichen 
Unabhängigkeit  hatte  doch  wahrhaftig  die  Willkürherrschaft  des  bisherigen 
Gottesgnadentums   kaum   etwas   zu   schaffen! 

Trotz  aller  Erklärungen  und  auch  seines  Eides  konnte  der  König  sich 
nicht  darein  finden,  eine  Verfassimg  mitansehen  zu  müssen,  die  jene  höchste 
Gewalt,  mit  der  doch  seine  Ahnen  soviel  Mißbrauch  getrieben  hatten, 
jetzt  so  erheblich  beschränkte.  Im  Stich  gelassen  von  seinen  Freunden, 
die  sich  an  den  Grenzen  zu  schaffen  machten,  verhetzt  von  der  Königin, 
die  ihm  Widerstand  riet,  beargwöhnt  von  den  Ministern,  die  ihm  die 
Nationalversammlung  aufnötigte,  ins  Lächerliche  gezogen  in  den  Klubs,  die 
ihn  mit  Schmähungen  überhäuften,  wußte  er  wirklich  nicht,  welcher  Partei 
er  sich  anschließen  sollte.  Zu  feige,  um  den  Kampf  offen  aufzunehmen, 
suchte  er  heimlich  mit  einem  der  führenden  Männer  der  Revolution, 
dem  gewaltigen  Redner  Mirabeau,  zu  verhandeln. 

Mirabeau,  der  in  den  ersten  Tagen  der  Revolution  die  ganze  Gewalt 
seines  Wortes  und  die  ganze  Überredungskunst  seiner  Logik  in  ihren  Dienst 
gestellt  hatte,  bemühte  sich  jetzt,  ihr,  soweit  es  nur  irgend  angängig  war, 
Einhalt  zu  tun.  Er  war  von  der  unbestimmten  Vorstellung  erfüllt,  daß 
ihm  eine  große  vaterländische  Aufgabe  vorbehalten  sei,  die  seine  ganze 
Geisteskraft  erfordere.  Er  sah  sich  im  Geiste  wie  einen  Richelieu,  wie 
einen  Colbert,  als  den  ersten  Minister  eines  angesehenen  und  selbständigen 
Herrschers,  und  so  riet  er  zum  Bürgerkrieg;  aber  er  starb,  ehe  er  noch 
irgendeinen  entscheidenden  Schritt  getan  hatte  (April  1791),  was  jeden, 
der  nur  noch  irgend  monarchisch .  fühlte,  mit  der  tiefsten  Trauer  erfüllen 
mußte. 

Vielleicht  hätte  Ludwig  XVI.  schHeßlich  die  doch  noch  immer  höchst 
ehrenvolle  Rolle  eines  konstitutionellen  Königs  der  Franzosen  angenommen, 
wenn  nicht  die  Nationalversammlung  für  die  Stellung  der  GeistUchkeit 
eine  bürgerliche  Rechtsgrundlage  beschlossen  hätte  (12.  Juh  1790).  Nicht 
etwa,  als  ob  sich  irgend  etwas  am  katholischen  Dogma  ändern  sollte.  Es 
1* 


2g6  Siebentes  Buch. 


handelte  sich  ausschUeßlich  um  eine  bloße  verwaltungsrechtliche  Maßregel 
für  die  Amtseinsetzung,  insofern  als  die  Pfarrer  und  Geistlichen  von  nun 
an  zur  Wahl  zu  stellen  waren,  anstatt,  wie  bisher,  vom  Papste  bestimmt 
zu  werden.  Den  so  gewählten  Pfarrern  und  Bischöfen  wurde  der  staats- 
bürgerliche Eidschwur  auf  die  Verfassung  abverlangt.  Eine  große  Zahl 
von  Priestern  ging  auch  darauf  ein,  eine  größere  freilich  weigerte  sich. 
Es  war  eine  vollständige  Spaltung  zwischen  den  beiden  Gruppen  der 
Geistlichkeit,  der  der  Eidesverweigerer  auf  der  einen  und  der  der  Ver- 
fassungsfreunde auf  der  anderen  Seite.  Der  Papst  weigerte  sich,  auf 
eine  solche  Verringerung  seiner  Macht  einzugehen,  in  der  er  eine  greulichere 
Feindseligkeit   gegen  die  Kirche  als  in   einer   Ketzerei   sah. 

Auch  Ludwig  XVI.  wurde  von  allen  den  unzähligen  Gewissensqualen 
einer  leicht  erregbaren  katholischen  Seele  hin-  und  hergeworfen;  die 
Prinzen  forderten  ihn  auf,  zu  ihnen  nach  Koblenz  zu  kommen;  ebenso 
drängte  die  Königin  jetzt  dazu,  und  zwar  von  Tag  zu  Tag  heftiger,  bald  mit 
rührseligen  Bitten,  bald  mit  leidenschaftlichen  Drohungen,  stand  ihr  doch 
das  Gespenst  Karls  I.  von  England  vor  Augen.  Nur  schweren  Herzens 
gab  diesmal  der  König  nach  und  entschloß  sich  zu  dem  letzten  Schritt: 
er  wollte  sein  Land  verlassen.  Aber  auch  bei  dieser  Flucht  zeigte  er 
dasselbe  Unglück  und  dieselbe  Ungeschicklichkeit  wie  bei  allen  früheren 
Anlässen,  mußte  er  es  doch  erleben,  noch  vor  Erreichung  der  Landesgrenze 
in  Varennes  erkannt  und  angehalten  und  nun  in  die  Hauptstadt  zurück- 
gebracht zu  werden  (Juni  1791).  Jetzt  war  der  Beweis  erbracht,  wie  alle 
die  Beteuerungen  seiner  Treue  gegen  die  Staatspflicht  doch  nicht  auf- 
richtig waren.  Doch  vorläufig  trug  noch  eine  imonarchiefreundliche  Legenden- 
bildung den  Sieg  davon.  Die  Freunde  des  Königs  suchten  den  Schein 
zu  erwecken,  als  ob  er  sich  nicht  freiwillig  seinen  Pflichten  entzogen 
hätte,  sondern  von  den  revolutionsfeindlichen  Parteien  gewaltsam  ent- 
führt   worden    wäre. 

So  wurde  nun  doch  die  konstitutionelle  Monarchie  verkündet.  Am 
14.  September  1791  begab  sich  Ludwig  XVI.  in  die  konstituierende 
Nationalversammlung  und  schwur  einen  feierlichen  Treueid  auf  die  Ver- 
fassung. 

Wenige  Tage  nachher  erklärte  sich  die  konstituierende  Nationalversamm- 
lung aufgelöst. 

Sie  ließ  ein  ganz  eigen-  und  neuartiges  Werk  zurück,  das  zur  Hebung 
des  Staatslebens  dienen  sollte.  Gemeint  ist  etwa  weder  die  hochtrabende 
Erklärung  der  Menschenrechte,  noch  die  lückenhafte  Staatsverfassung 
von  1791 ;  es  handelt  sich  um  etwas  weit  Wichtigeres:  um  Frankreichs  un- 


Die  Herrschaft  der  Wissenschaft.  297 

mittelbare  innere  Einrichtung  im  Gerichts-,  Verwaltungs-  und  Gemeinde- 
leben. Hieran  sollten  auch  wohlweislich  die  vielen  nachfolgenden  Regie- 
rungen Frankreichs  nichts  Wesentliches  mehr  zu  ändern  haben,  und  auch 
alle  übrigen  Völker  für  ihre  eigenen  Staatseinrichtungen  das  vollendetste 
Muster  finden,  dessen  bloße  Erreichung  stets  ihr  höchstes  Ziel  sein  muß. 

Die  so  bunt  zusammengewürfelten  Schöpfer  der  Verfassung,  in  denen 
jedes  Alter,  jeder  Beruf  und  jede  Parteistellung  vertreten  war,  und  die 
natürlich  von  Haus  aus  unter  einer  despotischen  Regierung  noch  keinerlei 
politische  Erziehung  genossen  hatten,  haben  eine  Verwegenheit  gezeigt, 
die  nahezu  an  Tollkühnheit,  und  einen  neuen  Geist,  der  nahezu  an 
Phantastik  grenzte.  Aber  gerade  durch  solche  Leute  kann  ja  die  Mensch- 
heit allein  vorwärtskommen!  Diese  Phantasten  von  1789  haben  den  Mut 
gehabt,  auf  den  Trümmern  des  baufälligen  und  wurmstichigen  alten  Ge- 
mäuers aus  einem  Stück  ein  tadellos  vollendetes  neues  Gebäude  aufführen  zu 
wollen,  das  ihrem  Ideal,  soweit  es  nur  irgend  ausführbar  war,  entsprach. 
Sie  haben  sich  das  hohe  Ziel  gesteckt,  an  Stelle  der  Überlieferung  die 
Gerechtigkeit  und  an  Stelle  des  Vorurteils  die  Vernunft  zu  setzen.  Sie 
haben  geglaubt,  daß  man,  um  dem  Guten  zum  Triumphe  zu  verhelfen, 
weiter  nichts  als  es  nur  zu  wollen  brauche.  Sie  sind  edle  und  reine 
Schwärmerseelen  gewesen.  So  steht  das  von  ihnen  aufgerichtete  Denkmal 
in  seinen  großen  Umrissen  noch  heute,  und  zwar  nicht  etwa  in  Frankreich 
allein,  sondern  weit  darüber  hinaus  im  ganzen  übrigen  Europa. 

Die  nun  folgende  gesetzgebende  Nationalversammlung  (i.  Oktober  1791 
bis  20.  September  1792)  hat  eine  nicht  weniger  schwierige  Aufgabe 
zu  bewältigen  gehabt.  Von  Tag  zu  Tag  werden  jetzt  die  Klubs  stürmischer ; 
überall  toben  Aufstände;  mit  ihrem  revolutionären  Gemeinderat  bedrohen 
die  Pariser  die  Unabhängigkeit  der  Versammlung  und  sind  in  dauerndem 
Empörungszustand ;  der  König,  der  dem  Anschein  nach  in  Übereinstimmung 
mit  seinen  Ministern  regiert,  zettelt  in  Wahrheit  heimliche  Verschwörungen 
gegen  sie  an  und  setzt  sich  mit  den  Emigranten  und  den  auswärtigen 
Mächten  in  Verbindung;  die  Geistlichkeit,  soweit  sie  den  Verfassungseid 
verweigert  hat,  predigt  den  Widerstand,  die  Staatskasse  ist  leer;  in 
Österreich,  Preußen  und  Rußland,  überall  in  Europa  beginnen  sich  die 
Monarchien  zu  beunruhigen,  und  die  Emigranten,  die  immer  zahlreicher 
werden,  häufen  sich  an  den  Grenzen  zu  feindlichen  Rotten  an. 

Da  erklärte  Österreich,  das  damals  von  Franz  II.,  Marie  Antoinettes 
Oheim,  regiert  wurde,  ohne  noch  lange  hin-  und  herzureden,  einfach 
Frankreich  den  Krieg,  zwar  vorwiegend  in  dem  Bestreben,  eine  habs- 
burgische    Prinzessin    und   damit    die    monarchischen    Grundsätze   zu   ver- 


2g8  Siebentes  Buch. 


teidigen,  doch  auch  mit  der  kleinen  Nebenabsicht,  mit  den  Waffen  ein 
kleines  Ländergeschäft  zu  machen.  Ohne  irgendwelche  Erwägungen  oder 
Bedenken  nahmen  die  Franzosen  mit  dem  mutigen  Eifer  Neubekehrter  den 
Kampf  frischen  Mutes  an,  ja  forderten  ihn  sogar  durch  trotzige  Antworten 
noch  mehi'  heraus  (April  1792).  Nun  schloß  sich  auch  noch  Preußen 
an  Österreich  an.  Das  französische  Heer  war  aber  durch  die  Auswan- 
derung der  Generäle  und  die  Zuchtlosigkeit  der  Soldaten  nahezu  zur 
Untätigkeit  verurteilt.  So  konnten  die  beiden  vereinigten  Heere  der 
Österreicher  und  Preußen  in  französisches  Gebiet  einrücken,  ohne  irgendein 
Hindernis    zu    finden. 

Da  stand  das  Pariser  Volk  auf.  Und  nun  begab  sich  etwas,  was  sich 
noch  oft  im  Laufe  dieser  Revolution  wiederholen  sollte:  ein  militärischer 
Mißerfolg  zieht  in  der  hauptstädtischen  Bevölkerung  zunächst  eine  allge- 
meine Erregung  der  Gemüter  nach  sich,  die  dann  bald  in  einen  regelrechten 
Aufstand  übergeht.  So  stürmt  auch  jetzt  die  Menge  die  Nationalversamm- 
lung, die  in  ihrer  Ohnmacht  alles  bewilligt,  was  jene  von  ihr  verlangt: 
gleichviel,  ob  es  weise  oder  tolle,  gerechte  oder  blutige  Maßregeln  sind, 
sie  beschließt  alles,   was  ihr  nur   ein  Pöbel  auflegt,   der  sie  vergewaltigt. 

An  demselben  20.  Juni,  an  dem  der  Pöbel  in  die  Nationalversammlung 
einbrach,  erstürmte  er  auch  noch  die  Tuilerien,  um  an  seinem  König  in 
einer  bald  ehrfürchtigen,  bald  drohenden  Haltung  vorbeizuziehen  und 
Männer  als  Minister  zu  fordern,  die  Vaterlandsliebe  genug  besäßen,  um  die 
Gesamtheit  zu  dem  Werke  der  Volksverteidigung  heranzuziehen. 

Wenige  Tage  darauf  (11.  Juli)  erklärte  die  Versammlung  das  Vaterland 
in  Gefahl'  und  beschloß  eine  Aushebung  Freiwilliger  im  ganzen  Lande, 
ganz  wie  das  alte  Rom,  als  die  Gallier  anrückten. 

Die  Antwort  der  aus  Emigranten,  Preußen  und  Österreichern  ge- 
mischten Verbündeten  war  das  berüchtigte  Manifest  des  Herzogs  Karl  Wil- 
helm Ferdinand  von  Braunschweig  (25.  Juli).  Es  waren  höchst  sonderbare 
Ausdrücke,  die  diese  Erklärung  enthielt.  Es  hieß  da  beispielsweise,  daß 
jeder  Franzose,  der  es  wagen  sollte,  sich  gegen  die  Koalitionstruppen  zu 
verteidigen,  als   Rebell  bestraft  werden  würde. 

Das  mußte  Frankreich  empören.  Das  große  französische  Volk,  das 
sich  noch  eben  an  seiner  jungen  Freiheit  und  dem  Bewußtsein  seiner 
Stärke  berauschte,  zitterte  —  zitterte  nicht  etwa  vor  Schrecken,  sondern 
vielmehr  vor  Zorn  —  und  faßte  den  Beschluß  zu  siegen.  So  ist  es 
niemand  anders  als  der  Braunschweiger  gewesen,  der  die  französischen 
Revolutionsheere  geschaffen  hat,  und  allein  dies  unselige  Manifest,  dem 
ihr  Dasein  zu  verdanken  ist. 


Die  Herrschaft  der  Wissenschaft.  2gg 

Mit  derselben  Handlung,  mit  der  der  Herzog  von  Braunschweig  die 
Franzosen  verhöhnte,  warf  er  sich  zum  Verteidiger  ihres  Königs  auf. 
So  mußte  das  Pariser  Volk  an  das  zum  mindesten  stillschweigende  Ein- 
verständnis Ludwigs  XVI.  glauben.  In  einer  Entrüstung  und  einer  Wut, 
wie  es  sie  bisher  noch  nie,  auch  nicht  bei  jener  ersten  Erstürmung  am 
20.  Juni,  gezeigt  hatte,  stürmte  es  nun  die  Tuilerien  am  10.  August. 
Zwischen  den  Schweizern,  die  den  König  heldenmütig  verteidigten,  und  dem 
aufgeregten  Pöbel  entspann  sich  eine  regelrechte  blutige  Schlacht,  die 
noch  nach  dem  Siege  mit  dem  Makel  des  Verrats  befleckt  wurde.  Die 
Ohnmacht  der  Versammlung  wie  des  Königs  zeigte  sich  in  erschreckender 
Deutlichkeit.  Entschlossen  riß  die  bhnde  Masse  alle  Regierungsbefugnisse 
an  sich. 

Nun  wurde  aus  der  Umsturzpartei  ein  Ausschuß  gewählt,  der  alle 
Wünsche,  die  ihr  nur  irgendwie  in  den  Sinn  kommen  mochten,  mit  Gewalt 
erzwang.  Die  Versammlung  fügte  sich  in  alles  und  sprach  nun  Ludwigs  XVI. 
Absetzung  aus.  Es  wurde  ein  Ministerium  eingesetzt,  dessen  eigentliches 
Haupt  der  besonders  durch  seine  donnernden  Klubreden  gefürchtete 
schreckliche   Revolutionsmann  Danton  war. 

Die  Ereignisse  des  10.  August  bestimmten  die  Verbündeten  sich  zu 
beeilen.  Vierzigtausend  Preußen  *,  vierzigtausend  Österreicher  und  zehn- 
tausend Emigranten  und  Abenteurer  in  buntestem  Durcheinander  über- 
schritten die  Mosel  und  bemächtigten  sich  der  Festungen  Longwy  und 
Verdun  (2.  September). 

Sobald  die  Nachricht  von  dem  Anrücken  des  feindüchen  Heeres  in 
Paris  bekannt  wurde,  drang  der  Pöbel  in  die  Gefängnisse  ein  und  schlachtete 
Tausende  von  Leuten  hin,  die  seit  dem  10.  August  als  angebliche  Hoch- 
verräter und  Helfershelfer  des  Auslandes  verhaftet  worden  waren.  Wenn 
auch  zugegeben  werden  muß,  daß  Danton  möglicherweise  diese  ebenso 
unnütze  wie  unmenschlich  rohe  Tat,  die  unter  dem  Namen  der  September- 
morde berüchtigt  worden  ist,  nicht  ausdrücklich  angeordnet  hat,  so  liat  er 
doch  in  jedem  Falle  bis  zu  ihrem  Geschehen  nichts  getan,  um  sie  zu  ver- 
hindern, und  sie  nach  ihrem  Geschehen  mit  keinem  Worte  verurteilt. 

Nun  rückten  die  Preußen  in  die  Champagne  ein.  So  wenig  erprobt 
auch  das  junge  französische  Heer  war,  gelang  es  ihm  gleichwohl,  den  Feind 
bei  Valmy  festzuhalten  (20.  September).   Die  Überraschung  und  Bestürzung 


*  Unter  ihnen  befand  sich  auch  im  Gefolge  des  Herzogs  Karl  August  von 
Weimar  der  dreiundvierzigjährige  Goethe,  der  diesen  Feldzug  u.  d.  T.  „Kampagne 
in   Frankreich"   beschrieben  hat. 


300  Siebentes  Buch. 


Europas  war  eine  allgemeine.  Und  doch  konnte  keine  Rede  von  einer 
großen  Schlacht  oder  einem  entscheidenden  Siege  bei  Valmy  sein.  Aber 
die  sittliche  Wirkung  war  eine  ganz  wunderbare;  die  von  den  Preußen 
erträumte  Triumphstraße  zwischen  dem  Rhein  und  den  Tuilerien  schien 
äußerst  gefährdet.  Diese  in  aller  Eile  eingekleideten  Soldaten  waren  doch 
mehr  als  bloß  meuternde  Bauern. 

Die  Österreicher,  die  Lille  belagerten,  mußten  einen  geordneten  Rückzug 
antreten;  sie  stießen  während  desselben  auf  die  Truppen  von  Dumouriez 
bei  Jemappes  (3.  November),  welche  einen  zweiten  Sieg  für  die  Sache  der 
Freiheit    erfochten. 

Dieser  ganze  erste  Anfang  des  Feldzuges  war  überraschend  glücklich: 
anstatt  von  den  Feinden  wurde  die  Grenze  von  den  Franzosen  selbst 
überschritten,  und  die  auf  den  ersten  Blick  anscheinend  Überfallenen  und 
angegriffenen  Völker  begrüßten  die  EindringUnge  und  Angreifer  freudig 
als  solche,  die  im  Grunde  ihre  Wohltäter  waren,  wurde  doch  der  Krieg 
von  allen  befreiten  Völkern  als  ein  Freiheitskrieg  begrüßt.  Nun  wurde  die 
Republik  ausgerufen  (22.  September  1792), 

Sogleich  erklärte  Savoyen  seinen  Beitritt  zu  Frankreich,  ebenso  Nizza. 
General  Custine  rückte,  von  den  rheinischen  Deutschen  gerufen,  nach 
einem  erfolgreichen,  gewagten  Feldzuge  in  die  Festung  Mainz  ein.  Dumou- 
riez, der  durch  den  Sieg  bei  Jemappes  Herr  über  das  ganze  Belgien  ge- 
worden war,  rückte  bis  zur  Scheide  vor.  Frankreich  hatte  seine  natürlichen 
Grenzen,  den  Rhein  \md  die  Alpen,  fast  ohne  einen  Tropfen  Blut  zu  ver- 
gießen, allein  durch  die  begeisterte  Zustimmung  der  befreiten  Völker- 
schaften  erobert    (November    1792). 

Doch  diese  Triumphe,  diese  Hoffnungen  dauerten  nicht  lange.  In 
wenigen  Monaten  hatte  sich  alles  geändert;  der  schöne  Traum  endete  in 
einer  düsteren  Wirklichkeit.  Die  feindlichen  Heere  erholten  sich  wieder, 
und    Frankreich   löste    sich   in    Parteien   auf. 

Die  gesetzgebende  Nationalversammlung  war  inzwischen  durch  eine 
neue  Volksvertretung,  den  sogenannten  Nationalkonvent,  ersetzt  worden. 
Hier  gab  es  zwei  Parteien  oder,  besser  gesagt,  feindliche  Rotten:  auf  der 
Rechten  die  Girondisten,  auf  der  Linken  der  Berg  oder  die  Bergpartei. 
Zwischen  beiden  saß  die  Mittelpartei  der  sogenannten  Ebene,  eine  ge- 
mäßigte Partei  Eingeschüchterter  und  Zögernder.  Überall  herrschte 
Anarchie,  griff  doch  der  Pariser  Umsturzausschuß,  der  hinter  der  Bergpartei 
unter  Robespierre,  Danton  und  Marat  stand,  in  alle  Verhandlungen  der 
Versammlung  gewaltsam  ein  unter  Ausübung  aller  Regierungsbefugnisse, 


Die  Herrschaft  der  Wissenschaft.  30  i 

die  er  bald  durch  Veranstaltung  irgendwelcher  Putsche,  bald  durch  will- 
kürliche Verfügungen  an  sich  riß. 

Da  beschloß  der  Nationalkonvent  ein  Massenaufgebot,  das  auch  Land- 
wehr und  Landsturm  nicht  verschonte.  Eine  allgemeine  Bewegung  der 
Begeisterung  bemächtigte  sich  der  gesamten  Jugend.  Über  zweihundert- 
tausend Soldaten  (vierzehn  Armeekorps)  strömten  an  die  Grenze. 

England,  Spanien  und  Holland  hatten  sich  mit  Preußen  und  Österreich 
verbunden  (sogen.  Erste  Koalition  gegen  Frankreich),  und  so  sah  sich 
Frankreich  einer  ganzen  Welt   von  Feinden  gegenüber. 

Es  scheint,  als  ob  in  diesem  Augenblick  der  Nationalkonvent  von  einer 
Art  wütendem  Wahnsinnsanfalle  gepackt  worden  sei.  Anstatt  einmal  erst 
irgendwelchen  Versuch  zu  Verhandlungen  zu  machen,  verdoppelt  er  noch 
seine  Verwegenheit  und  Gewalttätigkeit.  Dies  wird  zunächst  deutlich  an 
der  Hinrichtung  Ludwigs  XVL  (21.  Januar  1793}  auf  Grund  eines  feier- 
lichen Gerichtsverfahrens,  in  dem  er  mit  dreihundertsiebenundachtzig  gegen 
dreihundertvierunddreißig  Stimmen  zum  Tode  verurteilt  wurde :  ein  schwerer 
Fehler,  der  jenen  gutmütigen  König  in  einem  Augenblick  zum  Märtyrer 
stempelte,  wo  ihn  eine  unheilbare  Schwäche  bereits  dahin  gebracht  hatte, 
sich  als  Doppelzüngigen,  ja  geradezu  als  Volksverräter  zu  zeigen. 

Dieselbe  Erscheinung  wird  weiter  deuthch  durch  einen  in  nichts  ge- 
rechtfertigten Staatsstreich  (20.  Juni).  Die  Girondisten  werden  verhaftet 
und  nach  einem  Schein  verfahren  durch  das  Fallbeil  (Guillotine)  hingerichtet. 
Die  Pariser  Umsturzpartei,  die  schon  lange  im  Grunde  den  Willen  des 
Nationalkonvents  leitet,  bestimmt  hierauf  einen  Staatswohlfahrtsausschuß 
und  einen  Revolutionsgerichtshof,  die  nun  eine  blutige  Gewaltherrschaft 
ausüben. 

Niemals  befand  sich  ein  Volk  in  einer  bedenklicheren  Lage  als  Frankreich 
im  Juli  1793. 

Korsika  hat  sich  England  ergeben;  Lyon  hat  sich  erhoben  und  die 
Truppen  des  Königs  Victor  Amadeus  III.  von  Sardinien  zu  seiner  Hilfe  her- 
beigerufen; ebenso  hat  Toulon  die  englische  Flotte  um  ihre  Unterstützung 
gebeten.  Nun  fangen  auch  noch  die  durch  das  Zivilstandsgesetz  für  die 
Geistlichkeit  und  auch  durch  das  Massenaufgebot  zum  Kriege  erbitterten 
Bauern  der  Vend^e  einen  wütenden  Aufstand  an,  zu  dem  sie  gleichfalls  die 
Engländer  heranrufen.  Sie  bilden  eine  starke  Schar  heldenmütiger  Schwär- 
mer vmd  treten  zu  bewaffneten  Banden  zusammen,  die  sich  mit  einer  Todes- 
verachtung, die  einer  besseren  Sache  würdig  wäre,  zu  schlagen  wissen. 

Nun  begannen  auch  noch  die  Lebensmittel  auszugehen.  Die  ver- 
schwenderisch    ausgegebenen     Assignaten     (staatliche    Bodenkreditaktien) 


"502  Siebentes  Buch. 


waren  bald  weiter  nichts  mehr  als  ganz  gemeine  Papierfetzen  ohne  jeden 
weiteren  Wert.  An  den  Grenzen  folgten  den  anfänglichen  Siegen  bald 
Verluste,  durch  die  Frankreich  dem  einfallenden  Feinde  offen  stand.  So 
erlitt  Dumouriez  bei  Neerwinden  eine  derartige  Niederlage,  daß  er  sich 
aus  Belgien  zurückziehen  mußte  (5.  März)  und  schließlich  zum  Feinde 
überging  (5.  April).  Auch  General  Custine,  der  in  Mainz  eingeschlossen 
wurde,  mußte  nach  einer  rühmlichen  Verteidigung  die  Waffen  strecken 
und  diese  deutsche  Reichsfestung  zurückgeben  (23.  Juli).  Auch  Valen- 
ciennes  wurde  von  den  Feinden  erobert  (28.  Juli). 

Diese_ schweren  Verluste_uiid_31ißerfolge  beantwortete  der  National- 
konvent  mit  einer  gleichzeitig  übermenschlichen  wie  unmenschlichen  Tätig- 
keit ;  es  war  die  Zeit  der  Schreckensherrschaft.  Überall  herrschte  Angeberei, 
überall  der  Revolutionsgerichtshof  und  die  Guillotine.  Der  Staats  Wohl- 
fahrtsausschuß verfügte  einfach  den  Sieg,  und  so  wurde  jeder  besiegte 
General  vor  ein  Gericht  gestellt  und  zur  Todesstrafe  verurteilt,  wie  Custine, 
wie  Houchard  und  manche  andere.  In  die  Städte  und  zu  den  Heeren 
wurden  Abgesandte  geschickt,  um  dort  Schafotte  zu  errichten.  Zu  Nantes, 
zu  Angers,  zu  Caen,  zu  Lyon,  überall  wurden  solche  Bluturteile  vollstreckt, 
zum  Teil  noch  grausamer  als  in  Paris.  Dem  Fallbeil  fielen  in  dem  einen 
Jahre,  vom  Juli  1793  bis  zum  Juli  1794,  über  ganz  Frankreich  an  5000 
Menschen  zum  Opfer  —  2596  allein  in  Paris  — ,  fast  ebensoviele  wie  in  der 
Bartholomäusnacht !  ~        " 

Und  was  für  Opfer !  Der  größte  unter  allen  Franzosen :  Antoine.Layoisier  I 
Der  angebetete  lyrische  und  epische  Dichter  Andr6_  Chenierj  Unbekannte 
und  Erlauchte  aus  allen  Parteien,  von  Danton,  Hubert,  Camille  Desmoulins 
bis  zu  Marie  Antoinette,  Rolland,  Bailly  und  Malesherbes !  Unter  der  Ge- 
waltherrschaft Robespierres  und  des  Staatswohlfahrtsausschusses  wurde  eine 
wahre  Orgie  von  Justizmorden  gefeiert!  Es  ist  diese  unselige  Zeit  als  die 
der  Schreckensherrschaft  bezeichnet  worden,  und  es  war  wahrlich  eine 
doppelte  Schreckenszeit,  für  die  unglücklichen  Märtyrer  selbst  vielldcht 
noch  weniger  als  für  jene  von  Grauen  erfüllten  Armen,  die  ihre  Richter 
und  Henker  in  einer  Person  sein  mußten. 

Aber  es  sollte  auch  noch  in  gröbster  Weise  das  Komische  zum  Entsetz- 
lichen treten  und  hieraus  ein  Zerrbild  voll  bitteren  Hohnes  machen! 
In  seiner  unklaren  deistischen  Vernunftreligion  ersann  Robespierre,  durch 
seinen  Lieblingsschriftsteller  Jean-Jacques  Rousseau  angeregt,  in  dessen 
Lektüre  er  sich  vertieft  hatte,  einen  Kultus  für  sein  sogenanntes  höchstes 
Wesen,  die  Gottheit  der  Vernunft,  als  ob  ein  höheres  Verbrechen  gegen 


Die  Herrschaft  der  Wissenschaft.  303 

die  Vernunft  denkbar  wäre  als   der  wahnsinnige   Gedanke :   der  Vernunft 
einen  Kultus  errichten  zu  wollen! 

Die  DiktaJaiJL__Robespierr£SL_dauerte  lange,  volle  acht  Monate»  vom 
Girondistenprozeß  (24.  Oktober  1793)  bis  zum  9.  Thermidor*  '(27.  Juli) 
1794,  Am  9.  Thermidor  kamen  die  Konventsmitglieder,  wie  sie  ihre  Zahl 
durch  Robespierre  sich  immer  mehr  lichten  sahen,  zu  der  späten  Einsicht, 
daß  dieser  weiter  nichts  als  ein  blutiger  Tyrann  sei,  ja  sogar  noch  ein 
ziemlich  einfältiger,  und  so  machten  sie  auf  dem  Schafott,  auf  dem  er  j 
selbst  so  viele  hingeschlachtet  hatte,  nun  auch  seinem  unseligen  Dasein/ 
ein  Ende. 

Aber  diese  in  Paris  so  unrühmliche  Regierung  konnte  beim  Heere  nur 
die  höchste  Bewunderung  erregen.  Von  dem  großen  Camot  begeistert, 
hatte  der  Staatswohlfahrtsausschuß  eine  unglaubliche  Tatkraft  imd  Ge- 
schicklichkeit für  eine  planmäßige  Vorbereitung  des  Sieges  aufzubieten 
gewußt.  „Die  Republik  bildete  nur  noch  eine  einzige  große  belagerte 
Stadt  und  Frankreich  ein  weites  Feldlager."  Frankreichs  ganze  Volks- 
seele war  in  seiner  Jugend  verkörpert,  die,  wenn  sie  auch  zunächst  bloß 
für  die  Befreiung  des  Vaterlandes  dem  Tode  trotzte,  doch  damit  zugleich  die 
ganze  Menschheit  zu  befreien  glaubte. 

Sie  stand  gut  geschulten  und  in  Mannszucht  geübten  Truppen  gegen- 
über, die  jedoch  von  altergrauten,  ebenso  schulmeisterlichen  wie  unfähigen 
Generalen  befehligt  waren,  berufsmäßigen  Soldaten  und  Feldherren,  die  aber 
ihrerseits  ohne  Begeisterung  und  Glauben  an  ihre  gute  Sache  weiter- 
marschierten. Im  Gegensatz  zu  ihnen  die  Franzosen,  die,  obwohl  zerlumpt 
und  verhungert,  unter  der  Führung  von  bisweilen  noch  nicht  fünfundzwanzig- 
jährigen Generalen,  die  aber  noch  gestern  ihresgleichen  gewesen  "waren, 
ausnahmslos  wußten,  für  welche  edle  Sache  sie  in  den  Kampf  zogen!  / 

Das  war  der  Triumpji  der  .Bej^eisterung  über  die  Gleichgültigkeit,  und  ^ 
so  waren  die  französischen  Truppen  nunmehr  überall  siegreich. 

Lyon  wurde  von  Kellermann  wiedererobert  (9.  Oktober);  das  Vendee- 
heer  wurde  bei  Savenay  von  dem  jugendlichen  Marceau  vernichtet  (12.  De- 
zember); der  ebenso  jugendliche  Napoleon  Bonaparte  eroberte  Toulon 
zurück;  im  Norden  war  Jourdan  Sieger  bei  Wattignies  (16.  Oktober), 
der  gleichfalls  noch  so  jugendliche  Hoche  bei  Weißenburg  (26.  Dezember). 

Im  Jahre  1794  waren  die  Erfolge  nicht  weniger  glänzend.  Niemals  war 
ein  Heer  freudiger  oder  heldenmütiger  als  dieses :  ,,£"«  schien  der  Sonne 
gleich,  wenn  sie  an  einem  schönen  Tage  im  hellen  Morgenrot  aufgeht  /" 


Der  Hitzemonat,  ein  Monat  im   neuen  republikanischen  Kalender. 


3o4  Siebentes  Buch. 


Der  großen  Anstrengung  des  Nationalkonvents  war  ein  Ersatz  von 
fünf  hunderttausend  Mann  zu  verdanken,  und  von  neuem  wurde  auf  allen 
Seiten  die  Grenze  überschritten.  Jourdan  errang  bei  Fleurus  einen  glän- 
zenden Sieg,  durch  den  das  ganze  Belgien  schonungslos  den  feindlichen 
Angriffen  preisgegeben  war  (26.  Juni);  im  folgenden  Jahre  drang  Pichegru 
in  Holland  ein,  und  Husaren  bemächtigten  sich  der  in  den  Eisschollen 
festgefrorenen  holländischen  Flotte  (20.  Januar  1795).  Gleichzeitig  rückte 
das  Heer  von  dem  damaligen  Departement  Sambre-et-Meuse  bis  zum 
Rhein  vor  (Januar  1795).  Auch  die  Pyrenäen  wurden  von  den  französischen 
Truppen  überschritten ;  Miollis  drang  in  Navarra  und  Moncey  in  Biscaya  ein. 

Da  baten  die  Verbündeten  um  Frieden. 

Er  wurde  zu  Basel  geschlossen  (5.  April  1795),  und  zwar  mit  Spanien, 
Preußen  und  Holland.  Spanien  trat  die  Insel  San  Domingo  (das  spätere 
Haiti)  ab;  Holland  (die  Batavische  Republik)  wurde  Frankreichs  Ver- 
bündeter und  trat  die  Scheidemündungen  ab;  Preußen  fand  sich  endgültig 
mit  der  Eroberung  des  linken  Rheinufers  ab.  Mit  Ausnahme  von  England 
und  Österreich  erkannten  nunmehr  alle  europäischen  Staaten  die  junge 
Republik  an,  die  Frankreich  bis  zum  Rhein,  den  Alpen  und  den  Pyrenäen 
ausgedehnt  hatte,  seinen  natürlichen  Grenzen,  die  zehn  Jahrhunderte  der 
Monarchie  ihm  nicht  zu  verschaffen  gewußt  hatten.  Die  Bevölkerungen 
Belgiens  und  des  Rheins,  die  nun  den  französischen  neuen  Gesetzen  imter- 
worfen  wurden,  begrüßten  es  mit  Freuden,  zu  einem  so  gerechten  und 
mächtigen  Lande  wie  Frankreich  gehören  zu  dürfen.  In  Italien  und  in 
Deutschland    wurden    die    Franzosen    als    Befreier    angesehen. 

Um  aus  einer  so  stolzen  Lage  schon  nach  zwanzig  Jahren  bei  den  de- 
mütigenden Friedensverträgen  von  181 5  anzugelangen,  wieviel  Begehungs- 
und   Unterlassungssünden    müssen    da    wohl    inzwischen    geschehen    sein! 

Seit  dem  9.  Thermidor  regierte  wieder  der  Nationalkonvent,  doch 
nur  auf  die  kurze  Frist  eines  Jahres.  Es  kamen  in  demselben  wohl  einige 
unvermutete  Vorstöße  vor,  sei  es  von  den  Revolutionsparteien,  sei  es 
auch  von  den  treugebliebenen  Anhängern  des  Königs,  die  der  9.  Thermidor 
wieder  mit  einigen  Hoffnungen  belebt  hatte.  Aber  beide  wurden  der  Reihe 
nach  unschädlich  gemacht :  die  Jakobiner  am  i .  Prairial  *  durch  Pichegru, 
die    Royalisten    am    13.    Vendömiaire  **    durch    Bonaparte. 


*  Wiesenmonat  (etwa  Mitte  Mai  bis  Mitte  Juni),  ein  Monat  im  neuen  republi- 
kanischen Kalender. 

**  Weinmonat,  desgleichen. 


Die  Herrschaft  der  Wissenschaft.  3o5 

Jetzt  hatte  der  Konvent  seine  Aufgabe  erfüllt  und  sich  das  einzige 
fragwürdige  Recht  als  letztes  vorbehalten,  sich  aufzulösen  mit  dem  Rufe : 
„Es  lebe  die  Republik!"  (26.  Oktober  1795).  Er  hatte  über  die  schreck- 
lichsten Gefahren  triumphiert,  um  sich  nun  selbst  das  Leben  auszublasen; 
aber  er  hatte  Frankreich  gerettet. 

Nicht  etwa  bloß  die  Bekämpfung  der  sich  befehdenden  Parteien  und 
der  Sieg  über  die  verschiedensten  Völkerbündnisse  ist  ihm  zu  danken. 
Von  ihm  stammt  auch  so  manche  wohltätige  Einrichtung,  die  sich  bis 
heute  bewährt  hat.  Es  gibt  keine  neuere  Gesetzgebung,  zu  der  er  nicht 
die  Grundlage  gelegt  hätte!  Auch  Napoleons  Bürgerliches  Gesetzbuch 
Ist  nichts  anderes  als  eine  bloße  Ergänzung  und  Erweiterung  seiner 
Entwürfe.  Er  hat  den  allgemeinen  Schulzwang  beschlossen  und  das  natur- 
wissenschaftliche Museum,  die  Lehrerbildungsanstalt,  das  Polytechnikum, 
das  Institut,  das  Erdmessungsamt,  das  Landesarchiv  und  das  Louvre- 
museum  geschaffen.  E  r  hat  die  alten  Maße  abgeschafft  und  jenes  glän- 
zende dezimale  Maß-  und  Gewichtssystem  begründet^  das  in  dem  bis- 
herigen Wirrwarr  zum  erstenmal  eine  wirkliche  Ordnung  hergestellt  hat, 
indem  es  erst  einmal  zunächst  für  alle  Gebiete  menschlicher  Erkenntnis 
eine  Kunstsprache  von  einheitlichen  Fachausdrücken  zum  Gebrauche  für 
den  Verkehr  zwischen  den  Völkern  aufgebaut   hat. 

Durch  den  bereits  von  der  konstituierenden  Nationalversammlung  in 
die  Hand  genommenen  Verkauf  der  zum  Staatseigentum  gewordenen 
eingezogenen  Ländereien  der  Geistlichkeit,  der  Ordensgesellschaften  und 
der  Emigranten  hat  er  ein  Volk  besitzloser  Enterljter  in  ein  Volk  besitzen- 
der Eigentümer  verwandelt.  Seit  der  Revolution  ist  der  Grund  und  Boden 
Frankreichs  mehr  als  der  jeden  andern  Landes  verteilt  und  zerstückelt. 
Allerdings  hat  dieser  Verkauf  der  Staatsgüter  die  Schuldenwirtschaft,  ja 
sogar  den  allgemeinen  Bankrott  des  Staates  zu  hindern  vermocht.  Aber 
trotz    alledem    sind    die    Ereignisse    ihren    Gang    ruhig    weitergegangen. 

Das  von  den  Königen  begonnene  Werk  der  Einigung  des  französischen 
Vaterlandes  ist  erst  von  den  Konventsmitgliedern  zum  Abschluß  gebracht 
worden.  Wenn  diese  sich  zugegebenermaßen  auch  häufig  nur  recht  mittel- 
mäßig, bisweilen  sogar  feige  gezeigt  haben,  so  haben  sie  doch  niemals, 
wenn  die  Lage  noch  so  verzweifelt  war,  sei  es  an  Frankreich  oder  auch  an 
der   Menschheit   verzweifelt. 


Wenn    Rußland   nicht    dazwischengetreten    war    und    wenn    Preußen    so 
leicht  in  den  Frieden  eingewilUgt  hatte,  so  hatte  das  seinen  guten  Grund 


3o6  Siebentes  Buch. 


darin,  daß  sie  beide  gemeinsam  an  einer  ebenso  verdammenswerten  wie 
!  einträglichen  Unternehmung  beteiligt  waren:  der  nunmehr  endgültigen 
i   Aufteilung  Polens. 

Seit  1772  hatte  Polen  unter  der  Regierung  von  Stanislaus  Poniatowski 
jede  Unabhängigkeit  verloren,  um  zu  einem  bloßen  Vasallenstaate  Rußlands 
herabzusinken.  Doch  das  polnische  Volk  bekam  langsam  das  Gefühl  für 
sein  so  wankendes  Volkstum  wieder.  Es  fanden  französische  und  englische 
Anschauungen  bei  ihm  Eingang,  und  es  wurden  schüchterne  Versuche 
gemacht,    dem    Heer    einigen    Zusammenhalt    zu    ^eben. 

Im  Jahre  1788  erklärte  sich  der  polnische  Reichstag  als  eine  konstituie- 
rende Körperschaft  und  verkündete  eine  Verfassung  (1791),  eine  parlamen- 
tarische monarchische  Verfassung  mit  zwei  Kammern  und  verantwortlichen 
Ministern.  Das  liberum  veto,  d.  h.  die  Notwendigkeit  der  Einstimmigkeit 
eines  Beschlusses,  ein  dauernder  Anlaß  zur  Anarchie,  der  mit  einer  ordent- 
lichen Staatsleitung  völlig  unvereinbar  ist,  wurde  abgeschafft.  Die  persön- 
liche Freiheit  der  Bauern,  die  bis  dahin  einer  harten  und  drückenden 
Leibeigenschaft   unterworfen   waren,   wurde   gesetzlich   gesichert. 

Das   Volk  spendete   Beifall,   und  der   König  stimmte  zu. 

Aber  Katharina  II.  von  Rußland  erhob  einen  Einwand,  der  ganz  aus- 
schließlich formaler  Natur  war.  Sie  hatte  eben  zwei  große  Kriege 
beendigt :  im  Norden  mit  Schweden,  im  Süden  mit  der  Türkei.  Sie 
besaß  die  Macht,  also  nützte  sie  sie  auch  aus.  Die  russischen  Heere 
drangen  in  Litauen  und  in  Warschau  ein.  Einige  Polen  wurden  durch 
Bestechung  gekauft,  die  russischen  Ansprüche  zu  unterstützen  (Targowitzaer 
Konföderation  im  Mai  1792).  Der  König  von  Preußen  nun,  der  dem 
polnischen  Reichstag  urkundlich  seine  Unterstützung  versprochen  hatte, 
hielt  die  Gelegenheit  für  zu  günstig,  um  sich  nicht  dabei  einige  Landesteile 
anzueignen,  und  so  rückte  auch  er  mit  seinem  Heere  in  Polen  ein.  Ein 
Widerstand  des  Volkes  war  ausgeschlossen,  und  so  durften  Rußland  und 
Preußen  ihre  Bedingungen  diktieren  (1793).  Sie  konnten  gar  nicht  ein- 
facher sein:  Preußen  sollte  das  Großherzogtum  Posen  mit  Danzig  und 
Thorn  nehmen  und  Rußland  Litauen  (Zweite  Teilung  Polens).  Die  Ver- 
fassung von  1791  aber  sollte  ohne  alle  weiteren  Umschweife  abgeschafft 
werden. 

Ein  Reichstag  trat  nun  zu  Grodno  zusammen  unter  dem  Schutze  rus- 
sischer Grenadiere,  ein  russischer  General  nahm  neben  dem  König  Platz, 
und  so  wurde  der  Vertrag  mit  Rußland  und  Preußen  von  Polen  unter- 
zeichnet. 

Die    polnische    Volkspartei    fügte    sich    diesem    Schimpfe    nicht,     ohne 


Die  Herrschaft  der  Wissenschaft.  307 

irgendeinen  Widerstand  zu  versuchen.  Die  Ungerechtigkeit  war  so 
schreiend,  daß  sie  eine  allgemeine  Volkserhebung  herbeiführte.  Mit  Sensen 
bewaffnete  Bauern  rückten  gegen  die  russische  Infanterie  aus.  Bei  Krakau 
richteten  die  meuterischen  Polen  unter  den  russischen  Soldaten  ein  Blutbad 
an.  Es  bildete  sich  eine  Volksregierung,  deren  Seele  ein  Adliger,  Thaddäus 
Kosciusko,  war.  Sogar  der  so  schwache  polnische  König  Stanislaus 
Poniatowski  sollte  sich  den  Verwahrungen  seiner  Untertanen  gegen  diesen 
schnöden    Länderraub    anschließen ! 

Die  polnischen  Vaterlandsverteidiger  hatten  keine  geeigneten  Waffen 
und  Führer  und  waren  in  verschwindender  Minderzahl.  Auch  hatte  sich 
die  polnische  Volksseele  noch  nicht  genügend  aus  ihren  Fesseln  befreit, 
wie  sie  es  später  nach  einem  Jahrhundert  der  Unterdrückung  vermochte. 
So  erlitten  die  armen  polnischen  Freiheitskämpfer  trotz  wahrer  Wunder 
von  Heldenmut  von  den  Russen  bei  Maciejowice  eine  vernichtende  Nieder- 
lage (24.  September  1794).  Kosciusko  wurde  auf  dem  Schlachtfelde 
verwundet,  fiel  vom  Pferde  und  geriet  in  Gefangenschaft.  Das  russische 
Heer  drang  nun  unter  Führung  des  Feldmarschalls  Suworow  in  Praga- 
W^arschau  ein  (4.  November).  Alle  Bewohner  wurden  niedergemetzelt. 
Es  war  ein  grauenhaftes  Blutbad,  an  das  wohl  jeder  Pole  die  Erinnerung 
bewahren    wird,    solange    sein    Land    nicht    wieder    frei    ist. 

Angesichts  solcher  Erfolge  erklärte  Österreich,  auch  seinerseits,  wenn 
es  Rußland  und  Preußen  nichts  in  den  Weg  legen  sollte,  etwas  von  der 
Kriegsbeute  haben  zu  wollen,  selbst  wenn  es  nicht  unmittelbar  an  der 
Schlacht  teilgenommen  habe;  so  brachte  es  Kleinpolen  und  Krakau 
an  sich;  Preußen  bekam  Warschau,  und  Rußland  behielt  endgültig  das 
ganze  Litauen  in  seinem  Besitze  (Dritte  Teilung  Polens,   Oktober  1795). 

Das  ist  noch  lange  nicht  für  alle  Zukunft  das  Ende  Polens  (^^Finis 
Poloniae" ),  das  damals  so  höhnisches  Frohlocken  hervorrief  und,  wie  im 
allgemeinen  noch  heute,  ein  für  allemal  als  gesichert  angesehen  wurde! 
Ein  Volk  von  fünfzehn  Millionen  Menschen,  das  seine  Sprache,  sein  Wesen/ 
und  seinen  Stolz  bewahrt,  geht  nicht  so  leicht,  wie  man  wohl  denken' 
könnte,  zugrunde  I 

*  * 

* 

Frankreich,  das  so  heiß  nach  dem  schweren  Kriege  den  Frieden,  nach 
der  blutigen  Anarchie  die  Ordnung  herbeisehnte,  machte  auch  nicht  die 
geringste  Bemühung,  die  Zerstückelung  Polens  zu  verhindern. 

Unter  der  neuen  Regierung,  die  auf  den  Konvent  gefolgt  war,  hatte 
die   neue   konstituierende   Versammlung   vom   Jahre    III    (1795)    ^^^   Zwei- 


3o8  Siebentes  Buch. 


kammersystem  (Rat  der  Alten  und  Rat  der  Fünfhundert)  beschlossen 
und  daneben  eine  vollziehende  Behörde,  das  aus  fünf  Mitgliedern  (Direk- 
toren) bestehende  Direktorium.  Die  Auserwählten  der  beiden  Kammern 
zeigten  sich  jedoch  nicht  imstande,  die  Parteien  zu  versöhnen,  die  Finanzen 
wiederherzustellen  und  die  bedrohten  Grenzen  zu  verteidigen.  Gleichwohl 
hätte  die  Verfassung  vom  Jahre  III,  so  manches  sie  auch  noch  zu  wünschen 
übrig  ließ,  wahrscheinlich  einer  weisen  Regierung  immerhin  ermöglicht, 
ihre  schwierigen  Aufgaben  zu  einem  guten  Ende  zu  führen;  doch  die 
Direktoren  waren  mit  vielleicht  alleiniger  Ausnahme  des  großen  Carnot 
in  bezug  auf  Rechtschaffenheit  wie  Befähigung  nur  von  äußerster  Mittel- 
mäßigkeit, Gegen  die  beiden  sich  gegenseitig  so  heftig  befehdenden 
Gruppen  der  Royalisten  und  Terroristen  ging  das  Direktorium,  um  seine 
Macht  zu  behaupten,  mit  Staatsstreichen  unter  schamloser  Mißachtung 
aller  Gesetze  vor,  so  daß  es  sich  eigentlich  gar  nicht  wundern  konnte, 
daß  es  schon  so  bald  selbst  von  dem  so  gesetzwidrigen  vernichtenden 
Anschlage  getroffen  werden  sollte!  Am  i8.  Fruktidor  *  (4.  September)  1797 
unternahm  das  Direktorium  den  Staatsstreich  gegen  die  Royalisten  und 
schon  am  22.  Floreal  **  (11.  Mai)   1798  gegen  die  Jakobiner. 

Trotz  des  ruhmvollen  Friedens,  den  Frankreich  geschlossen  hatte,  durfte 
es  sich  noch  immer  nicht  Ruhe  vom  Kampfe  gönnen,  hatten  sich  doch 
weder  Österreich  noch  England  bewegen  lassen,  auch  ihrerseits,  wie 
die  anderen   Mächte,    die   Waffen   niederzulegen. 

Am  Rhein  erlitten  die  Franzosen  zunächst  einige  Verluste,  die  nicht 
sowohl  vernichtende  Niederlagen  wie  unbedeutende  Schlappen  zu  nennen 
w^aren.  Pichegru,  der  Sieger  von  Fleurus,  übte  Verrat  (Dezember  1795), 
wie  es  Dumouriez  und  Lafayette  getan  hatten.  Ein  fähiger  General, 
Erzherzog  Karl  von  Österreich,  der  Bruder  von  Kaiser  Franz  IL,  ein  junger 
Mann  von  sechsundzwanzig  Jahren,  befehligte  die  Kaiserlichen.  Er  trug 
einige  Erfolge  davon,  besonders  nach  dem  Tode  von  Marceau  (20.  September 
1796)  und  von  Hoche  (19.  September  1797),  zwei  jugendlichen  glänzenden 
Feldherrengenies,  die  nur  zu  früh  für  Frankreich  dahingegangen  waren. 

So  blieb  der  Feldzug  des  französischen  Rheinheeres  unentschieden, 
aber  um  so  triumphreicher  und  glanzvoller  verlief  der  des  französischen 
Heeres  in  Italien.  Hier  erschien  die  Kriegsbefähigung  des  jungen  Napoleon 
in  ihrem  vollen  Lichte. 

Im  Jahre  1796  stand  Napoleon  Bonaparte  in  einem  Alter  von  nur  sieben- 


*  Fruchtmonat,  der  letzte  Monat  im  neuen  republikanischen  Kalender. 
**  Blütenmonat,   der  zweite  Frühlingsmonat  im  neuen   Kalender. 


Die  Herrschaft  der  Wissenschaft.  ^og 

undzwanzig  Jahren.  Er  war  in  Korsika  geboren,  am  Tage  nach  der  Ein- 
verleibung Korsikas  in  Frankreich,  mithin  so  zur  richtigen  Zeit,  um  noch 
gerade  als  Franzose  gelten  zu  können  (1769).  Er  verließ  die  Kriegsschule 
als  Artillerieleutnant,  aber,  da  er  fand,  daß  seine, Beförderung  nicht  schnell 
genug  vor  sich  ging,  brauchte  er  in  der  Lage,  wo  die  Korsen  zwischen  der 
von  Paoli  vertretenen  Nationalpartei  und  der  französischen  Partei  hin- 
und  herschwankten,  eine  gewisse  Zeit,  ehe  er  zum  festen  Entschlüsse  kam. 
Erst  nach  vielem  Zögern  entschied  er  sich  für  Frankreich  und  trat  nun  den  • 
großen  Grundsätzen  der  Revolution  bei,  um  der  Freund  des  Bruders  von 
Robespierre  zu  werden,  der  ihn  in  seinen  persönlichen  Schutz  nahm.  Als 
Artillerieoffizier  bei  der  Belagerung  von  Toulon  mit  einem  Auftrage 
betraut,  gab  er  einen  genialen  Rat,  der  für  die  Einnahme  der  Stadt  ent- 
scheidend wurde   (1793). 

Nach  seiner  Ernennung  zum  General  und  Rückkehr  nach  Paris  (1794) 
sucht  er  mit  den  leitenden  Männern  des  Tages  in  Fühlung  zu  treten,  wobei 
er  die  Unterstützung  von  Barras  gewinnt,  der  ihm  am  13.  Vendemiaire  den 
bereits  erwähnten  Auftrag  gibt,  die  in  der  St.  Rochuskirche  zusammen- 
gedrängten Royalisten  durch  Geschützfeuer  auseinanderzujagen,  wahrlich 
ein  nicht  übermäßig  schwieriger  Sieg,  durch  den  aber  der  erst  fünfund- 
zwanzigjährige General  den  Ruf  eines  hervorragenden  Republikaners  er- 
warb. I 

Ins  Direktorium  berufen  und  unter  seinen  Mitgliedern  allmächtig  ge- 
worden, jtat  Barras  für  den  jungen  korsischen  Offizier  noch  ein  weiteres. 
Er  ließ  Napoleon  Bonaparte  zum  kommandierenden  General  des  Heeres 
in  Italien  wählen  (1796).  Noch  zwei  Tage  vor  seinem  Abgange  dorthin  hatte 
Bonaparte  die  Witwe  des  Generals  Alexandre  de  Beauharnais,  Josephine^  , 

geheiratet,    die    ebenso    entzückende    wie    leichtfertige   bisherige    Geliebte     C/t 
von  Barras,  in  die  sich  der  Korse  unsterblich  verhebt  hatte  und  für  die 
er  in  allen  Lebenslagen  und  auch  noch  in  seinen  spätesten  Tagen  eine  zärt- 
liche Anhänglichkeit   bewahren   sollte. 

Von  einem  glühenden  Vertrauen  zur  Republik  beseelt,  sind  die  Soldaten 
des  französischen  Heeres  in  Italien  ganz  prachtvoll  in  ihrer  Art,  und  so 
kann  Bonaparte  von  ihnen  wahre  Wunder  von  Heldenmütigkeit  und 
Ausdauer  verlangen.  Da  die  österreichischen  Truppen  den  seinigen  an 
Zahl  überlegen  sind,  bringt  er  ein  ebenso  einfaches  wie  geniales  mihtä- 
risches  System  zur  Anwendung,  dem  er  auch  noch  während  seiner  ganzen 
bevorstehenden  überwältigenden  kriegerischen  Heldenlaufbahn  treu  bleiben 
soll.  Er  zieht  alle  seine  Kräfte  auf  einen  Punkt  zusammen,  ohne  sich  weiter 
darum  zu  kümmern,  was  sonstwo  vorgehen  mag;  an  dem  bestimmten 
2   Richet,  Geschichte  der  Menschheit,  II. 


3IO  Siebentes  Buch. 


Punkte  hat  er  dann  auf  jeden  Fall  die  numerische  Überlegenheit  auf  seiner 
Seite  und  bei  den  Vorzügen  seiner  Soldaten  auch  stets  den  Sieg. 

In  noch  nicht  einem  Monat,  vom  25.  März  bis  zum  23.  April  1796, 
bringt  er  es  fertig,  die  Piemontesen  von  den  Österreichern  abzuschneiden 
(Siege  bei  Montenotte  und  Mondovi)  und  unterzeichnet  einen  Vertrag 
mit  König  Victor  Amadeus  III.  von  Sardinien  zu  Cherasco. 

Nachdem  er  so  mit  den  Piemontesen  fertig  geworden  ist,  wendet  er 
sich  nun  gegen  die  Österreicher,  schlägt  sie  bei  Lodi,  zieht  im  Triumphe 
in  Mailand  ein,  schlägt  dann  wieder  bei  Arcole  (15.  November  1796)  und 
bei  Rivoli  (14.  Januar  1797)  die  beiden  Heere,  die  ihm  Österreich  entgegen- 
stellt, und  trifft  schon  seine  Vorbereitvmgen  dafür,  auf  Wien  loszu- 
marschieren. Doch  erbietet  er  sich  nach  noch  einigen  glücklichen,  seinen 
Gegner,  den  Erzherzog  Karl,  beunruhigenden  Kämpfen  zum  Frieden  (Vor- 
verhandlungen zu  Leoben  am  7.  April  1797,  endgültiger  Friedensschluß 
zu   Campo   Formio   am    17.    Oktober    1797). 

Glänzende  Siege,  jeder  Müdigkeit  spottende  Märsche,  entscheidende 
Erfolge,  die  ebenso  dem  Genie  des  Feldherrn  wie  dem  Mute  der  Soldaten 
und  der  Fähigkeit  der  Offiziere  zu  verdanken  waren!  Aber  der  Geist  der 
republikanischen  Kriegführung  ist  mittlerweile  ein  vollkommen  anderer 
geworden  I  „Soldaten  1"  redete  Bonaparte  seine  Truppen  an,  „Ihr  seid 
arm,  nackt  und  schlecht  genährt;  Schätze  breiten  sich  vor  euren  Augen 
aus;  ihr  braucht  nur  zuzugreifen!  Marschiert,  und  ihr  werdet  in  diesen 
Städten  und  Ebenen  Ehre,  Ruhm  und  Reichtum  finden !"  Es  ist  also  schon 
damals  nicht  mehr  die  Verteidigung  des  Vaterlandes,  der  Triumph  der 
Freiheit,  die  Mündigkeitserklärung  der  Menschen,  die  Bonaparte  anruft, 
es  ist  vielmehr  schon  damals  die  roheste  Plünderungssucht,  an_^ie  er 
slcli  wendet. 

Und  auch  in  seinen  Unterhandlungen  mit  dem  zu  Boden  gestreckten 
Österreich  und  dem  von  Schrecken  gelähmten  Italien  zeigt  sich  das  Plün- 
derungsbedürfnis als  das  alles  Überwuchernde.  Man  sage  und  schreibe: 
fünfzehn  Millionen  verlangt  Bonaparte  von  Genua,  zehn  Millionen  von 
'  Parma,  je  zwanzig  von  Modena,  vom  Papste,  von  Mailand  und  Venedig, 
dreißig  von  Bologna,  Ferrara  und  Ravenna.  Er  läßt  nach  Paris  Gemälde, 
Bildhauereien  und  andere  kostbare  Kunstschätze  bringen.  So  muß  der 
Krieg  zur  Bereicherung  des   Siegers  herhalten  I 

'  Doch  schon  tut  sich  Bonaparte  etwas  darauf  zugute,  die  Anweisungen 
des  Direktoriums  zu  mißachten.  Er  spricht  zu  den  eigenen  Amtsgenossen, 
als  ob  er  ihr  Vorgesetzter  wäre,  in  tadelndem  und  gebietendem  Tone.  Er 
verteilt  an  seine   Umgebung  nicht  bloß   Beute,  die  er  seinen  Besiegten, 


Die  Herrschaft  der  Wissenschaft.  3 1 1 

sondern  auch  solche,   die  er  seinen  Verbündeten,   den  armen   Italienern, 
abgenommen  hat,  als  deren  Retter  er  sich  rühmt. 

Als  der  Nationalkonvent  die  gesamte  wehrfähige  Bevölkerung  zu  den 
Waffen  rief,  hatte  er  <iamit  der  Herrschaft  der  großen  Volksheere  die  Weihe 
gegeben.  Aber  das  war  für  die  Verteidigung  heimischen  Bodens  geschehen. 
Waren  unter  der  Königsherrschaft  jene  aus  Freiwilligen,  Abenteurern  und 
Söldnern  zusammengebrachten  Heere  noch  nicht  aus  dem  Volke  selbst 
emporgewachsen,  so  ändert  sich  das  alles  mit  den  großen  Aufgeboten  von 
1794  und  1795  wie  mit  einem  Schlägel  Zu  den  Waffen  muß  jetzt  die 
gesamte  französische  Jugend  vom  ersten  bis  zum  letzten  Manne,  und  das 
Heer  ist  damit  nichts  anderes  als  das  gesamte  waffenfähige  Volk. 

Und  so  bleibt  es  von  nun  an  auch  für  die  weitere  Zukunft!  Durch 
eine  verhängnisvolle  Verkettung  der  Geschicke  sollten  auch  die  anderen 
Völker  in  die  Notlage  kommen,  ihren  letzten  Mann  in  den  Krieg  schicken 
zu  müssen,  so  daß  auch  sie  zu  Volksheeren  kamen.  Wenn  aber  ein 
Volksheer  erst  das  blinde  und  gefügige  Werkzeug  eines  durch  den 
Zauber  seiner  Persönlichkeit  überwältigenden  Feldherrn  oder  Kaisers  ge- 
worden ist,  wird  es  auch  von  defti  Augenblicke  an  den  Krieg  nur  noch  als 
eine  einzige  große  Plünderungstätigkeit  ansehen,  und  die  Wildheit  wird  in 
ihrer  ganzen  Roheit  entfesselt  wüten. 

Das  Übel,  unter  dem  heute  die  gesittete  Welt  so  furchtbar  leidet, 
jene  ungeheuren  Heere,  die  sogar  im  Frieden  die  Ursache  so  vielen  Elends 
und  so  vieler  Tränen  sind,  ist  die  zwingende  Folge  der  Massenaufgebote 
der    Jahre    1793 — 1796. 

Von  dem  großen  europäischen  Völkerbunde  angegriffen,  mußte  Frank- 
reich sich  auch  einem  solchen  gegenüber  in  genügenden  Verteidigungs- 
zustand setzen.  So  beschloß  es  das  Massenaufgebot.  Bonaparte  aber  paßte 
jene  jungen  Leute,  die  die  Vaterlandsliebe  zu  Soldaten  gemacht  hatte, 
seinem  System  der  Plünderungen  und  Eroberungen  an.  Er  ist  der  große 
Schuldige.  Die  von  ihm  herausgeforderten  europäischen  Herrscher  haben 
die  Völker  zur  Verteidigung  und  später  als  seine  Nachahmer  zum  Angriff 
gerüstet.  Von  all  dem  vielen  Unglück,  das  wir  Napoleon  Bonaparte 
zu  verdanken  haben,   ist  dieses   nicht  das  geringste. 

Gleichzeitig  mit  I tauen  stellte  auch  Deutschland  den  Krieg  ein.  Öster- 
reich bewilligte  nun  Frankreich  endgültig  das  von  ihm  eroberte  linke  Rhein- 
ufer; die  Lombardei  wurde  ein  unabhängiger  Freistaat  (Cisalpinische 
RepubUk).  Dafür  aber  wurde  Venedig  an  Österreich  hingegeben,  um 
von  ihm  als  Provinz  einverleibt  zu  werden.   Im  Grunde  erlangte  Frankreich 

2' 


312  Siebentes  Buch. 


nichts  weiter  als  das,  was  ihm  schon  durch  den  Baseler  Friedensvertrag 
im    Jahre    1795    zuerkannt    worden    war. 

Der  Friede  mit  Österreich  schloß  noch  nicht  den  Frieden  mit  England 
in  sich.  Der  große  Staatsmann,  der  damals  die  englischen  Geschicke  leitete, 
verfolgte  Frankreich  mit  seiner  grimmigsten  Feindschaft,  weil  er  die  Größe 
seines  Vaterlandes  ohne  die  Demütigung  dieser  Macht  für  die  Dauer  un- 
möglich hielt.  Bereits  sein  Vater  William  Pittl.  hatte  eine  recht  bedeutende 
politische  Rolle  gespielt;  aber  William  Pitt  II.  übte  seine  Macht  noch 
länger  und  in  noch  entscheidensreicheren  Lagen  aus.  Durch  seine  staats- 
männische Befähigung  und  Hartnäckigkeit,  durch  die  Logik  seiner  feurigen 
Beredsamkeit  und  durch  die  Glut  seiner  unbeugsamen  Vaterlandsliebe 
gewann  er,  obwohl  er  doch  nur  eines  verfassungsmäßigen  Königs  Minister 
war,  allmählich  ganz  das  Ansehen  eines  unumschränkten  Herrschers.  Trotz 
der  Wühlereien  bei  dem  Volke,  die  manchmal  bis  in  Putsche  ausarteten, 
trotz  der  täglichen  Schmähschriften  und  Flugblätter,  die  voller  Beleidi- 
gimgen  für  ihn  waren,  und  trotz  der  Kammerreden,  in  denen  er  fortgesetzt 
verhöhnt  wurde,  wußte  er  nichtsdestoweniger  seinen  Willen  sowohl  dem 
Könige  wie  der  Parlamentsmehrheit  beständig  aufzudrängen.  Tatsächlich 
ist  England  volle  dreißig  Jahre  lang  von  keinem  anderen  als  von  ihm 
regiert  worden.  Sein  großes,  um  nicht  zu  sagen,  einzig  dastehendes 
Werk  war  der  Krieg  gegen  Frankreich.  Und  wenn  England  schließlich 
über  dieses  Land  triumphiert  hat,  so  hat  es  das  keinem  mehr  als  Pitt  zu 
verdanken,   vielleicht  ihm  sogar  noch  mehr  als   Nelson  und  Wellington. 

Der  Kampf  zwischen  England  und  Frankreich,  der  sich  durch  zwei 
ganze  Jahrzehnte  zog,  beschränkte  sich  in  dem  ersten  Jahrzehnt  fast  aus- 
schließlich auf  die  See.  Es  kamen  wohl  einige  Landungsversuche  vor, 
von  den  Engländern  in  Frankreich  (zunächst  bei  Toulon  und  später  bei 
<Quiberon  in  der  Vend^e)  und  von  den  Franzosen  in  Irland  (Hoche  1797). 
Aber  die  einen  wie  die  anderen  scheiterten.  Die  See  wurde  der  Schau- 
platz einiger  sogar  für  die  Besiegten  rühmlicher  Kämpfe,  doch  die  fran- 
zösischen, holländischen  und  spanischen  Schiffe  waren  alle  zusammen 
nicht  imstande,  den  noch  zahlreicheren,  besser  ausgerüsteten  imd  beson- 
ders auch  besser  befehligten  englischen  Schiffen  dauernden  Widerstand  zu 
leisten.  England  nutzte  die  Siege  seiner  Flotte  aus,  um  sich  der  hollän- 
dischen Kolonialbesitzungen  zu  bemächtigen,  vor  allem  der  Kapkolonie, 
die  es  auch  in  der  weiteren  Zukunft  zu  wahren  gewußt  hat,  und  die  dann 
die  Grundlage  für  sein  gegenwärtiges,  großes  afrikanisches  Reich  gewor- 
den ist. 

Nach  dem  Friedensschluß   von   Campo   Formio  schlug  Bonaparte,   so- 


Die  Herrschaft  der  Wissenschaft.  313 

bald  er  nach  Paris  heimgekehrt  war,  zur  Eröffnung  seiner  ebenso  glänzen- 
den wie  abenteuerlichen  Erobererlaufbahn,  die  ihn  ebenso  rasch  berühmt 
machen  wie  verderben  sollte,  dem  Direktorium  ein  Unternehmen  von  einer 
geradezu  wahnsinnigen  Kühnheit  vor.  Es  handelte  sich  um  eine  Landung 
in  Ägypten.  Das  Direktorium  hieß  den  Vorschlag  sogleich  gut,  vielleicht 
in  der  geheimen  Hoffnung,  die  von  Tag  zu  Tag  größere  und  bedrohUchers 
Volkstümlichkeit  des  Siegers  von  Rivoli  durch  seine  Gefangennahme  oder 
Niederlage  mit  einem  Schlage  dahinschwinden  zu  sehen. 

Am  I.  Mai  1798  ging  Bonaparte  von  Toulon  aus  mit  fünfhundertfünfzehn 
Linienschiffen,  zehntausend  Matrosen,  fünfunddreißigtausend  ausgezeichneten 
Landsoldaten  und  mit  Offizieren  wie  Kldber,  Desaix,  Lannes,  Davout  und 
Murat  in  See. 

Die  Seefestung  Malta  ergab  sich  ohne  Widerstand,  und  am  30.  Juni 
landete  das  französische  Heer  in  Alexandria,  trotz  der  Wachsamkeit  von. 
Nelsons  Schiffen,  die  es  gründlich  zu  täuschen'  verstand, 

Ägypten  war  zwar  im  Grunde  ein  unabhängiges  Staatswesen  unter  den 
Mamehiken,  aber  dem  Namen  nach  ein  Vasallenstaat  des  Sultans  von 
Konstantinopel.  So  zog  sich  Bonaparte  durch  diesen  Überfall  auf  eine 
wenigstens  zum  Scheine  türkische  Provinz  die  Feindschaft  der  Türkei  zu, 
die  sich  in  ihrem  Staatsleben  nun  schon  seit  zwei  Jahrhunderten  immer 
treu  an  Frankreich  angeschlossen  hatte;  aber  eitle  Bedenken  der  Dank- 
barkeit oder  auch  nur  der  einfachsten  Anstandspflicht  haben  Napoleon 
niemals  zurückgehalten. 

Zunächst  ging  alles  ganz  leicht  von  statten.  Die  so  glänzende  Reiterei 
der  Mameluken  konnte  gleichwohl  nicht  die  geschlossenen  quadratischen 
Abteilungen  der  französischen  Fußsoldaten  durchbrechen  und  wurde  nach 
Schluß  der  siegreichen  Schlacht  bei  den  Pyramiden  völlig  auseinander- 
gesprengt. Ganz  Ägypten  unterwarf  sich  jetzt  bis  Theben  völlig  wider- 
standslos, wie  es  schon  einst  in  grauen  Zeiten  getan  und  noch  später 
wieder  tun  sollte. 

Doch  ein  großer  Seeverlust  machte  diesen  Sieg  und  diese  Eroberung 
sogleich  wieder  wett.  Bei  Abukir  in  der  Nähe  von  Alexandria  stießen 
nämlich  die  französische  und  die  englische  Flotte  zusammen  (i.  August 
1798).  Die  Seeschlachten  sind  immer  entscheidender  als  die  Landschlachten. 
Die  französische  Flotte  wurde  völlig  vernichtet.  Die  Schlacht  bei  Abukir 
bedeutet  den  endgültigen  Sieg  der  englischen  Weltherrschaft. 

Obwohl  durch  die  siegreiche  Feindesflotte  von  Frankreich  abge- 
schnitten, steifte  sich  Bonaparte  gleichwohl  darauf,  seine  abenteuerliche 
Fahrt  fortzusetzen  und  ging  nun  an  die  Eroberung  von  Syrien.    Vielleicht 


3l4  Siebentes  Buch. 


hoffte  er  die  Heldentaten  Alexanders  des  Großen  erneuern  und  sich  mit 
Tippo  Sahib  vereinigen  zu  können,  der  in  Indien  den  britischen  Eroberungs- 
gelüslen  einigermaßen  erfolgreich  zu  widerstehen  wußte. 

Doch  gleichviel,   diese   Wahnsinnstat    endete,   wie  eine  solche   notwen- 
digerweise  enden  mußte:   mit    einer   schmachvollen   Schlappe.    Die   Stadt 
Saini-Jean-d'Acre  erwies  sich  als  uneinnehmbar,  und  die  Pest  richtete  in 
dem  schon  an  sich  so  kleinen  französischen  Heere  noch  dermaßen  grau- 
I  same  Verheerungen  an,  daß  den  Franzosen  nach  ebenso  grauenhaften  wie 
\  vollkommen  nutzlosen  Blutbädern  nichts  übrig  blieb,  als  gänzlich  unverrich- 
'  teter  Sache  nach  Ägypten  zurückzukehren. 

Jetzt  war  der  unglückliche  Ausgang  des  ägyptischen  Feldzuges  nicht  mehr 

('zweifelhaft.    Sogleich  ließ  Bonaparte  ohne  jedes  Bedenken  sein  Heer  im 

I   Stich.    Er  war  ihm  nur  im  Siege  treu.    Er  kam  nach  Frankreich  zurück 

I    (i6.  Oktober  1799),  nachdem  es  ihm  nur  durch  ein  wahres  Wunder  gelungen 

war,  den  im  Mittelmeer  kreuzenden  englischen  Schiffen  zu  entkommen. 

Es  war  ihm  ein  leichtes  gewesen,  das  Heer  hinzuopfem,  das  er  nach 
Ägypten  ja  nur  von  vornherein  in  den  Untergang  geführt  hatte».  Was 
tut's,  was  nun  aus  diesem  werden  mag!  Es  ist  ja  jetzt  doch  bloß  noch  ein 
nutzloses  Werkzeug,  das  man  froh  ist  so  schnell  wie  möglich  loszuwerden. 
Menou,  der  nach  der  heimtückischen  Ermordung  des  von  Bonaparte  bei 
seinem  Scheiden  mit  dem  Oberbefehl  betrauten  Generals  K16ber  durch  einen 
fanalischen  Moslem  (14.  Juni  1800)  dessen  Nachfolger  in  Ägypten  ge- 
worden war,  mußte  sich  schließlich  doch  den  Engländern  ergeben  (August 
1801). 

Doch  war  bei  diesem  unsinnigen  Unternehmen  wenigstens  nicht  alles 
beklagenswert.  Gelehrte,  Ingenieure,  Künstler,  ja  auch  Philologen  waren 
den  Soldaten  zugesellt  worden  (Ägyptologisches  Institut),  und  festgesetzt 
hatte  sich  in  Ägypten  trotz  der  Niederlage  —  der  zivilisatorische  Einfluß 

Frankreichs !  ^  ^ 

* 

In  Europa  riefen  die  Direktoriumsmitglieder,  die  eine  zwar  weniger 
ruhmvolle,  aber  ebenso  angriffslustige  Politik  als  ihr  großer  Kollege  Bona- 
parie  befolgten,  ein  neues  Völkerbündnis  hervor  (Zweite  Koalition),  hatten 
sie  doch  Genf,  das  zur  Schweiz,  Mülhausen,  das  zum  Elsaß,  und  Piemont, 
das  zu  Savoyen  gehörte,  durch  eine  einfache  Verfügung  ihrem  Lande  einver- 
leibt, hatten  doch  weiter  in  Rom  französische  Truppen  Papst  Pius  VI.  ver- 
trieben, um  darauf  hier  eine  römische  Republik  ausrufen  zu  lassen,  wie  ja 
auch  etwa  gleichzeitig  auf  demselben  Wege  in  Genua  eine  Ligurische,  in 
Neapel    eine    Parthenopäische,    in    Holland    eine    Batavische   und   in    der 


Die  Herrschaft  der  Wissenschaft.  3 1 5 

Schweiz  eine  Helvetische  Republik  entstanden  waren.  Anstatt  sich  nun 
diese  neuen  Staatswesen  frei  entwickeln  zu  lassen,  war  das  Direktorium 
gegen  sie  vielmehr  wie  gegen  eroberte  Provinzen  vorgegangen  und  hatte 
ihnen  Truppen  mit  den  hierbei  unvermeidlichen  Begleiterscheinungen  v/ie 
Requisitionen,  Konfiskationen,  Deportationen  und  anderen  Plackereien  auf 
den  Hals  geladen,  dermaßen,  daß  die  Franzosen,  die  einst  überall  als  Be-/ 
freier  begrüßt  wurden,  sich  jetzt  als  richtige  Plünderer  erwiesen.  Das  Ver-,' 
fahren  Bonapartes  hatte  Schule  gemacht. 

In  Rußland  war  Katharina  II.  gestorben,  von  hohem  Ruhme  umstrahlt, 
geht  doch  der  _Ruhlii--^ets_mehr  nach  äußerem  Erfolge  als  nach  wahrer 
Tugend  (17,  November  1796).  Ihr  Sohn  Paul  (1796 — 1801)  hatte  sich  der  j 
französischen  Republik  gleich  von  vornherein  feindlich  gezeigt  und  sich 
mit  England  und  Österreich  verbunden.  So  kam  die  Zweite  Koalition  zu- 
stande (März  1799).  Sie  empfing  gleich  zu  Anfang  ihre  Weihe  durch  den 
Mord  der  französischen  Kongreßbevollmächtigten  zu  Rastatt,  ein  ebenso 
fluchwürdiges  wie  nutzloses  Verbrechen,  das  den  bevorstehenden  Krieg  in 
Frankreich  volkstümlich  machte. 

Doch  gleichwohl  zeigte  sich  dieser  Krieg  für  die  französischen  Heere 
zunächst  unheilvoll.  Da  sich  die  Grenzen  seit  den  letzten  Siegen  ganz  über 
alles  Maß  ausgedehnt  hatten,  stellten  sich  die  Soldaten  trotz  aller  neuen 
Aushebungen  ihrer  Zahl  nach  als  ganz  unzulänglich  für  den  Schutz  aller 
dieser  Grenzen  heraus.  So  mußte  im  Norden  wie  im  Süden  bereits  er- 
obertes Land  wieder  aufgegeben  werden.  Italien  ging  verloren.  Suworow, 
ein  alter  russischer  General,  der  hier  niemals  anderes  als  Siege  erlebt  hatte, 
mochte  es  an  der  Trebbia  oder  bei  Novi  (15.  August  1799)  sein,  drang  nun 
auch  noch  in  die  Schweiz  ein,  um  von  hier  aus  Frankreich  zu  überfallen.  In 
Deutschland  hatte  Erzherzog  Karl  nach  dem  Siege  bei  Stockach  Jourdan 
wieder  über  den  Rhein  zurückgedrängt.  Schließlich  waren  auch  noch  die 
Engländer  und  Russen  in  Holland  gelandet  (August  1799). 

Die  Lage  war  gefährlich.  Aber  Frankreich  wurde  durch  zwei  große 
Siege  gerettet.  Massdna  vernichtete  das  Heer  Suworows  in  mehreren 
schweren  Gefechten  bei  ZüricTi  (25.  September  1799).  Im  Norden  zwang 
Bruno  das  vereinigte  englisch-russische  Heer,  das  Holland  besetzte,  bei 
Bergen  zur  Übergabe  (19.  September  1799).  Nun  zog  der  Zar  seine  Truppen 
vom  Kriegsschauplatze  zurück. 

So  war  Frankreich  gar  nicht  mehr  in  Gefahr,  als  Bonaparte  heim- 
kehrte. 

Er  wurde  mit  einer  seltenen  Begeisterung  empfangen,  die  er  sogleich  aufs 
gewissenloseste  auszunutzen  verstand.    Aber  gleichwohl  "hätte  er  bei  aller 


ll 


3' 6  Siebentes  Buch, 


seiner  Beliebtheit  den  von  langer  Hand  vorbereiteten  Staatsstreich  nicht 
ausführen  können,  wenn  er  nicht  in  der  Regierung  selbst  Stützen  gefunden 
hätte.  Die  fünf  Mitglieder  des  Direktoriums  waren:  Sieyes,  ein  ebenso 
ehrgeiziger  wie  trotz  seiner  Ansprüche  nur  recht  mittelmäßiger  und  ziem- 
lich platter  Phrasenmacher,  ferner  Roger-Ducos,  Gohier  und  Moulin,  alle 
drei  solche  Nullen,  daß  über  sie  nichts  weiter  zu  sagen  ist,  und  schließlich 

j  '(Barras,   ein   ebenso   ränkesüchtiger   wie  verschlagener  Wüstling,   ein   ganz 

'  verächtliches    Subjekt.     So    sah    damals    die    Regierung    Frankreichs    aus. 

*  Roger-Ducos,  Sieyes  und  Barras  waren  Mitwisser  Bonapartes.  Gohier  und 
Moulin  aber  haben  ebensowenig  vorher  etwas  gewußt  wie  nachher,  und 
das  ist  ihre  einzige  Entschuldigung. 

Am  i8.  Brumaire  *  (9.  November)  dringt  Bonaparte  mit  seinen  Sol- 
daten in  den  Rat  der  Fünfhundert,  um  zu  erklären,  daß  eine  Verfassungs- 
änderung nötig  sei.    Auf  die  Empörungsrüfe  der  Versammlung  antwortet 

/er  mit  einer  Festnahme  der  Abgeordneten  durch  seine  Grenadiere.  Noch 
am  Abend  läßt  er  sich  neben  seinen  beiden  Helfershelfern  (Sieyes  und 
Roger-Ducos)  bis  auf  weiteres  zum  Konsul  wählen.    Das  ist  der  Staats- 

i  streich  vom  18.  Brumaire, 

'      Der   18.  Brumaire  ist  ein  verhängnisvolles  Datum  I    Vielleicht  das  un- 

:  glücklichste  nicht  bloß  in  der  Geschichte  Frankreichs,  nein,  in  der  gesamten 

;  Weltgeschichte. 
/Es  handelt  sich  hierbei  nicht  etwa  um  die  zehn  Millionen  junger  Leute, 
idie  Napoleon  alsbald  zur  Befriedigung  seines  Ehrgeizes  auf  den  Schlacht- 
jfeldern  opfern  sollte.  Dieses  wirtschaftliche  Leid  bedeutet  wenig  neben 
all  dem  von  ihm  ausgegangenen  sittlichen  Leide.  Erst  durch  Napoleon  ist 
Europa  das  geworden,  was  es  noch  heute  ist:  ein  bewaffnetes  IKriegslager! 
Durch  ihn  sind  die  Begriffe  der  Freiheit  und  Gerechtigkeit  zugrunde  ge- 
gangen! Durch  ihn  sollten  sich  auch  die  Völker  des  19.  Jahrhunderts, 
anstatt  sich  für  die  Eroberung  der  Wahrheit  zu  vereinen,  gegenseitig  zu 
Tode  zerfleischen,  nur,  um  sich  einige  Fetzen  Landes  zu  entreißen  1 

II.   Napoleon. 

Der  Staatsstreich  vom  18.  Brumaire  (Novemberstaatsstreich)  wurde 
in  Frankreich  überall  in  blindem  Freudentaumel  gefeiert.  Eine  auf  der  Zer- 
setzung der  Gesellschaft  und  der  allgemeinen  Notlage  sich  aufbauende 
allgemeine  traurige   Ermüdung  hatte  die  schöne  Glaubensfreudigkeit  des 


*  Nebelmonat,  zweiter  Monat  der  neuen  republikanischen  Zeitrechnung,  mit  Ende 
Oktober  beginnend. 


Die  Herrschaft  der  Wissenschaft.  317 

neuen  Heldenzeitalters  abgelöst.  Es  war  eine  allgemeine  Charakterlosigkeit 
eingerissen.  Ganz  Frankreich  bildete  nur  noch  eine  einzige  große  Masse 
von  Schmeichlern,  die  aufs  verschwenderischste  das  Lob  ihres  Herrn  und 
Meisters  verkündeten  und  ihm  wie  einem  Gotte  mit  unwürdigster  Selbst- 
erniedrigung Weihrauch  spendeten;  bei  einigen  wenigen  mochte  es  ja  ein 
wirkliches  Gefühl  der  Hingezogenheit  sein,  doch  bei  anderen  war  es  der 
blödeste  Schrecken,  bei  manchen  auch  Überzeugungssache,  bei  den  meisten 
aber  ganz  gemeine  Liebedienereil  Ganz  gewiß,  Napoleon  hat  die  Franzosen 
in  den  tiefsten  Abgrund  des  Verderbens  gestürzt.  Aber  die  Franzosen,  die 
sich  dazu  hergegeben  haben,  ihren  eigenen  Henker  in  solcher  Verehrung 
anzubeten,  haben  ihr  Schicksal  reichlich  verdient  und  sich  ganz  allein  selbst 
die  Verantwortung  für  alle  seine  Schläge,  von  denen  sie  getroffen  worden 
sind,  zuzuschreiben. 

Der  Erste  Konsul  ist  nun  bald  alleiniger  Herrscher,  sind  doch  die  beiden 
anderen,  der  zweite  und  dritte,  nur  noch  der  Form  wegen  da.  Ihre  einzige 
Befugnis  ist  noch,  die  Erlasse  ihres  Vorgesetzten  gegenzuzeichnen  als 
Beweis  ihrer  Billigung,  und  auch  dann,  wenn  sie  sie  unerwarteterweise 
mißbilligen  sollten,  ist  es  ihnen  nur  erlaubt,  ihre  Mißbilligung  zu  Protokoll 
zu  geben. 

Zunächst  ist  Bonaparte  Konsul  ohne  jede  Verbindlichkeit  in  bezug  auf 
die  Amtsdauer,  darauf  wird  ihm  diese  höchste  Würde  auf  zehn  Jahre  ver- 
längert, nach  deren  Verlauf  er  alsdann  Konsul  auf  Lebenszeit  wird.  Im 
Jahre  1804  läßt  er  sich  bereits  den  Kaisertitel  zuerkennen.  Doch  was  tut 
die  Bezeichnung?  Mit  dem  Tage  nach  dem  18.  Brumaire  ist  Bonaparte, 
so  oder  so,  in  Wahrheit  der  unumschränkte  Alleinherrscher  Frankreichs, 
von  dem  ausschließlich  vor  allem  auch  der  Senat  bestimmt  wird.  Die 
von  unter  dem  Druck  der  Präfekten  gewählten  Wahlmännern  bezeichnete 
gesetzgebende  Versammlung  besitzt  nur  noch  einen  Schatten  ihrer  früheren 
Macht.  Es  ersteht  eine  starke  und  rührige,  gut  besoldete  Polizei,  die  sich 
mit  lästigen  Scherereien  in  die  Privatangelegenheiten  von  solchen  Per- 
sonen einzudrängen  weiß,  die  nur  der  geringsten  Opposition  verdächtig 
sind.  Die  Freiheit  der  Presse  ist  jedenfalls  tatsächlich,  aber  auch  so  gut 
wie  grundsätzUch  unterdrückt.  Auf  eine  einfache  Polizeianzeige  hin  kann 
jemand  ins  Gefängnis  kommen,  landesverwiesen  oder  sogar  auch  straf- 
verscbickt  werden.  Alle  von  der  Regierung  ernannten  Beamten  haben 
bei  Strafe,  selbst  bis  zur  Amtsentsetzung  einfach  blindlings  zu  gehorchen, 
tmd  die  übrigen  sind  wieder  ihnen  Untertan.  Die  Universität  und  die 
Geistlichkeit  werden  von  einem  Beamtentume  regiert,  das  so  stufen- 
förmig gegliedert,    so  streng  und  so  rücksichtslos  ist,  wie  der  Stab  eines 


31 8  Siebentes  Buch. 


Regiments.  Jede  auch  nur  mittelbare  Ausstellung  irgendwelcher  Art  an 
einem  Erlasse  des  Kaisers  wird  als  Beleidigung,  ja  geradezu  als  Gottes- 
lästerung angesehen.  Kein  Lob  ist  zu  hochtrabend,  keine  Schmeichelei  zu 
niedrig!  Das  von  Cäsars  Nachfolgern  auf  dem  Boden  Roms  gestiftete 
Kaisertum  hat  hier  eine  allen  Fortschritten  moderner  Zivilisation  ent- 
sprechende Entwickelung  genommen.  Der  höfische  Despotismus  eines 
JLudwigs  XIV.  ist  die  wahre  Wohltat  gegenüber  der  gewalttätigen  und  will- 
kürhchen  Tyrannenwirtschaft  Napoleons.  Wir  müssen  schon  bis  auf 
AuguKtus  oder  noch  besser  auf  Tiberius  zurückgehen,  um  einen  gleichen 
Seelenzustand,  sei  es  in  den  Sklaven,  sei  es  in  ihrem  Herrn,  zu  entdecken. 

Aber  auch  die  Tyrannei  eines  Mannes  ist  unter  Umständen  fruchtbar, 
wenn  sie  von  einem  bedeutenden  hellen  und  klaren  Geiste  eingegeben  ist. 
Das  Werk  Napoleons  ist  von  einer  geradezu  bewundernswerten  Stärke 
gewesen.  Er  hat  ein  festes  und  sicheres  Finanzsystem,  ein  gewaltiges  Heer 
und  eine  ordentliche  Verwaltung  geschaffen.  Keine  unter  den  Kräften 
Frankreichs  bleibt  unausgenutzt,  und  alle  fügen  sich  unter  der  zielbewußten 
und  sachgemäßen  Leitung  durch  die  wahrhaft  hexende  Hand  ihres  mäch- 
tigen Meisters  in  guter  Ordnung  in  das  Ganze.  Die  vom  Konvent  nur  als 
eine  Art  erster  schüchterner  Versuch  angestrebte  Zentralisierung  kommt 
jetzt  zu  ihrer  kühnsten  Verwirklichung.  Das  Bürgerliche  Gesetzbuch  gibt 
den  gegenseitigen  Beziehungen  auf  privatrechtlichem  Gebiete  die  end- 
gültige gesetzliche  Gestalt.  Wohin  man  blickt,  werden  Straßen  angelegt, 
auch  die  Wissenschaften  werden  gefördert  und  in  den  Provinzen  Museen 
gegründet.  Neue  Gewerbszweige  genießen  ermutigende  Unterstützungen. 
Die  zahlreichen  und  mannigfaltigen  großzügigen  Bestrebungen,  an  die  der 
Konvent  und  die  ihm  folgende  Zweite  Nationalversammlung  mit  rühm- 
lichem Eifer  herangegangen  war,  um  sie  bald  ganz  liegen  zu  lassen, 
werden  sämtlich  von  der  Kaiserlichen  Regierung  wieder  aufgenommen,  ver- 
vollkommnet und  zum  letzten  Abschluß  geführt.  Eine  mustergültige  Ord- 
nung folgt  der  Anarchie  und  verschafft  dem  Herrscher  ein  gefügiges  und 
machtvolles  Werkzeug. 

In  ganz  ähnlicher  Weise  wie  Frankreich,  sollten  sich  auch  die  Völker, 
die  sich  Napoleon  untertänig  machte,  allen  anderen  voran  Italien  und 
Holland,  aber  auch  Deutschland  und  Spanien  dieser  vorausschauenden  und 
weitsichtigen  Verwaltung  unterwerfen,  die  sich  auf  alles  erstreckte  und  in 
alles  mischte.  Allein  die  schweren  Leiden,  die  die  napoleonische  Fremd- 
herrschaft diesen  unglücklichen  Ländern  gebracht  hat,  haben  ganz  natür- 
licherweise diese  gewichtigen  Wohltaten  in  den  Hintergrund  gedrängt. 

Zwischen  der  Gewaltherrschaft  in  der  Zeit  des  Konsulats  und  der  in  der 


Die  Herrschaft  der  Wissenschaft.  31g 

Zeit  des  Kaisertums  bestehen  nur  kleine,  kaum  merkliche  Unterschiede 
und  lediglich  eine  Art  zarter  Abstufungen  und  Schattierungen.  Die  einzige 
wesentlichere  Verschiedenheit  beschränkt  sich  darauf,  daß  noch  unter  dem 
Konsulat  etliche  vereinzelte  Meutereien  und  etliche  sogleich  im  Keime  er- 
stickte Versuche  zum  Widerstände  ausbrechen,  während  in  der  Kaiserzeit 
auch  die  nicht  mehr  vorkommen. 


Bonaparte  war  der  unangefochtene  Gebieter  Frankreichs  geworden.  Nur 
Österreich  und  England  setzten  den  Krieg  noch  fort.  Die  englische 
Flotte  beherrschte  das  Weltmeer.  Österreich  verfügte  über  zwei  gewaltige 
Heere  von  zusammen  hundertzwanzigtausend  Mann:  das  eine  am  Rhein 
unter  dem  Oberbefehl  des  Freiherrn  Kray  von  Krajowo,  das  andere  in 
Italien  unter  dem  des  Freiherrn  von  Melas. 

Auf  französischer  Seite  blieb  General  Moreau  weiter  an  der  Spitze  des 
Rheinheeres  mit  hunderttausend  erprobten  Soldaten.  Massdna  wurde  mit 
fünfundzwanzigtausend  Mann  nach  Italien  geschickt.  Der  Erste  Konsul 
jedoch  behielt  sich  persönlich  den  Oberbefehl  über  ein  zu  Dijon  in  aller 
Stille  von  ihm  selbst  gesammeltes  und  unter  seiner  eigenen  Leitung  aus- 
gebildetes Korps  von  fünfzigtausend  Mann  vor. 

In  Deutschland  erfocht  Moreau  eine  Reihe  von  Siegen  (Stockach  3.  Mai 
1800,  Höchstädt  und  Oberhausen),  die  so  glänzend  waren,  daß  er  in 
München  einzudringen  und  über  ganz  Bayern  Herr  zu  werden  vermochte 
(15.  JuU  1800). 

Massdna,  der  nur  ein  schwaches  Heer  hatte,  sah  sich  genötigt,  sich  in 
die  Mauern  Genuas  zurückzuziehen,  wo  er  trotz  heldenmütiger  Verteidigung 
schließlich  doch  die  Waffen  strecken  mußte  (4.  Juni  1800). 

Doch  nun  führt  Bonaparte  unter  Überwindung  ungeahnter  und  bisher 
durch  Jahrhunderte  nicht  gekannter  Schwierigkeiten  sein  Heer  über  die 
Alpen  nach  Italien,  rückt  mit  ihm  in  Mailand  ein  und  gewinnt  zu  Marengo 
durch^§_aufapfernde  Tätigkeit  eines  Desaix,  der  auf  dem  Schlachtfelde 
bleibt,  einen  großartigen  Sieg,  der  ihm  ganz  Italien  ausliefert  (14.  Juni  1800). 

Kurze  Zeit  darauf  triumphierte  Moreau  bei  Hohenlinden  (3.  Dezember 
1800).  Es  war  dies  ein  glänzender  und  entscheidender  Sieg,  der  der  vollen- 
deten Feldherrnkunst  Moreaus  und  dem  Heldenmute  seines  Heeres  zu 
verdanken  war. 

Überall,  in  Deutschland  wie  in  Italien,  völlig  aufs  Haupt  geschlagen, 
bat   nun  Österreich   endlich   um  Frieden   (Friede  zu  Lundville,  9.  Februar 


320  Siebentes  Buch. 


i8oi).   Die  Bedingungen  des  Friedensschlusses  von  Campo  Formio  wurden 
auf  rechterh  alten. 

Damit  war  nun  zwar  das  europäische  Festland  zur  Ruhe  gebracht  und 
unterworfen,  aber  England  setzte   auch  jetzt  noch  den  Kampf  fort.    Zar 
Paul,    der  schon  seit  längerer  Zeit  der  große  Freund  Frankreichs    und 
der  Bewunderer  Bonapartes  geworden  war,  hatte  eine  sogenannte  Liga  der 
Neutralen  ins  Leben  gerufen,  die  sich  in  Wahrheit  gegen  England  richtete 
1  (Dänemark,  Preußen  und  Schweden).    Dieser  Bund  blieb  ganz  wirkungs- 
j  los,  von  der-  einzigen  Tatsache  abgesehen,  daß  um  seinetwillen  der  eng- 
I  lische  Admiral  Nelson  Kopenhagen  beschießen  ließ   (2.  April   1801). 
I      Aber  das  englische  Volk  lechzte  nach   Frieden.    Pitt  war  gestürzt  und 
durch  Addington  ersetzt  worden  (1801),  der  einer  Annäherung  an  Frankreich 
weniger  feindlich  gegenüberstand  als  sein  Vorgänger.   Im  Oktober  1801  be- 
gannen Verhandlungen,  die  mit  dem  Frieden  von  Amiens  endigten  (25.  März 
1802).    England   mußte   die    Neugestaltung   Europas   ganz   so   hinnehmen, 
wie  sie  Frankreich  geordnet  hatte.    Außerhalb  Europas    behielt    nur    die 
Kapkolonie  ihre  Unabhängigkeit;    Ägypten  fiel  an  die  Türkei  zurück  und 
Malta  an  die  Malteser  Ritter.    Von  den  spanischen  Kolonien  behielt  Eng- 
land Trinidad  und  von  den  batavischen  Ceylon  für  sich. 

Wer  weiß,  was  aus  der  Wohlfahrt  Englands,  der  Größe  Frankreichs, 
dem  Glücke  der  Welt  und  dem  Ruhme  Napoleons  geworden  sein  würde, 
wenn  der  Friede  von  Amiens  erhalten  geblieben  wäre!  Ahet  die  Unter- 
zeichner des  Vertrages  hatten  den  Frieden  nur  in  der  ausdrücklichen  Ab- 
sicht angenommen,  seine  Bedingungen  doch  nicht  auszuführen.  Zu  dieser 
Einsicht  bedurfte  es  wahrhaftig  keiner  großen  Überlegung! 

Die  beiden  Völker  verlangten  gebieterisch  nach  Frieden,  aber  die  beiden 
Regierungen  noch  gebieterischer  nach  Krieg,  dermaßen,  daß  sie  in  dem 
Zeiträume  vom  25.  März  1802  bis  zum  12.  Mai  1803  einen  förmlichen  Wett- 
eifer an  Treulosigkeiten  zu  entfalten  schienen.  Es  kann  also  unter  den  bei- 
den Regierungen  keine  herausgegriffen  werden,  um  als  alleinige  beschuldigt, 
noch  viel  weniger  allerdings,  um  gerechtfertigt  zu  werden. 

Das  erste,  was  geschieht,  ist,  daß  Napoleon  die  Einverleibung  Piemonts 
in  Frankreich  verfügt  (11.  September  1802).  Dann  erklärt  er  seine  Bereit- 
willigkeit zur  Einnahme  einer  Vermittlerstellung  gegenüber  der  helvetischen 
Republik  imd  versammelt  die  deutschen  Fürsten  nach  Regensburg,  um  über 
den  Besitzanteil  jedes  einzelnen  im  Reiche  selbstherrlich  zu  entscheiden 
{Reichsdeputationshauptschluß  23.  Februar  1803)  oder  mit  anderen  Worten, 
um  bei  der  Verhandlung  über  eine  Verteilung  Deutschlands  selbst  den  Vor- 
sitz zu  führen. 


Die  Herrschaft  der  Wissenschaft.  321 

Auf  der  anderen  Seite  ist  es  hinwiederum  England,  das  sich  weigert, 
die  indischen  Städte  und  die  Insel  Malta  nun  auch  wirklich  abzutreten. 
Und,  als  diese  Macht  dann  treulos  allerhand  schlechte  Ausflüchte  gebraucht, 
antwortet  der  Erste  Konsul  nun  wieder  seinerseits  mit  der  Ergreifung  der 
strengsten  Zollmaßnahmen,  durch  die  die  französischen  Häfen  für  die  Ein- 
fuhr englischer  Güter  gesperrt  werden.  Damals  wird  England  mit  einem 
wahren  Regen  von  beleidigenden  Flugschriften  gegen  Bonaparte  über- 
schüttet, und  unter  Berufung  auf  ihre  Preßfreiheit  tut  die  englische  Regie- 
rimg nichts,   ihr  Erscheinen  zu  verhindern. 

Da  wurde  es  schließlich  dem  Ersten  Konsul  zu  bunt,  und  er  verlangte 
erbittert  die  sofortige  Zurückgabe  Maltas. 

Nun  Heß  England  die  französischen  und  holländischen  Schiffe  in  Be- 
schlag nehmen.  Vergeltende  Gegenmaßregeln  ließen  nicht  auf  sich  warten, 
und  alle  englischen  Untertanen,  die  sich  gerade  in  Frankreich  befanden, 
wurden  als  Gefangene  angesehen. 

Der  Krieg  mit  England  begann  von  neuem,  erbitterter  als  je  zuvor 
(12.  Mai  1803). 

Den  erschrockenen  Festlandsmächten  ersparte  nun  Napoleon  keinen 
nur  irgend  denkbaren  Schimpf;  gegen  den  Willen  Königs  Friedrich  Wil- 
helm III.  von  Preußen  (1797 — 1840)  rückte  er  in  Hannover  ein  (Juni  1803); 
femer  bemächtigte  er  sich  des  Herzogs^vxm  Enghien  imd  ließ  ihn  auf 
"Grund  eines  Gerichtsverfahrens  erschießen,  das  weiter  nichts  als  ein  ganz 
gemeiner  Mord  war  (21.  März  1804);  endlich  verleibte  er  auch  noch  Genua 
und  Ligurien  seiner  Herrschaft  ein  (4.  Juni  1805)  imd  ließ  sich  alsdann 
zum  König  von  Italien  krönen  (15.  März  1805). 

Mittlerweile  hatte  er  den  Titel  eines  Kaisers  der  Franzosen  angenommen 
(18.  Mai  1804}.  Hierzu  hatte  er  Papst  Pius  VII.  nach  Paris  geholt  und  im 
feierlichsten  Augenblicke  der  päpstlichen  Salbung  in  der  Notre-Dame- 
Kirche   sich  eigenhändig  die    Kaiserkrone  aufgesetzt   (2.   Dezember   1804). 

Napoleon  hatte  gehofft,  auf  dem  englischen  Inselreich  einen  Landkrieg 
führen  zu  können.  Zu  diesem  Zwecke  wurde  ein  gewaltiges  Heer  in  Bou- 
lognc  gesammelt,  wo '•ein  Geschwader  von  kleinen  Schiffen  zum  Versuch 
einer  Truppenlandung  bereitlag.  Es  ist  schwer  zu  sagen,  wieweit  Na- 
poleon die  Verwirklichung  dieses  waghalsigen  Unternehmens  ernstlich  an- 
gestrebt hat.  So  unmöglich  das  wegen  der  damit  verbundenen  Fülle  von 
schier  unüberwindlichen  Gefahren  auch  erscheinen  mag,  so  ist  es  seiner 
kein  Hindernis  kennenden  genialen  Abenteuerlichkeit  schon  zuzutrauen I  In 
jedem  Fall  blieb  das  Boulogner  Unternehmen  in  dem  Bau  einiger  Trans- 
portschiffe und  der  Bildung  eines  gewaltigen  Feldlagers  stecken. 


322  Siebentes  Buch. 


Wenn  nicht  furchtbares  Unglück  hätte  heraufbeschworen  werden  sollen, 
wäre  zur  Ermöglichung  der  Landung  eines  Armeekorps  in  England  eine 
Flotte  nötig  gewesen,  die  das  Meer  gegen  die  englischen  Kriegsschiffe 
zu  halten  imstande  gewesen  wärel  Aber  eine  solche  Flotte  hätte  Napoleon 
niemals  zusammengebracht!  So  war  er  denn  auch  hocherfreut,  den  anfäng- 
lichen Seekrieg  bald  ganz  und  gar  durch  einen  Festlandskrieg  ersetzen  zu 
können  1 

j  In  diesem  Seekriege  nämlich  wurde  von  englischer  Seite  mit  der  Schlacht 
!am  Vorgebirge  Trafalgar  unweit  Cadiz  (20.  Oktober  1805)  das  Werk  voll- 
endet, das  mit  der  Schlacht  bei  Abukir  seinen  Anfang  genommen  hatte, 
das  Werk  der  gänzlichen  Zerstörung  der  französischen  Flotte,  die  sich  im 
Verein  mit  der  spanischen  sehr  lange  wacker  gehalten  hatte,  aber  schließ- 
lich mit  ihr  gemeinsam  so  vollständig  vernichtet  wurde,  daß  auch  nicht 
einmal  mehr  die  geringste  Hoffnung  auf  die  Möglichkeit  einer  Vergeltung 
übrigblieb.  Der  englische  Admiral  Nelson  fand  in  dieser  Schlacht  seinen 
Heldentod  mit  der  gleichzeitigen  Erringung  des  Sieges,  den  England  nicht 
weniger  als  den  Sieg  der  Schlacht  bei  Belle-Alliance  feiert.  Mindestens 
für  ein  Jahrhundert,  wenn  nicht  möglicherweise  sogar  noch  viel  länger, 
sollte  England  die  einzige  Seemacht  der  Welt  bleiben! 

Auf  dem  Festlande  bäumte  sich  Österreich  voll  Scham  und  Entrüstung 
gegen  die  vernichtenden  Niederlagen  und  die  unheilvollen  Friedensverträge 
auf.  In  Rußland  war  seinem  ermordeten  Vater  Paul  Kaiser  Alexander  I. 
(1801 — 1825)  auf  dem  Throne  gefolgt,  der  von  ganz  anderen  Anschauungen 
beseelt  war  als  jener.  So  konnte  England  ebenso  leicht  Österreich  wie  Ruß- 
land zu  einer  Dritten  Koalition  bestimmen,  zu  der  das  Britische  Reich,  wie 
immer,   die  erforderlichen  Geldmittel  beschaffen  mußte. 

Seit  dem  Sommer  des  Jahres  1805  hatte  Napoleon  den  neuen  Krieg 
vorausgesehen.  In  wenigen  Wochen  wird  Frankreich  sowie  Deutschland 
von  dem  gesamten  Boulogner  Heere  durchzogen,  einem  Heere,  das  von 
einem  wunderbaren  Kriegersinne,  von  einer  glühenden  Leidenschaft  für 
seinen  Kaiser  und  sogar  ausnahmsweise  noch  mehr  von  Ruhmsucht  als 
Beutegier  beseelt  ist.  Ehe  noch  die  Russen  zu  den  Österreichern  stoßen 
können,  werden  diese  schon  besiegt.  Bis  auf  den  letzten  Mann  ergibt  sich 
ihr  Heer  bei  Ulm  (19.  Oktober  1805),  gerade  am  Vorabend  der  Schlacht 
bei  Trafalgar,  und  Napoleon  rückt  in  Wien  ein.  Einige  Tage  darauf  wurde 
das  russische  Heer,  das  bis  dahin  immer  noch  nicht  gekämpft  hatte,  nun- 
mehr bei  Austerlitz  vernichtet  (2.  Dezember  1805).  Noch  nie  in  der  Welt- 
geschichte ist  einem  so  mächtigen  militärischen  Genie  ein  so  mächtiges, 
unwiderstehliches  und  unbesiegliches  Heer  dienstbar  gewesen! 


Die  Herrschaft  der  Wissenschaf t.  323 

Nun  bat  Österreich  um  Frieden.  Es  trat  Venetien  an  Italien  ab,  erkannte 
die  sämtlichen  Einverleibungen  Napoleons  an  und  mußte  sich  die  Bildung 
des  Rheinbundes  gefallen  lassen.  Diesem  trat  ganz  Deutschland  mit  Aus- 
nahme von  Preußen  bei.  Napoleon  führte  den  Vorsitz,  d.  h.  er  konnte  wie 
ein  Herr  und  Gebieter  schalten  und  walten  (Friede  zu  Preßburg  26.  De- 
zember 1806). 

Schon  kennt  Napoleon  für  seinen  Hochmut  und  seine  Macht  keine 
Schranken  mehr.  Für  einen  seiner  Brüder,  Joseph,  schafft  er  das  König- 
reich Neapel,  für  einen  andern,  Ludwig,  das  Königreich  Holland. 

Doch  Rußland  setzte  den  Krieg  noch  immer  fort,  wiewohl  es  sein  Heer 
bei  Austerlitz  verloren  hatte.  Nur  Preußen  ließ  alle  jene  Siege,  von  denen 
jeder  ohne  Ausnahme  für  dasselbe  eine  Demütigung  bedeutete,  still- 
schweigend über  sich  ergehen. 

Da  bat  nun  auch  England,  wenn  auch  nur  zum  Scheine,  um  Frieden. 
William  Pitt  war  verzweifelt  gestorben  (23.  Januar  1806),  konnte  er  doch 
den  Tag  von  Austerlitz,  der  die  Karte  Europas  so  gründhch  umgestaltet 
hatte,  so  wenig  verwinden,  daß  er  das  Eintreffen  der  Nachricht  von  dem 
schicksalsschweren  Ereignis  in  England  nur  kurze  Zeit  überlebte.  Fox, 
der  sein  Nachfolger  wurde,  wünschte  den  Frieden  mit  Frankreich  aufrichtig. 
Aber  Napoleon  legte  auf  den  Frieden  kein  Gewicht  und  zeigte  sich  in  der 
hannoverschen  Frage  unbeugsam.  So  trugen  diese  Verhandlungen  höch- 
stens dazu  bei,  nun  auch  noch  Preußen  in  die  Koalition  hineinzuziehen. 

Dieses  hatte  sich  bisher  dem  Willen  Napoleons  stets  knechtisch  gefügt. 
Allerdings  gab  es  in  Berlin  eine  Kriegspartei,  deren  Einfluß  in  gleichem 
Maße  mit  den  übermütigen  Forderungen  des  Kaisers  stieg.  Zu  ihr  gehörte 
auch  die  in  der  Blüte  ihrer  Jugendkraft  stehende  und  kampfesfreudige 
Königin  Luise  von  Preußen,  die  die  einzige  Möglichkeit  der  Rettung  ihres 
Volkes  und  Vaterlandes  und  des  Auswegs  aus  der  Schande  in  einer  Ent- 
scheidung durch  die  Schlachten  sah.  Endhch  entschloß  sich  nun  auch 
König  Priedrich  Wilhelm  HL  zum  Handeln,  allerdings  nur  durch  die 
Kriegspartei  bei  Hofe  und  im  Heere  gedrängt,  wenn  nicht  gezwungen. 
Er  stellte  an  Napoleon  als  unerläßUche  Bedingung  ihrer  weiteren  Be- 
ziehungen die  gebieterische  Forderung:  vom  Rheinbund  zurückzutreten. 
Das  hieß  nichts  anderes  als  die  Entscheidung  für  den  Krieg  (September 
1806). 

Und  dieser  Krieg  war  zermalmend.  Schon  nach  Verlauf  eines  Monats 
rückte  Napoleon  nach  dem  glänzenden  Doppelsiege  bei  Jena  (durch  ihn 
selbst)  und  bei  Auerstädt  (durch  Davout)  (14.  Oktober  1806)  in  Berhn  ein. 
Mit  Preußen  schien  es  zu  Ende  zu  gehen! 


.924  ^  Siebentes  Buch, 


Aber  noch  nicht  zu  Ende  war  es  mit  dem  russischen  Heerl  Es  hatte 
sich  ganz  allmählich  wieder  erholt  und  wußte  sich  tapfer  zu  schlagen.  Es 
mußte  jedoch  nach  der  trotz  zweitägiger  Dauer  ziemlich  unentschieden  ge- 
bliebenen blutigen  Schlacht  bei  Preußisch-Eylau  südlich  von  Königsberg 
zurückweichen,  obgleich  diese  im  Grunde  trotz  ihrer  Unentschiedenheit 
einen  Mißerfolg  für  die  Franzosen  bedeutete  (7.  und  8.  Februar  1807).  E& 
war  ein  entsetzliches  Gemetzel,  in  dem  vierzigtausend  Mann  fielen.  Nun 
konnten  beide  Heere  vor  Erschöpfung  den  Feldzug  erst  wieder  einige 
Monate  später  aufnehmen.  Doch  Napoleon  siegte  jetzt  vollständig  in  der 
großen  und  entscheidenden  Schlacht  bei  Friedland  an  der  Alle,  einem 
gleichfalls  ostpreußischen  Städtchen  (14.  Juni  1807). 

Nun  bat  Zar  Alexander  um  Frieden.  Napoleon  hatte  nicht  umsonst 
die  Stärke  des  russischen  Heeres,  wenn  auch  nur  für  einen  Augenblick, 
kennen  gelernt,  und  so  suchte  er  seinen  Gegner,  anstatt  ihn  zu  vernichten, 
sich  selbst  zum  Bundesgenossen  zu  machen.  Der  Friede  wurde  zu  Tilsit 
unterzeichnet  (8,  Juli  1807).  In  der  berühmten  Zusammenkunft  teilten  sich 
die  beiden  Herrscher  die  Welt.  Österreich  sowie  Preußen  wurden  ausge- 
schaltet. Sie  galten  allein  noch  als  gute  Ausbeutungsgegenstände.  Die 
Provinz  Warschau  und  ein  Teil  Polens  wurde  Preußen  wieder  genommen 
und  dafür  ein  Großherzogtum  Polen  hergestellt  mit  dem  König  Friedrich 
August  I.  von  Sachsen,  dem  bisherigen  Kurfürsten  Friedrich  August  III., 
an  der  Spitze.  Finnland  mußte  dem  Zaren  überlassen  werden,  ebenso  Per- 
sien und  scheinbar  auch  die  Türkei.  Von  England  aber,  dem  in  seiner 
Abgeschlossenheit  unbesieglichen,.  hofften  Napoleon  und  Alexander  als 
Herren  des  europäischen  Festlandes,  daß  es  schließlich  durch  den  all- 
gemeinen wirtschaftlichen  Verfall  mürbe  werden  würde. 

So  hatte  im  Juli  1807  Kaiser  Napoleon,  von  seinem  wunderbaren  Genie 
und  seinem  noch  wunderbareren  Glücke  unterstützt,  über  seine  so  zahl- 
reichen eigenen  Fehler  triumphiert,  und  er  hätte  nun  ruhig  abwarten 
können ! 

Aber  ein  Mann  wie  Napoleon  konnte  nicht  eher  rasten,  als  bis  sein 
völliger  Zusammenbruch  eintrat;  er  war  wie  ein  Stein,  der,  in  einen  Ab- 
grund geworfen,  erst  zu  fallen  aufhört,  wenn  er  gegen  einen  Felsen  schlägt. 

Zunächst  wurde  er  noch  von  den  Ereignissen  selbst  begünstigt.  Eng- 
land beging  nämlich  einen  schweren  Fehler;  es  beschoß  Kopenhagen,  und 
zwar  im  Gegensatz  zu  allen  kriegsrechtlichen  Bestimmungen,  da  Däne- 
mark neutral  war  (5.  September  1807).  Alexander,  der  bisher  immer  noch 
gezögert  hatte,   entschied  sich   nun  für  das   Bündnis   mit   Frankreich,   um 


Die  Herrschaft  der  Wissenschaft.  326 

sich  sogleich  seiner  seit  dem  21.  November  1806  über  England  verhängten 
Festlandsperre   (sogenannten  Kontinentalsperre)   anzuschließen. 

Diese  so  entsetzliche  Kriegserfindung  hätte  England  sicher  zugrunde 
gerichtet,  wenn  sie  in  ihrem  vollen  Umfange  hätte  durchgeführt  werden 
können.  Der  Berliner  Erlaß  setzt  fest,  daß  kein  englisches  Schiff 
an  einem  Hafen  des  Festlandes  anlegen  dürfe,  und  daß  alle  englischen 
Güter  zu  sperren  seien.  Als  Antwort  hierauf  ordnen  die  Engländer  ihrer- 
seits an,  daß  jedes  neutrale  Schiff,  das  an  einem  englischen  Hafen  vorbei- 
fährt, dort  einen  Zoll  bezahlen  muß.  Napoleon  erklärt  nun  seinerseits, 
daß  jedes  Fahrzeug,  das  über  sich  die  englische  Besichtigung  ergehen  ließe 
und  den  Zoll  bezahlte,  als  englisches  Schiff  angesehen  und  als  feindliches 
behandelt  werden  sollte.  Das  hieß  in  der  Tat  den  Handel  Europas  mit 
England,  also  auch,  da  dieses  auf  den  Meeren  zu  gebieten  hatte,  mit  der 
gesamten  übrigen  Welt  völlig  zugrunde  richten.  So  schienen  von  nun  an 
die  neutralen  Völker  ebenso  dazu  bestimmt,  unter  dem  Kriege  zu  leiden, 
wie  die  kriegführenden  selbst. 

Zu  schwach,  um  sich  diesem  so  verhängnisvollen  Zwange  mit  Waffen- 
gewalt entgegenzustellen,  mußten  die  neutralen  Mächte  schon  ganz  zu- 
frieden sein,  wenn  es  ihnen  gelang,  ihn  zu  umgehen. 

Portugal,  dessen  Handel  fast  in  seinem  gesamten  Umfange  ein  See- 
handel war,  leistete  vor  allen  übrigen  Ländern  Widerstand.  Napoleon 
mußte  es  zur  Vernunft  bringen,  koste  es,  was  es  wolle.  Zunächst  rückte 
ein  kleines  Heer  unter  dem  Oberbefehl  von  Junot,  ohne  einen  Schwert- 
streich tun  zu  brauchen,  in  Lissabon  ein,  so  daß  König  Johann  VL  von 
Portugal,  damals  Prinzregent,  sich  in  seiner  Bestürzung  auf  ein  englisches 
Kriegsschiff  flüchtete  (1807). 

Aber  um  seinen  Heeren  die  Möglichkeit  des  Durchzugs  durch  Spanien 
zu  verschaffen,  hatte  Napoleon  dem  kläglichen  Könige  dieses  Landes, 
Karl  IV„  als  Verbündeten  der  Franzosen  den  portugiesischen  Thron  zu 
seinem  spanischen  hinzuversprechen  müssen.  Der  Ärmste  wurde  von  der 
Königin  (Maria  Luisa)  beherrscht,  die  einen  Günstling  namens  Manuel  de 
Godoy  hatte,  der  im  tiefsten  Grunde  der  Gebieter  Spaniens  war. 

So  hatten  unter  dem  Vorwande  eines  Krieges  mit  Portugal  die  fran- 
zösischen Heere  die  ganze  Halbinsel  besetzt.  Murat  war  in  Madrid  ein- 
gezogen unter  Verbreitung  des  Gerüchtes,  daß  Karl  IV.  zugunsten  Na- 
poleons abgedankt  habe.  Empört  legte  die  Madrider  Bevölkerung  hier- 
gegen Verwahrung  ein  (2.  Mai  1808).  Als  nun  im  ganzen  Lande  eine  Er- 
hebung ausbrach,  suchte  sie  Murat  durch  die  blutigsten  Strafen  zu  unter- 
drücken, die  der  spanischen  Vaterlandsliebe  die  schmerzlichsten  Wunden 
3  Riebet,  Geschichte  der  Menschheit,  II. 


326  Siebentes  Buch. 


schlugen.  Der  Haß  war  entfesselt,  und  der  Tod  von  dreihunderttausend 
französischen  Soldaten  war  das  Lösegeld  für  das  Verbrechen  des  Dos  de 
Mayo  *. 

Karls  IV.  Sohn,  der  spätere  König  Ferdinand  VII.,  der,  wenn  möglich, 
noch  verächtlicher  als  sein  edles  Elternpaar  mitsamt  seinem  Günstling 
war,  hatte  sich  in  einem  Briefe  an  Napoleon  über  seinen  eigenen  Vater 
beklagt.  So  spielte  sich  damals  zwischen  Vater,  Sohn,  Königin  und  deren 
Liebhaber  eine  recht  dunkle  Tragikomödie  ab,  in  die  sich  Napoleon  als 
Schiedsrichter  einmengte,  um  selbst  eine  noch  viel  widrigere  Rolle  zu 
spielen,  als  sie  schon  diese  vier  widrigen  Personen  gespielt  hatten. 

Nachdem  der  korsische  Eroberer  teils  durch  Drohung,  teils  durch  List, 
deren  er  sich  abwechselnd  bediente,  zuerst  Karls  IV.  und  gleich  hinterher 
auch  P^rdinands  Abdankung  erreicht  hatte,  ließ  er  seinen  Bruder  Joseph 
Bonaparte  zum  König  von  Spanien  ausrufen  (7.  Juli  1808:).  Das  war 
das  Zeichen  zum  Kriege  mit  Spanien. 

Und  es  wurde  ein  furchtbarer  Krieg!  Die  Erhebung  gegen  die  fran- 
zösische Gewaltherrschaft  war  eine  allgemeine.  Es  trat  in  Cadiz  eine  Junta 
nacional  **  zusammen,  die  alle  kriegstüchtigen  Männer  zu  den  Waffen 
rief  und  England  um  seine  Unterstützung  anging.  Einige  Regimenter  des 
bisherigen  regelrechten  königlichen  Heeres  mischten  sich  mit  den  auf- 
ständischen Volksmassen,  und  England  half  mit  Geldbeiträgen. 

Gleichwohl  gelang  es  Joseph,  seinen  Einzug  in  Madrid  zu  halten  und  hier 
seine  Anerkennung  als  König  bei  einer  Volksvertretung  (Cortes)  oder  etwas, 
was  wenigstens  so  aussah,  durchzusetzen  (20.  Juli  1808).  Aber  schon  acht 
Tage  später  mußte  er  es  verlassen,  hatte  doch  inzwischen  ein  französisches 
Armeekorps  unter  dem  Oberbefehl  des  Generals  Dupont  de  l'Etang  bei 
Bayl^n  sich  mit  Mann  und  Maus  ergeben  müssen  (23.  Juli  1808).  Es  war 
der  erste  schwere  Schicksalsschlag,  der  bisher  die  kaiserlichen  Heere 
getroffen  hatte.  Seit  Roßbach  hatte  Frankreich  niemals  wieder  eine  der- 
artige Niederlage  erlitten.  Siebzehntausend  Mann  hatten  vor  einer  Schar 
schlichter  Bauern  ihre  Waffen  strecken  müssen. 

Von  diesem  Augenblick  an  ist  Napoleons  Stern  im  Erbleichen.  Die 
Schicksalsschläge  sollen  den  Gott  um  so  furchtbarer  treffen,  als  sie  bis- 
weilen das  Aussehen  eines  Triumphes  annehmen,  und  bei  jeder  neuen 
schweren  Niederlage  wie  auch  bei  jedem  scheinbaren  neuen  Siege  soll 
Napoleon,  als  ob  er  sich  gar  nicht  fassen  könnte,  seine  Fehler  nur  noch 


*  Spanisch  =  Zweiter  Mai. 
**  Spanisch  =  Volksausschuß. 


Die  Herrschaft  der  Wissenschaft.  327 

in  verstärktem  Maße  wiederholen,  indem  er  immer  von  neuem  kopfüber 
in  einer  Orgie  von  Blut  und  Trümmern  untertaucht. 

Einen  Monat,  nachdem  sich  Dupont  bei  Bayl6n  hatte  ergeben  müssen, 
erfuhr  Junot  dasselbe  Schicksal  bei  Cintra  (30.  August  1808);  er  sah  sich 
genötigt,  vor  einem  englischen  Heere  unter  dem  Oberbefehl  von  Sir  Arthur 
Wellesley,  dem  späteren  Lord  iWellington,  die  Waffen  zu  strecken.  Damit 
haben  die  Engländer  auch  einmal  auf  dem  festen  Lande  Stellung  genom- 
men, und  sie  sollen  diese  Stellung  erst  wieder  nach  der  Schlacht  bei  Belle- 
AUiance  aufgeben. 

Um  dem  Kriege  mit  dem  kleinen  Spanien,  der  nachgerade  lange  genug 
währte,  nunmehr  ein  möglichst  rasches  Ende  zu  machen,  rückte  jetzt  auch 
Napoleon  selbst,  nachdem  er  sich  noch  vorher  zu  Erfurt  des  nicht  ganz 
zuverlässigen  Bündnisses  mit  Rußland  versichert  hatte  (27.  September 
bis  12.  Oktober  1808),  mit  einem  Heer  von  zweihunderttausend  Mann  in 
die  Pyrenäenhalbinsel  ein,  voll  zuversichtlichen  Vertrauens  da,  wo  seine 
Generäle  gescheitert  wären,  selbst  um  so  sicherer  das  Ziel  zu  erreichen. 

Und  in  der  Tat  schien  Napoleon  schon  nach  wenigen  Wochen  die  alte 
Ordnung  in  vollem  Umfange  wiederhergestellt  zu  haben.  Joseph  konnte 
nun  wieder  in  Madrid  einziehen  (22.  Januar  1809).  Ein  englisches  Armee- 
korps mußte  zum  Rückzug  blasen  und  entkam  nur  durch  schleunige  Ein- 
schiffung nach  La  Coruna.  Portugal  und  Andalusien  waren  allerdings 
noch  nicht  unterworfen,  doch  würde  Napoleon,  wenn  er  nur  den  Krieg 
mit  allen  seinen  Truppen  fortgesetzt  hätte,  auch  diesen  letzten  Wider- 
stand ganz  gewiß  gebrochen  haben.  Allein  bei  all  seinem  Genie  war  ihm 
gleichwohl  jene  eigensinnige  Beharrlichkeit  unbekannt,  die  nicht  eher 
aufhört,  bis  sie  alle  Schwierigkeiten  überwunden  hat.  So  nur  konnte  es 
kommen,  daß  er  Spanien  schon  bald  wieder  verließ,  um  statt  dessen  gegen 
Österreich  Sturm  zu  laufen. 

Wieder  ein  neuer  heilloser  Fehler  I  In  den  Schluchten  und  Tälern  der 
Pyrenäenhalbinsel  sollen  sich  nun  auf  Jahre  die  von  Napoleon  im  Stich 
gelassenen  französischen  Heere  verirren,  um  hier  lauter  kleine,  ganz  nutz- 
lose und  ziemlich  ruhmlose  Scharmützel  zu  bestehen  I  Eine  Bevölkerung, 
die  von  leidenschafthcher  Feindseligkeit  erfüllt  ist,  Guerilleros  *,  die  Nach- 
zügler, wo  sie  sich  nur  zeigen  mögen,  niedermachen  und  Postwagen  und 
Trainkolonnen  angreifen,  englische  Soldaten,  die  hinter  ihren  Verschan- 
zungen unbesieglich  sind  und  von  den  Häfen  aus  immer  wieder  mit  frischen 
Lebensmitteln   versorgt  werden,  eine  Junta,  die  in  Liebe  zum  Vaterlande 


*  Freischärler  des  Kleinkrieges. 
3* 


328  Siebentes  Buch. 


erglüht  und  englisches  Gold  bekommt,  um  alle  ihre  Ausgaben  zu  bestreiten, 
Berge,  die  im  Winter  vor  Eis  starren  und  im  Sommjer  vor  Hitze  dörren, 
und  demgegenüber  zur  Überwindung  aller  dieser  feindlichen  Mächte: 
Generäle,  die  aufeinander  eifersüchtig  sind,  nur  gegen  ihren  eigenen  Willen 
einen  solchen  Krieg  führen,  ausschließlich  die  Feldzugspläne  ihrer 
Kameraden  zu  durchkreuzen  bedacht  sind,  den  Befehlen  Widerstand 
leisten,  vor  allem  an  Plünderung  denken  und  sich  über  den  König  von 
Spanien  lustig  machen,  jenen  armen  Joseph,  dessen  ganze  Autorität  sich 
höchstens  noch  auf  einen  Schatten  davon  bei  jenen  heißhungrigen  Nimmer- 
satten von  Hidalgos  beschränkt,  aus  denen  sein  trauriger  Hof  besteht! 

Napoleon  hatte  bereits  an  England  einen  unerbittlichen  und  schlimmen 
Feind  gehabt.  Jetzt  erhebt  sich  nun  auch  Spanien  weit  unerbittlicher 
und  schlimmer  nochl  Und  vereint  sollen  alle  beide  des  Kaiserreiches  beste 
Heere   verschlingen! 

Zu  Erfurt  hatte  Napoleon  Rußlands  Mithilfe  gewollt,  aber  ihm  dafür 
keine  ausreichende  Entschädigung  bieten  können.  Zar  Alexander,  der  bei 
aller  Vornehmheit  äußerst  ländergierig  war,  erklärte  sich  von  den  ihm 
gemachten  Bedingungen  nicht  befriedigt.  Er  hatte  bereits  Finnland  und 
die  südliche  Donaugrenze  erlangt,  aber  er  wollte  mehr:  Konstantinopel 
und  Polen.  Aber  auch  Napoleon  hatte  noch  immer  nicht  alle  Hoffnung  auf- 
gegeben, sich  in  Konstantinopel  krönen  zu  lassen  und  die  beiden  Kronen 
des  ost-  und  weströmischen  Reiches  auf  seinem  Haupte  zu  vereinen.  „Kon- 
stantinopel", sagte  er  wohl,  „bedeutet  die  Herrschaft  über  die  ganze  Welt!" 
Polen  aber  wollte  er  nicht  vollständig  im  Stiche  lassen,  nicht  etwa  aus 
Dankbarkeit,  war  ihm  doch  dieses  Gefühl  gänzlich  fremd,  wohl  aber,  weil 
die  polnischen  Legionen  die  kühnsten  und  widerstandsfähigsten  seines 
Heeres  waren.  So  bekam  denn  der  Zar  für  Konstantinbpel  und  Warschau 
nur  unbestimmte  Zusagen,  gewährte  aber  auch  dafür  seinem  furchtbaren 
Freunde  nur  ein  Scheinbündnis,  das  sich  als  der  reinste  Hohn  heraus- 
stellte, und  blieb,  obwohl  er  tatsächlich  seine  Unterstützung  versprochen 
hatte,  Gewehr  bei  Fuß,  ohne  sich  zu  führen,  in  einer  Zeit,  wo  Frankreich 
wieder  einmal  —  es  war  das  im  Verlaufe  von  zwölf  Jahren  nun  schon  das 
sechste  Mal!  —  gegen  Österreich  in  einem  diesmal  ihm  selbst  erklärten 
Kriege  kämpfen  mußte. 

Der  Feldzug  vom  Jahre  1809  wurde  zum  Schlüsse  durch  einen  Sieg 
der  Franzosen  entschieden :  den  schweren  Sieg  in  der  Schlacht  bei  Wagram 
(5.  und  6.  Juli  1809).  Zwar  sah  Wien  den  Kaiser  der  Franzosen  wieder, 
aber  um  den  Sieg,  den  Napoleon  endlich  davongetragen  hatte,  war  doch 
von  beiden  Seiten  so  heiß  gerungen  worden,  daß  der  Erfolg  dieses  Krieges 


Die  Herrschaft  der  Wissenschaft.  329 

einen  Augenblick  schwankend  schien.  _Er_kostete__Ströme  von  Blut,  und 
sfiine—Schlachten  wurden  immer  mörderischer.  Die  Österreicher  wendeten 
jetzt  unter  der  Leitung  eines  in  seinen  Fähigkeiten  Napoleon  ebenbürtigen 
Generals,  des  Erzherzogs  Karl,  dieselbe  Taktik  wie  ihr  Gegner  an.  Sie 
hatten  von  Napoleon  die  Kriegskunst  gelernt. 

Zu  Schönbrunn  bei  Wien  kam  der  Friede  zustande  (der  sogenannte 
Wiener  Friede,  14.  Oktober  1809).  Und  hier  zeigt  sich  wieder  einmal  so 
recht  die  ganze  alberne  Verworrenheit  der  Napoleonischen  Politik.  Na- 
poleon hatte  doch  bei  Beginn  des  Krieges  das  Bündnis  mit  Rußland  er- 
strebt, um  nun  jetzt  mit  einem  Male  dies  solange  verfolgte  Ziel  im  Stich 
zu  lassen  und  sich  statt  dessen  blindlings  und  unvermittelt  in  ein  Bündnis 
mit  Österreich  zu  stürzen. 

Aber  in  diesem  Falle  hätte  er  sich  doch  wenigstens  den  Kaiser  von 
Österreich  durch  ein  wenig  Großmut  verbinden  müssen.  Allein  die  Be- 
dingungen des  Friedens  sind  so  hart,  daß  es  eigenthch  unverständlich 
ist,  wie  Napoleon  von  einem  so  grausam  um  seinen  Besitz  gebrachten 
Fürsten  noch  ein  treues  Bündnis  hat  erwarten  können.  Österreich  muß 
die  Festungswerke  der  Stadt  Wien  schleifen,  Galizien  an  das  Großherzog- 
tum Polen  überlassen  und  Frankreich  die  Illyrischen  Provinzen  (Dal- 
matien  und  Kroatien)  und  seine  Länder  am  Adriatischen  Meer  (Graf- 
schaft Görz,  Triest  xmd  Istrien)  abtreten.  Zur  Entschädigung  für  seine 
Räubereien  ging  Napoleon  auf  seine  Vermählung  mit  der  Tochter  des 
Kaisers  von  Österreich,  Marie  Luise,  ein.  Es  war  das  ein  unbedeutendes 
und  zartes  junges  Mädchen  in  dem  jugendlichen  Alter  von  nur  zwanzig 
Jahren.  Auch  hierin  lag  eine  recht  empfindliche  Kränkung  für  den  Zaren 
Alexander,  der  daran  gedacht  hatte,  dem  Kaiser  der  Franzosen,  der  sich 
nach  einer  kinderlosen  Ehe  von  Josephine  Beauharnais  hatte  scheiden 
lassen,  seine  eigene  jüngere  Schwester  zur  Gemahlin  zu  geben  (April  1810). 

Aber  diese  zusammenhanglose  Zickzackpolitik  hatte "  gleichwohl  all- 
mählich die  Form  eines  rauschenden  und  unwiderstehlichen  Triumphes 
angenommen. 

England  schickte  allerdings  noch  immer  seine  siegreiche  Flotte  unstet 
von  einem  Meer  zum  andern;  Banden  von  Soldaten  und  Patrioten  hielten 
noch  immer  die  Straßen  imd  Gebirgshöhen  von  ganz  Spanien  be- 
setzt. Aber  das  gesamte  übrige  Europa  sah  dem  schweigend  zu,  in  einer 
von  Schrecken  imd  Bewundenmg  gemischten  Unterwürfigkeit.  Frankreich 
hatte  hundertzehn  Departements  und  achtzig  Milhonen  Untertanen.  Deutsch- 
land, die  Schweiz,,  Polen,  Italien  und  Holland  waren  nicht  viel  anderes 
als  französische  Provinzen,  die  die  drückendsten  Steuern  zahlen  und  ohne 


330  Siebentes  Buch. 


Unterlaß  dem  unersättlichen  Hunger  ihres  Herrn  neue  Soldaten  zuführen 
mußten  I  Nirgends  wagte  sich  auch  nur  ein  schüchterner  Widerspruch 
hervor.  Das  Geklirre  der  Sklavenkette  und  die  Stimme  des  Angebers 
waren  die  beiden  einzigen  Töne,  die  man  damals  noch  in  Europa  vernahm  1 
Österreich  gedemütigt  und  verbündet,  Preußen  ohnmächtig  und  gefügig 
imd  Rußland  nicht  viel  anders  I  Napoleon  schien  den  Gipfel  des  Ruhmes 
und  der  Macht  erreicht  zu  haben  und  auch  nichts  von  der  Zukunft  fürchten 
zu  brauchen  1 

Auch  hätte  sich  der  große  Kaiser,  wenn  er  nur  dne  Spur  seiner 
Vernunft  bewahrt  hätte,  noch  lange  auf  den  Höhen  der  Macht  halten 
können!  Vielleicht  hätte  er  dann  auch  den  Sohn,  der  ihm  soeben  ge- 
boren worden  war  (20.  März  181 1),  unter  seinen  Augen  in  den  Tuilerien 
heranwachsen  sehen,  ihn,  den  König  von  Rom,  den  Erben  der  Habsburger 
wie  der  Bonapartes*!  Statt  dessen  verdoppelt  er  Hoffart  und  Hochmut, 
als    ob    ein    böser    Geist    von    ihm    Besitz    ergriffen    hätte. 

Voller  eigensinniger  Launen  duldet  er  nicht  mehr  den  geringsten  Wider- 
spruch; wer  immer  ihm  einen  solchen  zu  leisten  versucht,  möge  es  sein, 
wer  es  wolle,  wird  in  demselben  Augenblick  zu  seinem  Feinde  und  als 
solcher  behandelt. 

Zunächst  ist  es  Papst  Pius  VH,,  der  Heihge  Vater,  dessen  Kirchen- 
staaten von  französischen  Truppen  besetzt  werden  und  der  als  Gefangener 
nach  Savona  abgeführt  wird  (5.  Juli  1809).  Verfügungen  unterwerfen 
die  Bischöfe  den  Präfekten,  um  sie  zu  ihren  Untergebenen  zu  machen.  Im 
Februar  18 10  wird  eine  sogenannte  gallikanische  Erklärimg  auf  Aller- 
höchsten Befehl  in  sämtlichen  Kirchen  des  Kaiserreiches  verlesen.  Zur  Ver- 
öffentlichung kommt  ein  Katechismus,  in  dem  der  Ungehorsam  gegen  die 
kaiserlichen  Gesetze  als  Todsünde  betrachtet  wird.  Der  Kaiser  hat  sogar 
die  sonderbare  Anmaßung,  zu  einer  Durchsicht  der  geltenden  päpstlichen 
Entscheidungen  ein  Konzil  nach  Paris  zu  berufen  (17.  Juni  181 1). 

Als  sein  Bruder,  der  König  Ludwig  von  Holland,  gewisse  Anwandlungen 
von  Unabhängigkeitsgelüsten  gezeigt  hat,  muß  er  abdanken  (i.  Juü  18 10), 
und  auch   Holland   wird   in   das   französische   Kaiserreich   aufgenommen. 

Als  weiter  sein  anderer  Bruder,  der  König  Joseph  von  Spanien,  sich 
einige  schüchterne  Bemerkungen  erlaubt  hat,  mit  denen  er  sich  über  die 
von  den  französischen  Offizieren  schriftlich  niedergelegten  Forderungen 
zu  beschweren  beabsichtigt,  antwortet  ihm  Napoleon  barsch  und  verfügt, 
daß    Spanien    fürderhin   in    Provinzen   aufzuteilen   sei,    deren   jede   einem 


*  Edmond  Rostand  hat  ihn  zum  Helden  seines  Dramas  Aiglon  (Adler)  gemacht. 


Die  Herrschaft  der  Wissenschaft.  33 1 

französischen  General  zu  unterstehen  habe,  der  keinem  anderen  als  allein 
dem  Kaiser  verantwortlich  sein  solle. 

Noch  ein  anderer  Bruder  Napoleons,  König  J6r6me  von  Westfalen, 
muß  es  ruhig  mitansehen,  wie  ein  Teil  seines  Königreiches  zugleich  mit  dem 
Großherzogtum  Berg  einfach  dem  französischen  Kaiserreich  einverleibt 
wird  (18.  Februar  181 1).  Auch  die  drei  deutschen  Hansastädte  werden 
einverleibt  unter  dem  nichtigen  Vorwande,  daß  sie  nicht  genug  Eifer  im 
Betriebe   der    Kontinentalsperre   entfalteten. 

Für  die  Einverleibung  war  eben  jeder  Vorwand  recht.  So  wurde  Etrurien 
gar  einverleibt,  weil  durch  seine  Wegnahme  angeblich  die  Gestalt  der 
italienischen  Halbinsel  an  Gleichmäßigkeit  gewönne. 

Seine  letzte,  noch  unverzeihlichere  Einverleibung  war  die  des  Groß- 
herzogtums Oldenburg  (18.  Februar  181 1).  Das  Gebiet  war  nicht  gerade 
umfänglich  und  die  Erwerbung  von  nicht  allzu  großem  Werte,  aber  es 
ergaben  sich  die  ernstesten  Folgen  daraus.  Der  Großherzog  von  Oldenburg 
hatte  nämlich  eine  Schwester  des  Zaren  Alexander  geheiratet,  und  nun 
betrachtete  der  Zar  diesen  Raub  als  eine  persönliche  Beleidigung. 

Auf  solche  Weise  erstrebte  Napoleon  ein  Bündnis  mit  Alexander,  ohne 
ihm  jedoch  irgendeins  von  den  erbetenen  Zugeständnissen  machen  zu 
wollen,  mochte  es  mm  das  Polen  oder  das  die  Kontinentalsperre  oder 
das  Konstantinopel  angehende  sein.  Und  da  wagte  er  es,  seinem  an  sich 
schon  in  so  befehlendem  Tone  gehaltenen  Verlangen  noch  derartige 
unnütze  Herausforderimgen  hinzuzufügen!  Er  hatte  nie  für  die  ritterliche 
und  schwärmerische  Veranlagung  Alexanders  Verständnis  gezeigt  und 
so  auch  nicht  erkannt,  daß  der  Zar  leichter  eine  Schädigung  seiner  Inter- 
essen als  eine  Beleidigung  seiner  Empfindlichkeit  verzeihen  würde. 

Aber,  wie  Napoleon  selbst  sagte,  der  Krieg  war  nun  einmal  sein  Element. 
So  nahm  er  denn  nun  auch  den  Kampf  mit  Rußland  freudig  und  ver- 
trauensvoll auf.  Er  war  als  Triumphator  in  Kairo,  Wien,  Berhn,  Mailand 
und  Madrid  eingezogen.  Da  wollte  er  es  auch  in  Moskau!  Noch  einmal 
mußte  er  die  Welt  in  Erstaunen  setzen! 

Alexanders  Politik  bewährte  sich  jetzt  als  eine  recht  geschickte.  Durch 
den  Frieden  von  Tilsit  war  ihm  vollkommen  freie  Hand  für  den  Versuch 
einer  Einnahme  Finnlands  geworden,  und  er  machte  von  dieser  Vollmacht 
ebenso  bedenkenlos  Gebrauch,  wie  sie  ihm  von  Napoleon  erteilt  worden  war. 

Aber  damit,  daß  Alexander  Herr  von  Finnland  wurde,  wurde  er  nicht 
etwa  zugleich  der  Feind  Schwedens.  Der  alte  und  kinderlose  König 
Karl  XIII.  von  Schweden  hatte  nämlich  beschlossen,  sich  einen  gesetz- 
mäßigen   Erben    und    Thronfolger    anzunehmen.     Ein    Reichstag    wurde 


332  Siebentes  Buch. 


berufen,  und  die  Wahl  fiel,  man  weiß  nicht  recht,  warum,  auf  einen  der 
Marschälle  Napoleons,  einen  tapferen  Soldaten,  reich  an  Verstand,  doch 
arm  an  Charakter,  Bernadotte,  der  als  Schwedens  König  nicht  nur  seine 
eigene  Zugehörigkeit  zu  Frankreich,  sondern  auch  die  Finnlands  zu 
Schweden  schnell  vergessen  und  sich,  anstatt  Finnland  zu  verteidigen, 
alsbald  mit  seinem  Eroberer,  dem  Zaren,  verbündet  hatte  (5.  April  181 2). 

I^ach  dem  Freundschaftsbündnis  mit  Schweden  sicherte  sich  Alexander 
nun  auch  ein  gleiches  mit  der  Türkei.  Es  geschah  dies  durch  den  Vertrag 
von  Bukarest  (18.  Juni  181 2).  Alle  Kräfte  des  russischen  Reiches  konnten 
sich  nun  gegen  den  einen  drohenden  Feind  wenden. 

Preußen  und  Österreich  sahen  diesem  riesenhaften  Ringen  untätig  in 
stillem    Entsetzen    zu. 

Es  war  eine  Völkerwanderung,  die  überall  Grauen  erregte.  Vor  dem 
Übergang  über  den  N Jemen  am  23.  Juni  hatte  sich  an  diesem  Flusse  ein 
Riesenheer  zusammengefunden  (sechshundertachtundsiebzigtausend  Mann, 
von  denen  dreihundertsechsundfünfzigtausend  Franzosen  und  dreihundert- 
zweiundzwanzigtausend  Verbündete  waren).  Wohl  noch  niemals  seit  Xerxes 
und  Attila  war  eine  derartige  Kriegsmacht  in  der  Hand  eines  einzigen 
Mannes  vereinigt  gewesen.  Das  war  wirklich  die  ^firoße  Armee''  I  Es 
wurden  in  ihr  alle  Sprachen  gesprochen:  Deutsch,  Italienisch,  Polnisch, 
Holländisch.  Aber  diese  ausländischen  Soldaten,  die  eine  unbarmherzige 
Ausschreibung  unter  die  französische  Fahne  schleppte,  waren  wenig  ge- 
schult, wenig  an  Manneszucht  gewöhnt,  dagegen  zu  Fahnenflucht  und 
Plünderung    geneigt. 

Die  besten  waren  noch  immer  die  Polen.  Doch,  sei  es,  um  nicht  unnütze 
Volkserregungen  hervorzurufen,  vor  denen  er  sogar  in  einem  Lande 
wie  Polen  ein  Grauen  empfand,  oder  vielleicht  auch,  um  sich  nicht  die 
Preußen  oder  auch  die  Österreicher  noch  mehr  zu  entfremden,  hatte 
Napoleon,  stets  unberechenbar,  wie  er  war,  nicht  den  Mut  gehabt,  das 
alte  Königreich  Polen  in  seinem  ungeschmälerten  ursprünglichen  Bestände 
wiederherzustellen  und  damit  der  polnischen  Vaterlandsliebe  ihre  ganze 
einstige  glühende  Leidenschaft  wiederzugeben.  Und  doch  wäre  ein  begei- 
stertes Polen,  das  er  bis  auf  den  letzten  Mann  gegen  den  alten  Erbfeind 
Rußland  ins  Feld  geschickt  hätte,  ein  ungemein  nützlicher  Bundesgenosse 
geworden  1  I 

Die  russischen  Truppen  übten  zunächst  die  Vorsicht,  sich  vor  dem 
Anmarsch  der  Feinde  zurückzuziehen,  ohne  ihrerseits  den  Kampf  heraus- 
zufordern. Die  Große  Armee  schwächte  sich  umgekehrt,  ohne  irgendeine 
Schlacht    zu    liefern,    durch    diesen    bloßen    Anmarsch,     In    den    wenigen 


Die  Herrschaft  der  Wissenschaft.  333 

Sommerwochen  vom  23.  Juni  bis  zum  14,  August,  d.  h.  vom  Übergang 
über  den  Njemen  bis  zur  Ankunft  vor  Smolensk,  waren  bereits  durch 
Seuchen,  Krankheiten,  Fahnenfluchtversuche,  unbedeutendere  Vorhut- 
gefechte   hundertfünfzigtausend    Menschen    dahingerafft    worden. 

Bei  Smolensk  wäre  es  noch  Zeit  gewesen,  einzuhalten,  ehe  man  sich 
in  die  Tiefen  des  weiten  Reiches  verlor.  Aber  einhalten,  das  hieß  ja  auf 
den  Sieg  verzichten,  und  Napoleon  glaubte  trotz  allem  zuverlässig  an 
den  Sieg.    So  marschierte  er  weiter  auf  Moskau  zu. 

Am  7.  September  stießen  das  russische  und  das  französische  Heer  an 
der  Moskwa  aufeinander.  Die  Schlacht  war  wahnsinnig  erbittert,  eines 
der  blutigsten  unter  den  damaligen  an  Menschenschlächtereien  so  reichen 
Kriegsdramen.  Es  blieben  Napoleon  noch  nicht  hunderttausend  Mann. 
Dieser  furchtbare  Verlust  bildete  den  Wucherpreis  in  des  Wortes  ver- 
wegenster Bedeutung,  um  den  Napoleon  seinen  alten  phantastischen  Traum 
verwirklichen  und.  seinen  Einzug  in  die  Mauern  Moskaus  halten  konnte 
(14.    September). 

Aber  Moskau  zeigte  nicht  die  Knechtseligkeit  von  Berlin  und  Wien. 
Die  Bewohner  hatten  ihre  Häuser  verlassen,  die  Armen  ihre  Hütten  und 
die  Vornehmen  ihre  Schlösser.  Der  heldenmütige  Gouverneur  der  Stadt 
Rostoptschin  hatte  angeordnet,  sie  in  Brand  zu  stecken,  und  er  selbst  legte 
das  erste  Feuer  an  seinen  eigenen  Palast  an. 

Es  war  kaum  ein  paar  Stunden  seit  Napoleons  Einquartierung,  da 
schlugen  schon  die  Flammen  über  den  Dächern  zusammen  und  zerstörten 
die  unermeßlichen  Lebensmittel  Vorräte ;  der  Sieger  fand  sein  Grab  in 
seinem   eigenen   Siege. 

"Zwar  tiätte  TJapoleon  auch  bisher  schon  mancherlei  Fehler  begangen, 
doch  noch  niemals  bis  zu  diesem  Tage  hatten  sie  auf  militärischem  Gebiete 
gelegen.  Von  jetzt  ab  aber  sollten,,  als  ob  sich  mit  einem  Male  sein  Genie 
zu  erschöpfen  anfinge,  auch  noch  die  strategischen  Verstöße  zu  seinen 
staatsmännischen  Fehlern  und  Sünden  hinzukommen.  Am  15.  September 
181 2  war  er  vor  die  Entscheidimg  gestellt:  entweder  den  ganzen  Winter 
über  in  Moskau  zu  bleiben  oder  im  AugenbHck  den  Rückzug  anzutreten. 
Aber  er  schwankte  zwischen  den  beiden  Entschlüssen  hin  und  her,  um 
schließlich  die  Entscheidung  doch  wieder  hinauszuschieben.  Erst  am 
19.  Oktober  entschloß  er  sich,  nachdem  er  in  den  Zwischentagen  die  un- 
sinnigsten Pläne  in  seiner  Seele  hin  und  her  erwogen  hatte,  schweren 
Herzens  dazu,  seine  Eroberung  preiszugeben  und  auf  demselben  Wege, 
auf  dem  er  hergekommen  war,  zurückzukehren.  So  hatte  er  einen  Monat 
in   Untätigkeit   verloren,   und   nun   war   es   selbst   für  die   Flucht  zu   spät. 


334  Siebentes  Buch. 


Am  19.  Oktober  verließ  die  auf  noch  nicht  hunderttausend,  vielfach 
nur  halbtaugliche  Krieger  herabgesunkene,  einst  so  stolze  Große  Armee 
Moskau,  unter  Zurücklassung  ihrer  Kranken  und  Verwundeten.  Vor  sich 
ein  russisches  Heer,  das  im  Notfalle  stets  zu  entschwinden  wußte,  um 
gleich  hinterher  immer  wieder  aufzutauchen  und  die  auf  dem  Rückzug 
Befindlichen  dauernd  zu  beunruhigen,  vor  sich  die  unendliche  Schneefläche, 
die  ein  vorzeitiger  und  entsetzlicher  Winter  für  den  Verkehr  geradezu 
unmöglich    machte  I 

Der  Rückzug  der  Großen  Armee  ist  eines  jener  furchtbaren  Welt- 
gerichte, die  man  der  heranwachsenden  Jugend  erzählen  und  immer  wieder 
erzählen  sollte,  um  ihr  einen  unauslöschlichen  Haß  gegen  Krieg  und  länder- 
gierige Eroberer  jedesmal  tiefer  in  die  Seele  zu  pflanzen! 

Keine  Lebensmittel,  keine  Pferde  mehrl  Eine  schreckliche  Kälte  und 
kein  Schutzdach !  Die  Wege  sind  mit  Leichen  und  Trümmern  bezeichnet ! 
Und  in  all  diesem  Hunger  und  dieser  Not  gilt  es,  sich  noch  gegen  die 
Kosaken  Kutusows  zu  verteidigen.  Von  den  hunderttausend  Mann,  die 
aus  Moskau  aufgebrochen  waren,  kamen  nicht  mehr  als  fünfzigtausend 
auch  nur  bis  Smolensk,  wo  sie  wieder  nichts  fanden.  Dann  ging  die  Tem- 
peratur noch  weiter  herunter.  An  zehntausend  erlagen  den  furchtbaren 
Strapazen,  und  beim  Übergang  über  die  Beresina  fanden  zwanzigtausend 
als  Opfer  des  Frostes  oder  der  feindlichen  Kugeln  ihr  Grab  (26. — 29.  No- 
vember). 

Als  am  12.  Dezember  die  letzten  kläglichen  Reste  der  einstigen  Großen 
Armee  wieder  über  den  Njemen  zurückkehrten,  waren  es  nur  noch  einige 
wenige  spärliche  Trümmer:  achtzehntausend  abgemagerte,  blutleere 
Schatten,  die  sich  stieren  Blickes  mit  Mühe  dahinschleppten  und  nur  dazu 
da  zu  sein  schienen,  um  den  entsetzlichen  Zusammenbruch  in  einer  Gestalt 
zur  Anschauung  zu  bringen,  die  so  grauenhaft  wirkte,  wie  es  selbst  der 
Tod  nicht  vermag! 

Aber  Napoleon  war  nicht  mehr  bei  ihnen.  Er  hatte  sie,  wie  ihm  das 
so  recht  ähnlich  sah,  schnöde  im  Stich  gelassen  und  sich  für  sich  allein 
in  raschem  Schlitten  auf  die  Heimreise  nach  Paris  gemacht,  um  einen  neuen 
Feldzug  vorzubereiten  (5.  Dezember  1812).  „Die  Gesundheit  Sr.  Majestät 
sei  niemals  besser  gewesen",  so  hieß  es  am  Schluß  des  berühmten  Bulletins 
vom  3.  Dezember,  in  dem  ihm  nichts  übrig  geblieben  war,  als  den  völligen 
Untergang  seiner  Großen  Armee  mehr  oder  weniger  gewunden  eingestehen 
zu  müssen.  Doch  auch  dieses  Unglück  war  noch  nicht  imstande,  Napoleons 
unerschöpfliche  Tatkraft  irgendwie  zu  lähmen  und  ihn  mürbe  oder  müde 
werden    zu    lassen. 


Die  Herrschaft  der  Wissenschaft.  336 

Aber  das  französische  Volk  fing  jetzt  ganz  langsam  und  unmerklich  an, 
dieser  verhängnisvollen  Ruhmesherrlichkeit  müde  zu  werden.  Doch  zunächst 
stimmte  noch  der  Senat  für  alles  nur  Erdenkliche,  was  immer  der 
Herr  und  Gebieter  verlangen  konnte,  ob  es  sich  nun  um  neue  Rekruten  oder 
um  neue  Steuererhebungen  handeln  mochte.  Da  alle  nur  einigermaßen 
tauglichen  Männer  ins  Heer  getreten  waren^  lagen  die  Felder  brach  und  die 
Fluren  verödet.  Nur  auf  diese  Weise  wurde  es  ermöglicht,  ein  neues  Heer 
von  fünfhunderttausend  Mann  auszuheben,  die  allerdings  zum  größten 
Teil  fast  noch  im  Kindesalter  standen  1  In  alten  Zeiten  wurden  zu 
Karthago  in  den  Tagen  großer  Heimsuchungen  eben  erst  neu  Geborene 
in  den  Rachen  eines  gewaltigen  bronzenen  Molochs  geworfen,  der  von  der 
in  ihm  entfachten  Ofenhitze  rot  glühte,  Frankreich  hat  in  jenen  Tagen 
diesen  Opferdienst  erneuert  und  die  eigenen  Kinder  dem  von  ihm  ver- 
ehrten Gotte  Napoleon  zum  Schlachtopfer  gebracht. 

Es  war  die  Zeit,  wo  sich  Deutschland  wieder  zu  erheben  begann.  Die 
bis  dahin  stets  so  gehorsamen  Preußen  wurden  jetzt  mit  einem  Male  von 
einem  kriegerischen  Feuer  ergriffen,  das  durch  die  nunmehrige  große 
Niederlage  des  Unterdrückers  nur  noch  stärker  angefacht  wurde.  Die 
deutsche  Jugend,  in  der  ein  bisher  an  ihr  unbekanntes  vaterländisches 
Gefühl  erwacht  war,  ließ  herzerhebende  Kriegsgesänge,  die  aus  der  Feder 
zeitgenössischer  Dichter,  wie  eines  Theodor  Körner,  flössen,  ertönen  und 
griff  überall  zum  Schwerte.  Die  große  Flamme  nationaler  Begeisterung, 
die  das  Jahr  1793  in  Frankreich  entzündet  hatte,  verzehrte  heute  Deutsch- 
land in  Feindschaft  gegen  Frankreich.  Auch  der  König  von  Preußen 
mußte  der  öffentlichen  Meinung  nachgeben  und  ein  Bündnis  mit  Ruß- 
land schließen. 

Auf  der  Pyrenäenhalbinsel  hatten  nach  einigen  in  die  Augen  springenden 
Erfolgen  die  französischen  Truppen  langsam  vor  Wellington  und  den 
Spaniern  zurückweichen  müssen.  Massena,  Soult  und  Suchet  hatten  durch 
ihre  Zwiespältigkeiten  dem  vereinigten  Heere  der  Engländer  und  Spanier 
den  Sieg  außerordentlich  erleichtert.  Im  Jahre  181 1  war  Massena  aus 
Portugal,  im  Jahre  181 2  Soult  aus  Andalusien  und  schließUch  im  März 
1813  nun  auch  noch  der  klägliche  König  Joseph  aus  Madrid  abgezogen. 
Dieser  versuchte  mit  den  ihm  übriggebliebenen  Truppen  nach  Frankreich 
zurückzugelangen.  Aber  noch  auf  dem  Rückzuge  befindlich  wurde  er  bei 
Vittoria  geschlagen  (21.  Juni  1813).  Über  die  Bidassoa*  zurückgedrängt, 
mußte  nun  auch  noch  das  Heer  der  Franzosen  zum  größten  Teile  das  Land 


*   Bekannt   als   Grenzflüßchen   zwischen   Spanien   und   Frankreich. 


336  Siebentes  Buch. 


räumen;  Spanien  war  für  Frankreich  ein  für  allemal  verloren,  ja  es  ging 
sogar  noch  zum  Angriff  gegen  den  in  Spanien  verbliebenen  Rest  der  fran- 
zösischen Truppen  über. 

Nun  blieb  immer  noch  Österreich,  das  Napoleon  sich  durch  seine  neue 
Eheschließung  zum  Verbündeten  hatte  gewinnen  wollen.  Aber  der  eigent- 
liche Herrscher  von  Österreich  war  damals  gar  nicht  der  Kaiser,  sondern  der 
leitende  Minister  Fürst  von  Metternich,  ein  der  französischen  Macht  sehr 
feindlich  gesinnter,  ebenso  schamloser  wie  befähigter  Diplomat.  Trotz  dieser 
Feindseligkeit  machte  dieser  Staatsmann  gleichwohl  einen  ganz  ehrlichen 
Versuch,  mit  dem  erlauchten  Schwiegersohne  seines  Herrschers  ein  paar  ver- 
nünftige Worte  zu  sprechen.  Es  war  das  zu  Dresden,  wo  er  Napoleon  eine 
Vermittlung  Österreichs  zwischen  seinen  Verbündeten  und  Frankreich  vor- 
schlug; freilich  verlangte  er  dafür  zum  Entgelt  die  Räumung  Hollands, 
der  Schweiz,  Italiens  und  Deutschlands,  doch  so,  daß  Frankreich  seine 
bisherigen    Rheingrenzen    behalten    sollte. 

Damals  hat  Napoleon  seinen  letzten  und  schwersten  Fehler  begangen, 
mit  dem  sich  keiner  seiner  zahllosen  früheren  auch  nur  im  entferntesten 
vergleichen  läßt.  Er  wies  Metternichs  Vorschläge  ab,  hatte  er  doch  noch 
eben  zwei  Schlachten  gewonnen,  die  eine  bei  dem  südlich  von  dem  durch 
den  Sieg  und  Tod  Gustav  Adolfs  denkwürdigen  Städtchen  Lützen  ge- 
legenen Dorfe  Großgörschen  *  (2.  Mai  1813),  die  andere  bei  Bautzen 
(20.  und  21.  Mai  1813).^  Wie  ein  Spieler,  der  immer  wieder  einen  letzten 
Einsatz  wagt,  um  die  bisherigen  hohen  Verluste  wieder  auszugleichen,  so  gab 
auch  er  sich  immer  wieder  den  tollsten  Selbsttäuschungen  über  die  Wahr- 
scheinlichkeit, doch  noch  zu  gewinnen,  hin.  Trotz  aller  schwerer  Heim- 
suchungen hatte  er  noch  nicht  den  Teufel  des  Hochmuts  aufgegeben.  Er 
j  schien  offenbar  zu  vergessen,  daß  bereits  eine  Million  seiner  besten  Soldaten 
'  dahingegangen  seien,  daß  unter  seinen  Generalen  der  ihm  so  nahe  stehende 
Murat,  der  beinahe  so  käuflich  wie  stumpfsinnig  war,  vielleicht  schon  auf 
Abfall  sinne,  daß  Bernadotte  anstatt  der  französischen  Heere  vielmehr  die 
feindlichen  befehlige,  daß  Desaix,  Kleber,  Lannes,  Veyssieres,  Rapp,  Gudin, 
Duroc  nun  auch  schon  alle  dahin  seien,  und  vor  allem,  daß  er  in  diesem 
furchtbarsten  aller  seiner  Kämpfe,  den  er  gegen  die  gewaltigste  Koahtion 
zu  bestehen  haben  sollte,  die  ihm  bisher  jemals  gegenübergetreten  war, 
einesteils  nur   über   ausländische  Truppen   verfüge,   die  jeden   Augenblick 


*   Von   den   Franzosen   wird   auch    diese    Schlacht,    nicht   anders   als    die    große 
Schlacht   des   Dreißigjährigen  Krieges,   „Schlacht   bei   Lützen"   genannt. 


Die  Herrschaft  der  Wissenschaft.  33^ 


zum  Verrate  bereit  seien,  und  andernteils  von  französischen  Truppen  aus- 
schließlich über  solche,  die  allein  aus  milchbärtigen  Rekruten  beständen. 

Und  doch  erfolgte  schon  so  bald  das  entscheidende  Ereignis :  die  blutige, 
volle  drei  Tage  währende  Völkerschlacht  bei  Leipzig,  die  mit  einem  end- 
gültigen Sieg  über  den  Korsen  schloß  (16.,  18.  und  19.  Oktober  181 3), 
und  in  der  hundertdreißigtausend  Mann  fielen.  Die  Schlachten  werden 
immer  wilder  und  die  Kriegsfurie  immer  wütender. 

Unter  dem  Geschützdonner  von  Leipzig  stürzte  das  Riesengebäude, 
das  Napoleon  mit  so  vielen  Opfern  aufgebaut  hatte,  überall  in  Trümmer 
zusammen. 

Nach  Süden  waren  die  Engländer  unter  Wellington  bis  nach  Frankreich 
vorgedrungen  und  mit  der  Belagerung  von  Bayonne  beschäftigt  (November 
1813).  Im  Norden  waren  sie  in  Holland  eingerückt,  um*  hier  eine  vorläufige 
Statthalterschaft  einzuführen. 

Ganz  Italien  war  in  Aufruhr.  Prinz  Eugen  hatte  nur  ein  kleines  Heer, 
mit  dem  er  dem  vereinigten  Ansturm  der  von  Norden  vorrückenden 
Österreicher,  der  über  Venedig  kommenden  Engländer  und  des  von  Süden 
vorrückenden  Murat,  der  den  Verbündeten  das  neapolitanische  Heer  zu 
Hilfe  zuführte,  zu  begegnen  hatte.  Der  Rheinbund  aber  löste  sich  als 
solcher  auf,  um  sich  mit  seinen  einzelnen  Staaten  der  deutschen  Gesamtheit 
anzuschließen.  Die  Sachsen  waren  bereits  in  Leipzig  während  des  Verlaufs 
der  Schlacht  zu  den  Verbündeten  übergetreten;  auch  die  Bayern,  Württem- 
berger und  Hessen  schlössen  sich  der  deutschen  Volksgemeinschaft  an;  das 
bis  dahin  zerstückelte  und  gespaltene  Deutschland  begann  jetzt  ein  einheit- 
liches Volk  werden  zu  wollen.  Der  leichtsinnige  König  Jerome  von  West- 
falen, Napoleons  jüngster  Bruder,  mußte  seine  in  den  Aufstand  getretenen 
Staaten  als  Flüchtling  verlassen,  und  Österreich  verband  die  eigene  Sache 
rückhaltlos   mit    der    der    übrigen    Fürsten. 

Es  blieb  Napoleon  nun  nur  noch  Frankreich,  jenes  arm'e  Frankreich,  das 
er  selbst  zugrunde  gerichtet,  durch  Schrecken  regiert  und  zur  Ader 
gelassen  hatte. 

In  Frankfurt  zum  Staatsrat  versammelt,  richteten  die  Verbündeten 
an  Napoleon  neue  Friedensvorschläge,  die  im  wesentlichen  mit  den  bereits 
in  Dresden  gemachten  übereinstimmten  (25.  November  1813).  Daß  sie 
aufrichtig  waren,  verschlug  ebensowenig  wie  damals;  Napoleon  wies  sie 
auch  diesmal  zurück  oder  verhielt  sich  zum  mindesten  abwartend.  Als 
erst  nach  Verstreichung  einer  Reihe  von  Tagen  des  Kaisers  Antwort  ein- 
lief, erklärte  Metternich,  daß  es  nun  zu  spät  sei,  und  die  Koalition  gab  die 
Erklärung  ab:  „Frankreich  den  Frieden  und  Napoleon  den  Krieg!" 


338  Siebentes  Buch. 


Nun  aber  konnte  ein  Krieg  mit  Napoleon  unmöglich  etwas  anderes  als 
den  Einmarsch  in  Frankreich  bedeuten,  einen  Einmarsch,  der  natürlich 
von  der  grausamsten  Erbitterung  begleitet  war,  konnten  doch  jetzt  endlich 
diese  Preußen,  Österreicher  und  Russen  mit  dem  Betreten  des  französischen 
Bodens  für  all  die  furchtbaren  Nöte,  Demütigungen  und  Schrecken,  die 
sie  nun  schon  ganze  zehn  Jahre  lang  hatten  erdulden  müssen,  ihre  Rache 
nehmen  1  Ja,  Haß  muß  immer  wieder  Haß,  und  Blut  immer  wieder  Blut 
heraufbeschwören!  Die  Franzosen  konnten  sich  jetzt  bei  Napoleon  be- 
danken, wenn  sie  nun  auch  ihrerseits  erfahren  mußten,  wie  schwer  jene 
Massenaufgebote  von  Truppen,  Einäscherungen  von  Dörfern,  Plünderungs- 
züge von  Reitern  und  gesetzwidrige  Strafvollstreckungen  vollgetrunkener 
Soldatenschinder  auf  den  Völkern  lasten  mochten !  Bei  solchen  Einmärschen 
stellt  sich  die  angebliche  Schönheit  des  Krieges  in  einem  recht  traurigen 
Lichte   darl  1 

Dem  ihn  von  allen  Seiten  umstellenden  Feinde  die  Stirne  bieten  zu 
können,  einem  Bernadotte  im  Norden,  einem  Blücher  in  der  Champagne, 
einem  Schwarzenberg  in  Burgund,  hatte  Napoleon  ein  Heer  von  nur  fünfzig- 
tausend Mann,  und  dabei  waren  die  Rüstkammern  leer,  und  es  entzogen 
sich  von  den  Ausgeschriebenen  mehr  als  sich  stellten!  Bei  dieser  allge- 
meinen Müdigkeit  wagte  nun  auch  die  gesetzgebende  Körperschaft,  die 
bisher  nichts  als  elendeste  Knechtseligkeit  gezeigt  hatte,  angesichts  der 
französischen  Niederlagen  endlich  wieder  einmal  einigen  Unabhängigkeits- 
sinn zu  betätigen. 

Aber  Napoleon  flößte  den  Verbündeten  noch  immer  so  viel  Schrecken 
ein,  daß  sie  nun  abermals  Friedensvorschläge  machten  (Friedenskongreß 
zu  Chätillon  4.  Februar  bis  19.  März  18 14).  Sie  waren  jetzt  allerdings 
schon  anspruchsvoller  als  in  Frankfurt  und  verlangten  Frankreichs  Be- 
schränkung auf  die  Grenzen  von  1792.  Der  Friedenskongreß  konnte  seiner 
ganzen  Natur  nach  nur  eine  gewisse  Komödie  sein;  denn  es  unterlag  ja 
wohl  von  vornherein  kaum  einem  Zweifel,  daß  sich  die  Verbündeten  doch 
einmal  entschließen  müßten,  mit  jenem  abenteuerlichen  Krieger,  der  sie 
auch  nun  schon  wieder  wie  die  ganzen  Jahre  so  hart  mitgenommen 
hatte,  noch  eine  letzte  gründliche  Abrechnung  zu  halten.  So  befreite  sie 
Napoleon  nur  aus  einer  gewissen  Verlegenheit,  als  er  die  Vorschläge  von 
Chätillon  zurückwies. 

Napoleon  glaubte  noch  immer  an  seinen  Stern  und  sein  Genie.  „Ich 
bin  Wien  näher,"  sprach  er,  „als  sie  Paris  sind!",  und  in  der  Tat  gelang  es 
ihm,  durch  außerordentliche  Kühnheit  und  Wunder  der  Feldherrnkunst 
mit  seinem  so  kleinen  Heere  einige  blutige,  aber  glänzende  Siege  davon- 


Die  Herrschaft  der  Wissenschaft.  339 

zutragen,  indem  er  sich  bald  auf  Blücher,  bald  auf  Schwarzenberg  warf, 
um  es  schließlich,  durch  die  Übermacht  erdrückt,  doch  nicht  verhindern 
zu  können,  daß  die  Verbündeten  Paris  einschlössen  (28.  März  181 4). 

Paris  war  damals  eine  offene  Stadt,  aber  gleichwohl  verteidigte  sie 
sich.  Es  fand  eine  richtige,  höchst  blutige  Schlacht  statt.  Die  National- 
gardisten (Bürgerwehrmänner),  ja  die  Arbeiter  verbanden  sich  mit  den 
zehntausend  Soldaten  von  Marmont,  und  nun  leisteten  sie  einen  ganzen 
Tag  lang  (30.  März)  den  hunderttausend  Mann  des  verbündeten  Heeres 
Widerstand.  Am  31.  März  hielten  der  König  von  Preußen  und  der  Zar 
ihren  Einzug   in   Paris. 

Der  Despotismus  des  Kaisers  hatte  auch  bei  den  eigenen  Landeskindern 
einen  solchen  Berg  von  Jammer  erregt,  daß  der  Schluß  dieses  leider  nur 
allzu  langen  Trauerspiels  von  der  ungeheuren  Mehrheit  der  Pariser  Be- 
völkerung mit  dem  Gefühle  tiefer  Erleichterung  aufgenommen  wurde. 
Die  Royalisten  wurden  von  Talleyrand  unterstützt,  der  bisher  der  Minister 
Napoleons  gewesen  war  und  ihn  jetzt  selbst  verriet,  wie  er  jdnst  die 
Republik  verraten  hatte,  doch  so,  daß  der  so  schlaue,  in  allen  Ränken  er- 
fahrene Staatsmann  es  mit  einer  wahren  Meisterschaft  verstand,  den  Namen 
der  Bourbonen  zu  verschweigen.  Doch  zunächst  wünschte  der  Zar  die 
Abdankung  Napoleons  mit  der  Regentschaft  des  Königs  von  Rom.  Bis 
zur  festen  Entschlußfassung  wurde  nun  mal  erst  Napoleons  Abdankimg 
abgewartet.  Für  jeden  Fall  sprach  der  Senat  und  die  gesetzgebende  Körper- 
Schaft  ohne  weitere  Erörterung  seine  Absetzung  aus  und  verkündete  eine 
vorläufige   Regierung. 

Napoleon  hatte  noch  immer  ein  Heer  von  sechzigtausend  Mann  in 
der  nächsten  Nähe  von  Paris,  zu  Fontainebleau.  In  seiijer  Selbstverblen- 
dung wollte  er  die  Wirklichkeit  nicht  sehen,  die  ihn  in  ihre  eisernen  Fesseln 
schloß,  und  sprach  er  noch  immer  von  weiteren  Menschenopfern  und  der 
Fortsetzung  eines  doch  nur  unfruchtbaren  Kampfes  gegen  die  vierhundert- 
tausend Mann  des  Koalitionsheeres.  Ihm  fehlte  völlig  die  Fassungskraft 
für  seine  Ohnmacht.  Doch  die  Marschälle  seiner  Umgebung,  die  allmähHch 
des  Krieges  müde  geworden  waren,  wie  Ney,  Berthier,  Oudinot,  Macdonald, 
Lefevre,  beschworen  ihn,  nachzugeben.  Lange  widerstand  er.  Aber  in  der 
Erkenntnis,  daß  er  jetzt  doch  ganz  allein  stünde,  entschloß  er  sich  zuletzt 
gleichwohl  zur  Abdankung  (11.  April  181 4),  und  zwar  zugunsten  seines 
Sohnes,  des  Königs  von  Rom,  die  aber  die  Verbündeten  in  dieser  Gestalt 
nun  nicht  mehr  annahmen.  Sie  kamen  vielmehr  überein,  die  Bourbonen 
zurückzurufen  und  Napoleon  nach  der  Insel  Elba  zu  schicken,  über  die  er 
jetzt   die    Oberherrlichkeit   mit    dem   höhnischen   Titel    eines    Fürsten   von 


34o  Siebentes  Buch. 


Elba  erhielt,   damit   er  gewissermaßen  nicht  um  alle   Fürstenherrlichkeit 
gekommen  -sei. 

Am  20.  April  181 4  nahm  der  Kaiser  von  seinem  Heere  im  Schloßhofe 
zu  Fontainebleau  Abschied.  Während  der  schmerzlichen  Reise,  zu  der  er 
sich  nun  anschickte,  um  sich  in  sein  neues  Fürstentum  zu  begeben,  hatten 
die  ihn  begleitenden  Offiziere  der  fremden  Mächte  die  größte  Mühe,  ihn 
vor  den  feigsten  Wutausbrüchen  des  französischen  Pöbels  zu  schützen, 
und  es  gibt  vielleicht  für  die  Vergänglichkeit  alles  Irdischen  kein  furcht- 
bareres Sinnbild,  als  den  traurigen  Anblick  des  einst  so  vergötterten  Na- 
poleon, der  sich  jetzt  in  seinem  eigenen  Lande  unter  den  Federbusch  eines 
österreichischen  Offiziers  flüchten  muß. 


Die  verbündeten  Monarchen  verabscheuten  zwar  auch  Napoleon,  doch 
noch  weit  mehr  die  Republik.  In  dem  Augenblick  aber,  wo  sie  weder 
von  Napoleon  noch  von  der  Republik  etwas  wissen  wollten,  bestand  die 
einzig  mögliche  Lösung  in  der  Rückberufung  der  Bourbonen.  Gewiß,  diese 
Dynastie  wurzelte  wahrlich  nicht  tief  in  den  Herzen  des  französischen 
Volkes  und  genoß  wirklich  nicht  dessen  besondere  Zuneigung.  Aber 
andererseits  ist  noch  jede  neue  Regierung,  zum  mindesten  für  die  ersten 
Tage,  einiger  Volkstümlichkeit  sicher  gewesen.  Es  war  ein  Bruder  Lud- 
wigs XVI.,  der  Graf  der  Provence,  der  jetzt  auf  Grund  des  den  verbündeten 
Herrschern  und  nun  auch  Talleyrand,  dem  durchtriebenen  Anstifter  aller 
dieser  Ränke,  so  teuren  Prinzips  der  erblichen  Monarchie  auf  den  Thron 
berufen  wurde.  Mit  einer  den  Tatsachen  widersprechenden  willkürlichen 
Annahme,  .als  ob  das  nur  zehn  Jahre  alt  gewordene,  in  der  Gefängniszelle 
des  Pariser  Tempelturmes  elend  zugrunde  gegangene  unglückliche  Söhnlein 
Ludwigs  XVI.  unter  dem  Namen  eines  Ludwig  XVII.  wirkhch  regiert  hätte, 
nahm    der    neue    König    den    Namen    Ludwig    XVIII.    an. 

Ludwig  entbehrte  jedweden  Glanzes,  wie  ihn  andere  Könige  um  sich 
verbreiten  können.  In  seiner  kleinen  Gestalt,  seiner  Wohlbeleibtheit, 
seiner  Gicht,  seiner  gutmütigen  Art,  mit  den  Leuten  zu  verkehren,  sah  er 
gar  nicht  nach  einem  Militär  oder  König  aus.  Aber  er  hatte  Geist,  Würde 
und  Urteil  und  zeigte  mehr  Verständnis  für  die  politische  Auffassungs- 
weise, wie  sie  bei  den  Franzosen  im  Jahre  181 4  herrschte,  als  jene  adligen 
Emigranten,    die    seinen    Hofstaat    bildeten. 

In  jener  kurzen  Frist  (26.  April  1814  bis  19.  März  1815)  von  nicht  ganz 
einei^  Jahre,  die  von  der  ersten  Wiederherstellung  der  Königsherrschaft 
bis  zu  dem  Anbruch  der  Herrschaft  der  Hundert  Tage  verstrich,  bekam 


Die  Herrschaft  der  Wissenschaft.  341 

er  es  bei  aller  seiner  Umsicht  gleichwohl  fertig,  sich  nach  Abschluß 
des  Friedens  (sogen.  Erster  Pariser  Friede)  allmählich  so  ziemlich 
bei  allen  Parteien  gleich  mißliebig  zu  machen.  Als  ihm  nichts  übrig 
blieb,  als  die  parlamentarische  Regierungsform  zu  bewilligen,  reizte 
er  die  strengen  Royalisten;  als  er  aber  behauptete,  daß  die  Verfassungs- 
urkunde (Charte  constitutionnelle)  dem  Volke  aufgezwungen  worden  sei^ 
reizte  er  hinwiederum  die  Liberalen.  Die  gleichzeitig  mit  ihm  und,  wie  er, 
in  Packwagen  über  die  Grenze  heimgekehrten  adligen  Emigranten  ver- 
langten die  Zurückerstattung  ihrer  inzwischen  Nationaleigentum  gewordenen 
großen  Besitzungen,  was  einem  allgemeinen  wirtschaftlichen  Zusammen- 
bruch gleichgekommen  wäre*.  Auch  das  Heer  stand  feindselig  beiseite;  die 
auf  halbe  Löhnung  gesetzten  Offiziere  murrten;  die  Soldaten,  die  ge- 
zwungen wurden,  die  weiße  Kokarde  der  Bourbonen  aufzustecken,  ver- 
bargen die  dreifarbige  des  Revolutions-  und  napoleonischen  Zeitalters, 
die  sie  bisher  getragen  hatten,  liebevoll  in  ihrer  Patronentasche  als  ein 
teures  Erinnerungszeichen  an  jene  Zeit,  in  der  sich  Jammer  und  Ruhm 
so  innig  mischten,  und  auf  die  sie  ein  gewisses  Recht  hatten,  stolz  zu  sein. 

Während  noch  die  verbündeten  Monarchen  auf  dem  Wiener  Kongreß 
(i.  November  181 4  bis  9.  Juli  181 5)  die  Napoleon  abgenommene  Sieges- 
beute untereinander  verteilten,  erfuhren  sie  mit  Entsetzen,  daß  der  Kaiser, 
vor  dem  man  in  seiner  Abgeschlossenheit  von  aller  Welt  auf  der  Insel 
Elba  für  ewige  Zeiten  gesichert  zu  sein  hoffte,  sich  heimlich  davongemacht 
und  nach  Frankreich  zurückgekehrt  sei. 

Am  I.  März  181 5  landete  er  an  der  französischen  Südküste,  am  Golfe 
de  Juan,  zwischen  Cannes  und  Antibes.  Er  hatte  zweihundert  Getreue 
von  seiner  alten  Garde  bei  sich,  die  ihm  zu  seiner  Gesellschaft  auf  die 
Insel  Elba  mitzunehmen  erlaubt  worden  war. 

Einen  Augenblick  hoffte  die  Regierung  Ludwigs  XVIII.,  den  frechen 
Usurpator  durch  Entgegenstellung  von  Streitkräften  zurückzuhalten;  aber 
sobald  die  sich  nunmehr  Königliche  nennenden  Truppen  auf  einmal  Na- 
poleons ansichtig  werden,  stimmen  sie,  wie  von  ihres  alten  Feldherrn 
Anblick  gebannt,  den  Ruf  an:  „Es  lebe  der  Kaiser I"  und  verstärken  seine 
kleine  Schar,  anstatt  sie  ihrem  Befehle  gemäß  zu  bekämpfen.  Umsonst 
rufen  Ney,  Mass6na,  Macdonald,  Soult,  Jourdan  ihre  dem  König  ge- 
schworene Treue  an,  die  an  der  jedes  Bedenken  überwindenden  allgemeinen 
Begeisterung,  die  auch  sie  mit  fortreißt,  zuschanden  wird.  Napoleons 
Vormarsch  ist  unwiderstehlich.    Er  triumphiert  überall,  und  diesmal  zuerst, 


*  Anm.  des  Herausgebers.   Sandeau  behandelt  das  in  seinem  berühmten  Lustspiel 
Mademoiselle  de  la  Seigliere. 
4  Riebet,  Geschichte  der  Menschheit,  II 


342  Siebentes  Buch. 


ohne  Ströme  Blutes  zu  vergießen.  Blut  sollte  ja  zwar  allerdings  auch  jetzt 
noch  genug  bei  Belle-AUiance  fließen,  aber  auf  dem  Triumphzuge  von 
Cannes  nach  Paris  vom  i.  März  bis  zum  20.  März  181 5  fiel  auch  nicht 
ein  einziger  Flintenschuß;  der  Adler  mit  den  Nationalfarben  flog  von 
Kirchturm  zu  Kirchturm  bis  zu  den  Türmen  von  Notre-Dame. 

Am  20.  März  frühmorgens  kommt  Napoleon  in  Fontainebleau  an,  und 
noch  am  Abend  ist  er  in  den  Tuilerien,  denen  Ludwig  XVI IL,  um  zum 
zweitenmal  den  schon  einmal  betretenen  Weg  der  Verbannung  zurück- 
zulegen,  am   Tage   vorher   den    Rücken   gekehrt   hatte. 

Napoleons  Rückkehr  rief  weder  besondere  Begeisterung  noch  besonderen 
Widerstand  hervor.  Keine  Freunde,  aber  auch  keine  Meuterei,  doch 
eine  au?  Erschöpfung  und  Entmutigung  gemischte  entsagungsvolle  Er- 
gebung. Frankreich  war  mit  der  Zeit  der  vielen  Kriege  müde  geworden, 
mochten  sie  sein,  welcher  Art  sie  wollten,  den  Bürgerkrieg  nicht  ausge- 
schlossen. 

Es  nützte  auch  nichts,  daß  Napoleon  nunmehr  sich  durch  die  Zusatzakte 
der  Verfassung  den  Anstrich  eines  liberalen  Herrschers  zu  geben  suchte 
(i.  Juni  181 5).  Diese  verspätete  Rückkehr  zu  den  Anschauungen  der 
großen  Revolution  gewann  dem  Kaisertum  auch  nicht  einen  Republikaner 
zutück.  Frankreich  hatte  kein  Vertrauen  mehr  zu  dem  Götzen,  den  es 
sich  unbesonnenerweise  selbst  vor  fünfzehn  Jahren  gegeben  hatte.  So 
gebot  Napoleon  nur  noch  über  sein  Heer.  Da  verlangte  er  von  ihm, 
auch  wenn  es  nicht  mehr  an  den  schließlichen  Erfolg  glauben  sollte,  ein 
letztes  Opfer,  „Was  aber  machte  ihm  selbst"  —  so  hat  er  sich  wörtlich 
ausgedrückt  —  „der  Tod  von  hunderttausend  Mann  aus  ?" 

Die  Verbündeten  müssen  wirklich  gedacht  haben,  daß  Napoleon  sich 
mit  seinem  Schicksal  abfinden  und  damit  begnügen  würde,  ewig  ehrwürdig, 
als  väterlicher  kleiner  Fürst  auf  seiner  weltvergessenen,  einsamen  Felsen- 
insel Elba,  unter  den  ihm  bis  zuletzt  treugebliebenen  zweihundert  Veteranen 
Hof  zu  halten,  sonst  hätten  sie  unmöglich  so  starr  über  die  Nachricht 
von  seiner  Rückkehr  sein  können.  Nun  verstummten  plötzlich  alle  ihre 
Meinungsverschiedenheiten,  und  sie  sträubten  sich  gegen  jede  Unterhand- 
lung mit  dem  gemeinsamen  Feinde.  Ja,  sie  gaben  nicht  einmal  zu,  daß 
Marie  Luise  ihren  kaiserlichen  Gemahl  wiedersehen  durfte.  Das  arme 
Geschöpf  vergaß  zu  Wien  im  vertraulichen  Verkehr  mit  dem  Grafen  von 
Neipperg,  der  ihr  zu  persönlichen  Dienstleistungen  beigegeben  und  dann 
von  ihr  selbst  bald  mit  der  Vertretung  ihrer  Interessen  bevollmächtigt 
worden  war,  nur  zu  bald  ganz  und  gar,  was  sie  ihrer  einstigen  Stellung  auch 
nach  deren  Verluste  noch  schuldete.    Jedenfalls  erlaubte  der  Kaiser  von 


Die  Herrschaft  der  Wissenschaft.  343 

Österreich  weder  seiner  Tochter  noch  seinem  Enkel,  dem  bei  der  Geburt 
so  viel  versprechenden  König  von  Rom,  die  österreichische  Hauptstadt 
zu  verlassen,  wo  er  die  beiden  nach  ihrer  Mitnahme  von  Paris  fast  wie 
Gefangene  eingesperrt  hielt. 

Die  Koalition  verfügte  zusammen  über  siebenhunderttausend  kriegs- 
erprobte und  besonders  auf  ihre  letzten  Siege  stolze  Soldaten;  in  Brüssel 
stand  ein  aus  Engländern  und  Holländern  gemischtes  Heer  von  hundert- 
tausend Mann,  die  sich  alle  bereits  als  Krieger  ausgezeichnet  hatten;  in 
Belgien  standen  zweihundertfünfzigtausend  Deutsche  unter  dem  greisen 
Helden  Jüngling  Blücher  und  am  Rhein  dreihundertfünfzigtausend  Öster- 
reicher unter  Schwarzenberg.  Außerdem  bildeten  noch  zweihunderttausend 
Russen  für  alle  Fälle  ein  Ersatzkorps. 

Napoleon  hatte  nun  seinerseits  die  Nationalgardisten,  die  sich  damals 
noch  in  der  ursprünglich  gerade  zu  seiner  Bekämpfung  bestimmten  feld- 
dienstmäßigen Ausrüstung  befanden,  unter  die  eigenen  Fahnen  zu  rufen 
gewußt  und  durch  Vereinigung  der  in  den  verschiedenen  Garnisonen  ver- 
streuten Soldaten  mit  den  freigelassenen  Kriegsgefangenen  es  verstanden, 
ein  zweihunderttausend  Mann  starkes  Heer  aus  zwar  von  Hause  recht 
verschiedenartigen  Elementen  zu  schaffen,  die  aber  alle  eines  Sinnes  waren 
in  der  Liebe  und  Begeisterung  für  ihren  großen  Feldherm. 

Die  entscheidende  Begegnung  der  beiden  feindlichen  Mächte  spielte 
sich  in  Belgien  bei  Belle-Alliance  *  ab  (18.  Juni  181 5).  Das  französische 
Heer  opferte  sich  dort  unnütz  in  der  heldenmütigsten  Weise  auf;  es  gelang 
ihm  nicht,  die  englische  Infanterie  zu  durchbrechen,  die  unter  dem  Ober- 
befehle des  Eisernen  Herzogs  von  Wellington,  so  oft  sie  auch  durch  die 
unermüdlich  wiederholten  Angriffe  der  französischen  Kavallerie  auseinander- 
gesprengt werden  mochte,  immer  wieder  ihre  alte  geschlossene  Stellung 
gewann,  bis,  als  es  bereits  dunkel  zu  werden  begann,  endlich  auf  dem 
Schlachtfelde  das  von  Blücher  geführte  preußische  Heer  erschien,  das  zwei 
Tage  vorher  in  der  Schlacht  bei  Ligny  in  die  Flucht  geschlagen  worden, 
aber  dem  nachsetzenden  französischen  General  Marquis  von  Grouchy  ent- 
kommen war.  Jetzt  konnte  die  alte  Garde  des  Kaisers  trotz  ihrer  mit  dem 
verzweifeltsten  Heldenmut  immer  wieder  erneuerten  Vorstöße  schließlich 
dodh  nicht  mehr  die  wilde  Flucht  aufhalten,  der  sich  alles  ergab  und  zuletzt 
auch  sie. 


Anm.  des  Herausj'ebers.  Die  Engländer  und  Franzosen  nennen  diese  denkwürdige 
Schlacht,  die  in  der  deutschen  Geschichte  nach  dem  Meierhofe  La  Belle-Alliance,  wo 
sich  Wellington  und  Blücher  trafen,  bezeichnet  wird,  bekanntlich  nach  dem  belgischen 
Dorfe  selbst:  Schlacht  bei  Waterloo. 


4* 


344  Siebentes  Buch. 


Nachdem  Napoleon  bei  Belle-Alliance  den  Untergang  seines  letzten 
Heeres  hatte  beklagen  müssen,  sollte  ihm  nun  auch  die  Trauer  um  den 
Verlust  seines  Thrones  nicht  mehr  lange  erspart  bleiben. 

Aber  auch  ohne  diesen  Ausgang  der  Schlacht  hätte  er  niemals  einen 
endgültigen  Sieg  für  sich  erhoffen  können.  Selbst  wenn  Wellington  und 
Blücher  am  i8,  Juni'  1815  geschlagen  worden  wären,  hätten  gleichwohl  die 
nächsten  Schlachten  und  Verluste  den  Kaiser  gezwungen,  der  großen 
Übermacht  der  Feinde  über  seine  immer  mehr  zusammenschrumpfenden 
Truppen  doch  schließlich  zu  weichen.  So  aber  war  das  französische  Heer 
schon  gleich  bei  Belle-Alliance  bis  zur  Erschöpfung  geschlagen  worden, 
so  daß  an  die  Möglichkeit  einer  nochmaligen  Erholung  desselben  auch 
jeder  Gedanke  ausgeschlossen  war.  Napoleon  kehrte  nach  Paris  fast  allein 
zurück  und  fand  hier  nur  noch  Gegner  vor. 

Die  Kammern  hatten  seine  Absetzung  beschlossen  und  eine  einstweilige 
Regierung  eingesetzt,  bis  schließlich  die  Verbündeten  in  Paris  einrückten. 

In  diesem  Augenblicke  suchte  sich  Napoleon  nach  Amerika  einzu- 
schiffen. Als  er  sich  aber  von  allen  verlassen  sah,  faßte  er,  noch  im  fran- 
zösischen Hafen,  den  verzweifelten  Entschluß,  auf  einem  englischen  Kriegs- 
schiffe Zuflucht  zu  suchen  und  sich  dem  Schutze  der  englischen  Regierung 
anzuvertrauen.  Von  dieser  aber  wurde  er  als  Kriegsgefangener  angesehen 
und  im  Einverständnis  mit  den  anderen  Mächten  in  die  Verbannung  nach 
der  westlich  von  Afrika  gelegenen,  meerumspülten,  einsamen  Felseninsel 
St.   Helena  verwiesen. 

Hier  lebte  er  an  dem  dürren  Klippengestade,  dessen  Nebel  ihm  selbst 
den  Blick  auf  das  weite  Meer  entzogen,  weltentrückt  noch  volle  sechs  Jahre 
(gest.  5.  Mai  1821).  Die  mit  der  Aufsicht  über  den  erlauchten  Gefangenen 
betrauten  Kommandanten  störten  ihn,  der  unter  den  unsäglichsten  Schmerzen 
jahrelang  mit  dem  Tode  kämpfte,  um  sich  von  ihm  ein  Glied  nach  dem 
anderen  abringen  zu  lassen,  dabei  unablässig  durch  die  kleinlichsten  und 
unnützesten  Überwachungen,  und  doch  wäre  es  unbillig,  den  Engländern 
Vorwjirfe  daraus  zu  machen,  daß  sie  immer  wieder  dafür  sorgten,  daß 
Napoleon  auch  wirklich  endgültig  unschädlich  blieb.  Wäre  er  auch  jetzt 
wieder  auf  solche  Insel  wie  Elba  verwiesen  worden,  er  hätte  ohne  Zweifel 
sein  Glück  zum  zweiten  Male  in  einem  zweiten  Belle-Alliance  oder  sonst 
an  einem  ähnlichen  schrecklichen  Abenteuer  versucht,  in  dem  dann  wieder 
fünfzigtausend  brave  Menschen  ihr  verzweifeltes  Ende  gefunden  hätten. 
Er  hätte  auf  die  von  ihm  bereits  aufgehäuften  alten  Trümmer  wieder  neue 
aufgehäuft.  So  gebührt  den  Verbündeten  das  Verdienst:  durch  St.  Helena 
Frankreich  einen  dritten  feindlichen  Einfall  erspart  zu  haben  I 


Die  Herrschaft  der  Wissenschaft.  345 


Einige  wenige  ihm  treugebliebene  Freunde  wie  Bertrand,  Montholon  und 
Graf  von  Las  Cases  hatten  ihn  in  die  Verbannung  begleitet.  Mit  ihnen 
schrieb  er  seine  Denkwürdigkeiten,  ein  Werk  voller  Lügen,  aber  doch  der 
Bewunderung  wert,  in  dem  er  von  eigenen  Versehen  nichts  wissen  will, 
hingegen  die  Verdienste  seiner  Leutnants  schmälert  und  all  das,  was  aus-' 
schließlich  er  selbst  verschuldet  hat,  auf  den  Verrat  anderer  und  sein  "^* " 
eigenes   böses    Schicksal   schiebt. 

Die  Nachwelt  und  beinahe  auch  die  Geschichte  haben  ihm  gegenüber 
Gnade  geübt,  ja  sind  in  ihrem  milden  Urteil  gegen  ihn  vielleicht  so  weit 
gegangen,  ihn  ungerechterweise  zu  gnädig  zu  behandeln.  Durch  die  Lieder 
Berangers  hat  sich  sogar  eine  eigene  Napoleonlegende  gebildet.  Er,  der  in 
seinen  sporenklingenden  Reiterstiefeln  alle  bürgerlichen  Freiheiten  mit 
Füßen  trat,  der  harte  Kriegsmann,  der  unerbittliche  Despot,  ist  in  den 
Liedern  des  unsterblichen  französischen  Volksdichters  zu  einem  väterlichen 
und  gutmütigen  Herrscher  mit  dem  langen  grauen  Gehrock  und  dem 
niedrigen  Dreimaster  geworden,  der  mit  den  kleinen  Leuten  wie  seines- 
gleichen verkehrt  und  ihre  Hütten  von  lästigem  Pfaffenjoche  befreit.  Andere 
haben  in  ihm  den  Helden  gesehen,  der  die  Farben  der  französischen 
Revolution  zu  den  fernsten  Völkern  trägt  und  den  alten  französischen 
Kriegsruhm  durch  glänzende  Siege  bereichert.  Andere  wieder,  denen  mehr 
eine  gute  Verwaltung  und  eine  soziale  Ausgleichung  bestehender  Klassen- 
gegensätze am  Herzen  liegt,  bewundern  den  allmächtigen  Kaiser,  wenn  er 
an  der  Arbeit  ist,  die  verschiedenen  Gesetze  und  Verfügungen  der  einzelnen 
Landschaften  aufzuzeichnen,  zu  sammeln  und  einheitlich  zu  gestalten. 
Diese  so  verschiedenen  Arten  von  Beurteilern  gehorchen  alle  nur  jenem  dem 
Menschen  anhaftenden  Triebe  der  Knechtseligkeit,  vermöge  dessen  er  die 
Macht  anbetet,  selbst  wenn  sie  ihm  den  größten  Schaden  zufügt,  einfach  ^  - 
deshalb,  weil  sie  eben  die  Macht  ist.  Der  Hund  leckt  dem  Herrn,jder 
ihn  "schlägt,   dafür   noch   seine   züchtigende    Hand.  < 

Wer  aber  über  genügende  Vornehmheit  der  Seele  verfügt,  um  sich  über  die 
allerniedrigsten  Empfindungen  zu  erheben,  der  wird  sich  ganz  unparteiisch 
sagen  müssen,  daß  Napoleon  einfach  ein  Scheusal  war,  ja  vielleicht 
unter  allen  Sterblichen  das  denkbar  größte.  Durch  ihn  ist  die  Herrschaft 
der  Freiheit,  die  die  französische  Revolution  bereits  daran  gewesen  war, 
der  Welt  zu  schenken,  mindestens  um  sechzig  Jahre  verzögert  worden. 
Durch  ihn  ist  Europa  gezwungen  worden,  sich  ausschUeßlich  mit  Krieg 
zu  beschäftigen  und  eine  so  gewaltige  Heereslast  zu  übernehmen,  daß 
es  noch  heute  von  den  ungeheuren  Steuern  und  den  noch  ungeheureren 
Truppenmassen  geradezu  erdrückt  wird!    Durch  ihn  hat  die  Entwicklung 


346  Siebentes  Buch. 


der  Völker  ihren  Weg  anstatt  zu  Frieden,  Brüderlichkeit  und  Unabhängig- 
keit vielmehr  zu  Krieg,  Haß  und  Knechtschaft  genommen!  Durch  ihn 
sind  zehn  Millionen  der  kräftigsten,  der  mutigsten  und  der  edelsten  Jüng- 
linge in  der  Blüte  ihrer  Jahre  zugrunde  gegangen,  und  das  Menschen- 
geschlecht   verkümmert  I 

Gewiß,  Napoleon  war  von  Hause  aus  weder  verderbt  noch  bösartig;  aber 
er  hat  dann  zehnmal  soviel  Unheü  angestiftet,  als  irgendeiner  unter  den 
verderbtesten  und  bösartigsten  Despoten  ältesten  Geschlechtes,  mehr  als 
ein  Tiberius  im  römischen  Kaiserreich,  mehr  als  ein  Ludwig  XI.  von 
Frankreich  und  mehr  als  ein  Heinrich  VIII.  von  England.  Die  Selbstsucht 
der  Menschen  ist  sicher  immer  eine  große  und  lastet  auf  ihnen  wie  ein 
schweres  Gewicht;  doch  noch  zu  keiner  Zeit  hat  es  eine  Selbstsucht  ge- 
geben, die  der  Napoleons  vergleichbar  gewesen  wäre!  Er  hatte  sich  in 
die  Einbildung  verrannt,  daß  alles  für  ihn  da  sei  und  ihm  gehöre, 
dermaßen,  daß  Frankreich  nur  noch  die  einzige  Aufgabe  hätte,  ihn 
mit  Soldaten  und  Geld  auszustatten !  Die  in  der  Welt  verstreuten  Menschen- 
kinder haben  nur  noch  eine  einzige  Daseinsberechtigung,  nämlich  die, 
sein  Lob  zu  verkünden  und  seine  Launen  auszuführen  I  Den  letzten 
Zweck  der  Schöpfung  bildet  ganz  allein  Er! 

Durch  ihn,  ganz  allein  durch  ihn,  der  mit  einem  bisher  geradezu  uner- 
hörten Feldherrngenie  seine  Heere  von  Sieg  zu  Sieg  führte,  ist  Frankreich 
zweimal  verwüstet,  verstümmelt  und  geschändet  worden.  Durch  ihn 
hat  es  die  natürlichen  Grenzen  verloren,  die  ihm  die  Republik  gegeben  hatte. 
Durch  ihn  ist  es,  nachdem  es  die  Liebe  aller  Völker  gewesen  war,  einem 
jeden  von  ihnen  zum  Fluche  geworden!  Und  doch  hat  es  etwa  kein  Recht, 
sich  darüber  zu  beklagen:  es  hat  seinen  Napoleon  nicht  besser  verdient, 
ist  es  ihm  doch  gleich  bei  dessen  erstem  Auftreten  demütig  zu  Füßen 
gesunken!  Kann  sich  der  Sklave  über  seinen  Herrn  entrüsten,  wenn  er 
sich  diesen  Herrn  selbst  aus  eigener  Machtvollkommenheit  gegeben  hat? 

Napoleons  staatsmännische  Fehler  sind  ebenso  ins  Maßlose  gegangen, 
wie  seine  staatsmännischen  Fähigkeiten,  und  jeder  einzelne  dieser  seiner 
Fehler  hat  wieder  unheilbare  Folgen  gezeitigt!  Wie  konnte  er  den  Frieden 
von  Amiens  brechen  und  sich  nicht  darüber  klar  werden,  daß  er  mit  Eng- 
land niemals  ohne  Seeschlacht  fertig  werden  würde?  Wie  konnte  er  mit 
Spanien  Krieg  führen  und  seine  Krieger  in  den  Schluchten  dieses  Landes 
gleichsam  lebendig  begraben?  Wenn  er  aber  einmal  diesen  Feldzug  an- 
gefangen -hatte,  ihn  nun  nicht  erst  hintereinander  unwiederbringlich  zu  Ende 
führen?  Wie  konnte  er  aus  seinem  Bündnis  mit  Rußland  ausscheiden  imd 
seinen  bisherigen  Verbündeten  durch  kleinliche  Plackereien  reizen,  derart, 


Die  Herrschaft  der  Wissenschaft.  ^^j 

daß  es  den  Anschein  hatte,  als  ob  er  den  Krieg  mit  Rußland  geradezu  mit 
Gewalt  herbeiführen  wollte,  einen  Krieg,  in  dem  sein  Heer  und  sein  An- 
sehen in  der  Welt  zugrunde  gingen?  Wie  konnte  er  schließlich  zu  Dresden 
die  ihm  damals  noch  von  den  Verbündeten  angebotenen  verhältnismäßig 
günstigen  Bedingungen  zurückweisen,  um  sich  durch  die  große  Völker- 
schlacht bei  Leipzig  ein  für  allemal  zugrunde  richten  zu  lassen? 

Selbst  auf  dem  ihm  eigensten  Gebiete  der  Kriegskunst  hat  Napoleon 
einzelne  verhängnisvolle  Fehler  gemacht,  so  bei  Wagram,  von  Anfang  bis 
zu  Ende  in  Rußland  und  bei  Belle-Alliance  in  einem  Augenblicke,  wo 
bereits  seine  physischen  Kräfte  zu  wanken  begannen.  Aber  er  bleibt 
hichtsdestoweniger  der  größte  Feldherr  aller  Zeiten,  der  geradezu  un- 
fehlbare General,  der  der  Strategie  und  Taktik  vollkommen  neue  Bahnen 
eröffnet  hat,  die  jedes  Heer,  das  siegreich  sein  will,  kennen  und  ein- 
schlagen muß.  Darauf  beruht  sein  größter  und  hervorragendster  Ruhm, 
den  er  nicht  erworben  haben  würde,  hätten  sich  nicht  Frankreich  wie 
die   gesamte  Menschheit  für  ihn  geopfert. 


Die  verbündeten  Herrscher  nutzten  ihren  glänzenden  Sieg  bei  Belle- 
Alliance  dazu  aus,  diesmal  schwere  Friedensbedingungen  zu  stellen  (Ab- 
schließung  des  Zweiten  Pariser  Friedens,  20.  November  1815).  Sie  er- 
dreisteten sich,  die  reaktionäre  Ordnung  der  Dinge  auf  Grund  der 
Beschlüsse  des  Wiener  Kongresses  in  ihrem  ganzen  Umfange  wieder- 
herzustellen und  so  alle  Ereignisse,  die  sich  zwischen  den  Jahren 
1789  und  181 5  abgespielt  hatten,  als  nicht  vorhanden  anzusehen. 
Nicht  vorhanden  die  große  Revolution!  Nicht  vorhanden  die  deutlich  zu 
Gehör  gekommenen  Wünsche  des  Volkes  I  Kurz,  alles  das  nicht  vor- 
handen, was  irgendwie  nicht  in  völligem  Einklang  mit  den  Grundsätzen 
der  erblichen  Monarchie  und  des  Gottesgnadentums  stand!  Als  totes 
Eigentum  der  Herrscher  sind  die  Völker  gut  genug  dazu,  sich  wie 
Hammelherden  teilen  zu  lassen!  Überlieferung,  Geschichte,  Sprache,  all 
das  fällt  nicht  mehr  ins  Gewicht!  Die  Völker  sind  einfach  für  die 
Könige  da,   anstatt,  wie  es   sein   sollte,  die  Könige  für  die  Völker! 

Die  Teilung  vollzog  sich  ohne  irgendwelche  Bedenken,  die  nur  lächerlich 
ausgesehen  hätten.  Venedig  kam  an  den  Kaiser  von  Österreich,  Genua  an 
den  König  von  Sardinien  imd  Belgien  an  den  König  von  Holland.  Große 
Siege,  noch  größere  Siegesfrüchte,  bis  über  die  Grenze  des  Denkbaren! 
England  nahm  sich  Ceylon,  das  Kap  der  Guten  Hoffnung  und  die  Jonischen 
Inseln.  '  Rußland  bekam  Finnland  und    Polen,    Preußen    nun    auch    das 


348  Siebentes  Buch. 


Rheinland  und  sogar  Schweden  das  ihm  benachbarte  Norwegen.  Anstatt 
wie  in  den  Jahren  zwischen  1800  und  181 5  von  der  willkürlichen 
Laune  eines  einzigen  Eroberers,  wurde  die  europäische  Staatenkarte 
nunmehr  durch  das  Spiel  der  verschiedenen  Launen  eines  ganzen 
Dutzends  von  Diplomaten  umgestaltet,  die  zwar  über  viel  weniger  Geist, 
doch  darum   über  nicht  weniger    Habsucht  als   jener    eine   verfügten. 

Die  Friedensverhandlungen  des  Jahres  181 5  richteten  sich  also  nicht 
bloß  gegen  Frankreich,  sondern  ebenso  gegen  die  Unabhängigkeit  der  ver- 
schiedensten anderen  europäischen  Völker,  gegen  die  Freiheit  der  Deut- 
schen, der  Italiener  und  der  Polen.  Es  war  die  schon  lange  erwartete  Ver- 
geltung für  den  14.  Juli  1789.  Wie  in  Frankreich  den  Bourbonenthron, 
so  stellte  auch  in  dem  ganzen  übrigen  Europa  die  Heilige  Allianz  die  alte 
Ordnung  der  Dinge  wieder  her. 


So  rückschrittlich  die  Politik  sein  mag,  die  seit  dem  Zweiten  Pariser 
Frieden  von  den  verschiedenen  europäischen  Regierungen  ausgeht,  sie  ist 
gleichwohl  nicht  imstande,  die  Gedanken  in  ihrem  Fluge  zu  hemmen,  die 
im  18.  Jahrhundert  in  die  Welt  gesetzt  worden  sind,  hat  doch  bereits  die 
Wissenschaft  ihren  siegreichen  Vormarsch  begonnen.  Alle  bisherigen  Wis- 
senszweige werden  erneuert,  und  neue  treten  hinzu. 

In  der  Mathematik  werden  aus  den  so  fruchtbaren  geistigen  Großtaten 
eines  Descartes,  eines  Leibniz  und  eines  Newton  die  letzten  Folgerungen 
gezogen:  es  geschieht  das  durch  Lagrange  (1736— 1812),  Lazare  Carnot 
(1753 — 1823)  —  den  nämlichen  großen  Carnot,  den  wir  aus  den  Helden- 
kämpfen des  Revolutionszeitalters  als  den  Organisator  des  Sieges  kennen  — , 
Laplace  (1749— 1827)  und  Gauss  (1777 — 1855). 

Laplace  gebührt  auch  der  Ruhm,  die  Lehre  von  der  Bewegung  der  Him- 
melskörper aufgestellt  und  Newtons  Hypothesen  auf  alle  nur  erdenk- 
lichen Fälle  ihrer  Anwendbarkeit  geprüft  zu  haben.  Französische  Physiker 
wie  Delambre  (1748— 1822),  Mechain  (1744 — 1805),  Biot  (1774— 1862), 
Arago  (1786 — 1853)  stellen  die  genaue  Länge  des  Erdmeridians  durch 
Messung  fest  und  bestimmen  die  Abplattung  der  Erde  an  den  Polen. 

Die  Physik  erscheint  als  eine  ganz  neue  Wissenschaft,  so  ergiebig  sind 
die  in  ihr  gemachten  Entdeckungen.  Galvani  (1737 — 1798)  hatte  eigent- 
lich nur  durch  Zufall  um  das  Jahr  1785  die  von  lebenden  Wesen  hervor- 
gebrachte Elektrizität  entdeckt.  Volta  (1749— 1827)  machte  um  das  Jahr 
1800  eine  andere  Entdeckung,  die  noch  wichtiger  werden  sollte;  er  wies 
nach,  daß  durch  die  Berührung  zweier  Metalle,  die  eine  gegenseitige  che- 


Die  Herrschaft  der  Wissenschaft.  349 

mische  Wirkung  ausüben,  Elektrizität  erzeugt  werden  kann.  Es  war  das 
selbsttätige  oder  dynamische  Elektrizität,  jene  ebenso  lenksame  wie  ge- 
waltige Kraft,  die  die  Wissenschaft  in  die  Hände  des  Menschen  legt,  um 
ihre  Gewalt  bald  zu  zügeln  und  ihre  Gesetze  zum  großen  Teil  zu  ergründen. 

Auf  der  anderen  Seite  gestaltet  sich  die  Lehre  vom  Licht  mit  der  Ent- 
deckung der  Polarisation  (1809  durch  Malus,  181 1  durch  Arago  und  1815 
durch  Biot)  vollkommen  um. 

Die  von  Lavoisier  damals  soeben  erst  neu  geschaffene  Chemie  nahm 
eine  geradezu  überraschende  Entwickelung.  Es  werden  mehrere  chemisch 
einfache  Körper,  Urstoffe  oder  Elemente,  entdeckt,  so  von  Scheele  (1742 
bis  1786)  das  Mangan  im  Jahre  1774,  von  Courtois  (1777— 1830)  das  Jod  im 
Jahre  1812,  von  Gay-Lussac  (1778 — 1850)  das  Bor  (1808)  und  das  Fluor 
(181 1),  von  Wollaston  (1766— 1826)  das  Palladium  (1803),  von  Berzelius 
(1779— 1848)  das  Selen  und  das  Silicium  (Kieselstoff)  (1817).  Humphry 
Dav>'^  (1778— 1829)  zerlegt  eine  unterchlorigsaure  Natronlösung  durch  An- 
wendung des  galvanischen  Stromes,  entdeckt  das  Kaliumoxyd  oder  kohlen- 
saure Kali  (1807).  Er  beweist,  daß  die  alkalischen  Erden  Kalk,  Baryt, 
Natron  Sauerstoffverbindungen  (Oxyde)  eines  Metalles  seien,  das  sich 
daraus  ausscheiden  lasse.  Gay-Lussac,  Dalton  (1766— 1840)  und  Davy  be- 
stätigen, was  Lavoisier  vorausgesehen  hatte,  daß  nämlich  die  chemischen 
Elemente  sich  in  ganz  bestimmten  Verhältnissen  miteinander  verbinden, 
imd  daß  folglich  jedes  einfache  Element  ein  Aggregat  von  Atomen  ist, 
von  denen  jedes  einzelne  ein  je  nach  der  Natur  dieses  Körpers  ganz  ver- 
schiedenes Gewicht  hat.  In  der  Tat  war  die  ganze  Chemie  eigentlich  schon 
stillschweigend  in  Lavoisiers  genialer  Schöpfung  enthalten,  und  die  großen 
Chemiker  der  ersten  Jahre  des  19.  Jahrhunderts  tun  eigentUch  nichts 
anderes,  als  die  Gedanken  ihres  Meisters  weiter  auszubauen  und  zu  ver- 
tiefen. 

Die  Zoologie,  die  vergleichende  wie  auch  die  allgemeine  Anatomie 
werden  unter  Männern  wie  Jean  Lamarck  (1744— 1829),  Cuvier  (1769 — 1832) 
und  Bichat  (1770— 1802)  völlig  umgestaltet,  wenn  nicht  neugeschaffen. 
Lamarck  entwickelt  die  so  einleuchtende  und  großartige  Idee,  daß  alle 
Lebewesen  von  den  gleichen  einfachsten  Grundformen  abstammen,  die  sich 
nur  je  nach  ihren  Lebensbedingungen  allmählich  verschieden  gestalten. 
Wenn  man  aber  eine  stufenweise  Entwickelung  der  Lebewesen  vermöge 
ihrer  auf  Grund  der  jedesmaligen  Umgebung  —  „der  natürlichen  Zucht- 
wahl" würde  Darwin  sagen  —  aufeinanderfolgenden  verschiedenen  Um- 
bildungen gelten  läßt,  so  heißt  das  die  Annahme  einer  von  einem  Gott- 
schöpfer vorbedachten  einmaligen  Schöpfungstätigkeit  zerstören.   Im  Gegen- 


35o  Siebentes  Buch. 


5/ 


salz  zu  Lamarck  und  Geoffroy  Saint-Hilaire  (1772 — 1844)  tritt  Cuvier 
für  die  Vorstellung  eines  unvermittelten  und  plötzlichen  Auftauchens  der 
Lebewesen  an  der  Erdoberfläche  ein.  Aber  nicht  etwa  auf  diesem  offen- 
baren Irrtume  beruht  sein  Ruhmestitel,  sondern  vielmehr  darauf,  daß  er  es 
vermöge  seiner  gründlichen  Vertrautheit  mit  der  Skelettkunde  verstanden 
hat,  die  verschiedenen  Arten  der  ausgestorbenen  vorsintflutlichen  Tiere, 
von  denen  er  nur  ziemlich  unkenntliche  Reste  zu  Gesicht  bekommen  hatte, 
wieder  in  ihrer  vollständigen  Gestalt  deutlich  vor  Augen  zu  führen.  Er 
ist  der  Gründer  der  vergleichenden  Vorweltgeschichte.  Bichat,  der  nur 
einunddreißig  Jahre  alt  geworden  ist,  hat  trotz  seines  kurzen  Lebens  die 
Zeit  gefunden,  die  Gesetze  der  allgemeinen  Anatomie  aufzustellen  und  den 
Nachweis  zu  führen,  daß  es  in  einem  jeden  Körperteile  eines  jeden  Tieres 
gleichartige  Gewebe  gibt,  die  nur  besondere  eigentümliche  Merkmale  teils 
anatomischer,  teils  physiologischer  Art  mit  im  Grunde  einheitlichen  Funk- 
tionen und  Formen  bei  aller  scheinbaren  Mannigfaltigkeit  besitzen. 

So  lieferte  das  Genie  dieser  großen  Männer  ein  Vorspiel  zu  dem  wunder- 
baren Gebäude  der  Wissenschaften,  das  das  19.  Jahrhundert  errichtet  hat. 

Schon  zeigt  sich  auch  von  ferne,  was  später  so  deutlich  in  die  Erschei- 
nung treten  sollte:  nämlich,  daß  eine  Wissenschaft  nicht  mehr  wie  zu 
Aristoteles'  Zeit  noch  auch  der  Descartes'  noch  auch  erst  gar  der  Lavoisiers 
das  bloße  Werk  eines  einzelnen  genialen  Denkers  sein  kann.  Sie  fängt  an 
sich  auszubreiten,  beweglicher  und,  wie  die  menschlichen  Gesellschaften 
selbst,  demokratischer  zu  werden.  Hunderte  von  Arbeitern  tragen  zu  ge- 
meinsamen Werke  ihr  bescheiden  Teil  bei,  derart,  daß  der  Gelehrte,  anstatt 
eine  lange  überlegte  Entdeckung  still  in  seinem  Busen  zu  bewahren  und 
erst  nach  einer  Reihe  von  Jahren  in  einer  epochemachenden  Schrift  zu 
veröffentlichen,  lieber  im  Rahmen  und  Maß  seiner  noch  unfertigen  Ent- 
deckungen die  wissenschaftliche  Welt  in  seine  Versuche  einweihen  soll, 
um  wenigstens  anderen  zu  ermöglichen,  das  Werk  zu  Ende  zu  führen,  das 
er  soeben  angefangen  und  von  dem  er  nur  die  ersten  Grundzüge  zu  geben 
vermocht  hat. 

Dieser  für  die  Wissenschaften  so  fruchtbare  Zeitraum  von  1789  bis 
181 5  ist  für  Literatur  und  Kunst  ziemlich  arm  an  schöpferischem  Geist 
gewesen.  "^ 


Nur  für  Deutschland  hat  dieser  verhältnismäßig  so  kurze  Zeitraum  die 
große,  ja  so  ziemlich  die  einzige  klassische  Blüte  der  Literatur  dargestellt. 
Gewiß,   es  hatten  auch  schon  unmittelbar  vor  wie  noch  unmittelbar  nach 


Die  Herrschaft  der  Wissenschaft.  361 

dieser  Zeit  einige  mehr  oder  minder  bedeutende  deutsche  Dichter  gelebt, 
wie  Wieland  (1733— 1813),  Bürger  (1747 — 1794),  Klopstock  (1724 — 1803), 
Geßner  (1730 — 1788),  ein  so  scharfsinniger  Kunstkritiker  wie  Lessing 
(1729 — 1781),  ein  so  vielversprechender  Dichter  wie  Theodor  Körner  (1791 
bis  1813),  der  trotz  seines  frühen  Todes  auf  dem  Schlachtfelde  als  noch  nicht 
Zweiundzwanzigjähriger  manches  bewundernswerte  Gedicht  verfaßt  hatte, 
ein  so  anerkannter  und  schaffensfreudiger  Dramatiker  wie  Kotzebue  (1761 
bis  1819).  Doch  zwei  Meister  der  deutschen  Literatur  sind  es,  die  über 
alle  hervorragen:  Schiller  (1759 — 1805),  ein  ebenso  erhabener  Lyriker  wie 
bewundernswerter  Dramatiker  (Wallenstein,  Don  Carlos,  Wilhelm  Teil), 
und  vielleicht  noch  über  ihn  hinausragend  und  die  gesamte  deutsche  Lite- 
ratur beherrschend  Goethe  (1749 — 1832),  ein  ebenso  abgeklärtes  wie  leuch- 
tendes Genie,  das  durch  die  Reinheit,  den  Wohlklang  und  die  Sauberkeit 
seines  Stils  der  deutschen  Sprache  ihre  endgültige  klassische  Gestalt  ge- 
geben hat.  Auf  allen  Gebieten  hat  er  Hervorragendes  geschaffen  und 
würde  sogar  in  der  Weltliteratur  den  Ruhmestitel  des  Schöpfers  des  mo- 
dernen Romans  für  sich  in  Anspruch  nehmen  können,  wenn  nicht  zufällig 
seinem  Werther  Jean-Jacques  Rousseaus  Neue  Heloise  imd  Manon  Les- 
caut  von  Antoine-Frangois  Pr^vost  d'Exiles  zeitlich  voraufgingen.  Ein 
auserlesener  Lyriker,  hat  er  sich  darum  nicht  weniger  groß  als  Dra- 
matiker gezeigt  imd  als  solcher  mit  seinem  Egmont,  seiner  Iphigenie,  seinem 
Götz  von  Berlichingen,  besonders  aber  mit  seinem  Faust  Unsterbhches 
geleistet.  Es  ist  diese  letztgenannte  Bühnendichtung  ein  wahrhaft  episches 
Werk,  das  ebenso  gewaltig  wie  tief  ist  und  in  seiner  stil-  und  stimmungs- 
vollen Schönheit  einzig  dasteht.  Wie  Voltaire,  war  auch  er  Enzyklopädist, 
der  die  Dichtung  niemals  von  der  von  ihm  nicht  weniger  hochgehaltenen 
Wissenschaft  schied,  für  die  er  sich  ebenso  leidenschaftlich  begeisterte  wie 
für  die  Kunst. 

In  derselben  Zeit  hat  auch  Deutschland  der  Welt  einen  großen  Philo- 
sophen beschert.  Es  war  dies  Immanuel  Kant  (1724— 1804),  der,  wie  Des- 
cartes,  versucht  hat,  derjenigen  unter  den  Wissenschaften,  die  noch  immer 
von  dem  geheimnisvollsten  Wolkendunkel  umgeben  wird,  nämlich  der 
Metaphysik,  einen  gewissen  festen  Boden  zu  geben  (Kritik  der  reinen  Ver- 
nunft, 1781),  Vor  allem  hat  aber  auch  Kant  in  seinen  edlen  und  gehalt- 
vollen Schriften  aufs  genaueste  die  Bedingungen  des  Sittengesetzes  fest- 
gestellt. Er  nimmt  den  Begriff  der  Pflicht,  den  großartigen  kategorischen 
Imperativ  zur  Grundlage  der  gesamten  philosophischen  Auffassung  von 
Mensch  und  Welt.  Kant  ist  der  große  Philosoph,  der  mit  dem  Anbruch 
unseres   Zeitalters   erscheint,   um   als   ein   Bahnbrecher  in  die   Tiefen   des 


3^2  •       Siebentes  Buch. 


menschlichen  Gewissens  hineinzuleuchten.  Als  ein  Augenzeuge  der  Schrek- 
ken,  die  der  Krieg  entfesselte,  hat  dieser  Weltweise  den  Gedanken  eines 
ewigen  Friedens  unter  den  Menschen  gefaßt  und  sich  dem  holden  Wahn 
hingegeben,  daß  diese  eines  Tages  weniger  unvernünftig  sein  würden  als  zu 
seiner  Zeit. 

Es  war  das  übrigens  nicht  ganz  und  gar  bloß  ein  holder  Wahn.  Zwar 
haben  auch  noch  das  folgende  Jahrhundert  manche  schreckliche  und  nutz- 
lose Kriege  mit  Blut  befleckt.  Aber  solche  blutrünstigen  Rasereien,  wie  sie 
in  den  Jahren  1800 — 181 5  vorgekommen  waren,  sollten  die  Völker  nicht 
wiedererleben  I 

Die  größte  geistige  Leistung  des  Jahrhunderts  ist  die  Begründung  der 
modernen  Forschung  gewesen. 

Seine  größte  soziale  und  politische  Leistung  aber  sollte  die  wirksame 
Bekämpfung  der  Fürstenverträge  von  181 5  und  damit  des  absolutistischen 
Regierungssystems  bilden. 

m.  Von  1815  bis  1848. 

Nirgends  erstarkte  die  liberale  Bewegung  mehr  als  in  Frankreich. 
Mochten  auch  die  Worte  ^^Freiheit,  Gleichheit,  Brüderlichkeit  /"  von  den 
Mauern  und  Münzen  entfernt  worden  sein,  so  hatten  sie  doch  in  den 
Herzen  noch  sehr  lebendige  Spuren  hinterlassen,  die  Ludwigs  XVIII.  Re- 
gierung nicht   ebenso   leicht   auszulöschen   vermochte. 

Zu  Beginn  der  Wiederherstellung  der  Königsherrschaft  begingen  die 
Royalisten  einige  Ausschreitungen,  den  sogenannten  Weißen  Schrecken, 
dem  manch  edles  Opfer  fiel,  so  Marschall  Brune  durch  Meuchelmord  zu 
Avignon  (181 5)  und  auch,  was  noch  schmerzlicher  berühren  muß,  der 
heloenmütige  Ney,  der  von  den  Mitgliedern  der  Ersten  Kammer  verurteilt 
und  von  französischen  Soldaten   standrechtlich  erschossen  wurde. 

Aber  der  König  war  nicht  verblendet  genug,  das  despotische  Regie- 
rungssystem seiner  Ahnen  wiedereinzuführen.  Er  hatte  lange  genug  in  der 
Verbannung  gelebt,  um  nicht  sehr  wohl  zu  wiäsen,  daß  es  eine  französische 
Revolution  gegeben  hatte.  Daher  regierte  er  auch  als  völlig  verfassungs- 
treuer König  nach  dem  Wortlaut  der  Charte  und  ließ  noch  immer  der 
Presse  einige  Freiheit  und  selbst  der  Zweiten  Kammer  noch  einige  Macht. 

Dank  der  umsichtigen  Finanzverwaltung,  bei  der  er  die  tatkräftige 
Unterstützung  von  Baron  Louis  und  Herzog  von  Richelieu,  dem  Ange- 
hörigen einer  Nebenlinie  des  als  Staatsmann  berühmten  gleichnamigen  Kar- 
dinales, fand,  vermochte  er  auch  die  erforderlichen  Einnahmequellen  zur 
Deckung    der    von    den    Verbündeten    auferlegten    Kriegsentschädigungs- 


Die  Herrschaft  der  Wissenschaft.  363 

summen  ausfindig  zu  machen.  So  räumten  denn  auch  im  Jahre  i8i8  die 
fremden  Truppen  den  französischen  Boden.  Es  hat  schon  eines  zweiten 
Napoleon  bedurft,  um  sie  wiederkommen  zu  sehen;  es  war  bis  dahin  nicht 
viel  mehr  als  ein  halbes  Jahrhundert  verstrichen. 

So  trat  denn  zu  jener  Zeit  eine  wirkliche  Wiedergeburt  des  Verständ- 
nisses für  das  öffentliche  Leben  in  die  Erscheinung.  Abgeordnete,  Anwälte, 
Zeilungsschriftsteller,  Studenten,  Künstler,  Arbeiter  nahmen  jetzt  mit  leiden- 
schaftlichem Eifer  die  Erörterung  politischer  Angelegenheiten  von  neuem 
auf.  Gleichzeitig  aber  kam  ein  bald  recht  verhängnisvolles  Mißverständnis 
eigner  Art  zur  Herrschaft,  vermöge  dessen  die  liberalen  Anschauungen 
und  das  alte  kaiserliche  Regierungssystem  miteinander  vermengt  wurden. 
Es  fehlte  die  Einsicht,  daß  die  verfassungsmäßige  Monarchie  eines  Lud- 
wig XVII L,  so  kirchenfreundlich  sie  auch  scheinbar  sein  mochte,  J2den- 
falls  der  Freiheit  um  vieles  näher  stand  als  die  militärische  Tyrannei 
eines  Napoleon.  Die  angeblich  Liberalen  klatschten  den  Liedern  eines 
Beranger  Beifall,  und  ihre  Opposition  nahm  mehr  und  mehr  die  Gestalt 
des  Bonapartismus  an. 

Doch  wurden  Ludwigs  XVIII.  letzte  Regierungsjahre  auch  nicht  durch 
irgendwelche  Volksbewegungen,  selbst  die  geringsten,  beunruhigt;  so  war, 
als  ihm  sein  Bruder  Karl  X.  auf  dem  Throne  folgte  (1824),  wohl  die  Hoff- 
nung berechtigt,  daß  mit  den  Bourbonen  in  Frankreich  von  jetzt  ab  ein 
für  allemal  eine  liberale  Monarchie  aufkommen  würde. 

Doch  dem  König  Karl  X.  stand  nicht  jene  politische  Schlauheit  zu 
Gebole,  über  die  sein  Bruder  in  so  reichem  Maße  verfügte.  Er  glaubte 
nicht  bloß  die  französische  Regierung,  sondern  auch  den  Gesamtwillen  des 
französischen  Volkes  nach  seinem  Gutdünken  lenken  und  leiten  zu  können. 
So  berief  er  denn  in  die  maßgebenden  Stellungen  einige  von  den  einstigen 
adligen  Emigranten  und  sogar  einige  aus  der  Zahl  derjenigen  Generale, 
die  Napoleon  verraten  hatten.  Eine  strenge  und  ungeschickte  Zensur 
wütete  gegen  die  Zeitungen,  ohne  ihnen  im  Grunde  doch  den  Mund  völlig 
verschließen  zu  können.  Die  mittlerweile  zu  hohem  Einflüsse  gelangten 
Priester  setzten  allerlei  Maßregeln  durch,  die  für  die  Gewissensfreiheit 
nachgerade  bedrohlich  zu  werden  anfingen,  jene  Gewissensfreiheit,  die 
Frankreich  durch  ein  Jahrhundert  von  Kämpfen  erobert  hatte  und  die  es 
nicht  wieder  unterdrückt  sehen  wollte.  Die  Besorgnis  vor  einer  despotischen 
und  klerikalen  Regierung  ergriff  das  ganze  Volk,  ja  sogar  trotz  seiner  ein- 
seitigen Klassenzugehörigkeit  und  vornehmen  Abgeschlossenheit  den  Wahl- 
männerkörper.   So  wagte  denn  auch  die  zweite  Kammer  gegen  das  streng 


354  Siebentes  Buch. 


royalistische  Ministerium  Polignac  und  Bourmont  Verwahrung  einzulegen 
{Adresse  der  Zweihunderteinundzwanzig). 

Die  Charte  räumte  dem  König  das  Recht  ein,  die  Kammer  aufzulösen. 
Er  machte  von  seinem^  Rechte  Gebrauch,  und  die  Kammer  wurde  aufgelöst; 
aber  alle  zweihunderteinundzwanzig  kamen  wieder  hinein.  Sie  waren  übri- 
gens nicht  im  entferntesten  Revolutionäre  und  verlangten  von  dem  Könige 
nur  ein  liberales  Ministerium. 

Da  machte  Karl  X.,  unnachgiebig,  wie  er  war,  einen  Staatsstreich.  Doch 
Staatsstreiche  können  immer  nur  gelingen,  wenn  ihr  Begünstiger  im  Not- 
falle die  äußerste  Gewalt  anzuwenden  entschlossen  ist,  und  alle  Vorsichts- 
maßregeln dafür  getroffen  sind. 

Die  Verordnungen  vom  26.  Juli  1830  (die  sogenannten  Juliordonnanzen) 
bestimmten  die  zeitweilige  Aufhebung  der  Preßfreiheit,  die  Auflösung  der 
neuen  Kammer  und  die  Bildung  einer  andern  Kammer  nach  einem  andern 
Wahlsystem.  Das  war  das  Zeichen  zu  einem  von  den  Zeitungsschrei- 
bern hervorgerufenen  Pariser  Aufstande.  Den  äußeren  Vorwand  lieferte 
die  Preßfreiheit,  doch  die  tiefere  Ursache  bildete  die  allgemeine  Verstim- 
mung. Barrikaden  schienen  in  den  Straßen  von  Paris  von  allen  Seiten 
emporzuwachsen.  Kopflos,  zögernd  und  von  unfähij^en  Führern  geleitet, 
die  dauernd  in  Furcht  waren  sich  bloßzustellen,  vermochte  weder  die 
Truppenmacht  ihre  ganze  Gewalt  zu  gebrauchen  noch  wagte  sie  es.  Nach 
drei  Tagen  heißer  Kämpfe  {den  drei  Ruhmestagen  27. — 29.  Juli  1830)  hatte 
die  Volkserhebung  endgültig  triumphiert.  Karl  X.  mußte  nach  England 
flüchten,  gemeinsam  mit  seinem  Enkel  Grafen  Heinrich  von  Chambord. 
dem  letzten  Vertreter  des  Hauses  Bourbon. 

Mit  der  Julirevolution  vom  Jahre  1830  ist  den  Fürstenabmachungen 
vom  Jahre  181 5  der  erste  Schlag  versetzt.  Das  Königtum  von  Gottes 
Gnaden  mit  allen  den  Ausartungen,  zu  denen  das  Gottesgnadentum  ver- 
führt, war  von  nun  an,  wenigstens  in  Frankreich,  für  immer  abgetan.  Frank- 
reich war  noch  immer  keine  Republik,  aber  es  war  doch  nun  eine  liberale 
und  volkstümliche  Monarchie,  die  sehr  zu  ihren  Gunsten  von  den  Staats- 
gebilden abstach,  die  die  Unterzeichner  des  Wiener  Kongresses  erträumt 
hatten. 

Übrigens  hatten  sogar  schon  bis  1830  die  Grundsätze  der  Heiligen  Allianz 
auch  tvohl  sonst  in  Europa  schwere  Angriffe  erfahren,  wie  in  Deutsch- 
land, Spanien,  Italien  und  Griechenland.  Die  von  dem  18.  Jahrhundert 
und  der  französischen  Großen  Revolution  hervorgerufene  geistige  Bewegung 
trug  jetzt  ihre  Früchte:  Die  Völker  ergaben  sich  nicht  mehr,  wie  früher, 
ruhig  in  die  Knechtschaft. 


Die  Herrschaft  der  Wissenschaft.  355 

Die  österreichische  Regierung  vertrat  mehr  als  jede  andere  die  Ortho- 
doxie und  die  alte  Ordnung  der  Dinge.  Als  Schirmherr  des  Deutschen 
Bundes  gönnte  der  Kaiser  von  Österreich  den  Herzögen,  Großherzögen, 
Königen,  Fürstlein  jeden  Grades,  die  Deutschland  unterdrückten,  noch 
weniger  Freiheit  als  das  schon  so  bescheidene  Maß,  das  diese  wieder  ihren 
Untertanen  gönnten:  Es  erfolgte  nun  bei  der  großen  Geduld  des  deutschen 
Volkes  damals  zunächst  weder  eine  Empörung  noch  ein  Aufstand,  aber  es 
nistete  sich  ein  heimlicher  Haß  gegen  das  Österreich  ein,  das  so  gern  seiner 
kaiserlichen  Tyrannei  noch  die  religiöse  katholische  Tyrannei  hinzufügte. 

Preußen,  eine  protestantische  Macht,  die  ebenfalls  nach  der  Führung 
in  Deutschland  strebte  und  sich  schon  damals  auf  die  ihm  bestimmte  Zu- 
kunft unbewußt  vorbereitete,  nutzte  solche  feindseligen  Stimmungen  gegen 
Österreich  aus,  um  den  Zollverein  zu  begründen.  Er  bedeutete  eine  Zoll- 
vereinigung zwischen  den  deutschen  Einzelstaaten. 

Ihren  Ausgang  nahm  die  gesamte  Umsturzbewegung  Europas  von 
Spanien.  Sein  König  Ferdinand  VH.  war  allerdings  eine  traurige  Gestalt, 
die  wie  von  den  verbündeten  Mächten  eigens  auserwählt  zu  sein  schien, 
eine  monarchische  Regierung  verächtlich  zu  machen.  Es  erfolgte  eine 
Meuterei,  und  angesichts  der  Meuterei  ließ  ihn  sein  ganzes  Heer  im  Stich, 
derart,  daß  er  nunmehr  notgedrungen  den  Eid  auf  die  Verfassung  leisten 
imußte  (i2.  März  1820).  Aber  er  tat  dies  nur,  um  alsbald  Verrat  zu  üben. 
Seit  den  Ereignissen  von  Bayonne,  bei  denen  sich  seine  Erbärmlichkeit  in 
vollem  Lichte  gezeigt  hatte,  schwamm  er  förmlich  in  Verrat  als  seinem 
natürlichen  Elemente. 

In  Italien  geriet  das  Volk  in  Aufruhr,  sobald  es  von  den  Ereignissen 
in  Spanien  erfuhr.  Bei  den  Italienern  hatte  die  französische  Ideenwelt 
einen  noch  weit  tieferen  Eindruck  als  bei  den  Deutschen  hinterlassen.  Es 
hatten  sich  Geheimbünde  gebildet  (die  Carbonari);  es  entstanden  Ver- 
schwörungen"" und  Volksauf  stände.  In  Neapel  schien  der  Umsturz  auf 
einen  Augenblick  zu  triumphieren,  und  so  sah  sich  der  unfähige  König 
der  beiden  SiziUen  Ferdinand  I.*  genötigt,  eine  Verfassung  zu  geben,  der 
er  feierlich  Treue  gelobte  (6.  Juli  1820).  Schon  einige  Monate  später  erbat 
er  bei  den  Österreichern  deren  Unterstützung  gegen  seine  eigenen  Unter- 
tanen und  kehrte  an  der  Spitze  eines  österreichischen  Heeres  nach  Italien 
zurück,  um  nunmehr  seinem  Volke  seinen  Despotismus  durch  die  Gewalt 
der  Waffen  aufzuerlegen. 

Die   Piemontesen   machten   es    geradeso   wie   die   Neapolitaner:    sie   er- 


•  Anm.  des  Herausgebers      Als  Könij  von  Neapel  Ferdinand  IV. 


356  Siebentes  Buch. 


hoben  sich.  Aber  sie  wurden  schnell  von  den  Österreichern  niedergeworfen. 
Es  war  ein  schöner  Augenblick  für  Österreich.  Metternich  war  der  Herr 
von  ganz  Europa,  und  die  kaiserlichen  Heere  gingen  überall  hin,  wo  eine 
murrende  Völkerschaft  zu  unterdrücken  war.  Die  Italiener,  die  die  große 
Schuld  auf  sich  geladen  hatten,  für  ihr  Vaterland  die  Unabhängigkeit  zu 
erstreben,  erfuhren  nun  eine  harte  Behandlung  (1820 — 1821).  Einer  von 
diesen,  Silvio  Pellico  (i788-;--i854),  hat  von  seiner  zehnjährigen  Gefangen- 
schaft in  Österreich  eine  rührend  schlichte  Schilderung  in  seinem  berühmten 
ßuche  Le  mie  prigioni  (Meine  Gefängniszeit)  (1833),  einem  Meisterwerke 
erzählender  Kunst,  gegeben. 

Die  Unterwerfung  Spaniens  machte  größere  Schwierigkeiten.  Dieses 
unglückliche  Land,  das  vom  Jahre  1808  bis  zum  Jahre  181 3  dank  seinem 
gleichzeitigen  Freundschaftsbündnisse  mit  England  und  Fremdenjoche 
imter  Frankreich  so  viele  Qualen  erduldet  hatte,  hatte  nun  auch  jetzt 
wieder  unter  einem  durch  einen  hineinspielenden  auswärtigen  Krieg  er- 
schwerten Bürgerkriege  zu  leiden  (1820— 1825).  Die  fremden  Regierungen 
spielten  hierbei  eine  traurige  Rolle,  ganz  besonders  auch  die  Frankreichs. 
Auf  dem  Kongreß  zu  Verona  (Oktober  1822)  kam  ein  Beschluß  zustande, 
den  König  von  Spanien  in  seinem  Bestreben,  die  Liberalen  wegzujagen, 
kräftig  zu  unterstützen.  Es  war  das  französische  Heer,  dem  diese  unselige 
Aufgabe  von  dem  Kongresse  zugewiesen  wurde.  Aber  jede  französische 
Einmischung  in  die  spanischen  Angelegenheiten  war  entschieden  ein  Un- 
glück oder  eine  Schande. 

Die  einheimischen  Spanier  wurden  nun  von  ihrem  König  ohne  großen 
Widerstand  durch  das  fremde  französische  Heer  unter  dem  Herzog  von 
Angouleme  besiegt.  Die  Einnahme  des  Trocadero  (31.  August  1823)  be- 
schloß diesen  Scheinkrieg,  und  Ferdinand  VH.,  der  nun  wieder  ebenso 
unumschränkt  zu  herrschen  begann  wie  vorher,  ließ  alle,  die  sich  nur  irgend- 
wie an  der  liberalen  Bewegung  beteiligt  hatten,  außer  Landes  verweisen, 
einkerkern  oder  standrechtlich  erschießen. 

Damals  war  es  auch,  wo  die  Spanier  aus  der  Höhe  ihrer  bisherigen 
weltbeherrschenden  Kolonialmacht  jählings  in  die  Tiefe  stürzten. 

Die  in  Süd-  und  Mittelamerika  verstreuten  spanischen  Ansiedler  hatten 
sich  nicht  ganz  so  klug  wie  die  englischen  in  Nordamerika  erwiesen.  Hier 
waren  die  Vereinigungen  zwischen  den  Einheimischen  und  den  Weißen 
niemals  zu  häufig  gewesen,  und  die  unberührte  weiße  Bevölkerung  hatte 
sich,  so  gut  es  nur  irgend  ging,  fast  ganz  und  gar  von  der  Gemeinschaft 
mit  den  schwarzen  oder  roten  Stämmen  ferngehalten.    Bald  wurden  auch 


Die  Herrschaft  der  Wissenschaft.  3  67 

mehr  durch  die  Wirkung  der  Sitten  als  die  der  Gesetze  die  Neger  und  die 
Mulalten  von  der  weißen  Bevölkerung  als  minderwertige  Wesen  behandelt. 
Aber  unglücklicherweise  war  das  in  Mexiko,  der  südamerikanischen  Re- 
publik Colombia  (damals  Neugranada  genanntj,  Peru_und  Brasilien  ganz 
anders  gewesen.  Die  Weißen  von  einer  von  jeder  Mischung  mit  Indianern 
oder  Negern  unberührten  rein  weißen  Abstammung  bildeten  nur  noch 
einen  verschwindenden  Bruchteil  der  Bevölkerung.  Zahlreiche  Mischlinge 
(Mestizen)  kamen  zur  Welt,  Erzeugnisse  der  Kreuzung  zwischen  Weißen 
und  Indianern,  Weißen  und  Negern,  ja  bisweilen  auch  Indianern  und 
Negern,  derart,  daß  es  schließlich  kaum  mehr  gelang,  sie  voneinander  zu 
unterscheiden,  und  das  Ganze  eine  Bevölkerung  bildete,  die  gegen  die  Arbeit 
widerspenstig,  zuchtlos,  lärmend  und,  den  Kindern  gleich,  ebenso  leicht 
begeistert  wie  entmutigt  war.  Doch  das  Mutterland  behandelte  sie  hart, 
schickte  ihnen  blutgierige  und  habsüchtige  Statthalter,  die  ausschließlich 
auf  die  eigne  Bereicherung  bedacht  waren  und  ihren  Übergang  in  den 
Kolonialdienst  als  das  wirksamste  Mittel  betrachteten,  recht  rasch  Gold 
und  Ehren  zu  erwerben. 

Schon  seit  dem  Jahre  18 10  fanden  während  des  spanischen  Unab- 
hängigkeitskrieges gegen  Frankreich  allerlei  Erhebungen  statt.  In  Vene- 
zuela rief  ein  Kreole,  der  wahrscheinlich  nur  ein  Mestize  war,  namens 
Simon  Bolivar,  einen  Aufstand  hervor,  der  zunächst  einige  schnelle  und 
leichte  Erfolge  zu  verzeichnen  hatte.  Aber  in  den  Jahren  1814  bis  1818 
vermochten  die  durch  den  Schluß  des  Krieges  mit  Frankreich  frei  geworde- 
nen spanischen  Heere  ganz  allmählich  die  sämtlichen  aufrührerischen 
Länder  zurückzuerobern.  Bolivar  flüchtete  sich  nach  Jamaika  (10.  Mai 
181 5),  und  es  schien  fast,  als  ob  Spanien  sein  trotz  seiner  Strenge  so  schwan- 
kendes [Ansehen  auf  dem  weiten  Erdteil,  auf  dem  die  spanische  Sprache 
die  herrschende  war,  völlig  wiederhergestellt  hätte. 

Aber  schon  bald  sollte  hierin  ein  Wandel  eintreten!  Die  große  Nord- 
amerikanische Republik  vmter  dem  Präsidenten  Monroe  begann  die  Lehre 
zu  verleidigen,  die  sich  zu  einer  Hauptgrundlage~seiner  Politik  entwickelt 
hat,  daß  nämlich  die  Regierungen  Europas  für  die  Dauer  kein  ameri- 
kanisches Land  besitzen  dürfen.  „Amerika  den  Amerikanern!"  ist  die  ein- 
fache und  verständliche  Formel,  die  diese  Monroedoktrin  am  besten  zu- 
sammenfaßt. England  aber  sah  natürUch  für  seinen  Handel  wie  für  seine 
Wellmachtstellung  weit  lieber  eine  Menge  auseinandergerissener  schwacher 
Kleinstaaten  als  die  eine  einheitliche  übergewaltige  spanische  Großmacht. 
So  fanden  denn  die  Aufständischen  von  Mexiko,  Neugranada  (der  heutigen 
5  Riebet,  Geschichte  der  Menschheit,  II. 


358  Siebentes  Buch. 


südamerikanischen  Republik  Colombia),  Buenos  Aires  *,  Chile,  Peru  bald 
im  geheimen,  bald  ganz  zugestandenermaßen  Unterstützung  bei  den  Mäch- 
ten, die  zu  der  Zeit  allein  noch  über  einigen  Einfluß  in  Amerika  verfügten, 
nämlich  England  und  den  Vereinigten  Staaten. 

Jetzt  rissen  sich  Spaniens  sämtliche  Kolonien  so  schnell  vom  Mutter- 
lande los,  wie  es  wohl  kaum  irgend  jemand  erwartet  hatte.  Doch  ging  es 
nicht  ohne  langwierige  Kriegswirren  ab,  in  denen  beide  Teile,  obwohl  sie 
doch  durch  eine  gemeinsame  Sprache  verbunden  waren,  an  Grausamkeit 
gegenseitig  wetteiferten. 

Bolivar  gelang  es  bald  wieder,  sich  etwas  Geld  zu  verschaffen  und  einige 
Menschen  um  sich  zu  sammeln.  Mit  diesen  landete  er  an  der  Mündung  des 
Orinoko  (1817).  Er  entfaltete  nun  abermals  eine  außerordentliche  Tat- 
kraft, stellte  ein  kleines  Heer  auf  und  hatte  bereits  nach  Verlauf  von  zwei 
Jahren  Neugranada  und  Venezuela  wiedererobert.  Jetzt  verkündete  er  die 
unabhängige   Republik   Colombia    (Dezember    18 19). 

In  Argentinien  und  Chile  blieb  der  Führer  der  aufrührerischen  Heere, 
General  San  Martin,  überall  siegreich,  Chile  wurde  unabhängig  erklärt 
(Januar  1818),  worauf  dann  auch  bald  Peru  folgte  (1819 — 1820). 

In  Nordamerika  hatten  sich  die  Vereinigten  Staaten  Floridas  bemäch- 
tigt (1818). 

Mexikos  Unabhängigkeitserklärung  ließ  länger  auf  sich  warten.  Don 
Augustin  de  Iturbide,  ein  General,  der  dazu  ausersehen  war,  die  Aufrührer 
zu  bekämpfen,  ließ  sich  von  ihnen  zum  Kaiser  ausrufen  (1821);  aber  drei 
Jahre  später  wurde  er  standrechtlich  erschossen  und  nun  auch  in  Mexiko 
die  Republik  ausgerufen  (1824). 

Von  den  spanischen  Truppen  blieb  in  ganz  Amerika  nur  noch  ein 
kleines  Heer  zurück,  das  das  Hochland  im  Nordosten  von  Chile  besetzt 
hielt;  Bolivar,  der  zum  Generalissimus  ernannt  wurde,  rückte  gegen  diese 
letzten  Soldaten  aus  dem  Mutterlande  vor  und  trug  über  sie  einen  ent- 
scheidenden Sieg  bei  Ayacucho  davon  (9.  Dezember  1824). 

So  brach  das  imposante  Reich  Karls  V.  in  der  Neuen  Welt  zusammen. 
Doch  Spanien  kann  sich  über  den  in  diesen  Bürgerkriegen  erlittenen 
gewaltigen  Länderverlust  in  Amerika  trösten.  Bei  allen  Fehlern  und 
Sünden,  die  es  sich  gegen  diesen  riesigen  Weltteil  hat  zuschulden 
kommen  lassen,  hat  es  ihm  gleichwohl  seine  Sprache,  seine  Sitten,  ja  so 
ziemlich  auch  seine  Stammeszugehörigkeit  aufzuerlegen  gewußt.  Wer  weiß, 


*  Bis  1859  selbständiger  Freistaat,  seitdem  südlichste  Provinz  der  Argentinischen 
Republik  mit  gleichnamiger  Hauptstadt. 


Die  Herrschaft  der  Wissenschaft.  369 

welche  glänzende  Zukunft  dem  spanischen  Amerika  noch  einmal  bevor- 
steht ? 

Aus  Bolivar  war  mittlerweile  einer  der  volkstümlichsten  Männer  der 
Neuen  Welt  geworden.  Da  faßte  er  einen  glänzenden  Plan,  der  für  den 
Fall  seines  Gelingens  den  Ländern,  die  sich  soeben  befreit  hatten,  sehr 
viel  Leid  erspart  hätte.  Er  hoffte  nämlich  eine  große  Bundesrepublik  zu 
gründen,  die  alle  Völker  des  spanischen  Amerikas  in  sich  schließen  sollte, 
imd  damit  ganz  ebensolche  Vereinigte  Staaten  von  Südamerika  schaffen 
zu  können,  wie  es  sie  bereits  von  Nordamerika  gab.  Er  berief  zu  diesem 
Zweck  einen  amerikanischen  Kongreß  nach  Panama  (Juni  1826).  Aber  die 
Zeit  war  für  diesen  großen  Gedanken  noch  nicht  reif.  Sie  ist  es  vielleicht 
noch  heute  nicht.  Die  spanischsprechenden  Amerikaner  haben  noch  immer 
nicht  ein  genügendes  Verständnis  dafür,  daß  das  Bundessystem  letzten 
Endes  auf  einer  mit  Unabhängigkeit  verbundenen  Ordnung  beruht,  und 
daß  es  genügt,  nur  ein  ganz  klein  wenig  von  seiner  Eitelkeit,  Eifersucht 
und  Eigenbrötelei  zu  opfern,  um  dieses  doppelte  Ideal  gleichzeitigen 
Besitzes  von  Freiheit  und  Macht  verwirklichen  zu  können.  Doch  Bolivar 
war  dieser  Aufgabe  noch  nicht  gewachsen.  Als  er  sah,  wie  unverstanden 
er  blieb,  strebte  er  nach  der  Diktatur  und  wurde  nun  in  demselben  Maße 
un volkstümlich,  wie  er  vorher  verehrt  gewesen  war.  Er  starb,  ohne  jene 
von  ihm  so  ersehnte  Vereinigung  der  sämtlichen  spanischsprechenden 
Amerikaner  erreicht  zu  haben   (17.  Dezember  1830). 

Im  Jahre  1830  sahen  die  südamerikanischen  unabhängigen  Republiken 
in  bezug  auf  die  sie  umschließenden  Grenzen  kaum  viel  anders  als  heute 
aus.  Aber  in  einer  andern  Beziehung  kommen  sie  entschieden  vorwärts 
trotz  aller  Pronunciamentos,  Meutereien,  Aufstände,  Diktaturen  und  Staats- 
streiche, trotz  aller  abenteuerlichen  Generale  und  zweifelhaften  Geld- 
männer: sie  streben  allmählich  dahin,  sich  von  ihrem  Erbübel  zu  befreien, 
das  in  der  Mischimg  der  weißen  Rasse  mit  den  Urbewohnern  und  den 
Schwarzen  besteht.  Die  Auswanderungstätigkeit  von  Weißen  hat  mit  dem 
Fortschritte  des  Aussterbens  von  Mestizen,  Mulatten,  Negern  und  Indianern 
im  Laufe  der  Zeit  fast  gleichen  Schritt  gehalten.  In  der  Berührung  mit 
dem  verfeinerten  abendländischen  Leben,  von  dem  sie  sich  ausschließlich 
den  Lastern  mit  einer  wahren  Tollheit  hingeben,  büßen  diese  Mitglieder 
einer  minderwertigen  Menschenrasse  ihre  ganze  Widerstandsfähigkeit  ein, 
um  den  sie  dann  ganz  besonders  grausam  heimsuchenden  Geißeln  der 
Menschheit,  dem  Alkoholismus  und  der  Tuberkulose,  nunmehr  noch  in 
einem  unvergleichlich  ausgedehnteren  Maße  als  die  weiße  Bevölkerung 
zum  Opfer  zu  fallen.  Träge  und  verständnislos,  wie  sie  diesen  Dingen  gegen- 


360  Siebentes  Buch. 


überstehen,  verkommen  sie  schließlich  in  Siechtum  und  Elend,  bis  sie  aus- 
sterben, während  anderseits  in  derselben  Zeit  eine  beständige  europäische 
Einwanderung,  deren  Ende  auch  für  die  Zukunft  noch  gar  nicht  abzusehen 
ist,  täglich  neues,  frisches  Blut  zuführt. 

Colombia,  Venezuela,  Argentinien,  Peru,  Honduras,  Chile,  Mexiko,  Gua- 
temala, Nikaragua,  Bolivia,  Uruguay,  Ekuador  und  Panama  bilden  auf- 
strebende Republiken,  die  in  raschem  Wachstum  begriffen  und  noch  sicher 
eine  bedeutende  Rolle  in  der  Zivilisation  der  Zukunft  zu  spielen  bestimmt 
sind. 

Brasilien,  die  Ansiedlung  Portugals,  hatte  schon  weniger  harte  Prüfungen 
zu  bestehen  als  die  spanischen  Kolonien.  In  dem  Augenblick,  als  Napo- 
leons französische  Heeresmacht  in  Lissabon  eingerückt  war  (1808),  hatte 
sich,  wie  wir  gesehen  haben,  König  Johann  VI.  von  Portugal  nach  der  Haupt- 
stadt Brasiliens  geflüchtet.  Sein  Aufenthalt  hierselbst  währte  eine  lange 
Zeit.  Erst  im  Jahre  1820  fuhr  er  wieder  nach  Portugal  heim,  nachdem  er 
seinen  Sohn  Don  Pedro  an  der  Spitze  der  brasilianischen  Geschäfte  zurück- 
gelassen hatte.  Aber  die  Brasilianer  zwangen  Don  Pedro  unter  Auf- 
hebung jedes  Untertanenverhältnisses  zu  Portugal,  dessen  König  sein  Vater 
Johann  VI.  war,  dauernd  in  Brasilien  zu  bleiben.  Als  Johanii  VI.  starb 
(11.  März  1826),  folgte  ihm  auf  den  Königsthron  von  Portugal  kein  an- 
derer als  seine  Tochter  Donna  Maria,  während  sein  Sohn  Don  Pedro 
auch  nun  weiter  in  Brasilien  blieb,  um  hier  als  Kaiser  zu  herrschen. 

So  bedeutungsvoll  es  für  Europa  sein  mochte,  wenn  nun  auch  noch 
die  südliche  Hälfte  des  amerikanischen  Weltteils  nach  dem  Vorgang  der 
nördlichen  seine  staatliche  Selbständigkeit  ausgesprochen  hatte,  so  rief 
doch  dieses  weltbewegende  Ereignis  zum  mindesten  im  Augenblick  in 
Europa  weniger  Erregung  hervor  als  der  damalige  von  Erfolg  gekrönte 
Aufstand  der  Hellenen  gegen  die  Türken,  der  ebenfalls  mit  der  Unab- 
hängigkeitserklärung Griechenlands  endete. 

Als  sich  auf  dem  Wiener  Kongreß  die  Verbündeten  in  die  Frankreich 
abgenommene  Beute  teilten,  wurden  aller  Länder  Schicksale  entschieden 
bis  auf  das  der  Türkei,  das  lieber  der  Zukunft  vorbehalten  bleiben  sollte. 
Ein  kluger  Vorbehalt,  hätte  doch  jede  Teilung  des  Ottomanischen  Kaiser- 
reichs Reibungen  schwerster  Art  zwischen  den  Teilenden,  besonders  zwischen 
Zar  Alexander  und  England,  hervorgerufen.  Eine  Täuschung  über  den 
Zustand  dieses  „kranken  Mannes",  unter  welchem  Namen  das  Ottoma- 
nische Reich  bezeichnet  wurde,  war  aber  nicht  möglich.  Völkerschaften  aller 
Zungen,  die  sich  in  Religion  und  Sitten  voneinander  unterschieden  und 
gegenseitig  befehdeten  und  die  in  denselben  Städten  und  Dörfern  neben- 


Die  Herrschaft  der  Wissenschaft.  361 

einander  saßen,  ertrugen  nur  unwillig  die  Herrschaft  einer  habgierigen 
Regierung,  die  selbst  wieder  von  einer  Truppe  von  Janitscharen  abhängig 
war,  die  ihrerseits  feiger  und  käuflicher  waren  als  es  jemals  die  Prätorianer 
des  alten  Rom  oder  irgendeines  ähnlichen  Landes  gewesen  waren.  In  Ser- 
bien, Bosnien,  in  der  Walachei  und  Moldau,  in  Montenegro,  überall  ent- 
standen von  Tag  zu  Tag  neue  Aufstände,  die  die  Regierung  des  Sultans 
mit  äußerster  Grausamkeit  unterdrückte.  Allein,  um  sich  die  Freiheit  zu 
erkämpfen,  nahmen  diese  kriegerischen  und  heldenmütigen  Völker  jedes 
nur  erdenkliche  Opfer  an  Gut  und  Blut  gern  auf  sich. 

Die  Meuterei  nahm  ihren  Ausgangspunkt  in  Rumänien  (1821).  Doch 
ließ  der  Zar  Alexander,  der  zwischen  der  Mystik  des  Absolutismus  und  der 
des  Liberalismus  ewig  wie  ein  Pendel  hin-  und  herschwankte,  die  Ru- 
mänen vollständig  im  Stich.  Gleichwohl  fühlten  die  Griechen,  daß  dies 
der  geeignete  Augenblick  für  ihre  Befreiung  sei.  Schon  lange  suchten  Ge- 
heimbünde (sogenannte  Helarien)  die  Griechen  zu  einer  allgemeinen  Er- 
hebung zu  begeistern,  indem  sie  sie  an  die  alten  ruhmvollen  Tage  von 
Marathon  und  den  Thermopylen  erinnerten.  Als  Kinder  des  Gebirges 
waren  diese  Griechen  alle  geborene  Soldaten,  auch  gaben  sie  kühne  und 
fähige  Seeleute  ab.  Bald  loderte  der  Aufruhr  in  ganz  Griechenland,  und 
noch  ehe  es  den  türkischen  Truppen  gelungen  war,  einzutreffen,  trat  ein 
hellenischer  Kongreß  in  Epidaurus  zusammen  (Januar  1822),  auf  dem  die 
griechische  Unabhängigkeit  verkündet  wurde.  Wie  die  Türkei  es  bei  ähn- 
lichen Anlässen  immer  getan  hatte, -antwortete  sie  auch  hierauf "  mit  einer 
Reihe  von  Kämpfen,  die  fast  stets  siegreich  und  von  .den  blutigsten  Metze- 
leien begleitet  waren.  Die  Insel  Chios  wurde  zurückerobert  (April  1822),  und 
ihre  Bewohner  niedergemacht  (dreiundzwanzigtausend)  oder  als  Sklaven 
verkauft  (siebenundvierzigtausend).  Es  war  ein  VS.ehrei  des  Entsetzens  in 
dem  ganzen  gesitteten  Europa;  doch  das  amtliche  Europa  der  Herrscher 
oder,  mit  andern  Worten,  ihrer  zu  Verona  versammelten  Diplomaten  verhielt 
sieh  dazu  stillschweigend.  •   " 

Die  Regierungen-  konnten  dieses  Stillschweigen  jedoch  nicht  beliebig 
verlängern,  durchzitterte  doch  das  ganze  Abendland  die  einmütigste  Er- 
regung; Engländer,  wie  der  gefeierte  Dichter  Lord  Byron,  Franzosen,  wie 
der  General  Fabvier,  Deutsche,  wie  der  Oberst  Heideck,  eilten  herbei,  um 
mit  den  Hellenen  gemeinsam  in  Reih  und  Glied  zu  kämpfen.  In  London 
war  der  neue  Minister  Ganning  (1822),  obwohl  ein  Tory,  immerhin  so 
liberal,  die  Grundsätze  eines  Castlereagh,  dessen  Nachfolger  er  geworden 
war,  eines  Wellington  und, der  HeiUgen  Alhanz  nicht ^sklavisch  nachzubeten, 
li^  Rußland  hatte  nach  , dem  Tode  des  Zaren  Alexander  I.  nunmehr  sein  ener- 


362  Siebentes  Buch. 


gischer  Bruder  Nikolaus  I.  (1825 — 1855)  den  Thron  bestiegen  und,  sogleich 
von  unbestimmten  panslawistischen  Anwandlungen  beherrscht,  nichts  so 
sehr  als  die  Schwächung  der  Türkei  gewünscht. 

Die  Einnahme  von  Missolunghi  durch  die  Türken  (23.  April  1826)  be- 
stimmte Rußland,  England  und  Frankreich  einzuschreiten,  trotz  Öster- 
reichs, das  den  Überlieferungen  des  Despotismus  noch  immer  treu  war 
und  die  Erhaltung  des  staatlichen  und  monarchischen  Zustandes  für  alle 
Länder  auf  der  Grundlage  des  Friedens  von  181 5  noch  immer  unerschütter- 
lich vertrat.  Bei  Navarino  vernichteten  die  vereinigten  Flotten  von  Eng- 
land, Frankreich  und  Rußland  die  türkische  Flotte  (18.  Oktober  1827). 

Weder  England  noch  Prankreich  setzte  den  Krieg  fort,  doch  der  Zar 
beabsichtigte  nicht,  so  kurz  vor  Konstantinopel  umzukehren.  Da  sich  der 
Sultan  Mahmud  II.  (1808— 1839)  dem  Frieden  gegenüber  ablehnend  ver- 
hielt, marschierte  ein  russisches  Heer  auf  Stambul.  Erst  als  es  bis  nach 
Adrianopel  gelangt  war,  ließ  sich  Mahmud  auf  Verhandlungen  ein  (Sep- 
tember 1829).  Der  Friede  von  Adrianopel  bestätigte  gleichzeitig  die  Un- 
abhängigkeit Griechenlands  wie  die  führende  Stellung  Rußlands  auf  der 
Balkanhalbinsel.  Die  russischen  Kriegsschiffe  erlangten  freie  Durchfahrt 
durch  die  Dardanellen,  und  die  russischen  Soldaten  durften  wenigstens 
bis  auf  weiteres  Bulgarien  besetzen.  Der  Moldau  und  Walachei  aber  wurde 
eine  Art  halbe  Unabhängigkeit  bewiüigt,.  In  der  Tat  bedeutete  das  den 
!  ersten  Anfang  der  Zerstückelung  des  Türkischen  Reiches  mit  allen  den 
auch  bis  heute  noch  nicht  befriedigten  Begehrlichkeiten,  die  diese  Teilung 
entfesseln  sollte. 

Für  das  befreite  Griechenland  und  sein  neues  selbständiges  Staats- 
gebilde wurde  nun  ein  König  gesucht,  der  sich  auch  bald  in  der  Person 
des  Prinzen  Otto  von  Bayern  fand  (7.  Mai  1832).  Athen  wurde  nun  wiedc;r, 
wie  in  den  einstigen  Tagen  hellenischer  Größe,  die  Hauptstadt  des  kleinen 
griechischen  Königreichs. 

Weniger  glücklich  war  Polen  in  einem  Aufstande  gegen  Rußland,  in 
dem  es,  im  Gegensatz  zu  Griechenland  in  dem  seinen  gegen  die  Türkei, 
schließlich  unterliegen  sollte. 

Trotz  mancher  selbstherrlicher  Anwandlungen  war  gleichwohl  Zar  Alex- 
ander I.  im  allgemeinen  von  vornehmer  imd  menschlicher  Gesinnung. 
Aber  sein  Nachfolger,  der  noch  ganz  jugendliche  Nikolaus  I.,  war  von 
einer  unerbittlichen  Grausamkeit  und  erbarmungslosen  Härte.  Er  hatte 
seine  Thronfolge  lediglich  den  ziemlich  eigenartigen  Umständen  des  Aus- 
bruches der  Revolution  der  Dekabristen  (Dezembermänner)  zu  verdanken 
(26.    [14.]  Dezember   1825)   und  seit  jenen  unruhigen  Tagen  einen  tiefen 


Die  Herrschaft  der  Wissenschaft.  363 

Haß  gegen  alles  bewahrt,  was  nur  irgendwie  mit  Umsturz  zusammen- 
hing, wobei  es  ihm  ganz  gleichgültig  war,  wie  sich  der  Umsturz  äußerte, 
ob,  wie  er  sich  auszudrücken  pflegte,  in  jakobinischer  oder  in  polnischer 
Gestalt. 

Doch  fürs  erste  gab  er  sich  den  heuchlerischen  Anschein,  als  ob  er 
Polen  einige  Selbständigkeit  unter  seinem  Zepter  lassen  wollte.  Auf 
Grund  der  Abmachungen  von  181 5  war  er  König  von  Polen  und  Kaiser 
von  Rußland.  Doch  die  Nachrichten  aus  Paris  von  den  verschiedenen  in 
Frankreich  und  den  anderen  europäischen  Ländern  gelungenen  Revolu- 
tionen ermunterten  auch  die  Polen  sich  zu  erheben  (29,  November  1830), 
Die  polnischen  Soldaten,  die  damals  mit  den  russischen  gemeinsam  in  Reih 
und  Glied  ins  Heer  eingestellt  wurden,  traten  sofort  auf  die  Seite  der  Auf- 
ständischen, die  die  Absetzung  des  Zaren  Nikolaus  verkündeten. 

Doch  nur  zu  bald  war  die  Ordnung  im  russischen  Heer  wiederherge- 
stellt, das  nun  zu  erfolgreichem  Angriff  überging. 

So  außerordentlich  volkstümlich  auch  die  Sache  der  Polen  in  England 
und  ganz  besonders  in  Frankreich  war,  so  wagten  doch  weder  Frankreich 
noch  England  dazwischenzutreten. 

Die  Polen  kämpften  äußerst  heldenmütig.  Ja,  zu  Anfang  dieses  blu- 
tigen Krieges  errangen  sie  sogar  in  der  einen  Woche  vom  19.  bis  25.  Februar 
1831  nicht  weniger  als  vier  wirklich  große  Siege  unter  den  Generalen  Chlo- 
picki,  Dwernicki,  Skrzynecki  und  Krukowiecki,  deren  Namen  damals  in 
ganz  Europa  gefeiert  wurden.  Doch  dieser  Erfolg  war  nur  von  kurzer 
Dauer!  Nach  einem  für  beide  Seiten  äußerst  blutigen  Siege  über  die  Polen 
unter  ihrem  General  Skrzynecki  (26.  Mai  1831)  rückte  das  russische  Heer, 
das  nur  durch  seine  überlegene  Artillerie  gesiegt  hatte,  bis  Warschau  vor, 
das  es  trotz  hartnäckigen  Widerstandes  doch  schließUch  zur  Übergabe 
zwaiig  (7.  September  1831).  Von  dem  besiegten  heldenmütigen  Heere 
konnten  sich  nur  einige  ärmliche  Trümmer  retten,  die  in  Österreich  und 
Preußen  Aufnahme  fanden. 

Das  war  das  Ende  der  polnischen  Unabhängigkeit,  aber  nicht  das 
Ende  Polens.  Vergebens  sollte  die  Regierung  des  Zaren  mit  Verbannungen 
in  die  sibirischen  Einöden,  Hinrichtungen  und  Gütereinziehungen  um  sich 
werfen,  vergebens  sollte  sie  den  Gebrauch  der  polnischen  Sprache  ächten 
und  statt  dessen  den  Polen  die  Sprache,  die  Münzen,  die  Gerichte  und 
die  Sitten  Rußlands  aufzuzwingen  suchen:  es  sollte  ihr  doch  nicht  ge- 
lingen, das  Volkstum  von  fünfzehn  Millionen  Menschen  zu  vernichten. 
Gesetzt  den  Fall,  sie  könnte  zu  irgendeiner  Zeit  selbst  Preußens  und  Öster- 
reichs Einverständnis  erhalten,   wie  sollte  sie  es  auch  dann  nur  zustande 


364  Siebentes  Buch. 


bringen,  eine  Nation  daran  hindern  zu  wollen,  ihre  Künstler  und  ihre  Dichter 
zu  besitzen  und  die  Erinnerung  an  ihre  Helden  in  alle  Ewigkeit  lebendig  zu 
bewahren. 

Aber  auch  Rußland  selbst  wurde  der  augenscheinliche  Russifizierungs- 
versuch  Polens  verhängnisvoll.  Es  vollzog  sich  nun,  besonders  nach  Frank- 
reich, eine  Auswanderungsbewegung  polnischer  Flüchtlinge,  die  überall 
in  der  Welt  einen  heiligen  Haß  gegen  Rußland  und  russischen  Despotismus 
predigten.  Die  Polen  bildeten  damals  unter  den  Slawen  bei  weitem  die 
auserlesensten  Elemente,  wie  es  einstens  unter  den  Franzosen  jene  durch 
die  Widerrufung  des  Ediktes  von  Nantes  verbannten  und  in  den  verschie- 
denen deutschen  Staaten,  besonders  in  Preußen  gastfreundlich  aufgenom- 
menen Hugenotten  gebildet  hatten.  Dadurch,  daß  der  Zar  die  Polen  da- 
mals so  grausam  behandelte,  hat  er  nicht  nur  diese  ausgezeichnetsten  unter 
seinen  Untertanen  verloren,  sondern  sich  sogar  aus  ihnen  allen  die  unver- 
söhnlichsten Feinde  gemacht. 

Auch  mit  dem  Polnischen  Aufstande  sind  noch  nicht  alle  Wirkungen 
der  Pariser  Julitage  des  Jahres  1830  auf  das  weitere  Europa  erschöpft;  sie 
erstrecken  sich  bis  nach  Belgien,  das  damals  dazu  kam,  sich  von  Holland 
zu  trennen.  Belgien  war  schon  in  jenen  Tagen,  ganz  wie  noch  heute,  zu 
gleichen  Teilen  zwischen  den  flämischsprechenden  Flamländern  und  den 
französischsprechenden  Wallonen  geteilt.  Aber  trotz  ihrer  gleichen  Sprache 
neigten  doch  die  flämischen  Belgier,  die  glühende  Katholiken  waren,  nur 
wenig  zu  ihren  holländischen  Stammesgenossen  hin,  die  in  der  Mehrzahl 
Protestanten  sind.  Andererseits  wollten  auch  nicht  die  großen  wallonischen 
Städte  wie  Lüttich  und  Brüssel  die  flämische  Sprache  bei  sich  einfach 
durch  Zwang  einführen  lassen.  So  erhob  sich  im  August  1830  ganz  Belgien ; 
in  dem  aus  Belgiern  und  Holländern  gemischten  Heere  trat  eine  Spaltung 
.ein;  die  belgischen  Offiziere  und  Soldaten  machten  die  nationale  Sache 
zu  der  ihrigen  derart,  daß  jede  Unterdrückung  dieser  Bewegung  von  vorn- 
herein unmöglich  war.  Eine  einstweilige  Regierung  beschloß  Belgiens 
Selbständigkeit  (4.  Oktober  1830). 

Ehe  nun  die  Belgier  und  Holländer  die  Entscheidung  über  ihr  Schicksal 
durch  einen  Krieg  herbeiführten,  waren  sie  so  verständig,  sich  dahin  zu 
einigen,  sich  lieber  der  Entscheidung  der  Mächte  anzuvertrauen  (Londoner 
Konferenz  1831).  Es  kam  eine  Verständigung  zustande,  der  zufolge  Belgien 
ein ,  selbständiges  Königreich  mit  einer  von  den  Großniächten  gewähr- 
leisteten Neutralität  bilden  sollte.  Ein  deutscher  Prinz  aus  dem  herzog- 
lichen Hause  Sachsen- Koburg  war  dazu  ausersehen,  unter  dem  Namen 
Leopold  1.^(18514-1865),  die  Reihe  der  belgischen  "Könfgef  zu  eröffnen. 


Die  Herrschaft  der  Wissenschaft.  365 

Ein  Jahr  lang  wollte  sich  allerdings  noch  König  Wilhelm  I.  von  Holland 
(1815 — 1840)  diese  Abtretung  eines  Teiles  seines  Königreiches  nicht  ge- 
fallen lassen,  so  daß  erst  ein  französisches  Heer  und  die  enghsche  Flotte 
zu  seiner  Hilfe  kommen  mußten,  um  die  Holländer  zum  Verlassen  der  von 
ihnen   besetzten    Stadt   Antwerpen   zu   zwingen. 

So  führte  die  ursprünglich  ausschließlich  auf  französischen  Boden  be- 
schränkte Julirevolution  des  Jahres  1830  in  allen  nur  möglichen  Ländern 
eine  starke  liberale  Bewegung  herbei,  besonders  auch  in  England.  Bei 
seinem  so  weisen  Volke,  in  dem  sich  so  viel  edler  Idealismus  mit  so  viel 
praktischer  Klugheit  vereint,  vollzog  sich  auch  damals  eine  Bewegung  ohne 
jede  Erregung  und  ein  Aufschwung  ohne  jeden  Umschwung,  eine  friedliche 
Neugestaltung  ohne  gewaltsame  Umgestaltung,  ein  Aufstieg  ohne  Umsturz. 
Es  hatte  sich  ja  auch  in  dem  Britischen  Inselreich  schon  volle  zwei 
Jahrhunderte  das  parlamentarische  Regierungssystem  eingeführt,  aber  es 
wurde,  wenn  auch  nicht  gerade  grundsätzlich,  so  doch  jedenfalls  tatsächlich 
durch  ein  so  mangelhaftes  Wahlsystem  gefälscht,  wie  man  es  sich  heute 
kaum  vorstellen  kann.  Gewisse  Abgeordnete  wurden  von  nicht  mehr  als 
etwa  zwanzig  Wählern  ins  Parlament  gesandt;  in  anderen  Wahlkreisen 
hatten  Großstädte  wie  Manchester  und  Liverpool  nicht  einen  einzigen 
Abgeordneten  für  sich  allein. 

Die  größte  Sprge  der  englischen  Liberalen  (Whigs)  bildete  die  Reform 
dieses  Wahlsystems.    Im   Gegensatz^  zu/ ihnen'  hingen  die  Tories   an  ..der 
Aufrechterhaltung  der  Überlieferungen.    Aber  als  wahrhafte  Staatsmänner 
Kaben  weder  die  Whigs  noch  die  Tories  jemals  ihren  Eigensinn  oder  ihre 
Macht  auf  die  äußerste  Spitze  getrieben,  und  die  Tories,  die  im  Parlamente 
bisher  stets,  die   Mehrheit  hätten,   daher  auch  nieinals   eines   von  beide» 
mißbraucht.     Sie  gaben   auch   mal   nach.    Ein    so   hervorfagehder   Tory- 
minister  wie  Canning  ging,  auf  jeden  nur  irgend  vorgebrachten  Reform- 
vorschlag verständnisvoll  eiti,  sein  Nachfolger  Sir  Robert  Peel  desgleichen; 
.  Das  Unterhaus  {'//oüse  0/  Common« j  des  Jahres  1832,  das  zum  ersten  Male 
•nach  dem  neuen  Wahlsysteme  gewählt  worden  war  und  den  Volksvvillen 
so  treu  widerspiegelte  wie  noch  nie  zuvor,  trat  nunmehr  für  die  Whigs , statt 
der  bisherigen  Tori6s  ein,  oder^  w^  dasselbe  ist,  wur<ie  Uberal.    Vierzig 
'  Jahre  lang  hatten  die  Tories  die  Macht  behauptet,  und  nun  sollte  die  .Partei 
der  Whigs  auch  gerade  wieder  vierzig  Jahre  die  Mehrheit  haben.      '     ... 
So  beseitigten  aus  der  altehrwürdigen  englischen  Verfassung  bald  die 
Tories,  bald  die  Whigs  ganz  allmählich  all  die  mancherlei  Bestimmungen, 
die  an  jener  irgendwie   veraltet   waren  oder  den   Stempel  irgendwelcher 
Härte    oder    Unduldsamkeit    trugen,     ^ögen    in    England    die   .Minister 


366  Siebentes  Buch. 


liberal  oder  konservativ  sein,  sie  beobachten  stets  das  gleiche  poHtische 
Verhalten,  vermöge  dessen  sie  niemals  die  notwendig  gewordenen  Re- 
formen zurückzuweisen  wagen,  sondern  vielmehr  stets  verstehen  werden, 
die  altvertrauten  Gewohnheitsrechte  und  die  bisweilen  schon  Jahrhunderte 
bestehenden  Gesetzgebungen,  ohne  sie  deshalb  völlig  umzustürzen,  doch  der 
Neuzeit  gemäß  zu  gestalten. 

Diese  Nachgiebigkeit,  diese  Besonnenheit,  diese  Weisheit  waren  den 
politischen  Parteien  Frankreichs  völlig  unbekannte  Dinge.  Auch  dort 
wäre  eine  Wahlreform  nötig  gewesen;  doch  die  Regierung  eines  Ludwig 
Philipp  war  weder  verständig  genug,  sie  aus  eigenem  Antrieb  vorzu- 
sehlagen noch  auch  von  den  Parteien  anzunehmen.  Und  die  Opposition 
hinwiederum,  anstatt  mit  einer  Wahlreform  vorlieb  zu  nehmen,  machte 
sogleich  Revolution  (24.   Februar   1848). 


In  den  Jahren  181 5 — 1848  hatte  sich  die  wirtschaftliche  und  gesell- 
schaftliche Lage  Europas  von  Grund  aus  umgestaltet.  Es  war  die  Groß- 
industrie entstanden,  und  eine  völlig  neue  Gesellschaftsklasse  war  in  die 
Erscheinung  getreten;  es  war  das  die  Arbeiterklasse,  die  die  alte  Gesell- 
schaftsordnung entweder  überhaupt  gar  nicht  oder  doch  so  gut  wie  gar 
nicht  kannte. 

Es  war  die  Dampfmaschine,  die  damals  in  der  Tat  die  Bedingungen 
des   menschlichen    Lebens    gänzlich    verschoben   hatte. 

Sie  führte  sich  zunächst  nur  langsam  ein  und  breitete  sich  kaum  merklich 
aus;  doch  dann  um  1825  herum  nahm  sie  mit  einem  Male  einen  raschen, 
ungewöhnlichen,   ja  geradezu   glänzenden   Aufschwung. 

Schon  im  Jahre  1699  war  der  Franzose  Denis  Papin  (1647 — 171 1)  zu  der 
Erkenntnis  gekommen,  daß  das  in  einem  geschlossenen  Gefäß  erwärmte 
Wasser  eine,  man  kann  wohl  sagen,  unbeschränkte  Dehnbarkeit  besitze. 
Er  hatte  auch  schon  eine  Feuermaschine,  wie  er  sie  nannte,  d.  h.  einen  mit 
Wasser  gefüllten  und  durch  eine  Flamme  erhitzten  Kessel  ersonnen.  Ein 
Schiff,  das  mit  dieser  Maschine  ausgestattet  war,  wurde  von  ihr  in  Be- 
wegung gesetzt  und  vorwärts  getrieben,  ohne  daß,  was  damals  etwas  ganz 
Unerhörtes  war,  die  Hilfe  des  Windes  oder  der  Ruder  in  Anspruch  ge- 
nommen zu  werden  brauchte.  James  Watt  (1736 — 1819)  hatte  im  Jahre 
1769  eine  erste  derartige  Dampfmaschine  für  verschiedene  industrielle 
Zwecke  gebaut.  Im  Jahre  1803  stellte  ein  Amerikaner  Robert  Fulton  (1765 
bis  181 5)  einen  Schaufelraddampfer  her,  den  er  dem  Ersten  Konsul  der 
französischen    Republik   für   seine    Seeunternehmungen    vergeblich   anbot. 


Die  Herrschaft  der  Wissenschaft.  367 

Doch  darum  verzagte  Fulton  nicht,  sondern  fertigte  vielmehr  immer  neue 
steamers  an,  so  daß  es  im  Jahre  181 5  im  Gegensatz  zum  damahgen  euro- 
päischen Kriegsschauplatze  in  Amerika  bereits  einige  Dampfschiffe  gab. 

Etwa  um  dieselbe  Zeit  begann  auch  die  Verwendung  der  Steinkohle 
zu  Heizzwecken.  Die  Steinkohlenlager,  an  denen  "England,  Belgien,  West- 
falen und  das  nördliche  Frankreich  so  reiche  Bodenschätze  besitzen,  be- 
gannen damals  ausgebeutet  zu  werden. 

Im  Jahre  1814  erbaute  der  Engländer  George  Stephenson  (1781 — 1848) 
zum  erstenmal  eine  Lokomotive,  die  schwere  Lasten  auf  einem  Eisen- 
geleise zu  Newcastle  mit  einer  Geschwindigkeit  von  zwanzig  Kilometern 
in  der  Stunde  fortzuschaffen  vermochte.  Bald  wurden  überall  Eisenbahnen 
mit  mehr  oder  weniger  vollkommenen  Lokomotiven  angelegt.  Im  Jahre 
1829  ging  bereits  eine  Eisenbahn  von  Liverpool  nach  Manchester  und  eine 
zweite  in  Frankreich  von  Saint-Etienne  nach  Andrdzieux,  die  1832  bis 
Lyon  erweitert  wurde,  und  im  Jahre  1835  eine  dritte  von  Paris  nach 
Saint-Germain.  In  demselben  Jahre  wurde  auch  in  Deutschland  die  erste 
Eisenbahn  auf  der  Strecke  zwischen  Nürnberg  und  Fürth  eröffnet,  in  den 
Jahren  1837 — 1839  die  Eisenbahnverbindung  zwischen  Leipzig  und  Dresden 
vollendet,  aber  erst  1838  eine  Eisenbahn  in  Preußen  bei  Berlin  für  die 
kurze  Strecke  zwischen  Zehlendorf  und  Potsdam  angelegt.  Aber  schon 
im  Jahre  1845  war  ganz  Europa  von  Eisenbahnen  durchfurcht,  und  ebenso 
die  Meere  von  Steamers  durchlaufen.  Werkstätten  zum  Bau  dieser  ge- 
flügelten Kraftmaschinen  erstanden  überall,  imd  das  Antlitz  der  Welt  hatte 
sich   nun   mit   einem    Schlage   verändert. 

Diese  dreifache  Neuerung,  Steinkohle,  Eisenbahn  und  Dampfschiff, 
bedeutet  geradezu  die  Welt  der  Gegenwart,  und,  wenn  es  natürlich  auch 
unmöglich  ist,  dieser  sich  nur  schrittweise  vollziehenden  Umwälzung  ein 
bestimmtes  Datum  zuzuweisen,  so  steht  doch  soviel  fest,  daß  um  das 
Jahr  1848  die  heutige  industrielle  Welt  bereits  in  ihrer  vollen  Jugendkraft 
steht. 

Durch  die  Eisenbahnen  werden  die  Verkehrsmöglichkeiten  zwischen 
den  Menschen  leichter,  bequemer,  weniger  kostspielig  und  demzufolge  auch 
zahlreicher.  Man  fährt  von  Berlin  nach  Madrid  nur  drei  Tage,  wozu  man 
früher  einen  ganzen  Monat  brauchte,  von  New  York  nach  Peking  nicht 
mehr  als  drei  Wochen,  wozu  man  einst  ein  halbes  Jahr  gebraucht  hatte. 
Zwischen  den  einzelnen  Städten  innerhalb  unserer  im  Vergleich  zu  Amerika 
verhältnismäßig  so  kleinen  europäischen  Staaten  gibt  es  überhaupt  keine 
Entfernungen  mehr.  Es  ist  heut  leichter,  von  Paris  nach  Ronen  zu  fahren, 
als  einstens  von  Paris  nach  Versailles.  Manchester  Hegt  heute  vor  den  Toren 


36Ö  Siebentes  Buch. 


xU 


Londons,  Florenz  vor  denen  Roms,  Trouville  vor  denen  von  Paris  und 
Heringsdorf  vor  denen  von  Berlin.  Die  vereinsamten  Provinzen  entwickeln 
sich  zu  den  Vororten  der  Hauptstädte, 

Dieses  Näherrücken  der  Entfernungen  zeigt  sich  bei  dem  Güterverkehr 
vielleicht  noch  deutlicher,  als  es  schon  bei  dem  Personenverkehr  der  Fall 
ist.  Die  Erzeugnisse  der  fernsten  Länderstriche  und  die  fremdesten  Lebens- 
mittelwaren kann  der  Käufer  ganz  mühe-  und  kostenlos  in  den  Waren- 
häusern in  Augenschein  nehmen.  Mit  dem  Verkehr  wächst  auch  Wohlstand 
und  Wohlbehagen.  Was  einst  nur  einigen  wenigen  glücklichen  Begüterten 
vorbehalten  war,  ist  heute  den  Ärmsten  der  Armen  zugänglich. 

^  Mit  der  Ausdehnung  des  Welthandels  und  der  Erleichterung  des  Reise- 
verkehrs erfolgt  auch  eine  Umbildung  aller  Anschauungen  und  eine  Er- 
weiterung aller  geistigen  Gesichtskreise.  Der  einzelne  Mensch  kann  nirgends 
mehr,  wie  einst,  in  seine  kleinere  oder  größere  Heimatstadt  eingeschlossen. 
Tag  um  Tag  in  denselben  veralteten  Überlieferungen  verbauern  und  ver- 
sauern. Jeder  einzelne  ist  genötigt,  den  von  draußen  überall  widerhallenden 
Nachrichten  ein  Ohr  zu  leihen.  Jeder  einzelne,  er  mag  wollen  oder  nicht, 
ist  einfach  gezwungen,  zu  den  großen  Meinungskriegen,  mö^en  sie  sogar 
nur  in  der  Ferne  wüten,  auch  persönliche  Stellung  zu  nehmen  und  die 
großen  Fragen,  die  die  übrigen  Menschen  erregen,  auch  selbst  kennen 
zu  lernen,  besonders  aber  sich  auch  ein  wenig  mit  den  Naturwissenschaften 
vertraut  zu  machen,  die  überall  hindringen,  alles  umgestalten  und  durch 
die  täglich  neueroberten  Wahrheiten  auch  täglich  neue  Aussichten  eröffnen. 
Das  Weltbürgertiim  oder  der  Kosmopolitismus,  den  das  Griechentum  trotz 
seiner  vielen  überseeischen  Unternehmungen  so  gar  nitht  und  das  Mittel- 
alter noch  viel  weniger  kannte  und  den  selbst  die  Künstler  der  Renaissance 
und  die  Enzyklopädisten  des  Jahres  1760  nur  einer  kleinen,  auserlesenen 
Schar  zugute  kommen  zu  lassen  sich  gedrungen  fühlten,  wird  ein?  Alltäg- 
lichkeit,  die  sich  auch  den  kleinsten  Leuten  in  jedem  Augenblick  ihres 

"Daseins  von  selbst,  auf  drängt. 

i  Mit  den  Eisenbahnen,  den  elektrischen  Telegraphen  und  der  Tagespresse 
bildet  die  Menschenwelt  in  der  heutigen  Zeit  ein  gegliedertes  Ganzes,  dessen 
einzelne  Teile  ohne  Ausnahme  sämtlich  bewußt  miternpfiadend  ineinander- 

,   greifen.  \ 

'  Dieses.  Gegenseitigkeits-  und  Gemeinschaftsgefühl  ^uhter  den  Menschen, 
das  noch  der  Traum  des  18.  Jahrhunderts  war,  ist  nun  eine  Wirklichkeit 
geworden^  die  •  sich  weniger  kraft  irgendeines  Grundsatzes  als  der  Gewalt 
einer  bestimmten  Tatsache  durchgesetzt  hat.  Durch  keinem -abstrakten 
Vernünfteleien,  nein,,  vielmehr  durch   die  •Allherrschaft-  ^er-  Naturwissen- 


Die  Herrschaft  der  Wissenschaft.  36g 

Schäften  hat  es  sich  in  unsere  Welt  eingeführt.  Das  gegenseitige  Gemein- 
schaftsgefühl zwischen  zwei  beliebigen  Europäern  ist  heute  größer,  als  es 
noch  zur  Zeit  Ludwigs  XIV.  auch  nur  zwischen  einem  Bretonen  und  einem 
Provenzalen  war.  Ein  gemeinsames  Band  verbindet  die  gesamte  gesittete 
Menschheit,  und  das  Band  ist  so  stark,  daß  ein  Krieg  zwischen  den  Völkern 
auch  die  sämtlichen  furchtbaren  Merkmale  eines  Bürgerkrieges  haben  würde. 

Bereits    vierhundert   Jahre    vor   unserer    Zeit   hatte    die   Erfindung   der     ,__ 
Buchdruckerkunst,  wie  wir  gesehen  haben,  bewirkt,  daß  der  einzelne  Mensch 
seine  Gedanken  durch  Niederschrift  allen  Menschen  mitzuteilen  vermochte. 
Heute  aber  kann  jeder  Bürger  der  Welt  dank  der  Einrichtungen  der  Eisen- 
bahnen auch  bei  der  größten  Entfernung  andere  Weltbürger  sogar  mit 
leibhaftigen   Augen   sehen,   verstehen   und   kennen  lernen,   ja  in   wenigen 
Tagen  den  ganzen  europäischen  Erdteil  durcheilen.    „Es  gibt  zwei  große 
Abschnitte  in  der  Weltgeschichte,"  pflegte  der  große  Geschichtschreiber|^,^i/^ 
Victor    Duruy    zu    sagen,    ,,den    einen    bis    zur    und    den    anderen  seit      -rp- 
der  Einführung  der  Eisenbahnen."  -""^ 

Die  Ausnutzung  der  Dampfkraft  hat  noch  unzählig  viele  weitere  Folgen 
mit  sich  geführt.  Zunächst  ist  sie  eine  Quelle  des  Reichtums  für  die 
Länder  geworden,  deren  Untergrund  kohlenhaltig  ist,  besonders  also  . 
für  England.  Der  Wohlstand  der  Völker,  die  in  der  glücklichen  Lage 
waren,  den  kostbarsten  Heizstoff  zu  besitzen,  hat  sich  in  einem  ung-eahnten 
Maße  gehoben.  Es  hat  sich  in  der  Tat  herausgestellt,  daß  die  Ausbeutung 
der  Kohlengruben  ersprießlicher  gewesen  ist  als  die  Förderung  des  Goldes, 
ja  auch  als  der  Getreidebau.  Auf  den  Steinkohlengeländen  haben  Volks- 
massen, dicht  aneinandergedrängt,  trotz  engen  Raumes  in  großer  Zahl 
zu  leben  und  sogar  Ersparnisse  zu  machen  gewußt.  Früher  stand  die  Volks- 
dichtigkeit im  engen  Verhältnis  zu  der  Menge  des  Brotes,  die  der  Boden 
hervorzubringen  vermochte;  jetzt  kennt  sie  keine  Beschränkung  mehr, 
da  die  Steinkohlenlager  ohne  Übertreibung  unerschöpflich  sind.  So  haben 
Sachsen,  Belgien  und  England  trotz  der  verhältnismäßig  geringen  Um- 
fänglichkeit ihres  Gebietes  bedeutende  Völkerschaften  zu  werden  verstanden 
und  sind  es  auch  tatsächlich  geworden. 

Die  Gewinnung  der  Steinkohlen  und  die  Verwendung  der  Maschinen 
haben  als  unmittelbares  Ergebnis  eine  sehr  folgenschwere  Erscheinung 
gehabt,  nämlich  die,  daß  die  Fluren  mehr  oder  weniger  verlassen  worden, 
die  Städte  aber  iils  Maßlose  gewachsen  sind.  Vor  Jahr  und  Tag,  beispiels- 
weise noch  1789,  unterschied  man  Adlige,  Priester,  Bürger  und  Bauern. 
Jetzt  nun  taucht  mit  einem  Male  eine  neue  Gesellschaftsklasse  auf,  die 
eine  gewisse  Mittelstellung  zwischen  Bauern  und  Bürgern  einnimmt,  aber 


370  Siebentes  Buch. 


sich  von  beiden  unterscheidet:  die  Arbeiter.  Sie  sind  keine  Bauern;  denn 
sie  bebauen  nicht  den  Boden.  Sie  sind  keine  Bürger;  den  sie  leben  von  der 
Arbeit  ihrer  Hände.  Zwar  sind  sie  aufgeklärter  als  die  Bauern,  doch 
haben  sie  weder  deren  sprichwörtliche  Klugheit,  noch  deren  Gefügigkeit. 
Ihr  Leben  und  Denken  ist  ein  gemeinschaftliches;  gemeinschaftlich  lassen 
'sie  sich  von  plötzlichen  Antrieben  hinreißen,  die  sich  oft  gar  nicht  erklären 
lassen,  aber  sie  so  begeistern,  wie  sich  eben  nur  Massen  begeistern  lassen. 
An  den  alten  Sitten  hängen  sie  nicht,  sondern  sind  vielmehr  veränderungs- 
süchtig, voll  Vertrauensseligkeit  zu  allen  neuen  Ideen,  voll  Glauben  an  einen 
unbestimmten  idealen  Fortschritt  und  zu  allen  möglichen  Traum  Vorstel- 
lungen bereit,  um  nur  zu  bald  aus  ihren  zauberhaften  Gaukelspielen  um 
so  ernüchterter  aufzuwachen,  bei  allem  ihrem  Hunger  nach  Gerechtigkeit 
selber  ungerecht,  doch  darum  nicht  weniger  bedauernswert,  wird  doch  ihr 
Kampf  ums  Dasein  von  Tag  zu  Tag  erbitterter. 

Was  wohl  noch  weiter  den  besonderen  Geist  des  Arbeiters  charakterisiert, 
so  wie  er  um  1848  hervorzutreten  beginnt,  ist  jenes  den  Bauern  noch  voll- 
kommen unbekannte  Zusammengehörigkeitsgefühl.  Der  Landmann  klebt 
an  dem  Stück  Erde,  das  er  beackert  hat,  und  besucht  höchstens  seine 
nächsten  Nachbarn,  und  auch  sie  nur  selten  und  mißgünstig.  Sein  schwei- 
fender Blick  geht  nicht  über  den  Turm  seiner  Dorfkirche,  seine  Sorge  über 
seine  Scholle  und  der  Kreis  seiner  Vorstellungen  über  seine  Ortschaft 
hinaus.  Im  Gegensatz  hierzu  kennt  der  Arbeiter  etwas  von  der  großen 
.Welt  draußen;  er  liest,  er  begreift,  er  findet  Geschmack;  er  betrachtet  sich 
als  den  Bruder  der  Menschen,  die  sich  mit  ihm  gemeinsam  quälen,  und 
verteidigt  ihre  Interessen,  die  ganz  ebenso  die  seinen  sind,  mit  allen  nur 
erdenklichen  Mitteln,  als  da  sind  Arbeitseinstellimgen,  Versammlungen, 
Vereine,    Genossenschaften    und    Gewerkschaften. 

Ehemals,  als  noch  nicht  die  großen  Werkstätten  und  Fabriken  bestanden, 
gab  es  Handwerker,  die  da  arbeiteten,  um  zu  leben,  nur  in  kleiner  Zahl 
und  vereinzelt;  sie  waren  also  machtlos.  Aber  vom  Jahre  1820  und 
besonders  vom  Jahre  1840  ab  sollte  sich  reichlich  Gelegenheit  bieten, 
gewaltige  Fabrikstädte  aus  der  Erde  emporwachsen  zu  sehen,  wie  Man- 
chester oder  Birmingham,  wo  eine  gewaltige  Arbeiterb evölkerung,  also 
eine  ganz  neue  Gesellschaftsklasse,  mit  einer  glühenden  Leidenschaft  alle 
nur  irgend  schwebenden  Fragen  aus  dem  Wirtschafts-  und  Staatsleben 
erörtern  sollte,  dermaßen,  daß  die  Regierungen,  wenn  sie  sich  nicht 
der  Gefahr  aussetzen  wollten,  zu  unterliegen,  auf  die  Interessen  und  Be- 
strebungen   der   Arbeiter    Rücksicht   nehmen   mußten. 

Die    Entstehung    einer    ganz    neuen    Gesellschaftsklasse,    nämlich    der 


Die  Herrschaft  der  Wissenschaft.  371 

Arbeiterklasse,  gibt  dem  19,  Jahrhundert  sein  wesentUches  Gepräge;  sie 
ist  eins  von  den  großen  Ereignissen  der  Geschichte. 

Wie  alle  menschlichen  Einrichtungen,  war  also  auch  das  Eindringen 
der  Maschinen  etwas  Gutes  und  etwas  Schlechtes  zugleich.  Etwas  Gutes, 
ist  doch  die  Kraft  des  Menschen  verzehnfacht  und  verhundertfacht  worden, 
ja  noch  weit  mehr,  da  doch  ein  Arbeiter,  der  beispielsweise  eine  Webe- 
maschine bedient,  in  einem  Tage  eine  größere  und  bessere  Leistung  zu- 
stande bringen  kann  als  ehemals  zweihundert  Handweber.  Gegenstände, 
die  einstens  zu  den  seltensten  und  kostbarsten  gehört  haben,  werden  heute 
in  Massen  erzeugt;  Stoffe,  Eisenwaren,  Porzellanwaren,  ja  Bücher  werden 
heute  mit  so  geringen  Kosten  hergestellt,  daß  sie  zu  wohlfeilem  Preise 
verkauft  werden,  und  daß  heutzutage  der  ärmste  Handwerker  ein  Wohl- 
leben genießt,  wie  es  in  vergangenen  Zeiten  noch  dem  reichsten  Herrn 
unbekannt  war.  Aber  es  hat  auch  alles  seine  Schattenseite.  Sobald  die 
Löhne  unauskömmlich  sind,  sobald  Arbeitslosigkeit  oder  Niederlegung  der 
Arbeit  eintritt,  dann  ist  nun  gleich  eine  ganze  Bevölkerung  in  drückendste 
Not  geraten.  Ja  bisweilen  kommt  es  vor,  daß  in  einer  blühenden  Industrie 
die  Arbeiter,  die  doch  selbst  die  Schöpfer  dieser  Blüte  sind,  in  elenden  und 
schmutzigen  Löchern  von  Wohnungen  dahinsiechen  und  nicht  satt  zu 
essen  haben. 

Gleichviel,  ob  sie  nun  glückhch  oder  verhängnisvoll  zu  nennen  sind, 
in  jedem  Falle  wurden  diese  Folgen  des  Maschinenwesens  zuerst  in  England 
sichtbar.  Nach  der  schrecklichen  Krise,  die  die  englische  Industrie  gleich 
bei  ihrem  Entstehen  durchzumachen  hatte  (1793 — 181 5),  erholte  sie  sich 
auch  ebenso  schnell  wieder.  Die  durch  die  Kontinentalsperre  gehemmte 
Ausfuhr  nahm  seit  181 5  eine  unerwartete  Entwicklung:  Schiffswerften, 
Webereien,  Hüttenwerke,  Hochöfen  erstanden  im  ganzen  Lande,  so  daß  die 
Industriearbeit  förmUch  aus  der  Erde  schoß.  Aber,  da  keine  Arbeiterschutz- 
gesetzgebung vorhanden  war,  um  unvorhergesehenen  Mißbräuchen  steuern 
zu  können,  machten  sich  große  Mißstände  geltend,  die  bald  noch  viel 
schlimmer  wurden.  Da  viele  Bauern  die  Feldarbeit  im  Stiche  gelassen 
hatten,  um  Arbeiter  zu  werden,  stieg  auch  der  Preis  des  Brotes.  Die  oft 
von  der  traurigsten  Not  heimgesuchten  Bedürftigen  mehrten  sich  in  Stadt 
und  Land.  Das  Oberhaus  (House  of  Lords),  das  ausschließUch  aus  Grund- 
besitzern bestand,  weigerte  sich  jedoch,  die  Einfuhrzölle  abzuschaffen,  die 
auf  ausländischem  Getreide  ruhten  und  damit  das  Brot  verteuerten. 

Da  trat  im  Jahre  1837  ein  Mann  auf,  dessen  großzügige  und  hochherzige 
Wirksamkeit  zum  Reichtum  und  zur  Größe  Englands  gewaltig  beigetragen 
hat:  Richard  Cobden  (1804— 1865). 


372  Siebentes  Buch. 


I  I 


Cobden  erkannte  als  einer  der  ersten  etwas,  was  doch  an  sich  so  klar 
und  einleuchtend  ist,  daß  nämlich  einen  Zoll  auf  das  Getreide  legen  nichts 
anderes  heiße,  als  das  Brot  teurer  liiachen.  Er  erkannte,  was  doch  an 
sich  nicht  weniger  klar  und  einleuchtend  ist,  daß  auch  einen  Zoll  auf  die 
ausländischen  Waren  legen  wieder  nichts  anderes  heiße,  als  das  tägliche 
Leben  für  jedermann  kostspieliger  machen  und  ein  Dutzend  Produzenten 
zum  Nachteil  von  hunderttausend  Konsumenten  begünstigen;  er  erkannte 
weiter,  was  ebenfalls  klar  und  einleuchtend  ist,  daß  ein  Land  ein  Interesse 
hat,  seine  Steinkohle  und  sein  Gewebe  zu  verkaufen,  um  dafür  wieder 
Getreide  einkaufen  zu  können,  anstatt  mit  Gewalt  minderwertiges  Getreide 
hervorzubringen  zu  suchen.  Er  zog  daraus  den  Schluß,  daß  man  die 
Schranken  jeglicher  Art  weit  öffnen  müsse,  um  die  einheimischen  Erzeug- 
nisse bequem  ausführen  und  die  ausländischen  frei  einführen  zu  können. 

So  setzte  Cobden  das  Freihandelssystem  oder  mit  anderen  Worten  das 
j  I  System  des  wohlfeilen  Lebens  dem  Schutzzollsystem  gegenüber,  das  das 
teure  Leben  bedeutet.  Er  brauchte  beinahe  volle  zehn  Jahre,  seine  Lands- 
leute zu  überzeugen  (1837 — 1847). 

Der  englische  Thron  wurde  damals  gerade  von  einer  noch  ganz  jugend- 
lichen, kaum  achtzehnjährigen,  durch  ihre  Tugenden,  aber  noch  mehr 
durch  ihren  Scharfsinn  bewundernswürdigen  Frau  besetzt,  der  Königin 
Victoria,  deren  Regierung  von  nun  an  so  rühmhch  werden  sollte  (1837 
bis  1903).  Diese  Frau  bewahrte  ihr  ganzes  Leben  hindurch  ihrer  Aufgabe 
einer  parlamentarischen  Königin  die  gewissenhafteste  Treue;  so  war  sie 
zunächst  der  Annahme  des  Freihandels  darum  weniger  zugeneigt,  weil  das 
Parlament  Cobdens  Beschwörungen  Widerstand  entgegensetzte. 

Doch  die  Not  des  Landes  wuchs  immer  mehr,  und  die  Unruhe  des. 
Volkes  wurde  immer  allgemeiner.  Der  leitende  Minister  Sir  Robert  Peel 
ließ  sich  schließlich  überreden  und  schlug  die  Abschaffung  der  Getreide- 
zölle, also  den  Freihandel,   vor. 

England  ist  diesem  großen  Grundsatze  auch  noch  zu  einer  Zeit  treu 
geblieben,  wo  die  andern  Völker,  als  ob  sie  wirklich  nicht  sähen,  daß 
England  gerade  dadurch  unter  allen  Ländern  der  Welt  das  reichste  und 
blühendste  geworden  ist,  ein  Schutzzollsystem  aufrecht  erhalten,  durch  das 
die  Menschen  verrohen  und  verarmen. 

Einstens  ließ*  sich  allerdings  der  Zollschutz  wohl  noch  rechtfertigen, 
brachte  doch  noch  jedes  einzelne  Land  all  das,  was  zum  Dasein  gehört, 
selbst  hervor,  wie  etwa  Brot,  Wein,  Vieh,  Futter,  Holz.  Doch  die  Bedürf- 
nisse des  Lebens  haben  sich  inzwischen  vermehrt.  Ein  Aufwand,  wie  er 
unseren  Vätern  noch  unbekannt  war,  ist  allmählich  schlechterdings  uner- 


Die  Herrschaft  der  Wissenschaft.  373 

läßlich  geworden.  Allerhand  Neuheiten  und  bisher  unbekannte  Gebrauchs- 
gegenstände sind  etwas  Unentbehrliches  geworden,  und,  da  jedes  einzelne 
Land  unmöglich  alles  erzeugen  kann,  vermögen  die  Bürger  eines  Landes 
mit  Wohlleben  und  Luxus  nur  dann  vertraut  zu  sein,  wenn  ihnen  Gelegen- 
heit gegeben  ist,  bei  den  anderen  Völkern  der  Welt  diejenigen  Gegenstände 
des  Wohllebens  und  des  Luxus  zu  besichtigen,  die  ausschließlich  imd 
allein  Sonderbetriebe  bilüg  herstellen  können. 

Auch  auf  diesem  Gebiete  wieder  ist  ebenso  wie  auf  dem  der  persön- 
lichen Freiheit  und  des  parlamentarischen  Systems  England  an  der  Spitze 

der  Zivilisation  marschiert. 

*  * 

Was  sich  schon  damals  in  jenem  industriellen  Zeitabschnitt  von  181 5 
bis  1848  offenbarte,  war,  daß  die  Industrie  immer  nur  dann  Fortschritte 
macht,  wenn  sie  sich  an  die  Wissenschaft  anlehnt.  Schon  wird  es  augen- 
scheinlich, daß  die  Wissenschaft  dem  Menschen  allein  die  Bewältigung 
der  Materie  zu  ermöglichen  vermag.  Die  uns  umgebende  so  stumpfe  Materie 
soll  dank  der  Wissenschaft  von  nun  an  die  Sklavin  desselben  Menschen 
werden,  dessen  Tyrannin  sie  noch  eben  gewesen  ist.  Schon  haben  endlich 
die  Gelehrten  begriffen,  daß  das  sicherste  Mittel,  der  Industrie  neue  Bahnen 
zu  eröffnen  und  die  wissenschaftlichen  Eroberungen  nutzbar  zu  machen, 
das  ist :  die  Wissenschaft  ganz  ausschheßlich  um  ihrer  selbst  willen  zu 
studieren.  O  über  jene  unverständigen  Gelehrten,  die,  anstatt  zunächst 
einzig  und  allein  die  Wahrheit  zu  suchen,  noch  ehe  sie  sie  kennen,  irgend- 
eine nützliche  Entdeckung  unmittelbar  verwirklichen  woUen! 

Um  die  Mitte  des  19.  Jahrhunderts  etwa  beginnt  die  Elektrizität  in 
ihren  wesentlichen  Grundgesetzen  bekannt  zu  werden.  Alle  Völker  haben 
zu  dieser  glänzenden  Errungenschaft  jhr  Teil  beigetragen.  Die  Italiener 
Galvani  (1737 — 1798)  und  Volta  (1745 — 1827)  hatten  schon  früher  in  den 
Jahren  1789  und  1801,  wie  wir  bereits  gesehen  haben,  die  Berührungs- 
elektrizität (dynamische  Elektrizität)  entdeckt;  der  Däne  Hans  Christian 
Örsted  (1777 — 1851)  zeigt  im  Jahre  1820,  daß  der  elektrische  Strom  eine 
Magnetnadel  ablenkt.  Der  Franzose  Andre-Marie  Ampere  (1775 — 1835) 
nimmt  diese  Beobachtung  wieder  auf,  verallgemeinert  sie,  bringt  sie  in  ein 
mathematisches  Gesetz  und  entdeckt  die  Induktion  (1828).  Der  Engländer 
Michael  Faraday  (1794 — 1867)  entdeckt  das  Wesen  der  elektrodynamischen 
Maschinen  und  baut  Apparate,  die  mit  einigen  unbedeutenden  Abwei- 
chungen diejenigen  sind,  die  die  Industrie  noch  heute  benutzt.  Der  große 
deutsche  Mathematiker  Karl  Friedrich  Gauß  (1777 — 1855)  macht  sich 
Amperes  Entdeckung  zunutze,  um  den  elektrischen  Telegraphen  zu  er- 
6  Riebet,  Geschichte  der  Menschheit,  IL 


374  Siebentes  Buch. 


sinnen  (1833),  Der  russische  Physiker  Moritz  Hermann  Jacobi,  ein  ge- 
borener Deutscher  und  älterer  Bruder  des  epochemachenden  Mathematikers 
(i  801— 1874)  wendet  hinwiederum  Faradays  Entdeckungen  auf  die  Elektro- 
lyse an,  um  die  Galvanoplastik  zu  ersinnen  (1837 — 1840). 

Welche  Rolle  diese  großen  Gelehrten  in  der  Geschichte  der  elektrischen 
Kraft  gespielt  haben,  macht  uns  so  recht  die  Tatsache  deutlich,  daß  eine 
dahin  gehende  Verständigung  stattgefunden  hat:  die  elektromotorische 
Kraft  oder  das  elektrische  Potential  nach  seinen  Maßeinheiten  Volt  (nach 
dem  Namen  des  eben  erwähnten  Physikers  Volta),  den  elektrischen 
Leitungswiderstand  ebenso  Ohm  (nach  dem  großen  deutschen  Physiker 
Georg  Simon  Ohm,  1787 — 1854),  die  Stromstärke  ebenso  Ampere,  die 
Elektrizitätsmenge  ebenso  Coulomb  (nach  dem  französischen  Physiker 
Charles-Augustin  de  Coulomb,  1736 — 1806),  die  elektrische  Kapazität  ebenso 
Farad  (nach  dem  Namen  des  erwähnten  Faraday)  zu  benennen.  Das 
Produkt  aus  einem  Volt  und  einem  Ampere  ergibt  einen  Watt  (nach  James 
Watt),  so  daß  die  Formel  gilt:  i  volt  X  i  amp^re  =  i  watt;  die  Maßeinheit 
eines  Watt,  das  eine  Sekunde  lang  arbeitet,  trägt  als  Bezeichnung  der 
elektrischen  Arbeitseinheit  den  Namen  Joule  (nach  dem  englischen  Phy- 
siker James  Prescott  Joule)  oder  auch  Voltcoulomb.  Aufs  bequemste 
fügen  sich  alle  diese  Maßeinheiten  in  das  gesamte  Maßsystem  ein. 

So  trugen  die  sämtlichen  Völker  Europas  durch  ihre  erlauchtesten 
Gelehrten  zu  immer  tieferer  Ergründung  der  neuen  geheimnisvollen  Kraft 
beil  Ein  gewaltiges  Beispiel,  was  gemeinsame  wissenschaftliche  Arbelt 
der  Völker  vermag  I  Haben  solche  Männer  wie  Volta,  Ampere,  Faraday, 
Gäuß  nun  nicht  ihrem  engeren  Vaterlande  sowie  ihrem  weiteren,  das 
doch  darüber  hinaus  die  gesamte  Menschenwelt  umfassen  muß,  einen 
größeren  Dienst  geleistet,  als  wenn  sie  im  Gefolge  irgendeines  beliebigen 
Eroberers  mit  den  Waffen  in  der  Hand  einander  feindlich  gegenüber- 
getreten wären? 

In-  der  theoretischen  Physik  wurde'  die  große  allgemeine  Grundlage 
zur  mechanischen  Wärmelehre,  die  alle  Gesetze  der  Materie  beherrscht, 
von  dem  Physiker  Nicolas-L^onard-Sadi  Carnot  (1796— 1832)  gelegt.  Den 
beiden  Deutschen  Robert  Mayer  (181 4 — 1878)  und  Hermann  von  Helmholtz 
(1821 — 1894)  sowie  dem  eben  erwähnten  Engländer  James  Prescott  Joule 
(1818— 1889)  gebührt  der  Ruhm,  alle  Folgerungen  aus  ihr  gezogen,  die 
Theorie  dazu  aufgestellt  und  die  Zahlenwerte  dafür  berechnet  zu  haben. 
Von  nun  an  findet  folgende  große  Erscheinungstatsache  volles  Ver- 
ständnis: das  Dasein  einer  in  der  Welt  kreisenden  einzigen  einheitUchen 
Kraft,  die  zwar  verschiedene  Gestalten  annehmen  kann,  doch  gleichwohl 


Die  Herrschaft  der  Wissenschaft.  376 

immer  ein  und  dieselbe  Kraft  bleibt.  Wärme,  Bewegung,  Elektrizität  sind 
weiter  nichts  als  verschiedene  wechselnde  und  wiederkehrende  äußere 
Erscheinungsformen  einer  einzigen  stets  sich  selbst  gleichenden  Kraft, 
deren  Größe  unveränderlich  ist.  „Nichts  geht  verloren!"  hatte  schon 
Lavoisier  in  bezug  auf  die  chemischen  einfachen  Körper  oder  Elemente 
gesagt.  Helmholtz  nun  stellte  den  Satz  auf,  daß  auch  von  den  ^physischen 
Kräften,  die  im  Weltenraume  sich  bewegen,  nichts  verloren  gehe. 

Die   Chemie  macht   rasende   Fortschritte;   einerseits   erhebt  sie  sich  zu 
schönen  allgemeinen  Aufstellungen  und  anderseits  tritt  sie  in  einen  Lebens- 
abschnitt   der   industriellen    Ausbeutung.     Michel-Eugene    Chevreul    (1786 
bis  1889)  leistet  Bahnbrechendes  in  der  Erklärung  der  chemischen  •.  Natur 
der  Fette  (1823)  (Herstellung  der  Kerzen).   Friedrich  Wöhler  (1800-^1882) 
entdeckte  das  Aluminium  im  Jahre  1827  und  gibt  im  Jahre  1^29  durch  die 
künstliche  Darstellung  des   Harnstoffs  das  erste  erwähnenswerte  Beispiel 
eines  durch  Zusammensetzung  mit  einfachen  Körpern  gebildeten  organischen 
Körpers.  Eilhard   Mitscherlich   (1794 — 1863)   entdeckt  im  Jahre   1819  den 
Isomorphismus    der   kristallinischen   Formen    für   die   gleichartigen   Salze. 
Jean-Baptiste   Dumas    (1800 — 1884}  beschreibt   Aufsehen   erregende   Fälle 
von  Substituierbarkeit  des  Wasserstoffes  durch  andere  chemische  Stoffe  und 
baut  die  Atomentheorie  in,  einer  neuen  Gestalt  auf,  in  d6r  sie  bald  dank 
der  gründlichen  ergänzenden  Studien,  von  Auguste  Laureat  (1808— 1853) 
-'und -Karl   Friedrich  Gerhardt   (181 6 — 1856)  die   Grundlage  der  gesamten 
zeitgenössischen  Chemie  bilden   sollte.    Faraday  bringt   die   Gase  in  den- 
Zustand, der  Flüssigkeit.   Die  Industriellen  können  nun  aus  der  Steinkohle 
nicht  bloß  Leuchtgas,  sondern  auch  nocÜ  unzählige  andersartige  Erzeugnisse 
gewinnen,  die  zu  allerlei  neuen  Industriezwecken  dienen,  von  denen'  sich 
täglich   mehr    herausstellen.     Gewissermaßen    durch    eirjen    bloßen    Zufall 
werden  Nic^phore  Niepce  (1765 — 1833)  und  Louis-Jacques-Mänd^  Daguerte 
(1789— 185L).  im  Jahre  1839  zu  Erfindern  der  Photographie.   Diese  ebenso 
fruchtbare  wie  Wundervolle  Erfindung,  soll  nur  allzubald  in  allen  Wissen- 
schaften, allen  Industriezweigen  und  allen  Künsten  ausgiebigste  Verwendung 
finden! 

In  der  Biologie  folgen  die  Theorien  und  Entdeckungen  in  ununter- 
brochener Reihe.  Der  englische  Geologe  Sir  Charles  Lyell  (1797— 1875) 
bekämpft  im  Jahre  1833  mit  entscheidendem  Erfolge  Cuviers  Annahme 
von  vorzeitlichen  gewaltsamen  Umgestaltungen  der  Erdoberfläche  und 
stellt  den  Satz  auf,  daß  die  Bildung  der  Schichten,  aus  deiien  die  Erd- 
rinde besteht,  sich  aus  ganz  andersartigen  Erscheinungen  einer  langsamen 
und  stufenweisen  Entwicklung  erklären,  wie  sie  noch  heute  wirksam  sind- 

6* 


376  Siebentes  Buch. 


Der  französische  Naturforscher  und  Staatsmann  Frangois-Vincent  Raspail 
(1794 — 1878)  hatte  schon  dunkel  die  Übereinstimmung  in  dem  Zellenbau 
der  verschiedensten  Lebewesen  im  Jahre  1825  vorausgesehen.  Der  deutsche 
Naturforscher,  Kulturhistoriker  und  Dichter  Jakob  Schieiden  (1804 — 1881) 
nimmt  dann  seinen  Gedanken  planmäßig  wieder  auf  und  entdeckt  im  Jahre 
1838  die  Übereinstimmung  im  Bau  und  Wachstum  der  Pflanzen,  und  der 
große  deutsche  Meister  moderner  Naturforschung  Theodor  Schwann  (18 10 
bis  1882)  dehnt  sie  fast  unmittelbar  darauf  auch  noch  weiter  auf  die  Gewebe 
der  Tiere  aus.  Es  ist  das  die  Zellentheorie,  die  als  ebenso  einfache  und 
erhabene  Lehre  für  die  beschreibenden  Naturwissenschaften  dasteht,  wie 
die  Theorie  von  dem  Gleichgewicht  der  Kräfte  für  die  Physik. 

So  sah  die  arme  Menschheit  schon  auf  Grund  dieser  bloßen  paar 
allgemeinen  Naturgesetze  doch  wenigstens  ab  und  zu  einmal  einen  ver- 
stohlenen und  schwachen  Lichtschimmer  durch  die  auf  ihr  lastende  geistige 
Nacht  hindurchbrechen! 

Die  Physiologie,  die  Lavoisier  so  glänzend  eröffnet  hatte,  machte  wie 
auch  alle  übrigen  Naturwissenschaften,  mm  rasch  eine  Eroberung  nach 
der  andern.  Zwei  Namen  insbesondere  sind  zu  erwähnen.  Frangois  Magendie 
zu  Paris  (1783 — 1855)  und  Johannes  Müller  zu  Berlin  (1801  — 1858).  Ihre 
Stellung  zur  Wissenschaft  ist  nicht  etwa  die  gleiche.  Magendie  hat  wichtige 
Entdeckungen  gemacht,  durch  die  anschaulichste  Charakteristik  der  moto- 
rischen und  der  sensiblen  Nerven  eine  scharfe  Abgrenzung  zwischen  diesen 
beiden  verschiedenen  Arten  vorgenommen,  den  Nutzen  der  eiweißhaltigen 
Stoffe  für  den  Körper  aufs  genaueste  bestimmt,  die  Funktionen  der  Gesichts- 
nerven bis  ins  einzelnste  untersucht  und  die  Absorbierungskraft  der  Blut- 
gefäße endgültig  festgestellt.  Johannes  Müller  hingegen  hat  nicht  so  zahl- 
reiche selbständige  Einzelforschungen  auf  dem  Gebiete  der  Physiologie 
angestellt,  als  vielmehr  erst  die  mehr  oder  weniger  zusammenhanglosen 
Forschungen  der  anderen  in  ein  umfassendes  einheitliches  System  gebracht. 
Aber  ihm  kommt  das  unsterbliche  Verdienst  zu,  die  Vergleichende  Physio- 
logie geradezu  geschaffen  und  durch  die  sinnige,  planvolle  und  tiefe  Zu- 
sammenfassung der  verstreuten  Tatsachen  es  verstanden  zu  haben,  der 
physiologischen  Wissenschaft  ihre  noch  bis  zum  heutigen  Tage  unüber- 
troffene klassische  Gestalt  zu  geben. 

Unter  allen  Naturwissenschaften  bleibt  auch  jetzt  noch  die  medizinische, 
weil  sie  fortwährend  zwischen  schnurgerade  entgegengesetzten  Lehren 
hin-  und  herschwankt,  schmerzlicherweise  allein  immer  auf  demselben 
Punkte  stehen;  Pasteur  ist  damals  noch  nicht  gekommen.  Immerhin  sollte 
die  Entdeckung  der  Anästhesie  im  Jahre  1 843  durch  den  jungen  ameri- 


Die  Herrschaft  der  Wissenschaft.  377 

kanischen  Zahnarzt  Horace  Wells  doch  wenigstens  die  Chirurgie  auf  neue 
Zähnen  führen.  Seitdem  nun  noch  im  Jahre  1848  dank  den  Entdeckungen 
der  Amerikaner  Jackson  und  Morton,  des  englischen  Chirurgen  Simpson 
und  des  französischen  Physiologen  Flourens  die  Anästhesie  mittels  Chloro- 
form und  mittels  Äther  in  Aufnahme  gekommen  war,  war  der  Zeitpunkt 
angebrochen,  wo  die  chirurgischen  Operationen  keine  Ströme  unnützen 
Schmerzes  mehr  in  der  Welt  verbreiten  sollten. 

Fast  in  gleichem  Maße,  wie  für  die  exakten  Wissenschaften,  war  der 
Zeitabschnitt    von    181 5 — 1848    auch    für    die    schöne    Literatur    fruchtbar. 

In  Deutschland  gehört  ein  so  Gewaltiger  des  Geistes  wie  Goethe, 
obwohl  er  erst  im  Jahre  1832  gestorben  ist,  wohl  schon  ebenso  zum  18. 
wie  zum  19.  Jahrhundert,  stammt  doch  der  Zweite  Teil  des  Faust  erst 
aus  dem  Jahre  1831  und  geht  doch  umgekehrt  Werther  bis  auf  das  Jahr 
1773  zurück.  England  erfreut  sich  zwar  der  beiden  Dichter  Shelley  (1792 
bis  1822)  und  Lord  Byron  (1788 — 1824),  aber  sein  eigentlicher  literarischer 
Ruhm  liegt  wohl  eher  darin,  daß  es  mit  Walter  Scott  (1771 — 1832)  in 
der  ganzen  Welt  den  Roman  wieder  zu  Ehren  gebracht  hat.  Charles  Dickens 
(18 12 — 1870),  dessen  Romane  die  Walter  Scotts  an  Tiefe  der  Auffassung 
imd  packender  erschütternder  Wirkung  noch  übertreffen,  gehört  in  eine 
spätere  Zeit.  ' 

Die  russische  Literatur,  die  bis  dahin  noch  nicht  über  die  ersten  stam- 
melnden Versuche  hinausgekommen  war,  enthüllte  sich  nun  plötzlich  als 
eine  Quelle  dichterischer  Begeisterung  von  gewaltigem  Sturm  und  Drang 
mit  den  beiden  Meistern  russischer  Dichtkunst  Alexander  Puschkin  (1799 
bis  1837)  und  Nikolaus  Gogol  (1809— 1852).        ""'" 

In  Frankreich  war  die  literarische  Bewegung  damals  besonders  glänzend. 
Ein  ungeahnter  neuer  Blütenlenz  beschenkte  es  mit  einer  Reihe  bewegter 
und  tiefer  gewaltiger  Werke,  so  daß  sich  diese  erste  Hälfte  des  19.  Jahr- 
hunderts (1820 — 1848)  sowohl  in  bezug  auf  den  Reichtum  an  literarischen 
Stoffen  wie  in  bezug  auf  die  literarische  Fruchtbarkeit  mit  jenem  großen 
Jahrhundert  Ludwigs  XIV.  (1635— 1680)  vergleichen  läßt,  das  so  viele 
Meisterwerke   hervorgebracht   hatte. 

An  erster  Stelle  ist  der  alles  überragende  Victor  Hugo  (1802— 1885) 
zu  nennen;  es  gibt  wohl  in  der  gesamten  WeltHteratur  kaum  einen 
erlauchteren  Nanien.  Noch  fast  ein  Kind,  schrieb  er  schon  eine 
Sammlung  köstlicher  Gedichte:  Oden  und  Balladen  (Ödes  et  Ballades 
1821).  Aber  auch  als  Greis  bescherte  er  der  ÖffentUchkeit  noch  Werke  von 
einem  so  erhabenen  Schwünge,  wie  Die  höchste  Gnade  (La  pitie  supreme 
1877)  und  Die  Kunst  Großvater  zu  sein  (L'art  d'etre  grand-pere  1879). 


378  Siebentes  Buch. 


Es  gibt  keine  Dichtgattung,  in  der  er  nicht  Ausgezeichnetes  geleistet  hätte. 
Durch  den  Reichtum  seines  Stils,  seine  kühnen  Bilder,  seine  Kenntnis  von 
Harmonie  und  Rhythmus,  die  Hoheit  seiner  Gedanken  ist  er  der  Erneuerer 
der  französischen  Dichtkunst,  die  sich  seit  den  Zeiten  Corneilles  und  Ra- 
cines  in  nur  zu  abgedroschenen  Gemeinplätzen  und  schalen  Alltäglichkeiten 
bloß  gerade  noch  mühsam  dahinschleppte.  Der  Anspruch  auf  den  Ruhriies- 
titel  eines  der  ersten  Lyriker  Frankreichs  hat  ihn  gleichwohl  nicht  ge- 
hindert, auch  zu  dessen  auserlesensten  Prosaikern  zu  gehören.  Er  hat 
zwei  ganz  wundervolle  Romane  geschrieben:  Die  Elenden  und  Unglück- 
lichen (Les  Miserables  1862)  und  Liebfrauenkirche  {Notre-Dame  de  Paris 
1831).  Aber  er  war  auch  ein  gewaltiger  Dramatiker,  ist  doch  seit  jenem 
klassischen  Zeitalter  Racines  und  Corneilles  kein  Drama  erschienen,  das 
Victor  Hugos  Hernani  (1830)  und  Ruy  Blas  (1839)  gleichkäme.  Sein  un- 
vergleichliches Genie  sichert  ihm  den  ersten  Platz  in  allen  Gattungen. 
Was  tut  es,  wenn  seine  Politik  stets  schwankend  und  seine  Philosophie 
ebenso  einseitig  wie  einfältig  gewesen  ist  ?  So  oft  einmal  bedeutende 
literarische  Namen  zu  nennen  sind,  hätte  wohl  Victor  ^Hugo  ein  Recht, 
als  einer  der  ersten  genannt  zu  werden,  vielleicht  noch  vor  Dichtern  wie 
Homer,  der  uns  zeitlich  so  fern  steht,  wie  Dante,  der  uns  nur  eine  einzige 
größere  Dichtung  hinterlassen  hat,  wie  Shakespeare,  dessen  Muse  stellen- 
weise eintönig  und  absonderlich  wirkt,  wie  Goethe,  der  bei  aller  seiner 
Größe  niemals   die  wahrhafte  innere    Rührung  gekannt   hat! 

In  dieser  Glanzzeit  französischer  Literatur  steht  etwa  ein  Victor  Hugo 
nicht  allein.  Es  war  nämlich  als  Rückschlag  gegen  die  höchst  unpoetische 
Dichtkunst  des  18.  Jahrhunderts  die  Romantik  entstanden,  als  deren 
Begründer  der  Vicomte  Frangois-Rene  de  Chateaubriand  (1768 — 1848) 
anzusehen  ist.  Das  Meisterwerk  dieses  unvergleichlichen  Schriftstellers 
Erinnerungen  von  jenseits  des  Grabes  (Memoires  d'outre-tombe),  erschien 
zwar  erst  unmittelbar  nach  seinem  im  Jahre  1848  erfolgten  Tode.  Aber 
schon  lange  vorher  galt  Chateaubriand  durch  seine  kühne,  lebendige, 
bilder-  und  farbenreiche  Prosa,  wie  sie  sich  in  den  Romanen  Rene  (1802), 
Die  Märtyrer  (Les  Martyrs  1809)  und  Geist  des  Christentums  {Le  Genie 
du  Christianisme  1802)  so  glänzend  entfaltete,  als  einer  der  erlauchtesten 
Geister  der  Zeit.  Als  Vorläufer  von  Victor  Hugo  wurde  er  ziim  eigent- 
lichen Vater  der  Romantik. 

Niemals  stand  die  französische  Dichtkunst  auf  solcher  Ruhmeshöhe 
wie  damals.  Zwar  hatte  ein  Dichter  wie  Goethe  die  kühne  Behauptung 
gewagt,  daß  das  Französische  nur  eine  sich  der  Poesie  schlecht  anschmie- 
gende Sprache  sei.    Doch  Victor  Hugo    hat  durch  sein  geniales  Wirken 


Die  Herrschaft  der  Wissenschaft.  37g 

•das  gerade  Gegenteil  bewiesen,  und  mit  ihm  als  Zeitgenossen,  ja  geradezu 
als  Nebenbuhler  dieses  Wirkens,  Alphonse  de  Lamartine  (1790 — 1868), 
Alfred  de  Musset  (1810— 1857),  Th^ophile  .Gautier  (181 1— 1872),  Alfred 
de  Vigny  (1797— 1863).  Diese  vollendeten  Dichter  haben  uns  so  gehaltvolle 
—  und  darum  nicht  weniger  anmutige  —  Werke  hinterlassen,  daß  die 
französische  Literatur,  die  schon  mit  Racine,  Mohäre,  Pascal,  Lafontaine 
einzig  in  der  modernen  Welt  dastand,  nach  dem  Frühling  von  1830 
allen   übrigen   doppelt   überlegen   wurde. 

Der  Roman  wächst  nicht  nur  an  äußerem  Gebietsumfang,  sondern  auch 
nach  innerem  Gehalt,  wie  man  es  nicht  vorausgesehen  hätte,  selbst  noch 
nach  Werken  wie  Manon  Lescaut  und  Werther,  nach  Werken  wie  Die 
neue  Heloise  vmd  Ivanhoe.  Von  1825 — 1840  begegnete  man  nicht  nur  Hugos 
Notre-Dame  de  Paris  (Liebfrauenkirche),  sondern  noch  einer  ganzen 
Menge  anderer  rührseliger,  malerischer  und  so  verschiedenartiger  Werke, 
daß  jede  Aufzählung,  aber  auch  jede  Zusammenfassung  unmöglich  ist. 
Alexandre  Dumas  Vater  (1803 — 1870),  Prosper  M^rimee  (1803 — 1870), 
Stendhal  (Henri  Beyle)  (1783 — 1842),  Eugene  Sue  (1804— 1857)  waren 
wunderbare  Erzähler  und  zuweilen  geschickte  Schriftsteller.  Doch  keiner 
von  ihnen  hatte  eine  so  feine  Beobachtungsgabe  wie  Honore  Bal- 
zac (1799 — 1850).  Leider  hat  dieser  große  und  eindringende  Psychologe 
nur  'einen  mangelhaften  und  schwerfälligen  Stil,  was  bei  einem  Freunde 
Theophile  Gautiers  und  Victor  Hugos  ziemlich  eigenartig  berühren  muß. 

Unter  den  Romanschriftstellern  von  Talent  findet  man  jetzt  auch 
Frauen.  Bisher  waren  sie  in  der  Literatur  noch  nicht  hervorgetreten. 
Sappho  geht  fast  bis  auf  das  Sagenzeitalter  zurück,  und  Frau  von  Sevign^ 
hat  selbst  nie  darauf  Anspruch  gemacht,  als  Schriftstellerin  zu  gelten. 
Aber  im  19.  Jahrhundert  kann  man  Frauen  sehen,  die  auch  einer  Mme.  de 
Stael  (1766 — 1817)  an  Talent  weit  überlegen  sind  und  zu  berufsmäßigen 
Vertreterinnen  der  Literatur  werden:  Frau  Desbordes-Valmore  (1785  bis 
1859),  Frau  Tastu  (1798 — 1885),  Frau  E.  de  Girardin,  besonders  aber 
George  Sand  (1804— 1876)  in  Frankreich  und  George  EHot  (1819— 1880) 
in  England.  Wenn  es  die  Frauen  bis  jetzt  noch  immer  nicht  zu  hoher 
lyrischer  Dichtung  gebracht  und  ebensowenig  in  einem  dramatischen 
Werk  einen  Erfolg  aufzuweisen  haben,  so  haben  sie  sich  doch  zum  mindesten 
bisweilen  im  Roman  ausgezeichnet,  der  vielleicht  in  noch  höherem  Maße 
eine  eindringende  Analyse,  seelische  Beweglichkeit  und  Zartgefühl  er- 
fordert. Indiana  und  Mauprat  von  George  Sand,  Adam  Bedä  von  George 
Eliot  zählen  zu  den  fesselndsten  Werken  des   19.  Jahrhxmderts. 

Auch  das  Theater  machte  damals  eine  Zeit  neuen  Lebens  und  Ruhmes 


380  Siebentes  Buch. 


durch.  Indessen  haben  weder  Alexandre  Dumas  Vater  noch  Eugene  Scribe 
(1791 — 1861)  dauernde  Werke  zu  hinterlassen  vermocht,  wenn  auch  viel- 
leicht eine  Ungerechtigkeit  in  jener  Vergessenheit  liegt,  der  ganz  gewiß 
nicht  ihr  Name,   aber   doch  ihre  Werke  anheimgefallen  sind. 

Die  Geschichtschreibung  zeichnet  sich  teils  durch  die  umfangreiche 
Gelehrsamkeit  (Augustin  Thierry  1795 — 1856),  teils  durch  die  Tiefe  der 
Gedanken  (Frangois  Guizot  1798 — 1874,  Frangois  Villemain  1790 — 1870), 
teils  und  besonders  durch  den  glänzenden  Stil  (Michelet)  aus.  Jules  -Michelet 
(1787 — 1874),  Dichter,  Gelehrter,  Geschichtschreiber  und  Philosoph,  ist 
einer  der  edelsten  Schriftsteller  französischer  Zunge.  Er  hat  in  seine 
Geschichte  Frankreichs  die  ganze  Vornehmheit  seiner  hohen  Seele  gelegt. 
Er  liebt  sein  Vaterland  mit  einer  wahrhaft  großen  Liebe,  und  eben  des- 
wegen, weil  er  sein  Vaterland  liebt,  liebt  er  auch  die  Menschheit. 

Allen  diesen  edlen  Geistern  hat  es  das  sogenannte  romantische  Zeit- 
alter (1820 — 1845),  ein  Vierteljahrhundert,  zu  verdanken,  wenn  es  neben 
dem  sogenannten  klassischen  Zeitalter  von  1650 — 1675  der  schönste  Ab- 
schnitt   der    französischen    Literatur    ist. 

In  den  Künsten  (Baukunst,  Malerei,  Bildhauerei)  tritt  weder  in  Frank- 
reich noch  im  Ausland  etwas  Besonderes  hervor,  vielleicht  abgesehen 
von  der  Gruppe  der  Marseillaise  von  Frangois  Rüde  (1784 — 181 5)  an  dem 
Triumphbogen  zu  Paris   (1834). 

Nur  die  Musik  nahm  eine  eigenartige  Entwicklung  und  brachte  es 
in  Italien  und  Deutschland,  besonders  aber  in  Deutschland,  zu  einer  großen, 
wundervollen  Macht,  die  Musik,  die  vielleicht  mehr  als  jede  andere 
menschliche  Schöpfung  die  Fähigkeit  hat,  die  Seelen  zu  rühren  und  zu 
bezaubern. 

Sicher  ist  diese  Kunst  schon  sehr  alt;  aber  unser  Zeitalter  hat  ihr 
eine  solche  Weite  gegeben,  hat  ihr  bei  allen  geistigen  Wesen  soviel  An- 
sehen erzwungen  und  sie  ihnen  in  so  verschiedenartiger  Gestalt  zugeführt, 
daß  die  Musik  recht  eigentlich  die  wesentlichste  und  verdienstlichste  künst- 
lerische Betätigung  des   19.   Jahrhunderts  genannt  werden  darf. 

Die  griechischen  Musiker  kannten,  soweit  wir  nach  ziemlich  dürftigen 
Urkunden  urteilen  können,  allein  die  Polyphonie,  d.  h.  die  gleichzeitige 
Hervorbringung  zweier  Töne  (harmonischer  Töne).  Aber  um  etwas  ver- 
zierenden Schmuck  hinzuzutun,  waren  die  Intervalle  kleiner,  derart,  daß 
die  Tonleiter  viel  reicher  als  die  unsere  war.  Die  Polyphonie  tritt  noch  bei 
den  Musikern  des  13.  und  14.  Jahrhunderts  in  die  Erscheinung  (Joachim 
Despr^s  und  die  flämisch-burgundische  Schule).  Während  die  Mönche 
jene  liturgischen    Sänge    (die   sogenannten   gregorianischen,   weil   sie   von 


Die  Herrschaft  der  Wissenschaft.  38 1 

Papst  Gregor  VII.  übernommen  und  gefördert  wurden)  komponierten,  die  in 
den  gotischen  Domen  durch  ihre  schlichte  und  großartige  Erhabenheit  wirk- 
ten, schrieben  die  Trouveres  und  die  Troubadours  volkstümliche  Tanzlieder. 

Im  i£.  Jahrhundert  paßt  Palestrina  (Giovanni  Pierluigi  Sante  da  Pa- 
lestrina,  Musicae  princeps,  1526 — 1594)  in  Italien  die  majestätischen  Voll- 
töne der  Orgel  der  Stimme  der  Offizianten  an,  imd  die  religiöse  Musik 
wird  damals,  so  gewaltig  wie  sie  nur  je  wieder  gelungen  ist,  begründet. 

Einen  großen  musikalischen  Umschwung  verdankte  man  dann  Claudio 
Monteverde  (1558 — 1643),  der  durch  sein  Genie  die  Fesseln  der  Über- 
lieferung zerbrach  und  damit  die  Polyphonie  umbildete  in  der  Weise, 
daß  er  aus  ihr  einen  einzigen  Gesang  entwickelte,  eine  Grundweise, 
die  von  sich  ihr  unterordnenden  Instrumenten  begleitet  wurde.  So  entstand 
die  Oper,  die  mehr  oder  weniger  den  altgriechischen  Bühnenstücken  ent- 
sprach, in  denen  die  Musik  die  szenische  Handlung  begleitete. 

Im  17.  und  18.  Jahrhundert  machte  die  Instrumentalmusik  groBe  Fort- 
schritte, die  vielleicht  mehr  der  Kunst  der  Erbauer  von  Geigen,  Lauten, 
Klaviaturen,  Spinetten,  als  dem  Talent  der  Komponisten  und  der  Finger- 
fertigkeit der  Ausübenden  zu  verdanken  waren.  Der  Meister,  der  das 
moderne  Tonverhältnis  begründete,  war  ein  Deutscher,  Johann  Sebastian 
Bach  (1685 — 1750)-  Seine  Fugen  sind  auserwählte  Werke  und  seine 
Oratorien  haben  eine  dramatische  Kraft,  wie  sie  nur  Georg  Friedrich  Händel 
(1685 — 1759)  nach  ihm  zu  erreichen  vermochte. 

Aber  die  wahren  Begründer  der  modernen  Musik  sind  Wolfgang  Ama- 
deus  Mozart  (1756 — 1791)  und  besonders  Ludwig  van  Beethoven  (1770  -/f^V 
bis  18^7).  Jener  ist  durch  den  Reichtum  seiner  Erfindung,  durch  die 
Wuchtigkeit  seiner  darum  nicht  weniger  zarten  Takte  der  wahrhaft  große 
Musiker  und  daneben  der  unvergleichliche  Dichter.  Er  schlägt  alle  mensch- 
lichen Eigenschaften  an  und  wirkt  überall  begeisternd  und  fruchtbar 
anregend.  Deutschland  war  dann  in  der  ersten  Hälfte  des  19.  Jahrhunderts 
reich  an  großen  Musikern:  Franz  Schubert  (1797 — 1828),  Karl  Maria  von 
Weber  (1786— 1826),  Felix  Mendelssohn  (1809 — 1847),  Robert  Schumann 
(1810—1856),  derart,  daß  der  ruhmvollste  Abschnitt  in  der  Geschichte  der 
französischen  Dichtung  mit  den  ruhmvollsten  Zeiten  der  deutschen  Musik 
zusammenfällt. 

Aber  es  bedurfte  langer  Zeit,  bis  diese  sinnbildliche  und  tiefe  Musik 
der  großen  deutschen  Träumer  bei  der  leichteren  romanischen  Volksseele 
ein  Verständnis  fand.  In  Frankreich  und  Italien  schlug  die  musikaÜsche 
Kunst  ganz  andere  Bahnen  ein.  Die  Italiener  mit  Gioachino  Antonio  Rossini 
(1792— 1868),  Gaetano  Donizetti  (1798— 1848),  Giuseppi  Verdi  (1813— 190O» 


382  Siebentes  Buch. 


die  Franzosen  mit  Frangois-Adrien  Boieldieu  Xi7Z5— 1834),  Daniel-Frangois- 
Esprit  Auber  (1782— 187 1)  schrieben  Opern  und  Operetten,  deren  heitere, 
zarte,  leichte  und  nur  selten  aufregende  Weisen  recht  wenig"  zu  der  von 
ihnen  so  grundverschiedenen  geheimnisvollen  und  starken  Leidenschaft 
stimmten,  die  von  den  deutschen  Werken  ausging.  Doch  schon  im  Jahre 
1845  hatte  Richard  Wagner  (1813 — 1883)  zu  schreiben  begonnen  (Tann- 
häuser), ein  Meister,  der  ganz  neue  Harmonien  erfand,  die  niemand  voraus- 
gesehen hatte. 

So  begann  die  Musik  durch  das  Genie  mächtiger  Künstler  sich  der 
Volksseele  langsam  aber  sicher  zu  bemächtigen.  Ihr  Einfluß  wird  im  Laufe 
der  Zeiten  nur  noch  größer  werden,  ja  vielleicht  schon  in  den  allernächsten 
Jahren  eine  heute  noch  kaum  geahnte  Höhe  erreichen.  Das  19.  Jahr- 
hundert aber  ist  damit  nicht  nur  das  Zeitalter  der  exakten  Wissenschaften, 
es  ist  auch  das  der  Musik  geworden. 


Bei  all  dem  literarischen,  wissenschaftlichen  und  künstlerischen  Leben,  ^ 
das  Frankreich  erfüllte,  war  die  äußere  Politik  ruhig.  Ludwig  Philipp  war 
ein  eifriger  Anhänger  und  Freund  friedlicher  Politik.  Es  galt  ihm  das  für 
seine  Regierung  als  eine  Art  Ehrensache.  So  hatte  dieser  französische 
Herrscher  wirklich  einige  Verdienste  um  die  Aufrechterhaltung  des  Friedens 
auf  dem  europäischen  Weltteile;  denn  die  großen  Staatsoberhäupter,  wie 
der  Zar,  der  Kaiser  von  Österreich,  der  König  von  Preußen,  zeigten  der 
Julimonarchie,  diesem  Kinde  einer  Revolutionsbewegung,  ganz  offenkundige 
Feindsehgkeit.  England  aber  überwachte  eifersüchtig  alle  Schritte  Frank- 
reichs, seines  alten  Gegners. 

Im  Jahre  1840  kam  ein  Augenblick,  wo  der  Krieg  unvermeidlich  schien; 
eine  Koalition  der  Großmächte  bahnte  sich  gegen  Frankreich  an. 

Es  war  dies  gelegentlich  der  ägyptischen  Händel.  Mehemed  Ali  Pascha, 
der  befähigte  albanesische  Offizier,  dem  es  gelungen  war,  Ägypten  von  der 
Gewaltherrschaft  der  Mameluken  (Mamlucken)  zu  befreien  (181 1),  war  in 
dem  von  ihm  befreiten  Lande  unumschränkter  Herr  geworden.  Er  hatte 
sich  von  Sultan  Mahmed  II.  unabhängig  gemacht  und  war  ihm  sogar  in  der 
Nutznießung  seiner  Rechte  überlegen  geworden.  Sein  nach  europäischer  Art 
eingerichtetes  Heer  vollendete  zuerst  die  Eroberung  der  Gebiete  des  oberen 
Nil.  Darauf  verstand  er  es  mit  Hilfe  von  französischen  Ingenieuren  und  Land- 
wirten, sich  die  wunderbare  Fruchtbarkeit  Ägyptens  nutzbar  zu  machen  und 
große  Arbeiten  ausführen  zu  lassen.  1831  bemächtigte  er  sich  Syriens,  Im 
folgenden   Jahre   brachte   sein    Sohn   Ibrahim   den   schwachen   türkischen 


Die  Herrschaft  der  Wissenschaft.  383 

Truppen  zu  Konieh  eine  vollständige  und  vernichtende  Niederlage  bei  (21. 
Dezember  1832).  Dieser  blutige  Sieg  unterwarf  ihm  den  Sultan  auf  Gnade 
und  Ungnade;  doch  die  Großmächte,  die  für  das  Ottomanische  Reich  stets 
von  einer  wahrhaft  zärtlichen  Fürsorge  erfüllt  waren,  traten  dazwischen, 
und  es  wurde  ein   Friedensvertrag  geschlossen. 

Doch  bald  begann  der  Krieg  wieder.  Abermals  ging  Mehemed  AU  als 
vollständiger  Sieger  hervor.  Abermals  hielten  ihn  die  Mächte  in  seinem 
Siegeslauf  auf. 

In  Frankreich  war  die  öffenthche  Meinung  für  Mehemed  Ali,  den  Re- 
formator und  Wohltäter  Ägyptens.  Daher  stieg  auch  in  Paris  die  Er- 
regung bis  aufs  äußerste,  als  man  erfuhr,  daß  ein  englisch-österreichisches 
Geschwader  mit  Rußlands  und  Preußens  Zustimmung  Alexandrien  be- 
drohte. 

Indessen  wurde  trotz  dieser  Koalition,  die  es  ebensowohl  auf  Frankreich 
wie  auf  den  Pascha  von  Ägypten  abgesehen  hatte,  der  Frieden  nicht  weiter 
gestört.  Weder  Ludwig  Philipp  noch  Lord  Palmerston,  der  an  der  Spitze 
der  englischen  Regierung  stand,  wollte  ernstlich  den  Krieg.  Unter  diesen 
Bedingungen  war  die  Verständigung  vielleicht  schwierig,  aber  schließlich 
unvermeidlich.  So  wurde  Mehemeds  Unabhängigkeit  anerkannt,  doch 
er  mußte  Syrien  wieder  herausgeben  (Londoner  Konvention  vom  13.  Juli 
1841).  Übrigens  verschmerzte  er  die  seinen  mihtärischen  Triumphen  fol- 
gende diplomatische  Niederlage  nicht  mehr,  hatte  ihn  doch  Frankreich, 
das  er  so  liebte,  im  Stiche  gelassen,  und  das  war  ihm  sehr  schmerzlich.  Er 
starb  im  Jahre  1849,  um  seinem  Enkel  Said  ein  unabhängiges,  mächtiges 
und  reiches  Ägypten  zu  hinterlassen. 

Wie  friedliebend  immer  Ludwig  Philipp  war,  so  sollte  er  doch  auch 
noch  seine  ganze  Regierungszeit  mit  der  Eroberung  und  Kolonisation  Al- 
geriens ausfüllen. 

Es  war  unter  Karl  X.  gewesen,  als  die  französische  Regierung  im  Jahre 
1830  dem  Dey  von  Algier  den  Krieg  erklärte.  Seit  zwei  Jahrhunderten  war 
Algerien  nur  noch  ein  Schlupfwinkel  für  Seeräuber.  Kühne  Korsaren 
suchten  das  Mittelmeer  heim  bis  zu  den  spanischen,  französischen  und 
itaUenischen  Küsten,  um  Fluren  zu  plündern  und  Sklaven  zu  erbeuten. 
Im  Jahre  18 16  hatte  ein  englisch-holländisches  Geschwader  Algier  be- 
schossen. Im  Jahre  1827  verhängte  eine  französische  Flotte  die  Sperre 
über  die  Stadt,  jedoch  ohne  sie  zu  beschießen.  Für  einen  Feldzug  ent- 
schied man  sich  erst  im  Jahre  1830,  Am  15.  Juni  bemächtigte  sich  ein 
Landungskorps  von  30000  Mann  Algiers,  ohne  es  zu  wagen,  ins   Innere 


384  Siebentes  Buch. 


vorzurücken  oder  das  fast  unbekannte  weite  Land,  das  sich  bis  zur  Wüste 
ausdehnte,  zu  erobern. 

Die  Revolution  von  1830  führte  in  dieser  militärischen  Unternehmungs- 
lust auch  nicht  die  geringste  Änderung  herbei.  Das  Heer  beschränkte  sich 
zimächst  darauf,  von  den  Häfen  Algier,  Oran  und  Bona  Besitz  zu  ergreifen. 
Aber  die  Ereignisse,  die  stets  stärker  als  der  Wille  sind,  drängten  auch  hier 
zu  einer  immer  weiteren  schrittweisen  Ausdehnung  der  französischen  Herr- 
schaft. Um  sich  in  Algier,  Oran  und  Bona  zu  halten,  mußten  erst  die  auf- 
sässigen und  feindlichen  arabischen  Nachbarstämme  unterworfen  werden. 
Arabische  Häuptlinge  und  fanatische  Moslems  predigten  den  Heiligen  Krieg 
und  fanden  immer  leichtgläubige  und  tapfere  Menschen,  die  ihnen  gern 
folgten.  Die  Algerier  standen  so  unter  einer  Art  Lehnsverfassung.  Da 
gehorchten  Gebirgsbewohner  und  Städter,  Bauern  und  Handwerker  Män- 
nern von  erblichem  Adel,  die  ihre  Vasallen  mit  Steuern  drückten  und  sich 
so  etwas  wie  ein  religiöses  Ansehen  anmaßten,  das  ihre  Allmacht  sicherte. 
Die  einen  wie  die  andern  waren  in  zahlreiche  Stämme  geteilt,  die  die  Fran- 
zosen nacheinander  unterwerfen  mußten.  Es  war  ein  schwerer  Fehler: 
Völkerschaften,  die  bisher  immer  nur  an  die  Anarchie  gewohnt  waren,  unter 
eine  regelrechte  französische  Verwaltung  zu  stellen. 

Aber  diese  Anarchie  hinderte  sie  nicht,  so  kriegstüchtig  zu  sein,  daßj 
ihre  Unterwerfung  erst  nach  einem  langen  Kampf  erreicht  wurde,  der  sich 
zu  einem  richtigen  Feldzug  ausdehnte.  Er  dauerte  volle  dreißig  Jahre.  Da 
gab  es  wahrhaft  große  Waffentaten,  wie  die  Einnahme  von  Constantine 
(1837),  einer,  wie  es  schien,  uneinnehmbaren  Stadt,  die  auf  einem  in  einen 
tiefen  Abgrund  zum  Flusse  Rummel  hinabführenden  hochragenden  Felsen 
erbaut  war.  Im  Kabylengebirge  hielt  ein  kühner  arabischer  Häuptling 
Abd-el-Kader  das  französische  Heer  mehrere  Jahre  lang  in  Schach.  Frank- 
reich mußte  zahlreiche  Soldaten  schicken,  ja  in  einem  gegebenen  Augen- 
blicke hunderttausend  Mann.  Erst  nach  langem  Ringen  trug  europäische* 
Gesittung  über  orientalische  Barbarei  den  Sieg  davon.  Die  Smalah  Abd-el- 
Kaders  wurde  erobert  (1843).  Abd-el-Kader  selbst  flüchtete  sich  nach 
Marokko  und  wurde  trotz  Unterstützung  durch  den  Sultan  von  Marokko 
in  der  Schlacht  am  Isly  besiegt  (1844).  Drei  Jahre  später  ergab  er  sich. 
Dem  Namen  nach  war  nun  ganz  Algerien  Frankreich  unterworfen  und 
französische  Provinz. 

Ludwig  Philipps  Algier-Politik  ist  eine  beharrliche  und  zähe  gewesen. 
Es  galt  den  Grundsatz  einer  großen  afrikanischen  Kolonie  nicht  nur  bei 
dem  sich  darüber  entrüstenden  England,  sondern  auch  bei  der  französischen 
Kammer  zur  Geltung  zu  bringen,  die  die  ganz  unerwartet  lange  Ausdehnimg 


Die  Herrschaft  der  Wissenschaft.  305 

dieser  kostspieligen  und  beschwerlichen  Eroberung  zu  ihrem  großen  Leid- 
wesen sehen  mußte. 

Doch  es  war  ein  gewaltiges  Werk:  die  Aufklärimg  zu  diesen  Barbaren 
und  etwas  Sicherheit  und  Gerechtigkeit  zu  Völkerschaften  zu  bringen,  die 
bisher  durch  unwürdige  Häuptlinge  gebrandschatzt,  durch  Bürgerkriege 
zerrissen  und  durch  Epidemien  gelichtet  waren.  Alles  in  allem  ist,  wie  sich 
auch  einzelne  Verständnis-  und  urteilslose  gegnerische  Stimmen  darüber 
ausgelassen  haben  mögen^  die  Eroberung  Algeriens  eine  ebensolche  Wohltat 
für  die  Araber  gewesen,  wie  es  die  Eroberung  Indiens  für  die  Hindus  ge- 
worden ist. 

Und  so  hat  auch  Frankreich  mit  der  gleichen  Großzügigkeit  kolonisiert 
wie  England.  Algerier  wie  Hindus  haben  ihre  Sprache,  ihre  Religion,  ihre 
Sitten  unversehrt  bewahrt.  Das  einzige  Recht,  das  sie  eingebüßt  haben,  ist 
das  gewesen:  auf  den  Altären  ihrer  heidnischen  Götter  als  Menschenopfer 
bluten  zu  dürfen  1 

Algerien  ist  nicht  bloß  erobert,  es  ist  auch  kolonisiert  worden.  Gleich 
zu  Beginn  des  Krieges  wurden  den  fremden  Auswanderern  Ländereien  be- 
willigt. Im  Jahre  1836  wurden  20000,  im  Jahre  1848  100  000  europäische 
Ansiedler  gezählt.  Neue  Städte  entstanden,  wie  Philippeville,  Orl^ansville, 
Nemours.  Was  man  einst  von  den  römischen  Soldaten  sah,  konnte  man  nun 
von  den  französischen  erleben,  wie  sie  Landstraßen  anlegten,  Dörfer  bauten 
und  Militärkolonien  einrichteten,  die  Mittelpunkte  für  Verkehr  und  Bildung 
wurden.  Ganz  Nordafrika,  das  einst  schon  so  fruchtbar  gewesen  war  imd 
dann  unter  der  türkischen  Herrschaft  so  verödete,  wurde  nun  ein  reiches 
acker-  und  weinbautreibendes  Land.  Als  später  die  dritte  Republik  zu 
Algerien  noch  Tunesien  und  Marokko  fügen  sollte,  war  damit  ein  großes 
arabisch-französisches  Reich  begründet,  dessen  ruhmvoller  Anfang  die 
Einnahme  von  Algier  gewesen  ist. 


Wenn  im  Jahre  1848  Ludwig  Philipps  Herrschaft  gestürzt  wurde,  ßo  waren 
darum  auch  nicht  etwa  die  ägyptischen  und  noch  weniger  die  algerischen 
Angelegenheiten  daran  schuld.  Es  war  vielmehr  ein  Pariser  Aufstand,  dem 
sie,  wie  sie  au3  ihm  hervorgegangen  war,  auch  wieder  erliegen  mußte.  Die 
Tage  des  23.,  24.  und  25.  Februar  1848  haben  eine  merkwürdige  Ähn- 
lichkeit mit  denen  des  27.,  28.  und  29.  Juh  1830. 

Der  einzige  Unterschied  —  und  das  ist  ein  wesentlicher  —  ist,  daß 
Karl  X.,  als  er  seine  Verordnungen  erließ,  von  der  Legalität  ausgegangen 


386  Siebentes  Buch. 


war,  während  Ludwig  Philipp,  auf  die  Abstimmung  der  Kammer  gestützt, 
streng  seinen  Pflichten  als  verfassungsmäßiger  Herrscher  treugeblieben  ist. 

Aber  während  er  die  Verfassung  in  seiner  äußeren  Form  ehrte,  miß- 
achtete er  sie  in  dem,  was  im  tiefsten  Grunde  ihr  Wesen  ausmacht,  voll- 
kommen. Und  in  der  Tat  besteht  das  eigentliche  Wesen  des  parlamen- 
tarischen Regierungssystems,  in  dessen  Namen  am  14.  Juli  1789  die  Bastille 
gestürmt  und  am  30.  Juli  1830  die  Monarchie  der  Bourbonen  gestürzt 
worden  war,  in  der  von  den  Vertretern  der  Nation  dargestellten  Vblks- 
souveränität. .  Nun  aber  stellten  die  Abgeordneten  des  Jahres  1846,  die  durch 
ein  lächerlich  beschränktes  Wahlrecht  berufen  waren,  gar  nicht  eine  rich- 
tige Volksvertretung  dar.  • 

Doch  der  Erfolg  der  Februarrevolution  war.  ein  reiner  Zufallserfolg. 
Wenn  Ludwig  Philipp,  anstatt  sich  mit  dem  Eigensinn  eines  Greises  auf 
den  Widerstand  zu  versteifen,  jene  Reform  angenommen  hätte,  die  Um- 
züge von  Arbeitern,  Studenten  und  Bürgerwehrmännern  als  ihre  Forderung 
verfochten,  säße  das  Haus  Orleans  vielleicht  noch  heute  auf  dem  Throne, 
und  manche  schmerzlichen  Zuckungen  wären  Frankreich  erspart  geblieben. 
Er  mußte  ja  schließlich  doch  nachgeben,  nur  war  das  bereits  drei  Stunden 
zu  spät.  Schon  hatte  der  Aufruhr  Zeit  gehabt,  sich  zu  organisieren,  um 
nach  wenigen  weiteren  Stunden  gesiegt  zu  haben.  -   , 

Wie  Karl  X.,  mußte  auch  Ludwig  Philipp  vor- der  Volkserhebung:  die" 
Flucht  ergreifen.  Aljer  die  republikanische  Partei,  die  1830  noch  gar  nicht 
bestand,.- war  schon  1848,  wenn  nicht^in  Frankreich, .  so  doch  "wenigstens  in 
•Paris  mächtig..  Die-  Arbeiter,  die  auf  den  Barrikaden,  gekämpft  hatten, 
waren  Sozialisten.  Sie  sahen  in  der  neuen  Republik  eine  gesellschaftliche 
Umwälzung,  voraus,  die  ihnen  zwar  noch  unbestimmt  vor  •  Augen  schwebte, 
aber  sich  doch  mehr  oder  weniger  so  entwickeln  mußte,  wie  sie  ihnen  nur 
in  ihren,  hochfliegendsten  Träumen  erschienen  war. 

IV.  Von  1848  bis  1870.  :        •• 

Mitten  in  dem  Getöse  des  Aufruhrs  ernannte  sich  aus  eigner  Macht- 
vollkommenheit eine  provisorische  Regierung.  Sie  bestand  aus  lauter 
wirklichen  Ehrenmännern ;  .denn,  in  jenen  Zeiten  des  Idealismus  galt  poli- 
tische- Ehrenhaftigkeit  noch  nicht  als  besondere  Tugend.  Die  meisten 
dieser  Männer  waren  völlig  unbekannt,  nur  einige  wenige  waren  gefeierte 
Berühmtheiten,  wie  Lamartine,  der  große  E)ichter,  Cr^mieux,  der  große 
Verteidiger,  Louis  Blanc  und  Ledru-Rollin,  die  beiden  Führer  der  sozia- 
listischen Partei,  waren  mit  dabei,  um  die  Ideen,  für  die  sie  nun  schon  seit 
zehn  Jahren  in  ihren  Schriften  und  Reden  Stimmung  gemacht  hatten,  jetzt 
in  die  praktische  Wirklichkeit  umzusetzen.     - 


Die  Herrschaft  der  Wissenschaft.  387 

Die  Revolution  hatte  die  Forderung  der  Wahlreform  auf  ihre  Fahne 
geschrieben.  Und  so  war  denn  auch  die  erste  Tat  der  provisorischen  Regie- 
rung die:  eine  gründliche  Reform  zu  verfügen,  und  zwar  gleich  eine  so 
gründliche,  daß  dieselbe  überall  nur  für  eine  Utopie  gelten  konnte,  das 
Allgemeine  Wahlrecht  (5.  März  1848).  Plötzlich  hatte  Frankreich  an  Stelle 
250000  bisheriger  Wähler  nunmehr  volle  neun  Millionen.  Die  Gleichheit 
vor  dem  Wahlrecht  stellte  sich  als  unwiderstehliche  logische  Folge  dei 
Gleichheit  vor  dem  Gesetze  dar. 

Die  konstituierende  Versammlung  trat  am  4.  Mai  zusammen.  Sie  erklärte 
sich  als  die  höchste  Gewalt  am  meisten  berechtigt,  eine  Verfassung  zu 
verkünden.  Unter  den  900  Volksvertretern  waren  800  Republikaner,  doch 
fast  alle  waren  ausgesprochene  Gegner  der  sozialistischen  Ideen  von  Louis 
Blanc.  Die  ausführende  Gewalt  wurde  Männern  wie  Arago,  Garnier-Pages,  • 
Marie,  Lamartine,  Ledru-Rollin  anvertraut.  Die  sozialistischen  Parissr 
Arbeiter  legten,  als  sie  sich  in  ihren  Hoffnungen  getäuscht  sahen,  stür- 
mische Verwahrung  ein  und  setzten  einen  Aufruhr  ins  Werk  (26.  Juni), 
der  von  General  Cavaignac,  dem  neuernannten  Kriegsminister,  nach- 
drücklich zurückgewiesen  wurde.  In  den  Straßen  von  Paris  spielte  sich 
eine  viertägige  Schlacht  ab. 

Leider  kannte  die  aus  dem  noch  so  jungen  allgemeinen  Stiinmr.echt 
hervorgegangene  und  noch  so  wenig  wie  dieses  selbst  erprobte  Versamm- 
lung nicht  einmal  die  einfachsten  Grundsätze  einer  wahrhaft  demokratischen 
Regierung.  Sie  nahm  zwei  Beschlüsse  an,  die  beide  von  "vornherein  der 
Freiheit  ihre  Daseinsmöglichkeit  abschnitten:  der  Präsident  der  Republik, 
sollte  ünnüttelbar  aus  dem  allgemeinen  Wahlre.cht  hervorgehen,-  'uiid.  es 
sollte  nur  eine  Kammer  geben.  -In  ihrer  Einfältigkeit  sah  die  Versamm- 
lung nicht,  daß  ein  unmittelbar  von  dem  Volke  bezeichneter  Präsident . 
durch  seine  bloße  Wahl  eine  ganz  erschreckende  und  unüberwindliche 
Fülle  von  Einfluß  und  Macht  Erlangen  müßte,  und  so  gab  sie.  sich. einen 
Herrn. 

Dieser  Herr  war  Louis-Napol^on  Bonaparte.  Er  war  der  Sohn  von  König 
Ludwig  von  Holland,  dem  Bruder  des  Kaisers  Napoleon  I;,"  und  der 
Königin  Hortensie,  die;  selbst  eine  Tochter  von  Napoleons  I.  erster  Ge- 
mahlin Josephine  von  Beauharnais  (1808)  war.  In  bescheidenen  Verhält- 
nissen und  unbekannt  hatte  er  bald  in  Deutschland  und  bald  wieder  in 
England  gelebt  und  •  einige  ziemlich  seichte  Flugschriften  veröffentlicht. 
Im  Jahre  1836  suchte  er,  wenn  auch  vergeblich,  in  Straßburg  eine  militä- 
rische Erhebung  hervorzurufen  und  machte  sich  hierdurch  nur  lächerlich. 
\^on  Ludwig  Philipp  schonend  behandelt,  fing   er   in  Boulogne  vier  Jahre 


388  Siebentes  Buch. 


später  schon  wieder  ganz  ebenso  an  und  erneuerte  seine  Auf  Stands  versuche. 
Da  hierbei  der  Tod  eines  Menschen  in  Frage  kam,  wurde  er  zu  Festungs- 
haft verurteilt,  die  er  in  Ham  abbüßte  (1846).  Hier  ließ^  man  ihn  ent- 
wischen. Im  Februar  1848  kehrte  er  schon  nach  Frankreich  zurück,  trat 
als  Abgeordneter  in  die  konstituierende  Versammlung  ein,  in  die  er  von 
vier  Departements  zugleich  gewählt  wurde.  Da  bewarb  er  sich  um  die 
Präsidentschaft  der  Republik  und  wurde  von  einer  erdrückenden  Mehrheit 
dazu  berufen. 

Noch  nie  hatte  sich  das  Widersinnige  der  Volksabstimmung  so  sehr  in 
seinem  vollen  Lichte  gezeigt.  Louis-Napoleon,  eine  nur  durch  ihre  hans- 
wurstmäßigen Unternehmungen  bekannte,  an  und  für  sich  recht  mittelmäßige 
Persönlichkeit,  der  aber  den  Namen  des  größten  aller  Hallunken  trug,  der  je 
gelebt  hat,  erhielt  5V2  Millionen  Stimmen  (5  434  266),  Cavaignac,  der  unbe- 
scholtene und  beredte  Feldherr,  der  Besieger  Abd-el-Kaders,  der  Held  der 
Junitage,  der  bescheidene  und  entschlossene  Republikaner,  1V2  Millionen 
(i  498  000),  Ledru-Rollin,  der  treue  und  vornehme  Vertreter  des  allge- 
meinen Wahlrechts,  370000  und  Lamartine,  der  gefeierte  Dichter,  der  ge- 
waltige Redner,  der  in  einem  Augenblick  der  höchsten  Not  vor  dem  fast 
triumphierenden  Aufruhr  den  Franzosen  das  dreifarbige  Banner  entfaltete, 
brachte  es  auf  ganze  7910  Stimmen.  Wohl  mochte  die  Dankbarkeit  Frank- 
reichs zwischen  den  zuletzt  genannten  drei  großen  Namen  schwanken 
können;  doch  siehe,  in  seiner  jämmerlichen  Beschränktheit  wählte  es 
wahrhaftig  einen  ganz  anderen. 

Die  Folgen  traten  ebenso  schnell  ein  wie  sie  leicht  vorauszusehen  waren. 
Die  gesetzgebende  Versammlung,  die  nun  an  Stelle  der  konstituierenden 
trat  (11.  Mai  1849),  teilte  sich  zwischen  Monarchisten,  Ultramontanen,  Re- 
publikanern und  Sozialisten.  Sie  gab  Gesetze  ohne  Ende  und  ohne  jeden 
Zweck,  wie  sie  gerade  der  Zufall  der  Ereignisse  mit  sich  brachte.  Neben  ihr 
und  im  Gegensatz  zu  ihr  wußte  der  Präsident  genau,  was  er  wollte:  er  er- 
nannte Minister,  Präfekten,  Generale,  die  ihm  mit  Leib  und  Seele  ergeben 
waren,  und  freute  sich  immer  von  neuem,  wenn  ihm  die  Soldaten  zuriefen: 
„Es  lebe  der  Kaiser  I" 

Zum  Schluß  entschied  er  sich  für  den  Staatsstreich,  nachdem  er  zwei 
Jahre  lang  insgeheim  regelrecht  und  munter  drauflos  alle  Vorkehrungen 
dazu  getroffen  hatte.  In  der  Nacht  vom  i,  zum  2.  Dezember  1851  ließ  er 
die  Abgeordneten  und  den  Vorsitzenden  der  gesetzgebenden  Körperschaft 
verhaften  und  erklärte  durch  Maueranschlag,  daß  die  Körperschaft  auf- 
gelöst und  die  Verfassung  aufgehoben  sei.  Zwar  wurde  hier  und  da  in 
Paris  ein  schüchterner  Versuch  gemacht,  vereinzelt  eine  oder  die  andere 


Die  Herrschaft  der  Wissenschaft.  38g 

Barrikade  aufzurichten,  doch  bald  war  alles  still.  Um  jede  Anwandlung 
zum  Widerstände  gleich  im  Keime  zu  ersticken,  gaben  die  Hauptmitschul- 
digen an  dem  Staatsstreich  den  zuvor  mit  hohen  Bestechungssummen  ge- 
kauften und  halb  betrunkenen  Soldaten  den  Befehl,  auf  die  wehrlose  Menge 
zu  schießen.  Das  gelang.  Weder  in  Paris  noch  in  der  Provinz  fand  nun  der 
Staatsstreich  den  geringsten  Widerspruch  mehr.  Die  Republikaner,  die 
sich  irgendwie  dagegen  aufzulehnen  wagten,  wurden  durch  sogenannte  ge- 
mischte Standgerichte,  d.  h.  solche,  die  zur  Hälfte  aus  bürgerlichen  Be- 
amten, zur  andern  Hälfte  aber  aus  Militärpersonen  bestanden,  verurteilt. 
Dreitausend  Menschen  wurden  eingesperrt,  zwölftausend  in  die  Kolonien 
geschickt. 

Einige  Tage  später  hieß  eine  Volksabstimmung  alles  Geschehene  gut; 
7481200  stimmten  mit  ja  gegenüber  nur  647292,  die  mit  nein  stimmten. 

Dies  verhängnisvolle  Wagestück  war  nichts  weiter  als  ein  schwacher 
Abklatsch  des  18.  Brumaire:  zwar  ein  um  nichts  geringeres  Unrecht,  doch 
ein  um  viel  geringerer  Ruhml  Die  Preß-  und  Versammlungsfreiheit  wurde 
unterdrückt;  die  gesetzgebende  Körperschaft,  die  auf  272  Abgeordnete 
beschränkt  wurde  (lauter  von  der  Regierung  genehmigte  amtliche  Kandi- 
daten), verlor  alle  ihre  Rechte  bis  auf  das  eine:  über  den  Staatshaushalt 
und  die  ihr  vorgelegten  Gesetze,  aber  auch  nahezu  völlig  debattelos,  abzu- 
stimmen. 

Nach  Verlauf  eines  Jahres  ließ  sich  Louis-Napoleon  unter  dem'  Namen 
Napoleon  IH.  zum  Kaiser  proklamieren.  Das  wurde  wieder  durch  eine 
Volksabstimmung  rechtsgültig  (20.  November  1852);  7839000  stimmten 
mit  ja,  253  000  mit  nein.  Zwar  hatte  Napoleon  seinen  Treueid  der  Republik 
geleistet,  doch  eine  Volksabstimmung,  dachte  er  sich,  lasse  den  Eidbruch 
in  Vergessenheit  geraten. 

So  hatte  in  Frankreich  die  Februarrevolution  von  1848  schließlich  mit 
dem  Despotismus  geendet. 

In  Italien,  in  Ungarn,  in  Deutschland,  in  Österreich  war  es  nicht  anders. 
Ja,  1848  erheben  sich  die  verschiedensten  Völker  und  ringen  um  ihre  Unab- 
hängigkeit, und  schon  1851  müssen  sie  besiegt  unter  das  Joch  gehen. 

Die  itaUenische  Unabhängigkeitsbewegung  nimmt  ihren  Anfang  gleich 
in  den  ersten  Tagen  des  Jahres  1848  in  den  Städten  Neapel  und  Palermo, 
wo  der  König  beider  Sizilien,  Ferdinand  II.,  eine  richtige  Verfassung  an- 
nimmt (18.  Januar  bis  10.  Februar),  zu  Rom,  wo  Papst  Pius  IX.,  zunächst 
von  liberalen  Absichten  beseelt,  einer  Art  Verfassungssatzung  zustimmt 
(14.  März),  zu  Mailand,  wo  Radetzky  und  die  Österreicher  vertrieben  werden 
(18.  März),  zu  Venedig,  wo  eine  repubhkanische  Regierung  verkündet  wird 
7  Riebet,  Geschichte  der  Menschheit,  II. 


390 


Siebentes  Buch. 


und  die  deutschen  Soldaten  vertrieben  werden  (23.  März),  und  besonders 
zu  Turin,  wo  sich  König  Karl  Albert  von  Piemont  und  Sardinien  nach  lan- 
gem Schwanken  entscheidet,  mit  den  Republikanern  und  den  italienischen 
Patrioten  gemeinsame  Sache  zu  machen  (24.  März  1848). 

Nicht  leicht  wurde  es  Karl  Albert,  den  Vorwürfen  der  Liberalen  Gehör 
zu  schenken.  Die  liberale  Partei  wurde  damals  in  Piemont  von  einem  Manne 
von  bedeutenden  Geistesanlagen,  einem  der  befähigtesten  Köpfe,  der  mit 
Garibaldi  imd  Victor  Emanuel  gemeinsam  der  Begründer  der  italienischen 
Einheit  werden  sollte,  dem  Grafen  von  Cavour,  geleitet.  Diesem  gelang 
es,  seinen  Monarchen  zu  überreden,  daß  er  am  4.  März  1848  eine  Ver- 
fassung ausrufen  ließ.  Von  der  italienischen  Bevölkerung  der  Städte  Mai- 
land, Genua,  Venedig,  Florenz,  Neapel  gerufen,  wo  überall  die  auf  ihr 
lastende  Zwangsherrschaft  der  erblichen  Dynastie  gestürzt  wurde,  brach 
Karl  Albert  am  26.  März  1848  auf,  um  sich  -mit  den  Aufständischen  zu 
vereinigen.  Der  einstige  absolute  Herrscher,  der  der  Heiligen  Allianz  ge- 
schworen hatte,  stets  den  Absolutismus  zu  verteidigen,  wurde  nun  der  An- 
führer der  Meuterer. 

Gewiß  überlegte  er  wohl  damals  nicht  weiter,  daß  er  durch  diesen 
kühnen  Entschluß  die  Größe  des  Hauses  Savoyen  und  die  stolze  Ein- 
heit Italiens  befestigte;  wer  aber  statt  seiner  daran  gedacht  hatte,  war 
Cavour. 

Das  von  italienischen  Freiwilligen,  die  von  allen  Seiten  herbeiströmten, 
schnell  verstärkte  piemontesische  Heer  wies  zunächst  einige  Erfolge  auf. 
Da  die  ungarische  Erhebung  Österreich  seine  besten  Truppen  entzog,  hatte 
Radetzky,  der  österreichische  General,  kaum  60000  Mann  mehr,  die  er  den 
Italienern  entgegenstellen  konnte,  und  selbst  die  waren  überall  in  den 
festen  Plätzen  der  Lombardei  zerstreut.  Radetzky  wurde  zu  Goito  oesiegt 
(30.  Mai  1848)  und  Karl  Albert  auf  dem  Schlachtfelde  jauchzend  als  König 
von  Italien  begrüßt.  Bald  beschlossen  die  oberitalienischen  Provinzen  ihre 
Unabhängigkeit  und  ihren  Anschluß  an  Piemont.  Aber  das  war  nur  ein 
vorübergehender  Siegesrausch.  Neue  österreichische  Truppen  kamen  an, 
und  die  Italiener  wurden  bei  Custozza  geschlagen  (26.  Juli).  Karl  Albert, 
dessen  Heer  seine  Siegeszuversicht  verloren  hatte  und  in  alle  Winde  ver- 
sprengt war,  bat  um  einen  Waffenstillstand  und  willigte  in  die  Räumung 
der  Lombardei  ein  (9.  August). 

Diesen  Befreiungskrieg,  dem  sich  Karl  Albert  widerwillig  hatte  fügen 
müssen  und  den  er  deshalb  auch  nur  lau  geführt  hatte,  wollten  die  italie- 
nischen Patrioten  sogleich  wieder  aufnehmen.  Die  unglückliche  Schlacht 
bei  Custozza  hatte  ihre  Vaterlandsliebe  nur  noch  mehr  in  Wallung  gebracht. 


Die  Herrschaft  der  Wissenschaft.  3g  i 

Sizilien  erhob  sich,  Rom  empörte  sich.  Pius  IX.  mußte  aus  Rom  fliehen, 
und  es  wurde  die  römische  Republik  proklamiert  (24.  November  1848). 
Toskana  verjagte  seinen  Herrscher  (18.  Februar  1849).  Einen  AugenbUck 
konnten  die  Italiener  hoffen,  daß  die  Niederlage  Karl  Alberts  der  Unab- 
hängigkeit Italiens  nichts  angehabt  hätte. 

Karl  Albert  selbst  faßte  wieder  Mut,  brach  den  Waffenstillstand  (12.  März 
1849)  und  griff  die  Österreicher  von  neuem  an;  aber  er  wurde  in  der 
Schlacht  bei  Novara  vollständig  besiegt  (23,  März  1849).  Da  verlor  er  alle 
Hoffnung,  verzweifelte  und  dankte,  von  religiösen  und  monarchischen  Be- 
denken gequält,  zugunsten  seines  Sohnes,  des  großen  Victor  Emanuel,  ab, 
der  dem  Hause  Savoyen  so  viel  Macht  und  Ruhm  gewinnen  sollte. 

Die  Schlacht  bei  Novara  gab  Österreich  die  verlorene  Führung  wieder. 
Alle  lombardischen  Städte  wurden  wiedererobert,  und  zuletzt  ergab  sich 
auch  Venedig  nach  heldenmütigem  Widerstände  (27.  August  1849). 

Das  Schicksal  der  römischen  Republik  war  nicht  glücklicher.  Die  fran- 
zösische konstituierende  Versammlung  hatte  die  Schwäche  gehabt,  dem 
Präsidenten  Louis- Napoleon  nachzugeben  und  eine  Heeresmacht  nach 
Rom  zu  entsenden,  um  den  französischen  Einfluß  zu  behaupten  und  die 
Zivilisation  zu  verteidigen.  Wenige  Monate  später  schon  schlug  sie  die 
Rückberufung  der  Truppen  vor;  doch  Napoleon  handelte  ganz  anders  als 
es  die  Versammlung  verlangte;  bald  war  übrigens  auch  eine  reaktionäre 
und  ultramontane  neue  Versammlung  ernannt  worden,  die  für  die  reak- 
tionäre und  ultramontane  auswärtige  Politik  des  Präsidenten  zu  haben  war. 
So  wurde  denn  die  schwache  französische  Besatzungsabteilung,  die  zu  Ostia 
stand,  verstärkt.  Von  den  italienischen  Patrioten  belagert,  wurde  Rom 
bestürmt,  beschossen  und  trotz  Mazzinis  und  Garibaldis  mutiger  Gegenwehr 
schließlich  eingenonrunen  (30.  Juni  1849).  Nun  war  es  um  die  italienische 
Freiheit  geschehen;  sie  wurde  zu  Mailand  von  den  Österreichern,  zu  Rom 
von  den  Franzosen  vernichtet.  Auch  Piemont  konnte  nun,  sich  ganz  allein 
überlassen,  sie  nicht  mehr  verteidigen  (1850). 

Eine  gleiche  liberale  und  geradezu  revolutionäre  Einheitsbewegung  er- 
faßte auch  Deutschland  unmittelbar  nach  den  Februartagen  des  Jahres 
1848.  Der  Zollverein  hatte  Deutschland  zur  Einheit  vorbereitet,  und  die 
Universitäten  unterhielten  den  deutschen  Patriotismus  unter  der  edlen  Vor- 
stellung eines  gemeinsamen  Vaterlandes. 

Diese  Patrioten  waren  auch  Liberale;  denn  die  Idee  des  Vaterlandes 
und  die  der  Freiheit  beleben  und  erfüllen  gleichzeitig  dieselben  Menschen. 
Doch  König  Friedrich  Wilhelm  IV.  von  Preußen  (1840— 1861),  den  sie 
zum  Führer  nehmen  wollten,  war  nichts  weniger  als  ein  Liberaler,  Er  hatte 
7* 


392  Siebentes  Buch. 


geschworen,  keine  Verfassung  geben  und  mit  den  Revolutionären  nicht 
paktieren  zu  wollen.  Aber  als  in  Berlin  die  Nachricht  von  einer  Revolution 
in  Frankreich  anlangte,  erhob  sich  die  Berliner  Bevölkerung  (i8.  März 
1848);  es  fand  ein  blutiger  Straßenkampf  statt.  Friedrich  Wilhelm  mußte 
auf  seinem  Balkon  erscheinen,  die  Aufrührer  beruhigen,  seinen  Gruß  den 
Gefallenen  darbringen,  mit  deren  Leichen  die  Menge  an  ihm  vorüberzog, 
imd  eine  Verfassung  und  die  Zusammenberufung  eines  deutschen  Bundes- 
tages versprechen. 

Der  Bundestag  trat  in  Frankfurt  zusammen  (31.  März).  Es  ging  dort 
alles  wirr  durcheinander.  Drei  Parteien  waren  gleichzeitig  vertreten: 
Preußen,  Österreich  und  Deutschland.  Die  deutsche  Partei  war  die  stärkste 
und  zielbewußteste,  aber  auch  die  ohnmächtigste;  denn  sie  hatte  weder 
Regierung  noch  Geldmittel  noch  Streitkräfte  zur  Verfügung.  Nach  einem 
Jahre  langatmiger  und  unfruchtbarer  Verhandlungen  beschließt  das  Parla- 
ment den  Bundesstaat  Deutschland  und  die  parlamentarische  Regierungs- 
form mit  allgemeinem  Stimmrecht  und  einem  erblichen  Kaiser  an  der  Spitze. 
Die  Wahl  fiel  auf  den  König  von  Preußen  (27.  März  1849). 

Aber  Friedrich  Wilhelm  nahm  die  ihm  angebotene  Kaiserkrone  nicht  an. 
Wie  Karl  Albert,  lag  auch  ihm  nichts  daran,  den  Thron  Rebellen  verdanken 
zu  sollen.  Die  Könige  Maximilian  II.  von  Bayern,  Friedrich  August  II.  von 
Sachsen  und  Wilhelm  I.  von  Württemberg  wollten  von  ihren  Rechten  auch 
nichts  abgeben,  bis  schließlich  alle  Freiheitsbestrebungen  des  Frankfurter 
Parlaments  vergeblich  waren.  Das  Hberale  deutsche  Kaisertum  bheb  ein 
Traum,  der  es  auch  heute  noch  ist. 

Aber  es  geschah  das  nicht  etwa  ohne  jeden  weiteren  Widerstand.  Eine 
liberale  Partei  bestand  ja  schon  länger  mit  ausgesprochen  republikanischen 
Bestrebungen;  es  war  aber  auch  schon  eine  sozialistische  Partei  da.  Der 
große  Theoretiker  des  Sozialismus  Karl  Marx  hatte  es  verstanden,  sich, 
besonders  auch  in  Sachsen,  zahlreiche  Anhänger  und  Verehrer  zu  erwerben. 
Weder  die  Sozialisten  noch  die  Republikaner  verzichteten  auf  ihre  Träume. 
Sie  fügten  sich  nicht  ohne  Kampf  in  die  Unterwerfung.  Es  gab  Aufstände 
in  Dresden  und  Rastatt,  die  von  dem  preußischen  Heere  niedergeworfen 
werden  mußten.  Und  es  war  ein  seltsames  Schauspiel,  erleben  zu  müssen, 
wie  ein  Herrscher  erbarmungslos  die  tapferen  Männer  hinschlachten  ließ, 
die  ihm  die  Kaiserwürde  verleihen  wollten  (23.  Juli  1849). 

Auch  Österreich  hatte  endlich  über  die  ungarische  Volkserhebung  trium- 
phieren können;  es  hatte  seine  Willkürherrschaft  in  Italien  wiederherge- 
stellt und  mit  Erfolg  sich  gegen  die  Wiener  Revolutionäre  gewehrt.  Der 
junge  Kaiser  Franz  Josef  ertrug  es  ntir  imwilhg,  die  Vorherrschaft  über 


Die  Herrschaft  der  Wissenschaft.  393 

Deutschland  mit  dem  Könige  von  Preußen  teilen  zu  müssen.  Da  sicherte 
er  sich  die  Freundschaft  Rußlands  vmd  wurde  sehr  übermütig.  Einen 
Augenblick  konnte  man  sogar  Krieg  fürchten,  aber  das  preußische  Heer 
war  damals  außerstande,  sich  mit  dem  östeweichischen  zu  messen,  das  von 
dem  bayrischen  imd  württembergischen  Unterstützung  zu  erwarten  hatte: 
Preußen  gab  nach  und  nahm  die  österreichischen  Bedingungen  an  {01- 
mützer   Konvention,    28.    November    1850). 

Es  wurde  vereinbart,  daß  der  ehemalige  Zustand  der  Dinge  wiader- 
herztistellen  sei,  d.  h.  der  alte  Deutsche  Bund  unter  dem  Vorsitz  des  Kaisers 
von  Österreich  und  die  Rückkehr  zur  früheren  Regierungsform.  Ein  neuer 
Bundestag  trat  zusammen  auf  Grund  eines  beschränkten  Wahlrechts,  der 
die  Entscheidungen  der  Herrscher  voll  und  ganz  bestätigte.  Der  König  von 
Preußen  drängte  nun  seinen  Untertanen  eine  Verfassung  auf  (oktroyierte 
Verfassung),  in  der  nur  noch  leise  Umrisse  von  Parlamentarismus  zu  er- 
kennen waren. 

So  war  die  demokratische  und  liberale  Partei  Deutschlands  zu  Boden 
geschlagen,  und  Österreich  triumphierte.  Aber  der  Gedanke  an  ein  großes 
deutsches  Vaterland  unter  der  Leitung  und  Regierung  Preußens  hatte 
Wurzel  geschlagen.  Die  Niederlage  von  Novara  hatte  Victor  Emanuel 
den  italienischen  Thron  ebensowenig  verschafft,  wie  die  demütigende  01- 
mützer  Konvention  Friedrich  Wilhelm  die  deutsche  Kaiserwürde. 

In  Österreich  nahm  die  Revolution  eine  von  der  deutschen  etwas  ver- 
schiedene Form  an.  Der  österreichische  Kaiserstaat  war  —  und  ist  auch 
noch  —  die  heterogenste  Mischung  von  zehn  verschiedenen  Völkerschaften, 
die  Fürstenehen,  kriegerische  Eroberungen  und  ihnen  allen  gemeinsame 
Zeiten  der  Machtlosigkeit  allmählich  unter  ein  und  demselben  Zepter  ver- 
eint hatten:  Deutsche,  Ungarn,  Rumänen,  Polen,  Ruthenen,  Tschechen, 
Slowaken,  Kroaten,  Slowenen  imd  Italiener.  Aber  diese  Völkerschaften 
verabscheuten  sich  gegenseitig  derartig,  daß  sie  unverständig  genug  waren, 
sich  gegenseitig  zu  bekämpfen,  anstatt  sich  zu  unterstützen. 

Es  waren  die  Deutschen  in  Wien,  Studenten,  Bürger,  Arbeiter,  die  das 
Zeichen  zum  Aufruhr  gaben.  Sobald  die  Pariser  Februarrevolution  be- 
kannt wurde,  setzten  sie  dort  eine  gewaltige  Massenkundgebung  ins  Werk 
und  zv/angen  Metternich,  die  Hauptstadt  zu  verlassen.  Gleichzeitig  ver- 
sprach der  Kaiser  eine  parlamentarische  Verfassung  mit  dem  allgemeinen 
Wahlrecht  und  der  Bewaffnung  der  Akademischen  Legion  (15.  März  1848). 
Zwei  Monate  später  verließ  der  Kaiser  Wien  und  überließ  die  Demokratie 
sich  selbst  (17.  Mai). 

Die   von   den   verschiedenen   Völkerschaften   Österreichs   berufene  kon- 


394  Siebentes  Buch. 


stituierende  Versammlung  war  das  Abbild  Österreichs  selbst.  Man  sprach 
dort  alle  Sprachen,  und  alsbald  erhob  eine  jede  der  Völkerschaften  ihre 
Ansprüche.  Doch  inmitten  dieser  Unstimmigkeiten  herrschte  ein  gemein- 
sames Gefühl:  die  Abneigung  gegen  die  Vorrechte  des  Adels.  Alle  mittel- 
alterlichen  Lehnsrechte   wurden   abgeschafft    (17.   September    1848), 

Auch  die  Ungarn  hatten  eine  parlamentarische  Regierungsform  gefordert. 
Der  in  Preßburg  zusammengetretene  ungarische  Landtag  hatte  am  30.  März 
1848  verfassungsmäßige  Bürgschaften  erlangt.  Der  große  Redner  Kossuth 
wurde  zum  Minister  berufen.  So  schien  es  wohl,  daß  ganz  Österreich  vom 
Liberalismus  angesteckt  werden  sollte,  aber  nur  zu  bald  sollte  sich  das  als 
eine  bloße  Einbildung  herausstellen. 

Anstatt  zur  Erreichung  von  etwas  nationaler  Unabhängigkeit  ihre  Sache 
mit  der  der  Ungarn  zu  verbinden,  traten  die  Slawen  in  der  Tat  viel- 
mehr in  kaiserliche  Dienste.  Kroaten,  Serben,  Tschechen,  alle  Völker  sla- 
wischer Zunge  ließen  es  sich  gefallen,  in  den  Reihen  des  kaiserlichen  Heeres 
gegen  die  ungarischen  und  deutschen  Aufständischen  zu  kämpfen.  Der 
kroatische  General  Jellachich  wurde  zum  Oberbefehlshaber  ernannt  und 
damit  betraut,  die  Feinde  des  Kaisertums  wieder  zum  Gehorsam  zurück- 
zuführen. 

Andererseits  konnten  sich  die  aufrührerischen  Deutschen  in  Wien  und 
die  Ungarn  nicht  verständigen.  Sie  hatten  kein  oder  kaum  ein  Heer.  Der 
Kaiser  konnte  also  nun  wieder  in  Wien  einziehen  (31.  Oktober  1848).  Die 
Unterdrückung  des  Aufstandes  war  eine  harte.  Ein  Deutscher,  namens 
Robert  Blum,  den  das  Frankfurter  Parlament  den  Wiener  Demokraten 
geschickt  hatte,  wurde  erschossen.  Einige  Tage  später  (27.  November  1848) 
dankte  Kaiser  Ferdinand  zugunsten  seines  Neffen  Franz  Joseph  ab,  der 
damals  18  Jahre  alt  war. 
»  Die    Niederlage   der   Wiener    Revolutionäre  zog   nicht   unmittelbar   die 

f  der  Ungarn  nach  sich.  Dieses  edle  Volk  schlug  sich  tapfer  für  seine  Frei- 

I  heit.  Seine  Generale  Gorgey  und  vor  allem  auch  Klapka  erfochten  glän- 
zende Siege,  namentlich  bei  Gödöllö  (7.  April  1849).  Ungarn  glaubte  schon 
damals  frei  zu  sein.  Eine  in  Debreczin  zusammengetretene  Versammlung 
erklärte  die  Absetzung  der  Habsburger  und  die  Selbstregierung  Ungarns. 
Kossuth  wurde  zum  Oberhaupt  einer  vorläufigen  Regierung  ernannt. 

Leider  verstanden  die  ungarischen  Patrioten  nicht,  einig  zu  bleiben.  Die 
Truppen,  die  der  Kaiser  nach  Italien  geschickt  hatte,  kamen  jetzt  wieder 
nach  Hause  zurück,  nachdem  Italien  wieder  ganz  ruhig  geworden  war. 
Zudem  verband  sich  das  russische  Heer  mit  dem  österreichischen;  denn 
Zar    Nikolaus   war  entschlossen,    die   Revolution  in   jeder   Gestalt  zu  be- 


Die  Herrschaft  der  Wissenschaft.  3g5 

kämpfen,  in  der  sie  nur  irgend  erscheinen  mochte.  Die  Ungarn  mußten 
sich  unterwerfen.  Ihr  letztes  Heer  übergab  seine  Waffen  den  russischen 
Truppen  (13.  August  1849). 

Siegreich  über  alle  Erhebungen  in  Italien,  in  Wien,  in  Budapest,  ver- 
gaß die  österreichische  Regierxmg  nun  ganz  ihr  so  oft  wiederholtes  Ver- 
sprechen einer  Verfassung.  Der  Absolutismus  wurde  wiederhergestellt. 
Um  besser  ihr  Ansehen  zu  sichern,  suchte  die  kaiserliche  Gewalt  durch 
allerhand  zwangsweise  und  kindische  Maßnahmen  eine  Art  Einheit  in  dem 
Kaiserstaate  herzustellen,  gerade  als  ob  zehn  Millionen  Ungarn,  z2hn 
Millionen  Slawen,  zehn  Millionen  Polen  und  zehn  Millionen  Deutsche 
die  Idee  eines  gemeinsamen  Vaterlandes  fassen  könnten. 

Die  Zeiten  der  Freiheit  waren  noch  nicht  gekommen,  das  große  Streben 
der  edlen  Männer  von  1848,  Franzosen,  Deutscher,  Italiener,  Ungarn,  für 
Ideal  und  Recht  war  überall  ohnmächtig.  Napoleon  III.,  Papst  Pius  IX., 
Kaiser  Franz  Josef,  König  Friedrich  Wilhelm  ly.,  Zar  Nikolaus  bildeten 
wieder  eine  heilige  Allianz,  wie  die  des  Jahres  181 5,  die  dem  freien 
Denken  und  der  Selbständigkeit  ihrer  Völker  feindlich  gegenüberstand. 

England  freilich,  das  damals  von  einer  bewundernswerten  Königin  ge- 
leitet war,  entwickelte  sich  zu  einer  Zufluchtstätte  für  alle  Art  gebrochener 
Freiheit.  Nach  ihrer  völligen  Überwindung  wurden  Leute  wie  Victor  Hugo, 
Kossuth,  Garibaldi,  Mazzini  ohne  Ausnahme  in  diesem  Lande  gastlich 
aufgenommen. 

Seiner  politischen  und  Handelsfreiheit  treuer  als  je  zuvor,  breitete 
England  planmäßig  und  gewaltig  seine  Zivilisation  über  die  ganze 
Erde  aus. 

Die  große  Londoner  Weltausstellung  vom  Jahre  1851  zeigte  in  glänzender 
Weise,  wie  trotz  der  Tyranneien  und  Verfolgungen  Kunst,  Industrie  und 
Wissenschaft  die  Menschheit  einer  Zukunft,  die  weniger  barbarisch  als 
die  Gegenwart  ist,  leise  und  unmerklich  entgegenführten.  Vielleicht  sind 
die  schmerzlichen  und  dramatischen  Ereignisse,  von  denen  die  Geschichte 
etwas  erzählt,  doch  nur  unwesentliche  Zwischenfälle  neben  den  langsamen 
und  beständigen  Fortschritten,  von  denen  sie  nichts  erzählt. 

Ehe  Louis- Napoleon  sich  zum  Kaiser  ausrufen  ließ,  hatte  er  sich  zu 
dem  Ausspruch  verstiegen:  „Das  Kaiserreich  ist  der  Friede  1"  Zwei  Jahre 
später  entfesselte  das  Kaiserreich  den  Krimkrieg. 

Doch  es  wäre  ungerecht,  die  Verantwortung  dafür  einzig  und  allein  der 
französischen  Regierung  zuzuschieben.  Der  Zar  durch  seine  Angriffs- 
xind  England  durch  seine  Eifersuchtspolitik  haben  sich  mindestens  ebenso- 


396  Siebentes  Buch. 


sehr  wie  Frankreich  zu  Mitschuldigen  an  diesem  nutzlosen  Wahnsinn  ge- 
macht. 

Der  Streit  begann  mit  einer  diplomatischen  Erörterung  über  den  Schutz 
der  Christen  im  Morgenlande  und  die  Obhut  über  das  Heilige  Grab  in 
Jerusalem.  An  diese  unbedeutende  Meinungsverschiedenheit  schlössen  sich 
ernstere  Schritte  an.  Die  Russen  drangen  in  die  beiden  Donaufürstentümer 
Moldau  imd  Walachei  ein  und  setzten  die  kleine  türkische  Flotte  bei  Sinope 
in  Brand  (30.  November  1853).  Mit  der  feierlichen  Erklärung,  daß  sie  der 
Türkei  Schutz  bieten  wollten,  antworteten  Frankreich  und  England  hierauf 
mit  der  Kjriegserklärung  an  den  Zaren  (27.  März  1854). 

Hin-  und  herschwankend  und  eifersüchtig  nahmen  Österreich  und  Preu- 
ßen an  dem  Kampfe  keinen  Teil,  aber  der  König  von  Piemont,  der  feurige 
Victor  Emanuel,  schloß  sich  Frankreich,  England  und  der  Türkei  an.  Er 
legte  Wert  darauf,  seine  Rolle  in  den  europäischen  Angelegenheiten  zu 
behaupten. 

Der  Krieg  dauerte  nahezu  zwei  Jahre,  er  war  kostspielig  und  blutig. 
Man  kann  die  Zahl  der  in  ihm  gebliebenen  Soldaten  auf  über  500  000  ver- 
anschlagen. Die  meisten  dieser  braven  Leute  kamen  nicht  in  den  Schlachten 
oder  bei  den  Erstürmungen  um,  sondern  in  den  Lazaretten  und  Baracken 
als  Opfer  der  Cholera  und  des  Typhus,  die  sechsmal  so  mörderisch  wie  das 
feindliche  Feuer  waren. 

Die  Verbündeten  trugen  alsbald  den  Krieg  in  die  Krim.  Am  13.  Sep- 
tember 1854  begannen  sie  mit  der  Landung  ihrer  Truppen.  Sie  hofften 
Sebastopol  durch  Überrumpelung  zu  nehmen,  aber,  als  der  Versuch  ge- 
scheitert war,  mußten  sie  zur  Blockade  übergehen  (9.  Oktober  1854  bis 
8.  September  1855). 

Bei  dieser  langen  Belagerung  konnte  man  auf  beiden  Seiten  Wunder 
von  Tapferkeit  erleben;  auf  beiden  Seiten  schlugen  sich  die  Soldaten  wie 
Helden,  schneidig,  aber  doch  ohne  tiefere  aus  der  Seele  kommende  gegen- 
seitige Feindschaft.  Wenn  dieser  Krieg  nicht  so  mörderisch  gewesen  wäre, 
hätte  man  ihn  für  ein  bloßes  Spiel  halten  können;  denn  zwischen  den 
Gegnern  fehlte  jeder  Haß  wie  auch  jede  Ursache  für  einen  solchen.  500  000 
Soldaten  sind  in  der  Krim  gefallen,  ohne  jemals  erfahren  zu  haben,  wes- 
halb eigentlich. 

Nikolaus  starb  in  Verzweiflung.  Die  Einnahme  von  Sebastopol  (2.  März 
1855)  vernichtete  mit  einem  Schlage  alle  seine  panslawistischen  Eroberungs- 
träume. 

Als  sein  ihm  nachfolgender  Sohn  Alexander  Rußlands  völlige  Erschöp- 
fung sah,  nahm  er  den  Frieden  an.  Derselbe  wurde  in  Paris  unterzeichnet 


Die  Herrschaft  der  Wissenschaft.  397 

(30.  März  1856).  Es  kam  dabei  für  keinen  der  Gegner  ein  materieller  Vor- 
teil heraus,  weder  für  Frankreich  noch  für  Rußland  noch  für  England; 
den  Nutzen  hatte  allein  das  Ottomanische  Reich,  dessen  Gebiet  nun  der 
Habgier  der  Russen  entzogen  und  für  unantastbar  erklärt  wurde.  Nun  sollte 
das  ganze  folgende  halbe  Jahrhundert  lang  nahezu  die  gesamte  euro.- 
päischc  Staatskunst  sich  allein  mit  der  einen  Aufgabe  beschäftigen,  eine 
Möglichkeit  herbeizuführen,  dieses  unantastbare  Gebiet  unter  die  verschie- 
deneu Mächte  zu  verteilen.  Zu  so  einem  merkwürdigen  Ergebnis  hatten  zwei 
schreckliche  Kriegsjahre  geführt. 


Frankreich  trug  der  Krimkrieg  nichts  ein;  aber  sein  Herrscher  schuf 
sich  in  demselben  einiges  Ansehen.  Die  kaiserliche  Regierung,  die  aus  Un- 
gesetzlichkeit und  Gewalt  hervorgegangen  war,  wußte  das  englische  Bünd- 
nis, die  ruhmvollen  Siege  bei  Inkerman  und  an  der  Alma,  den  Pariser 
Vertrag,  die  Neutralitätserklärung  der  Meerengen  für  ihren  Ruhm  aus- 
zunutzen. Napoleon  wurde  auf  eine  allerdings  nur  vorübergehende  Zeit 
der  Schiedsrichter  für  ganz  Europa. 

Wieviel  Unglück  dieser  Fürst  auch  über  sein  Land  gebracht  haben  mag, 
er  war  weder  dumm  noch  schlecht.  Menschenfreundlich,  treu  gegen  seine 
Freunde,  ohne  Haß  gegen  seine  Feinde,  beseelt  von  den  edelsten  Absichten, 
ein  Gewaltherrscher,  ohne  der  Gewaltherrschaft  auch  nur  den  geringsten 
Geschmack  abzugewinnen,  ein  kriegskundiger  und  gleichwohl  den  Krieg  ver- 
abscheuender Kaiser,  mehr  Träumer  als  Mann  der  Tat,  den  Kopf  immer 
voll  der  weitesten  und  größten  Zukunftspläne,  aber  ohne  die  zum  Ziele 
führende  Zähigkeit  und  Umsicht,  verfolgte  er  eine  Politik  der  Zusammen- 
hanglosigkeit,  des  Zauderns  und  der  Widersprüche,  die  Frankreich  ins 
Verderben  führte. 

Ein  Gedanke  lag  ihm  besonders  am  Herzen,  es  war  das  Nationalitäten- 
prinzip. Im  Pariser  Vertrage  hatte  er  für  die  Rumänen  (Moldau  und  Wala- 
chei) und  die  Serben  eine  von  Europa  gewährleistete  halbe  Unabhängig- 
keit erreicht.  Nach  dem  Krimkriege  wollte  er  nun  auch  noch  zu  alledem 
ein  einiges  und  selbständiges  Italien. 

Seit  1848  hatten  die  italienischen  Patrioten  in  ganz  Italien  abgerüstet, 
aber  nur  scheinbar.  Sie  konnten  sich  nicht  mehr  ein  für  allemal  darein 
ergeben,  sei  es  die  gehässige  Herrschaft  Österreichs  oder  auch  die  ab- 
scheulichen Regierungen  des  Papstes  Pius  IX.  und  Königs  Franz  II,  von 
Neapel  ruhig  über  sich  ergehen  zu  lassen.  Im  Norden  der  Halbinsel  för- 
derte König  Victor  Emanuel  von  Piemont,  der  in  dem  fähigen  Cavour  einen 


398  Siebentes  Buch. 


tüchtigen  Genossen  gefunden  hatte,  die  italienischen  Einheitsbestrebungen, 
doch  ohne  zu  wagen,  sich  offen  mit  Männern  wie  Mancini,  Mazzini,  Garibaldi 
und  den  Revolutionären  zu  verbinden.  Voll  Leidenschaft  für  die  mili- 
tärischen Angelegenheiten  schuf  er  sich  ein  trefflich  zusammenarbeitendes 
und  höchst  tapferes  kleines  Heer.  Übrigens  beobachtete  er  treu  seine 
Pflichten  als  verfassungsmäßiger  Herrscher,  gerade,  als  ob  er  die  Absicht 
gehabt  hätte,  die  Italiener  vor  die  Wahl  zu  stellen  zwischen  einer  Fremd- 
herrschaft mit  Despotismus  oder  einem  italienischen  König  mit  Freiheit. 
Gleichzeitig  fand  er  auch  bei  der  französischen  Regierung  Unterstützung 
xmd  setzte  sogar  bei  ihr  ein  förmliches  Bündnis  durch. 

Der  Vertrag  wurde  im  Jahre  1858  geschlossen.  Prinz  Jeröme  Napoleon 
Bonaparte,  ein  leiblicher  Vetter  von  Kaiser  Napoleon  HL,  ein  Sohn  des 
Königs  J^rome  von  Westfalen  (eines  von  Napoleons  I.  Brüdern),  heiratete 
Victor  Emanuels  Tochter  Chlothilde  (30.  Januar  1859).  Napoleon  HI.  hatte 
Italien  die  Unabhängigkeit  bis  zum  Adriatischen  Meere  feierlich  verspro- 
chen. Um  den  drohenden  Krieg  zu  vermeiden,  schlägt  England  einen  Kon- 
greß vor;  aber  weder  Italien  noch  Frankreich  kümmerten  sich  viel  um  die 
diplomatischen  Schwerfälligkeiten.  Noch  weniger  Österreich!  Es  ging  zum 
Angriff  über  und  drang  in  Piemont  ein  (29.  April  1859).  Frankreich  ant- 
wortete mit  einer  Kriegserklärung,  und  ein  französisches  Heer  zog  in 
Italien  ein,  wo  es  begeistert  aufgenommen  wurde. 

Es  gab  damals  keinen  jungen  Bonaparte  mehr,  der  die  Erlöser  zu 
vorausberechneten  und  entscheidenden  Siegen  geführt  hätte,  und  so  waren 
die  strategischen  Bewegungen  der  beiden  Heere  planlos  und  wirr.  Die 
erste  große  Schlacht  fand  bei  Magenta  statt  (4.  Juni  1859).  Das  fran- 
zösisch-italienische Heer  war  siegreich,  dank  dem  Mute  der  Soldaten,  der 
Überlegenheit  der  französischen  Artillerie  und  einem  glücklichen  Hand- 
streich des  Generals  Mac  Mahon.  Die  Österreicher  wichen  zurück,  die 
Sieger  drangen  in  Mailand  ein. 

Italien  glaubte  sich  befreit.  Florenz,  Parma,  Modena,  Bologna  erhoben 
sich  gegen  ihre  Regierung  und  jauchzten  Victor  Emanuel  zu. 

Mittlerweile  hatte  das  österreichische  Heer  eine  gründliche  Reform 
erfahren;  es  leistete  sein  Äußerstes  bei  Solferino  (24.  Juni  1859)  in  einer 
blutigen  Schlacht,  die  25  000  Mann  das  Leben  kostete  und  durch  die  voll- 
ständige Niederlage  der  Österreicher  der  Freiheit  Italiens  die  letzte 
Weihe  gab. 

Nach  Solferino  hielt  Napoleon  III.  inne  und  machte  Friedensvorschläge 
bei   Villafranca   (9.   Juli    1859),     Kaiser   Franz  Josef  gab   die   Lombardei 


Die  Herrschaft  der  Wissenschaft.  399 

zurück,  behielt    jedoch  Venedig;     der  Großherzog  von  Toskana    und    der 
Herzog  von  Modena  durften  wieder    in  ihre  Staaten  einziehen. 

Victor  Emanuel  und  Cavour  waren  äußerst  geschickt.  Sie  kamen  auf 
die  glückliche  Idee,  die  verschiedenen  Bevölkerungskreise  Toskanas  auf- 
zurufen, durch  das  allgemeine  Stimmrecht  zu  entscheiden,  ob  sie  Piemont 
angegliedert  oder  unter  der  Herrschaft  des  Großherzogs  bleiben  sollten. 
Napoleon  III.,  der  seinen  Thron  dem  allgemeinen  Stimmrecht  zu  verdanken 
hatte,  konnte  diesen  volkstümlichen  Gedanken  nicht  zurückweisen.  Nahezu 
einstimmig  erklärten  sich  die  Toskaner  und  Emilianer  für  die  Angliederung 
(15.  März  1860.  792000  stimmten  mit  ja  gegenüber  15756  mit  nein). 
Gleichzeitig  stimmten  Savoyen  und  Nizza,  französischsprachige  Land- 
striche* für  ihre  AngUederimg  an  Frankreich  (155000  mit  ja  gegenüber 
2160  mit  nein). 

Diese  Volksabstimmung  ist  denkwürdig.  Es  ist  Napoleons  III.  einzige 
Ruhmestat,  die  aber  dafür  um  so  heller  strahlt.  Bis  dahin  hatten  sich 
die  Herrscher  die  Völker  wie  eine  Hammel-  oder  Sklavenherde  geteilt. 
Das  Jahr  1860  ist  das  Geburtsjahr  eines  neuen  Rechtes  oder  vielmelur 
überhaupt  erst  des  Rechtes.  Wenn  zehn  Jahre  später  das  1860  von  Italien 
und  Frankreich  so  rühmlich  gegebene  Beispiel  befolgt  worden  wäre,  dann 
hätte  sich  Elsaß-Lothringen  durch  eine  einmütige  Stimmabgabe  der  deut- 
schen Eroberung  entzogen,  und  das  große  Verbrechen  des  1 9.  Jahrhunderts 
hätte  nicht  begangen  werden  können. 

In  Unteritalien  versuchte  der  junge  König  der  beiden  Sizilien,  Franz  IL, 
vergeblich  der  großen  Einheitsbewegung  Widerstand  zu  leisten,  die  alle 
Italiener  dem  Hause  Savoyen  wiedergewinnen  sollte.  Sizilien  empörte  sich 
gegen  seine  verabscheuungs würdige  Tyrannenherrschaft  (5.  April  1860). 
Garibaldi,  der  ein  Heer  von  tausend  durch  seine  Tapferkeit,  Vaterlandsliebe 
imd  Üneigennützigkeit  entflammten  Freiwilligen  gesammelt  hatte,  landete 
in  Marsala.  Die  SiziÜaner  nahmen  ihn  mit  außerordentlicher  Begeisterung 
auf,  derart,  daß  die  in  nur  zwei  Monaten  vollendete  Eroberung  Siziliens 
ein  wahrer  Triumphzug  war;  die  Königlichen  Heere  leisteten  nur  zum 
Schein  Widerstand  {Zug  der  Tausend). 

Von  der  Insel  Sizüien  ging  Garibaldi  nach  dem  Königreich  Neapel 
hinüber.  Victor  Emanuel  wollte  ihn  nicht  aufhalten,  und  Napoleon  III. 
wagte  es  nicht.   In  Neapel  zum  Diktator  proklamiert,  zeigte  Garibaldi  die 


*  Anm.  des  Herausgebers.  Die  auf  dem  dortigen  flachen  Lande  üblichen  Mund- 
arten tragen  allesamt  von  alters  her  den  Charakter  französisch-italienischer  Spra- 
chenmischung (Frankoitalienische  Mundarten). 


4oo  Siebentes  Buch. 


weise  Mäßigung,  die  Macht  zurückzuweisen  und,  obgleich  RepubUkaner, 
sich  treu  an  das   Haus   Savoyen  anzuschHeßen. 

Im  Oktober  1860  stimmten  Sizilien  und  das  Königreich  Neapel  für 
ihren  Anschluß  an  Piemont  (1734000  mit  ja  gegen  10630  mit  nein), 
Victor  Emanuel  wurde  König  von  ganz  Italien,  vorbehaltlich  Roms  und 
Venedigs. 

Hier  wird  Napoleons  HI.  schwankende  Politik  so  recht  deutlich.  Er 
hatte  den  Krieg  geführt,  um  Italien  zu  befreien,  und  hier  weigerte  er  sich, 
seine  Befreiung  zu  vollenden.  Er  hätte  sich  Bundesgenossen  schaffen 
können,  die  ihm  für  ewig  treu  gebUeben  wären,  imd  hier  legte  br  es  rein 
absichtlich  darauf  an,  sie  sich  zu  entfremden.  Die  Kaiserin  Eugenie,  die 
bei  allem  ihren  Reize  und  ihrer  Schönheit  für  den  Kaiser  niemals  der 
gute  Engel  gewesen  ist,  bestand  darauf,  daß  das  französische  Okkupations- 
korps noch  länger  in  Rom  verbliebe,  um  hier  die  weltUche  Macht  des 
Papstes  gegen  die  Angriffe  seiner  eignen  itahenischen  Volksgenossen 
zu  unterstützen. 

Papst  Pius  IX.  nun,  anstatt  irgendeinen  Vergleich  zu  suchen,  blieb  hart- 
näckig bei  seiner  Unversöhnlichkeit. 

Napoleon  III.  konnte  für  keinen  von  beiden  Partei  ergreifen;  er  zog 
nicht  das  französische  Okkupationskorps  zurück,  und  das  ärgerte  die 
Italiener,  und  er  ließ  anderseits  Cialdini  ruhig  gewähren,  als  dieser  die 
kleine  päpstliche  Streitmacht  bei  Castelfiardo  angriff  und  sie  in  wilder 
Flucht  zersprengte  (18.  September  1860).  Es  war  dies  eine  Heeresschar 
von  frommen,  für  den  Katholizismus  erglühenden  Streitern,  die  aus  aller 
Herren  Ländern  zusammengeströmt  waren,  besonders  Franzosen.  Daher 
die  lärmende  Entrüstung  des  Papstes,  der  Kaiserin  Eugenie  und  der  ganzen 
klerikalen  Partei  Frankreichs. 

Die  Italiener  Cialdinis  wagten  nicht,  ihre  Erfolge  ordentlich  auszunutzen 
und  das  französische  Heer  anzugreifen,  als  es  Rom  in  Besitz  nahm;  der 
Papst  behielt  seine  weltliche  Macht. 

So  hatte  Napoleon  III.  auch,  nachdem  er  vorher  das  Adriatische  Küsten- 
land Italien  versprochen  hatte,  nunmehr  Venedig  Österreich  gelassen. 
Ja,  noch  mehr:  er  gestattete  dem  König  von  Italien  nicht,  in  Rom  ein- 
zuziehen. Damit  haben  die  Italiener  eigentlich  geradezu  ein  sittliches 
Anrecht  darauf  bekommen,  gegen  Frankreich  undankbar  zu  sein. 

Das  Jahr  1860  bildet  eine  Entwicklung  in  der  damaligen  Politik  des 
Kaisers.  Am  23.  Januar  1860  wird  ein  Handelsvertrag  zwischen  England 
und  Frankreich  unterzeichnet.  Es  kam  mit  einigen  Beschränkungen,  die 
notwendig  erschienen,   der   freie   Güteraustausch   und  die   Handelsfreiheit 


Die  Herrschaft  der  Wissenschaft.  4^1 

zustande  und  damit  jener  große  wirtschaftliche  Segen,  den  in  ihrer  Ver- 
blendung leider  auch  heute  noch  alle  Völker  außer  England  verschmähen. 
In  diesem  Punkte  war  der  Kaiser  liberaler  und  einsichtsvoller  als  alle 
Republikaner  der  Gegenwart! 

Er  gewährte  auch  zum  Schein  ein  kleines  Maß  von  Preßfreiheit  und 
räumte  den  beiden  Kammern  das  Recht  ein,  alljährlich  eine  Adresse  zu 
beraten  und  zur  Abstimmung  zu  bringen  als  Antwort  auf  die  Thronrede, 
mit    der    jede    Legislaturperiode    eröffnet    wurde    (24.    November    1860). 

Um  diese  Zeit  verschwand  an  zwei  entgegengesetzten  Enden  der  Welt, 
in  Rußland  wie  in  Amerika,  gleichmäßig,  wenn  auch  in  beiden  nicht  ohne 
Kämpfe,  eine  von  den  Einrichtungen,  die  noch  immer  aller  Zivilisation 
Hohn  zu  sprechen  schienen :  die  Sklaverei. 

In  Rußland  gab  es,  wenn  sie  auch  nicht  gerade  mit  diesem  Namen 
bezeichnet  wurde,  damals  noch  eine  ganz  richtige  Sklaverei.  Der  Adel 
besaß  die  Ländereien,  und  die  Bauern  mußten  sie  bearbeiten.  Aber  diese 
Bauern,  die  nichts  anderes  als  Leibeigne  waren,  hatten  keinerlei  Eigentums- 
recht an  dem  Boden,  den  sie  erst  durch  ihre  Arbeit  fruchtbar  machten. 
Sogar  auch  jeder  persönlichen  Freiheit  waren  sie  beraubt.  Ihr  Herr  hatte 
das  Recht  auf  Leben  und  Tod  über  sie.  Wurden  die  Ländereien  verkauft, 
so  waren  auch  die  Leibeignen  in  dem  Kaufe  inbegriffen  und  gingen  ganz 
ebenso,  wie  der  Grund  und  Boden  selbst,  in  das  Eigentum  des  Käufers 
über.  * 

Wenn  auch  Alexander  II.  kein  Liberaler  in  dem  Sinne  war,  den  man 
in  Westeuropa  mit  diesem  Worte  verbindet,  so  fühlte  er  sich  doch  ander- 
seits nicht  mehr  wie  sein  Vater  Nikolaus  jenem  überlebten  Absolutismus 
von  181 5,  dem  dieser  huldigte,  mit  Leib  und  Seele  verschrieben.  Sogleich 
nach  dem  Pariser  Vertrag  erklärte  er,  daß  Reformen  notwendig  seien. 
Er  fand  die  Unterstützimg  einiger  Mitglieder  des  Adels,  die  nichts  sehn- 
süchtiger wünschten,  als  sich  durch  ein  Werk  der  Gerechtigkeit  einen 
Namen  zu  machen,  besonders  auch  eines  Nikolaus  Milutin,  der  der  edelste 
und  hochherzigste  Förderer  jenes  Werkes  wurde.  Im  Jahre  1858  befreite 
eine  Verfügung  die  zu  den  umfänglichen  Ländereien  des  kaiserlichen  Be- 
sitzes gehörigen  Bauern  und  sprach  ihnen  das  Eigentum  an  den  Äckern 
zu,  die  sie  bestellen  mußten. 

Für  die  Leibeignen  der  anderen  Besitzkreise  war  die  Befreiimg  schon 
schwerer  durchzusetzen.  Die  Reform  konnte  hier  keine  so  gründHche  sein; 
denn  man  hatte  zweierlei  Härten  zu  fürchten:  entweder  mußte  man  den 
Besitzern  den  Grund  und  Boden  ohne  Entschädigung  wegnehmen  oder 
man  mußte  in  einem  und  demselben  Augenblicke  Millionen  von  Menschen 


4o2  Siebentes  Buch. 


die  Freiheit  in  ihrer  vollkommenen  Nacktheit  geben,  d.  h.  das  Recht,  am 
Hunger  dahinsiechen  zu  dürfen.  So  kam  man  denn  überein :  die  Bauern 
sollten  Besitzer  der  von  ihnen  bearbeiteten  Ländereien  bleiben,  aher  nur 
unter  der  Bedingung,  daß  sie  den  Herren  eine  Abstandssumme  zahlten. 
Den  Betrag  schoß  ihnen  die  Regierung  zunächst  aus  eignen  Mitteln  vor. 
In  manchen  Gegenden  wurden  nicht  sowohl  die  einzelnen  Bauern  als  die 
ganzen  Gemeinden  die  Besitzer  des  Grund  imd  Bodens  (Mir).  In  jedem 
Falle  wurde  überall  die  persönlichste  Freiheit  sichergestellt  (Februar  1861). 

Leider  zeigten  die  Bauern  nicht  das  richtige  Verständnis  für  diese 
Wohltat,  für  die  Engländer  und  Franzosen  einst  so  leidenschaftüch  und 
tapfer  gekämpft  und  gestritten  hatten.  Die  Muschiks  vom  Jahre  1861 
kannten  ebensowenig  wie  vielleicht  noch  heute  im  Jahre  191 4  den  unver- 
gleichlichen Wert  der  persönlichen  Freiheit.  Sie  hofften  das  ganze  Land 
zu  besitzen,  und  man  gab  ihnen  doch  nur  einen  Teil.  Sie  glaubten  sich 
um  Güter  betrogen,  auf  die  sie  Anrecht  zu  haben  wähnten,  und  in  ihrer 
Unwissenheit  bezeigten  sie  ihrem  Kaiser  nicht  ein  solches  Maß  von  Dank- 
barkeit, wie  er  es  wahrlich  verdient  hätte. 

Doch  mit  dem  Ukas  von  1861  verließ  Rußland  immerhin  den  bis- 
herigen Zustand  der  Barbarei;  denn  diese  befreiten  Bauern  waren  ja  nicht, 
wie  etwa  die  Neger  Amerikas,  Minderwertige,  sondern  ganz  Ebenbürtige 
gegenüber  denen,  die  sie  in  Leibeigenschaft  hielten.  Diese  hundert  Millionen 
von  Menschen  weißer  Rasse,  deren  Seele,  so  wenig  sie  auch  ausgebildet 
sein  mag,  doch  so  schlicht  und  so  tief  ist,  kündigen  sich  in  etwas  geheimnis- 
voller   Weise    als    eine    der    großen    Mächte    zukünftiger    Zivilisation    an! 

Die  ersten  Regierungsjahre  Alexanders  II.  waren  gewissermaßen  von 
seinen  edleren  Gefühlen  befruchtet  worden.  Doch  der  polnische  Aufstand 
veränderte    seine    Anschauung    vollkommen. 

Trotz  aller  Anstrengungen,  die  die  russische  Regierung  se'it  dem  Jahre 
1830  gemacht  hatte,  hatte  sie  Polen  nicht  russifizieren  können.  Es  bewahrte 
nach  wie  vor  mit  alter  Treue  seine  römisch-katholische  Religion,  seine 
Sprache  und  seine  Sitten.  Die  vom  Zaren  nach  Polen  geschickten  russischen 
Offiziere,  Soldaten,  Richter,  Beamten  wurden  in  keiner  polnischen  Familie 
aufgenommen.  Eine  grausame  Polizei  übte  eine  Tyrannei  aus,  die  nur 
dadurch   erträglich   wurde,    daß    sie   käuflich   war. 

Die  Polen  hatten  nur  die  eine  Freiheit:  auf  die  Gefahr  ihres  Lebens 
hin  große  Kundgebungen,  doch  jedenfalls  nur  ganz  still  und  friedlich, 
veranstalten  zu  dürfen.  Im  Jahre  1861  drängten  sich  endlose  Menschen- 
massen unbewaffnet  und  in  Trauerkleidung  in  den  Warschauer  Kirchen, 
um   den   Jahrestag   der    Schlacht   bei    Groschow   zu   feiern    (25.   Februar). 


Die  Herrschaft  der  Wissenschaft.  4o3 

Da   schoß    das    Militär   auf   die   wehrlose    Menge,    ein   Vorgang,    der    sich 
schon  am   8.   April   wiederholte. 

Zuerst  versprach  nun  Alexander  Reformen,  doch  schon  bald  zog  er 
wieder  sein  Versprechen  zurück.  Die  Polen  antworteten  durch  einen  Auf- 
stand. Allerdings  waren  sie  nie  in  der  Lage,  ein  richtiges  Heer  in  Reih 
und  Glied  aufzustellen,  doch  sie  ersetzten  ihre  Schwäche  durch  Mut,  und 
so  war  es  möglich,  daß  dieser  Aufstand  nahezu  zwei  Jahre  dauerte;  denn 
das  gesamte  Polen  war  mitverschworen;  im  ganzen  Lande  entzogen  sich 
die  jungen  Männer  ihrer  Militärpflicht,  versteckten  sich  in  den  Wäldern 
und  gehorchten  allein  einer  allmächtigen  geheimen  Revolutionsregierimg. 
Es  bedurfte  eines  Heeres  von  zweihunderttausend  Mann,  um  des  Aufstandes 
Herr  zu  werden.  Taten  von  noch  nicht  dagewesenem  Heldenmute  zeich- 
neten diese  edle  Leistung  eines  Volkes  aus,  das  nicht  darin  einwilligen 
wollte,   so   einfach   vom   Erdboden  zu   verschwinden. 

Heute  geben  die  Fortschritte  in  der  Bewaffnungstechnik  einer  geordneten 
Regierung  eine  solche  Macht,  daß  für  einen  Aufstand  keine  Hoffnung 
mehr  besteht,  die  Freiheit  mit  den  Waffen  wiederzuerobern.  Auf  diese 
Weise  werden  die  Polen  ihr  Vaterland  nicht  wiedergewinnen  können!  Aber 
mögen  sie  nur  ihre  Überlieferungen  und  ihre  nationale  Sprache  weiter  so 
kräftig  verteidigen!  Mögen  sie  nicht  ihre  polnische  Seele  in  den  Schulen 
untergehen  lassen,  die  ihnen  Russen  und  Preußen  aufzuzwingen  ver- 
suchen werden! 

Die  Aufhebung  der  Sklaverei  in  Rußland  datiert  vom  Jahre  1861,  die  in 
den  Vereinigten  Staaten  vom  Jahre  1865. 

Dreiviertel  eines  Jahrhunderts,  ja  ein  volles  Menschenleben  waren  seit  dem 
NordamerikanischenUnabhängigkeitskriege  verflossen,  und  in  diesen  7  5  Jahren 
waren  Reichtum  und  Macht  der  Vereinigten  Staaten  in  einem  ganz  außer- 
gewöhnlichen Maße  gewachsen,  das  alles  übertraf,  was  nur  irgend  ihr 
Franklin  und  ihr  Washington  hatten  erträumen  können!  Im  Jahre  1860 
überragte  die  große  Republik  bereits  ganz  Europa;  ihre  Bevölkerung 
zählte  schon  damals  28  Millionen  Seelen!  Ihre  Industrie  und  ihr  Handel 
wuchsen  von  Tag  zu  Tag! 

Ein  derartig  rascher  Aufschwung  eines  Volkes  war  ganz  beispiellos  in 
der  Geschichte  der  Welt. 

Er  erklärt  sich  aus  mehreren  Ursachen;  erstlich  und  vor  allem  aus 
der  Tatkraft,  Derbheit  und  Tugend  der  Begründer.  Sie  verstanden  es, 
Kühnheit  und  Besonnenheit  in  einem  Umfange  zu  betätigen,  der  den 
Erfolg  verbürgt.  Der  Bestechlichkeit  wie  der  Ausbeutung  gleich  unzu- 
gänglich nahmen  sie  entschlossen  die  Ansiedlung  von  Gebieten  auf  sich. 


4o4  Siebentes  Buch. 


von  denen  sie  gerade  nur  die  Küsten  kannten.  Obgleich  ihre  Staatsver- 
fassung nichts  weniger  als  vollkommen  war,  hatten  sie  die  Weisheit,  sie 
unangetastet  zu  lassen  und  ihr  Achtung  entgegenzubringen,  ohne  durch 
unpassende  Erörterungen  in  ihr  Lücken  zu  reißen  und  sie  brüchig  zu 
machen  und  ohne  sie  durch  Staatsstreiche  zu  stürzen.  Sie  hatten  das 
große  Glück,  nicht  durch  enge  Vorurteile  gehemmt  zu  sein,  wie  sie  das  alte 
Europa  lähmen.  Beständig  in  Sorge  schnell  und  gut  zu  handeln,  eigneten 
sie  sich  stets  sofort,  ohne  zu  zögern,  die  neuesten  Fortschritte  von  Industrie 
lind  Wissenschaft  an.  Kein  monarchischer  Wettbewerb  aus  den  Trüm- 
mern irgendeiner  wurmstichigen  Herrscherfamilie!  Kein  ehrgeiziger  Nach- 
bar, der  ihre  Grenzen  hätte  bedrohen  können,  und  folglich  keine  Erschöp- 
fung ihrer  Kräfte  in  ungezählten  unnützen  Heeren,  in  denen  sich  die  Stärke 
jedes  Volkes  verbraucht!  Endlich  hatten  sie  eine  Bundesregierung,  die  sie 
in  die  glückliche  Lage  brachte,  sich  stets  gleichzeitig  Ordnung  und  Freiheit, 
Macht  und  Unabhängigkeit  sichern  zu  können! 

Und  weiter,  wie  mannigfaltig  war  der  amerikanische  Boden  mit  seiner 
glänzenden  Fruchtbarkeit  in  dieser  seiner  Fruchtbarkeit!  Der  Norden  für 
Getreide,  Hölzer  und  mancherlei  Arten  Viehfutters;  der  Süden  für  Trauben- 
wein, Obst,  Baumwolle,  Zucker!  In  den  Bergen  Steinkohlen-,  Petroleum-, 
Gold-,  Silber-,  Kupfer-  und  Bleigruben.  Die  Küste  miit  ihrer  unermeßhchen 
Ausdehnung  öffnete  unvergleichliche  Häfen,  gleichviel,  ob  man  sich  am 
Atlantischen  Ozean,  am  Stillen  Ozean  oder  am  Antillenmeer  befand ! 
Zahlreiche  Eisenbahnen  ließen  sich  in  den  weiten  Ebenen  schnell  bauen! 
Auf  den  Landseen  imd  großen  Strömen  erleichterte,  verbilligte  und  be- 
schleunigte die  Binnenschiffahrt  die  Beförderung  von  allen  möglichen 
Gütern   gar    sehr  1 

Endlich  brachte  die  europäische  Einwanderung  allwöchentUch  zu  Tau- 
senden junge  Leute  hinüber,  die,  unternehmend  und  frisch,  von  neuen 
Ideen  erfüllt  und  hart  in  der  Arbeit,  so  glühende  Amerikaner  werden  sollten, 
■daß    bereits    ihre    Kinder    das    alte    Vaterland    völlig    vergessen    hatten. 

Im  Jahre  1823  erklärte  ein  Präsident  der  amerikanischen  Repubük, 
Monroe,  daß  keine  Regierung  Europas  in  Zukunft  das  Recht  haben  sollte, 
sich  in  die  Angelegenheiten  Amerikas  einzumischen.  Seit  jener  Zeit  haben 
•die  Vereinigten  Staaten  die  Monroedoktrin  ihrer  gesamten  Politik  zugrunde 
gelegt;  sie  lautet:  „Amerika  den  Amerikanern!",  eine  tadellose  Lehre, 
soweit  sie  nicht  etwa  den  Amerikanern  das  Verlangen  eingibt,  auch  in 
Amerika  nach  den  Launen  und  Begierden  zu  handeln,  die  den  mächtigen 
Völkern   ihre    Macht    einflößt. 

Noch  ehe  dieser  Grundsatz  von  Monroe  verkündet  war,  hatten  denselben 


Die  Herrschaft  der  Wissenschaft.  /^o5 

die  Vereinigten  Staaten  bereits  durch  eine  ganze  Reihe  geschickter  Ver- 
handlungen zur  Anwendung  gebracht. 

Im  Jahre  1800  hatte  Napoleon  von  Spanien  das  von  Franzosen  bewohnte 
und  angesiedelte  Louisiana  angekauft,  ein  weites,  unendliches  Gebiet,  das 
sich  von  den  Mündungen  des  Mississippi  bis  zu  den  Anfängen  dieses  unge- 
heuren Stromes  in  einem  Aufstieg  von  einigen  tausend  Kilometern  in 
das  Felsengebirge  (Rocky  Mountains)  erstreckte.  Diese  so  ferne  Besitzimg, 
in  der  man  weder  eine  ruhmvolle  Schlacht  liefern  noch  irgendwelche 
Steuerlasten  auferlegen  konnte,  interessierte  den  Kaiser  nicht  recht,  und 
so    verkaufte    er    sie    für    fünfundsiebzig    Millionen    an    Amerika    (1803). 

Im  Jahre   18 19  kauften  die  Amerikaner  Florida  von  Spanien. 

Im  Jahre  1845  empörte  sich  das  zu  Mexiko  gehörige  Texas  und  verlangte 
der  Union  beitreten  zu  dürfen.  Mexiko  legte  Verwahrung  ein,  suchte  Wider- 
stand zu  leisten,  wurde  besiegt  und  mußte  schließlich  nicht  nur  Texas 
räumen,  sondern  auch  noch  Neu-Mexiko  und  das  reiche  Kalifornien 
abtreten. 

Im  Jahre  1867  verkaufte  Rußland  an  die  Vereinigten  Staaten  die  Ge- 
biete, die  es  im  äußersten  Norden  besaß,  Landstriche,  die  sechs  Monate 
lang  schneeig  und  eisig  sind,  aber  reich   an  Wäldern  und  Goldbergwerken. 

Doch  das  gewaltige  und  glückliche  Reich  trug  gleichwohl  einen  Keim 
der  Auflösung  in  sich.    Es  war  dies  die  Sklaverei. 

Es  handelt  sich  hier  nicht  etwa  um  die  Indianer  oder  Rothäute,  die  Ab- 
kömmlinge jener  Urbevölkerung,  die  Amerika  bewohnte,  als  die  Europäer 
dort  landeten.  Von  den  Ansiedlem  zurückgedrängt,  vermochten  diese 
armen  Teufel  der  friedlichen  Zivilisation  der  Blaßgesichter  fast  noch 
weniger  Widerstand  zu  leisten  als  ihrer  kriegerischen.  Alkohol  und  Tu- 
berkulose entvölkerten  sie,  und  sie  schwanden  rasch  dahin. 

Ganz  anders  war  es  mit  den  Negern,  deren  Zahl  sich  äußerst  schnell 
vermehrte.  Im  Jahre  1860  zählte  man  in  Amerika  über  vier  Millionen 
Schwarze,  die  ursprünglich  richtige  Sklaven  gewesen  waren. 

Im  18.  Jahrhundert  hatten  die  Engländer  ebenso  wie  die  Spanier  in 
der  Tat  in  ihre  Niederlassungen  Schwarze  geschafft,  die  sie  in  Afrika 
gekauft  hatten.  Die  so  auf  den  neuen  Erdteil  versetzten  Neger  bauten 
unter  einem  heißen  Himmelsstrich  Zuckerrohr  und  Baumwolle.  Der  Neger- 
handel war  das  denkbar  einträglichste  aller  Gewerbe;  Händler  kauften 
von  den  Duodezfürsten  der  afrikanischen  Küstenstriche  für  einige  Fäßchen 
Rum  oder  etwa  einige  wertlose  Glaserzeugnisse  kräftige  Kerle,  die  sie  an 
den  andern  Ufern  des  Atlantischen  Ozeans  zu  hohem  Preise  wieder  ver- 
8  Riebet,  Geschichte  der  Menschheit,  II. 


4o6  Siebentes  Buch. 


kaufen  konnten.  Käufer  und  Verkäufer  kamen  dabei  auf  die  gleiche 
Rechnung. 

In  Amerika,  wohin  sie  hinübergeschafft  waren,  verbrachten  nun  diese 
'Neger  und  Negerinnen  ihr  Dasein  als  richtige  Sklaven,  ganz  wie  die  des 
Ahertums,  als  Besitzgegenstände  ihres  Herrn,  der  an  ihnen  schlechterdings 
unbeschränkte  Eigentumsrechte  hatte.  In  den  Landstrichen  spanischer 
Zunge  wurden  Kreuzungen  von  Weißen  mit  Negerinnen  recht  häufig,  schon 
weniger  in  denen,  wo  die  englische  Sprache  herrschte,  wenn  auch  in 
den  Vereinigten  Staaten  neben  den  Negern  bald  eine  Bevölkerung  von 
Mulatten  (Halbschwarzen)  und  Quarteronen  (Viertelschwarzen)  heranwuchs, 
die  das  Ergebnis  einer  Verbindung  zwischen  Weißen  und  Negerinnen 
waren. 

Obgleich  der  Negerhandel  grundsätzlich  schon  im  Jahre  1780  abgeschafft 
worden  war,  hörte  er  doch  in  Wirklichkeit  erst  181 5  richtig  auf.  Seit 
dieser  Zeit  gingen  die  Sklavenverkäufe  auf  den  amerikanischen  Märkten 
nur  noch  selten  und  ganz  heimlich  vor  sich.  Das  hinderte  nicht,  daß 
die  nach  Amerika  geschaffte  bisherige  schwarze  Bevölkerung  im  Lande 
blieb  und,  so  fruchtbar  wie  sie  war,  sich  auch  vermehrte.  Da  nun  aber 
die  Kinder  der  Sklaven  wieder  Sklaven  wurden,  erreichte  in  einzelnen 
Südstaaten  der  Union  die  zur  Sklaverei  gezwungene  schwarze  Bevölkerung 
in  ihrer  Zahl  die  weiße.  In  den  Nordstaaten  dagegen  waren  die  Neger 
nicht  so  zahlreich  und  auch  zum  Gedeihen  des  Landes  nicht  so  not- 
wendig; denn  hier  unter  dem  weniger  heißen  Himmelsstrich  stand  auch 
den  Weißen  bei  der  Bebauung  des  Bodens  eine  weit  größere  Arbeits- 
kraft zur  Verfügung. 

Bald  wurden  nun  im  Norden  mancherlei  Einsprüche  gegen  die  Sklaverei 
erhoben,  und  es  bildete  sich  eine  große  Partei  von  Gegnern  der  Sklaverei.  Sie 
bezeichnete  sich  als  Republikanische  Partei,  ein  Name,  den  einst  Thomas 
Jefferson  und  George  Washington  für  sie  gewählt  hatten,  im  Gegensatz 
zur  Demokratischen  Partei.  Die  Demokraten,  die  die  Macht  in  Händen 
hatten,  wagten  nicht,  den  Anhängern  der  Sklaverei  Ursache  zur  Unzufrie- 
denheit zu  geben,  und  zögerten,  wirksame  Maßregeln  für  die  Abolition 
(Abschaffung  der  Sklaverei)  zu  treffen.  Von  Andreas  Jackson  (1824)  bis 
Abraham  Lincoln  (1860)  waren  alle  Präsidenten  Demokraten. 

Ums  Jahr  1855  verdoppelten  die  Abolitionisten,  d.  h.  die  Gegner  der 
Sklaverei,  ihre  Tätigkeit  mit  Zuhilfenahme  der  Gefühle  der  Religion  und 
Menschlichkeit  und  ihrer  Berufung  auf  sie.  Die  amerikanische  Schrift- 
stellerin Harriet  Elisabeth  Beecher-Stowe  (18 12— 1896)  veröffentlichte  einen 
Roman    Onkel  Toms  Hütte   (Uncle    Tom's    Cabin),  der    in  kürzester  Zeit 


1 


Die  Herrschaft  der  Wissenschaft.  4^7 

einen  Absatz  von  einundeinerhalben  Million  Exemplaren  erreichte.  Das 
Unglück  eines  von  barbarischen  Herren  mißhandelten  gutmütigen  Negers 
rief  das  Mitleid  aller  fühlenden  Seelen  wach.  Doch  die  Sklaverei  wurde 
trotz  dieser  Gärung  der  Gemüter  auch  da  noch  nicht  eingestellt.  Ja,  die 
Anhänger  der  Sklaverei  nahmen  den  Schutz  der  Bundesgesetze  in  Anspruch. 
John  Brown,  ein  Gegner,  der  in  Kansas  die  Sklaven  zur  Freiheit  auf- 
gerufen hatte,  wurde  von  den  Richtern  Virginias  verurteilt  und  gehenkt 
(2.  Dezember   1859). 

Die  Wahl  Abraham  Lincolns,  eines  Abolitionisten  (November  1860),  be- 
stimmte die  Südstaaten,  sich  von  der  Union  zu  trennen. 

Es  ist  nicht  leicht,  dem  Entschlüsse  der  Südstaaten  gerecht  zu  werden. 
In  jedem  Falle  war  er  ein  Fehler,  und  zwar  zunächst  ein  politischer 
Fehler,  weil  sie  unmöglich  beanspruchen  konnten,  ihre  ihnen  an  Zahl 
überlegenen  politischen  Gegner  unter  das  Gesetz  zu  zwingen,  und  weiter 
ein  moralischer  Fehler,  weil  das  Prinzip  der  Sklaverei  nun  einmal  mit 
der  Gerechtigkeit  unvereinbar  ist. 

Die  Sklaverei  ist  in  der  Tat  eine  Schande,  und  doch  muß  man  zugeben, 
daß  die  Neger  eine  minderwertige  Menschenrasse  sind.  Niemals  haben 
sie  sich  eine  dauerndere  gesellschaftliche  Stellung  zu  geben  vermocht. 
Niemals  haben  sie  auch  nur  irgend  etwas  erfunden.  Jedes  Werk  auf  dem 
Gebiete  der  Kirnst  oder  der  Literatur,  das  von  einem  Neger  ausgeht,  hat 
das  Gepräge  eines  unfertigen  Entwurfs.  Auch  Wissenschaft  und  Industrie 
verdanken  ihnen  nichts.  Zwar  erscheinen  sie,  solange  sie  noch  in  der 
Kindheit  stehen,  fast  ebenso  befähigt  wie  die  Weißen;  aber  sie  behalten 
ihren  kindlichen  Verstand  auch  dann  noch  weiter,  wenn  sie  bereits  ins 
"Ätter  der  Erwachsenen  gekommen  sind.  Im  allgemeinen  gefäUig  und 
gefügig,  sind  sie  bisweilen  plötzlichen  Anwandlungen  außerordentlicher 
Gewalttätigkeit  unterworfen,  übrigens  immer  faul  und  unfähig,  ihre  Ge- 
danken auf  einen  Punkt  zu  sammeln.  Daher  ist  es  denn  auch  von  den 
Weißen  ganz  natürlich,  daß  sie  diese  minderwertigen  Menschen  in  einem 
gewissen  Abstände  von  sich  halten.  Aber  je  schwächer  die  Schwarzen 
auf  Grund  ihrer  geistigen  Unzulänglichkeit  sind,  um  so  großmütiger  wird 
man  sich  gegen  sie  zeigen  müssen.  Unsere  Überlegenheit  muß  sich  in 
Milde  umsetzen,  und  es  wäre  eine  Feigheit,  unsem  Verstand  und  unsere 
Kraft  zu  mißbrauchen,  um  die  Neger,  die  doch  jedenfalls  wie  wir  eine 
Menschenrasse  sind,  zu   quälen   und  au  tyrannisieren. 

Nachdem  die  Südstaatler  erklärt  hatten,  sich  von  den  Nordstaaten 
trennen  zu  wollen,  und  Jefferson  Davis  zu  ihrem  Präsidenten  ernannt  hatten 

8* 


4o8 


Siebentes  Buch. 


(4.  Februar  1861),  stellten  sie  ein  Heer  ins  Feld  und  bemächtigten  sich 
der  Stadt  Charlestown  (12.  April  1861). 

Der  Bürgerkrieg  hatte  begonnen.  Er  sollte  volle  vier  Jahre  dauern. 
Ein  entsetzlicher  Krieg,  bei  dem  Ströme  von  Blut  flössen  (etwa  400000 
Gefallene)  und  der  das  Land  vorübergehend  an  den  Rand  des  Verderbens 
brachte   (15   Milliarden   Schulden!). 

Vier    Jahre  hindurch   wetteiferten    nun  die   beiden   Gegner,    Nord-   wie 
Südstaatler,   sich  in  den  höchsten  sowohl  bürgerhchen  als  auch  militäri- 
schen  Tugenden   geradezu   gegenseitig   den   Rang   abzulaufen.     Alle   nur 
irgend    tauglichen   Männer  zogen    in  den  Krieg    und  schlugen    sich    wie 
Helden    nachdem   sie  ohne  alle  berufsmäßige  Vorbildung  in  die   Manne 
oder  auch  als  Soldaten,  Offiziere,  Generale  ins  Landheer  eingetreten  waren, 
oder  es  auch  als  Ingenieure  verstanden  hatten,  sich  durch  Erfindung  von 
Torpedos,   Panzerschiffen  mit  und  ohne  Turm,   Repetiergewehren  verdient 
zu   machen.      In    den    Nordstaaten,    die    damals   kaum   zwanzig    Millionen 
Menschen    zählten,    wurden    drei    Milhonen    Soldaten    ausgemustert.      Die 
Leistungen,  zu  denen  es  Vaterlandsliebe  brachte,  gingen  ins  Riesenhafte, 
ja  übertrafen  noch  vielleicht  die  Frankreichs  im  Jahre   i793-    Wenn  die 
Völker  das  Warum  eines  Krieges  wissen,  wissen  sie  auch  immer  das  Wie. 
Tefferson  Davis  hatte  bei  den  auswärtigen  Regierungen  bald  seine  An- 
erkennung erreicht.  So  erklärten  demi  auch  England,  Frankreich  und  die 
übrigen  europäischen  Monarchien  ihre    Neutralität.    Richmond  wurde  die 
Haumstadt    der    Konföderation  der   Südstaaten    in  einer  Entfernung  v^n 
120    Kilometern    von    Washington,     der    Hauptstadt     der   Föderation    der 

Nordstaaten.  ,      ,      ,       ..... 

Der  Krieg  wurde  immer  blutiger  und  das  Glück  wechselte  bestandig 
Die  erste  große  Schlacht,  die  geliefert  wurde,  fand  bei  Bullhun  statt  und 
wurde  von  den  Südstaatlern  gewonnen  (21.  Juli  1861).  Im  folgenden  Jahre 
versuchten  die  Nordstaatler  die  feindliche  Hauptstadt  Richmond  zu 
nehmen  Die  Schlacht  währte  drei  Tage.  Robert  Lee,  der  Oberbefehls- 
haber der  Konföderation,  war  ein  fähiger  General,  der  trotz  der  größten 
Stärke  des  Feindes  seinen  beiden  wütenden  Stürmen  auf  Richmond 
standhiek  (31.  Mai  und  2.  Juni  1862).  Der  nordstaatliche  Oberbefehls- 
haber Mac  Clellan  mußte  zum  Rückzug  blasen  lassen.  Gleichwohl  gelang 
es  Lee  nicht,  die  Stellungen  seines  Gegners  am  Malvem  Hill  zu  durch- 
brechen (I.  Juli).  Nun  spielte  sich  bei  Bullhun  zum  zweitenmal  eine 
Schlacht    ab,    und    sie     wurde    wieder    dem    Nordheere    verhängmsvoU 

(30.    August).  ,     .      ,         r,.., 

•        So   schien  das  Waffenglück   in  Virginia'  in  seiner  Gesamtheit  den  Sud- 


Die  Herrschaft  der  Wissenschaft. 


409 


Staaten  günstig.  Doch  dank  der  Fähigkeit  und  Tatkraft  eines  Grant,  dank 
seinen  gepanzerten  Geschwadern,  die  stromaufwärts  fuhren  und  die  Häfsn 
sperrten,  kam  ihr  Heer  am  Mississippi  in  eine  gefährhche  Lage.  Die 
Schlacht  bei  Fredericksburg  wurde  ihm  zwar  vorübergehend  zur  Ret- 
tung (II.  Dezember  1862).  Aber  schon  im  folgenden  Jahre  gelang  es 
Grant  nach  mehreren  blutigen  Gefechten,  die  befestigte  Stadt  Vicksburg 
am  Potomac  einzunehmen  (4.  Juni  1863).  Lee  war  seinerseits  vor  Gutty- 
burg  zum  Angriff  übergegangen,  der  ihm  aber  mißlang  (3.  Juli  1863). 

Allmählich  begannen  sich  die  Kräfte  der  Konföderation  zu  erschöpfen. 
Sie  fanden  weder  neue  Ersatzmannschaften  noch  das  nötige  Geld.  Es  blieb 
ihnen  nur  noch  ihr  Mut.  Trotz  hartnäckiger  Verteidigung  büßten  sie  in 
jeder  Schlacht  immer  mehr  an  Boden  ein  und  fanden  keine  heuen  Soldaten 
als  Nachwuchs  für  ihre  Gefallenen.  Auf  selten  der  Nordstaaten  war 
Sherman  neu  in  die  Erscheinung  getreten,  ein  Feldherr  von  großem 
Heldenmut  und  ebenso  großem  Charakter.  In  Gemeinschaft  mit  Grant 
schloß  er  nach  und  nach  die  Konföderation  in  ihren  letzten  gesicherten 
Stellungen  ein.  Am  Ende  des  Jahres  1864  hatte  Lee  kaum  noch  mehr 
als  50000  Mann  übrig;  die  Nordstaaten  waren  jetzt  viermal  so  stark. 
Und  so  sah  sich -Lee  am  9.  April  1865  genötigt,  in  Appon^atox  die 
Waffen  zu  strecken. 

Das  war  das  Ende  dieses  so  schrecklichen  Krieges.  Sicherlich  kostete 
er  zwar  viel  Blut,  doch  übte  die  siegreiche  Partei  keine  dementsprechend 
blutige  Vergeltung,  ein  Fall,  der  in  der  Geschichte  der  Bürgerkriege  fast 
einzig  dasteht.  Die  lange  Reihe  von  heißen  Schlachten  war  nichts  Tnderes 
als  ein  blutiger,  aber  ehrlicher  Zweikampf  zwischen  Mitbürgern  eines 
Landes,  die  sich  wohl  bekämpften,  aber  darum  keineswegs  haßten.    * 

Lincoln,  der  siegreiche  Präsident,  sollte  seinen  Sieg  nicht  lange  überleben 
Am  14.  April   1865,   nur    fünf  Tage    nach  Lees  Übergabe,    wurde  er   von   i 
einem  Wahnsinnigen  ermordet.  ii 

Nach  der  amerikanischen  Verfassung  folgt  dem  Präsidenten  im  Todes- 
falle der  Vizepräsident  ohne  besondere  Neuwahl.  So  wurde  der  Nachfol-er 
von  Lincoln  der  Demokrat  Andrew  Johnson.  Nun  war  die  demokratische 
Partei,  ohne  deshalb  gerade  Anhängerin  der  Sklaverei  zu  sein,  doch  nicht 
etwa  dafür  zu  haben,  die  Neger  den  Weißen  einfach  gedankenlos  gleich- 
zustellen, sie  zu  vollberechtigten  Bürgern  zu  machen  und  ihnen  das  Wahl- 
recht zu  geben.  Der  hauptsächlich  aus  Republikanern  bestehende  Kongreß 
war  aber  gerade  entgegengesetzter  Meinung  und  beschloß  daher  schli-^ß- 
hch  im  Widerspruch  mit  Johnson  nicht  allein  die  Aufhebung  jedes  Ab- 
hängigkeitsverhältnisses der  Neger,    sondern    überhaupt    die    völlige    bür- 


4iO  Siebentes  Buch. 


gerliche    und    politische     Gleichheit     zwischen     Schwarzen    und    Weißen 
(1867— 1868). 

Im  Jahre  1868  wurde  der  General  Ulysses  Sidney  Grant  mit  überwäl- 
tigender Mehrheit  zum  Präsidenten  ernannt.  Die  Sklavenhalterpartei  war 
nichts  weiter  mehr  als  nur  noch  eine  geschichtliche  Erinnerung. 


Die  übrigen  amerikanischen  Republiken  wurden  nicht  weniger  von 
Bürgerkriegen    heimgesucht. 

In  Nordamerika  war  Mexiko  seit  seiner  Unabhängigkeitserklärung  im 
Jahre  1823  nicht  aus  der  Anarchie  herausgekommen  und  von  der  Militär- 
diktatur zur  Demagogie,  von  der  Demagogie  zur  Militärdiktatur  zurück- 
gekehrt. Das  Land  ist  durch  die  Fruchtbarkeit  seines  Bodens  und  die 
unerschöpflichen  Schätze  seiner  Bergwerke  eines  der  reichsten  der  Welt. 
Aber  die  Bevölkerung,  die  sich  aus  Indianern,  Mulatten,  Mestizen  und 
einer  verhältnismäßig  geringen  Zahl  von  reinen  Weißen  zusammensetzte, 
lehnte  sich  gegen  jedes  ernste  politische  Leben  sowie  gegen  jede 
wirkliche  Staatszucht  auf.  Eine  ebenso  verblendete  wie  unwissende  katho- 
lische Geistlichkeit  nährte  den  gegenseitigen  Haß,  und  die  Heerführer 
waren  mehr  Abenteurer  als   Generale. 

Im  Jahre  1846  hatte  Texas  um  seine  Angliederung  an  die  Vereinigten 
Staaten  gebeten,  und  die  mexikanische  Republik,  die  damals  wehrlos  war, 
hatte  diese  Provinz  abtreten  müssen  und  damit  ein  Drittel  seines  Gebietes 
verloren. 

In  einem  der  zahlreichen  Aufstände,  die  das  schöne  Mexiko  verwüsteten, 
waren  Franzosen,  Engländer,  Spanier  geplündert  oder  niedergemetzelt 
worden.  Als  Frankreich,  England,  Spanien  keine  diplomatische  Genug- 
tuung erlangen  konnten,  griffen  diese  Mächte  schließlich  zur  Gewalt.  Die 
verbündete  Flotte  nahm  den  Hafen  von  Veracruz.  Juarez,  ein  indianischer 
Mestize,  den  das  Zufallsspiel  der  mexikanischen  Politik  auf  den  Präsidenten- 
stuhl gerufen  hatte,  mußte  nachgeben  und  unterhandeln  (Oktober  r86i). 
Spanien  und  England  erklärten  sich  befriedigt,  aber  Napoleon  III.  be- 
anspruchte mehr.  Eine  seltsame  Vorstellung  hatte  sich  seiner  bemäch- 
tigt; er  gedachte,  Mexiko  einen  Monarchen  seiner  Wahl  aufzuerlegen  und 
ihn  durch  französische  Truppen  zu  unterstützen. 

So  verfiel  sechzig  Jahre  nach  jenem  unseligen  spanischen  Kriege,  der 
Napoleon  I.  zum  Verhängnis  wurde,  Napoleon  III.  in  den  gleichen  ver- 
brecherischen   Irrtum  mit  seinem  räuberischen  Überfall  auf  Mexiko. 

Im    Jahre     1862     landen     30000    französische     Soldaten    in    Veracruz 


Die  Herrschaft  der  Wissenschaft.  4il 

(September).  Auf  den  Schlachtfeldern  bleiben  sie  zwax  Sieger,  aber 
bei  jedem  Schritt,  den  sie  vorwärts  tun,  stoßen  sie,  wie  in  dem 
Spanien  des  Jahres  1809,  auf  unversöhnlichen  nationalen  Haß,  der  sich 
gegen  sie  erhebt.  Krankheiten  und  Entfernungen  erschöpfen  das  fran- 
zösische Heer.  Doch  es  gelingt  ihm  gleichwohl,  in  die  Stadt  Mexiko 
einzuziehen  (5.  Juni  1863)  und  den  Erzherzog  Maximilian,  den  Bruder 
des  Kaisers  von  Österreich,  zum  Kaiser  von  Mexiko  krönen  zu  lassen. 

Doch  wurden  hierbei  alle  nur  irgend  denkbaren  Fehler  begangen;  auch 
die  lebhafteste  Phantasie  vermöchte  sich  wohl  keinen  vorzustellen,  der  unter- 
lassen worden  wäre.  Bazaine,  der  kommandierende  französische  General, 
war  schon  damals  ein  berufsmäßiger  Verräter  und  spann  gegen  den  Herr- 
scher Ränke,  den  er  die  Aufgabe  gehabt  hätte  zu  verteidigen.  Kaiser 
Maximilian  fand  auch  nicht  einen  Anhänger  in  seinem  neuen  Reiche, 
und  völlig  vergeblich,  ohne  irgendwelchen  Vorteil  davon  zu  haben  und  nur 
um  die  schwersten  Verluste  zu  erleiden,  schickte  Frankreich  seine  Söhne 
in  den  Kampf  für  diesen  unglückseligen  Prinzen,  der  den  Truppen,  die 
ihn  stützen  sollten,  ebenso  fremd  war  wie  den  Bevölkerungskreisen,  über 
die  er  so  gern  herrschen  wollte. 

Unmittelbar  nach  Beendigung  ihres  eigenen  Bürgerkrieges  nahmen  die 
Vereinigten  Staaten  für  Juarez  Partei.-  Sie  verlangten  ungestüm,  daß 
Frankreich  seine  Truppen  zurückzöge.  Um  einen  Krieg  zu  vermeiden, 
der  sicherlich  verhängnisvoll  gewesen  wäre,  mußte  das  französische 
Expeditionskorps  Mexiko  räumen  und  nach  Frankreich  heimkehren  (1867). 
25  000  französische  Soldaten,  der  auserlesenste  Teil  des  Heeres,  waren  für 
das  lächerliche  Unternehmen  hingeopfert  worden:  einen  österreichischen 
Prinzen  amerikanischen  Republikanern  aufzudrängen! 

Nach  dem  Abzug  der  Franzosen  wurde  der  unglückliche  Maximilian 
gefangen  genommen  und ''zu  Queretaro  erschossen  (19.  Juni  1867). 

Napoleon  HI.  hat  in  seiner  Laufbahn  gewiß  sehr  viele  Fehler  be- 
gangen; aber  keiner  ist  wohl  weniger  verständlich  als  der  mexikanische 
Feldzug,  Ihm  hat  er  es  zu  verdanken,  wenn  sich  sein  militärisches  An- 
sehen geschwächt  hat  und  sein  politischer  Nimbus  gefallen  ist,  gerade 
im  kritischsten  Augenblick  der  europäischen  Geschichte,  war  doch 
damals  die  Zeit  um  die  Schlacht  bei  Königgrätz,  die  am  3.  Juli  1866 
stattfand. 

Die  Republiken  Mittel-  und  Südamerikas  wurden  gleichfalls  von 
wütenden  Zwistigkeiten  heimgesucht.  Ihre  Geschichte  ist  einförmig  und 
wirr.  Es  handelt  sich  immer  nur  um  Staatsstreiche,  Diktaturen,  Untaten 
verblendeter  Schwarmgeister,  Käuflichkeiten,  Pronunciamentos.   Diese  Re- 


4i2  Siebentes  Buch, 


publiken  werden  abwechselnd  von  Priestern  und  Generalen  regiert.  Bis- 
weilen machen  sie  den  an  sich  schon  so  schlimmen  Bürgerkrieg  dadurch 
erst  ganz  schlimm,  daß  sie  auch  noch  gegeneinander  kämpfen.  Es  ist 
ein  reines  Wiuider,  wie  sie  trotz  alledem  nicht  bloß  haben  bestehen, 
sondern  sogar  noch  gedeihen  können. 

Mehr  als  je  zu  irgendeiner  anderen  Zeit  schickte  Europa  damals  seine 
Ansiedler,  seine  Heere,  seine  Kapitalien  in  alle  Teile  der  Welt,  nach 
Asien,  Afrika,  Australien. 

In  Asien  wurden  nicht  etwa  in  ihrer  Bevölkerung,  sondern  nur  in 
ihrer  Verwaltung  Indien  englisch,  Kaukasien  russisch,  Cochinchina  fran- 
zösisch, und  der  Krieg  Englands  mit  China  eröffnete  dem  europäischen 
Handel  einige  Häfen  dieses  so  unermeßlichen  und  geheimnisvollen  Landes. 

In  Afrika  tat  die  Handlung  eines  vereinzelten  Mannes  für  den  Fort- 
schritt der  Welt  mehr  als  alle  Heere  und  Schätze.  Ein  Franzose,  Fer- 
dinand von  Lesseps,  wagte  einen  Plan  zu  entwerfen  und  auch  zur  .A-us- 
führung  zu  bringen,  den  Ingenieure  imd  Diplomaten  mit  gleichem  Eifer 
bekämpften,  zunächst  überhaupt  als  einfach  undurchführbar,  und  später, 
wenn  er  wirklich  durchführbar  sein  sollte,  als  zum  mindesten  verhäng- 
nisvoll erklärten. 

Afrika  war  mit  Asien  nur  durch  einen  sich  45  Kilometer  ausdehnenden 
schmalen  Sandstreifen  verbunden,  der  das  Verkehrshindernis  zwischen 
Mittelländischem  Meer  einerseits  und  Rotem  Meer  und  Indischem  Ozean 
andererseits  bildete.  Es  handelte  sich  also  darum,  in  diesem  Sand  einen 
Kanal  zu  graben,  der  so  breit  und  tief  sein  mußte,  daß  die  großen  Schiffe 
hindurch  konnten.  So  sollte  Indien  Europa  näher  rücken.  Ein  Schiff 
z.  B.,  das  von  Marseille  nach  Bombay  wollte,  sollte,  anstatt  über  Gibraltar 
am  Kap  der  guten  Hoffnung  und  Madagaskar  vorbeizufahren,  einen  fast 
geradlinigen  Lauf  nehmen  und  so  einen  gewaltigen  Umweg  vermeiden. 

Zum  Glücke  war  der  Pascha  von  Ägypten,  Said,  ein  Sohn  des  Mehe- 
med  Ali  (1853 — 1863),  dem  Plane  günstig.  Sein  Nachfolger  Ismail  (1863 
bis  1879)  konnte  nicht  die  Fortsetzung  der  im  Jahre  1859  begonnenen 
Arbeiten  verhindern.  Im  Jahre  1869  war  die  Landenge  von  Suez  durch- 
stochen und  damit  der  weltberühmte  Kanal  geschaffen. 

Er  wurde  eine  Quelle  des  Reichtums  für  Ägypten,  aber  auch  für  Eng- 
land, Frankreich  und  alle  anderen  europäischen  Völkerschaften.  Die 
großen  Werke  der  Zivilisation  bestehen  immer  darin,  daß  sie  alle 
Völker  bereichern,  ohne  irgendeines  verarmen  zu  lassen. 


Die  Herrschaft  der  Wissenschaft.  4^3 

Am  anderen  Ende  der  Welt  war  es  Australien,  das  eine  ganz  uner- 
wartete Entwicklung  nahm.  Die  nicht  allzu  zahlreichen  Eingeborenen, 
denen  James  Cook  im  Jahre  1788  begegnete,  gehörten  einer  verfallenen 
Rasse  an,  der  sogar  noch  die  schwarze  überlegen  war.  Als  zuerst  Straf- 
verbannte (1788),  dann  Ansiedler  (1803)  hinüberkamen,  gab  es  zwar 
zunächst  einen  unbedeutenden  Scheinkrieg,  doch  bald  schon  verschwanden 
die  australischen  Eingeborenen.  Und  sie  taten  das  so  vollständig,  daß 
heute  von  ihnen  nicht  mehr  ein  einziger  auf  diesem  weiten  Erdteil 
übrig  ist. 

Australien  ist  ein  Land  von  äußerster  Dürre  und  schwieriger  Boden- 
beschaffenheit. Doch  die  Züchtung  des  Hammels  brachte  den  ersten  Ein- 
wanderern schon  in  kurzem  großen  Gewinn.  Immer  neue  Ansiedler  kamen, 
so  daß  im  Jahre  1842  bereits  eine  halbe  Million  Einwohner  vorhanden  war. 

Aber  plötzlich  erfuhr  man  nun  zu  dem  allen,  daß  Australien  auch  reich 
an  Goldbergwerken  war,  deren  Bearbeitung  wenig  Schwierigkeiten  machte. 
Nun  wurde  die  Einwanderung  so  gewaltig,  daß  im  Jahre  1855  aus  der 
halben  Million  Ansiedler  von  1842  schon  wieder  das  Dreifache,  also  andert- 
halb Millionen,  geworden  war. 

Neuseeland,  die  äußerst  fruchtbare  große  Insel  im  Südosten  Austra-- 
liens,  zeigte  in  seiner  Bevölkerungszunahme  und  Kolonisation  ein  noch  auf- 
fälligeres Wachstum.  Im  Jahre  1867  zählte  es  225000  Ansiedler.  Die  Ein- 
geborenen oder  Maoris,  deren  Intelligenz  die  der  festländischen  Australiei" 
überragt,  machten  den  vergeblichen  Versuch,  den  Weißen  Widerstand  zu 
leisten.  Doch  sie  wurden  wenigstens  nicht,  wie  die  anderen,  ausgerottet. 
Es  waren  im  Jahre  1867  40000  übrig  geblieben,  die  auch  in  der  Folge 
nicht  verschwunden  sind.  Es  scheint  sogar  seit  einiger  Zeit,  als  ob  sie 
sich    ein   klein    wenig  mit  der  Zivilisation  vertraut  machen  wollten. 


Zu  einer  Zeit,  wo  England  bereits  planmäßig  die  Eroberung  der  Welt 
betrieb,  setzten  die  verschiedenen  Völker  des  europäischen  Festlandes  noch 
immer   ihre  alte^ Politik jier_ Eifersucht  und  des  Hasses  fort.     ' 

Die  großen  Ereignisse  der  Jahre  1866— 1870  nahmen  ihren  Anfang  in 
dem  Streit  um  die  dänische  Erbfolge. 

Im  Januar  1848  folgte  Friedrich  VII.  seinem  Vater  Christian  VIII.  auf 
den  dänischen  Königsthron.  Die  Lage  war  schwierig;  denn  in  Schles- 
wig-Holstein war  die  Bevölkerung  weder  nach  Sprache  noch  Sitten  über- 
wiegend dänisch.  Holstein,  das  zum  Deutschen  Bunde  gehörte,  war  sogar 
durchweg   deutsch,  Schleswig,  das    allerdings   im  Norden  noch  ausschließ- 


^14  Siebentes  Buch. 


lieh  dänisch  war,  war  jedoch  im  Süden  ebenfalls  ganz  deutsch.  Die 
deutsch-sprachigen  Bevölkerungskreise  empörten  sich  nun,  vertrieben  die 
Dänen  und  riefen  die  Preußen  herbei.  Diese  kamen,  nur  zu  bereit,  sich 
der  Stadt  Kiel  und  der  beiden  Herzogtümer  zu  bemächtigen.  Das  dänische 
Heer  wurde  bei  Düppel  geschlagen  (28.  Mai  1848).  Dänemark  verlor  in- 
dessen seine  Provinzen  nicht.  Vielmehr  wurde  in  dem  sogen.  Londoner 
Protokoll  (1852)  endgültig  vereinbart,  daß  die  Herzogtümer  weiter  der 
dänischen  Krone  angehören  und  nur  einer  eigenen  Verwaltung,  nämlich 
der  eines  von  England,  Preußen  und  Dänemark  gemeinsam  gebildeten 
Ausschusses,  unterstellt  werden  sollten.  Fast  unüberwindlich  war  die 
Schwierigkeit :  die  widerstreitenden  Interessen  des  deutschen  und  des 
dänischen  Schleswig  in  Einklang  zu  bringen.  Wenn  nationale  Meinungs- 
verschiedenheiten sich  auf  Kosten  von  Staatsinteressen  geltend  machen, 
ist   jedes   gemeinsame   Leben   immöghch. 

Nach  Friedrichs  VII.  Tode  (15.  November  1863)  w'urde  Christian  IX. 
König  von  Dänemark,  doch  die  Herzogtümer  wollten  von  ihm  nichts 
wissen    und  riefen  Friedrich  von  Augustenburg  zum  Herrscher   aus. 

Österreich,  Preußen  und  der  Deutsche  Bund  unterstützten  die  Ansprüche 
des  Augustenburgers  mit  den  Waffen  (i.  Februar  1864).  Diesen  gewaltigen 
Gegnern  war  Dänemark  nicht  gewachsen.  Sein  kleines  Heer  mußte  sich 
sogleich  über  Schleswigs  Grenze  zurückziehen.  Und  so  mußte  der  König 
von  Dänemark,  von  ganz  Europa  im  Stich  gelassen,  sich  den  Bedingungen 
der  Sieger  unterwerfen  (August   1864). 

Bis  dahin  waren  Österreich  und  Preußen  so  ziemlich  Hand  in  Hand 
gegangen;  doch  als  jetzt  für  sie  beide  selbst  die  Stunde  der  gegenseitigen 
Auseinandersetzung  kam,  konnten  sie  sich  nun  nicht  mehr  so  leicht 
verständigen;  handelte  es  sich  doch  im  Grunde  weit  weniger  um  die 
Herzogtümer  als  vielmehr  um  die  gesamte  Vorherrschaft  in  Deutschland. 

Der  König»  von  Preußen,  Wilhelm  I.  (1797 — 1888),  Regent  seit  dem 
Jahre  1858,  König  seit  1861,  hatte  sich  nie  so  recht  mit  den  liberalen 
Ideen  befreunden  können.  Gottesfürchtig,  bieder,  ohne  Gepränge,  seinem 
einmal  gegebenen  Wort  unverbrüchlich  treu  und  von  leidenschaftlicher 
Liebe  für  sein  Heer,  aber  aus  Ehrfurcht  vor  den  Satzungen  der  Religion 
nicht  allzu  lebhaft  von  dem  Wunsche  erfüllt,  einen  Krieg  zu  führen,  hatte 
er  jedoch  über  seine  Herrscherpflichten  dieselben  Gedanken  wie  Lud- 
wig XIV.  Mit  18  Jahren  war  er  181 5  mit  den  preußischen  Kriegerscharen 
nach  Frankreich  gekommen  und  bewahrte  sich  von  damals  her  eine  noch 
ganz  von  den  Grimdsätzen  der  Heiligen  Allianz  erfüllte  Seele.  Daher 
zögerte    er  auch  nicht,    sich   ruhig    darüber    hinwegzusetzen,    als  ihm   die 


Die  Herrschaft  der  Wissenschaft.  ^l5 

Abgeordneten   der  Preußischen  Kammer    jedwede  Mittel   für   die  Heeres- 
verstärkung verweigerten.     Der   Landtag   wurde  einfach  aufgelöst. 

Da  fand  er  einen  Minister,  der  scheinbar  seine  Politik  in  jedem  Augen- 
blick unterstützte,  ihm  aber  in  Wirklichkeit  immer  nur  die  eigne  auf- 
drängte. So  oft  dieser  auch  von  seiner  Ansicht  abwich,  der  König  gab  ihm 
schließlich  regelmäßig  nach.  Es  war  Otto  von  Bismarck  (1815 — 1898). 
Er  war  ohne  jedes  religiöse  oder  sittliche  Bedenken.  Er  glaubte  nur  an 
Gewalt  und  Erfolg.  Im  Gegensatz  zu  den  alten  diplomatischen  Bräuchen 
sagte  er  alles,  was  er  dachte,  gerade  heraus  und  erfand,  um  das,  was  ihn 
erfüllte,  zum  Ausdruck  zu  bringen,  allerlei  knappe,  witzige,  kräftige  und 
trotzige  Formeln.  Überall  hinterließ  er  Spuren  solcher  temperamentvollen 
Kraftbetätigung,  ob  das  nun  in  den  Kanzleien  der  verschiedenen  euro- 
päischen Regierungen  oder  in  den  Sitzungssälen  der  preußischen  Parla- 
mente sein  mochte,  und  dabei  trat  er  mit  dem  Trotze  jenes  kleinen 
Krautjunkertums  auf,  das  weder  Gott  noch  den  Teufel  fürchtet.  Bis- 
weilen mutete  er  einem  in  zynischer  Weise  einen  entehrenden  Handel 
zu,  an  dessen  ernstlichen  Abschluß  auch  er  selbst  in  Wirklichkeit  gar 
nicht  glauben  konnte.  Wie  Napoleon  I.,  dachte  er  in  seinem  Herzen 
und  äußerte  auch  er  nicht  minder  laut,  daß  die  Menschen  allein  von 
ihren  Interessen  geleitet  würden,  jedes  Gewissen  käuflich  sei  und 
Macht  vor  Recht  gehe. 

Die  Angelegenheit  der  dänischen  Herzogtümer  schien  ihm  eine  günstige 
Gelegenheit  zu  bieten,  Österreich  aus  Deutschland  herauszudrängen.  Zu- 
nächst sicherte  er  sich  die  wohlwollendste  Freundschaft  Rußlands  und  die 
Neutralität  Englands.  Was  Frankreich  anging,  so  führte  er  Napoleon  III., 
der  sich  wie  ein  Kind  narren  ließ,  durch  allerhand  schöne  Redensarten, 
die  Versprechungen  gleichzukommen  schienen,  solange  hinters  Licht,  bis 
es  ihm  schließlich  gelungen  war,  in  ein  Schutz-  und  Trutzbündnis  mit  Italien 
zu  treten.  Das  bildete  die  Voraussetzungen,  unter  denen  er  den  Krieg 
von  1866  beginnen  konnte. 

Preußen  hatte  Österreich  und  außerdem  noch  fast  das  gesamte  Deutsch- 
land: Sachsen,  Baden,  Hannover,  Bayern,  Württemberg  gegen  sich.  Doch 
dank  seiner  unglaublich  schnellen  Mobilisierung  gelang  es  dem  preußischen 
Heere,  es  zu  verhindern,  daß  sich  die  andern  Deutschen  mit  den  250000 
Österreichern  unter  General  Benedek  vereinen  konnten. 

Vom  Kronprinzen  und  Prinz  Friedrich  Karl  befehligt,  waren  die 
Preußen  die  Überlegenen,  wenn  auch  nicht  an  numerischer  Stärke,  so 
doch  an  Waffenausrüstung  (Dreysesches  Hinterladegewehr)  und  durch 
einen  höchst  unternehmenden   Stab   von  Offizieren.    Durch  die  Kühnhdt 


^l6  Siebentes  Buch. 


ihres  Angriffs  und  die  Kraft  ihres  Vorgehens  erhielten  sie  gkich  in  den 
ersten  Kämpfen  einen  gewissen  Vorsprung.  Am  3.  Juh  machte  die  große 
Schlacht  bei  Sadowa  oder  Königgrätz  diesem  Feldzug  in  wenigen  Tagen 
ein  schnelles  Ende. 

Ganz  kurz  zuvor  waren  die  Italiener,  die  Verbündeten  Preußens,  bei 
Custozza  geschlagen  worden  (24.  Juni).  Aber  weder  diese  Schlacht 
noch  die  bei  Lissa,  in  der  die  italienische  Flotte  besiegt  wurde 
(20.  Juli),  hatten  einen  Einfluß  auf  den  Gang  der  Ereignisse.  Kaiser  Franz 
Joseph  trat  zwar  Venedig  nicht  unmittelbar  an  den  König  von  Italien  ab, 
wohl  aber  an  Kaiser  Napoleon  III.,  der  es  seinerseits  diesem  Lande  über- 
ließ, und  nun  wurde  der  allgemeine  Friede  zu  Prag  geschlossen  (24.  August), 

Damit  war  das  österreichische  Übergewicht  in  Deutschland  ein  für  alle- 
mal zu  Ende.  Durch  den  Prager  Friedensvertrag  erhielt  Preußen  nicht 
nur  die  dänischen  Herzogtümer,  die  den  ersten  Anstoß  zum  Kriege  ge- 
geben hatten,  sondern  auch  noch  außerdem '  Hannover,  Hessen-Cassel 
und  die  blühende  freie  Reichsstadt  Frankfurt.  Es  hatte  nunmehr  25  Mil- 
lionen Einwohner.  Nach  den  edlen  Überlieferungen  Preußens  aus  dem 
Jahre  181 5  wurden  ihm  die  Bevölkerungen  dieser  verschiedenen  Gebiete 
einfach  ohne  weiteres  und  ohne  jede  Volksabstimmung  einverleibt.  König 
Wilhelm  ließ  nicht  zu,  daß  ein  Volk  das  Recht  hätte,  über  sein 
Schicksal  selbst  zu  entscheiden. 

Deutschland  teilte  sich  damals  in  zwei  ungleiche  Hälften:  den  Nord- 
deutschen Bund  (sechsundzwanzig  Millionen)  und  den  Süddeutschen  Bund 
(zwanzig  Millionen).  Präsident  des  Norddeutschen  Bundes  war  der  König 
von  Preußen;  das  Verhältnis  dieses  Bundes  zu  Preußen  war  in  Wirk- 
lichkeit eine  nur  schlecht  verhüllte  Annektierung.  Der  Süddeutsche  Bund 
(Sachsen,  Bayern,  Württemberg,  Baden)  bewahrte  sich  im  Gegensatz 
dazu  eine  ganz  augenfällige  Unabhängigkeit.  Österreich  war  nun  tat- 
sächlich aus  Deutschland  ausgeschlossen,  und  die  ganze  Macht  gewann 
Preußen;  denn  nicht  bloß  eine  Zoll  Vereinigung,  sondern  auch  noch  ein 
Schutz-  und  Trutzbündnisvertrag  schlössen  Preußen  und  den  Süddeutschen 
Bund   eng   zusammen. 

Dieser  völligen  Umwälzung  seiner  hergebrachten  altehrwürdigen  Zu- 
stände setzte  Europa  auch  nicht  den  kleinsten  Widerstand  entgegen. 
Rußland  unter  Gortschakow  hielt  sich  eng  an  die  Pohtik  Bismarcks. 
England  unter  Gladstone  steckte  schon  damals  viel  zu  tief  in  seiner  Wahl- 
reform, um  noch,  wie  bisher,  in  die  europäischen  Streitigkeiten  eingreifen 
zu  können.  Napoleon  III.  aber,  der  zu  Frankreichs  Unglück  dessen  Politik 
leitete,   schwankte   zwischen   den   entgegengesetztesten   Anschauungen   hin 


Die  Herrschaft  der  Wissenschaft.  ^ij 

und  her  und  schaffte  sich  überall  unversöhnliche  Feindschaft.  Italien  ent- 
fremdete er  sich  für  immer  damit,  daß  er  in  dem  Kirchenstaate  eins 
Truppe  französischer  Soldaten  zum  Schutze  des  Papstes  hielt  und  die 
Erklärung  abgab,  daß  er  niemals  zulassen  würde,  daß  sich  die  Italiener 
Roms  bemächtigten,  Österreich  damit,  daß  er  auch  nicht  mit  einem 
einzigen  Wort  für  diese  Macht  zu  ihrer  Verteidigung  eintrat,  Deutschland 
damit,  daß  er  ganz  offen  das  linke  Rheinufer  für  sich  verlangte.  Er  konnte 
eigenlhch  allein  von  Bismarck  ein  gewisses  Maß  von  Dankbarkeit  er- 
warten; denn  Napoleons  Zauderpolitik  war  die  festeste  Stütze  des  Eisernen 
Kanzlers  gewesen.  Aber  Dankbarkeit  war  ein  Wort  und  ein  Gefühl,  das 
Bismarck   niemals    kannte. 

Trotz  alledem  wurde  im  Jahre  1869  ein  Bündnis  zwischen  Frankreich, 
Österreich  und  Italien  gegen  Preußen  beraten.  Der  leitende  Minister  von 
Österreich,  von  Beust,  hatte  sich  für  sein  Volk 'nicht  in  jene  untergeordnete, 
ja  geradezu  demütigende  Rolle  finden  können,  die  der  Prager  Friede 
seinem  Vaterlande  in  den  deutschen  Angelegenheiten  auferlegt  hatte.  Auf 
der  andern  Seite  neigte  Victor  Emanuel  zu  einem  Bündnis  mit  Frank- 
reich, das  seinen  persönlichen  Gefühlen  nicht  weniger  als  den  verwandt- 
schaftlichen  Banden  zwischen   den   beiden   Völkern   entsprach. 

Doch  die  Ereignisse  überstürzen  sich,  und  schon  in  einem  Jahre  hat 
sich  die  Lage  in  Europa  völlig  gewendet. 

Zu  Anfang  des  Jahres  1870  berief  Kaiser  Napoleon  ein  liberales 
Ministerium  zur  Regierung  mit  einem  Zugeständnisse  parlamentarischer 
Bürgschaften  (2.  Januar  1870).  Aber,  als  ob  diese  Kundgebung  in  der 
Richtung  eines  weniger  unumschränkten  Regiments  seinen  ganzen  guten 
Willen  erschöpft  hätte,  wagte  er  es  nicht,  sich  auf  die  Aufgabe  Roms  ein- 
zulassen. Und  doch  war  der  Augenblick  günstig;  Papst  Pius  IX.  ver- 
doppelte seine  Unversöhnlichkeit,  gestützt  auf  die  Entschließungen  des 
damals  tagenden  Vatikanischen  Konzils,  das  soeben  die  Pflicht  der  Unter- 
ordnung jeder  weltlichen  Behörde  unter  die  Kirche  ausgesprochen  imd 
die  Unfehlbarkeit  des  Papstes  verkündet  hatte  (Dezember  1869). 

Trotzdem  hielt  Napoleon  III.  weiter  ein  Okkupationskorps  in  Rom. 
Ohne  aber  damit  etwa  die  französischen  Klerikalen  gewirmen  zu  können, 
die  ihn  zu  bekämpfen  auch  nunmehr  nicht  müde  wurden,  machte  er  durch 
seinen    unerklärlichen    Eigensinn    jedes    Bündnis    mit    Italien    unmöglich. 

In  dieser  Zeit  waren  es  die  Verhältnisse  in  Spanien,  die  durch  eine 
wirre  Verkettung  von  Versehen  und  Irrtümern  den  Krieg  zwischen  Frank- 
reicli  und  Preußen  herbeiführten. 


4l8  Siebentes  Buch. 


Ferdinands  VII.  Tod  (1833)  hatte  einen  Bürgerkirieg  entfesselt.  Seine 
dreijährige  Tochter  Isabella  II,  war  als  Königin  unter  der  Regentschaft 
ihrer  Mutter  Maria  Cristina  ausgerufen  worden.  Aber  die  Basken  und  Kata- 
lanen, die  von  einer  Frau  auf  dem. Throne  nichts  wissen  wollten,  hatten  sich 
empört  und  als  König  Don  Carlos,  einen  Bruder  Ferdinands,  der  den  Auto- 
ritätsbegriff am  weitgehendsten  vertrat,  bezeichnet;  so  mußte  die  Regie- 
rung Maria  Cristinas  die  Karlisten  bekämpfen.  Es  war  ein  blutiger  Krieg, 
der  sieben  Jahre  dauerte.  Als  er  beendet  war,  benutzten  die  Generale, 
die  über  die  Karlisten  triumphiert  hatten,  ihre  Siege,  um  die  Gewalt  an 
sich  zu  reißen.  Es  war  dies  zuerst  Espartero  (1840 — 1843)  und  dann 
Narvaez,  der  zuerst  der  Freund  und  später  der  Gatte  der  Königin  Maria  Cri- 
stina war  (1847 — 1851).  Obgleich  Narvaez  angeblich  der  gemäßigten 
Partei  angehörte,  trat  er  wie  ein  unumschränkter  Herrscher  auf  und 
regierte  so  schlecht,  daß  er  einen  Aufruhr  hervorrief;  aber  in  dem  un- 
glückseligen Spanien  gab  es  keine  Umwälzung,  die  etwas  anderes  gewesen 
wäre  als  die  einfache  Ersetzung  eines  Generals  durch  einen  andern,  und 
die  Regierimg  von  O'Donnell,  der  Narvaez  verjagt  hatte,  war  kaum  weniger 
selbstherrlich  als  die  seiner  Vorgänger.  O'Donnell  war  jedoch  für 
Königin  Isabella  zu  liberal;  daher  wurde  Narvaez  zurückgerufen  und  kam 
auch  wirklich  (Januar  1863);  dann  war  bald  wieder  O'Donnell  zurück  und 
bald  wieder  Narvaez.  Königin  Isabella  fand  immer  wieder  neue  Günst- 
linge, die  sie  mit  Ehren  imd  Gold  überhäufte. 

Die  Geduld  der  Spanier  ermüdete.  Eine  Volksbewegung  brach  im 
September  1868  zu  Madrid  aus,  an  deren  Spitze  General  Prim  und  der 
Historiker  Emilio  Castelar  *,  einer  der  größten  Redner  aller  Zeiten, 
standen, 

Isabella  mußte  Spanien  verlassen  (5.  Oktober  1868).  Die  vereinigten 
Cortes  beschlossen  alsdann,  daß  die  Verfassung  weiter  eine  monarchische 
bleiben  sollte.  Es  war  zu  dieser  Zeit,  als  Prim,  von  den  Cortes  an  die 
Spitze  der  Regierung  gestellt,  auf  den  eigenartigen  und  imseligen  Gedanken 
kam,  die  Thronfolge  dem  Prinzen  Leopold  von  HohenzoUern  anzutragen, 
der  darauf  auch  einging   (Juli   1870). 

In  dieser  schicksalsschweren  Stunde  scheint  die  französische  Regierung 
wie  von  einem  Taumel  ergriffen.  Das  Königtum  eines  HohenzoUern  in 
Spanien,  das  für  Preußen  nur  eine  unerträgliche  Last  gebildet  hätte,  hätte 
von  der  französischen  Diplomatie  ganz  gleichgültig  aufgenommen  werden 
können.     Statt  dessen  erregte  es  Entrüstung.     Der  Herzog  von  Gramont, 


*  Vgl.   S.s  5^9  Nachtrag. 


Die  Herrschaft  der  Wissenschaft.  4^9 

der  französische  Minister  des  Auswärtigen,  erklärte,  daß  das  Königtum 
eines  preußischen  Prinzen  in  Spanien  für  Frankreich  eine  Gefahr  in 
sich  schlösse,  und  bat  den  König  von  Preußen,  sich  ins  Mittel  zu  legen  und 
seinen  Vetter  Leopold  von  dem  spanischen  Throne  zurückzuhalten. 

Nichts  ist  einfacher,  als  die  ganze  Schwere  der  Verantwortung  dieses 
unsinnigen  Verlangens  ausschließlich  auf  den  Herzog  von  Gramont,  Emile 
Olli  vier  oder  Napoleon  III.  abzuwälzen!  Daran  waren  gar  viele  Fran- 
zosen beteiligt.  In  den  verschiedensten  Blättern  erschienen  heftige  Artikel, 
die  zum  Kriege  trieben.  In  der  gesetzgebenden  Körperschaft  erhob  eine 
Kriegspartei  lärmenden  Einspruch  und  forderte  Rache.  Die  Kaiserin  wollte 
die  Dynastie  durch  Siege  befestigen.  Verblendung  und  Dummheit,  die  sich 
unter  dem  Scheine  der  Vaterlandsliebe  verbargen,  waren  entfesselt.  Ob- 
gleich die  noch  gar  nicht  endgültige,  sondern  nur  für  alle  Fälle  der  Mög- 
lichkeit vorgesehene  Kandidatur  eines  Hohenzollern  von  ganz  belangloser 
Nichtigkeit  war,  sah  es  vom  6.  bis  zum  12.  Juli  so  aus,  als  ob  um  dieser 
Nichtigkeit  willen  schon  damals  ein  schrecklicher  Krieg  ausbrechen  sollte. 

Doch  in  Wirklichkeit  war  es  eine  ganz  andere,  noch  viel  größere  Nich- 
tigkeit, um  derentwillen  das  verhängnisvolle  Ereignis  dann  schließlich 
eintrat.  Am  12.  Juli  erklärte  der  Prinz  von  Hohenzollern,  auf  jede  Kan- 
didatur verzichten  zu  wollen.  Es  schien  nun  einige  Stunden  lang,  als  ob 
alles  vorüber  sei.  Weder  Napoleon  III.  noch  Emile  Ollivier  noch  König 
Wilhelm  wollten  den  Krieg,  und  ebensowenig  oder  noch  weniger  die  Kreise, 
die  das  eigentliche  französische  imd  deutsche  Volkstum  ausmachen,  d.  h. 
die  werktätige  Bevölkerung,  die  mit  Politik  oder  Presse  wahrhaftig  nicht 
weiter  in  Beziehung  steht. 

Aber  da  waren  ein  Gramont,  ein  Benedetti  und  ein  Bismarck.  Diese 
drei  Männer  waren  es,  die,  der  eine  durch  seine  Eitelkeit,  der  andere  durch 
seine  Ungeschicklichkeit  und  der  dritte  durch  seine  Hinterlist,  diesen  un- 
glückseligen Krieg  hervorgerufen  haben,  der  noch  heute  so  schwer  auf 
den  Geschicken  der  Welt  lastet  und  den  weder  die  beiden  Völker  noch  auch 
ihre  beiden  Herrscher  wollten. 

Doch  der  Verzicht,  den  Leopold  von  Hohenzollern  geleistet  hatte,  ge- 
nügte Gramont  nicht;  er  mutete  König  Wilhelm  auch  noch  die  Verpflich- 
tung zu,  sogar  für  alle  Zukunft  zu  einer  ähnlichen  Kandidatur  niemals  seine 
Einwilligung  zu  geben.  Diese  Zumutung  war  wirklich  geradezu  wahn- 
witzig. Und  außerdem  wurde  sie  von  Benedetti,  dem  französischen  Bot- 
schafter in  Preußen,  so  ungeschickt  ausgerichtet,  daß  Wilhelm  als  Ant- 
wort darauf  nur  die  Ablehnung  seines  Empfanges  hatte,  den  er  für  unnötig 
erklärte,  da  ja  schon  alles  gesagt  sei  (Unterredung  zu  Ems).  Diese  Antwort 


420  Siebentes  Buch. 


wurde  in  aufgebauschter  Gestalt  von  Bismarck  in  die  Presse  gebracht. 
Da  geriet  alles,  was  an  unwahrem  Patriotismus  rechts  wie  auch  links  vom 
Rhein  aufgespeichert  war  und  im  Verborgenen  glimmte,  in  eine  Ent- 
zündung, die  die  Wut  zum  Überschäumen  brachte  und  alle  Herzen  sprengte. 
Emile  Ollivier,  dem  wie  mit  einem  Schlage  aller  Sinn  für  die  Wirklichkeit 
verloren  zu  gehen  schien,  gab  in  der  Kammer  die  Erklärung  ab,  daß  'Frank- 
reich einen  herausfordernden  Schimpf  erfahren  hätte  und  den  Krieg  leich- 
ten Herzens  annähme. 

So  erfolgte  am  19.  Juli  die  Kriegserklärung. 

Bismarck  hatte  nun  endlich  dank  der  Ungeschicklichkeit  der  französi- 
schen Regierung  erreicht,  wofür  er  sich  schon  drei  Jahre  lang  sehnlichst 
vorbereitet  hatte:  den  Krieg  mit  Frankreich. 

Sogleich  bewährte  sich  die  Stärke  des  mit  Blitzesschnelle  mobil  ge- 
machten preußischen  Heeres.  In  ihrer  Leistungsfähigkeit  hatten  die 
Chassepotgewehre  Frankreichs  vielleicht  eine  unbedeutende  Überlegenheit 
über  die  Dreysegewehre  Preußens.  Aber  die  Artillerie  umgekehrt  war 
auf  preußischer  Seite  beweghcher,  lenkbarer  und  von  größerer  Schußweite 
als  auf  französischer.  Hier  war  die  Mobilisierung  wirr  und  ungeordnet, 
■die  Truppen,  Lebens-  und  Kriegsbedarfsmittel  irrten  planlos  umher.  Den 
Offizieren,  ja  den  Generalen  fehlte  es  an  Unternehmungslust,  die  festen 
Plätze  waren  schlecht  ausgerüstet,  und  die  Kampfesstellung,  an  die  man 
sich  in  dem  afrikanischen  Kriege  gewöhnt  hatte,  nun  unzweckmäßig  auf 
diesen  übertragen.  Anstatt  sich  zu  sammeln,  hatte  sich  das  Heer  auf  einer 
leicht  zu  durchbrechenden  Linie  von  70  Kilometern  Front  zerstreut. 

Im  Gegensatz  hierzu  war  das  preußische  Heer,  dem  sich  nun  noch 
die  Sachsen,  Bayern  und  Badenser  anschlössen,  sehr  rasch  mobil  geworden. 
Gleich  von  vornherein  ging  es  zum  Angriff  über,  einem  Angriff,  der  alles 
zu  Boden  schmetterte  wie  der  Blitz.  Allerdings  zeigten  die  französischen 
Soldaten,  die  Turkos  bei  Weißenburg,  die  Kürassiere  bei  Reichshof en 
(Wörth),  einen  ihres  alten  militärischen  Rufes  würdigen,  Bewundenmg 
abnötigenden  Mut.  Aber  in  der  Schlacht  bei  Frosch  weil  er  (Reichshof  en) 
wurde  die  von  Mac  Mahon  befehligte  französische  Rheinarmee  vollkommen 
vernichtet  (10.  August  1870).  Am  gleichen  Tage  wurde  Frossard  bei  For- 
bach geschlagen. 

Sobald  diese  Nachrichten  nach  Paris  gelangten,  fiel  das  Ministerium 
Emile  Ollivier,  das  die  Schuld  an  dem  Kriege  und  der  Vernichtung  trug. 
Das  neue  Ministerium  beging  nun  den  Fehler,  für  den  die  ganze  öffentliche 
Meinung  in   Frankreich  mitverantwortlich  war,   als  leitenden   General  der 


Die  Herrschaft  der  Wissenschaft.  ^2.  l 

Rheinarmee  Bazaine  zu  ernennen,   jenen  Bazaine,   der    Frankreich  durch 
Unfähigkeit  fast  ebenso  wie  durch  Verrat  zugrunde  richten  sollte. 

Nach  einigen  unentschiedenen,  wenn  auch  blutigen  Kämpfen  gelang 
es  dem  deutschen  Heere  bei  Gravelotte  (i6.  August)  und  bei  Saint-Privat 
(18.  August)  das  Heer  Bazaines  nach  Metz  zurückzuwerfen.  So  wurde  der 
Weg  nach  Paris  frei.  Und  nun  vollzog  ein  deutsches  Heer  die  Einschlie- 
ßung von  Metz  und  hielt  hier  die  von  Bazaine  dorthin  geführten  Truppen 
in  Schach;  ein  anderes  Heer  von  86000  Mann  marschierte  auf  Paris  zu. 

Das  französische  Heer  hatte  sich  in  geschlossenen  Gliedern  auf  Chalons 
hin  zurückgezogen.  Durch  die  Mobilgarden  und  die  Marineinfanterie  ver- 
stärkt, war  dies  Heer  von  Chalons  120000  Mann  stark.  Es  konnte  sich 
entweder  weiter  in  geschlossenen  Gliedern  nach  Paris  zurückziehen  oder 
auf  die  Vogesen  begeben,  um  dem  Feinde  die  Verbindungen  abzuschneiden. 
Nach  langem  Schwanken,  Befehlen  und  Gegenbefehlen  faßte  der  Kaiser 
einen  dritten  Entschluß,  nämlich  den:  Bazaine  zu  entsetzen,  der  sich  in 
Metz,  ganz  aus  freien  Stücken  eingeschlossen  behauptete. 

Aber  diese  von  Mac  Mahon,  der  das  französische  Heer  befehligte,  schlecht 
ausgeführte  strategische  Bewegung  scheiterte.  Am  i.  September  traten 
sich  die  beiden  feindlichen  Heere  entgegen.  Es  war  die  Schlacht  bei 
Sedan,  einer  der  größten  militärischen  Verluste,  den  die  Geschichte  kennt. 
Von  unzähligen  Truppen,  die  die  französischen  Kräfte  unter  dem  Feuer 
ihrer  gewaltigen  Artillerie  aufrieben,  eingeschlossen,  wurde  das  ganze 
französische  Heer  mitsamt  dem  Kaiser  Napoleon  HI.,  der  es  dorthin  ge- 
führt hatte,  gefangen  genommen. 

Als  diese  Schreckensnachricht  in  Paris  bekannt  wurde,  verschwand  die 
kaiserliche  Regierimg,  ohne  auch  nur  den  geringsten  Widerstand  zu  leisten, 
in  einem  einzigen  Tage.  Innerhalb  weniger  Stunden  war  in  ganz  Frank- 
reich das  Kaiserreich  gefallen  und  unter  dem  Ansturm  des  Feindes  zu- 
sammengebrochen. 

Der  Kaiser  wurde  als  Gefangener  nach  dem  deutschen  Schlosse  Wil- 
helmshöhe gebracht.  Schon  nach  einigen  Monaten  freigelassen,  ging  er 
nach  England,  um  hier  in  Chislehurst  zu  sterben.  Bald  darauf  erlosch  auch 
seine  ganze  unglückliche  Herrscherfamilie  mit  dem  einzigen  Sohne,  der 
im  Alter  von  22  Jahren  im  tapferen  Kampfe  mit  den  Wilden  Südafrikas 
in  den  Reihen  des  englischen  Heeres  fiel. 

Napoleon  I.  und  Napoleon  III.,  so  ungleich  an  Genie,  lassen  sich  nur 
durch  das  Unglück  vergleichen,  das  sie  über  Frankreich  heraufbeschworen 
haben.  Beide  haben  sich  der  Herrschaft  durch  Gewalt  bemächtigt  und  sie 
durch  Despotismus  behauptet;  beide  haben  den  Einbruch  der  Feinde  in 
5  Riebet,  Geschichte  der  Menschheit,  II. 


422  Siebentes  Buch. 


ihr  Land  herbeigeführt  und  dasselbe  zerrüttet,  geschmälert  und  geschwächt 
zurückgelassen.  In  fünfzehn  Jahrhunderten  monarchischer  Regierung  hat 
Paris,  das  Herz  Frankreichs,  niemals  die  Einnahme  durch  Feindeshand 
erlebt.  Die  Napoleons  haben  es  diese  Schande  in  sechzig  Jahren  dreimal 
kennen  gelehrt. 

In  dem  allgemeinen  Wirrwarr,  der  der  Schlacht  bei  Sedan  folgte,  traten 
die  Abgeordneten  aus  eigenem  Antrieb  an  die  Spitze  der  Regierung  (einer 
Regierung  der  nationalen  Verteidigung).  Sie  kamen  überein,  zum  Präsi- 
denten den  damaligen  Kommandanten  von  Paris,  den  tapferen  und  ehren- 
haften, aber  unfähigen  General  Trochu  zu  machen. 

Und  sofort  baten  sie  um  Frieden.  Aber  obgleich  von  den  beiden  allei- 
nigen französischen  Heeren  das  eine  in  Deutschland  gefangen,  das  andere 
in  Metz  eingeschlossen  gehalten  wurde,  wollten  sie  nicht  eine  Schmälerung 
ihres  Gebietes  dulden.  Die  einmütige  Meinung  aller  Franzosen  war  auf 
ihrer  Seite.  Doch  Bismarck  verlangte  gebieterisch  die  Abtretung  des 
Elsaß.  Es  war  eine  unannehmbare  Bedingung,  und  der  Krieg  ging  weiter. 
iWenn  es  für  den  15.  Juli  ohne  Widerspruch  gelten  muß,  daß  Frankreich 
der  Friedensstörer  gewesen  ist,  so  war  es  doch  sicher  jetzt,  wo  Preußen 
jenen  unrechtmäßigen  Anspruch  eines  schnöden  Eroberers  erhob,  dieses, 
das  ihm  nunmehr  die  gehässige  Rolle  abnahm  und  zum  eigentlichen  An- 
greifer wurde.  Von  diesem  Augenblick  an  war  also  die  Gerechtigkeit  auf 
Seiten  Frankreichs,  das  sich  seiner  Landeskinder  annehmen  mußte. 

Ein  deutsches  Heer  bewegte  sich  auf  die  französische  Hauptstadt  Paris 
zu,  die  dann  am  18.  September  eingeschlossen  wurde;  zu  ihrer  Verteidigung 
stand  nur  eine  kleine  ZaJil  zudem  noch  ziemlich  mittelmäßiger  Soldaten 
von  den  regelrechten  Streitkräften  zur  Verfügung. 

So  wurden  die  Nationalgardisten  (die  französischen  Bürgerwehrmänner) 
bewaffnet;  aber  ihre  Vaterlandsliebe  hatte  sich  in  den  Vereinen  geräusch- 
voller gezeigt  als  sie  sich  jetzt,  wo  sie  ins  Feuer  kamen,  als  widerstandsfällig 
bewährte.  Auch  verstand  Trochu  ihre  Kraft  nicht  richtig  auszunutzen  oder 
wollte  es  wenigstens  nicht.  Er  glaubte  nicht  an  den  Sieg,  und  die  erste 
Tugend  eines  Feldherm  ist  gerade  seine  Zuversicht.  Der  so  ausdauernden, 
von  den  deutschen  Truppen  mit  peinlicher  Sorgfalt  und  fast  wissenschaft- 
lich kunstgerecht  ausgeführten  Einschließung  wurde  kein  ernsthafter  Wider- 
stand entgegengesetzt;  der  Pariser  Heeresteil  blieb  untätig  hinter  den  Be- 
festigungswerken liegen. 

Was  Trochu  in  Paris  an  Entmutigung  leistete,  leistete  Bazaine  in  iMetz 
als  Verräter;  er  unterhandelte  heimlich  mit  dem  feindlichen  Heere,  hoffte 
er  doch,  der  Gebieter  des  Friedens,  Regent  oder  Diktator,    ja    vielleicht 


Die  Herrschaft  der  Wissenschaft.  ^23 

Kaiser  zu  werden.  Kurz  und  gut,  er  übte  Verrat.  Er  hatte  ein  wunderbares 
Heer,  das  zu  allen  Heldentaten  fähig  war,  wie  es  bei  Saint-Privat,  Mars-la- 
Tour,  Borny  gezeigt  hatte;  er  suchte  es  nur  ohnmächtig  zu  machen  und 
hielt  es,  vor  Wut  schnaubend,  in  dem  belagerten  Metz  fest.  Am  25.  Oktober 
übergab  er  es,  vorgeblich,  weil  keine  Lebensmittel  mehr  vorhanden  seien, 
dem  Feinde,  dem  er  nicht  sowohl  gute  Bedingungen  für  sein  Vaterland  als 
vielmehr  einen  schnöden  Kaufpreis  für  sich  selbst  abgehandelt  hatte.  Bis- 
marck,  der  ihn  bis  zum  letzten  Tage  durch  Scheinunterhandlungsn  hin- 
gehalten hatte,  erzwang  eine  schimpfliche  Übergabe.  Das  zweite  französische 
Heer  lieferte  seine  Schieß  Vorräte,  Geschütze  und  Fahnen  aus  und  wurde 
gefangen  genommen. 

Nicht  oft  läßt  sich  in  der  Geschichte  eine  solche  Schmach  wiederfinden. 

Übrigens  mußte  Bazaine  schwer  büßen.  Zwar  starb  er  nicht  im  Felde, 
wurde  aber  von  einem  Kriegsgericht  im  Jahre  1872  zum  Tode  verurteilt. 
Doch  man  schenkte  ihm  bald  das  Leben  und  ließ  ihn  sogar  aus  dem 
Gefängnis  entrinnen.  Er  starb  dann  im  Jahre  1875  ^^  Madrid  in  Elend  und 
Schande. 

Hätte  Bazaine  nur  noch  einige  wenige  Tage  seinen  Widerstand  fort- 
gesetzt, so  würde  er  das  Eintreffen  des  unter  den  Oberbefehl  des  Prinzen 
Friedrich  Karl  gestellten  Heeresteile  vor  Orleans  zum  Entsatz  der  von 
d'Aurelles  de  Paladine  bei  Coulmiers  besiegten  Streitkräfte  von  der  Tanns 
hintertrieben  haben. 

Die  Regierung  der  nationalen  Verteidigung  war  ja  inzwischen  nicht  un- 
tätig geblieben.  Eines  ihrer  Mitglieder,  Gambetta,  der  aus  dem  belager- 
ten Paris  im  Luftballon  entkommen  war,  hatte  die  Herrschaft  in  die  Hand 
genonmien.  Dieser  jimge  Verteidiger,  der  schon  lange  wegen  seiner  feurigen 
Beredsamkeit  gefeiert  wurde,  war  in  einer  Person  ein  umsichtiger  Staats- 
mann, ein  Verwaltimgsgenie  ersten  Ranges  und  ein  glühender  Vaterlands- 
freund, Frankreich  hatte  keine  Soldaten  mehr,  und  der  dritte  Teil  des 
Landes  war  vom  Feinde  besetzt.  Da  gelang  es  Gambetta,  neue  Heere  zu 
schaffen  und  auszurüsten  und  ihnen  tatkräftige  Führer  zu  geben. 

Ein  Heer  bildete  sich  an  der  Loire;  dasjenige,  das  den  Sieg  bei  Coul- 
miers erfochten  hatte,  rüstete  sich,  auf  Paris  zu  marschieren,  um  die  Deut- 
schen zur  Aufhebung  der  Belagerung  zu  zwingen.  Aber  die  Truppen,  die 
Paris  belagerten,  verstärkt  von  den  aus  Metz  kommenden,  triumphierten; 
ohne  jede  Mühe  über  die  völlig  unvorbereiteten,  jeder  Mannszucht  ent- 
wöhnten und  von  allen  Mitteln  entblößten  französischen  Soldaten,  die  dem 
durch  seine  Triumphe  so  selbstbewußt  gewordenen  Feinde  keinen  Wider- 
»* 


424  Siebentes  Buch. 


stand  mehr  zu  leisten  vermochten.  Bei  Vendöme,  bei  Le  Mans,  bei  Orleans, 
überall  war  das  preußische  Heer  siegreich. 

Nun  versuchte  es  Gambetta  mit  einem  Seitenangriff.  Es  wurde  wieder 
ein  neuer  Heeresteil  gebildet,  die  sogenannte  Ostarmee,  die  das  deutsche 
Heer  zu  umgehen  und  von  seinem  Vaterlande  abzuschneiden  bestrebt  war: 
die  Ostarmee  war  nicht  glücklicher  als  die  Loirearmee.  Der  Winter  1870 
bis  1871  war  einer  der  strengsten  des  Jahrhunderts.  Bei  Villers-Sexel  und 
bei  H^ricourt  besiegt  und  von  einer  entsetzlichen  Kälte  heimgesucht,  die 
ihre  Reihen  noch  immer  mehr  lichtete,  mußte  sich  die  Ostarmee  in  die 
Schweiz  flüchten,  wo  sie  gezwungen  wurde,  in  das  Innere  des  Landes  zu 
kommen  und  dort  interniert  bis  zum  Ende  des  Krieges  in  unfreiwilliger 
Muße  zurückzubleiben. 

Nach  einigen  vergeblichen  Ausfällen  (2.  Dezember  1870  und  21.  Januar 
1871)  trat  Paris  am  29.  Januar  1871  wegen  Übergabe  in  Unterhandlung. 
Die  Deutschen  hatten  sich  das  eitle  Vergnügen  einer  Beschießung  der 
Stadt  geleistet,  die  aber  weder  viel  Opfer  kostete  noch  viel  Verheerungen 
anrichtete.  Allein  die  Hungersnot  entschied  schließlich  das  Ende  dieser 
langen  Belagerung.  Seit  zwei  Monaten  waren  die  Pariser  nun  schon  auf 
die  schmälste  Kost  gesetzt,  seit  zwei  Monaten  hatten  sie  kaum  noch  etwas 
anderes  als  eine  ungenügende  Menge  wenig  nahrhaften  harten  Schwarz- 
brots. So  furchtbar  auch  die  ausgehungerte  Bevölkerung  litt,  so  unmög- 
lich auch  jeder  weitere  Widerstand  schien,  es  war  gleichwohl  der  tiefste 
Schmerz  und  die  bitterste  Entrüstung,  die  die  Pariser  Bürgerschaft  ergriff, 
als  sie  die  von  ihrem  grausamen  Feinde  auferlegten  Bedingungen  für  einen 
Waffenstillstand  erfuhr. 

Mit  einigen  unbedeutenden  Abweichungen  waren  diese  Bedingungen 
dieselben,  die  nachher  der  Friede  im  April  1871  bestätigte. 

Nach  dem  allgemeinen  Stimmrecht  gewählt,  trat  nun  die  Nationalver- 
sammlung in  Bordeaux  zusammen.  Gleich  in  ihren  ersten  Sitzungen  be- 
schloß sie  die  Abschaffung  des  Kaiserreichs  und  bestimmte  sie  Thiers  zum 
Präsidenten  der  französischen  Republik. 

Es  war  ausgeschlossten,  noch  eine  weitere  Fortsetzung  des  Krieges  zu 
versuchen.  Der  Sieg  Deutschlands  war  ein  vernichtender  und  endgültiger. 
Vierhunderttausend  Franzosen  waren  Gefangene  geworden;  Paris,  Metz, 
Orleans,  Dijon  waren  in  deutschen  Händen.  Die  Franzosen  hatten  sowohl 
keine  Offiziere  wie  auch  keine  Soldaten  mehr;  es  blieb  ihnen  nichts  weiter 
übrig  als  die  drückenden  Bedingungen  des  Siegers  anzunehmen,  so  grausam 
sie  auch  sein  mochten. 

Und   sie   waren   wirklich   grausam.    Frankreich   mußte   fünf   Milliarden 


Die  Herrschaft  der  Wissenschaft.  ^25 

zahlen  und  den  Aufenthalt  der  fremden  Truppen  in  seinem  Lande  solange 
"Hulden,  bis  diese  gewaltige  Summe  aufgebracht  sein  würde.  Es  mußte 
dem  Deutschen  Reiche  das  ganze  Elsaß  und  einen  Teil  von  Lothringen 
überlassen.      ^"^ 

Von  Leopold  von  Hohenzollem  und  seiner  Thronkandidatur  für  Spanien 
war  keine  Rede  mehr.  Die  Veranlassung  des  Krieges  war  vollkommen  ver- 
gessen. Es  handelte  sich  nur  noch  darum,  die  preußischen  Gelüste  zu 
befriedigen. 

Im  Januar  1871  hatte  sich  der  Preußenkönig  Wilhelm  I.  in  Versailles 
zum  Deutschen  Kaiser  krönen  lassen.  Wie  Europa  dereinst  scheinbar 
ebenso  gleichgültig  wie  eingeschüchtert,  doch  in  Wahrheit  vielleicht  mehr 
eingeschüchtert  als  gleichgültig  es  ruhig  hatte  hinnehmen  müssen,  daß 
ganz  Mitteleuropa  dem  Willen  eines  einzigen  Herrschers  gehorchte,  so 
nahm  es  auch  damals,  ohne  auch  nur  ein  Wörtchen  dagegen  zu  sagen, 
mit  voller  Ruhe  die  schwere  Verstümmelung  Frankreichs  hin.  Wie  in  der 
Vergangenheit,  so  ging  auch  diesmal  wieder  Macht  vor  Recht. 

Der  Frankfurter  Friedensvertrag  setzt  auch  noch  im  19.  Jahrhundert 
wieder  einmal  jene  gleiche  völlig  unnatürliche  Härte  zu  Recht  ein,  die 
bereits  die  anderen  Zeitalter  entehrt  hat:  ein  unschuldiges  Volk  wird  mit 
der  Fremdherrschaft  bestraft,  fünfzehnhunderttausend  Menschenkinder  be- 
kommen, ob  sie  wollen  oder  nicht,  ein  neues  Vaterland  aufgezwungen. 
Wären  Bismarck  und  Wilhelm  wahrhaft  einsichtig  und  verständnisvoller 
als  frühere  Eroberer  gewesen,  sie  hätten  begriffen,  daß  sich  Deutschland 
durch  die  Wegnahme  von  Elsaß-Lothringen  einen  unversöhnlichen  Gegner 
schuf.  Frankreich  hätte  den  feindlichen  Einfall,  die  vernichtenden  Nieder- 
lagen, die  Entschädigungskosten  des  Krieges,  kurzum  die  ganze  Ver- 
gangenheit allmählich  vergessen!  Ist  denn  aber  die  Gegenwart,  d.  h. 
der  traurige  Zustand,  daß  es  vergewaltigte  Franzosen  gibt,  etwas,  was  es 
nicht  vergessen  kann?    Hört  denn  diese  Wunde  nie  zu  bluten  auf? 

Aber  dieser  Krieg  hat  auch  die  Einheit  Deutschlands  geschaffen;  und  ! 
das  ist  allerdings  eine  große  und  gerechte  Sache,  1  die  die  Deutschen  seit  | 
langer  Zeit  erträumt  und  ersehnt  hatten  und  die  vielleicht  noch  einmal  ' 
für  die  Entwicklung  der  gesamten  Menschheit  segensreich  werden  kann.  ^ 
Doch  welchen  Nutzen  soll  es  haben,  diesen  so  billigen  Anspruch  auf  ein  1 
geeintes  Vaterland  durch  die  Unterdrückung  eines  anderen  Vaterlandes  j 
zu  entehren? 


426  Siebentes  Buch. 


Bald  kamen  nun  auch  noch  in  Frankreich  zu  den  Schrecken  der  feind- 
lichen Heimsuchung  die  Schrecken  des  Bürgerkrieges.  Das  Pariser  Volk, 
das  sittlich  wie  wirtschaftlich  unter  der  Belagerung  so  sehr  gelitten  hatte, 
hielt  noch  immer  die  ihm  übergebenen  Waffen  in  Händen.  Lange  schon 
stand  es  zur  Erhebung  bereit;  am  18.  März  1871  erhob  es  sich  nun  wirklich. 
Seine  aus  Vaterlandsliebe,  sozialem  Haß  und  Unwissenheit  zusammen- 
gesetzte Erbitterung  wandte  sich  nun  gegen  die  Nationalversammlung, 
die  in  ihrer  Not  den  Frieden  hatte  unterzeichnen  müssen.  Paris  prokla- 
mierte die  Commune  (die  Herrschaft  des  Gemeinderats),  d.  h.  das  Recht, 
sich  nach  eigenen  Gesetzen  zu  regieren  (die  Autonomie).  Die  Stadt  Paris 
beziehungsweise  Pariser  Gemeinde  (Commune)  lebte  so  zwei  Monate  hin- 
durch in  völliger  Abgeschlossenheit  vom  gesamten  übrigen  Frankreich 
und  Verfolgung  einer  ganz  selbständigen  Politik.  Thiers  mußte  seine 
eignen  französischen  Truppen  zwingen,  die  Belagerung  der  französischen 
Hauptstadt  angesichts  der  höhnenden  Geschütze  des  fremden  Feindes 
zu  eröffnen.  Die  Communards  waren  eine  eigenartige  Mischung  von 
Träumern  und  Abenteurern,  anständigen  Menschen  und  Schurken,  die  der 
Alkohol  um  ihren  halben  Verstand  gebracht  hatte;  sie  kämpften  bis- 
weilen mit  einem  ganz  seltenen  Heldenmut,  aber  sie  befleckten  ihren 
Heldenmut  dadurch,  daß  sie  feige  Metzeleien  begingen  und  Paris  in 
Flammen  setzten.  Die  Versailler  Regierimg  vermochte  ihren  Sieg  nicht 
durch  Milde  zu  ehren;  die  mit  den  Waffen  in  der  Hand  ergriffenen 
Aufrührer  wurden  standrechtlich  erschossen.  Man  kennt  die  Anzahl 
dieser  auf  Grund  so  abgekürzten  Verfahrens  erfolgten  Hinrichtungen  nicht 
genau.  Aber  es  war  ein  entsetzliches  Bild  (28.  Mai  1871),  Nach  Beendigung 
dieser  Hinrichtungen  durch  Pulver  und  Blei  wurden  noch  7000  weitere 
Menschen   zur  Zwangsarbeit    in  den  Kolonien  verurteilt. 

Doch  dank  Thiers'  geschickter  Regierung,  der  Vaterlandsliebe  der 
Nationalversammlung  und  der  tatkräftigen  Entschiedenheit  aller  Fran- 
zosen war  es  Frankreich  schon  in  der  kürzesten  Zeit  vergönnt,  seine  ihm 
geschlagenen  Wunden  wieder  vernarben  zu  sehen.  Die  fünf  Milliarden 
wurden  an  Preußen  ausgezahlt  und  das  Land  damit  frei.  Im  Jahre  1875 
wurde  Marschall  Mac  Mahon,  der  Herzog  von  Magenta,  zum  Präsidenten 
der  Republik  ernannt.  In  demselben  Jahre  beschloß  die  Nationalver- 
sammlimg  die  noch  heute  in  Frankreich  herrschende  Staatsform:  eine 
Republik  mit  zwei  durch  das  allgemeine  Wahlrecht  zusammenberufenen 
Kammern,  durch  direktes  für  die  Abgeordnetenwahlen,  durch  indirektes 
für  die  Senatorenwahlen,  und  an  der  Spitze  mit  einem  von  den  beiden 
vereinigten  Kammern,  dem  vom  Jahre  1875  ^^  nach  amerikanischem  Vor- 


Die  Herrschaft  der  Wissenschaft.  427 

bild  als  solchem  bezeichneten  Kongreß,   auf  vier  Jahre  ernannten   Präsi- 
denten. 


Glücklicherweise  besteht  die  Geschichte  der  Menschheit  nicht  bloß  aus 
Kriegen,  Aufständen,  räuberischen  Verträgen,  Staatsstreichen  und  Hin- 
richtungen durch  Pulver  und  Blei.  Von  1848 — 1870  hat  die  Naturwissen- 
schaft ihren  Eroberungszug  immer  weiter  ausgedehnt,  und  die  Industrie, 
die  durch  jene  erst  den  nötigen  Unternehmungsgeist  lernte,  hat  diese  Er- 
oberungen mit  einer  fast  fieberhaften,  durch  einen  erbitterten  Wettbewerb 
noch  mehr  angestachelten  Leidenschaft  auszunutzen  verstanden. 

Mehr  als  je  zuvor  gestaltete  sich  damals  allmählich  die  Naturwissen- 
schaft zu  einer  unpersönlichen  Tätigkeit  solcher,  deren  Namen  aus  der 
Menge  ihrer  vielen  Mitarbeiter  nicht  weiter  hervortreten  konnten.  Überall 
erstanden  Laboratorien  und  Universitäten.  Sobald  nur  eben  ein  neues 
Problem  aufgestellt  worden  war,  nahmen  es  jedesmal  gleich  Hunderte 
von  in  der  ganzen  Welt  zerstreuten  Gelehrten  entschlossen  in  Angriff, 
beleuchteten  und  erforschten  es  nach  allen  Seiten,  zogen  daraus  alle  nur 
denkbaren  Folgerungen  und  veröffentlichten  die  gesamten  Ergebnisse 
ihrer  Untersuchungen,  bedeutender  wie  unbedeutender.  Es  genügt  also 
jetzt  nicht  mehr,  für  die  Darstellung  der  Fortschritte  der  Wissenschaft 
die  einsame  Tätigkeit  eines  Genies  zu  erwähnen,  ist  doch  eine  Legion  von 
Gelehrten  an  der  Arbeit,  imd  gelingt  es  doch  auch  dem  mittelmäßigsten 
unter  ihnen,  wenigstens  einmal  irgendeine  kleine  Entdeckung  zu  machen. 
Mögen  sie  in  ihrer  Vereinzelung  auch  noch  so  geringfügig  sein,  alle  diese 
bescheidenen  Entdeckungen  bilden  in  ihrer  Gesamtheit  ein  erhabenes 
Ganzes,  das  Bewunderung  abnötigt.  Doch  inmitten  dieser  fast  namenlosen 
Menge  wahrt  gleichwohl  das  Genie  seine  Rechte,  und,  was  zu  ahnen 
Tausenden  von  Forschern  nicht  gelingt,  das  gelingt  oft  einem  einzelnen 
Menschen,  der  umsichtiger  tmd  tiefer  als  die  andern  ist,  völlig  auf- 
zuklären 1 

Es  lassen  sich  hier  vier  große  Namen  anführen:  Charles  Darwin,  Claude 
Bernard,    Marcellin-Pierre-Eug^ne   Berthelot,    Hermann   von    Helmholtz. 

In  einem  unvergleichlichen  Buche:  „Der  Ursprung  der  Arten",  das  im 
Jahre  1859  erschien,  hat  Darwin  (1809— 1882)  eine  allgemeine  Lehre  über 
die  Abstammung  der  Wesen  aufgestellt.  Gestützt  auf  genaue  Beobach- 
tungen, die  er  der  Geologie,  der  Botanik,  der  Zoologie  entlehnt  hat,  hat 
er  nachgewiesen,  daß  die  Tier-  oder  Pflanzenarten  nicht  unwiderruflich 
gleichbleibende    sind,  daß    sie    sich    unaufhörlich,  doch    mit  einer    außer- 


428  Siebentes  Buch. 


ordentlichen  Langsamkeit  umgestalten  und  daß  sie  durch  Vererbung 
diese  Veränderungen  fortpflanzen.  So  wandelt  sich  denn  alles  in  der 
Natur  unter  dem  Einfluß  der  örtlichen  Umgebungen,  wie  die  Sache  schon 
Lamarck  angesehen  hatte.  Beständig  gibt  es  zwischen  der^  Einzelwesen 
einen  Streit  auf  Tod  und  Leben,  einen  Kampf  ums  Dasein  (straggle  for 
life).  Die  natürliche  Zuchtwahl  läßt  die  Schwachen  zugrunde  gehen  und 
erlaubt  nur  dem  Starken,  am  Leben  zu  bleiben.  So  stammen  alle  Lebe- 
wesen trotz  der  unendlichen  Mannigfaltigkeiten  ihrer  Gestalten  voneinander 
ab.  Beseitigt  ist  jede  Notwendigkeit  einer  Schöpfungsannahme!  Denn  die 
Umbildungen  einer  Art  nach  Verlauf  vieler  Jahrtausende  sind  ohne  Zweifel 
so  stark  geworden,  daß  Arten  in  die  Erscheinung  treten,  die  neue  Arten 
zu  sein  scheinen  und  doch  nur  die  umgestalteten  ersten  Arten  sind. 

Trotz  aller  der  Einwürfe,  die  man  versucht  hat  der  EntwickeLungs- 
theorie  oder  dem  Darwinismus  zu  machen,  bleiben  die  von  Darwin  auf- 
gestellten Tatsachen  unangreifbar  und  durch  Tausende  von  Beispielen 
bestätigt,  und  seine  Lehren,  wenn  sie  sich  auch  immer  wieder  ein  klein 
wenig  abändern  mögen,  bilden  doch  die  unwiderlegliche  Grundlage  der 
ganzen  Allgemeinen  Zoologie. 

Claude  Bernard  (1813 — 1878)  hat  die  Physiologie  durch  seine  wunder- 
baren Experimente  über  den  Bauchspeicheldrüsensaft,  die  zuckererzeu- 
gende Eigenschaft  der  Leber,  den  Farbstoff  des  Blutes,  die  Vaso- 
motoren, das  Kurare  und  die  glandulären  Nerven  bereichert.  Jedesmal, 
wenn  er  eines  der  vielfachen  und  verwickelten  Probleme  des  Lebens 
studierte,  dachte  er  sich  sofort  fruchtbare  und  entscheidende  Experimente 
aus  und  entdeckte  dabei  neue  Wahrheiten,  die  bisher  unbemerkt  vorüber- 
gegangen waren.  Er  hat  in  einer  nüchternen  und  doch  beredten  Sprache 
die  Gesetze  für  jede  Art  von  physiologischer  Untersuchung  angegeben.  Die 
Allgemeine  Physiologie,  deren  Begründer  Johannes  Müller  gewesen  ist,  ist 
von  Claude  Bernard  in  ihrer  strengen  Methode,  die  der  Determinismus  der 
experi mentalen  Bedingungen  ist,  präzisiert  worden.  Claude  Bernard  hat 
gezeigt,  daß  das  eindringliche  Studium  der  Gifte  uns  eine  Kenntnis  der 
Fimktionen  der  Organe  vermittelt,  und  daß  die  Gesetze  der  Medizin 
dieselben  wie  die  der  Physiologie  sind.  Mit  Claude  Bernard  hörten  die 
Ärzte  ein  für  allemal  auf  Empiriker  zu  sein,  um  sich  den  Natur- 
forschem zu  nähern,  und  damit  bereitete  er  das  Auftreten  von  Pasteur  vor. 

Berthelot  (1827— 1903)  erneuerte  die  Chemie  durch  die  Synthese  (1865). 
Es  gelang  ihm,  von  den  einfachen  Körpern  ausgehend,  zusammengesetzte 
organische  Verbindungen  zu  bilden,  und  so  zerstörte  er  jene  Lehre  end- 
gültig,   die,    nachdem  Wöhler    sogar    die  Synthese    des   Harnstoffes    ge- 


Die  Herrschaft  der  Wissenschaft.  4^9 

lungen  wai*,  gleichwohl  noch  immer  herrschte,  und  nach  der  es  eine 
unüberbrückbare  Kluft  zwischen  Organischer  und  Anorganischer  Chemie 
gibt  (1855).  Einige  Jahre  später  (1865)  stellte  er  die  Voraussetzungen  der 
noch  von  Lavoisier  etwas  oberflächlich  behandelten  Thermochemie  auf  die 
unerschütterliche  Grundlage  genauer  Messungen  und  zeigte  mit  ein- 
dringendem Verständnis  für  den  inneren  Zusammenhang  der  die  Körper 
beherrschenden  Gesetze,  daß  die  Anziehung  der  Stoffe  ihren  Grund 
hat  in  dem  Maximum  von  Wärme,  das  sie,  wenn  sie  aufeinander  wirken, 
zu  entwickeln  fähig  sind. 

Obwohl  Berthelot  bis  an  sein  Lebensende  seine  beharrliche  und  frucht- 
bare Arbeit  fortgesetzt  hat,  so  sind  es  doch  namentlich  die  Jahre  1855  bis 
1869,  in  denen  er  der  Bahnbrecher  gewesen  ist:  ein  genialer  und  tiefer 
Geist,  der  mehr  als  jeder  andere  die  überragende  Rolle  der  Natur- 
wissenschaft in  der  von  ihr  mit  Notwendigkeit  zu  beherrschenden  mo- 
dernen Welt  erkannt  hat. 

Helmholtz  (1821 — 1894),  dessen  Genie  alles  aufklärt,  worauf  er  stößt, 
macht  grundlegende  Entdeckungen  auf  physiologischem  Gebiet  (Ge- 
schwindigkeit der  Reizungsübertragung  auf  dem  Gebiet  der  Nerven- Muskel- 
bewegungslehre [Myographie]).  Er  stellt  die  Grundsätze  der  Energielehre 
in  mathematischen  Formeln  auf,  was  schon  allein  völlig  ausgereicht  hätte, 
seinen  Namen  unsterblich  zu  machen.  Überdies  legt  er  noch  die  Gesetze  der 
Akustik  in  allen  Einzelheiten  dar  (1862)  mit  dem  Hinweise,  daß  jedes 
Klangbild  aus  einem  Grundtone  besteht  und  außerdem  noch  aus  mit- 
klingenden Tönen,  die    ihm  seine  besondere  Klangfarbe  geben. 

Weitere  glänzende  Entdeckungen  wurden  auf  allen  Gebieten  der  Natur- 
wissenschaften gemacht,  der  Physik,  Chemie,  Zoologie. 

Gustav  Kirchhoff  (1824— 1887)  und  Johannes  von  Bunsen  (181 1 — 1900) 
wiesen  nach,  daß  jedes  Teilchen  eines  bis  zum  Weißglühen  gebrachten 
Metalles  in  einer  Flamme  ihm  eigentümliche  Lichtstreifen  aussendet;  das 
war  das  Prinzip  der  Spektralanalyse,  die  die  Entdeckung  einer  großen 
Zahl  neuer  Körper  mit  sich  geführt  hat  und  die  in  einer  wunderbaren 
Technik  besteht,  die  uns  ermöglicht,  die  chemische  Zusammensetzung 
der  Fixsterne  kennen  zu  lernen,  jener  Sonnen,  die  von  unserm  dunkelen 
Planeten  mehr  als  tausend  Millionen  Milliarden  Kilometer  entfernt  sind. 
Das  Licht  dieser  Himmelsgestime  enthüllt  uns  durch  sein  Spektrum 
(Farbenbild)  die  Natur  der  jenes  Licht  erzeugenden  Elemente. 

William  Thomson  (Lord  Kelvin)  ersann  die  Theorien  und  konstruierte 
die  Apparate,  die  uns  heute  die  unterseeische  Telegraphie  ermöglichen 
(1866).    Jetzt  vereinigt  ein  telegraphisches  Kabelnetz  die  Erdteile,  die  die 


430  Siebentes  Buch. 


weiten  Meere  trennen.  Durch  die  Kraft  seines  Geistes  hat  es  der  Mensch 
verstanden,  sich  in  unmittelbare  Verbindung  mit  allen  seinen  Mit- 
menschen, seinen  Brüdern,  zu  setzen;  trotz  der  Entfernung  und  der 
dazwischen  liegenden  Ozeane  ist  die  Menschheit  zu  einem  unermeßlichen 
einheitlichen  Organismus  geworden,  dessen  sämtliche  Teile,  durch  Ge- 
danken übertragende  Drähte  in  ständiger  Verbindung,  gegenseitig  ver- 
pflichtet und  verantwortlich  sind;  die  Telegraphie  ist  das  Nervensystem 
der  Menschenwelt.        9^jct-**6tl^  '^* 

Die  Chemie  wurde  nicht  etwa  einzig  und  allein  von  Berthelot  erneuert; 
der  Slraßburger  Karl  Adolf  Wurtz  (i 8 17— 1884),  der  seine  Studien  in 
Deutschland  bei  Liebig  u.  a.  gemacht  hatte,  entdeckte  in  Pariser  Labora- 
torien die  zusammengesetzten  Ammoniake,  die  zweiatomigen  Alkoholien 
imd  gab  der  Atomentheorie  erst  ihren  ganzen  Umfang,  Henri-Etienne 
Sainte-Claire-Deville  (18 18 — 1881)  formulierte  die  fruchtbare  Theorie  über 
die  Dissoziation  und  gab  die  verschiedenen  Arten  des  Verfahrens  für  eine 
Herstellung  von  Aluminium  zu  gewerblichen  Zwecken,  Der  Berliner 
August  Wilhelm  von  Hof  mann  (181 8 — 1892)  fand  im  Anilin  und  seinen 
Derivaten  Farbstoffe,  die  die  ganze  Farbenindustrie  von  Grund  aus 
umgestalteten.  Aus  jenen  Tagen  stammen  die  Spottpreise,  zu  denen  noch 
heute  die  reichsten  und  blendendsten  Farben  erhältlich  sind. 

In  der  Zoologie  wurde  dank  den  wissenschaftlichen  Entdeckungsfahrten 
des  englischen  Schiffes  Challenger  und  der  französischen  Talisman  und 
Hirondelle  eine  ganz  neue  Welt  eröffnet.  Die  Gelehrten  glaubten  bis 
dahin,  daß  die  Meerestiefen  bis  zu  4000,  5000,  8000  Meter  Tiefe  jedes 
Lebewesens  entbehrten,  weil  doch  dorthin  kein  Licht  dringen  könne. 
Aber  als  man  besondere  Apparate,  Fanggame,  Beutelnetze  und  Reusen 
zur  Verwendung  brachte,  die  für  die  Erforschung  der  unermeßlichen 
Tiefen  des  Meeres  stark  genug  sein  mußten,  erkannte  man,  daß  die 
Meere  in  ihren  untersten  Gründen  keine  Einöden  seien,  sondern  man 
daraus  eine  Unmasse  von  lebenden  Wesen  herausziehen  könne  (Krusten- 
tiere, Cölenteraten  [Hohltiere],  Mollusken,  Fische),  die  dem  anhaltendsten 
und  gewaltigsten  Drucke  standhielten  und  die  Meerestiefen  bevölkerten. 


So  ging  die  Naturforschung,  ohne  sich  um  die  politischen  oder  auch  die 
nationalen  Eifersüchteleien  zu  kümmern,  plaimiäßig  ihrer  Arbeit  nach. 
Durch  die  Fruchtbarkeit  ihrer  Entdeckungen,  durch  die  Großartigkeit 
ihrer  Hypothesen,  durch  die  Bedeutung  ihrer  Anwendungsmöglichkeiten 
nahm  sie  ihren  Weg  durch  die  gebildete  Welt.    Das  Genie  der  Gelehrten 


Die  Herrschaft  der  Wissenschaft.  43 1 

wurde  damals  das  Licht,  das  den  Menschen  voranleuchtete;  aber  in  ihrer 
Verblendung  leisten  nun  die  Menschen  ihrer  Wohltäterin,  der  Wissen- 
schaft, nicht  den  ihr  von  ihnen  geschuldeten  Anteil.  Milliarden  werden 
für  die  Vorbereitung  zum  Kriege  verausgabt,  aber  nur  dürftige  Mittel 
den  Forschungen  der  Wissenschaft  bewilligt.  Ein  seltsamer  und  beklagens- 
werter Widerspruch!  Die  Werke  des  Todes  verschlingen  alles,  und  es 
bleibt  nichts  für  die  Werke  des  Lebens.  Grausame  Unvernunft,  die  seit 
1870  bis  heute  nur  noch  mehr  die  öffentliche  Meinung  beherrscht  als  jemals 
zuvor ! 

* 

Kunst  und  Literatur  waren  weit  davon  entfernt,  in  demselben  Glänze 
zu  strahlen  wie  die  exakten  Wissenschaften. 

In  der  Literatur  ist  noch  immer,  wie  er  es  stets  sein  wird,  der  große 
Name  Victor  Hugo;  sein  Schaffen,  das  das  ganze  19.  Jahrhundert  über- 
strahlt, ist  noch  ebenso  sieghaft  in  den  Jahren  1848 — 1871  wie  in  denen  von 
1820  bis  1848.  Zwar  hat  er  dem  Theater  den  Rücken  gekehrt;  aber  niemals 
ist  seine  Dichtung  wirksamer  und  beredter  gewesen  als  in  den  Züchtigungen 
(Chätiments)  und  in  der  Legende  der  Jahrhunderte  {Legende  des  Siecles).  , 
Dieser  lyrische  Dichter,  der  nicht  nur  unter  den  lyrischen  Dichtern 
Frankreichs,  sondern  denen  aller  Literaturen  die  erste  Stelle  einnimmt, 
gehört  auch  zu  den  ersten  französischen  Prosaikern.  Die  Elenden  und 
Unglücklichen  (Les  Miserables  1862J  sind  ein  von  einer  edlen  Eingebung 
für  die  leidende  Menschheit  durchwehtes  erhabenes  Epos,  ein  Werk  der 
Schönheit  wie  des  Mitgefühls. 

Victor  Hugo  steht  nun  bereits  allein,  wenigstens  nahezu;  er  hat  nicht 
mehr,  wie  im  Jahre  1830,  eine  Plejade  von  auserwählten  Dichtern  um 
sich.  Die  großen  französischen  Schriftsteller  der  Zeit  sind  Kritiker  und 
Philosophen:  Renan  und  Taine.  Doch  trotz  ihres  bezaubernden  Stils, 
trotz  ihrer  feinen  psychologischen  Zergliederimg  scheinen  sie  eher  einem 
Zeitalter  des  Verfalls  als  einer  kraftvollen  und  ursprünglichen  literarischen  .. 
Epoche  anzugehören.   ._, 

Dasselbe  trifft  wohl  auch  auf  die  hervorragenden  Romanschriftsteller 
der  Zeit  zu,  wie  Octave  Feuillet  (1820— 1890)  und  Gustave  Flaubert 
(1821— 1880). 

Dank  den  Talenten  eines  Emile  Augier  (1820 — 1889),  Jules  Sandeau  (181 1 
bis  1883),  Eugene  Labiche  (18 15— 1888),  Alexandre  Dumas  Sohn  (1824  bis 
1895)  und  Victorien  Sardou  (1831 — 1891)  beherrscht  die  Bühnendichttmg 
der  französischen  Schriftsteller  das  ganze  europäische  Theater;  aber  man 


432  Siebentes  Buch. 


kann  nicht  gerade  behaupten,  d!aß  diese  erfinderischen,  geistreichen  und 
geschickten    Dramatiker    dauernde   oder    neue   Werke   geschaffen   haben. 

Im  Gegensatz  hierzu  tritt  in  den  nordischen  Ländern  eine  eigenartige, 
selbständige  und  ursprüngliche  Literatur  in  die  Erscheinung,  die  durch 
eine  seltene  Mischung  von  Mystik  und  Realismtus  bisher  unbekannte  und 
ganz  neue  Gestalten  erfindet.  Henrik  Ibsen  (1828— 1906),  ein  Norweger, 
schreibt  Dramen  von  beißender  Schärfe,  tiefem  Ernste  und  nur  zu  oft 
dunkler  Sinnbildlichkeit,  die  ihn  aber  gleichwohl  in  die  erste  Reihe  der 
Dramatiker  setzen. 

Besonders  in  Rußland  bricht  eine  große  Zeit  für  die  Literatur  an  mit 
Iwan  Turgenjew  (1818— 1883),  Feodor  Dostojewskij  (1821— i88j;0  und  Lew 
(Leo)  Tolstoij  (1828 — 1910).  Turgenjew  ist  ein  zartfühlender  Dichter  und  ein 
vorsichtig  abwägender  Psychologe,  aber  er  hat  nicht  wie  Dostojewski} 
eine  wilde  und  düstere  Einbildungskraft,  die  sich  durch  die  Zergliederung 
der  menschlichen  Gefühle  bis  zur  Raserei  treiben  läßt.  Der  größte 
unter  allen  ist  und  bleibt  Tolstoij;  im  Jahre  1870  hat  er  schon  Anna 
Karenina  geschrieben  und  ist  bereits  ein  gefeierter  Romanschriftsteller; 
aber  noch  hat  er  nicht  die  Werke  geschaffen,  die  seinen  Namen  un- 
sterblich machen  sollen,  und  noch  hat  auch  nicht  der  Apostel  aus  ihm 
gesprochen. 

In  der  Kunst  ist  ein  Name  besonders  zu  nennen,  der  große  Richard 
Wagner  (1813— 1883).  Die  erhabensten  Künstler  im  19.  Jahrhundert  sind 
vor  allem  Musiker.  Weder  Malerei  noch  Bildhauerei  noch  Baukunst 
haben  in  dieser  Zeit  eine  solche  Erneuerung  und  Umgestaltung  er- 
fahren wie  die  Kunst  der  Töne. 

Nach  der  bezaubernden  und  gefühlvollen  Kunst  eines  Mozart  und 
Beethoven  schien  die  Musik  keines  Fortschrittes  mehr  fähig.  Aber  Wagner 
verlieh  ihr  eine  bis  dahin  unbekannte  Macht  durch  eine  innige  Ver- 
bindung von  Drama  mit  Symphonie.  Die  Oper  zog  sich  trotz  der  so  be- 
deutenden, wirkungsvollen  wie  auch  sinnreichen  Werke  eines  Rossini, 
Meyerbeer,  Verdi,  Gounod  mit  nichtssagenden  Redensarten  und  Wieder- 
holungen, die  eine  tiefergehende  Bewegung  nicht  recht  aufkommen 
ließen,  endlos  in  die  Länge.  Wagner  hat  der  Oper  eine  neue  Auf- 
fassung gegeben  und  in  den  Tönen  eine  leidenschaftliche,  bilderreiche 
und  kräftige  Sprache  entdeckt,  die  sich  den  Entwickelungen  und  den 
Bewegungen  der  dramatischen  Handlung  anpaßt.  Sein  erstes  großes 
Werk  gibt  er  im  Jahre  1842  heraus.  Es  ist  Rienzi.  Sein  Genie  offen- 
bart sich  bereits  im  Tannhäuser  (1845).  Aber  erst  viel  später  bringt  er 
Trhtan  und  Isolde,  Parsifal    und    seine    gewaltige  Tetralogie:    Der  Ring 


Die  Herrschaft  der  Wissenschaft.  ^33 

des  Nibelungen :  Rheingold-;  die  Walküre,  Götterdämmerung  und  Siegfried 
auf  die  Bühne,  lauter  Werke,  die  ebenso  von  Begeisterung  wie  .Wissen 
zeugen  und  eine  wahrhaft  religiöse  Schwärmerei  hervorrufen.  Wagner, 
lange  verkannt  und  unbekannt,  geächtet  in  Not  und  Elend,  um  später  durch 
einen  wunderbaren  Schicksalswechsel  wie  ein  Halbgott  behandelt  zu  wer- 
den, wird  für  alle  Zeiten  das  erschütternde  Beispiel  für  menschlichen  Wan- 
kelmut sein. 

Der  Kunst  gegenüber  sind  die  Schwankungen  in  dem  Beifall  des  Publi- 
kums besonders  plötzliche,  willkürliche  und  aller  Voraussicht  hohnspre- 
chende. In  demselben  Augenblicke,  wo  Wagner  in  Paris  ausgezischt  und 
ausgepfiffen  wurde,  stellten  die  Maler,  die  sich  Impressionisten  nannten, 
in  der  Sezession  (oder  dem  Salon  der  Zurückgewiesenen)  seltsame  Werke 
von  einer  herausfordernden  und  schreienden  Farbenzusammenstellung  aus, 
die  ein  Entsetzen  erwecken  sollte,  das  sich  bald  in  höhnenden  Spott  auf- 
lösen mußte!  Und  wie  ist  es  heute?  Wagner  ist  der  unbestrittene,  fast 
alleinige  Meister  der  Musik,  und  die  impressionistischen  Maler  trium- 
phieren ! 

Nichts  ist   beständiger  als  der  Wechsel;    die  chinesischen  und  japani- 
schen Nippsachen,    Vasen,    Fächer,   Wand-  und  Sonnenschirme,    alle  diese 
nichtigen  und  seltsamen  Dinge,  die  das  Abendland  einst  herabsetzend  als 
Schund-  und  Plunder  waren  verhöhnte,  werden  jetzt  wie  echte  Kunstwerke 
angesehen.    Das  hängt  damit  zusammen,  daß  auch  der  Begriff  der  Schön- 
heit  in    ständigem   Wandel   und    ständiger    Entwickelung   ist;    jedes    Ge- 
schlecht hat  seine  persönliche  Ästhetik,  und  so  stellt  sich  die  Entwickelung 
stets  als  ein  Fortschritt  dar;  ja  sie  ist  wohl  auch  wirklich  ein  Fortschritt; 
denn  nichts  wäre  trauriger  als  ein  Stehenbleiben  der  Vorstellungen  und 
Begriffe.    Man  kann  die  künstlerische  Schönheit  nicht  in  die  Grenzen  einer 
einfachen  Formel  bannen,  wenn  diese  auch  noch  so  umfassend  wäre,  und  es 
hieße  schlechthin  an  aller  Zukunft  verzweifeln,  wenn  es  den  Musikern  ver- 
sagt sein  sollte,  weiter  als  Mozart  gehen,  imd  den  Malern,   es  irgendwie 
anders  als  Raffael  und  Rembrandt  machen  zu  dürfen.   Aber  wenn  die  Mo-  / 
dernen  es  anders  gemacht  haben,  läßt  sich  offen  gestanden  nicht  gerade] 
sagen,   daß   sie  es  besser  gemacht  haben,  und  es  ist  einfach  immöglich, ! 
von  Rembrandt  zu  Manet,  von  Sophokles  zu  Ibsen,  von  Mozart  zu  Wagner,, 
von  Phidias  zu  Rodin  einen  Fortschritt  zu  behaupten.  ' 

Die  Wissenschaft  entwickelt  sich  ja  auch,  aber  zwischen  den  Dingen 
der  Kunst  und  denen  der  Wissenschaft  ist  doch  ein  wesentlicher  Unter- 
schied. Die  Wissenschaft  versucht  stets  von  neuem,  der  Wahrheit,  die 
etwas  Absolutes  ist,  ein  Stück  näher  zu  kommen;    in  der  Kunst  indessen 


434  Siebentes  Buch. 


gi?il  es,  von  einigen  technischen  Vorschriften  abgesehen,  kaum  einen  Fort- 
schritt, da  das,  was  man  sich  unter  S(±^öjn±Leit,_YQj:5telh,  ja  stets  mit  den 
Sitten  und  Zeitaltern  wechseh. 

V.  Von  1870  bis  1914. 

Den  Schreckensereignissen  der  Jahre  1870  und  1871  folgte  in  der  aus- 
wärtigen Politik  der  europäischen  Völker  eine  Zeit  der  Ruhe,  der  Er- 
holung und  der  Sammlung.  Nicht  etwa,  als  ob  alle  Kriegsbesorgnisse  wie 
mit  einem  Schlage  weggepustet  gewesen  wären!  Nichts  weniger  als  das. 
Die  Heere  werden  immer  stärker;  überall  wird  die  allgemeine  Dienstpflicht 
eingeführt,  sogar  bei  den  Völkern,  die,  wie  es  wenigstens  scheint,  sich  vor 
Iceinem  Krieg  zu  fürchten  oder  dafür  zu  rüsten  brauchen ;  so  nehmen  nun  auch 
Länder,  wie  Belgien,  die  Schweiz,  tHollajid  und  Schweden  die  schwere  Bürde 
gewaltiger  Rüstungen  auf  sich,  ganz  ebenso  wie  die  großen  Mächte  Deutsch- 
land, Rußland  und  Frankreich!  In  keinem  Lande  zögern  die  Parlamente, 
die  schwersten  Opfer  zu  bringen,  um  ein  wohlausgerüstetes  und  wohlgeübtes 
starkes  Heer  zu  haben.  Festungen  werden  gebaut,  Gewehre  vervoll- 
kommnet, alle  verfügbaren  Leute  eingezogen.  Zum  Glück  haben  es  sich 
bei  den  sich  immer  höher  steigernden  Leistungen  der  Waffentechnik  und 
der  immer  mehr  auswachsenden  Stärke  der  Wehrmacht  in  den  verschie- 
denen Ländern  Völker  und  Regierungen  bisher  mit  Recht  überlegt,  einen 
europäischen  Krieg  auf  sich  zu  nehmen  und  zu  entfesseln,  der  so  vernichtend 
und  so  mörderisch  wirken  würde,  daß  alle  Kriege  der  Vergangenheit 
im  Vergleich  mit  diesem  nur  reine  Kinderspiele  wären. 

Die  Tätigkeit  der  europäischen  Völker  wandte  sich  nun  wieder  der 
Eroberung  Afrikas   und  auch  teilweise  Asiens  zu. 

Im  Jahre  1871  war  das  Innere  Afrikas  noch  so  gut  wie  unbekannt; 
Algerien  war  allerdings  damals  bereits  französisch,  aber  von  der  kaum 
bevölkerten,  ja  kaum  vollständig  erforschten  endlosen  Wüste  der  Sahara 
wußte  man  noch  rein  gar  nichts.  Die  ganze  Mittelmeerküste,  abgesehen  von 
Algerien,  war  dem  Islam  Untertan;  Marokko,  Tunis,  Tripolis,  Ägypten 
hingen  in  einem  unklaren  Botmäßigkeitsverhältnis  vom  Sultan  ab;  an  der 
Westküste  des  Atlantischen  Ozeans  von  Marokko  bis  zum  Kap  hatten  die 
Europäer  Ansiedelungen  angelegt,  die  noch  recht  unvollkommen  waren 
und  ins  Innere  überhaupt  nicht  hineinreichten.  Spanier  im  südlichen 
Marokko,  Franzosen  im  Senegal,  Engländer  am  Niger,  Franzosen  in 
Gabun,  Portugiesen  in  Loanda,  dann  ganz  im  Süden  an  der  iäußersten 
Spitze  des  afrikanischen  Festlandes  die  englische  Kapkolonie.  Die  Ostküste 
aufwärts   wohnte   nördlich   vom   Kap,   in   Berührung   einerseits  im   Süden 


Die  Herrschaft  der  Wissenschaft.  43^ 

mit  den  Engländern,  andererseits  im  Norden  mit  den  Zulus  und  'Hotten- 
totten, eine  holländische  Bevölkerung  (Oranjefreistaat  und  Transvaal). 
Fuhr  man  die  Ostküste  immer  weiter  hinauf,  so  fand  man  an  den  Mündungs- 
armen  des  Sambesi  in  Mozambique  die  Portugiesen.  Südlich  von  Ägypten 
am  Roten  Meere  lag  das  Königreich  Äthiopien  oder  Abessinien,  das  unter 
der  Regierung  eines  nur  halb  zivilisierten  barbarischen  Herrschers  ebenso 
unabhängig  war  wie  damals  noch  die  Inseln  Madagaskar  und  Sansibar. 

Diese  englischen,  spanischen  und  französischen  Besitzungen  waren,  abge- 
sehen von  Algerien  und  dem  Kapland,  im  Grunde  kaum  etwas  anderes 
als  bloße  Handelsniederlassungen  an  den  Mündungsbecken  großer  Strome, 
wie  des  Niger,  Gabun,  Kongo  und  Sambesi.  Man  wagte  sich  nicht  in  die 
ungesunden  Sumpfgebiete,  die  dürren  Wüsten  oder  die  unheimlichen 
Wälder,  in  die  man  geriet,  sobald  man  sich  nur  wenige  Kilometer  von  der 
Küste  entfernte. 

Gleichwohl  hatten  kühne  Forscher  Afrika  von  Ort  zu  Ort  durchwandert. 
Den  Pfeilen  der  Eingeborenen  wie  den  Krankheiten  einer  völlig  unbe- 
kannten und  ganz  furchtbaren  Art  Trotz  bietend,  waren  sie  dem  Laufe  des 
Kongo  und  des  Sambesi  gefolgt,  um  nunmehr  die  Quellen  des  Nils  zu 
entdecken.  Livingstone  hatte  das  fruchtbare  und  bevölkerte  Gebiet  der 
Großen  Seen  erforscht  (1868).  Stanley  hatte  auf  der  Suche  nach  Living- 
stone  (1871)   den  gesamten   Kongo   kennen  gelernt. 

Das  so  unermeßliche  und  noch  so  unerforschte  Afrika  war  von  Ange- 
hörigen der  mannigfaltigsten  schwarzen  Stämme  bevölkert,  die  auf  einer 
wahrscheinlich  zwar  sehr  verschiedenen,  aber  jedenfalls  immer  nur  mäßigen 
geistigen  Höhe  standen,  so  daß  sie  in  sich  selbst  nicht  die  Fähigkeit 
fanden,  auch  nur  die  notdürftigste  Anfangsstufe  einer  Zivilisation  zu 
erreichen.  Im  Senegal,  im  ägyptischen  Sudan  und  in  Sansibar  waren 
sie  von  arabischen  Eroberern  mehr  oder  weniger  zum  Islam  bekehrt 
worden,  d.  h.  nicht  etwa  zum  Islam  in  seiner  höchsten  Entwicklung, 
sondern  zu  einem  kindlichen  und  einfachen  Islam,  wie  sie  ihn  allein  zu 
verstehen  imstande  waren.  Überall  woanders  waren  sie  noch  Fetischanbeter 
oder    überhaupt    ohne    jede    Religion. 

Der  hauptsächlichste  Handel,  von  dem  diese  schwarze  Bevölkerung 
lebte,  war  der  mit  sich  selbst.  Die  Sklavenausfuhr  war  das  einzige,  was 
damals   irgendwelchen    Gewinn   brachte. 

Bis  zum  Sezessionskriege  wurden  ja  auch  noch  nach  Amerika  Schwarze 
eingeführt  und  zum  Verkauf  angeboten,  aber  schon  seit  1863  gab  es  hier 
keinen  Negerhandel  mehr,  der  sich  nun  nur  noch  auf  Ägypten  und  die 


436  Siebentes  Buch. 


Türkei  beschränkte,  deren  reiche  Paschas  noch  immer  die  Käufer  solcher 
Ware   waren. 

Bald  jedoch  sollten  die  Dinge  einen  völligen  Umschwung  erfahren; 
er  vollzog  sich  in  der  verhältnismäßig  kurzen  Spanne  von  1870 — 1912. 
Im  Verlaufe  dieser  vier  Jahrzehnte  haben  die  schwarzen  Stämme  Afrikas 
allmählich  jene  Unabhängigkeit  eingebüßt,  mit  der  sie  einen  so  elenden 
Mißbrauch  trieben,  Ihre  Länder  sind  mittlerweile  europäische  'Besitzungen 
geworden.  Europa  (England,  Frankreich,  Belgien,  Italien,  Deutschland) 
hat  ^ch  Afrika  zum  größten  Segen  der  Afrikaner  selbst  angeeignet.  Bei 
dieser  Eroberung  sind  ja  zwar  Räubereien,  Plünderungen  und  Grausam- 
keiten ebensowenig,  wie  bei  irgendeinem  Kriege,  ausgeblieben,  aber  das 
bisherige  Los  der  Eingeborenen,  die  immer  nur  den  ihnen  vorbehaltenen 
Plagen  von  seiten  der  Natur  wie  von  seiten  der  Menschen  (Krieg  und 
Sklavenhandel)  zum  Opfer  gefallen  waren,  war  ein  so  schändliches  gewesen, 
daß  Europa  damit,  daß  es  ihr  Beherrscher,  zugleich  auch  ihr  Wohltäter 
/  geworden  ist.  Gleichwohl  ist  unsere  europäische  Welt  nicht  etwa  aus 
1'  irgendwelcher  Menschlichkeit,  sondern  aus  reiner  Habgier  in  den  schwarzen 
I    Erdteil  eingedrungen,  und  es  wäre  ein  bitteres  Unrecht,  ihr  übermäßige 

Menschenliebe  zum  Vorwurf  zu  machen*. 
'  Als  Stanley  nach  seiner  Heimkehr  aus  dem  Gebiete  des  Kongo  meldete, 
daß  dieser  Riesenfluß  sehr  reiche  Gegenden  durchströmte,  war  König 
Leopold  II.  von  Belgien  nahezu  der  einzige,  der  die  Folgen  dieser  unvorher- 
gesehenen Entdeckung  richtig  zu  würdigen  verstand.  Er  hatte  damals 
gerade  den  Internationalen  Afrikaverein  (Association  Internationale  Afri- 
caine)  gegründet  (1876);  aber  damit  noch  nicht  genug,  rief  er  auch  noch 
eine  private  Ausbeutungsgesellschaft  unter  der  Bezeichnung  Komitee  zur 
Erforschung  des  oberen  Kongogebietes  (Comite  d'Etudes  du  Haut-Congo) 
ins  Leben  (1878).  Dann  richtete  eine  Unternehmung,  deren  Interessen 
gleichzeitig  wissenschaftlicher,  handeis-  und  staatspolitischer  Natur  waren, 
verschiedene  Militärstationen  an  dem  Strome  ein  und  nahm  bald  durch 
Waffen,  bald  durch  Verträge  ein  weites  Gebiet  in  Besitz,  das  von 
schwarzen  Stämmen  bewohnt  war.  Das  war  der  Ursprung  des  sogenannten 
freien  Kongostaates. 

*  Den  gleichen  Gedankengang  behandelt  in  demselben  Zusammenhang  der 
bekannte  Kolonialpolitiker  und  Pazifist  Hans  Paasche  in  einem  Kapitel  seines 
Buches  „Hochzeitsreise  nach  den  Quellen  des  Nils"  (191 2 j,  betitelt  „Vom  ster- 
benden Afrika",  Else  Maria  Bud  in  ihrer  satirischen  Skizze  „Mwanga"  in  einem 
Feuilleton  des  Berliner  Tageblatts  aus  dem  Jahre  1916  und  vor  allem  Charles 
Riebet  selbst  in  poetischer  Form  in  seiner  Fabel  „Der  Menschenfresser",  vgl. 
hier  S.   45'.  Anm. 


Die  Herrschaft  der  Wissenschaft.  437 

Um  dieselbe  Zeit  fuhr  ein  befähigter  und  heldenmütiger  Italiener, 
Graf  Pietro  Savorgnan  di  Brarza,  der  als  Offizier  in  französische  Dienste 
getreten  war,  die  beiden  Ströme  Ogowe  und  Ubangi  hinauf  und  machte 
sich,  ohne  auch  nur  einen  einzigen  Schuß  abgeben  zu  brauchen,  mit  nicht 
mehr  als  sechzig  französischen  Soldaten  zum  Herrn  eines  weiten  Gebiets, 
aus  dem  sich  das  nachherige  französische  Kongoland  entwickelte  (1878 
bis  1883). 

Deutschland,  dessen  Bevölkerung  ein  unglaubliches  Wachstum  aufwies, 
sehnte  sich  nun  auch  nach  Kolonien.  Es  bildete  sich  unter  Karl  Peters 
(t  191 8)  eine  sehr  stürmische  Kolonialpartei,  die  in  den  deutschen  Zeitungen 
"einen  Teil  des  afrikanischen  Erdteils  für  ihr  Vaterland  verlangte.  Eine 
allseitige  Begehrlichkeit  war  erwacht.  Wenn  Bismarck  auch  bald  aufgeben 
mußte,  alle  jene  Kolonialschwärmer  ganz  zu  befriedigen,  so  wollte  er  ihnen 
doch  wenigstens  ein  gewisses  Entgegenkommen  zeigen,  und  so  berief  er 
einen  Kongreß  nach  Berlin  (1885).  Die  Aufgabe  dieses  Kongresses  war  die 
Regelung  aller  streitigen  Gebietsfragen  oder,  mit  anderen  Worten,  die 
Aufteilung  des  ganzen  Erdteils. 

Der  Berliner  Vertrag  erkannte  die  Unabhängigkeit  des  Kongostaates, 
die  französische  Schutzherrschaft  in  dem  Ogowebecken  und  die  deutsche 
Schutzherrschaft  über  das  Kamerungebiet  (im  Süden  des  Gabun,  soge- 
nanntes Deutsch- Westafrika)  an. 

Der  bisherige  freie  Kongostaat  wurde  im  Jahre  1890  von  König  Leo- 
pold II.  seinem  Staate  überlassen  und  damit  eine  belgische  Kolonie.  Er 
^atte  sich  mittlerweile  nach  Nordosten  bis  an  die  Ufer  des  Albertsees 
ausgedehnt.  Dank  der  Tatkraft  seiner  Verwaltung  xmd  dank  der  von 
König  Leopold  aufgewendeten  Kosten  erfreut  sich  der  Kongostaat  gegen- 
wärtig einer  hohen  Blüte.  Der  Verkauf  von  Elfenbein  und  Kautschuk 
bringt  erhebliche  Einnahmen.  Das  Elfenbein  allerdings  erschöpft  sich 
schnell,  da  durch  die  von  den  Jägern  unter  den  Elefanten  angerichteten 
Massenschlächtereien  diese  edle  Tiergattung  bald  ausgestorben  sein  wird. 
Doch  die  Vorräte  an  Kautschuk  sind  unerschöpflich.  Wenn  diese  weiten 
Gebiete  noch  besser  erforscht  sein  und  auch  ihre  Ausnutzung  noch  besser 
verstanden  werden  wird,  besonders  wenn  die  Eisenbahn,  die  bereits  jetzt 
eine  Länge  von  sechshundert  Kilometern  hat,  derart  vollendet  sein  wird, 
daß  sie  bis  an  die  Ostküste  geht,  werden  sich  auch  im  Kongostaat  noch 
weitere  Reichtümer  finden,  die  dort  zu  Anfang  nicht  vermutet  worden  waren. 

Südlich  vom  Kongostaat  liegt  Angola,  das  auch  noch  gegenwärtig  in 
Portugals  Händen  ist  (anderthalb  MilHonen  Quadratkilometer).  Doch 
10  Riebet,  Geschichte  der  Menschheit,  II. 


438  Siebentes  Buch. 


diese  unermeßliche,  aber  nur  wenig  bevölkerte  Gegend  wird  ebenso  schlecht 
verwaltet,   wie  sie  umfänglich  ist. 

So  verteilt  sich  die  Westküste  Afrikas  (einschließlich  ihres  Hinter- 
landes) vom  Meerbusen  von  Guinea  bis  zum  Kap  der  Guten  Hoffnung 
zwischen   Frankreich,    Deutschland,    Portugal   und   dem   Kongostaate. 

Die  Verteilung  der  Ostküste  aber  vollzog  sich  zwischen  Deutschland, 
England  und  Portugal.  Im  Jahre  1888  besetzte  Deutschland  die  Besit- 
zungen des  Sultans  von  Sansibar  (Deutsch-Ostafrika),  aber  England  wußte 
die  reichsten  Landstriche  in  Besitz  zu  nehmen  (Imperial  British  East 
Africa  =  Britisch-Ostafrika).  Auch  hat  es  bereits  heute  mit  seiner  staunens- 
werten Zielbewußtheit  und  seiner  erfolgreichen  Rührigkeit  verstanden,  in 
jene  Gegenden,  die  noch  vor  vierzig  Jahren  auch  nicht  ein  einziger  Euro- 
päer selbst  dem  bloßwi  Namen  nach  kannte,  Telegraphen,  Eisenbahn  und 
Dampfschiffsverkehr,  wissenschaftliche  Laboratorien  und  Lazarettstationen 
einzuführen. 

Die  dortigen  portugiesischen  Niederlassungen  schließlich,  die  alle  in 
Mozambique  liegen,  werden  ebenso,  wie  das  erwähnte  gleichfalls  portu- 
giesische Angola  an  der  Westküste,  einmal  eines  schönen  Tages,  wenn  sie 
das  Mutterland  weiter  so  schlecht  verwaltet,  und  besonders,  wenn  ihnen 
dieses  keine  weiteren  Ansiedler  mehr  schickt,  m  die  Hände  der  Deutschen 
oder  der  Engländer  fallen. 


Zur  Ausbauung  seines  afrikanischen  Reiches,  das  heute  Größen  Verhält- 
nisse von  einer  ganz  unfaßbaren  Riesenhaftigkeit  aufweist,  hat  England 
auch  noch  beträchtliche  Teile  von  Nord-  und  Südafrika  hinzuerobern 
müssen:  Ägypten  im  Norden  und  das  Transvaal  und  den  Oranjefreistaat 
im   Süden. 

Ägypten,  schon  von  alters  her  das  reichste  Land  der  Erde,  war  durch 
das  Riesenwerk  des  Suezkanals  nur  noch  reicher  geworden;  es  hatte  sich 
zu  der  großen  Durchgangs-  und  Zwischenhandelsverkehrsstraße  zwischen 
Europa  und  Asien  entwickelt;  aber  der  Khedive  (Vizekönig)  Ismail  Pascha 
(1863 — 1879)  mißbrauchte  den  Reichtum  seines  Landes  dermaßen,  daß  er 
in  die  größte  Bedrängnis  geriet.  Um  seine  Gläubiger  befriedigen  zu 
können,  verkaufte  er  die  noch  in  seinen  Händen  befindlichen  Suezkanal- 
aktien an  England,  das  sie  nach  der  Zurückweisung  dieses  Angebots  seitens 
Frankreichs  bereitwilligst  abnahm  (1875). 

Als  die  Summe  immer  noch  nicht  genügte,  um  seine  Schulden  aus  der 
Welt  zu  schaffen,  machte  er  wieder  und  wieder  Anleihen,  was  die  beiden 


Die  Herrschaft  der  Wissenschaft.  439 


Regierungen  Frankreichs  und  Englands  veranlaßte,  einen  Ausschuß  zur 
genfuen  Prüfung  der  Finanzverhältnisse  Ägyptens  einzusetzen,  der  nun 
eine  staatliche  Zwangsverwaltung  oder  Sequestration  des  ungeheuren  vize- 
königlichen Privatbesitzes  sowie  ein  staatliches  Miteigentumsrecht  daran 
oder  Condominium  anordnete  (1877).  Bald  darauf  (1879)  wurde  Ismail 
Pascha  abgesetzt,  um  in  seinem  ältesten  Sohne  Tewfik  (1879 — 1892)  seinen 
Nachfolger  zu  finden. 

Eine  vorgebliche  ägyptische  Nationalpartei  legte  nun  gegen  die  Ein- 
mischung der  Europäer  und  Christen  in  die  inneren  Angelegenheiten 
Ägyptens  Verwahrung  ein.  Diesen  unzufriedenen  Beschwerdeführern  gelang 
es  auch  wirklich,  die  Ernennung  ihres  Führers  Arabi  Pascha  zum  Kriegs- 
minister durchzusetzen  (1882);  auch  wurden  damals  in  Kairo  ein  paar 
schüchterne  Aufstandsversuche  gegen  die  Europäer  unternommen  und  von 
Arabi  Pascha  selbst  begünstigt. 

Wenn  sich  in  jenen  Tagen  Frankreich  und  England  verständigt  hätten, 
wäre  die  Sache  so  einfach  wie  möglich  gewesen.  Aber  die  französischen 
Kammern  wollten  von  einer  Einmischung  Frankreichs  in  die  fremden 
Angelegenheiten  nichts  wissen.  Trotz  Gambettas  Widerspruch  ließen  sie 
England  ruhig  für  sich  allein  handeln  und  jenen  Aufstand,  der  im  Grunde 
nur  ein  scheinbarer  war,  ganz  ebenso  durch  einen  Scheinkrieg  nieder- 
werfen. Aber  damit  war  der  französische  Einspruch  in  Ägypten  zu  Ende. 
Alexandria  wurde  nach  einer  Beschießung  von  der  englischen  Marine  in 
Besitz  genommen  (1882).  Und  bald  schon  erging  es  auch  dem  ganzen  Lande 
Ägypten  nicht  besser. 

Zwar  hatte  England  die  alsbaldige  Räumung  versprochen,  aber  ein 
derartiges  Versprechen  wird  nie  gehalten.  Auch  Frankreich  und  die  übrigen 
europäischen  Regierungen  waren  schließlich  müde  geworden,  seine  Er- 
füllung inmier  wieder  zu  verlangen  (1904).  Gegenwärtig  ist  England  in 
Wahrheit  der  Herr  Ägyptens,  ohne  daß  von  einem  Protektorat  im  gewöhn- 
lichen Sinne  des  Wortes  die  Rede  sein  kann,  ist  dofch  dem  Namen  nach 
kein  anderer  als  der  Sultan  der  unabhängige  Herrscher  des  Landes. 
Der  Khedive  Abbas  H.  Hilmi,  Tewfiks  ältester  Sohn,  regiert  seit  1892  auch 
wirklich  noch  heute  als  scheinbarer  Herrscher,  doch  in  der  Tat  regiert  der 
engUsche  Minister.  Auch  sind  alle  höheren  Offiziere  englischer  Staats- 
angehörigkeit und  die  großen  Verwaltungen  in  den  Händen  englischer 
höherer  Beamter. 

Der  Streit  um  die  höchste  Gewalt  in  Ägypten  zog  auch  bald  einen 
entsprechenden  im  Sudan  nach  sich.  Mit  Hilfe  des  ägyptischen  Heeres 
breitete  England  seine  Herrschaft  in  den  Oberläufen  des  Nil  bis  zu  den 
10* 


44o  Siebentes  Buch. 


Großen  Seen  aus,  in  denen  der  Nil  seine  Quelle  hat.  Damit  war  das  englische 
Ostafrika  in  unmittelbare  Verbindung  mit  Ägypten  getreten.  Eine  vorgeb- 
lich islamitisch-religiöse  Erhebung  der  Derwische  wurde  bald  unterdrückt 
(1878).  Nach  vollständiger  Niederwerfung  der  Derwische  und  ihres  An- 
führers, des  Mahdi,  fuhr  das  englisch-ägyptische  Heer  den  Nil  hinauf,  um 
gerade  in  einem  Augenblick  in  Mittelafrika  bei  dem  Orte  Faschoda  ein- 
zudringen, wo  hier  eine  kleine  französische  Heeresabteilung  eintraf,  die 
vom  Senegal  aufgebrochen,  immer  in  östlicher  Richtung  marschiert  und 
nun  gerade  gleichzeitig  mit  den  Engländern  im  Sudan  angelangt  war. 
Einige  Tage  lang  war  auch  wirldich  aller  Anlaß  zu  der  Besorgnis  vorhanden, 
daß  es  zwischen  General  Kitchener,  unter  dem  die  dreißigtausend  ver- 
einigten Engländer  imd  Ägypter  standen,  und  Hauptmann  Marchand,  der 
zweihundert  Senegalneger  befehligte,  zum  offenen  Zwist  kommen  konnte. 
Es  war  ein  Glück,  daß  die  Franzosen  den  sittlichen  Mut  hatten,  den  an- 
maßenden englischen  Ansprüchen  nachzugeben,  so  daß  der  Zivilisation 
ein    ihr    drohender    schrecklicher    Krieg    erspart    geblieben    ist. 

Durch  die  Eroberung  des  Sudan  besaß  England  Uganda  und  das  Gebiet 
der  Großen  Seen.  So  war  Afrika  jetzt  vom  Nil  bis  zum  Sambesi  unter  dem 
britischen  Banner. 

Die  Eroberung  des  afrikanischen  Südens  währte  noch  länger  und  war 
auch  noch  schwieriger,  aber  darum  nicht  weniger  einträglich. 

Im  17.  Jahrhundert  hatten  einige  Holländer  verschiedene  Handels- 
und Ackerbauniederlassungen  am  Kap  der  guten  Hoffnung  gegründet. 
Obwohl  der  Boden  nicht  recht  fruchtbar  war,  brachte  es  gleichwohl  die 
Kolonie  zu  einer  schönen  Blüte,  weil  die  Kolonisten  arbeitsam,  nüchtern, 
kernig  und  fromm  waren  und  einen  reichen  Nachwuchs  heranzogen.  Ja, 
sie  hatten  sogar  einen  stärkeren  Negerstamm,  die  Kaffern,  halb  unter- 
worfen und  zu  einer  Art  Frondienst  gezwungen.  Während  das  französische 
Kaiserreich  immer  wieder  im  Kriege  steckte,  besetzten  die  Engländer  die 
Kapkolonie,  gaben  sie  aber  auch  nach  dem  Friedensschluß  von  181 5  nicht 
wieder  heraus.  Die  Holländer  (Buren  oder  Afrikander)  wußten  sich  nur 
schlecht  in  die  englische  Herrschaft  hineinzufinden.  Sie  wanderten  aus 
der  Kolonie  nordwärts  nach  Natal  aus  (1835).  Als  dann  die  Engländer 
auch  Natal  an  sich  rissen  (1840),  wanderten  sie  wieder  aus  und  machten 
nördlich  von  Natal  in  einer  Einöde  halt,  die  sie  Öranjefreistaat  nannten. 
Als  sie  dann  vor  den  englischen  Landeroberungen  immer  weiter  zurück- 
wichen,  ließen  sie   sich   auch   noch  im  Jahre    1852   in   Transvaal   nieder., 

Alle  diese  Landstriche  hatten  nur  einen  dürftigen  Boden,  den  die 
Buren  auch  riur  wenig  bebauten.   Als  Nomaden  führten  sie  ihre  Familie 


Die  Herrschaft  der  Wissenschaft.  44* 

und  ihren  Besitz  in  großen,  von  Ochsen  gezogenen  Wagen  mit  sich,  um. 
überall  da  haltzumachen,  wo  sie  einige  Weideplätze  für  ihre  Herden  zu 
finden  glaubten.  Große  Jäger,  die  mit  den  sie  dauernd  auf  ihren  Wande- 
rungen bedrohenden,  aber  von  ihnen  immer  wieder  zurückgeworfenen 
wilden  Stämmen  fortwährend  im  Kampfe  lagen  und  sich  hartnäckig  gegen 
alle  übermäßige  städtische  Zivilisation  auflehnten,  waren  sie  für  die  Eng- 
länder Gegenstand  fortdauernder  Beunruhigung  und  ständiger  Begehrlich- 
keit. Gleichwohl  blieb  England  nichts  weiter  übrig,  als  im  Jahre  1864  die 
Unabhängigkeit   von  Transvaal  imd   Oranjefreistaat  anzuerkennen. 

So  standen  sich  drei  Völker  gegenüber:  Engländer,  Buren  und  Kaffern. 
Zwar  konnten  sie  sich  nicht  verständigen,  gingen  aber  darum  doch  nicht 
zum  offenen   Kriege  gegeneinander  über. 

Im  Jahre  1867  wurden  zu  Kimberley  einzelne  Diamantengruben  entdeckt. 
Sogleich  strömten  die  englischen  Schatzgräber  in  Scharen  herbei,  und  nun 
wurden  diese  an  sich  so  öden,  aber  so  köstliche  Kleinodien  bergenden 
Felder  England  als   Krongut   einverleibt. 

Unermüdlich  suchte  England  seine  gewaltige  Macht  immer  weiter 
über  Südafrika  auszudehnen,  um  es  möglichst  bald  ganz  zu  beherrschen. 
Im  Jahre  1876  wurden  die  Zulus  besiegt  und  nun  auch  das  Zululand  zum 
englischen  Besitz  geschlagen.  Bald  wurde  auch  ein  Versuch  unternommen, 
das  Transvaal  an  sich  zu  reißen;  aber  die  Buren  widerstanden  tatkräftig, 
gewannen  sogar  eine  regelrechte  Schlacht  (Schlacht  am  Majubaberg, 
27.    Februar    1881)    und    behaupteten    zum    Schluß    ihre    Selbständigkeit. 

Im  Norden  vom  Transvaal  rief  ein  unternehmungslustiger  und  wage- 
mutiger Engländer,  Cecil  Rhodes,  eine  der  einstigen  Ostindischen  Gesell- 
schaft mehr  oder  weniger  nachgebildete  kapitalkräftige  Gesellschaft  ins 
Leben,  die  von  einem  ziemlich  öde  daliegenden  gewaltigen  Gelände  Besitz 
nahm,  das  nun  den  Namen  Rhodesia  erhielt  und  fast  halb  so  groß  wie  ganz 
Frankreich  war. 

Die  beiden  Burenrepubliken  Oranjefreistaat  und  Transvaal  bildeten 
nur  noch  zwei  abgeschlossene  Sprengel  inmitten  eines  riesenhaften  eng- 
lischen Reiches. 

Vielleicht  hätten  sie  gleichwohl  auch  noch  weiter  ihre  Selbständigkeit 
behauptet,  wären  nicht  im  Innern  ihres  Bodens  in  der  Umgegend  der 
heutigen  Stadt  Johannesburg  in  öden  Felsengegenden,  in  denen  es  noch 
nicht  einmal  einen  Marktflecken  gab,  im  Jahre  1886  die  reichsten  Goldadern 
der  Welt  gefunden  worden.  Sobald  sich  diese  Kunde  verbreitet  hatte, 
strömten  Tausende  von  Abenteurern  von  allen  Seiten,  besonders  aber  auch 
vom    Kap    herbei.    Diese    engUschen    Pfadfinder    machten    sich    sogleich 


442  Siebentes  Buch. 


an  die  Ausbeutung  dieses  edlen  Metalls.  Sie  erstanden  den  Boden  zu 
einem  billigen  Preise.  Hunderte  von  Gesellschaften  taten  sich  auf,  die 
Maschinen  anlegten  und  Kaffern,  Chinesen  sowie  Inder  als  Arbeiter  ein- 
stellten. Es  erstand  eine  große  Stadt,  in  der  die  der  Industrie  und 
modernen  Zivilisation  feindlich  gegenüberstehenden  Buren  nur  noch  eine 
kleine  Minderheit  unter  einer  Bevölkerung  bildeten,  die  heute  zweihundert- 
fünf zigtausend  Seelen  zählt.  Doch  die  Buren  hatten  trotz  ihrer  großen 
Minderheit  gleichwohl  in  der  öffentlichen  Verwaltung  und  Gesetzgebung 
das  Übergewicht,  das  sie  sehr  mißbrauchten.  Diese  bäuerischen  Land- 
arbeiter zeigten  den  ausländischen  Grubenarbeitern  offene  Feindschaft  und 
führten  hohe  Steuersätze  ein,  die  auf  der  goldfördernden  Industrie  schwer 
lasteten. 

Die  Uitlanders  (deutsch  „Ausländer")  von  Johannesburg  erstrebten 
nun,  um  doch  auch  ein  Wörtchen  bei  der  Leitung  der  öffentlichen  Ange- 
legenheiten mitsprechen  zu  dürfen,  sich  als  Transvaalier  naturalisieren  zu 
lassen.  Die  Buren  schlugen  dies  Verlangen  ab,  und  das  wurde  die  Ursache 
zu  einem  schweren,  blutigen  Zusammenstoße  zwischen  Buren  und  Eng- 
ländern. 

In  diesem  dreijährigen  Kriege  (1899 — 1902)  zeigten  sich  die  Buren 
als  wahre  Helden.  Diese  ungeschlachten  Bauern  verteidigten  ihre  Freiheit 
mit  einer  Tapferkeit,  von  der  die  Weltgeschichte  nicht  viele  Beispiele 
aufzuweisen  hat.  Es  galt  einen  Verteidigungskrieg,  und  flugs  fanden  sie 
sich  in  die  ihnen  von  Hause  aus  so  fremden  Soldatenrollen.  Aber  aus- 
gezeichnete Reiter  und  erprobte  Schützen,  wie  sie  schon  von  jeher  gewesen 
waren,  hielten  sie  volle  zwei  Jahre  lang  nicht  weniger  als  zweimalhundert- 
tausend  englische  Soldaten  mit  einer  ihnen  weit  überlegenen  Artillerie, 
obgleich  sie  selbst  nur  sechzigtausend  Kämpfer  zählten,  dauernd  in  Schach. 
Europa  ließ  sie  im  Stich,  und  so  mußten  sie  schließlich  der  Überzahl 
weichen. 

Nachdem  England  nun  einmal  einen  geradezu  ungerechten  Krieg  unter- 
nommen und  denselben  mit  der  an  ihm  gewöhnten  Zähigkeit  bis  zur 
siegreichen  Entscheidung  durchgeführt  hatte,  hat  es  dann  wenigstens  nicht 
seinen  Sieg  geschändet.  Gewiß,  es  hat  die  Buren  gezwungen,  gegen  ihren 
Willen  Bürger  des  englischen  Volkes  zu  werden,  aber  die  Besiegten  sind 
fast  wie  Sieger  behandelt  worden.  Sie  haben  ihre  Gesetze,  ihre  Sprache 
und  ihre  Religion  behalten,  ihre  Abgeordneten  zu  einem  geradezu  eigen- 
staatlichen Parlament  wählen,  ihren  Staatshaushalt  selbst  beschUeßen 
imd  jene  weitgehende  persönliche  imd  staatsbürgerliche  Freiheit  genießen 


Die  Herrschaft  der  Wissenschaft.  443 

dürfen,  die  England  stets  allen  denen  gewährt,  die  es  unter  seinem  Banner 
sammelt. 

So  bilden  Kapland,  Transvaal,  Rhodesia,  Uganda,  Sudan,  Ägypten 
ein  englisches  Riesenreich,  das  sich  in  der  Richtung  von  Norden  nach 
Süden  ohne  eine  andere  Unterbrechung  als  die  einzige  allerdings  beträcht- 
lichere um  den  Tanganikasee,  nämlich  Belgisch-Kongo  auf  seiner  West- 
und  Deutsch-Ostafrika  auf  seiner  Ostseite,  durch  ganz  Afrika  hindurch 
erstreckt.  Wo  noch  vor  fünfzig  Jahren  die  Landschaft  ohne  jede  Ab- 
wechslung ausschließlich  wilde  Einöden,  verpestete  Sumpfgebiete  und 
wüste  Urwälder  bot,  wird  sie  heute  von  einem  nach  allen  Seiten  aus- 
gebauten Telegraphen-  und  Eisenbahnnetz  durchzogen.  Der  Eisenbahn 
bietet  sich  ein  durchgehender  Schienenweg  vom  Mittelmeer  bis  zum  Kap 
der  Guten  Hoffnung. 

Neben  diesem  Riesenreich  im  Osten  besitzt  England  noch  an  der 
Westküste  Afrikas  Sierra  Leone  und  an  den  Mündungen  des  Niger  unge- 
sunde Besitzungen,  die  keine  große  Bedeutung  haben,  aber  deren  Hinter- 
land bis  an  den  Tschadsee  geht  (1898). 

Nächst  England  hat  sich  in  Afrika  Frankreich  die  ausgedehntesten 
Gebiete  durch  kriegerische  Eroberung  oder  durch  käufliche  Erwerbung 
zugeeignet.  Ja,  vielleicht  haben  die  französischen  Gebiete  noch  einen 
weiteren  Umfang  als  die  britischen,  doch  in  jedem  Falle  ist  ihr  Reichtum 
weniger  groß,  gibt  es  doch  auf  unserem  ganzen  Planeten  nicht  mehr  so 
fruchtbare  Landstriche  als  Ägypten,  so  ergiebig  an  Gold  gesegnete  als 
Transvaal.  * 

Algerien  hat  dem  Weinbau  eine  hohe  Blüte  zu  verdanken.  Doch  die 
Bevölkerung  will  sich  nicht  recht  vermehren,  haben  doch  die  Franzosen 
auch  in  Algerien  nur  wenig  Kinder  und  ist  zudem  die  französische  wie 
ausländische  Einwanderung  dorthin  nicht  sehr  stark.  Aber  allerdings 
Algier  selbst,  die  Hauptstadt  des  Landes,  ist  jetzt  nächst  Kairo  und  Johannes- 
burg die  größte  Stadt  von  ganz  Afrika;  sie  zählt  einschließlich  der  Vororte 
über  zweihunderttausend  Einwohner;  Araber  und  Europäer  vertragen  sich 
dort,  auch  ohne  sich  zu  vermischen,  anscheinend  aufs  beste.  Algier 
scheint  dazu  bestimmt,  die  Hauptstadt  des  gesamten  französischen  Afrika 
werden  zu  sollen. 

Tunis  wurde  fast  ohne  jeden  Kampf  erobert  (März  1881).  Als  Vorwand 
machte  die  französische  Regierung  die  Einfälle  des  räuberischen  Stammes 
der  Chmir  (auch  Khrumir  genannt)  geltend,  als  sie  allerdings  einmal  die 
algerische  Grenze  ein  wenig  überschritten  hatten.  Die  Regierung,  die 
nun  in  Tunis  eingesetzt  wurde,  bekam  die  Form  eines  Protektorates.    Der 


i^44  Siebentes  Buch. 


Bei  von  Tunis  behielt  dem  Namen  nach  seine  ganze  Gewalt;  doch  ein 
französisches  Armeekorps  besetzt  von  nun  ab  das  Land,  und  die  Be- 
ziehungen mit  den  fremden  Mächten  werden  durch  den  französischen 
Residenten  geordnet  (Vertrag  ,vom  Kasr-el-Said  Bardo*,  12.  Mai  1881). 
Unter  den  afrikanischen  Häfen  am  Mittelmeer,  die  alle  von  nur  ziemlich 
mäßigem  Werte  sind,  gibt  es  nur  eine  Ausnahme,  und  das  ist  der  unver- 
gleichliche tunesische  Hafen  Biserta,  der  groß  genug  ist,  die  Kriegsflotten 
aller    Mächte    der    Welt    insgesamt    aufzunehmen. 

Die  Unterwerfung  des  westlich  von  Algerien  gelegenen  Reiches  Marokko 
unter  das  französische  Protektorat  ist  noch  in  aller  Erinnerung  (191 2).  Sie 
ist  nicht  ohne  aufregende  Zwischenfälle  geschehen,  durch  die  anfangs  mit 
Deutschland  und  dann  mit  Spanien  beinahe  ein  Bruch  herbeigeführt  worden 
wäre;  doch  es  war  ein  großes  Glück,  daß  Vergleiche  zustande  kamen,  die 
den  Länderhunger  aller  drei  beteiligten  Mächte  zu  stillen  vermochten.  Frank- 
reich übernahm  das  Protektorat  über  Marokko,  wo  es  nun  ständig  ein 
ganzes  Armeekorps  halten  muß.  Der  Sultan  behält,  ganz  wie  der  Bei  von 
Tunis,  scheinbar  seine  gesamte  Gewalt;  aber  genau,  wie  dieser,  unterhält 
auch  er  zu  den  fremden  Mächten  nur  durch  Vermittlung  des  französischen 
Residenten  Beziehungen.  Als  Entschädigung  für  diese  Besitzergreifung 
Marokkos  durch  Frankreich  hat  Deutschland  ein  wertvolles  Stück  von 
Französisch-Kongo  erhalten,  Spanien  aber  einige  Häfen  und  weite  Gebiete 
an  der  gesamten  Mittelmeerküste.  Tanger  an  der  Ausgangspforte  des 
Mittelmeeres    zum    Atlantischen    Ozean    bleibt    eine    internationale    Stadt. 

Marokkos  Eroberung  stellte  sich  als  eine  weit 'schwierigere  heraus  als 
die  von  Tunis.  Sie  ist  auch  heute  noch  nicht  vollendet,  und  viele  Stämme 
werden  so  bald  noch  nicht  unterworfen  sein.  Aber  Frankreichs  endgültige 
und  völlige  Oberherrschaft  über  Marokko  ist  nur  noch  eine  Frage  der  Zeit 
und  des  Geldes.  Tunis  ist  ein  von  friedlichen  und  leicht  zu  unterwerfenden 
Völkerstämmen  angebautes  ebenes  Gebiet.  Marokko  hingegen  ist  ein 
Gebirgsland  und  von  unabhängigen  glaubenswütigen  und  räuberischen 
Stämmen  bewohnt,  die  seit  den  ältesten  Tagen  unter  der  unordentlichen 
und  gesetzlosen  Herrschaft  einer  Priesterkaste  gelebt  haben.  Aus  Land- 
männern werden  sie  nur  zu  leicht  Krieger,  so  daß  kein  einzelner,  noch  so 
kleiner  Stamm  vor  dem  Angriff  seiner  Nachbarn  sicher  ist.  Zweifelsohne 
wird  die  französische  Herrschaft  in  diesen  Wirrwarr  schließlich  einmal 
Ordnung  bringen,  doch  wird  sie  das  nur  durch  eine  lange  und  kostspielige 


*  Anm.  des  Herausgebers:  Kasr-el-Said  Bardo  =  Bergschloß  Bardo  unweit  der 
Stadt   Tunis,    der   Sitz   der   tunesischen   Regierung. 


Die  Herrschaft  der  Wissenschaft.  ^^5 

militärische  Besetzung  zu  erreichen  vermögen,  und  so  wird  die  Herstellung 
des  Friedens  in  Marokko  die  dortige  ständige  Haltung  einer  tüchtigen 
Heeresabteilung  erfordern. 

Es  sind  augenblicklich  Eisenbahnen  im  Bau  begriffen,  die  Fes,  Marra- 
kesch  und  Casablanca  mit  der  Mittelmeerküste  verbinden  sollen.  Schon 
jetzt  geht  die  Bahn  in  der  Richtung  von  Osten  nach  Westen  zwischen 
Tunis  und  Tlemsen,  und  in  der  von  Norden  nach  Süden  zwischen  Algier 
und  Laghuat  einerseits  und  Tugurt  andererseits.  Die  Räuberstämme  der 
Wüste,  wie  die  Tuareg  und  andere,  müssen  immer  weiter  nach  Süden 
zurückweichen,  wo  nur  noch  öde  Sandsteppen  liegen,  und  sind  nicht  mehr 
zu   fürchten. 

Südlich  von  Marokko  traten  in  jüngster  Zeit  die  Stämme  des  Hinter- 
landes von  Senegambien  zum  Islam  über.  Die  Gegend  wird  von  einem 
kriegerischen  schwarzen  Stamme  und  einem  anderen,  von  auffallender 
Ähnlichkeit  mit  dem  der  ägyptischen  Fellahs,  namens  Pulla  *  bewohnt. 
Der  bekannte  General  Faidherbe,  der  Statthalter  von  Senegambien,  hatte 
den  französischen  Einflußkreis  bis  zum  Niger  ausgedehnt.  In  den  Jahren 
1879 — 1894  stellten  kriegerische  Unternehmungen,  die  sich  zunächst  den 
Senegal  und  dann  den  Niger  hinaufbewegten,  in  den  beiden  großen  Strom- 
gebieten den  Frieden  wieder  her  und  drangen  bis  zu  der  geheimnisvollen 
Märchen-  und  Wunderstadt  Timbuktu  vor,  die  schon  in  alten  grauen  Tagen 
eine  der  hervorragendsten  Städte  Afrikas  gewesen  war.  Immer  weiter 
vordringend,  gelangten  einzelne  französische  Abteilungen  bis  zum  Tschad- 
see. Die  ganze  Gegend  wird  nunmehr  unterworfen.  Französische  Kanonen- 
boote verkehren  auf  dem  Niger. 

Die  Nigerebenen,  die  die  Natur  zur  Fruchtbarkeit  bestimmt  hatte,  waren 
durch  die  Verheerungen  der  Menschen  vollkommen  verödet.  Kriegerische 
Propheten,  wie  sie  der  Islam  hervorbringt,  hatten  die  gesamte  Gegend 
dadurch  zugrunde  gerichtet,  daß  sie  ganze  Völkerstämme  zur  Sklaverei 
zwangen,  die  Dörfer  in  Brand  steckten  und  nur  Trümmerhaufen  und 
Leichen  da,  wo  sie  hinkamen,  hinterließen.  Der  letzte  und  furchtbarste 
jener  Häuptlinge,  halb  Sultans-  und  halb  Räubergestalt,  der  schwarze 
Kriegsheld  Samory,  wurde  im  Januar   1893  gefangen  genommen. 

Der  im   Mittelpunkt   Afrikas   gelegene   Tschadsee  läßt   sich  ebensogut 


*  Anm.  des  Herausgebers:  Pulla  vom  Singular  Pullo  =  hellbraun,  rot  im 
Gegensatz  zu  Joloff  =  schwarz,  auch  Fulla,  Falbe  oder  nach  der  oben  ange- 
deuteten Verwandtschaft  mit  den  Fellahs  auch  Fellatah,Fellaün  oder  Fellani 
genannt. 


446  Siebentes  Buch. 


als  Binnenmeer  bezeichnen,  in  das  sich  von  den  verschiedensten  Seiten 
Flüsse  ergießen.  Auf  Grund  mehrerer  diplomatischer  Vergleiche  zwischen 
Deutschland,  Frankreich  und  England  gehen  die  Besitzungen  dieser  ver- 
schiedenen Länder  sämtlich  bis  an  den  Tschadsee,  dessen  eines  Ufer  ihnen 
gehört.  Der  Tschadsee  wird,  sobald  die  dortige  Gegend  wieder  bevölkert, 
in  ihren  gesundheitlichen  Zuständen  gehoben  und  von  Eisenbahnen  um- 
säumt sein  wird,  ohne  Zweifel  der  Haupt verkehrspunkt  des  afrikanischen 
Handels  sein.  Er  liegt  an  der  Straße  von  Norden  nach  Süden  und  von 
Westen  nach  Osten:  zwischen  Nil  und  Niger  und  zwischen  Rotem  Meer 
und  Atlantischem  Ozean. 

An  der  Elfenbeinküste  Guineas  haben  sich  die  französischen  Besitzungen 
von  den  Ufern  des  Atlantischen  Ozeans  bis  zum  Hinterland  ausgedehnt. 
In  den  Jahren  1892 — 1894  wurde  auch  Dahome,  das  damals  durch  die 
Schreckensherrschaft  des  wilden  Königs  Behanzin  schwer  heimgesucht 
wurde,  zur  französischen  Kolonie, 

So  ergriff  Frankreich  in  derselben  Zeit,  in  der  sich  England  in  der 
Richtung  von  Norden  nach  Süden  und  an  der  ganzen  Ostküste  Afrikas 
ein  gewaltiges  Reich  gründete,  mit  dem  Kongolande,  Gabun,  Dahome, 
dem  Sudan,  Senegambien,  Marokko,  Algerien  und  Tunis  von  der  ganzen 
Nordwestecke  Afrikas  Besitz.  Im  Norden  dehnte  es  seine  Herrschaft 
längs  der  wunderbaren  Mittelmeerküste  über  semitische  Stämme  der 
weißen  Rasse  aus,  die  bereits  halb  zivilisiert  und  jedenfalls  ganz  zivilisierbar 
waren,  aber  mit  leidenschafthcher  Glaubenswut  an  der  Rehgion  Moham- 
meds hingen.  Im  Süden  ließ  es  sich  unter  den  über  einen  ungeheuren 
Raum  verstreuten  unkultivierten  Negerstämmen  nieder,  die  nur  geringe 
Hoffnungen  in  bezug  auf  die  Möglichkeit  einer  Heranziehung  zur  Land- 
arbeit geben.  Aber  der  Boden  ist  fruchtbar.  Wenn  sich  dort  allerdings 
auch  weite  Wüsten  finden,  die  auf  lange  Zeit  hin  zur  Unfruchtbarkeit 
verurteilt  sind,  so  gibt  es  doch  andererseits  dort  auch  herrliche  Wälder, 
die  noch  vollkommen  unausgenutzt  sind.  Ebenen,  die  noch  eine  völlige 
Hebung  ihres  Gesundheitszustandes  zulassen,  und  Täler,  die  eine  Möglich- 
keit für  die  Entfaltung  der  glänzendsten  Kulturen  bieten,  vielleicht  auch 
—  ist  doch  hier  nichts  genügend  durchforscht!  —  Metall-  und  Steinkohlen- 
gruben. 

Das  Geheimnis  der  Bestimmung  Afrikas  ruht  noch  in  der  Zukunft 
Schöße.  Der  Schwarze  Erdteil,  das  jüngste  Kind  der  Zivilisation,  birgt 
vielleicht  noch  die  glänzendsten  Überraschungen  für  unsere  Enkel. 

Um  sich  diese  sämtlichen  Reichtümer  zunutze  machen  zu  können, 
sollte  Europa  in  Zukunft  auf  alle  mörderischen  Kämpfe  um  Macht-  und 


Die  Herrschaft  der  Wissenschaft.  Mj 

Besitzfragen  verzichten  I  Afrika  bietet  wahrhaftig  Raum  genug,  daß  unter 
den  verschiedenen  europäischen  Völkern,  den  Engländern,  den  Franzosen, 
den  Deutschen,  den  Belgiern  ein  jedes,  ohne  die  Gebiete  des  Nachbarn 
begehren  zu  brauchen,  aus  der  Zahl  der  sämtlichen  Gebiete,  die  sie 
sich  allmählich  der  Reihe  nach  zugeeignet  haben  und  deren  Grenzen  sie 
noch  nicht  einmal  kennen,  das  seine  in  Ruhe  zu  verwalten  vermögen  wirdi 
Sicher  werden  auch  in  Zukunft  noch  Eroberungen  zu  machen  sein;  aber 
diese  sollten  sich  nicht  sowohl  gegen  Menschen  als  gegen  jene  gefähr- 
lichen kleinen  Schmarotzerwesen  richten,  die  die  furchtbarsten  Krankheiten 
bringen.  Das  Klima  ist  nicht  weiter  zu  fürchten,  da  die  Hitze  der  dürren 
Gegenden  an  und  für  sich  nicht  der  Gesundheit  verhängnisvoll  ist.  Wenn 
jene  Erreger  der  Malaria,  der  Ruhr  und  der  anderen  ansteckenden  Krank- 
heiten, die  sich  durch  Wasser  und  Insektenstiche  verbreiten,  nicht  die 
menschlichen  Organismen  heimtückisch  überfielen,  wäre  das  Leben  in 
Afrika  ganz  ebenso  leicht,  wie  es  nur  an  irgendeinem  Punkt  im  Herzen 
Europas  ist.  Die  große  Aufgabe  der  Europäer  in  Afrika  muß  also  sein, 
gegen  diese  Keime  jener  tödlichen  Krankheiten  anzukämpfen.  Die  Eng- 
länder haben  dafür  bereits  ein  gewisses  Verständnis  gezeigt,  indem  sie 
an  den  Großen  Seen  gleich  zu  Anfang  ihter  Niederlassung  eine  wissen- 
schaftliche Station  begründet  haben,  die  dem  Studium  und  damit  auch 
der  Ausrottung  der  Menschen-  und  Viehseuchen  dienen  soll. 

Die  Eroberung  Afrikas  bedeutet  daher  für  die  Gegenwart  ausschließlich 
die  Vernichtung  aller  diesen  Erdteil  heimsuchenden  Krankheiten.  So  wird 
es  der  Wissenschaft  obliegen,  die  Kämpfer  zu  stellen,  deren  schließlicher 
Sieg  dann  verhältnismäßig  leicht  sein  wird. 

Den  Einheimischen  gegenüber  aber  ist  die  Aufgabe  der  Europäer 
eine  höchst  einfache.  Es  gilt  allerdings,  sie  zunächst  zu  unterwerfen, 
ihnen  dann  aber  alsbald  den  Frieden  zu  bringen.  Bis  jetzt  haben  sie  nur 
immer  in  Krieg,  Elend  und  Krankheit  gelebt.  Uns  fällt  die  Pflicht  zu, 
ihnen  ihre  Lage  erträgUcher  zu  machen  I  Hoffen  wir  nicht  etwa  gleich, 
daß  sie  einfach  mit  einem  Schlage  unsere  Zivilisation  sich  anzueignen  und 
so  vielleicht  der  analytischen  Geometrie  oder  auch  etwa  Richard  Wagners 
Nibelungenzyklus  Verständnis  entgegenzubringen  vermögen  werden.  Aber 
das  darf  gleichwohl  nicht  etwa  einen  Grund  abgeben,  sie  nicht  mit 
Gerechtigkeit  und  Wohlwollen  zu  behandeln  und  die  Segnungen,  mit 
denen  wir  sie  beglücken,  allein  auf  den  Alkohol  zu  beschränken. 

In  jedem  Falle  wird  das  bedenkliche  Wagnis  der  Rassenkreuzung 
vermieden  werden  müssen.  Zwischen  Schwarzen  imd  Weißen  hat  eine 
unbedingte  Trennung  stattzufinden.    Eine  überlegene  Rasse  ist  nicht  be- 


448  Siebentes  Buch. 


1 


rechtigl,  durch  die  Vereinigung  mit  einer  minderwertigeren  selbst  ihre 
Entartung  herbeizuführen. 

In  diesem  Sinne  verstanden,  wird  die  Eroberung  des  unermeßUchen 
afrikanischen  Erdteiles  zu  den  großen  Aufgaben  des  20.  Jahrhunderts 
gehören  1 

Um  über  die  Verteilung  der  europäischen  Besitzungen  über  Afrika 
einen  Gesamtüberblick  zu  erhalten,  kann  man  sich  dieselbe  in  einer 
allerdings  nicht  sowohl  streng  wissenschaftlichen  wie  etwas  mehr  ober- 
flächlichen Weise  damit  anschaulich  machen,  daß  man  etwa  sagt,  daß 
Frankreich  den  Nordwesten,  England  den  ganzen  Osten  vom  Norden  bis 
zum  Süden,  Belgien  und  Deutschland  aber  einen  von  Osten  nach  Westen 
laufenden  mittleren  Streifen  einnimmt. 

Das   ist  in  großen  Zügen   die  gegenwärtige  Verteilung  Afrikas. 

Zu  besprechen  bleiben  noch  die  Insel  Madagaskar,  ein  paar  italienische, 
portugiesische  und  spanische  Besitzungen  und  zwei  unabhängige  kleine 
Staaten,   Liberia  und  Äthiopien. 

""Madagaskar  war  im  18.  Jahrhundert  von  französischen  Entdeckungs- 
reisenden durchforscht  worden,  und  Frankreichs  Einfluß  hatte  so  eine 
Art  unbestimmtes  Übergewicht.  Dieses  große  Inselland  war  von  nur 
mäßiger  Fruchtbarkeit  und  von  einer  eingeborenen  Bevölkerung,  den  so- 
genannten Madagassen  oder  Malgaschen,  und  einem  kleinen  Kriegervolke 
von  wahrscheinlich  malaiischem  Ursprünge,  den  Howa,  bewohnt.  Die 
von  englischen  Missionaren  im  Katechismus  unterwiesenen  und  wenigstens 
äußerlich  zu  Christen  gewordenen  Howa  hatten  allmählich  die  ganze 
Insel  erobert.  Im  Jahre  1862  trat  Napoleon  III.  mit  ihrem  König  in  Unter- 
handlungen, um  ihn  schließlich  als  König  von  gesamt  Madagaskar  anzu- 
erkennen. Im  Verlauf  einiger  unbedeutender  Streitigkeiten  mit  der  Königin 
der  Howa,  Ranavälona  I.,  wurden  ein  paar  Häfen  von  der  französischen 
Flotte  beschossen  (1883)  und  Königin  Ranavälona  gezwungen,  die  fran- 
zösische  Schutzherrschaft   anzuerkennen   (1885). 

Aber  Ranavälona  führte  nun  die  Bedingungen  des  Vertrages  nicht 
aus,  weshalb  ein  neuer  Straffeldzug  gegen  sie  beschlossen  wurde  (1895). 
Ein  französisches  Heer  von  zwölf  tausend  Mann  besetzte  die  Haupthäfen 
und  drang  bis  zur  Hauptstadt  Antananarivo  oder  Tananarivo  (d.  i.  Tausend 
Dörfer)  vor  (Sept.  1895).  I^i^  Eroberung  vollzog  sich  fast  ohne  Blut- 
vergießen; denn  das  madagassische  Heer  war  ohnmächtig  und  waffenlos. 
Doch  das  Expeditionskorps  wurde  grausam  von  Krankheiten  heimgesucht, 
an  denen  über  sechstausend  Soldaten  zugrunde  gingen. 

Im  Jahre  1897  wurde  die  Königin,  die  immer  wieder  gegen  den  franzö- 


Die  Herrschaft  der  Wissenschaft,  449 

sischen   Residenten   Verschwörungen  anzettelte,   schließlich  nach  Algerien 
geschafft,   und  Madagaskar  wurde  französische  Kolonie. 

Wie  die  Zukunft  aller  europäischen  Besitzungen  in  Afrika,  ist  auch 
die  Madagaskars  in  Dunkel  gehüllt.  Das  Land,  so  dürr  es  ist,  kann 
gleichwohl  Vieh  im  Überfluß  ernähren;  aber  die  Verkehrsmittel  sind  durch 
die  Gestaltung  des  Bodens  recht  schwierige;  die  Anlage  von  Landstraßen 
und  Eisenbahnen  über  tiefe  Täler  hinweg  wird  langwierig  und  kostspielig 
sein.  Die  Howa  sind  übrigens  von  hinreichender  Befähigung,  um  nützliche 
Mitkämpfer  und   Mitarbeiter  an  dem  Kolonialwerke  zu  werden. 


Auch  Italien  ruhte  nicht  eher,  bis  es  sich  afrikanisches  Land  angeeignet 
hatte.  Es  suchte  diese  seine  Absicht  zunächst  auf  dem  heißen  Küstenstrich 
an  dem  Roten  Meer  in  den  beiden  Häfen  Massaua  und  Suakin  zu  ver- 
wirklichen, in  deren  Hinterland  es  nichts  als  die  ausgebranntesten  Wüsten 
gibt.  Nachdem  die  Italiener  also  Massaua  besetzt  und  damit  ihre  Kolonie 
Erythräa  am  Roten  Meere  begründet  hatten  (1885),  wollten  sie  nun  auch 
über  das  als  selbständiges  Königreich  dastehende  Nachbarland  Äthiopien 
eine  Schutzherrschaft  einrichten.  Aber  unter  allen  farbigen  Völkern  Afrikas 
sind  vielleicht  die  Abessinier  oder  Äthiopier  die  begabtesten  und  die 
tapfersten.  Halb  Neger,  halb  Ägypter  und  sogar  noch  ein  wenig  mehr 
als  bloß  äußerliche  Christen  haben  diese  so  kriegstüchtigen  Gebirgs- 
bewohner es  in  ganz  Afrika  allein  verstanden,  sich  gesellschaftlich  aus- 
zubauen und  ein  Vaterland  zu  geben.  Ja  einer  oder  der  andere  König 
(Negus)  hat  es  sogar  erreicht,  bei  ihnen  gewisse  Anfangsbegriffe  abendlän- 
discher Zivilisation  einzuführen.  Als  daher  die  Italiener  sie  zu  unter- 
werfen versuchten,  setzten  ihnen  die  Äthiopier  einen  unerwartet  kräftigen 
Widerstand  entgegen  und  errangen  auch  über  das  itahenische  Heer  zwei 
bedeutende  Siege,  nämlich  bei  Dogali  (1887),  und  dann  den  entscheidenden 
bei  Adua  (1896).  :    i    i     i  ^j^i 

Äthiopien  ist  im  Westen,  Süden  und  Norden  von  englischen  und  im 
Osten  von  italienischen  Besitzungen  begrenzt  imd  neben  der  kleinen 
Negerrepublik  Liberia  an  der  Westküste  das  einzige  Land  Afrikas,  das 
nicht  unter  unmittelbarer  oder  Schutzherrschaft  einer  europäischen  Macht 
steht.  Sein  König  Menelik,  ein  schlauer  und  fähiger  Kopf,  ist  kürzlich 
nach  einer  langen   Regierung  gestorben   (191 3). 

Eine  weitere  Besitzung  der  Italiener  in  Afrika  ist  Tripolis.  Im  Jahre  191 1 
nämlich  besetzten  die  Itahener  unter  Geltendmachung  genau  so  nichtiger 
Vorwände  wie  die  der  Franzosen  in  bezug  auf  Tunis,  der  Engländer  auf 


^5o  Siebentes  Buch. 


Ägypten  und  der  Deutschen  auf  das  Kongoland  gewesen  waren,  ebenso 
ihrerseits  Tripolis  und  Cyrenaika.  Die  Türken  und  Araber  setzten  ihnen 
nur  einen  mäßigen  Widerstand  entgegen.  Wie  es  scheint,  war  vor  alters 
zur  Römerzeit  Cyrenaika  ein  fruchtbares  Land;  doch  die  zu  allen  Zeiten 
so  verheerend  gewesene  türkische  Eroberung  hat  offenbar  auch  diese 
Gegend  in  eine  Wüste  verwandelt.  Die  Itahener  landeten  in  Tripolis  (191 1). 
Noch  ein  Jahr  lang  versuchten  mm  die  Türken,  von  den  Arabern  unterstützt, 
auch  wirklich  allen  Ernstes,  die  Italiener  zu  vertreiben ;  aber  als  sie  sich  im 
Herzen  ihres  Reiches,  in  ihrer  Hauptstadt  Konstantinopel  selbst,  bedroht 
fühlten,  mußten  sie  sich  in  die  harte  Notwendigkeit  fügen  und  die  Ober- 
herrlichkeit Italiens  über  jenes  afrikanische  Land,  das  eigentlich  nur  noch 
aus  Sand  wüsten  besteht,  anerkennen  (Friede  von  Lausanne  191 2). 


Die  Besitzungen  der  Portugiesen,  die  traurigen  Reste  alter  Macht 
und  Herrlichkeit,  sind,  gleichviel,  ob  es  sich  um  die  an  der  Westküste 
(Angola)  oder  um  die  an  der  Ostküste  (Mozambique)  handelt,  zu  sehr 
englischem  und  deutschem  Gebiete  benachbart  und  zu  sehr  vom  Mutter- 
land im  Stiche  gelassen,  als  daß  man  ihnen  eine  glänzende  Zukunft 
voraussagen  könnte. 

* 

Die  spanischen  Besitzungen  sind  durch  den  französisch-spanischen  Vertrag 
vom  30.  November  191 2  genau  abgegrenzt  und  endgültig  festgesetzt 
worden.  Sie  umfassen  das  gesamte  Küstenland  des  einstigen  marokka- 
nischen Sultanats  mit  einigen  Häfen  am  Atlantischen  Ozean.  Tanger 
ist  internationale   Stadt  geworden. 


Sicher  hat  die  Geschichte  der  afrikanischen  Eroberungen,  Einverlei- 
bungen, Schutzherrschaften  nicht  gerade  viel  Erbauliches  an  sich.  Die 
europäischen  Regierungen  haben  die  Verteilung  Afrikas  geregelt,  ohne 
gerade  immer  von  ihren  Diplomaten  besondere  Aufrichtigkeit  und  von 
ihren  Militärs  besondere  Milde  zu  verlangen.  Aber  es  würde  vielleicht 
eine  zu  enge  Moral  bedeuten,  wollte  man  die  Europäer,  die  den  schwarzen 
Erdteil  doch  nicht  bloß  seiner  eigenen  Barbarei  überlassen  wollten,  deshalb 
als  Barbaren  verurteilen!  Obwohl  ihnen  allerdings  jede  uneigennützige 
Bestrebung  fernlag,  haben  sie  doch,  ganz  unabhängig  von  ihrem  Willen, 
den  armen  Menschenwesen,  die  diesen  Erdteil  bewohnten,  Hilfe  gebracht 
und  sich  nicht  davor  gescheut,  sich  in  ihre  Verhältnisse  unter  dem  Vor- 


Die  Herrschaft  der  Wissenschaft.  4^1 


wände  zu  mischen,  daß  jene  Unglücklichen  ein  Recht  auf  eine  Unabhängig- 
keit hätten,  die  sich  bald  als  weiter  nichts  als  ein  Aufgeben  ihres  ge- 
samten Volkstums  herausstellen  sollte.  Neben  den  Raub-  und  Beutekriegen 
gibt  es  doch  auch  solche,  die  die  Gesittung  fördern  und  durchaus  berechtigt 
sind;  es  sind  das  die,  die  dahin  Frieden  bringen,  wo  bisher  Anarchie 
wütete,  imd  Wohlbehagen  dahin,  wo  bisher  Gram  und  Kummer  herrschte*. 


Wie  Afrika,  ist  auch  Asien  der  wiederholte  Gegenstand  europäischer 
Ereiferung  und  Begeisterung  gewesen.  Aber  im  Gegensatze  zu  dem  ver- 
ödeten Afrika  übertrifft  das  unermeßliche  Asien  sogar  noch  Europa  an 
Bevölkerungszahl.  Die  Asiaten  sind  nicht  wilde  Neger,  sondern  zivilisierte 
Menschen,  ja  solche  von  einer  uralten  Zivilisation,  die  dereinstens  in 
höchster  Blüte  stand,  sie  sind  in  der  Mehrzahl  Gelbe,  deren  geistige  Be- 
fähigung  hinter   der  der  Weißen   nicht   sehr  zurücksteht. 

Um  sich  den  europäischen  Eroberungszug  durch  Asien  im  Verlaufe 
des  19.  Jahrhunderts  richtig  vorzustellen,  muß  man  sich  Asien  in  vier 
große  Bezirke  zerlegt  denken:  i.  den  sibirischen,  der  weit  größer  als  das 
gesamte  Europa  ist  (dreizehn  Millionen  Quadratkilometer)  und  weite  un- 
bebaute, von  ungeheueren  Strömen  durchlaufene  Flächen  sowie  Tannen- 
und  Birkenwälder  umfaßt,  die  fünf  Monate  hindurch  unter  dem  Schnee 
ihren  Winterschlaf  halten;  2.  den  ethnographisch  sehr  verschiedenartigen, 
nur  durch  das  gemeinsame  religiöse  Band  des  Islam  zusammengehaltenen, 
der  ganz  Vorderasien  umfaßt  (Kleinasien,  Kaukasien,  Persien,  Arabien, 
Syrien,  Mesopotamien,  Afghanistan);  3.  den  indischen,  der  von  dreihundert 
Millionen  Menschenkindern  bevölkert  ist;  4.  einen  weiteren  noch  volk- 
reicheren Bezirk,  den  Bezirk  der  Gelben,  d.  h.  der  Chinesen,  Japaner  und 
Indochinesen,   der  über  fünfhundert   Millionen   Bewohner  umfaßt. 


Der  sibirische  Bezirk,  d.  h.  das  ganze  nördliche  Asien,  ist  von  den 
Russen  kolonisiert  und  besetzt  worden.  Sie  hatten  zunäcl^st  nur  die  Ele- 
mente und  die  Entfernimg  zu  besiegen.  Nur  in  Ostasien  mußten  sie  die 
Chinesen  zurückdrängen.    Schon  im  Jahre  1720  hatte  Peter  der  Große  mit 


*  Das  ändert  nichts  an  der  prinzipiellen  Stellung  des  Pazifisten  Charles  Richet 
auch  zu  solchen  Kriegen.  Für  etwaige  Zweifler  bietet  den  schlagendsten  Beweis 
das  bereits  oben  S.  436  vom  Herausgeber  herangezogene  glänzende  satirische  Ge- 
dicht aus  seiner  hier  S.  IX  und  noch  weiter  unten  S.  520  Anm.  erwähnten  Fabel- 
Sammlung  Richets  „Der  Menschenfresser"  S.  100—104. 


4^2  Siebentes  Buch. 


dem  Hofe  von  Peking  zur  Erreichung  einer  ungefähren  Richtigstellung 
der  Landesgrenzen  verhandelt.  Es  war  das  eine  Art  Anfang  des  russi- 
schen Vordringens.  Schritt  für  Schritt  haben  sie  ihren  Fuß  im  Osten 
und  im  Süden  des  chinesischen  Riesenreichs  auf  ein  Stück  nach  dem 
andern  gesetzt.  In  den  Jahren  1854 — 1855  war  der  zum  Generalgouver- 
neur von  Ostsibirien  ernannte  General  Nikolai  Murawjew  siegreich  bis 
zu  dem  Meere  zwischen  China  und  Japan  vorgedrungen,  um  zum  Schlüsse 
noch  von  dem  ganzen  linken  Ufer  des  Amurflusses,  der  die  Grenze  zwi- 
schen China  und  Sibirien  bildet,  Besitz  zu  nehmen,  wofür  er  den  Grafen- 
titel und  den  ehrenden  Beinamen  Amurskij  erhielt.  Aber  weder  die  Be- 
siedeluiig  noch  die  Besetzung  konnten  endgültigen  Bestand  haben,  wenn 
nicht  Landstraßen  oder  noch  besser  Eisenbahnen  geschaffen  wurden.  So 
hat  sich  Rußlands  Bemühen,  besonders  in  den  Jahren  1889—1904,  auf 
die  Anlegung  einer  sibirischen  Eisenbahn  gerichtet.  Heute  durchquert 
ein  Eisenbahnnetz  den  riesigen  Weltteil  in  seiner  ganzen  Ausdehnung 
und  ermöglicht  vermittels  einer  nur  zwölftägigen  Fahrt  eine  Verbindung 
zwischen  den  russischen  Ostseehäfen  und  denen  der  chinesischen  Meere. 
Durch  diese  wundervolle  Leistung  haben  sich  erst  Sibiriens  Schätze 
richtig  ausnutzen  lassen,  und  ist  nun  erst  die  Erschließung  der  zahlreichen 
dortigen  Kupfer-,  Eisen-,  Piatina-  imd  Goldbergwerke,  Kohlengruben  sowie 
Petroleumquellen  herbeigeführt  worden.  Auch  haben  sich  endlose  Wal- 
dungen dargeboten,  die  man  sogleich,  vielleicht  zu  rasch,  abzuholzen  be- 
gonnen hat.  In  den  südlichen  Gegenden  wächst  das  Getreide  schnell  und 
liefert  reiche  Ernten;  die  Auswanderer  russischer  Zunge  kommen  in  gan- 
zen Scharen,  diese  Riesenflächen  zu  besiedeln,  und  die  Bevölkerungs- 
zunahme macht  rasende  Fortschritte. 


Für  die  Bekämpfung  dieses  unwiderstehlichen  russischen  Vorstoßes 
hatte  das  schwache  China  nichts  als  unwirksame  Einsprüche  und  leere  Ver- 
wahrungen;   ein   wirklicher  Widerstand  kam   erst  aus  Japan. 

Ein  bewaffneter  Zusammenstoß  erfolgte  um  Koreas  willen.  Korea  ist 
eine  große  Halbinsel  mit  sechs  Millionen  Bewohnern,  die  der  gelben  Rasse 
angehören  und  eine  mit  der  chinesischen  verwandte  Sprache  sprechen.  Von 
den  Japanern  in  Schutz  genommen,  waren  diese  mit  dem  Friedensver- 
trage von  Simonoseki  (17.  April  1895),  mit  dem  der  Chinesisch- Japanische 
Krieg  seinen  Abschluß  gefunden  hatte,  von  China  unabhängig  geworden. 
Aber  diese  Unabhängigkeit  war  nur  eine  scheinbare;  denn  in  der  Tat 
hatten  die  Japaner  damit  weiter  nichts  bezweckt  als  an  die  Stelle  der  chi- 


Die  Herrschaft  der  Wissenschaft.  4^3 

nesischen  ihre  eigene  Herrschaft  zu  setzen.  In  derselben  Zeit,  in  der  die 
Japaner  sich  beinahe  friedlich  in  Korea  festsetzten,  drangen  die  Russen 
beinahe  ebenso  friedlich  in  die  chinesischen  Grenzprovinzen,  d.  h.  in  die 
Mandschurei  ein.  Sie  bemächtigten  sich  der  Hafenstadt  Port  Arthur,  durch 
die  sie  eine  wichtige  Stellung  gewannen,  gehört  doch  ihr  Hafen  zu  den 
ersten  der  Welt,  der  eine  ganze  Flotte  zu  bergen  vermag.  Eine  Eisen- 
bahn vermittelt  zudem  den  Anschluß  von  Port  Arthur  an  die  große 
transsibirische  Bahn  bei  Mukden  und  Wladiwostok. 

Doch  durch  ihre  Siege  über  China  hochmütig  geworden  und  durch 
einen  Bündnisvertrag  mit  England  (1902)  hierin  noch  bestärkt,  verlangten 
nun  die  Japaner  von  Rußland  die  Räumung  der  Mandschurei.  Rußland 
versuchte  es  zunächst  mit  ausfweichenden  Antworten,  die  Japan  seiner- 
seits wieder  mit  der  Beschießimg  von  Port  Arthur  ohne  irgendwelche 
voraufgegangene    Kriegserklärung    beantwortete    (Februar    1904). 

Es  ist  dies  vielleicht  das  erstemal,  daß  zwei  im  Grunde  ihres  Wesens 
verschiedene  Menschenrassen  sich  in  zwei  großen  Heeren  einander  feindlich 
gegenüberstellten  imd  zum  Entscheidungskampfe  herausforderten.  Darin 
liegt  ja  gerade  die  Tragik  dieses  Krieges,  der  vielleicht  nur  ein  Vorspiel 
anderer  noch  schrecklicherer  Kriege  ist,  darf  man  doch  nicht  so  blind  sein, 
das  tatsächliche  Bestehen  einer  Gelben  Gefahr  zu  verkennen,  die  über  die 
Völker  Europas  unbestreitbar  einmal  hereinbrechen  wird,  einer  drohen- 
den, furchtbaren  Gefahr,  die  alle  kindischen  Eifersüchteleien  zwischen 
den  abendländischen  Mächten  zum  Schweigen  bringen  sollte  1  Dreihundert 
Millionen  Europäer  werden  eines  Tages  sechshundert  Millionen  Asiaten 
gegenüberstehen!  Sie  imterscheiden  sich  beiderseits  in  Rasse,  Sitte  und 
Sprache  von  Gnmd  aus,  sie  haben  weder  gemeinsame  Erinnerungen  aus 
der  Vergangenheit  noch  gemeinsame  Hoffnungen  für  die  Zukunft.  Es 
bestehen  zwischen  ihnen  nichts  als  schroffe  Gegensätze,  und  es  eröffnen 
sich  uns  recht  trübe  Aussichten  auf  furchtbare  Zusammenstöße. 

Der  Krieg,  der  sich  nun  zwischen  Rußland  und  Japan  entspann  (1904 
bis  1905),  zeigte  das  militärische  Übergewicht  der  Japaner  von  Anfang  an 
in  voller  Deutlichkeit.  Bereits  seit  dem  Jahre  1865  hatten  sie  unsere  euro- 
päischen Einrichtungen  in  ihrer  Mehrzahl  angenommen,  ohne  aber  darum 
ihre  Ausdauer,  Zähigkeit,  Manneszucht  und  Todesverachtung,  die  er- 
erbten Tugenden  ihrer  Rasse,  einzubüßen.  Unter  vorzüglicher  Führung 
und  von  einem  tadellosen  Menschenmaterial,  legten  sowohl  das  Land- 
heer wie  die  Flotte  der  Japaner  einen  stoischen  Mut  an  den  Tag,  mit  dem 
sie  überall  siegreich  waren.  Alsbald  wurde  Port  Arthur  beschossen  und 
11  Riebet,  Geschichte  der  Menschheit,  II. 


454  Siebentes  Buch. 


durch    Einschließung   gesperrt.     Gleichzeitig   damit    wurde    Rußlands   ost- 
asiatische Flotte  bei  Port  Arthur  völlig  vernichtet   (10.  August   1904). 

Auch  das  nur  äußerst  langsam  und  höchst  schwierig  durch  die  trans- 
sibirische Bahn  beförderte  russische  Landheer  war  nicht  glücklicher  als 
die  Flotte.  Kuropatkin,  der  dasselbe  befehligende  General,  marschierte 
auf  Port  Arthur,  vor  dem  die  Japaner  als  Belagerer  standen.  Aber  nach 
einer  Reihe  von  unglücklichen  Schlachten  wurde  er  in  dem  dreitägigen 
blutigen  Ringen  bei  Mukden  gänzlich  zu  Boden  geschlagen  (i.  September 
1904). 

Die  im  Hafen  von  Port  Arthur  eingeschlossenen  russischen  Schiffe 
retteten  sich  schließlich  aus  demselben,  doch  nur  dazu,  um  sich  gleich 
darauf  vernichten  zu  lassen  (10.  August  1904).  Bald  mußte  sich  nun  auch 
Port  Arthur  ergeben  (2.  Januar  1905), 

Die  Ostsee-  und  Schwarzmeerflotte  aber,  schlecht  befehligt,  schlecht 
ausgerüstet  und  unfähigen  Offizieren  als  auch  ungeschulten  und  zuchtlosen 
Matrosen  überlassen,  wie  sie  war,  wurde  nach  einer  langen  Irrfahrt 
zwischen  Kronstadt  und  Wladiwostok  in  der  Schlacht  bei  Tsuschima  ver- 
nichtet (27.  Mai  1905).  Ein  glänzender  japanischer  Sieg,  dem  Rußlands 
Flotte  ebenso  ihren  völligen  Untergang  verdankte,  wie  Rußlands  Land- 
heer dem  Siege  bei  Mukden. 

Aber  mitten  in  ihrem  Siegeszuge  wußten  die  Japaner  sich  zu  mäßigen, 
ihren  Tatendrang  zu  bändigen  und  sich  den  Friedensvorschlägen  der 
Feinde  nicht  völlig  unnachgiebig  zu  zeigen.  Sie  erlangten  für  sich  Port 
Arthur,  Korea  und  den  südlichen  Teil  der  Insel  Sachalin.  Die  Mandschurei 
fiel  zwar  dem  Namen  nach  an  China  zurück,  doch  behielten  die  Russen 
dort  nach  wie  vor  ihre  Niederlassungen  (Friede  zu  Portsmouth  28.  August 

-  1905). 

Durch   diesen   traurigen  Krieg  hatte   sich   Rußland  auf  lange   Zeit   hin 
geschwächt  und  damit  gewissermaßen  auch  gleichzeitig  ganz  Europa  eine 
moralische  Demütigung  gegenüber  der  Gelben  Rasse  gebracht.    Doch  es 
hieße  die  Bedeutung  militärischer  Ereignisse  im  allgemeinen  wie  auch  der 
vorliegenden  im  besonderen  übertreiben,  wenn  man  daraus  auf  eine  Über- 
legenheit der  Gelben  über  die  Weißen,  ja  auch  nur  auf  ihre  Ebenbürtig- 
I  keit  mit  ihnen  schließen  wollte.    Wenn  die  Japaner  am  Ende  triumphieren 
I  konnten,  so  hatten  sie  das  einzig  und  allein  dem  Umstände  zu  verdanken, 
!  daß   sie   Panzerschiffe,   Gewehre,   Geschütze,   Pulver,   Strategie  und  Taktik 
i  der  Europäer  angenommen  hatten.   Sie  sind  geschickte  und  treffliche  Nach- 
I  ahmer  gewesen.   Mehr  nicht  I   Die  Schüler  haben  allerdings  in  jenen  Tagen 
I  ihre  Lehrer  noch  an  Leistungen  überboten.    In  jedem  Falle  wird  sich  jetzt 


Die  Herrschaft  der  Wissenschaft.  q55 

Europa  gewarnt  fühlen,  die  Gelbe  Rasse  nicht  mehr  als  einen  wenig  in 
Betracht  kommenden  Posten  in  Rechnung  zu  stellen. 


Ebenso  unglückliche  wie  im  östlichen  Hinterasien,  sind  die  Ereignisse 
für  Rußland  in  Vorderasien  glückliche  gewesen.  Ist  diese  osteuropäische 
Macht  den  Japanern  gegenüber  auf  Widerstand  gestoßen,  so  hat  sie  im 
Gegensatze  dazu  den  mohammedanischen  Völkerschaften  gegenüber  bei 
ihrem  Vordringen  nur  Erfolge  aufzuweisen. 

Rußlands  Eroberung  der  Welt  des  Islams  in  Asien  nahm  ihren  An- 
fang beim  Kaukasus  zwischen  dem  Kaspischen  See  und  dem  Schwarzen 
Meere.  Im  Südosten  Rußlands  und  Europas  erhebt  sich  als  Grenzwache 
gegen  Asien  und  die  Asiatische  Türkei  dieses  so  steile  Gebirge,  dessen 
Täler  von  urwüchsigen,  noch  halb  wilden  Völkerstämmen  bewohnt  werden, 
bei  denen  ein  höchst  buntes  Genüsch  von  Sprachen  und  Religionsbekennt- 
nissen herrscht.  Es  bedurfte  zu  ihrer  Unterwerfung  über  sechzig  Jahre 
(1800 — 1860).  Gegenwärtig  sind  diese  kaukasischen  Gegenden,  wenn  auch 
vielleicht  nur  vorübergehend,  endlich  in  friedlichen  und  ruhigen  Zuständen. 
Sie  werden  von  nahezu  neun  Millionen  Menschen  bewohnt,  die  die  russische 
Herrschaft  nunmehr  ohne  Widerstand  anzunehmen  scheinen. 

Südlich  vom  Kaukasus  liegt  Armenien,  ein  nicht  recht  scharf  umgrenztes 
Gebiet,  das  im  Norden  vom  Schwarzen  Meer  abgeschlossen  und  von  einer 
christlichen  Bevölkerung  bewohnt  wird.  Die  Armenier  haben  nicht  nur 
ihre  eigene  Kirche,  eine  der  römisch-katholischen  nahestehende,  sondern 
auch  ihre  eigene  Sprache,  die,  obschon  von  uralter  semitischer  Herkunft, 
gleichwohl  ihre  ursprüngliche  Reinheit  bewahrt  hat.  Religion,  Sprache, 
Geschichte,  Sitten,  Literatur,  all  das  zusammengenommen  genügt  walir- 
hafiig  vollauf,  um  ein  selbständiges  Volkstum  auszumachen.  Doch,  wie- 
wohl die  drei  Millionen  Armenier  volles  Anrecht  darauf  haben,  ein  eigent- 
liches Volk  zu  bilden,  ist  es  ihnen  doch  nie  g'elungen,  einen  unabhängigen 
Staat  zu  gründen.  Sie  schwanken  immer  zwischen  zwei  Despotien  hin 
und  her,  nämlich  der  Rußlands  und  der  der  Türkei,  die  sich  beide  in 
die  Herrschaft  über  sie  teilen  und  nur  über  eines  jeden  Anteil  an  derselben 
dauernd  im  Streite  liegen.  Die  Türkei  geht  von  Zeit  zu  Zeit  mit  Massen- 
schlächtereien gegen  die  unglückliche  Bevölkerung  vor,  Rußland  mit  der 
unerbittlichen  Härte  willkürlicher  Verwaltungsmaßregeln;  die  europäischen 
Regierungen  aber  schauen  dem  Elend  Armeniens  ruhig  zu,  ohne  auch  nur 
irgendwelchen  Einspruch  zu  erheben,  ja,  ohne  auch  nur  ein  einziges  Mal 
ihrer  Entrüstung  Ausdruck  zu  geben.  Übrigens  büßt  die  türkische  Re- 
11* 


456  Siebentes  Buch. 


gierung,  die  ebenso  schwach  wie  unheilvoll  ist,  immer  mehr  von  ihrem 
Einfluß  ein,  so  daß  das  Schwarze  Meer  sich  von  Tag  zu  Tag  sichtbarer 
zu  einem  russischen  Binnengewässer  entwickelt. 

Mit  dem  Kaspischen  See  und  dem  Aralsee  steht  es  nicht  anders,  hat  doch 
Rußland  im  Laufe  der  Zeit  ganz  Afghanistan  und  Persien  mit  seinen  In- 
genieuren, Kaufleuten  imd  Soldaten  überschwemmt.  Zunächst  eroberte 
es  die  beiden  Staaten  Khiwa  und  Buchara  (1840 — 1873),  womit  es  einen 
Gebietszuwachs  von  dreiundeinerhalben  Million  Quadratkilometer  —  was 
einer  siebenmal  so  großen  Fläche  wie  ganz  Frankreich  entspricht  —  mit 
sieben  Millionen  Bewohnern  erhalten  hat.  Es  sind  das  dürre  und  heiße 
Landstriche,  die  ebenso  unfreundlich  sind,  wie  die  sie  einnehmenden  Völker- 
schaften, die  wenig  zivilisiert,  händelsüchtig  und  räuberisch  sind  und 
vor  allem  mit  einer  wahrhaft  wilden  Glaubenswut  der  Religion  des  Islam 
angehören. 


Je  mehr  sich  nun  die  russische  Macht  nach  Süden  ausbreitete,  um  so 
heftiger  stieß  sie  mit  der  englischen  zusammen,  die  sich  in  derselben  Zeit 
umgekehrt  immer  mehr  über  das  Himalajagebirge  hinweg  nach  Norden 
ausdehnte. 

Schon  im  Jahre  1837  suchten  die  Engländer  Afghanistan  zu  unterwerfen 
und  als  Eroberer  in  jene  Bergtäler  einzuziehen,  die  von  den  Hochebenen 
des  Himalaja  nach  Nordwesten  abfallen.  Aber  unter  allen  diesen  so  krie- 
gerischen asiatischen  Völkerschaften  sind  wohl  die  Afghanen  die  aller- 
kriegerischsten,  und  so  gelang  es  ihnen,  das  kleine  englische  Heer  voll- 
kommen zu  Boden  zu  werfen  (1842),  Ohne  sich  durch  dieses  Mißgeschick 
entmutigen  zu  lassen,  kamen  die  Engländer  noch  einmal  in  genügender 
Stärke  wieder  und  rückten  nun  in  die  Hauptstadt  von  Afghanistan,  Kabul, 
ein.  Aber  aus  Besorgnis  vor  einem  blutigen  und  kostspieligen  Kriege  be- 
gnügten sie  sich  hierauf  damit,  ein  Bündnis  zu  schließen,  anstatt  eine 
Schutzherrschaft  einzurichten.  Das  Bündnis  dauerte,  so  gut  es  eben  ging, 
bis  zum  Jahre  1884.  Als  die  Engländer  nun  den  Einfluß  der  Russen  auf  die 
afghanischen  Häuptlinge  in  Kabul  selbst  immer  mehr  im  Steigen  begriffen 
sahen,  begannen  sie  sich  allmählich  zu  beunruhigen.  Es  wurde  ein  englischer 
Einschüchterungsfeldzug  unternommen,  durch  den  es  auch  wirklich  ge- 
lang, den  Russenschützling  Emir  Scher  Ali  aus  Kabul  zu  vertreiben  (1878). 
Bis  zum  Jahre  1884  blieben  nun  noch  die  englischen  und  russischen  Be- 
ziehungen sehr  gespannt,  und  es  schien  jeden  Augenblick  der  Krieg 
hereinbrechen   zu  wollen.    Da  kam  zu   Kabul   ein   Vertrag  zustande.    Die 


Die  Herrschaft  der  Wissenschaft.  4^7 

Russen,  die  Merw  (1884)  und  Pendscheh  (1885)  besetzt  hatten,  be- 
hielten diese  beiden  Städte,  während  die  Engländer  mit  der  Schutz- 
herrschaft über  das  ganze  übrige  Afghanistan  betraut  wurden  und 
so  dadurch,  daß  ihnen  nun  auch  noch  die  in  das  Hochland  von 
Afghanistan  führenden  nördlichen  Ausläufer  des  Himalaja,  ein  Teil 
von  Pamir,  zufielen,  den  natürlichen  Abschluß  für  ihren  indischen  Besitz 
erlangten.  Die  endgültige  Grenzregelung  zwischen  dem  russischen  Tur- 
kestaii  und  dem  englischen  Afghanistan  wurde  einem  gemischten  Aus- 
schuß übertragen,  der  seine  Aufgabe  bis  zum  Jahre  1895  zu  erledigen 
hatte.  Afghanistan  mit  seinen  fünf  Millionen  Bewohnern  bewahrte  zwar 
dem  Namen  nach  seine  staatliche  Unabhängigkeit,  wurde  ihm  doch  sein 
Herrscher,  sein  Heer  und  sein  Staatshaushalt  vollkommen,  wie  bisher, 
belassen,  aber  in  Wirklichkeit  wurde  es  der  englischen  Regierung  unter- 
stellt, die  ihm  eine  regelmäßige  Jahresbeisteuer  zu  entrichten  hatte. 

So  sollte  die  russische  Durchdringung  Asiens,  nachdem  sie  im  Nord- 
osten bei  Japan  einen  Widerstand  gefunden  hatte,  im  Süden  vor  England 
haltmachen  müssen.  Heute  stehen  sich  auf  dem  Hochlande  von  Pamir, 
dem  Dache  der  Welt,  drei  gewaltige  Völker  gegenüber:  China,  Rußland 
und  England. 


Der  einzige  Staat  Mittelasiens,  der  noch  einen  Schein  von  Selbstän- 
digkeit bewahrt  hat,  ist  Persien.  Die  Geschichte  Persiens  war  einst  ruhm- 
voll. Noch  im  18.  Jahrhundert  hatte  sie,  wenn  sie  auch  bereits  damals  ihres 
alten  Glanzes  verlustig  gegangen  und  auch  nicht  mehr  so,  wie  einst,  reich 
an  Dichtern,  Gelehrten  und  Geschichtschreibern  war,  unter  dem  Schah 
Nadin  eine  Art  Wiedergeburt  ihres  einstigen  Ruhmes.  Aber  mit  dem  Tode 
dieses  Eroberers  (1747)  fiel  das  Persische  Reich  wieder  auseinander,  mach- 
ten sich  doch  Belutschistan  und  Afghanistan  selbständig. 

Später  mußte  Persien  noch  die  verschiedensten  Kriege  über  sich  ergehen 
lassen,  in  denen  es  der  Reihe  nach  mit  den  Türken,  den  Russen  und  den 
mit  den  Engländern  verbündeten  Afghanen  zu  kämpfen  hatte.  Alle  diese 
Kämpfe  waren  unglücklich,  und  das  Ansehen  des  Schah  schwand  immer 
mehr.  Im  gegenwärtigen  Augenblick  ist  Persien,  obschon  dem  Namen 
nach  unabhängig,  doch  in  Wahrheit  unter  dem  völligen  Einflüsse,  ja  ge- 
radezu unter  der  Schutzherrschaft  Rußlands,  ein  Schicksal,  mit  dem  sich 
die  Engländer  merkwürdigerweise  so  ziemlich  abgefunden  zu  haben 
scheinen.  f 

*  * 


458  Siebentes  Buch. 


Der  alleräußerste  Westen  Asiens  untersteht  der  Regierung  des  Sultans 
in  Konstantinopel;  es  ist  die  Asiatische  Türkei  mit  achtzehn  Millionen 
Bewohnern.  Vergebens  sucht  man  in  ihrer  Geschichte  schon  lange  etwas 
Bemerkenswertes.  Frankreich,  England,  Rußland  und  seit  1871  auch 
Deutschland  haben  sich  sämtlich  bemüht,  in  den  dortigen  durch  dauernde 
religiöse  Feindseligkeiten  zerrissenen  Bevölkerungskreisen  (Moslems,  rö- 
mische Christen,  orthodoxe  Christen,  Juden,  Armenier)  heimischen  Handel 
und  Gewerbe  auszubreiten.  In  Syrien  ist  der  Jahrhunderte  alte  französisclie 
Einfluß  noch  immer  herrschend.  Anderseits  haben  die  Deutschen  die 
Anlage  einer  Eisenbahn  von  Bagdad  nach  Smyrna  oder  mit  andern  Worten 
vom  Persischen  Meerbusen  bis  zur  Straße  von  Konstantinopel  in  die  Wege 
geleitet.  Es  wird  das  die  schnellste  Verbindung  zur  Vermittlung  des  ge- 
samten Verkehrs  zwischen  Mitteleuropa  und  Indien  sein. 


Dessenungeachtet  zählen  in  Asien  eigentlich  nur  zwei  europäische  Völker : 
die  Russen  und  die  Engländer. 

Die  Macht  der  Engländer  ist  eine  ganz  gewaltige.  Sie  besitzen  Indien, 
dessen  Reichtum  in  bezug  auf  seine  Bevölkerungszahl,  die  Fruchtbarkeit 
seines  Bodens,  die  Ausdehnung  seines  Gebiets  (fünf  Millionen  Quadrat- 
kilometer) und  die  seit  Hunderten  von  Geschlechtern  dort  angehäuften 
Schätze  erstaunenswert  ist.  Wie  ein  Wunder  wirkt  es,  die  unbedingte 
Untertänigkeit  dieser  Riesen  Völker  (dreihundert  Millionen  Seelen)  zu  be- 
obachten, noch  dazu,  wenn  man  bedenkt,  daß  sie  nur  auf  einem  englischen 
Heere  von  der  winzigen  Stärke  von  fünfundsiebzigtausend  Mann  beruht. 
Man  sieht:  nicht  die  physische,  sondern  die  sittüche  Macht  regiert  die 
Weit^  "'"         -<™--~-^;-^-^«— —      -  —  , 

Aber  auch  den  Nachbarvölkern  Indiens  wollen  die  Engländer  ihre  Un- 
abhängigkeit nicht  lassen.  Sie  dehnen  ihren  Einfluß  nach  Norden  auf 
Belutschistan  und  Afghanistan  aus,  im  Osten  haben  sie  Birma  an  sich 
gerissen,  eines  der  fruchtbarsten  Länder  Hinterindiens  mit  acht  Millionen 
Bewohnern  (1885).  Seit  1815  behaupten  sie  die  Halbinsel  Malakka;  seit 
18 19  haben  sie  auch  die  südUch  davon  gelegene  Insel  Singapur  in  Besitz 
mit  der  gleichnamigen  Hauptstadt,  die  die  reichste  unter  allen  Hafen- 
städten Indiens  und  eine  große  fast  ausschließlich  chinesische  Handels- 
stadt ist,  die  auf  dem  Seewege  nach  Australien  und  China  liegt.  In  Asien 
wie  in  Afrika  haben  die  Engländer  stets  die  fettesten  Stücke  für  sich  zu 
nehmen  verstanden. 


Die  Herrschaft  der  Wissenschaft.  ^•^Q 

Aber  es  ist  das  auch  stets  zum  Besten  der  unterworfenen  Völker  gewesen. 
Wie  die  Römer  in  die  Barbarenwelt  Ordnung  und  Frieden  gebracht  haben, 
so  haben  es  auch  die  Engländer  in  das  von  Hungersnöten,  Seuchen,  Krie- 
gen, Erpressungen,  Elend  aller  Art  heimgesuchte  Indien.  Der  britische 
Friede  ist  hier  ebenso  wohltätig  wie  einst  der  römische  in  dem  alten  Welt- 
reiche gewesen.  -      . 

Gleichwohl  ist  auch  dieser  Riesenbau  gebrechlich.  Gerade  seine  Größe 
bildet  seine  Gefahr.  Die  indische  Bevölkerung  zeigt  unter  dem  Schutze 
der  englischen  Verwaltung  ein  schnelles  Wachstum.  Ohne  wenigstens  vor- 
läufig noch  den  Europäern  offen  feindselig  zu  sein,  hält  sie  sich  doch 
jedenfalls  beiseite  und  mischt  sich  mit  ihnen  nicht.  Sollte  sie  sich  erst 
einmal  der  Kraft  bewußt  werden,  die  ihr  ihre  unermeßliche  Größe  verleiht, 
dann  wird  sie  das  fremde  Joch  schnell  abgeschüttelt  haben.  Eroberungen 
können  sich  in  diesem  ihrem  ursprünglichen  Zustande,  d.  h.  mit  unter- 
worfenen Volksmassen  auf  der  einen  und  herrschenden  auf  der  andern 
Seite,  mehrere  Jahrhunderte  hintereinander  durch  nichts  anderes  als  ent- 
weder durch  die  völlige  Ausrottung  der  Eingel^orenen  oder  durch  ihre 
langsame  Vermischung  mit  den  Siegern  halten.  Nun  sind  in  Indien  beide 
Eosüngen  gleichwenig  möglich,  vmd  das  ist  es,  was  die  Zukunft  des  eng- 
lisch-indischen   Reiches    so   unsicher   macht. 


Der  größte  Teil  von  Hinterindien  ist  gegenwärtig  Frankreich  Untertan. 

Die  französische  Besitzergreifung  geht  bis  auf  das  Jahr  1858  zurück. 
Sie  hat  sich  allmählich  über  die  ganze  Halbinsel  ausgedehnt,  weniger  viel- 
leicht durch  das  überlegte  ehrgeizige  Streben  der  Franzosen,  als  durch  jenes 
unentrinnbare  Schicksal  in  jedweder  erst  einmal  eingeschlagenen  Kolonial- 
politik, das  zur  Behauptung  einer  erst  einmal  gewonnenen  von  feindlichen 
Völkern  umgebenen  Besitzung  eine  immer  weitere  Ausdehnung  in  die  be- 
nachbarten Gebiete  hinein  und  eine  immer  weitere  Vorschiebung  der 
Grenzen  verlangt.  Im  Anfange  war  ausschließlich  von  Saigun  die  Rede 
gewesen,  das  dann  auch  besetzt  wurde  (1858),  aber  schon  wenige  Jahre 
später  kam  Kambodscha  heran  (1863),  dann  Cochinchina  und  das  Mekong- 
deha  (1867)  und  schließlich  auch  noch  Tonkin  (1874). 

Die  zunächst  nur  vorläufige  Besetzung  Tonkins  vom  Jahre  1874  war 
erst  im  Jahre  1884  abgeschlossen,  führte  aber  zu  einem  Kriege  mit  China, 
der  recht  ernst  war.  Schließlich  mußten  dank  der  Teilnahmt  der  von 
Admiral  Courbet  wunderbar  geleiteten  Flotte  Chinesen  wie  Anamiten  die 
Waffen    strecken.     Frankreich    wurde    unumschränkter    Herr    von   Tonkin 


i:|6o  Siebentes  Buch. 


und  Cochinchina,   die   nun   französische   Kolonien   wurden,   während  Kam- 
bodscha  französisches  Schutzgebiet  geworden  war. 

Das  gesamte  hinterindische  oder,  wie  es  auch  genannt  wird,  indo- 
chinesische Kolonialreich  Frankreichs  wird  von  zwanzig  Millionen  den 
Chinesen  ähnlich  sehenden  Menschen  der  gelben  Rasse  bewohnt;  es  sind 
friedliche  Buddhisten,  Fischer  und  Landwirte,  die  zwar  nüchtern,  sanft- 
mütig und  gefügig,  aber  faul  und  hinterlistig  sind.  Das  Land  ist  reich, 
aber  der  Gesundheit  nicht  recht  zuträglich.  Die  Zukunft  der  französischen 
Kolonialmacht  in  Hinterindien  ist  noch  ungewisser  als  die  der  englischen 
in  Vorderindien;  es  ist  doch  wohl  kaum  wahrscheinlich,  daß  diese  zwanzig 
Millionen  Menschen,  die  von  gleicher  Rasse,  gleicher  Religion  und  fast 
gleicher  Sprache  wie  die  mit  ihnen  benachbarten  vierhundert  Millionen 
Chinesen  sind,  sich  die  endgültige  Unterwerfung  unter  einer  kleinen 
Schar  von  französischen  Soldaten,  Seeleuten  und  Verwaltungsbeamtsn, 
lauter  Ausländern,  die  für  sie  Barbaren  sind,  gefallen  lassen. 


Der  einzige  unabhängige  Staat  Hinterindiens  ist  Siam  mit  sechs  Millionen 
Einwohnern.  Es  ist  dies  ein  Pufferstaat,  der  sich  zwischen  den  französischen 
und  englischen  Besitzungen  einschiebt,  in  dem  aber  der  ältere  und  beharr- 
lichere englische  Einfluß  vorherrscht. 


Die  asiatische  Großmacht  ist  China.  Seine  Geschichte  und  Zivilisation 
gehen  bis  in  das  graueste  Altertum  zurück;  das  Riesenreich  von  zehn 
Millionen  Quadratkilometern  wird  von  den  verschiedensten  Völkerschaften 
bewohnt,  doch  die  sind  heute  alle  unter  einer  und  derselben  Herrschaft 
geeinigt,  sprechen  die  Mundarten  einer  und  derselben  höchst  rohen  flexions- 
losen und  agglutinierenden  Sprache  und  bekennen  sich  zu  einer  und 
derselben  Reliigion^  einem  entarteten,  Jn_  imzählige  Sekten  zerrissenen 
Buddhismus. 

Der  Buddhismus  ist  keineswegs  in  China  entstanden,  sondern  wurde 
vielmehr  von  einem  Inder,  dem  jungen  Königssohne  Sakja-Moni,  etwa 
sechshundert  Jahre  vor  Christi  Geburt,  begründet.  Vor  Sakja-Moni  war  die 
Religion  der  Hindus  ein  wirrer,  schwärmerischer,  dunkler  und  verwickelter 
Pantheismus,  der  Brahmanismus  oder  Brahmadienst.  Gewisse  heilige 
Schriften,  die  Veden,  lehrten  eine  märchenhafte  Schöpfungsgeschichte,  die 
meist  wunderlich  verzerrt,  aber  auch  stellenweise  dichterisch,  wie  die  der 


Die  Herrschaft  der  Wissenschaft.  4^  * 

Griechen,  und  erhaben,  wie  die  der  Juden,  war.  Im  Grunde  aber  gab  diese 
brahmanische  Religion  trotz  einiger  edler  Sittenvorschriften  nur  ein  kind- 
liches Bild  von  der  Welt. 

Brahma,  Jupiter,  Jehovah  sind  die  natürlichen  Gestalten,  unter  denen 
sich  die  Menschheit  in  ihrer  Kindheit  die  ihr  durch  ihre  Wirkungen 
Furcht  und  Schrecken  einflößenden  Urkräfte  des  Weltalls  vorgestellt  hat. 
Als  der  Mensch  niui  aber  schärfer  zu  denken  begann,  gestaltete  er  jene 
anfänglich  noch  so  rohen  Entwürfe  nun  erst  richtig  aus  oder  auch 
vgllig  neu.    Einer  dieser  Neugestalter  war  Buddha. 

Ganz  wie  Christus  und  wie  Mohammed,  hat  auch  Buddha  die  ver- 
wickelten Götterlehren  durch  eine  einfachere  Religion  ersetzt,  deren  wesent- 
licher Kern  die  Sittlichkeitslehre  ist.  Ganz  wie  Christus  und  wie  Moham- 
med, hat  auch  er  seiner  Lehre  die  Welt  erobeqrt.  Buddhas  Predigt  ist 
eines  der  größten  Ereignisse  der  Menschheitsgeschichte. 

Er  wurde  in  Nepal,  südlich  vom  Himalaja,  geboren.  Sein  Vater  v/ar 
ein  reicher  und  mächtiger  König.  In  dem  noch  so  völlig  jugendlichen 
Alter  von  achtzehn  Jahren  fühlte  sich  der  Jüngling  gegenüber  allen 
irdischen  Gütern  von  Ekel  ergriffen.  Er  verließ  seinen  Palast  und  zog 
bettelnd  von  Stadt  zu  Stadt,  die  neue  Lehre  zu  verkünden  und  das  Gute 
zu  predigen. 

Seine  Jünger  waren  sogleich  sehr  zahlreich.  Sie  schlössen  sich  zu 
religiösen  Gemeinschaften  zusammen,  die  kaum  hundert  Jahre  nach 
Buddhas  Tode  bereits  über  ganz  Indien  verbreitet  waren  *.  Bald  über- 
schritt die  neue  Religion  den  Indus,  um  nun  nach  Hinterindien  und 
dann  auch  nach  dem  götzendienerischen  China  zu  dringen.  Die  Er- 
oberung der  asiatischen  Welt  durch  den  Buddhismus  ist  ebenso  rasch 
vor  sich  gegangen,  wie  die  der  Welt  um  das  Mittelländische  Meer  durch 
den  Islam;  doch  im  Gegensatz  zu  dieser  hat  sie  sich  allein  durch  Über- 
redung ausgebreitet  und  niemals  mit  Blut  befleckt. 

Buddhas  Lehre  ist  vor  allem  Sittenlehre.  Sie  bringt  nur  wenige  sitt- 
liche   Dogmen   und   setzt    kaum  irgendeinen   rituellen   Kult   ein.     Buddha 


*  Im  dritten  vorchristlichen  Jahrhundert  trat  der  Fürst  der  Pantscha  und 
König  des  gesamten  Induslandes  A^oka  (Asoka)  (259 — 222)  feierlich  zum  Buddhis- 
mus über,  erhob  diesen  zur  Staatsreligion,  verpflanzte  ihn  nach  Ceylon  und  zeichnete 
sich  als  begeisterter  Buddhist  nun  vor  allem  durch  Großtaten  auf  sittlichem  Gebiete 
aus.  Er  setzte  sich  in  einer  noch  heute  vorbildlichen  Weise  für  religiöse  Duld- 
samkeit wie  für  die  Achtung  jedes  Lebens,  auch  das  der  Tiere,  und  ihren  Schutz 
ein    (Max  Victor  Fraenkl-Berlir). 


462  Siebentes  Buch. 


predigte  Mitleid  mit  alleji  leidenden  Wesen  * ;  er  befahl  Verzicht  auf  alle 
Freuden  und  Unterdrückung  aller  Begierden  mit  der  Begründung,  daß  das 
Ideal  des  Menschen  das  Nirwana,  d.  h.  die  Rückkehr  zum  Nichts  sei. 

Doch  auch  einer  Religion  haftet  die  Unbeständigkeit  alles  Mensch- 
lichen an;  auch  sie  muß  sich  beständig  umgestalten  und  dem  Geisteszustand 
der  sie  ausübenden  Völker  anpassen.  Nach  China  verpflanzt,  ist  denn  auch 
der  Buddhismus  in  engherzigen  Formeln  untergegangen,  wie  sie  dem  kin- 
dischen Geiste  des  Chinesen  entsprechen.  Hier  hat  diese  ursprünglich  so 
reine  Religion  schon  ihre  Priester  und  ihre  Pagoden,  bei  denen  die 
Gebete  um  so  eher  Gehör  finden,  je  lächerlicher  sie  sind,  aber  gleich- 
wohl auch  sie  noch  keine  Einheit  irgendwelcher  Art,  keinen  eigenen 
Priesterstand  in  seinen  verschiedenen  Abstufungen,  der  sich  nur  irgend 
mit  dem  der  christlichen  Kirchen  vergleichen  ließe,  auch  keinen  irgend- 
wie gearteten  dogmatischen  Unterricht,  wie  er  in  den  Moscheen  des 
Islam  betrieben  wird.  Es  handelt  sich  bei  dieser  chinesischen  Abart  des 
Buddhismus  mehr  um  eine  gewisse  Betätigung  religiösen  Lebens  in  seinen 
Anfangsstadien   als  um  wahrhaft  echte  Religion. 

In  bezug  auf  ihre  Sittenlehre  begnügen  sich  die  Chinesen,  mögen  sie 
Buddhisten  sein  oder  auch  keine,  mit  der  Annahme  der  im  übrigen  sehr 
edlen  Anschauungen  ihrer  beiden  großen  Weltweisen  Kung-fu-tse  (Con- 
fucius)  und  Lao-tse. 

Ihre  gesamte  Religionspflege  gründet  sich  auf  den  Totenkult.  Sie  glauben 
an  böse  oder  gute  Geister  und  entnehmen  diesem  Glauben  in  etwas  wirrer 
Weise  den  Gedanken  an  eine  Wiederauferstehung.  So  ist  die  große  Sorge 
eines  jeden  Chinesen  sein  ganzes  Leben  lang,  daß  er  bloß  nach  seinem 
Tode  neben  seinen  Ahnen  beerdigt  werde. 

I     Der  Familienvater  gilt  heilig.    Er  hat  seinen  Kindern  gegenüber  Recht 

[über  Leben    und  Tod.    Die  Hauptpflicht   eines   jeden  besteht  darin,    dem 

I  Willen  seines  Vaters  zu  gehorchen  und  sein  Grab  zu  ehren. 

'      Die  Chinesen  sind  alles:   Bauern,   Landarbeiter,   Fischer,   Kaufleute,  ja 

selbst  bisweilen  Wucherer,  aber  sie  haben  eine  unüberwindliche  Abneigung 

für  alle  militärischen  Dinge.    Das  schließt  aber  keineswegs  aus,   daß   sie 

von   einer   hohen   Todesverachtung,   ja   sogar   von   einer   beinahe   völligen 


*  B.  ging  so  weit,  daß  er  auch  keinem  Tiere  aus  irgendwelchen  Nützlichkeits- 
^ründen  ein  Leid  zuzufügen  erlaubte.  „Man  soll  nicht  töten  noch  irgendein 
lebendes  Wesen  töten  lassen  noch  es  billigen,  wenn  andere  eins  töten,  sondern  man 
soll  sich  enthalten,  dem  Wesen  ein  Leid  anzutun,  sowohl  denen,  die  stark  sind, 
als  denen,  die  in  der  Welt  zittern."  Satz  aus  dem  Ihammikasutta  des  Suttanipata 
(Max  Victor  Fraenkl-Berlin). 


Die  Herrschaft  der  Wissenschaft.  ^63 

Unempfindlichkeit  gegen  körperliche  Schmerzen  sind.  Stets  von  kriege- 
rischen und  habgierigen  Nachbarn  umgeben,  haben  sie  sich  gegen  Ein- 
fälle und  Plünderungszüge  zu  verteidigen  weder  vermocht  noch  auch  ver- 
standen. Sicher  ist  nichts  schöner  als  ein  friedlicher  Sinn,  aber  bei  alledem 
müssen  doch  auch  die  friedliebendsten  Völker  sich  immer  so  viel  Kraft 
erhalten,  um  nicht  andern  räuberischen  Völkern  eine  Beute  zu  werden. 
Das  Los  der  chinesischen  Volksklassen  ist  also  stets  ein  ziemlich  be- 
drängtes gewesen,  haben  sie  doch  nicht  sö  zu  rüsten  gewußt,  daß  sie  sich 
gegen  die  feindlichen  Überfälle  der  Mongolen,  Tataren  *  und  Turkomanen 
hinlänglich  zu  schützen  vermochten;  sie  haben  nur  durch  ihren  Kinder- 
reichtum ihr  Dasein  behauptet,  aber  beständig  in  höchst  elender  Knecht- 
schaft geschmachtet. 

Aber  bei  all  der  Unsicherheit  ihrer  Schicksale  haben  die  Chinesen  es 
gleichwohl  verstanden,  ein  wenig  die  Wissenschaft  und  auch  besonders 
die  Künste  zu  pflegen,  Ackerbau  und  Handel  zu  fördern  und  einige 
nützliche  Kleinigkeiten  im  Gebiete  des  praktischen  Alltagslebens  zu  er- 
finden. Sie  sind  nüchtern,  arbeitsam,  ausdauernd,  —  und,  wenn  sie  keinen 
besonderen  Entdeckungsgeist  haben,  so  verfügen  sie  doch  jedenfalls 
über  einen  reichen  Nachahmungssinn.  Ebenso  unfähig,  wie  sie  für  jeden 
Fortschritt  sind,  sind  sie  einem  solchen  auch  keineswegs  geneigt,  hul- 
digen nelmehi  der  Überzeugung,  daß  jede  Veränderung  verhängnisvoll 
sei.  Sie  bemühen  sich  also,  die  Überlieferungen  der  Ahnen  eines  jeden 
einzelnen  wie  auch  des  gesamten  Volkes  unverändert  weiterzugeben,  da 
sie  sich  außerhalb  derselben  kein  Heil  denken  können.  Sie  haben  sich 
lange  eingebildet,  daß  jede  Berührung  mit  den  Ausländern  zugleich 
ehrenrührig  und  verderblich  sei,  könnten  doch  die  fremden  Teufel  nur 
verkehrte  oder  unsittliche  Vorstellungen  ins  Land  bringen. 

Bis  zum  Jahre  1840  hatten  die  Chinesen  den  Europäern  alle  ihre  Häfen 
verschiösseh7T)le  von  ihren  Ahnen  zum  Schutze  gegen  den  Ansturm  der 
Tataren  erbaute  Große  Mauer  ist  als  ein  ihren  Geisteszustand  so  recht 
anschaulich  kennzeichnendes  Sinnbild  stehen  geblieben.  Es  ist  eine  Schranke 
gegen  ein  etwaiges  Eindringen  von  Kriegern  wie  Ideen  aus  dem  Auslande. 
Die  Achtung  vor  dem  Alten  wie  der  Abscheu  vor  dem  Neuein  bilden  das 
eigentümliche    Merkmal    chinesischen    Geistes. 

Die  Chinesen  haben,  wie  es  scheint,  schon  seit  unvordenklichen  Zeiten 
eine  Art  Buchdruckerkunst  mit  beweglichen  Lettern  getrieben;  doch  ihre 


*  Anm.  des  Herausgebers:  Fälschlich  Tartaren  mit  mißverständlicher  Anlehnung 
an  den  Tartarus,  die  Unterwelt,  benannt. 


464  Siebentes  Buch. 


^ 


Sprache  wie  ihre  Schrift  eignen  sich  wenig  zur  Verbreitung  und  gemein- 
verständlichen Behandlung  naturwissenschaftlicher  Forschungen  oder  auch 
der  Geisteswissenschaften.  Die  Schrift  ist  namentlich  so  verworren,  daß, 
um  es  in  ihr  zu  einer  gewissen  Meisterschaft  zu  bringen,  fast  ein  ganzes 
Leben  erforderlich  ist.  Für  die  Wertschätzung  eines  Chinesen  bietet  den 
besten  Maßstab  die  Schönheit  seiner  Schrift.  Die  Prüfungen,  die  er  in 
ununterbrochener  Folge  nacheinander  bestehen  muß,  um  die  Mandarinen- 
würde zu  erlangen  und  noch  höhere  gesellschaftliche  Stellungen  zu  erwarten, 
hängen  sämtlich  im  wesentlichen  von  den  mehr  oder  weniger  geschmack- 
vollen und  verfeinerten  Formen  ab,  in  denen  der  Haarpinsel  des  Kan- 
didaten den  Vorstellungen  seines  Geistes  die  äußere  Form  zu  geben  weiß. 

Die  Chinesen  besitzen  seit  langen  Jahrhunderten  eine  reiche  an  ge- 
schichtlichen, für  die  Bühne  bestimmten,  philosophischen,  medizinischen, 
dichterischen  Werken  fruchtbare  Literatur.  Allein  das  Abendland  hat  sich 
nur  selten  an  ihr  Studium  herangewagt.  Man  hat  hier,  vielleicht  mit  Un- 
recht, vorausgesetzt,  daß  dieser  unheimliche  Wust  von  Urkunden  von 
keiner  besonderen  Bedeutung  sei.  Wie  dem  auch  sein  mag,  der  Einfluß 
des  chinesischen  Geisteslebens  auf  das  europäische,  ebenso  wie  der  um- 
gekehrte,  ist  jedenfalls  völlig  belanglos  gewesen! 

Auch  auf  kunstgewerblichem  Gebiete  haben  die  Chinesen  einiges  ge- 
leistet, besonders  in  der  Weberei  schöner  Seidenstoffe,  ist  doch  die  Seiden- 
wirkerei eine  ihrer  glänzendsten  nationalen  Industrien.  Diese  Stoffe  nun 
haben  sie  mit  den  prächtigsten  Mustern  geziert  und  ebenso  mit  einer 
bei  ihnen  sonst  unbekannten  Emsigkeit  Vasen  angefertigt,  die  nicht  des 
Reizes  einer  gewissen  Schönheit  entbehren. 

Die  chinesische  Zivilisation,  die,  ohne  uns  zu  kennen  oder  uns  bekannt 
zu  werden,  sich  so  ohne  allen  Zusammenhang  mit  uns  entwickelt  hat,  hat 
es  freilich  nicht  zu  den  modernen  Wissenschaften  gebracht.  All  die  ganze 
unermeßliche  Anstrengimg  jener  Millionen  und  aber  Millionen  von  Men- 
schen ist  also  alles  in  allem  ziemlich  vergeblich  gewesen;  denn,  was  die 
Größe  und  Kraft  der  Menschheit  ausmacht,  ist  doch  die  moderne  Wissen- 
schaft, d.  h.  eine  immer  mehr  zunehmende  Bekanntschaft  mit  der  uns 
umgebenden  Welt  der  Wunder  der  Natur.  Der  Mensch  wird  doch  nicht 
mit  Fächern,  Porzellangefäßen  oder  Pagoden  die  Höhen  der  Kultur  er- 
reichen, die  er  erstreben  solll 

Wenn  sich  aber  die  chinesische  Kultur  so  wesentlich  von  der  europä- 
ischen unterscheidet,  so  ist  das  etwa  nicht  nur,  weil  die  Chinesen  die  Be- 
kanntschaft mit  unseren  Fortschritten  abgelehnt  haben,  sondern  augen- 
scheinlich ebenso  deshalb,  weil   auch   ihre  Rasse    eine  von  der  unserigen 


Die  Herrschaft  der  Wissenschaft.  4^^ 


völlig  abweichende  ist.  Sie  haben  die  gelbe  Haut,  die  schwarzen  eng- 
geschlilzten  Augen,  die  plattgedrückte  Nase,  die  ziemlich  niedrige  und 
zurücktretende  Stirn,  die  dichten  und  struppigen  schwarzen  Haare  und 
den  spärlichen  Bart  ihrer  Rasse  und  sind  so  ganz  verschieden  von  den 
Angehörigen  der  weißen.  Wenn  es  mithin  erlaubt  ist,  aus  den  Ergebnissen 
ihrer  Zivilisation  im  Vergleich  mit  denen  der  unserigen  einen  Schluß  zu 
ziehen,  so  darf  man  wohl  behaupten,  daß  die  Chinesen  der  weißen  Rasse 
gegenüber  minderwertig  sind. 

Wenn  auch  stets  nur  von  kleinem  Wüchse,  so  sind  sie  doch  im  allge- 
meinen kräftig,  geschickt,  widerstandsfähig  und  derart,  daß  sie  alle  nur 
erdenklichen  Anstrengimgen  und  Unbilden  der  Witterung  ohne  Klagen 
auf  sich  nehmen.  Nüchtern,  mäßig  imd  sparsam,  wie  sie  sind,  begnügen 
sie  sich  mit  sehr  niedrigen  Löhnen,  wandern  aber,  da  sie  infolge  ihres 
außerordentlichen  Kinderreichtums  im  eigenen  Lande  gar  zu  eng  bei- 
einander wohnen  müssen,  in  ungeheuren  Massen  aus,  um  nunmehr  mit 
den  europäischen  Arbeitern,  die  bedeutend  höhere  Löhne  fordern,  in  be- 
denklichen Wettbewerb  zu  treten.  Daher  ist  denn  auch  in  gewissen  Län- 
dern die  chinesische  Einwanderung  verboten,  z.  B.  in  Kalifornien  und 
Australien.  Wer  kann  wissen,  ob  nicht  einmal  in  absehbarer  Zeit  die  Ab- 
sperrung chinesischer  Arbeit  von  Ländern  außerhalb  Chinas  eines  dar 
gewichtigsten  volkswirtschaftlichen  Probleme  werden  wird? 

Nach  den  Eroberungszügen  der  Mongolen  mußte  China  die  der  Tatarsn 
über  sich  ergehen  lassen.  Mongolen  wie  Tataren  waren  Mitglieder  der 
gelben  Rasse  gleich  den  Chinesen  selbst.  Doch  die  Mongolen  und  Tataren, 
die  im  Gebirge  lebten,  waren  Krieger  geworden,  während  die  Chinesen, 
die  die  Ebenen  bewohnten,  niu"  friedliche  Ackerbauer  waren.  Nun  sind 
aber  die  ackerbautreibenden  Völkerschaften  nur  gar  zu  oft  dazu  bestimmt, 
von  den  ärmeren  und  rauheren,  mehr  kriegerischen  Bevölkerungen  über 
wältigt  zu  werden. 

Um  die  Mitte  des  17.  Jahrhunderts  stürzte  der  Anführer  dieser  man- 
dschurischen Tataren  die  altehrwürdige  chinesische  Mingdynastie.  Seinen 
Nachfolgern  gelang  es  nur  schwer,  Empörungen  zu  unterdrücken,  doch 
glückte  es  ihnen,  die  Nachbargebiete  Chinas,  nämlich  Turkestan,  die 
Mongolei  und  Tibet,  zu  erobern.  Kao-tsung  (1735 — 1796),  mit  seinem  Re- 
gierimgsnamen  Khien-lung,  der  vierte  König  der  Mandschudynastie,  konnte 
endlich  über  ein  gewaltiges  Reich  als  unumschränkter  Friedensherrscher 
gebieten.  Er  ließ  sich  nahezu  göttliche  Ehren  zuerkennen,  erklärte  sich 
als  den  Sohn  des  Himmels  imd  den  Gesandten  der  „unzivilisierten"  aus- 


466  Siebentes  Buch. 


M-^ 


wärt  igen  Herrscher  dermaßen    überlegen,  daß    keiner    von    ihnen  Zutritt 
zu  ihm  bekam. 

Es  war  damals  die  Zeit  der  großen  napoleonischen  Feldzüge,  und  Europa 
dachte  wahrlich  an  andere  Dinge  als  an  den  Verkehr  mit  China.  Doch 
mit  dem  Jahre  1815  änderten  sich  die  Dinge.  China  hatte  nur  einen  ein- 
zigen Hafen,  der  dem  europäischen  Verkehre  geöffnet  war,  nämlich 
Kanton,  neben  Macao,  dem  Freihafen  der  Portugiesen,  die  hier  bereits 
seit  zwei  Jahrhunderten  Handel  trieben.  Um  1820  gelang  es  den  Eng- 
ländern, die  die  Erben  der  portugiesischen  See-  und  Handelsmacht  ge- 
worden waren,  in  dem  letztgenannten  europäischen  Freihafen  das  Opium 
Indiens  an  die  Chinesen  verkaufen  zu  dürfen.  Bald  verbreitete  sich  die 
Sitte  des  Opiumrauchens  in  China.  Der  Sohn  des  Himmels  verbot  den 
"^  Opiumhandel,  wozu    er   vollkommen  berechtigt  war,    doch   wollte   er  auch 

die  Engländer  köpfen  lassen,  die  Opium  verkauft  hatten,  und  das  war* 
schon  viel  weniger  klug  von  ihm.  Es  folgte  zwischen  China  und  England 
ein  regelrechter  Krieg,  der  nicht  weniger  als  zwei  Jahre  dauerte  (1840 
bis  1842).  Die  englische  Flotte  drang  in  den  Jang-tse-kiang  ein,  und  so 
mußte  sich  der  Kaiser  von  China  trotz  seines  Stolzes  in  die  Abtretung 
der  Insel  Hong-kong  an  England  sowie  die  Öffnung  einiger  Häfen  für 
den  Auslandshandel  fügen;  es  waren  dies  außer  Kanton  die  Häfen  Amoy, 
Ning-po,   Fu-tschou-fu  und   Schang-hai  (Friedensschluß  zu   Nan-king  vom 

29.  August  1842).  "^ ~' 

-  Es    ist  wenig  rühmlich  für    die    europäische  Gesittung,  daß  sie  sich  in 

China  mit  dem  Opium  eingeführt  hat.    Die  Unglücklichen,  die  sich  diesem 

Laster  hingeben,  sinken  rasch  in  den  Zustand  tierischer  Verrohung  herab; 

sie    verlieren    alle  Kraft  und    allen  Verstand  und    richten  ihre  Gedanken 

ausschließlich  darauf,  sich  immer  wieder  jenem  verhängnisvollen  Genüsse 

des   Rauchens   hinzugeben,   bei  dem  sie  die  harte  Wirklichkeit  vergessen 

und  sich  in  die  schönsten  Träume  wiegen,    um    schließlich  der  Entartung 

.'j   und  dem  Tode  zu   verfallen.    Wenn   Europa  seine  Alkoholkrankheit   hat, 

I   hat   China   seine   Opiumkrankheit,   die  ihm  Europa  als   ein   Begrüßungs- 

I     geschenk,  eine  Art  Mitbringsel  gebracht  hat. 

'  '  Doch  das  Ansehen  der  Kaiser  der  Mandschudynastie  wurde  immer 
schwankender.  Von  allen  Seiten  strömten  die  Unzufriedenen  herbei.  Diebe 
und  Raubgesellen  beunruhigten  alle  Provinzen.  Der  Herrscher  vermochte 
nicht  mehr  die  Ordnung  aufrechtzuerhalten  und  die  Empörungen  nieder- 
zuwerfen. Die  schon  lange  zusammengetretenen  geheimen  Genossenschaften 
der  Tai-ping  warfen  sich  nun  zu  Herren  von  ganz  Südchina  auf,  um  die 
europäischen  Kaufleute  aufs  höchste  zu  belästigen;    Frankreich  und  Eng- 


Die  Herrschaft  der  Wissenschaft.  4^7 

land  traten  dazwischen  (1857).  Doch  richtig  begann  erst  im  Jahre  1860 
der  Krieg.  Die  vereinigten  Truppen  der  Franzosen  und  Engländer  rückten 
nun  bis  Pe-king  vor.  Der  Sommerpalast,  die  Kaiserliche  Residenz,  wurde 
gebrandschatzt  und  geplündert  (18.  Oktober  1860).  Rohe  Wieder  Vergeltung 
wurde  mit  einem  von  den  Chinesen  begangenen  treulosen  Mordanschlag 
verübt.  Sie  brachten  von  den  als  Unterhändler  geschickten  Europäern  nicht 
weniger  als  zwanzig  unter  gräßlichen  Foltern  um. 

Durch  den  Friedensvertrag  zu  Pe-king  (24.  Oktober  1860)  öffnete  sich 
nun  endlich  China  dem  Abendland  ein  wenig;  die  fremden  Regierungen 
bekamen  das  Recht,  sich  bei  dem  Hofe  zu  Pe-king  durch  bevollmächtigte 
Geschäftsträger  vertreten  zu  lassen. 

Durch  diesen  Krieg,  durch  den  China  so  recht  seine  entsetzliche 
Schwäche  zeigte,  wurde  die  Ländergier  der  Fremden  nur  noch  immer 
stärker. 

Bald  sollten  von  Norden  her  die  Russen  um  die  Mandschurei  herum, 
von  Süden  die  Franzosen  um  Hinterindien  und  —  am  bedrohlichsten  von 
allen  —  von  Osten  die  Japaner  mit  der  Aufteilung  Chinas  beginnan. 

Japan  ist  in  dreifacher  Beziehung,  geographisch,  ethnographisch  wie 
historisch,  in  seinem  Ursprung  und  noch  lange  darüber  hinaus  nur  im 
Zusammenhange  mit  China  zu  verstehen.  Allmählich  jedoch  sind  die 
Sitten  auf  dem  japanischen  Insel-  und  die  auf  dem  chinesischen  Fest- 
lande immer  mehr  auseinandergegangen.  China  blieb  im  wesentlichen 
demokratisch,  während  Japan  einer  eifersüchtig  an  ihren  Vorrechten 
hängenden  und  adelsstolzen  Aristokratie  untertänig  wurde,  deren  Mitglieder 
den  Namen  Daimio  *  führten.  Bis  zur  Revolution  im  Jahre  1868  war  die 
Regierungsform  eine  alsolute  Monarchie.  Der  Mikado,  der  sich  in  seinem 
Palast  eingeschlossen  hielt  und  ein  ebenso  beglaubigter  Sohn  des  Himmels 
wie  der  Kaiser  von  China  war,  begnügte  sich  mit  der  Stellung!  einer 
Art  unsichtbaren  und  unfehlbaren  Priesters,  der  alle  wirklichen  Macht- 
befugnisse dem  Sei  i  tai  shogun  (kurz  Shogun  genannt)  überließ,  seinem 
Kronfeldherrn,  der  mit  dem  Ehrentitel  Tai-kun  (=  Großer  Herr)  als  ein 
Majordomus  oder  Hausmeier,  wie  ihn  einst  die  fränkischen  Könige  über 
sich  gekannt  hatten,  und  als  der  Oberfeldherr  sämtlicher  Heere  im  Grunde 
der  eigentliche  unumschränkte  Herrscher  war,  der  die  Geschicke  des 
Landes  leitete. 

Hieraus   erwuchs   eine  Kette  fortgesetzter   Eifersüchteleien,   die    immer 


*   Anm.   des   Herausgebers:   Drei-  bzw.   viersilbig  zu  sprechen,  „Reichsvasallen, 
Vasallenfürsten",    buchstäblich    „Großer    Name". 


468  Siebentes  Buch. 


nur  befriedigt  wurden,  um  gleich  wieder  von  neuem  zu  erstehen.  Sie 
schlugen  zur  hellen  Flamme  empor  in  einer  Zeit,  wo  bereits  die  Europäer 
deutlich  ihre  Absicht  bekundeten,  in  Japan  einzudringen  (1864).  So 
konnte  sich  damals  zu  einer  und  derselben  Zeit  ein  Bürgerkrieg  und  ein 
Krieg  mit  dem  Ausland  abspielen.  Ein  aus  amerikanischen,  englischen, 
französischen  und  holländischen  Schiffen  bestehendes  Geschwader  schoß 
nun  die  Festungswerke  von  Simonoseki  in  Trümmer.  Japan  mußte  den 
Fremden  seine  Häfen  öffnen  (1865).  Drei  Jahre  später  machten  die 
Japaner,  die  mittlerweile  einsehen  gelernt  hatten,  daß  das  Zwiespältige  der 
zwischen  Mikado  und  Shogun  geteilten  Macht  ein  unheilbares  Maß  von 
Schwäche  in  seinem  Wesen  bärge,  die  große  Revolution,  die  eine  Um- 
wälzung in  ganz  Ostasien  hervorrief.  Der  Shogun  dankte  ab,  und 
alleiniger  Herr  wurde  der  Mikado  Mutsu-hito  (1868 — 191 2). 

Seit  jenem  Augenblicke  machten  sich  die  Japaner  mit  fieberhaftem 
Eifer  mit  den  Sitten  und  Erfindungen  der  Europäer  vertraut.  Sie  nahmen 
ihre  Bräuche  und  Gesetze  an  mit  Ausdehnung  ihrer  revolutionären  Um- 
gestaltung auf  die  sämtlichen  Einrichtungen  des  gesellschaftlichen  Lebens, 
aber  mit  einem  besonderen  Aufwand  ihrer  Kräfte  für  militärische  Dinge; 
sie  verschrieben  sich  Panzerschiffe  aus  England,  Geschütze,  Flinten  und 
Offiziere  aus  Deutschland,  Gesetzgeber  aus  Frankreich,  Ingenieure  aus 
den  Vereinigten  Staaten.  Mehr  als  tausend  Jahre  alte  ehrwürdige  Sitten 
fielen  mit  den  altersgrauen  Einrichtungen,  aus  denen  sie  emporgewachsen 
waren.  Im  Jahre  1871  wurden  die  Vorrechte  des  Adels  aufgehoben  und 
im  Jahre  1889  ein  parlamentarisches  Zweikammersystem  eingeführt.  Für 
das  Militär  herrscht  die  allgemeine  Dienstpflicht.  Ein  dem  französischen 
C<yde  civil  entsprechendes  Bürgerliches  Gesetzbuch  wurde  veröffentlicht 
(1892).  Laboratorien  wurden  erbaut  und  Universitäten  begründet,  die 
geschätzte  wissenschaftliche  Fachzeitschriften  herausgeben.  Gleichwohl 
haben  es  die  Japaner  noch  nicht  über  sich  gebracht,  ihre  so  barbarische 
Schrift  mit  ihrem  nicht  weniger  barbarischen  Alphabet,  die  beide  ein  so 
grausames  Hindernis  für  jeden  gesunden  Fortschritt  bilden,  ein  für 
allemal  aufzuheben. 

Nichts  ist  merkwürdiger  als  diese  so  jähe  und  gründliche  Umgestaltung, 
und  doch  hat  sich  diese,  wenn  auch  nicht  ohne  jeden  Widerstand,  so  doch 
ohne  irgendwelche  heftigeren  Zuckungen  vollzogen.  Alle  Klassen  der  Be- 
völkerung haben  dabei  denselben  Eifer  aufgebracht.  Es  gibt  kaum 
einen  zweiten  so  ergreifenden  Fall  in  der  Geschichte  irgendeines  Volkes, 
wie  diesen,  als  Beweis  dafür,  daß  der  Wille  einiger  weniger  tatkräftiger 
Menschen    den  Lauf    der  Ereignisse    aus    einer  Bahn    bringen    kann,  die 


Die  Herrschaft  der  Wissenschaft.  4^9 

bisher    unverrückbar    und    vom    Schicksal    unabänderlich    vorgeschrieben 
schien. 

Dank  dem  gewaltigen  Ausbau  ihres  Heeres  haben  die  Japaner  auch  im 
Jahre  1895  ^^^  Chinesen  und  im  Jahre  1905  die  Russen  vollkommen  zu 
besiegen  vermocht. 

Sie  gingen  aus  den  beiden  Kriegen  als  unbestrittene  Sieger  hervor  und 
benutzten  diese  ihre  Siege,  um  die  Grenzen  ihres  altehrwürdigen  Insel- 
reiches so  weit  auszudehnen,  wie  sje  sich  bisher  noch  niemals  seit  unvor- 
denklichen Zeiten  erstreckt  hatten.  Von  China  nahmen  sie  die  Insel  For- 
mosa,  die  Gruppe  der  Pong-hu  (Pescadores  oder  Fischerinseln)  und  einen 
Teil  der  Mandschurei;  Korea  wurde  unabhängig  erklärt.  Soweit  die  Er- 
gebnisse des  Friedensvertrages  zu  Simonoseki  vom   17.  April   1895. 

Aus  dem  Kriege  mit  Rußland  vom  Jahre  1905  erwuchsen  ihnen  noch 
größere  Vorteile,  derart,  daß  im  gegenwärtigen  Augenblicke  die  Japaner 
mit  ihrem  kriegsgewohnten  Heer  und  ihrer  blühenden  Flotte  als  unum- 
schränkte Gebieter  Koreas  und  der  Mandschurei  vor  allen  anderen  Völ- 
kern dazu  angetan  scheinen,   China  ihre  Herrschaft  auferlegen  zu  sollen. 

In  welcher  Gestalt?  Niemand  kann  das  vorauswissen!  Jedenfalls  ent- 
weder in  der  Gestalt  eines  läuternden  sittlichen  oder  in  der  eines  sich 
durchsetzenden  Verwaltungseinflusses. 

Im  Jahre  191 2  befreite  sich  China  endlich  von  seinen  erbärmlichen 
Kaisern,  den  schwächlichen  Erben  jener  einst  so  stolzen  Eroberer  der 
Mandschudynastie,  und  wurde,  wenigstens  seiner  äußeren  Regierungsform 
nach,  eine  Republik.  '  Doch  war  dies  nur  ein  leeres  Wort,  hatte  sich  doch 
in  der  Sache  nichts  geändert.  Es  sind  noch  immer  so  wesentliche  Reformen 
nötig,  um  den  verschiedenen  unzähligen,  unter  sich  gespaltenen,  so  un- 
kultivierten und  unkriegerischen  chinesischen  Volksstämmen  ein  gewisses 
Maß  von  innerem  Zusammenhange  zu  geben,  daß  den  Japanern  mit 
ihren  so  vervollkommneten  Einrichtungen  und  ihrer  so  straffen  Leitung 
durch  die  tatkräftigsten  Führer  die  Unterwerfimg  der  Chinesen  jetzt  keine 
besondere  Mühe  machen  würde. 

Doch  Chinas  Eroberung  durch  Japan  würde  weit  weniger  eine  Gefahr  für 
Europa  bilden  als  das  beiderseitige  Bündnis  derselben.  Vierzig  Jahre  haben 
genügt,  daß  Japan  durch  Annahme  der  europäischen  Fortschritte  eine 
furchtbare  Macht  geworden  ist.  Die  Chinesen,  die  von  Hause  aus  nicht 
weniger  befähigt  als  ihre  Brüder,  die  Japaner,  sind,  werden  unter  gleichen 
Umständen  dasselbe  vermögen,  und  dann  werden,  wenn  beide  die  von  uns 
gar  nicht  genug  zu  fürchtende  Weisheit  haben,  sich  von  jetzt  an,  anstatt 
sich  einander  zu  bekämpfen,  lieber  zu  vereinen,  sie  zusammen  eine  riesige 
12  Riebet,  Geschichte  der  Menschheit.  II. 


i^yo  Siebentes  Buch. 


feindliche  Masse  bilden,  gegen  die  Europa  nichts  vermögen  wird,  wenigstens 
solange  es  unter  sich  gespalten  ist. 

Wie  es  aber  auch  mit  den  Geschicken  der  Welt  bestellt  sein  mag,  die  in 
der  Zukunft  dunklem  Schöße  verborgen  liegen,  es  wird  sich  zunächst  wohl 
nur  auf  einen  Widerstand  gegen  die  Völkerschaften  der  Gelben  Rasse  von 
Seiten  der  Russen  und  ihrer  nächsten  Nachbarn,  der  Engländer,  rechnen 
lassen. 

In  Amerika  nahm  die  Republik  der  Vereinigten  Staaten  einen  immer 
größeren  Umfang  an,  und  stieg  ihr  Reichtum  zu  ganz  ungeahnten  Höhen. 
Das  Wachstum  der  Bevölkerungsziffer  war  ein  ganz  riesiges;  es  betrug 
in  Milüonen  gerechnet:  achtimdzwanzig  im  Jahre  1860,  fünfunddreißig 
im  Jahre  1870,  sechsundsiebzig  im  Jahre  1900,  zweiundneunzig  im  Jahre 
191  o,   also   voraussichtlich   hundert    Millionen   im  Jahre    191 5. 

Doch,  wie  es  scheint,  fühlen  sich  die  Amerikaner  trotz  der  Ausdehnung 
des  von  ihnen  bewohnten  Gebietes  und  ihrer  verhältnismäßig  noch  immer 
schwachen  Volksdichtigkeit  in  ihrem  Lande  gleichwohl  beengt  und  haben 
deshalb   ihr   unermeßliches    Reich   schon   lange   beständig   erweitert. 

Als  im  Jahre  1898  die  Insel  Cuba,  eine  spanische  Besitzung,  unter  einer 
allgemeinen  Anarchie  blutete,  benutzten  die  Vereinigten  Staaten  diese  Ge- 
legenheit, um  für  die  Aufständischen  Partei  zu  nehmen  und  Spanien  den 
Krieg  zu  erklären  (21.  April).  Von  der  spanischen  Flotte  war  bald  nichts 
mehr  zu  vernehmen,  und  die  Schwäche  Spaniens  zeigte  sich  noch  hand- 
greiflicher als  die  Stärke  der  Vereinigten  Staaten.  Aus  keinem  anderen 
Grunde  als  dem  der  eigenen  Wehrlosigkeit  mußte  Spanien  die  Waffen 
strecken  und  den  Vereinigten  Staaten  die  Philippinen  in  Asien  und  die 
beiden  Großen  Antillen  Portoriko  oder  richtiger  Puerto  Rico  sowie  Cuba 
in  dem  Westindischen  Inselmeere  überlassen  (Pariser  Friede  10.  Dezember 
1898).  Zwar  wurde  der  Insel  Cuba  äußerlich  die  Unabhängigkeit  zuerkannt. 
Diese  Unabhängigkeit  besteht  doch  nur  zum  Schein.  In  Wahrheit  ist  die 
Republik  der  Vereinigten  Staaten  durch  ihre  finanzielle  Beteiligung  an  allen 
cubanischen  Geschäften  vielleicht  noch  mehr  als  durch  die  Nähe  ihres 
Heeres  und  ihrer  Flotte  Herrin  und  Gebieterin  über  diese  Perle  der  An- 
tillen. 

So  sank  der  letzte  Stein  an  jenem  riesigen  Bau  dahin,  den  die  spanische 
'Monarchie  im  16.  Jahrhundert  in  der  Neuen  Welt  errichtet  hatte,  und  da- 
mit war  dieser  Bau  zusammengebrochen.  Hatte  sie  doch  einmal  Kalifornien 
und  Mexiko,  die  Antillen  und  Argentinien,  di-e  Philippinen  und  Florida, 
!Colombia  und  Peru  besessen  und  blieb  ihr  doch  jetzt  in  den  beiden  Welt- 
teilen auch  nicht  mehr  ein  einziges  Fleckchen  Erde.    Doch  gleichwohl  ist 


Die  Herrschaft  der  Wissenschaft.  ^ji 

die  einstige  Größe  nicht  ganz  dahin;  sie  ist  auch  heute  noch  mehr  als  ein 
bloßer  Traum  und  eine  bloße  Erinnerung,  sprechen  doch  ganz  Mittel- 
und  Südamerika,  obschon  sie  jede  Verbindung  mit  dem  Mutterlande  gelöst 
haben,  noch  immer  die  spanische,  Sprache.  Nun  besteht  aber  jedes  Volkes 
eigentümlichste  Wesenheit  in  derjenigen  Sprache,  die  die  Kinder  in  ihrem 
Elternhause  sprechen. 

Die  so  auf  dem  Antillenmeere  zu  unbestrittenen  alleinigen  Herren 
gewordenen  Vereinigten  Staaten  haben  ihre  Macht  auch  noch  über  die 
australischen  Gewässer  ausgedehnt.  Nachdem  sie,  wie  schon  oben  er- 
wähnt, die  Philippinen  zwischen  dem  asiatischen  Südchina  und  dem 
australischen  Neu-Guinea  genommen  hatten  (mit  neun  Millionen  Be- 
wohnern), rissen  sie  auch  noch  die  Hawaii-  oder  Sandwich-Inseln  (1898) 
und  die  östliche  Hälfte  von  den  Samoa-Inseln,  die  sie  sich  mit  Deutsch- 
land teilten  (1899),  an  sich. 

Aber  das  ist  immer  noch  nicht  alles,  was  die  Vereinigten  Staaten 
geleistet  haben.  Es  wollte  nämlich  die  Durchstechung  der  Landenge  von 
Panama,  ein  Glanzwerk  ersten  Ranges,  dessen  Plan  dem  Genie  des 
französischen  Ingenieurs  Ferdinand  von  Lesseps  entsprimgen  war,  nicht 
so  wie  das  entsprechende  Werk  desselben  Mannes,  die  Anlegung  des 
Suezkanales,  vorwärtskommen.  Gewissenlose  Unternehmer,  minderwertige 
Staatsmänner,  imfähige  Ingenieure,  betrügerische  Geldmänner,  die  einmal 
wagehalsig  und  dann  bald  wieder  wankelmütig  waren,  doch  jedenfalls 
nie  aufhörten,  Gaimer  zu  sein,  alles  vereinigte  sich,  um  diese  großartige 
Aufgabe  zum  Scheitern  zu  bringen.  Wer  sie  wieder  aufgenommen  hat, 
waren  die  Amerikaner,  und  s  i  e  hatten  Erfolg.  Es  gelang  ihnen  wirklich, 
das  Kordillerengebirge  an  einer  Stelle  durch  einen  Kanal  zu  durchbrechen. 
Große  Schiffe  können  jetzt  vom  Atlantischen  zum  Großen  Ozean  gelangen, 
ohne  erst  um  ganz  Südamerika  herumfahren  zu  müssen.  Um  sich  den 
Besitz  des  Kanals  besser  selbst  sichern  zu  können,  kamen  die  Amerikaner 
auf  den  Gedanken  der  Gründung  eines  scheinbar  selbständigen  Staates, 
der  von  dem  südamerikanischen  Colombia  losgerissenen  Republik 
Panama.  Die  Vereinigten  Staaten  von  Nordamerika  wurden  damit  als  die 
Herren  des  Panamakanals  zugleich  Herren  über  die  ganze  Schiffahrt 
auf  dem  Stillen  Ozean,  und  so  ist  ein  Drittel  unseres  gesamten  Planeten 
ihr  Eigentum.  .... 

Gleichwohl,  alles  in  allem,  ist  diese  Vorherrschaft  eines  fortschrittlichen 
und  von  Begeisterung  für  alle  neuen  Industriezweige  beseelten  großen 
Volkes  vielleicht  ein  Segen  für  die  ganze  Welt,  wenn  es  wenigstens  auf 
sein  drückendes  und  lästiges  Finanzsystem  verzichten  wollte,  das  vorläufig 
12* 


^72  Siebentes  Buch. 


10 


noch  auf  die  ausländischen  Erzeugnisse  ganz  unerschwingHche  Zölle  legt 
{die  Mac  Kinleysche  Tarif  bill  1894).  Ist  es  übrigens  nicht  im  engsten  Inter- 
esse der  Amerikaner  selber,  wenn  sie,  was  ihnen  immer  europäischer  Waren- 
verkehr zu  bringen  vermag,  anstatt  es  durch  erdrückende  Steuern  abzu- 
sperren, lieber  für  sich  ausnützen  wollten? 

Die  amerikanischen  Völker  spanischer  Zunge  haben  einen  Erbfehler,  den 
die  Vereinigten  Staaten  nicht  kennen.  Die  weiße  Bevölkerung  hat  sich  mit 
der  Urbewohnerschaft  und  den  aus  Afrika  herübergekommenen  Negern 
derart  gemischt,  daß  es  nur  noch  wenige  Menschen  von  reiner  weißer 
Rasse  in  Mexiko,  Colombia,  Venezuela;,  Peru  und  Chile  gibt.  An  einer 
solchen  unlöslichen  Gemeinschaft  mit  minderwertigen  Rassen  krankt 
vielleicht  allein  Argentinien  in  geringerem  Maße.  Daher  erfreut  sich 
auch  gerade  dieses  gesegnete  Land,  in  das  sich  eine  starke  Einwanderung, 
besonders  von  Italienern  und  Spaniern  ergießt,  eines  stets  wachsenden 
.Wohlstandes.  Argentinien,  das  es  besonders  glücklich  verstanden  hat,  die 
Bürgerkriege  wie  auch  die  Kriege  mit  dem  Auslande  so  gut  wie  ganz 
zu  vermeiden,  wetteifert  mit  dem  portugiesisch  sprechenden  Brasilien 
um  den  Vorrang,  das  reichste  Volk  Südamerikas  geworden  zu  sein. 

Weder  in  Nord-  noch  auch  in  Südamerika  hat  Europa  irgendwelche 
Kolonien  behalten,  abgesehen  von  Holländisch-,  Französisch-  und  Britisch- 
Guyana  und  dazu  noch  einigen  Inseln  der  Gruppe  der  Großen  Antillen 
sowie  den  unter  französischer  Oberherrschaft  befindlichen  Inseln  Martinique 
und  Guadeloupe  und,  unter  englischer,  Trinidad  und  Jamaika.  Alle  ohne 
Ausnahme  sind  sie  gegenwärtig  selbständige  republikanische  Staats- 
wesen. 

Die  einzige  Ausnahme  in  einem  gewissen  Sinne  bildet  vielleicht  Kanada, 
das  in  englischem  Besitz,  aber  in  sehr  liberaler  Weise  mit  eigener  Gesetz- 
gebung und  Verfassung  ausgestattet  ist.  Trotz  seines  Reichtums  an  Land- 
wirtschaft und  Bergbau  und  seines  weithin  ausgedehnten  Gebietes  ist 
Kanada  auch  heute  noch  zu  wenig  bevölkert,  beträgt  doch  seine  gesamte 
Einwohnerzahl  kaum  sechs  Millionen,  von  denen  ein  Drittel  französisch 
spricht.  Im  Jahre  1867  traten  die  verschiedenen  Staaten  des  sich  so  endlos 
hinziehenden  Landes  (Colombia,  Manitoba,  Neu-Schottland,  Prinz-Eduards- 
Insel)  zu  einem  Bunde  zusammen,  um  in  ihm  jene  Kanadische  Dominion 
zu  bilden,  die  zwar  eine  englische  Kronkolonie,  doch  gleichwohl  vollkommen 
selbständig  ist:  mit  eigenen  Münzen,  Parlament,  Staatshaushalt  und  Ge- 
setzen. Nicht  bloß  die  gesamte  Kanadische  Dominion,  nein,  auch  jeder 
ihrer  Einzelstaaten  ist  innerhalb 'des  Bundes  selbständig. 


Die  Herrschaft  der  Wissenschaft.  473 

Eine  Eisenbahn,  die  quer  durch  Kanada  geht  und  so  das  Gegenstück  zu 
dem  ungeheuren  Schienenstrange  zwischen  Neuyork  und  San  Franzisko 
bildet,  wurde  im  Jahre  1886  gebaut;  sie  geht  zwischen  HaUfax  am  Atlan- 
tischen und  Vancouver  am  Stillen  Ozean. 

Wenn  trotz  einer  sehr  hohen  Geburtenziffer,  der  höchsten  vielleicht,  die 
überhaupt  unsere  Zeit  aufzuweisen  hat,  die  französischen  Kanadier  nicht 
zahlreicher  sind,  so  liegt  das  dar^n,  daß  viele  unter  ihnen  in  die  Vereinigten 
Staaten  abgewandert  sind.  Und  in  der  Tat  sind  ja  auch  hier  die  Löhne 
größer  und  das  Klima  weniger  rauh.  Außerdem  ist  hier  auch  die  Natura- 
lisation leicht,  und,  sind  erst  einmal  die  französischen  Kanadier  Bürger  der 
großen  amerikanischen  Republik  geworden,  zu  der  sie  sich  mit  einer  un- 
widerstehlichen Kraft  hingezogen  fühlen,  so  vergessen  sie  gar  schnell  fran- 
zösische Sitten  und  Sprache,  die  sie  in  ihrem  kanadischen  Vaterlande 
noch   so  eifersüchtig  gehütet  hatten. 

Es  ist  nun  einmal  einer  der  Hauptzüge  des  Volkslebens  in  diesem 
Lande  der  unbegrenzten  Möglichkeiten,  daß  sich  die  Auswanderer  schon 
im  zweiten  Geschlechte,  mag  es  sich  nun  um  Irländer,  Deutsche,  Schweden, 
Italiener,  Angehörige  eines  der  slawischen  oder  der  anderen  europäischen 
Völker,  die  hier  lange  nicht  so  zahlreich  vertreten  sind  wie  die  eben  ge- 
nannten, handeln,  sehr  rasch  mit  den  anderen  Bürgern  mischen  und  ihre 
Herkunft  aus  dem  Gedächtnisse  verlieren.  Seit  dem  Jahre  1821  haben  die 
Vereinigten  Staaten  fünfundzwanzig  Millionen  europamüde  Auswanderer 
aufgenommen,  die  wohl  zum  größten  Teil  aus  den  ärmsten  Klassen 
stammen  mögen,  aber  zugleich  ebenso  häufig  die  unternehmendsten  und 
wagemutigsten  Elemente  ihres  alten  Erdteils  darstellen.  Diese  jungen 
Leute  bringen  der  Neuen  Welt  den  frischen  und  freien  Mut,  der  nun 
einmal  die  unentbehrliche  Grundlage  jeden  Fortschritts  bildet. 

In  Australien  und  auf  den  australischen  Inseln  hat  die  Bevölkerung  seit 
dem  Jahre  1870  langsamer  zugenommen  als  bis  dahin  vom  Augenblick  der 
Entdeckung  der  Goldgruben.  In  seinem  großzügigen  Liberalismus  hat 
England  unbedenklich  seinen  australischen  Besitzungen,  genau,  wie  ja  auch 
allen  seinen  übrigen  Kolonien,  eine  nahezu  uneingeschränkte  Selbständig- 
keit gelassen.  So  haben  sich  die  australischen  Ackerbauer  und  Arbeiter 
unter  eigener  Verwaltung  zusammenschließen  können,  wie  es  ihnen  nur 
irgend  beliebte.  Auch  jeder  Einzelstaat  des  Australischen  Bundes  ist  inner- 
halb desselben  vollständig  unabhängig. 

Nun  sind  in  dem  jungen  Australien  und  in  dem  noch  jüngeren  Neu- 
seeland Regierung  und  Gesetzgebung  ganz  und  gar  demokratisch,  so,  wie 
in  keinem  Lande  der  Welt  sonst;  beispielsweise  haben  hier  auch  die  Frauen 


474  Siebentes  Buch. 


aktives  sowie  passives  Wahlrecht.  Die  Arbeitszeit  ist  auf  acht  Stunden 
beschränkt.  Wenn  sich  Besitzungen  zu  weit  ausdehnen,  werden  sie  auf 
Grund  des  Gesetzes  enteignet.  Es  besteht  zwischen  Arbeitgebern  und  Arbeit- 
nehmern gesetzlicher  Schiedsgerichtszwang.  Auch  ist  für  jeden  Arbeiter 
ein  Mindestarbeitslohn  festgesetzt.  Auf  Grundeigentum  aber  sowie  auch 
beweglichem  liegt  eine  im  Verhältnis  2U  seiner  Höhe  staff eiförmig  steigende 
Steuer. 

Wenn  man  von  Java  und  den  anderen  Sundainseln,  die  sich  großer 
Reichtümer  erfreuen  und  von  einer  malaiischen  Bevölkerung  bewohnt 
werden,  aber  in  holländischem  Besitze  sind  und  meist  noch  zu  Asien  ge- 
rechnet werden,  sowie  von  der  Insel  Neu-Guinea,  deren  westliche  Hälfte 
die  Holländer  und  deren  nordöstlichen  Zipfel  mit  der  sich  anschließenden 
Inselgruppe  unter  dem  Namen  Kaiser- Wilhelm-Land  und  Bismarckarchipel 
die  Deutschen  besiedelt  haben,  absieht,  dann  ist  ganz  Australien  mitsamt 
seinen  Inseln  ausschließlich  englisch. 

Werden,  wie  es  bei  der  Gemeinsamkeit  der  Sitten,  der  Abstammung  und 
der  Sprache  nur  recht  und  billig  ist,  die  Vereinigten  Staaten  und  England 
als  ein  einheitliches  Ganzes  angesehen,  so  wird  es  so  recht  deutlich,  welches 
Übergewicht  das  englische  Volkstum  außerhalb  Europas  in  der  Welt  ge- 
wonnen hat,  umfaßt  es  doch  von  Afrika  fast  die.  ganze  und  noch  dazu  die 
schönere  Hälfte,  von  Asien  das  indische  Riesengebiet  mit  seinen  drei- 
hundert Millionen  Hindus,  weiter  das  gesamte  Nordamerika  mit  seinem 
auch  noch  Südamerika  beherrschenden  finanziellen,  politischen,  ja 
beinahe  auch  militärischen  Einfluß  und  endlich  auch  noch  Australien 
mit  Polynesien.  Wenn  auch  dieses  sich  über  beide  Halbkugeln  der  Erde 
ausdehnende  Weltreich  schon  von  langher  durch  drei  Jahrhunderte  uner- 
schöpflicher weisester,  heldenmütigster  und  tatkräftigster  Staatskunst  vor- 
bereitet worden  ist,  so  hat  es  sich  doch  erst  in  seinem  vollen  Glanzes  imd 
in  seiner  ganzen  unbestrittenen  Überlegenheit  unter  der  langen  und  ruhm- 
vollen Regierung  der  Königin  Victoria  (1837 — 1901)  zeigen  können.  Und 
dieser  Glanz  und  diese  Überlegenheit  waren  nicht,  wie  bei  gewissen 
Eroberern  und  Despoten  unseligen  Angedenkens,  tränenbenetzt  und 
blutbesudelt. 


Seit  dem  Jahre  1870  beschränkte  sich  also  die  Geschichte  Europas 
nicht  etwa  bloß  auf  die  Grenzen  des  eigenen  Erdteils;  sie  spielte  sich 
ganz  ebenso  in  Afrika,  in  der  Mandschurei,  auf  den  Antillen  ab,  wahrten 
doch  alle  Völker,  von  dem  grauenhaften  Kriege  der  Jahre  1870  und  1871 


Die  Herrschaft  der  Wissenschaft.  Aj5 

und  der  bloßen  Vorstellung  der  Möglichkeit  neuer  noch  blutigerer  Kriege 
entsetzt,  bis  zur  Gegenwart  den  europäischen  Frieden.  Eine  Ausnahme 
hiervon  bilden  allein  die  Völker  des  Balkans. 

Zu  allen  Zeiten  sind  die  die  Balkanhalbinsel  bewohnenden  christlichen 
Völkerschaften,  seien  es  die  griechischen  oder  die  slawischen,  durch  eines 
der  schwersten  Joche  bedrückt  worden,  das  die  Geschichte  kennt:  das  Joch 
der  türkischen  Gewaltherrschaft.  Der  tiefe  sprachliche  und  religiöse  Riß, 
der  schon  von  Natur  zwischen  den  beiden  Völkergruppen  gähnte,  wurde 
nocii  durch  den  Despotismus  und  die  Raubgier  der  Hohen  Pforte,  die  es 
auf  die  Vernichtung  ihrer  armen  Nachbarvölker  abgesehen  hatte,  erweitert. 
Diese  waren  dauernd  von  den  lästigsten  Steuern  heimgesucht  und  zu  einem 
unerbittlichen  Kriegsdienste  gezwungen,  ohne  erwarten  zu  können,  daß 
ihnen  die  blutigen  Paschas,  unter  denen  sie  standen,  jemals  irgendwelche 
Gerechtigkeit  widerfahren  lassen  würden.  Wenn  manchmal  der  Druck  gar 
zu  schlimm  wurde,  erhoben  sie  sich  zu  einem  Aufstande,  der  dann  durch  das 
blutigste  Massengemetzel  niedergeworfen  wurde.  Den  Christen  des  Balkans 
blieb  also  weiter  nichts  übrig,  als  mit  den  Moslems  Seite  an  Seite  das 
Leben  eines  Märtyerers  neben  seinem  Henker  zu  führen.  Und  doch  sind 
hier  Christen  und  Moslems  in  ihrer  Rasse  nicht  wesentlich  verschieden, 
gibt  es  doch  höchst  glücklicherweise  schon  lange  im  strengsten  wissen- 
schaftlichen Sinne  des  Wortes  keine  eigentliche  türkische  Rasse  mehr. 
Das  Blut  der  gelben  mongolischen  Eroberer  fließt  heut  nicht  mehr  in  den 
Adeni  eines  einzigen  Türken.  Aber,  was  die  Türken  getan  haben,  das  ist, 
daß  sie  den  von  ihnen  besiegten  Völkerschaften  ihre  Sprache  und  ihre 
Sitten  in  einer  Weise  aufnötigten,  daß  sich  dieselben  zu  einem  großen 
Teile  in  Türken  umgewandelt  haben.  Wiewohl  nun  der  eigentliche 
ethnische  Ursprung  überall  ungefähr  der  gleiche  ist,  ist  doch  der  religiöse 
Fanatismus,  die  sprachliche  Verschiedenheit  und  die  allgemeine  Anarchie 
im  ottomanischen  Reiche  trotz  der  Rassengleichheit  hinlänglich  stark 
genug,  um  die  beständigen  blutigen  Zusammenstöße,  von  denen  die 
Balkanhalbinsel  zerfleischt  wird,  voll   und  ganz  zu  verstehen. 

Während  des  ganzen  Verlaufs  des  19.  Jahrhunderts  und  noch  in  der 
gegenwärtigen  Stunde  besteht  die  Geschichte  dieser  unglückseligen  Völker 
in  nichts  weiter  als  in  dem  ununterbrochenen  und  fortgesetzten  Be- 
mühen, sich  von  dem  harten  Türkenjoche  zu  befreien. 

Wenn  es  ihnen  so  unendlich  schwer  geworden  ist,  sich  eine  nationale 
Selbständigkeit  und  Unabhängigkeit  zu  schaffen,  so  liegt  das  daran,  daß 
sie  stets  uneinig  und  damit  ohnmächtig  einer  Regierung  gegenüber  ge- 
wesen sind,  die  uneingeschränkt  alles  den  Militärangelegenheiten  geopfert 


476  Siebentes  Buch. 


hat,  und  der  die  ständigen  gehässigen  Eifersüchteleien  der  europäischen 
Mächte  eine  Macht  verliehen,  die  im  Grunde  nur  eine  Scheinmacht  war. 
Noch  im  Jahre  181 5  besaß  die  Türkei  die  gesamte  Balkanhalbinsel; 
aber  in  den  Jahren  181 5 — 1914  hat  sie  sich  durch  Aufstände,  die  Europa 
bald  unterstützte,  bald  übersah  und  bald  wieder  bekämpfte,  so  nach 
und  nach  vollständig  aufgelöst. 

Schon  im  Jahre  1829  war  durch  den  Vertrag  von  Adrianopel  Griechen- 
land  unabhängig   geworden. 

Am  19.  August  1858  wurden  die  beiden  Donaufürstentümer  Moldau 
und  Walachei  in  dem  Kongresse  der  europäischen  Großmächte  zu  Paris 
auf  Grund  einer  Anregung  Frankreichs  zu  Vereinigten  Landen  erklärt. 
Aber  erst  drei  Jahre  später  traten  die  erwählten  Parlamente  der  beiden 
Länder  zu  einem  einzigen  rumänischen  Parlamente  zusammen,  und  damit 
war  Rumänien  begründet  (1861).  Als  der  erste  Fürst  von  Rumänien,  namens 
Alexander,  in  seiner  Regierung  einem  gewissen  Absolutismus  zuneigte, 
wurde  er  gestürzt.  Kurze  Zeit  darauf  (1865)  wurde  Karl  von  Hohenzollern 
zum  Fürsten  von  Rumänien  ausgerufen  und  sein  Fürstentum  zum  König- 
reich  erhoben    (1881). 

Die  Rumänen  sind  das  einzige  Balkanvolk,  das  eine  romanische  Sprache 
spricht.  Doch  um  die  Rumänen  als  die  verbürgten  Nachkommen  jener 
Legionäre  gelten  zu  lassen,  die  von  Rom  in  alten  Zeiten  nach  Dazien  ent- 
sandt worden  waren,  dazu  hat  dieses  durch  die  wiederholten  Einfälle  so 
grausam  heimgesuchte  Stück  Erde  seit  zwanzig  Jahrhunderten  nur  zu 
häufig  ein  gewaltsames  Durcheinanderwerfen  der  verschiedensten  Stämme 
erlebt.  Auch  bilden  die  Juden  beinahe  ein  Viertel  der  gesamten  rumänischen 
Bevölkerung.  Aber  die  Abstammung  spielt  in  dem  Leben  eines  Volkes 
weißer  Rasse  immer  nur  eine  verhältnismäßig  geringe  Rolle.  Es  ist  die 
Gestalt  seiner  Sprache,  auf  die  es  allein  ankommt,  und  die  seine  geistige 
und  gesellschaftliche  Entwicklung  entscheidet.  So  ist  es  denn  auch  zu  er- 
klären, daß  die  Rumänen,  die  eine  dem  Lateinischen  sehr  nahestehende 
Sprache  sprechen,  und  in  ihr  eine  sehr  reiche  Literatur  besitzen,  entschieden 
als  ein  romanisches  Volk  anzusehen  sind.  Durch  ihr  lebhaftes  und  ein- 
dringendes Wesen,  durch  ihren  Scharfsinn  und  ihren  Fleiß  haben  sie  sich 
für  alles,  was  mit  der  sogenannten  orientalischen  Frage  zusammenhängt, 
eine  entscheidende  Stellung  errungen.  Ihr  Heer  ist  vortrefflich  ausgebaut, 
und    ihre  Volkszahl    ist   in  sehr  raschem  Zunehmen  begriffen. 

Leider  ist  noch  immer  nicht  das  gesamte  rumänische  Volkstum  befreit. 
Es  ist  noch  immer  in  Siebenbürgen  mit  den  Ungarn  vermischt  eine  große 


Die  Herrschaft  der  Wissenschaft.  477 

Zahl  von  Rumänen,  wohl  an  drei  Millionen,  vorhanden,  die  sehnsüchtig 
danach  streben,  in  den  Schoß  ihres  freien  Vaterlandes,  mit  dem  sie  eine 
und  dieselbe  Sprache  sprechen,  zurückzukehren.  Aber  Österreich-Ungarn 
scheint  kaum  geneigt,  auf  dies  gerechte  Verlangen  einzugehen.  Was  die 
Sachlage  noch  ganz  besonders  verwirrt  macht,  ist,  daß  in  einen  und  den- 
selben siebenbürgischen  Städten,  einen  und  denselben  siebenbürgischen 
Dörfern,  zwei  so  grundverschiedene  Bevölkerungen,  wie  die  ungarische 
und  die  rumänische,  Seite  an  Seite  in  offener  Feindseligkeit  und  be- 
absichtigtem SichnichtverstehenwoUen  ohne  auch  nur  den  leisesten  An- 
näherungsversuch nebeneinanderherleben. 

Die  übrigen  Balkanvölker  (Kroaten,  Serben,  Bulgaren)  sprechen  ver- 
schiedene slawische  Sprachen,  die  erheblich  voneinander  abweichen,  so  er- 
hebUch,  daß  dadurch  die  Unstimmigkeiten  und  Eifersüchteleien,  die  schon 
an  sich  zwischen  ihnen  herrschen,  noch  ganz  besonders  verschärft  werden. 
Außerdem  sind  auch  auf  dem  Balkan  viele  Juden  vertreten,  und  dann  noch 
vor  allem  viele  Griechen.  Im  ganzen  Süden  der  Halbinsel  bis  nach 
Saloniki,  ja  bis  nach  Konstantinopel  hin,  wird  vorwiegend  Griechisch 
gesprochen. 

Montenegro  hatte  seiner  eigentümlichen  Lage  in  einer  nur  unter  großen 
Schwierigkeiten  zugänglichen  Berggegend  und  den  kriegerischen  Sitten 
seiner  Bewohner  das  Glück  zu  verdanken,  unter  der  türkischen  Oberhoheit 
nicht  allzusehr  zu  leiden  und,  wenn  auch  nicht  dem  Namen  nach,  so  doch 
im  Grunde  unabhängig  zu  sein.  Im  Jahre  1858  wurde  diese  Unabhängigkeit 
denn  auch  in  aller  Form  von  sämtlichen  Mächten  anerkannt. 

Die  Serben  gewannen,  zwei  Jahrhunderte  lang  zwischen  Österreich  und 
der  Türkei  abwechselnd  hin-  und  hergeworfen,  schließlich  auch  ein  ver- 
hältnismäßig leidliches  Maß  von  Unabhängigkeit;  doch  türkische  Soldaten 
griffen  immer  wieder  ihre  befestigten  Städte  an.  Dies  ging  so  bis  zum 
Jahre  1867.  Seit  dieser  ^Zeit  wurde  Serbien  ein  selbständiges  Fürstentum, 
das  jedoch  der  Türkei  weiter  regelmäßig  Tribut  zahlen  mußte. 

Seine  ersten  Herrscher  waren  Fürst  Milan  und  nach  ihm  sein  Sohn 
Michael  Obrenowitsch.  Nach  der  Ermordung  Michaels  kam  ein  ferner- 
stehendes Mitglied  aus  dem  Hause  der  Obrenowitsch,  Milan,  zur  Regierung 
(1868—1888),  um  am  6.  März  1882  unter  dem  Namen  Milan  I.  zum  König 
von  Serbien  ausgerufen  zu  werden.  Trotz  der  Leichtfertigkeit  dieses  ziem- 
lich eigenartigen  Herrschers  gelang  es  Serbien,  innerhalb  von  zehn  Jahren 
eine  recht  starke  Militärmacht  zu  werden. 

Allein  die  Regierung  König  Milans  umfaßte  etwa  keineswegs  die  sämt- 
lichen serbischen  Völker  der   Halbinsel.    Auch  in  Bosnien  und  der  Her- 


47^  Siebentes  Buch. 


zegowina  ist  die  Mehrheit  der  Bevölkerung  und  in  Montenegro  deren  Ge- 
samtheit serbisch  nach  NationaHtät  und  Sprache.  So  war  es  denn  auch 
nur  natürüch,  daß  sich  auch  sie  ab  und  zu  gegen  die  Türkei  empörten. 

Östlich  von  Serbien  und  nördlich  von  Konstantinopel  breiten  sich  weit- 
hin über  die  Balkanhalbinsel,  von  der  sie  nicht  weniger  als  zwei  Drittel 
einnehmen,  die  Bulgaren  aus,  die  nach  Sitten,  Religion  und  Sprache  den 
Russen  am  nächsten  stehen.  Serben  und  Bulgaren  lebten  gegen  ihre  otto- 
manischen Gebieter  unablässig  im  Aufstand. 

Im  Jahre  1876  begingen  die  mohammedanischen  türkischen  Soldaten,  die 
in  Bulgarien  standen,  unter  dem  hichtigen  Vorwande,  einen  Aufstand  zu 
unterdrücken,  Massengemetzel,  denen  so  viele  zum  Opfer  fielen  (fünfzehn- 
tausend Tote)  und  bei  denen  so  ausgesuchte  Grausamkeiten  verübt  wurden, 
:  daß  trotz  ihrer  sonstigen  unbarmherzigen  Gleichgültigkeit  diesmal  die  Re- 
gierungen der  verschiedenen  Kulturmächte  Verwahrung  einlegten.  Doch 
diese  Verwahrungen  blieben  nur  sehr  schüchtern,  wie  es,  solange  sich  die 
europäischen  Großstaaten  gegenseitig  argwöhnisch  beobachten  und  eifer- 
süchtig verfolgen,  immer  nur  natürlich  sein  wird.  So  machte  sich  denn 
auch  wieder  einmal  die  Pforte  dieses  schlechte  Einvernehmen  zunutze, 
um  ihr  starkes  Heer  zu  mobilisieren  und  die  aufständischen  Serben  zu 
Boden  zu  zwingen. 

Damals  mischte  sich  auch  der  Zar  unmittelbar  ein  (1877).  Ein  Heer 
rückte  in  Armenien  ein,  ein  anderes  noch  stärkeres  marschierte  auf  Kon- 
stantinopel. Rumänien  verband  sich  mit  Rußland,  und  ihre  verbündeten 
Heere  drangen  nach  völliger  Niederwerfung  des  türkischen  in  Rumelien 
ein  (Juli  1877).  Doch  die  Türken  nahmen  unter  der  Führung  eines  so 
fähigen  Feldherrn  wie  ihres  Generals  Osman  Pascha  eine  befestigte  Stel- 
lung bei  Plewna  ein,  einer  Festung,  die  den  Durchgangsverkehr  beherrscht, 
.  und  leisteten  hier  sechs  Monate  lang  den  heldenmütigsten  Widerstand 
:  (20.  Juli  bis  10.  Dezember  1877).  Erst  nach  langem  Ringen  fiel  Plewna, 
und  damit  war  wie  mit  einem  Schlage  die  ganze  türkische  Kraft  gebrochen. 
Die  Russen  drangen  bis  an  die  Tore  Konstantinopels  vor,  und  die  Türkei 
mußte  sich  zu  einem  unheilvollen  Frieden  bequemen,  der  am  3.  März  1878 
zu  San  Stefano  unterzeichnet  wurde. 

Weder  Österreich  noch  England  wollten  sich  den  notwendigen  Folgen 
dieses  russischen  Eroberungsfeldzuges  fügen;  sie  mußten  vielmehr  erst 
durch  Bewilligung  einträglicher  Vorteile,  will  sagen  Gebietserweiterungen, 
auf  Kosten  der  armen  Türkei,  die  zur  Plünderung  dazusein  schien,  ent- 
schädigt werden.  So  wußten  sie  durch  bloße  Drohung  einen  Krieg  im 
eigenen  Interesse  auszvmutzen,  an  dem  sie  sich  selbst  weder  bei  seinem 


Die  Herrschaft  der  Wissenschaft.  ^yg 

Beginne  noch  in  seinem  Verlaufe  irgendwie  beteiligt  hatten.  England 
bekam  die  griechische  Insel  'Cypem  und  Österreich-Ungarn  die  beiden  ser- 
bischen Provinzen  Bosnien  und  'die  Herzegowina,  Das  Nationalitäten- 
prinzip wurde  mit  der  schamlosesten  Nichtachtung  beiseite  gesetzt  und 
preisgegeben. 

Rußland,  das  auf  Deutschlands  Unterstützung  rechnete,  nahm  den  Vor- 
schlag der  Einberufung  eines  internationalen  Kongresses  an,  der  damit 
beauftragt  werden  sollte,  den  Abmachungen  von  San  Stefano,  soweit  sie 
nicht  in  ihrer  ursprünglichen  Gestalt  aufrechtzuerhalten  seien,  durch  Zu- 
sätze oder  Streichungen  ihre  endgültige  Ausgestaltung  zu  geben.  Doch 
unerwarteterweise  unterstützte  Bismarck  in  dem  nun  in  Berlin  tagenden 
Kongresse  (13.  Juni  1878)  die  russischen  Forderungen  so  wenig,  daß  die 
Friedensverhandlungen  von  San  Stefano  im  Grunde  völlig  umgestoßen  wur- 
den. Bosnien  und  die  Herzegowina  wurden  an  Österreich  zur  Verwaltimg 
überlassen;  die  Insel  Cypern  wurde  englisch.  Serbien  verlor  an  die  Türkei 
das  Sandschak  Novibasar,  durch  das  jenes  mit  Montenegro  in  unmittelbarer 
Verbindung  stand.  Montenegro  bekam  umgekehrt  in  Antivari  einen  Hafen. 
Aus  dem  großen  Bulgarien,  wie  es  der  Friede  von  San  Stefano  geschaffen 
hatte,  war  nur  ein  kleines  bis  zur  völligen  Verstümmelung  geworden,  blieb 
doch  Mazedonien,  in  dem  die  bulgarische  Sprache  ein  ausschlaggebendes 
Übergewicht  hat,  völlig  der  Türkei  erhalten.  Die  einzigen  Gebietserwei- 
terungen, die  Rußland  erlangte,  lagen  in  Armenien  auf  der  asiatischen 
Seite  des  Schwarzen  Meeres  mit  den  Städten  Kars  und  Bathumi.  Die 
Rumänen  mußten,  obwohl  sie  bei  Plewna  und  an  der  Schipka  so  helden- 
mütig gekämpft  hatten,  gleichwohl  das  größtenteils  rumänisch  sprechende 
Beßarabien  an  Rußland  abtreten,  wofür  ihnen  selbst  als  Entschädigung 
ein  Teil  der  Sumpflandschaft  der  fast  durchweg  bulgarischen  Dobrudscha 
gewährt  wurde.  Griechenland  erhielt  nur  unbedeutende  Grenzberichti- 
gungen, ohne  auch  nur  die  von  ihm  so  sehr  ersehnte  Insel  Kreta  von  der 
Türkei  zu  erlangen. 

Die  Berliner  Verhandlungen  des  Jahres  1878  führten  aber  nun  auch 
mit  der  Umgestaltung  des  Schicksals '  der  Balkanvölker  eine  ebenso  gründ- 
liche Umgestaltung  der  allgemeinen  Politik  Europas  herbei  und  bilden  so 
das  wichtigste  diplomatische  Ereignis  des  letzten  Viertels  des  19.  Jahr- 
hunderts. 

Zunächst  und  vor  allem  ist  ihr  Ergebnis  ein  unwiderrufliches  Eindringen 
Österreichs  in  die  Angelegenheiten  des  Balkans.  Durch  ihre  Zustimmung 
zu  den  BerUner  Verhandlungen  nimmt  diese  Macht  ein  überwiegend  sla- 
wisches Gepräge  an  und  findet  sich  mit  den  durch  die  Schlacht  bei  König- 


Z|8o  Siebentes  Buch. 


grätz  geschaffenen  Tatsachen  mit  ihren  Folgen,  also  mit  der  endgültigen 
Aufgabe  jeder  Art  von  Vorherrschaft  in  Deutschland,  ein  für  allemal  ab. 
Sie  vergißt  die  Politik,  die  das  Haus  Österreich  seit  drei  Jahrhunderten 
befolgt  hat.  Mit  Kroaten,  Tschechen,  Slowaken,  Bosniern,  von  den 
Polen  ganz  abgesehen,  gebietet  sie  jetzt  über  nahezu  fünfzehn  Millionen 
Untertanen  slawischer  Zunge.  Mit  ihren  bosnischen  Eisenbahnen  dringt 
sie  bis  in  da.s  Herz  der  Balkanhalbinsel  ein  und  wirft  sich  zur  Beschützerin 
der  Serben  auf.  Aber  diese  Inschutznahme  ist  recht  bedenklicher  Art 
und  kommt  schon  so  ziemlich  einer  Art  Bevormundung,  um  nicht  zu  sagen 
vollkommener  Herrschaft,  nahe  (1878). 

Auf  der  andern  Seite  hat  auch  Rußland,  als  es  Bulgarien  befreite,  nicht 
etwa  seinen  Ehrgeiz  darauf  gesetzt,  sich  in  bezug  auf  eine  Einmischung 
in  die  bulgarischen  Angelegenheiten  mit  besonderer  Uneigennützigkeit 
Zurückhaltung  aufzuerlegen.  Dazu  ist  schon  zwischen  Russen  und  Bulgaren 
eine  viel  zu  große  Menge  der  mannigfaltigsten  Beziehungen  vorhanden, 
und  so  ein  Auseinandergehen  beider  kuf  eine  längere  Zeit  von  vornherein 
ausgeschlossen.  In  der  ehrgeizigen  Idee  des  Panslawismus  ist  Bulgarien 
kaum  mehr  als  eine  russische  Provinz,  dermaßen,  daß  der  Schutz,  den 
Rußland  Bulgarien  bietet,  um  nichts  weniger  bedrohlich  ist  als  der  Öster- 
reichs gegenüber  Serbien. 

Anstatt  daß  sich  nun  Serbien  und  Bulgarien  miteinander  vereinten, 
zerrissen  sie  sich  vielmehr  durch  die  mörderischsten  Bruderkriege.  Im 
Jahre  1884  erklärte  Serbien  Bulgarien  den  Krieg,  um  sich  von  ihm  besiegen 
zu  lassen.  Doch  Bulgarien  zog  aus  seinen  Siegen  auch  nicht  den  geringsten 
Vorteil,  drohte  doch  Österreich  dazwischen  zu  treten  (November  1885). 
Dies  bedingte  den  für  Bulgarien  so  wenig  erfreulichen  Frieden  zu  Bu- 
karest, durch  den  es  um  alle  seine  Siegesfrüchte  gebracht  wurde  (8.  März 
1886). 

Ganz  kürzlich  (1912 — 1914)  haben  nun  wieder  einmal  einschneidende 
militärische  und  diplomatische  Begebenheiten  zu  einer  völligen  Umgestal- 
tung der  politischen  Lage  auf  der  Balkanhalbinsel  geführt.  Trotz  der  wie 
immer,  angeblich  für  alle  Zeiten,  geschlossenen  Friedensverträge  ist  die 
Endgültigkeit  der  Lösung  der  orientalischen  Frage  auch  nunmehr  wohl 
kaum  verbürgt.  So  bilden  jene  Friedensverträge  wahrscheinlich  lediglich 
ein  kurzes  Zwischenspiel  in  der  endlosen  Reihe  oft  ebenso  blutiger  wie 
notwendiger  Kämpfe  zwischen  den  wirklich  bemitleidenswerten  dortigen 
Völkerschaften. 

Zu  Anfang  des  Jahres  1912,  als  die  Türkei  mit  Itahen  tief  in  schwerem 


Die  Herrschaft  der  Wissenschaft.  ^8 1 

Kriege  steckte,  begannen  nun  auch  die  Balkanstaaten  Serbien,  Bulgarien, 
Montenegro  und  Griechenland  ihre  Heere  zu  mobilisieren  und  in  Kriegs- 
zustand zu  setzen,  um  schließlich  ein  gemeinsames  Ultimatum  an  die  Türkei 
zu  richten  (15.  Oktober  191 2). 

Das  Heer  der  Verbündeten  war  etwa  700000  Mann  stark  (300000  Bul- 
garen, 250000  Serben,  1 10  000  Griechen  und  40000  Montenegriner).  Die 
Türken  vermochten  nach  dem  eben  beendigten  unglücklichen  Kriege  mit 
Italien  nur  noch  300000  Mann  aufzubringen,  die  zudem  nur  schlecht  aus- 
gerüstet waren  und  sich  einer  wenig  guten  Leitung  erfreuten. 

So  wurden  sie  auf  allen  Seiten  geschlagen:  bei  Kirk-Kilisse  (23.  Ok- 
tober) und  Lülü-Burgas  (27.  Oktober)  von  den  Bulgaren,  bei  Novibasar 
und  Rumanoro  von  den  Serben  und  im  Süden  von  den  Griechen,  die  in 
Saloniki  eindrangen  (9.  November).  Die  Schlachten  kosteten  viel  Blut,  doch 
es  fiel  eine  größere  Zahl  der  Hungersnot  als  dem  feindlichen  Feuer  zum 
Opfer,  fanden  doch  ganze  türkische  Armeekorps  mehrere  Tage  hinter- 
einander nicht  die  geringsten  Nahrimgsmittel.  Was  soll  man  da  erst  von 
einem  Kriege  der  Zukunft,  der  zwischen  größeren  Völkern  stattfinden  sollte, 
erwarten?  Er  wird  solche  Menschenmassen  in  Bewegimg  setzen,  daß  der 
Erfolg  zu  einem  ganz  beträchtlichen  Teile  von  den  Bedingungen  der  Nah- 
rungszufuhr abhängen  wird. 

Der  Krieg  fand  seinen  Abschluß  durch  den  Londoner  Frieden.  Die 
Türkei  verlor  Mazedonien,  Thrazien,  Epirus,  Albanien  und  die  Inseln  des 
Ägäischen  Meeres.  Es  blieb  ihr  innerhalb  Europas  nur  noch  die  Stadt  Kon- 
stantinopel und  ein  schmaler  Streifen  Landes  zwischen  Konstantinopel 
und  Gallipoli. 

Doch  die  Verbündeten  verstanden  sich  auf  ihr  Räuberhandwerk  nicht 
ordentlich,  und  so  brach  nunmehr  der  Krieg  unter  ihnen  selbst  aus;  auf 
der  einen  Seite  standen  die  Bulgaren,  auf  der  andern  die  Griechen  und 
Serben,  zu  denen  sich  dann  noch  die  Rumänen  gesellten.  Die  Bulgaren, 
die  unter  ihnen  allen  ganz  besonders  ländergierig  gewesen  waren,  wurden 
schwer  aufs  Haupt  geschlagen  und  mußten  nun  einen  Teil  ihres  eroberten 
Landes  wieder  an  die  Griechen  und  Serben  herausgeben. 

Europa  trat  dazwischen,  und  einen  Augenblick  schien  der  europäische 
friede  bedroht  I  Doch  da  half  Österreich,  das,  um  Serbien  und""  Griechen- 
land nicht  zu  mächtig  werden  zu  lassen,  die  Schaffung  eines  neuen  König- 
reichs namens  Albanien  mit  Durazzo  als  Hauptstadt  und  dem  deutschen 
Fürsten  Wilhelm  von  Wied  an  der  Spitze  betrieb.    In  diesem  von  Öster- 


I 


482  Siebentes  Buch. 


reich  ausgedachten  Albanien  leben  neben  den  wenigen  Albanesen  mit 
eignem  Volkstum  und  Sprache  auch  noch  so  viele  Griechen  und  Serben, 
daß  niemand  mehr  Schaden  von  der  Büdung  dieses  neuen  Reiches  hat 
als  der  griechische  und  der  serbische  Staat  selbst,  die  nun  so  viel  Ange- 
hörige ihres  Volkstums  an  dasselbe  abtreten  mußten. 

Im  Frieden  zu  Bukarest  erhielt  dann  Griechenland  Saloniki  und  einen 
Teil  von  Epirus  und  Serbien  die  Städte  Prischtina,  Prisren(di)  und  Üsküb 
lals  Entschädigung  dafür.  Bulgarien  aber  gelang  es  nicht,  Adrianopel  zu 
behaupten.  Alle  diese  Grenzen  sind  so  schwankend,  wechselnd  und  will- 
kürlich von  den  Diplomaten  angesetzt,  daß  es  wirklich  nicht  lohnt,  sich 
damit  näher  zu  beschäftigen. 

Aber  auch  die  Politik  des  weiteren  Europas  hat  mit  dem  Berliner  Kon- 
greß eine  ganz  neue  Richtung  erhalten. 

Schon  gleich  im  Jahre  1871  hatte  Deutschland  sich  sowohl  Rußland  wie 
Österreich,  mit  dem  es  sich  vollständig  aussöhnte,  freundschaftlich  zu  nähern 
gewußt.  Die  wiederholten  aufsehenerregenden  Zusammenkünfte  zwischen 
den  Herrschern  dieser  drei  Reiche  schienen  den  Sieit  1872  bestehenden 
Dreihaiserbund  immer  mehr  zu  vertiefen  und  auf  Jahrzehnte  zu  sichern. 
Aber  Bismarck,  der  Deutschlands  Geschicke  als  Reichskanzler  leitete,  wandte 
sich  allmählich  immer  weiter  von  Rußland  ab,  um  sich  Österreich  dafür  lun 
so  enger  anzuschließen.  Im  Jahre  1879  unterzeichnete  er  in  Gemeinschaft  mit 
dem  leitenden  Minister  Österreichs,  Grafen  Andrassy,  einen  Schutz-  und 
Trutzbündnisvertrag,  der  sich  mit  seiner  Spitze  deutlich  gegen  Frankreich 
richtete;  das  bedeutete  gleichzeitig  Österreichs  endgültigen  Verzicht,  noch 
jemals  in  Deutschland  irgendwelche  Rolle  spielen  zu  wollen.  Es  war  dies 
der  sogenannte  Zweibund,  dem  sich  bereits  ein  Jahr  später  Italien,  dem 
Frankreichs  Festsetzung  in  Tunis  natürlich  nicht  gleichgültig  bleiben 
konnte,  mit  einer  jede  Zweideutigkeit  ausschließenden  Klarheit  durch  einen 
neuen  Vertrag  aufs  engste  anschloß.  Der  Zweibund  wurde  damit  zu  dem 
noch  jetzt  im  Jahre  191 4  bestehenden  Dreibund  (1883). 

Aber  nun  näherte  sich  Rußland,  als  es  sich  von  Deutschland  beiseite 
geschoben  sah,  dem  damals  auch  seinerseits  nach  einem  Anschluß  Aus- 
schau haltenden  Frankreich.  So  hatte  im  Jahre  1891  die  französische  Kriegs- 
flotte in  Kronstadt  einen  begeisterten  Empfang,  der  womöglich  noch  von 
dem  übertroffen  wurde,  den  die  russische  Flotte  bei  ihrem  Gegenbesuche 
in  Frankreich  einige  Jahre  später  zu  Toulon  fand.  Jetzt  kam  es  sogar  zur 
ausdrücklichen   Unterzeichnung  eines    Bündnisvertrages. 

In  den  Jahren  1895— 1905  machte  Rußland,  das  zur  Neugestaltung  seines 


Die  Herrschaft  der  Wissenschaf t.  4^3 

Heeres  und  zur  Ausnutzimg  seiner  Bodenschätze  beträchtliche  Kapitalien 
brauchte,  riesige  Anleihen  im  Auslande,  die  sich  auf  die  Summe  von 
nahezu  dreißig  Milliarden  Frank  beliefen,  von  der  nicht  weniger  als  drei 
Viertel  in  Frankreich  gezeichnet  wurden. 

Bis  dahin  war  England  noch  immer  ruhig  in  seiner  glänzenden  Verein- 
samung {splendid  Isolation)  verharrt.  Da  suchte  diese  Macht  im  Jahre 
1906  mit  einem  Male  durch  persönliches  Eingreifen  des  über  die  mannig- 
faltigsten einflußreichen  Beziehungen  verfügenden  damaligen  englischen 
Königs  Eduard  VII.,  eines  Freundes  Frankreichs  und  des  Friedens,  ohne 
allerdings  ausdrückliche  Verträge  zu  schließen,  zunächst  an  Frankreich" 
und  dann  auch  an  Rußland  eine  engere  Anlehnung.  Sie  gestaltete  sich 
zu  dem  sogenannten  Herzlichen  Einvernehmen  {Entente  cordiale)  oder  dem 
Dreiverhand  {Triple  Entente)  aus,  einer  Gemeinschaft,  die  als  Gegengewicht 
des  Dreibundes  angesehen  zu  werden  pflegt. 

So  stehen  sich  die  europäischen  Großmächte  gegenwärtig  in  zwei  ge- 
trennten Gruppen  gegenüber:  auf  der  einen  Seite  Deutschland,  Österreich 
tmd  Italien  und  auf  der  anderen  England,  Frankreich  und  Rußland.  Wenn 
durch  irgendwelche  Verirrung,  sei  es  der  Völker  oder  der  Herrscher,  sich 
ein  allgemeiner  Zusammenstoß  ereignen  sollte,  wikde  eine  Mobilisierung 
von  zwanzig  Millionen  Menschen  vor  sich  gehen,  die  alle  ins  Feld  gestellt 
werden  würden,  imd  die  Welt  noch  zu  keiner  Zeit  vordem  der  Schauplatz 
eines  ähnlich  weitausgedehnten  Brandes,  Blutbades  und  Gemetzels  gewesen 
seini  Doch  zum  Glücke  haben  bisher  die  Völker,  Könige  und  Kaiser  noch 
immer  nicht  eine  solche  Raserei  begangen,  sich  in  das  so  verhängnisvolle 
Abenteuer  zu  stürzen. 

So  ist  denn,  trotz  des  türkisch-russischen  Zusammenstoßes,  trotz  der 
verschiedenen  Balkankriege,  trotz  der  vielen  Kolonialstreitigkeiten  imd 
mancherlei  anderer  Dinge  in  den  Jahren  1871 — 191 2  die  europäische  Politik 
im  allgemeinen  so  einigermaßen  friedlich  gewesen.  An  Gelegenheiten  zur 
Entfesselung  des  Krieges  hat  es  gleichwohl  zu  keiner  Zeit  gefehlt,  und 
gleichwohl  kam  es  nicht  zur  Kriegserklänmg.  Es  ist  das  nicht  etwa  ein 
Verdienst  der  Zeitungsschreiber,  die  überall  in  den  verschiedenen  Ländern 
der  Erde  in  gleicher  Weise  bald  aus  einer  falschen  und  irregeleiteten  Vater- 
landsliebe heraus,  bald  aus  Käuflichkeit  oder  auch  aus  Beschränktheit,, 
aber  immer  aus  Unwissenheit  Zwietracht  predigen,  Haß  schüren  und  einen 
allgemeinen  Weltbrand  vorbereiten!  Die  Presse  der  gesamten  Welt,  viel- 
leicht mit  alleiniger  Ausnahme  der  englischen,  die  wenigstens  im  allge- 
meinen das  ehrliche  Bemühen  zeigt,  einigermaßen  den  Anstand  zu  wahren,. 


i^84  Siebentes  Buch. 


z 


widmet  sich  wohl   keinem  ihrer  Geschäfte  mit  solcher   Leidenschaft  wie 
gerade  diesem  all  erkläglichsten  1 


1  Überraschenderweise  ist  sogar  gerade  in  dieser  Zeit  ein  Fortschritt 
gemacht  worden,  der  vielleicht  zu  den  denkwürdigsten  in  der  gesamten 
Geschichte  der  Menschheit  gehört.  Als  solchen  müssen  wir  die  Gründung 
;  des  Internationalen  Schiedsgerichts  im  Haag  begrüßen. 
>  Im  grauesten  Altertum  hatten  bereits  die  Menschen  begriffen,  daß 
bei  einigem  guten  Willen  eine  Aufhebung  der  entsetzlichen  Plage  des 
Krieges  möglich  sei,  ließe  sich  doch  ein  Gerichtshof  vorstellen,  der  so 
angesehen  und  so  gewaltig  sei,  daß  er  eine  Beilegung  der  Streitigkeiten 
unter  den  Völkern  auf  friedlichem  Wege  herbeizuführen  vermöge.  Schon 
Leibniz,  besonders  aber  der  Abt  von  Saint-Pierre  (17 13)  und  der  ost- 
preußische Weltweise  Immanuel  Kant  hatten  von  einem  solchen  obersten 
Gerichtshof  geträumt,  der  durch  selbständige  Entscheidung  die  Händel 
der  Völker  schlichten  und  ihre  Zwistigkeiten  aus  der  Welt  schaffen  sollte, 
wie  das  in  einem  gesitteten  Staate  bei  den  privaten  Rechtshändeln  der 
Einzelpersönlichkeiten  schon  lange  bürgerliche  Behörden  machen. 

Die  internationalen  Friedenskongresse  (1848 — 67)  sowie  die  Friedens- 
gesellschaften der  verschiedenen  Länder  nährten  diese  so  fruchtbare  Idee. 
Doch  die  Regierungen  wollten  ihr  nicht  die  geringste  Aufmerksamkeit 
schenken,  und  auch  die  Volksstimmung,  die  sich  von  törichten  Organen 
der  Presse  leiten  ließ,  brachte  ihr  keine  Unterstützung. 

Im  Jahre  1889  fand  in  Paris  gelegentlich  der  damaligen  Weltausstellung 
auf  Betreiben  von  drei  hervorragenden  ethischen  Persönlichkeiten,  nämlich 
den  beiden  Franzosen  Frdd^ric  Passy  und  Jules  Simon  und  dem  Engländer 
Randal  Cremer,  eine  Zusammenkunft  statt,  an  der  die  Mitglieder  der  ver- 
schiedensten  Parlamente,  des  englischen,  spanischen,  belgischen,  deutschen, 
französischen,  italienischen,  dänischen,  griechischen,  ungarischen,  ameri- 
kanischen und  anderer,  teilnahmen.  Es  war  dies  die  sogenannte  Inter- 
parlamentarische Konferenz,  die,  ohne  von  Amts  wegen  mit  einer  bestimmt 
abgegrenzten  Machtbefugnis  ausgestattet  zu  sein,  nichtsdestoweniger  die 
Stellung  eines  ersten  Internationalen  Parlamentes  bekleidete,  das  auf  fried- 
lichem Weg  in  vollkommener  Zuständigkeit  alle  Fragen  zu  erörtern  hatte, 
die  nur  irgendwie  die  gemeinsamen  Interessen  der  europäischen  Völker 
berühren  können.  Es  war  das  zwar  noch  nicht  jenes  große  Parlament  der 
■  Vereinigten  Staaten  von  Europa,  wie    es  das    prophetische    Genie    eines 


Die  Herrschaft  der  Wissenschaft.  48^ 


Victor  Hugo  ausgesonnen  hatte,  aber  es  war  doch  immerhin  schon  ein 
gewisser  Anfang  auf  dem  Wege  zu  diesem  erhabenen  Ziele  hin  und  jeden- 
falls zur  Einigkeit. 

Einige  Jahre  später  wurden  die  internationalen  Beziehungen  der  Völker 
schon  wieder  durch  ein  anderes  noch  bedeutsameres  Ereignis  auf  voll- 
kommen neue  Bahnen  gelenkt. 

Am  I.  August  1898  veranlaßte  Zar  Nikolaus  II.  von  Rußland,  der  Sohn 
Alexanders  III.  (Alexandro witsch),  die  Zusammenkunft  einer  internationalen 
Konferenz  im  Haag,  die  den  Triumph  des  großen  Gedankens  des  Welt- 
friedens über  die  Elemente  jedweder  Unruhen  und  Zwistigkeiten  als  hoch'- 
sies  erstrebenswertes  Ziel  im  Auge  haben  sollte. 

Der  gewaltigste  Alleinherrscher  der  Welt,  jener  Zwingherr,  der  unter 
seinem  unumschränkten  Zepter  ein  Viertel  des  gesamten  bewohnten  imd 
unbewohnten  Erdballs  vereint,  jener  Fürst,  den  vierhundert  Millionen 
Menschen  ganz  wie  einen  Gott  verehren,  erkennt  also,  welche  Plage  für 
die  Völker  der  Krieg  und  welche  erdrückende  Last  für  sie  der  bewaffnete 
Friede  bildet.  Das  Wort  des  Kaisers  scheint  die  kühnsten  Utopisten- 
träume verwirklichen  zu  wollen  1 

Und  in  der  Tat  begann  auch  schon  ein  Jahr  später  die  Utopie  zur  sinn- 
fälligen Wirklichkeit  zu  werden.  Am  18.  Mai  1899  traten  in  der  hollän- 
dischen Friedensstadt  Haag  sechsundsiebzig  der  hervorragendsten  Diplo- 
maten und  Rechtsgelehrten  aller  Länder  feierlich  zu  einer  Gemeinschaft 
zusammen,  die  nach  ihren  Mitgliedern  eine  der  größten  sittlichen  Kräfte 
der  Welt  zur  Vorbereitung  des  Friedens  unter  den  Völkern  und  zur  Er- 
setzung von  Anarchie  durch  Ordnung  und  von  Willkür  durch  Gerechtigkeit 
darstellen   mußte. 

Nach  langen  fachmännischen  Erörterungen  gelang  der  Ersten  Haager 
Konferenz  wirklich  die  Einrichtung  eines  Obersten  Schiedsgerichtshofes  mit 
dem  amtlichen  Sitze  im  Haag,  eines  Gerichtshofes,  vor  dem  ein  selbst- 
herrlicher Staat,  wenn  er  sich  von  einem  andern  in  seinen  Rechten  ver- 
letzt glaubt,  zu  jeder  Zeit,  ohne  zur  Waffengewalt  schreiten  zu  brauchen, 
seine  Sache  verfechten  kann,  ganz  wie  ein  Privatmann  vor  einem  bürger- 
lichen Gericht. 

Aber  weder  dieser  Ersten  Haager  Konferenz  noch  einer  weiteren,  der 
Zweiten  (1905),  gelang  es,  sei  es  die  Verringerung  der  Rüstungen,  sei  es 
den  Zwang  zur  Unterwerfung  unter  das  schiedsgerichtliche  Urteil  zu  be- 
schheßen.  Das  ebenso  altersgraue  wie  sinnlose  waffenstarrende  Riesen- 
gebäude unserer  kriegsbegeisterten  Gesellschaften  läßt  sich  natürlich  nicht 
in  wenigen  Jahren  und  mit  einem  Federstriche  völlig  beseitigen!  Aber 
13  Riebet,  Geschichte  der  Menschheit,  II. 


486  Siebentes  Buch. 


jedenfalls  kam  im  Haag  ein  ganz  wesentlicher  Fortschritt  zustande.  Von 
nun  an  sollte  nämlich  eine  unparteiische  gerichtliche  Entscheidung  an- 
gerufen werden  können  als  Ersatz  für  die  blutigen  Massenschlächtereien 
eines  doch  immer  nur  ungewissen  Krieges.  Hing  in  alten  Zeiten  noch  die 
gesamte  Entscheidung  von  Zufall  und  blinder  Gewalt  ab,  so  treten  nun. 
schon  andere  Herren  an  deren  Stelle,  denen  man  den  Vorzug  gibt.  Zu  Be- 
ginn der  großen  französischen  Revolution  warf  Mirabeau  folgendes  große 
Wort  unter  die  erstaunten  Massen:  „Das  Recht  ist  der  Gebieter  der  Welt!" 
Durch  das  zwischenstaatliche  Schiedsgericht  wird  noch  einmal  dieses  pro- 
phetische Wort  Mirabeaus  zu  einer  großen  Wahrheit  werden. 

Allerdings  ist  bis  auf  weiteres  der  allgemeinverbindliche  Schiedsgerichts- 
zwang noch  nicht  zur  Annahme  gekommen,  so  daß  sich  folglich  zunächst 
noch  immer  jede  Regierung  weigern  kann,  vor  dem  Haager  Gerichtshofe 
zu  erscheinen,  wenn  sie  zu  ihrem  und  ihrer  Staatsangehörigen  Unglück  es 
docli  vorzieht,  ihre  Zuflucht  zu  den  Waffen  zu  nehmen.  Doch  dieser 
gegenwärtige  Zustand  bildet  nur  einen  Übergang  von  der  Anarchie  von 
gestern  zu  der  Ordnung  von  morgen.  Nur  allzubald  wird  jedes  Volk  be- 
greifen lernen,  daß  der  Schiedsgerichtshof,  der  der  Entscheidung  durch 
die  Gewalt  der  Geschütze  offenbar  ebenso  an  Weisheit  wie  an  Gerechtigkeit 
überlegen  ist,  um  seiner  Lebensinteressen  wie  um  seiner  nationalen  Würde 
willen  alle  nur  erdenkliche  Machtvollkommenheit  haben  muß!  Aber  auch 
schon  heute  hat  trotz  aller  gehässigen  Hetzereien  und  ebenso  häufig 
törichten  wie  unlauteren  Treibereien  gewisser  Zeitungsschreiber  die  öffent- 
liche Meinung  in  dieser  Richtung  solche  Fortschritte  gemacht,  daß  es  nur 
noch  kurze  Zeit  dauern  wird,  bis  alle  gesitteten  Völker  nahezu  mit  Ein- 
stimmigkeit eine  zwangsweise  Schiedsgerichtsentscheidung  stürmisch  ver- 
langen werden.  Die  Krittler  und  Spötter  zeigen  durch  ihre  Spöttereien 
und  Kritteleien  lediglich  ihre  bodenlose  Unfähigkeit:  das  eigentliche  Wesen 
der  Sache,  um  das  es  sich  handelt,  zu  verstehen!  Es  ist  das  nur  das  Ver- 
zweiflungsgebrüll einer  vollkommen  rasend  gewordenen  greisenhaft  alters- 
schwachen Menschenklasse  I 

Doch  es  ist  auch  daran  zu  erinnern,  daß  sogar  ohne  diesen  allgemeinen 
Schiedsgerichtszwang  schon  jetzt  sehr  häufig  vor  wie  nach  der  Haager 
Konferenz  bei  Streitfragen  um  Lebensinteressen  von  Völkern  ein  Schieds- 
gericht angerufen  wurde,  so  z.  B.  zwischen  England  und  den  Vereinigten 
Staaten  in   der  bekannten  Alabamafrage*,  einem  völkerrechtlich  berühmt 


*  In  August  Strindbergs  so  anziehender  kleiner  pazifistischer  Ftiedensnovelle  steht  das 
Schiedsgericht  im  Anschluß  an  die  Alabamafrage  im  Mittelpunkt. 


Die  Herrschaft  der  Wissenschaft.  /g- 


gewordenen   Streite  wegen  des  von  einer   Unionsflotte  in  den  Grund  ge^ 
bohrten,   in  England  für  die  Konföderation  der  nordamerikanischen   Süd- 
staaten während  des  Sezessionskrieges  gebauten  Kaperschiffes  „Alabama" 
(am  15.  September  1872  zu  Genf),  zwischen  Portugal  und  England  wegen  afri- 
kanischer Besitzungen  (1873),  zwischen  England  und  Spanien  in  der  Karo- 
linenfrage (1885),  zwischen  Frankreich  und  Brasilien  wegen  Guyanas  (1898), 
zwischen  Venezuela  und  verschiedenen  europäischen  Mächten  bei  Finanz-' 
Schwierigkeiten  des  tief  verschuldeten  südamerikanischen  Staates  (1902),  zwi- 
schen Rußland  und  England  im  Doggerbankhandel  zur  Zeit  des  russisch-ja- 
panischen Krieges  um  der  von  den  Russen  an  jener  Sandbank  der  Nordsee 
versenkten  englischen  Fischerkähne  der  Stadt  Hüll  (1905),  zwischen  Frank- 
reich und  Deutschland  in  der  sogenannten   Casablancasache   wegen  einer 
Fremdenlegionärsangelegenheit   (1909),   zwischen   Frankreich   und  England 
wegen  der  einheimischen  Bevölkerung  des  britischen  Schutzstaates  Maskat 
m  Arabien  (1904),  zwischen  England  und  den  Vereinigten  Staaten  in  Zu- 
slandigkeitsfragen  bezüglich  der  Fischereigerechtigkeit  innerhalb  des  Atlan- 
tischen  Ozeans    (1910),    zwischen   Rußland   und   der   Türkei   wegen   einer 
Kriegsentschädigung  (1912)  und  schließlich  zwischen  Italien  und  Frankreich 
wegen  einiger  Seeprisen  in  dem  italienisch-türkischen  Kriege  (1913).    Noch 
in  den  zehn  Jahren  1844-1854  waren  nicht  mehr  als  nur  neun  Schieds- 
gerichtsfälle;  aber  schon  zwischen  1894  und  1904  stieg  ihre  Zahl  auf  volle 
fünfundsiebzig. 

Auch  der  Haager  Schiedsgerichtshof  hat  bereits  Gelegenheit  gehabt,  in 
den  nunmehr  erst  zwölf  Jahren  seines  Bestehens  (1902-1913)  zwölf  Schieds- 
gerichtsurteile  zu  sprechen,  also  in  jedem  Jahre  durchschnittlich  eines 
Auch  die  schiedsgerichtlichen  Verträge  haben  sich  von  Jahr  zu  Jahr  ver- 
mehrt. Wie  Ihre  Zahl  in  den  Jahren  1899-1913  gestiegen  ist,  erläutert 
die  folgende  Tabelle  in  übersichtlicher  Weise: 

'^^   •     •       3  1904   .     .     26  1908    .     .     24  1912    .     .     3 

'^°'  •     •       '  ^905    .     .     20  1909   .     .     44  X913    .     .     8 

1902   .     .      13  1906   .     .       4  igro   .     .     20 

^903    .     .       3  1907   .     .       5  1911    .     .      13 

So  ist  denn  in  der  Gegenwart  bei  irgendwelcher  Unstimmigkeit  zwi- 
schen den  Staaten  der  Gedanke,  der  jedem  auf  Gemeinwohl  und  Gerc'^htio-- 
keit  bedachten  Volke  stets  zuerst  kommt,  der:  die  vorliegende  Streitfrage 
der  Entscheidung  des  Haager  Gerichtshofes  Unterbreitet  zu  sehen.  Die 
bchiedsgenchtsverträge  sind  wesentliche  Sicherheiten  des  Friedens,  beson- 
ders  wenn  es  sich,  wiezwischen  Argentinien  und  Italien,  zwischen  Dänemark 
und  Holland,  um  einen  Vertrag  ohne  jedweden  Vorbehalt  handelt,  dem 


488  Siebentes  Buch. 


die  Schiedsgerichtsentscheidung  als  eine  für  alle  Zeiten  uneingeschränkt 
und  bindend  gültige  Bedingung  zugrunde  liegt. 

Aller  Voraussicht  nach  ist  es  die  hier  besprochene  Bewegung,  die  den 
größten  Kulturfortschritt  darstellt,  den  unsere  menschlichen  Gemeinschaf- 
ten seit  langen  Jahrhunderten  verwirklicht  haben  1  Geradezu  mit  Blindheit 
muß  derjenige  geschlagen  sein,  der  nicht  sieht,  daß  der  Krieg  in  allen 
seinen  Gestalten,  ja  auch  schon  in  der  des  bewaffneten  Friedens,  zu  allen 
Zeiten  der  größte  Feind  des  Menschengeschlechts  gewesen  ist.  Die  Herr- 
schaft der  Willkür  zwischen  den  Einzelwesen,  die  die  gesitteten  Staaten 
durch  die  Einrichtung  des  staatlichen  Polizei-  und  Gerichtswesens  glück- 
lich beseitigt  haben,  wütet  bedauerlicherweise  noch  immer  zwischen  den 
Staaten  selbst;  denn,  wenn  die  Staaten  so  auf  ihre  sogenannte  Selbst- 
herrlichkeit pochen,  bedeutet  das  offenbar  gar  nichts  anderes,  als  daß  sie 
sich  ein  Recht  anmaßen,  ungestraft  Unrecht  tun  und  an  Stelle  der  Ge- 
rechtigkeit ihre  Willkürlichkeiten,  Gelüste  und  Launen  setzen  zu  dürfen! 
Es  ist  das  in  sittlicher  Beziehung  einfach  etwas  Ungeheuerliches! 

Doch  unter  andern  Gesichtspunkten  ist  es  noch  mehr,  ist  es  doch 
unter  dem  des  wohlverstandenen  Interesses  geradezu  etwas  Widersinniges! 
Denn,  wenn  ein  Volk  auch  noch  so  mächtig  ist,  wird  es  doch  immer  nur 
dann  seinen  Vorsprung  behalten,  wenn  es  gegen  eine  etwaige  Ungerechtig- 
keit von  Nachbarn,  die  möglicherweise  stärker  oder  glücklicher  sind,  eine 
Zuflucht  im  Rechte  sucht. 

Durch  den  Schein  der  Gegenwart  tind  die  Erinnerung  an  eine  noch 
sehr  junge  Vergangenheit  verwirrt,  machen  wir  uns  auch  heute  noch  immer 
nicht  richtig  klar,  welcher  große  Kulturfortschritt  eigentlich  gemacht 
worden  ist.  Aber  in  einer  ganz  nahen  Zeit  wird  schon  die  Erkenntnis 
aufdämmern,  daß  der  allgemeine  Schiedsgerichtszwang  die  Erhebung  der 
Gerechtigkeit  auf  den  Weltenthron  bedeutet,  worauf  alle  Gesittung  beruht! 
Bis  jetzt  hat  die  Welt  stets  nur  in  einem  Zustande  der  Barbarei  gelebt! 

Wer  nach  dem  bloßen  äußeren  Scheine  urteilt,  möchte  wohl  dem 
Glauben  zuneigen,  daß  die  Geschicke  der  Welt  nicht  dem  Frieden  zu- 
streben ;  denn  noch  nie  sind  die  Rüstungen  so  furchtbar  gewesen,  wie  gerade 
jetzt,  noch  nie  ist  die  gegenseitige  Überbietung  an  Kriegshetzereien  bei  den 
Völkern  so  leidenschaftlich  gewesen!  Mit  der  Abrüstung  allerdings  wird 
die  Friedenstätigkeit  unter  den  Völkern  nicht  beginnen  können.  Unmög- 
lich kann  es  heißen:  „Zunächst  die  Abrüstung  und  alsdann  das  Schieds- 
gericht /"  Der  Satz  ist  vielmehr  umzukehren :  Die  Abrüstung  ist  nicht 
möglich,  ehe  nicht  die  Rechtsprechung  zwischen  den  einzelnen  Staaten  fest 
und  dauernd  aufgebaut  sein  wird,  d.  h.  ehe  nicht  das  Schiedsgerichts- 


Die  Herrschaft  der  Wissenschaft.  z^8g 

verfahren  vor  dem  Haager  Gerichtshof  e  für  jeden  Streitfall  zwischen  zwei 
Völkern  allgemeinverbindlich  geworden  sein  wird! 


So  haben  denn  auch  wohlweislich  in  den  letzten  vierzig  Jahren  alle 
europäischen  Völker,  anstatt  abzurüsten,  immer -nur  daran  gedacht,  wie 
sie  am  besten  die  Zahl  ihrer  Soldaten  vermehren  und  das  Material  ihrer 
militärischen  Kräfte  vervollkommnen  konnten.  Mit  Ausnahme  von  Eng- 
land wurde  die  allgemeine  Wehrpflicht  in  allen  Ländern  eingeführt,  und 
müssen  sämtliche  jungen  Leute  zwei  bis  drei  Jahre  dienen.  Eine  schwere 
Last,  die  unsere  Vorfahren  dereinstens  noch  nicht  gekannt  haben!  Die 
Heeresstärke  beläuft  sich  für  Europa  in  Friedenszeiten  auf  insgesamt 
etwa  fünf  Millionen,  steigt  aber  in  Kriegszeiten  bis  auf  die  vierfache  Höhe. 
Wenn  durch  einen  europäischen  Krieg  «ine  allgemeine  Mobilisierung  nötig 
würde,  so  wären  es  wohl  an  zwanzig  Millionen  Menschen,  die  zu  den  Waffen 
greifen  würden.  Auch  die  Kleinstaaten  wie  Dänemark,  Norwegen  und 
Portugal  hielten  es  gleichfalls  für  ihre  Pflicht,  Heere  auf  die  Beine  bringen 
zu  müssen,  die  im  Verhältnisse  zu  ihrer  Bevölkerungszahl  als  sehr  starke 
zu  bezeichnen  sind. 

Vor  allem  schreibt  sich  hieraus  auch  ein  unglaubliches  Anwachsen  der 
Ausgaben  des  Staates  her.  In  jedem  Lande,  und  zwar  ausnahmslos,  ver- 
schlingen die  Staatshaushalte  des  Krieges  und  der  Marine  zusammen- 
genommen mindestens  ein  Drittel  aller  jährlichen  Einnahmen  oder,  noch 
besser  gesagt,  zwei  Drittel,  wird  doch  ein  ganzes  Drittel  zur  Verzinsung 
der  Staatsschuld,  d.  h.  für  diejenigen  zurückliegenden  militärischen  Aus- 
gaben verwendet,  die  noch  die  gegenwärtigen  Geschlechter  zu  tragen 
haben.  Großbritannien,  dessen  Landheer  verhältnismäßig  klein  ist,  hat 
eine  Flotte  ausgerüstet,  die  für  sich  allein  ims;tande  ist,  den  vereinigten 
Flotten  aller  übrigen  Mächte  die  Spitze  zu  bieten,  imd  dieses  Land  ver- 
wendet alljährlich  Riesensummen  auf  den  Bau  seiner  Kriegsschiffe.  Da 
wollen  natürlich  auch  Deutschland,  Frankreich  und  Rußland  nicht  zurück- 
bleiben, so  daß  die  Anzahl,  die  Stärke  und  der  Preis  der  Panzerkreuzer 
von  Jahr  zu  Jahr  im  Steigen  begriffen  ist. 

Die  Kriegskunst  hat  sich  auch  bis  auf  die  geringsten  Kleinigkeiten  von 
Grund  aus  umgebildet.  Die  Umwälzung  ist  eine  so  durchgreifende,  daß 
in  den  letzten  vierzig  Jahren  mehr  Veränderungen  als  in  früheren  zwei 
Jahrhunderten  vor  sich  gegangen  sind.  Die  Tragweite  der  Geschütze  ist 
fast  doppelt  so  groß  geworden  wie  vorher.  Dabei  haben  sie  an  Leichtig- 
keit und  Handlichkeit  gewonnen.    Ihre  Abfeuerung  ist  eine  schnellere  und 


490  Siebentes  Buch. 


sicherere.  Wenn  die  Granaten  aufschlagen,  bedecken  sie  mit  ihren  Ge- 
schossen eine  ausgedehntere  Fläche.  In  wenigen  Minuten  läßt  sich  eine 
Geschützreihe  aufstellen,  die  auf  zwei  bis  drei  Kilometer  Entfernung  einen 
genau  abgegrenzten  Raum  unhaltbar  macht.  Die  Erfindung  des  rauch- 
losen Pulvers,  das  alles  bisher  dagewesene  an  Wirkung  übertrifft,  und  bei 
dem  die  Herkunft  des  Schusses  nicht  zu  erkennen  ist,  macht  sowohl  diel 
Geschütz-  wie  die  Gewehrfeuer  um  so  schrecklicher,  als  nun  auch  niemand 
mehr  weiß,  woher  sie  kommen.  Die  Granaten  sind  mit  Sprengkörnern, 
gefüllt,  die  mit  einer  ganz  unerhörten  Gewalt  zerplatzen  und  giftige  Gase 
verbreiten.  Die  Gewehre  aber,  mit  denen  die  Infanterie  versehen  ist,  sind 
Präzisionsmaschinen  im  strengsten  Sinne  des  Wortes  und  so  recht  fürs 
Schnellfeuer  geeignet. 

So  ist  heute  die  gesamte  Bewaffnung  furchtbar  und  unwiderstehlich! 
Fünftausend  Soldaten,  die  mit  den  heutigen  Waffen  ausgerüstet  sind, 
würden  mit  Leichtigkeit  über  die  zehnfache  Übermacht  triumphieren, 
wemi  diese  noch  in  dem  alten  Stile  von  1870  bewaffnet  wärel 

In  ganz  entsprechender  Weise  ist  auch  die  Taktik  unserer  Tage  der 
früheren  in  gar  nichts  ähnlich  geblieben.  Die  Infanterie,  Artillerie,  ja 
selbst  die  Kavallerie  haben  Dienstordnungen,  die  den  einstigen  auch  nicht 
in  einem  Punkte  gleichen!  Es  ist  wirklich  nicht  vorauszusehen,  wie  ent- 
setzlich das  heillose  Massengemetzel  sein  wird,  das  in  die  Erscheinung 
treten  muß,  wenn  die  neuen  Waffen  und  Kampfesweisen  durch  zwanzig 
Millionen  Soldaten  zur  Anwendung  kommen! 

Die  gesamten  wissenschaftlichen  und  industriellen  Entdeckungen  wurdsn 
alsbald  in  den  Dienst  des  Kriegswesens  gestellt,  als  ob  wahrhaftig  nur 
dies  und  nichts  anderes  ihre  Bestimmung  wäre!  Flugmaschinen,  Luft- 
schiffe, drahtlose  Telegraphie,  Automobile,  das  werden  die  furchtbaren  und 
unentbehrlichen  Hilfen  für  jede  Truppenbeförderung  wie  auch  für  die 
offene  Schlacht  selbst  sein!  Im  Mobilmachungsfalle  werden  die  Eisen- 
bahnen einzig  und  allein  für  Truppen,  Lebensmittel  und  Kriegsbedarf  da 
sein!  Für  die  bürgerlichen  Reisenden  wird  es  ebensowenig  eine  Beförde- 
rung geben,  wie  für  Warenverkehr  und  Güteraustausch  sowie  die  Lebens- 
mittelversorgung der  Städte,  so  daß  schließlich  die  Volksmassen  Hungers- 
not leiden  werden,  nur,  damit  die  Soldaten  sich  ernähren  könnten!  In 
wenigen  Tagen  werden  sich  nahezu  eine  Million  Menschen  auf  beiden 
Seiten  der  Grenze  vereinen  lassen!  Im  Verlauf  von  nur  vierzehn  Tagen 
kann  diese  Zahl  schon  verdreifacht  werden !  Die  Zukunftsschlachten  werden 
sich  von  den  bisherigen  sicher  mehr  unterscheiden  als  etwa  die  bei  Wagram 
von  der  bei   Bouvines!    Die  großen   Kriege  der  Vergangenheit  sind  die 


\ 


Die  Herrschaft  der  Wissenschaft.  ^g  i 

reinen    Kinderspiele     denen    gegenüber,    für    die   gefühllose   Wissenschaft 
menschlicher  Raserei  erst  die  Wege  gebahnt  hatl 


Ein  auch  noch  so  flüchtiger  Entwurf  von  der  inneren  Geschichte  der 
verschiedenen  europäischen  Länder  in  den  Jahren  1871 — 191 2  würde  uns 
hier  zu  weil  führen.  Aber  sie  läßt  sich  in  dem  einen  Satze  zusammen- 
fassen, daß  sich  alle  diese  Länder  in  demokratischer  Richtimg  entwickelt 
haben.  Die  Regierungsformen  haben  in  dieser  Zeit  allerdings  nirgendwo 
in  Europa  gewechselt,  abgesehen  von  Portugal,  das  ein  unfähiges  Herr- 
schergeschlecht vertrieben  hat  und  eine  Republik  geworden  ist  (1910). 
Die  Regierungen  der  beiden  Länder,  in  denen  das  Selbstherrschertum  am 
unumschränktesten  waltete,  Rußlands  und  der  Türkei,  haben  sich  schließ- 
lich wenigstens  einem  gewissen  Scheinparlamentarismus  gefügt.  So  hat  denn 
wohl  ganz  Europa  das  Zweikammersystem  angenommen,  und  zwar  derart, 
daß  bis  auf  das  engere  Preußen*  mindestens  eine  Kammer  aus  dem  direkten 
Wahlrecht  hervorgegangen  ist  und  sie  beide  zusammen  über  den  Staats- 
haushalt des  bevorstehenden  Jahres  abstimmen.  Noch  im  Jahre  1812  gab 
es  ausschließlich  in  Frankreich  und  in  England  ein  Parlament.  Es  hat  für 
die  anderen  europäischen  Staaten  eines  ganzen  Jahrhunderts  bedurft,  sich 
zu    verfassungsmäßigen    und    parlamentarischen    Gebilden    zu    entwickeln. 

Doch  nicht  etwa  bloß  darum,  weil  die  Herrscher  zur  Unterwerfung 
unter  eine  Verfassung  gezwungen  wurden,  ist  der  Charakter  der  heutigen 
Gemeinschaften  ein  wahrhaft  demokratischer  geworden,  es  liegt  das  vor 
allem  an  der  Gesamtheit  der  Gesetze  und  Sitten,  die  ein  solcher  Geist 
durchweht. 

Die  erblichen  Vorrechte  wurden  überall  beseitigt,  abgesehen  vielleicht 
von  England,  wo  sie  in  einem  ganz  kleinen  Umfange  beibehalten  wurden. 
Überall  besteht,  wenigstens  theoretisch,  Gleichheit  vor  dem  Gesetze,  vor 
der  Steuer  und  vor  der  Wehrpflicht.  Alle  Verfassungen  verkünden  nach 
dem  Muster  der  berühmten  Erklärung  der  Menschenrechte  vom  Jahre  1789 
diese  Gleichheit,  die  in  den  herrschenden  Gebräuchen  und  Sitten  nur 
ihre  Bestätigung  findet. 

Das  unbewußte  Streben  der  heutigen  Gemeinschaften  zu  einem  immer 
demokratischeren  Zustande  tritt  besonders  in  dem  regen  Ausbau  der  Schul- 
und  Arbeiterschutzgesetzgebung  in  die  Erscheinung. 

Alle  Völker,  und  zwar   zunächst  Norwegen    und   Schweden,  dann   aber 


*  Zum  preußischen  Herrenhaus  werden  die  Mitglieder  ernannt. 


492  Siebentes  Buch. 


auch  besonders  Deutschland  und  weiter  Frankreich  und  die  Schweiz, 
kamen  allmählich  zu  der  Einsicht,  daß  es  die  vornehmste  Pflicht  einer 
Regierung  ist,  der  gesamten  Jugend,  gleichviel,  ob  es  sich  um  die  Kinder 
von  reichen  oder  armen  Eltern,  in  der  Stadt  oder  auf  dem  Lande,  handelt, 
den  ersten  Unterricht  in  den  Anfangsgründen  zu  geben.  In  ganz  Europa, 
mit  alleiniger  Ausnahme  von  Rußland  und  Spanien,  müssen  die  Kinder 
heute  Lesen  und  Schreiben  lernen.  Der  Unterricht  in  den  Anfangsgründen 
ist  verbindlich  geworden,  und  die  Schulpflicht  hat  wieder  die  Unentgelt- 
lichkeit im  Gefolge,  die  natürlich  dem  Staate  ziemlich  erhebliche  Lasten 
auferlegt. 

Die  Ausbreitung  der  Bildung  unter  allen  Bevölkerungsklassen  macht 
gerade  die  eigentliche  Grundlage  der  Demokratie  aus.  Die  Bildung  ist 
kein  Klassenvorrecht  mehr.  Jeder  Staatsbürger  kann  sich  durch  Zeitungen 
und  Bücher  von  Menschen  und  Dingen  seine  persönliche  Anschaui^g  ge- 
stalten.   So  kann  die  Stimme,  die  er  abgibt,  überlegt  und  bewußt  sein. 

Auch  hat  die  Zeitung,  die  das  Buch  leider  immer  mehr  und  mehr  zu 
entthronen  strebt,  einen  bald  segensreichen,  bald  verhängnisvollen,  doch 
nie  unbedenklichen  wachsenden  Einfluß  über  das  gesellschaftliche  Leben 
gewonnen.  In  den  besonders  demokratischen  Ländern,  wie  in  den  Ver- 
einigten Staaten,  ist  das  erste,  sobald  nur  eine  Stadt  aus  dem  Boden 
zu  wachsen  beginnt,  daß  eine  Zeitung  erscheint.  Es  gibt  in  den  Ver- 
einigten Staaten  mehr  Zeitungen  als  in  ganz  Europa.  Aber  auch  in  Europa, 
wenigstens  in  den  Großstädten,  hat  die  Zeittmg  schon  vollständig  auf- 
gehört, Luxusartikel  zu  sein  und  wird  statt  dessen  als  dringendstes  Be- 
dürfnis empfunden.  Der  Einfluß  der  Tagespresse  steigt  von  Tag  zu  Tag. 
Das  unbekannteste  Gemeindeblättchen  des  verlorensten  Fleckens  gibt  auch 
stets  einige  Benachrichtigungen  über  alles  Bedeutendere,  was  sich  soeben 
in  irgendwelchem  Winkel  der  weitesten  Welt  abgespielt  hat.  Dank  dem 
sich  so  weit  hinziehenden  gewaltigen  Telegraphennetze  wird  jedes  Ereignis, 
ob  wichtig  oder  nicht,  mag  es  sich  auch  am  Ende  unserer  Erdenwelt  zu- 
tragen, alsbald  überall  bekannt,  und  von  hundert  Millionen  von  Menschen- 
wesen verstanden  und  von  jedem  wieder  selbständig  ausgelegt.  Die 
Menschenwelt  ist  gewissermaßen  zu  einem  äußerst  empfänglichen  le- 
benden Organismus  geworden,  dessen  einzelne  Teile  sogleich  sämtlich 
den  Stoß  mitempfinden,  den  er  selbst  an  den  fernsten  Extremitäten 
erlitten  hat.  Jeder  Staatsbürger  ist  durch  die  bloße  Kenntnis  der  Welt- 
ereignisse zum  Weltbürger  geworden.  So  ist  das  Geistesleben  der  heutigen 
Menschen  von  dem  der  einstigen,  die  lange  Zeit  auch  nicht  die  Ge- 
schehnisse  in  ihrer  Nachbarstadt  kannten,  hierdurch   selbst   dann  durch 


Die  Herrschaft  der  Wissenschaft.  493 

und   durch    verschieden,    wenn    sie    von    der   Außenwelt    durch    Ströme, 
Meere   oder  Berge  abgeschnitten  sind! 

So  hat  sich  denn  erst  in  unseren  Tagen  die  Entdeckung  Johann  Guten- 
bergs richtig  in  allen  ihren  wunderbaren  Erscheinungsformen  entwickeln 
können.  Sie  hat  fast  volle  vier  Jahrhunderte  gebraucht,  um  alle  ihre 
Früchte  zur  Reife  zu  bringen.  In  der  maßlosen  Entwicklimg  der  Tages- 
presse mag  allerdings  schon  vielleicht  etwas  Ungesundes  liegen.  Doch 
wird  durch  sie  ebensowenig  wie  durch  die  Volksschule  sich  die  Menschheit 
neue  Gebiete  erobern  können,  vielmehr  wird  dies  allein  durch  den  höheren 
Unterricht  und  den  Universitätsbetrieb,  besonders  aber  durch  die  wissen- 
schaftliche Forschung  eintreten.  Aber  bis  jetzt  haben  die  Demokratien, 
wenn  sie  auch  ein  paar  schwächere  verdienstliche  Bemühungen  nach  dieser 
Richtung  gemacht  haben,  doch  im  wesentlichen  mehr  für  den  Volksschul- 
unterricht als  für  die  reine  Wissenschaft  Sorge  getragen.  Diese  kommt 
für  sie  wenig  oder  gar  nicht  in  Betracht.  Sie  haben  nun  einmal  die  mili- 
tärischen Dinge  auf  die  erste  und  die  Volksbildung  auf  die  zweite  Stufe 
gestellt,  und  nur  widerwilhg  denken  sie  an  die  unbekannten  Welten,  deren 
Betreten  ihnen  ausschließlich  die  Wissenschaft  ermöglicht.  Um  sich  hier- 
von zu  überzeugen,  genügt  es  schon,  sich  einmal  die  Verteilung  unserer 
Staatshaushalte  anzusehen,  Frankreich  hat  zum  Beispiel  im  Jahre  191 1 
nicht  weniger  als  1354  Millionen  Frank  für  militärische  Dinge  angesetzt, 
doch  schon  bloß  288  für  den  Unterricht  und  nur  erbärmliche  2  für  die 
unabhängige  wissenschaftliche  Forschung.  Auch  in  den  übrigen  Ländern 
ist  es  kaum,  viel  anders. 


Inmitten  dieses  allgemeinen  Weltfortschritts,  der  sich  auf  alle  Formen 
menschlicher  Tätigkeit  ausdehnt,  hat  allein  der  Ackerbau  in  einem  trau- 
rigen Stillstande  verharrt.  Noch  heute  wird  das  Korn,  die  Rebe,  der 
Reis,  der  Tee,  der  Hafer  und  das  Weidefutter  kaum  anders  gebaut  als 
in  den  Tagen  der  Ceres  und  des  Bacchus.  Wissenschaft  und  Industrie, 
die  so  wunderbare  Maschinen  für  eine  Bearbeitung  der  Metalle  und  für 
eine  schnelle  Beförderung  der  Menschen  ersonnen  haben,  konnten  nicht 
viel  zur  Verbesserung  des  Bodenertrages,  von  dem  wir  leben,  und  zur 
Vervollkommnung  der  Pflanzen,  von  denen  wir  ims  nähren,  beitragen !  Und 
auch  noch  das  Wenige,  was  getan  ist,  bleibt  der  Landbevölkerung  fast 
unbekannt  oder  wird  wenigstens  von  ihr  verkannt.  Noch  heute  bewegt 
sich  alles  fast  in   demselben  Geleise    wie    in   uralten   Zeiten,    ganz  gleich. 


4g4  Siebentes  Buch. 


ob  es  sich  um  Aussaat,  Ernte  oder  auch  Weinlese  handelt.  Die 
Hütten-,  Bergwerks-  und  Maschinenbetriebe  sind  es,  denen  allmählich 
immer  mehr  Kräfte  zugelaufen  sind,  die  die  landwirtschaftliche  Tätigkeit 
in  einer  Weise  zu  verschmähen  und  zu  verachten  gelernt  haben,  daß 
es  möglich  sein  kann,  daß  das  Land  heute  auch  nicht  um  das  geringste 
ergiebiger  geworden   ist    als   in   den   ältesten   Zeiten. 

Anstatt  sich  zu  vermehren,  hat  sich  die  Bevölkerung  auf  dem  Lande 
überall  nur  vermindert.  Der  Landmann  beeilt  sich  etwas  anderes  zu 
werden  und  will  bloß  kein  Bauer  mehr  sein.  Die  Fluren  entvölkern  sich. 
Der  Dorfbewohner  zieht  in  die  Stadt,  wo  ungeachtet  des  furchtbarsten 
Wettbewerbs  die  Löhne  doch  immerhin  höher  sind  als  in  den  Dörfern. 
Daher  die  riesige  Bevölkerungszunahme  der  Großstädte.  In  vierzig  Jahren 
ist  der  Zuwachs  für  Mailand  200 o/o  gewesen,  für  Warschau  1750/0,  für 
Leipzig  4550/0,  für  Moskau  3700/0,  für  Hamburg  2900/0  und  für  Köln  3000/0. 
Außerhalb  Europas  ist  der  Zuwachs  der  vornehmen  großen  Städte  ebenso 
gewaltig,  ja  zum  Teil  noch  gewaltiger.  Johannesburg,  das  ursprünglich 
weiter  nichts  als  eine  felsige  Hochebene  gewesen  war,  hat  gegenwärtig 
257000  Einwohner,  Sidney  ist  um  4460/0  gewachsen,  Melbourne  um  291 0/0, 
Buenos  Aires  um  7200/0  und  Tokio  um  2250/0.  In  den  Vereinigten  Staaten 
sind  Großstädte  an  Orten  emporgeschossen,  die  im  Jahre  1870  noch  nicht 
zwanzigtausend  Einwohner  hatten,  so  Los  Angeles  (319  198  E.),  Saint-Paul 
(214744  E.).  Noch  weitere  Städte,  wie  Chicago,  sind  sogar  um  6300/0, 
Cleveland  um  600  0/0,  Pittsburg  um  520  0/0  gewachsen,  New  York  hat  mit 
Vorstädten  über  fünf  Millionen  Einwohner  (4766883  im  Jahre  1910). 

Es  gibt  in  den  Vereinigten  Staaten  fünfzig  Städte  mit  über  hundert- 
tausend Seelen,  und  die  Bevölkerung  dieser  fünfzig  Städte  stellt  230/0  der 
Gesamtbevölkerung  dar.  In  Frankreich  stellt  die  Bevölkerung  der  Städte 
von  hunderttausend  Einwohnern  12  0/0  der  gesamten  Bevölkerung  dar,  in 
Deutschland  200/0,  in  Spanien  loo/o  und  in  Rußland  40/0.  In  England,  das 
allmählich  ganz  aufgehört  hat,  ein  ackerbautreibender  Staat  zu  sein,  um 
fast  ausschließlich  ein  bergbautreibender  sowie  ein  Handels-  und  Industrie- 
staat zu  werden,  beträgt  das  Verhältnis  der  Bürger,  die  die  Großstädte 
(von  über  hunderttausend  Einwohnern)  bewohnen,  zu  der  gesamten  Be- 
völkerung mehr  als  50  0/0. 

Im  Jahre  1870  waren  in  der  ganzen  Welt,  abgesehen  von  China,  nur  drei 
Städte  mit  über  einer  Million  Einwohner  (London,  Paris,  New  York). 
Heute  sind  es  schon  dreizehn.  Nur  neun  Städte  hatten  damals  über  fünf- 
hunderttausend Einwohner.    Heute  sind  es  neununddreißig. 


Die  Herrschaft  der  Wissenschaft. 


495 


Städte  von  über  500000  Eimohnem  L  J.  1911. 


1871 

1911 

Zuwachs 
nach  Prozenten 

1441 

4766 

230 

3267 

4521 

38 

1851 

2888 

55 

674 

2i86 

225 

299 

2185 

630 

825 

2080 

152 

834 

2031 

130 

790 

1911 

140 

674 

1545 

130 

700 

1505 

115 

177 

1449 

720 

373 

1226 

230 

420 

1000 

140 

450 

942 

HO 

240 

932 

290 

201 

880 

340 

310 

864 

175 

477 

784 

65 

493 

746 

50 

314 

737 

135 

351 

714 

104 

311 

687 

120 

448 

678 

50 

250 

670 

175 

353 

654 

85 

200 

600 

200 

332 

599 

80 

240 

588 

145 

277 

587 

HO 

93 

560 

500 

267 

558 

HO 

177 

551 

210 

312 

550 

75 

244 

542 

120 

86 

■533 

520 

343 

525 

53 

323 

523 

60 

129 

516 

300 

207 

514 

150 

New  York     .  , 

London     .     .  . 

Paris    .     .     .  . 

Tokio  .     .     .  . 

Chicago   .     .  . 

Berlin  .     .     .  . 

Wien   .     .     .  . 

Petersburg    .  . 

Philadelphia .  . 

Moskau    .     .  . 

Buenos  Aires  . 
Osaka      .     . 
Rio  de  Janeiro 
Konstantinopel . 

Hamburg .     .  , 
Budapest .     . 

Warschau      .  . 

Glasgow  .     .  . 

Liverpool .     .  . 

Brüssel     .     .  . 

Manchester  .  . 

Saint-Louis  .  . 

Neapel     .     .  . 

Boston      .     .  . 

Kairo  .     .     .  . 

Mailand    .     .  . 

Madrid     .     .  . 

Barcelona      .  . 

Amsterdam  .  . 

Cleveland      .  . 
Baltimore 

Dresden  .     .  . 

Marseille  .     .  . 

Rom     .     .     .  . 

Pittsburg .     .  . 

Birmingham .  . 

Lyon    .     .     .  . 

Köln    .     .     .  . 

Breslau     .     .  . 


Die  Arbeiter,  die  in  diesen  Riesengemeinschaften  zusammengepreßt  ihr 
Dasein  führen  müssen,   haben  aus  ihrer  Mitte  heraus  eine  eigene  Lebens- 


496  Siebentes  Buch. 


anschauung  gebildet,  die  mit  der  des  Landmannes  auch  in  gar  nichts 
übereinstimmt,  sondern  ihr  vielmehr  schnurstracks  zuwiderläuft.  Damit 
ist  aber  auch  die  Geistesrichtung  in  der  ganzen  Welt  eine  andere  ge- 
worden. Um  das  Jahr  1848  hatten  noch  die  Handwerker,  von  den 
Träumereien  und  Schwärmereien  gewisser  edler  Volksfreunde  wie  der  deut- 
schen Nationalökonomen  Hermann  Schulze-Delitzsch,  Franz  Duncker  und 
Max  Hirsch  angesteckt,  den  etwas  verschwommenen  und  unbestimmten 
Genossenschaftssozialismus  angenommen,  aber  schon  im  Jahre  1913  hielten 
sie  es,  ohne  etwa  darum  auf  die  von  einigen  ihrer  Theoretiker 
bekannten  doktrinären  Ideen  zu  verzichten,  für  praktischer,  sich 
in  Gewerkschaften  oder  Syndikaten  (trade-unions)  zusammenzuschließen. 
Diese  Gewerkschaften  waren  im  Laufe  der  Zeit  zu  einem  gewaltigen  Ein- 
flüsse gelangt.  Die  Zahl  ihrer  Angehörigen  ist  beträchtlich  und  übt  durch 
diese  wuchtige  Masse  einen  gebieterischen  Zwang  aus.  Sie  fassen  allgemein- 
verbindliche Beschlüsse,  die  zwar  in  vereinzelten  Fällen  von  einem  gewissen 
Maß  von  Weisheit,  im  allgemeinen  aber  von  der  willkürlichsten  Gewalt 
zeugen;  wenn  sie  den  Augenblick  günstig  halten,  beschließen  sie,  um  einer 
Lohnerhöhung  willen  oder  aus  irgendeinem  andern  Grunde,  die  Arbeits- 
einstellung. Aber  das  Räderwerk  des  gegenwärtigen  gesellschaftlichen  Be- 
triebes ist  so  verwickelt  geworden,  daß  die  Riesenmaschine  in  dem  Augen- 
blicke zu  funktionieren  aufhört,  wo  ein  einziges  ihrer  Räder  den  Dienst 
versagt,  stehen  doch  alle  die  Einzelteile,  in  größerer  oder  geringerer  Ab- 
hängigkeit von  dem  Ganzen,  jedenfalls  im  engsten  Zusammenhang  unter- 
einander; mag  es  sich  nun  um  Post,  Eisenbahn,  Fuhrwesen,  Elektrizitäts- 
werke, Buchdrucker,  Bäcker  oder  auch  Polizeibeamte  handeln,  die  Gefahr 
dieser  allgemeinen  oder  teilweisen  Zusammenschließungen  und  Arbeits- 
einstellungen beruht  auf  der  Schwierigkeit,  die  sie  der  Regierung  machen, 
die  Freiheit  der  Arbeit  aufrechtzuerhalten,  die  doch  wohl  noch  heiliger 
gelten  muß  als  die  Freiheit  der  Arbeitseinstellung. 

Um  in  den  Parlamenten  und  Regierungen  einen  Anteil  zu  erlangen,  wie 
er  ihrem  zahlenmäßigen  Übergewicht  entsprechen  würde,  haben  die 
Arbeiter  unter  Bezeichnungen;  die  je  nach  den  einzelnen  Ländern  ver- 
schiedene sind,  eine  große  Partei  begründet,  die  sich  in  Frankreich  die 
sozialistische,  in  Deutschland  die  sozialdemokratische  und  in  England 
rundweg  die  Arbeiterpartei  nennt.  Ihr  Programm  ist  ein  mehr  wirtschaft- 
liches als  politisches.  Sobald  sie  aber  ins  Parlament  eintreten,  sehen  sie 
sich  jedoch  gezwungen,  sich  in  die  politischen  Tageskämpfe  zu  mischen. 
Ihre  Macht  wächst  zusehends,  so  daß  von  Jahr  zu  Jahr  bei  den  Wahlen 
ein  Wachstum  der  sozialistischen  Stimmen  zu  bemerken  ist.    So  läßt  sich 


Die  Herrschaft  der  Wissenschaft.  497 

schon  heute  voraussagen,  daß  die  Stunde  unvermeidlich  ist,  wo  sie  über 
die  ihnen  von  der  überlieferten  alten  Gesellschaft  gemachten  Einwendungen 
einen  endgültigen  Triumph  feiern  werden. 

Auch  hat  sich  durch  ihren  Einfluß  schon,  jetzt  an  der  alten  Gesetz- 
gebung eine  gründliche  Umgestaltung  vollzogen.  Obwohl  sie  noch  nicht 
die  höchste  Macht  erlangt  haben,  haben  sie  doch  schon  manche  der 
Arbeiterklasse  höchst  günstige  Gesetze  durchgesetzt. 

Den  Anfang  der  sozialen  Reformen  hat  das  Verbot  der  Arbeit  von 
Kindern  unter  zwölf  Jahren  gemacht.  Hierauf  sind  dann  verbindliche 
Altersversicherungskassen  eingerichtet  worden,  die  es  verhüten,  daß  der 
Arbeiter  in  seinen  alten  Tagen  in  Not  und  Elend  kommen  kann.  Rege- 
lungen vielfacher  Art  für  die  Entschädigung  von  Arbeitsunfällen  wurden 
getroffen,    und   eine   gesetzliche    Sonntagsruhe   eingeführt. 

Noch  steht  der  endgültige  Entschluß  aus  über  ernstere  in  der  Schwebe 
befindliche  Fragen,  wie  billige  Arbeiterwohnungen,  Lohnfestsetzungen, 
Gewinnanteile,  Schiedsgerichte  bei  Arbeitseinstellungen  und  eine  fort- 
schreitende Einkommensteuer,  alles  einschneidende  Probleme,  deren  auch 
nur    theoretische  Lösung  außerordentlich  schwierig  ist. 

Seit  nun  schon  bald  einem  halben  Jahrhundert  wird  der  Bürgerstand, 
d.  h.  die  Arbeitgeber-  und  Grundbesitzerklasse,  beständig  gezwungen,  den 
Arbeilerforderungen  immer  weiter  nachzugeben.  Jede  neue  Gesetzgebung 
reißt  ihm  einen  neuen  Fetzen  seiner  bisherigen  Allmacht  ab.  Höchst  wahr- 
scheinlich werden  die  Arbeiter  im  Bewußtsein  ihres  Übergewichts  und  folg- 
lich auch  ihrer  Macht,  die  von  Tag  zu  Tag  mit  dem  immer  weiteren 
Schwinden  der  Landbevölkerung  zunimmt,  nicht  auf  halbem  Wege  stehen 
bleiben,  sondern  schließlich  ihr  Programm  endgültig  durchdrücken.  Nie- 
mand kann  voraussagen,  wie  die  gleichmacherische  Ordnung  dieser  neuen 
Gesellschaft  aussehen  wird.  Aber  niemand  kann  seine  Augen  so  ver- 
schHeßen,  daß  er  nicht  sähe,  wie  wir  uns  zu  ihr  mit  immer  größeren 
Eilschritten  hin  entwickeln.  Besonders  seit  1880  sind  die  europäischen 
Völker  von  Grund  aus  demokratisch  geworden,  noch  weit  demokratischer 
und  gleichmachungssüchtiger,  als  es  sich  nur  je  die  Philosophen  des 
Jahres  1848  für  eine  ferne  Zukunft  hatten  träumen  lassen. 

Doch  die  Forderungen  der  Arbeiter  wachsen  in  gleichem  Maße,  wie  man 
sie  zu  befriedigen  sucht.  Da  also  diese  in  ihren  Ansprüchen  nicht  stehen 
bleiben,  und  andrerseits  die  Besitzer  die  Kapitalien  sich  nicht  widerstands- 
los enteignen  lassen  werden,  so  ist  es  leider  nicht  ausgeschlossen,  daß  die 
Menschheil,  nachdem  sie  sich  glücklich  von  den  unsinnigen  Religions-  und 


498  Siebentes  Buch. 


Völkerkriegen  befreit  hat,  nun  eines  Tages  den  Schrecken  der  sozialen 
Kriege  kennen  lernen  wird,  die  um  so  grausamer  sein  werden,  je  gerechter 
ihre  Ursache  erscheinen  wird. 


Die  Bewegung  in  der  Menschheit  kennzeichnet  sich  gegenwärtig  weniger 
durch  die  Schnelligkeit,  mit  der  ihre  Fortschritte  vor  sich  gehen,  als  durch 
ihre  bloße  Bevölkerungszahl.  Ohne  Zweifel  ist  zu  andern  Zeiten  die  Fort- 
pflanzungsfähigkeit des  Menschengeschlechts  keine  andere  als  heute  ge- 
wesen, höchstens  noch  eine  größere;  doch  Hungersnöte,  Seuchen  und 
lange  Kriege  waren  so  recht  dazu  da,  die  Zunahme  der  Menschenrasse 
zu  verhindern.  Aber  heute  sind  jene  fast  verschwunden.  Auch  waren  die 
Auswanderungen  und  Ansiedelungen  in  früheren  Zeiten  langwierig  und 
gefährlich,  während  sie  heute  ohne  jedes  Bedenken  und  ohne  jede  Schwie- 
rigkeit vor  sich  gehen.  Eine  Bevölkerung,  die  sich  auf  dem  Boden,  auf 
dem  sie  geboren  ist,  nicht  ernähren  kann,  begibt  sich,  ohne  sich  irgend- 
welchen Kosten  oder  Wagnissen  aussetzen  zu  brauchen,  einfach  an  das 
andere  Ende  der  Welt,  um  Arbeit  zu  suchen  und  auch  wirklich  zu  finden. 
Mit  einem  Worte:  nicht  die  Geburtenziffer  ist  gewachsen  —  sie  zeigt 
sogar  ein  andauerndes  Streben,  sich  bei  den  Kulturvölkern  immer  mehr 
zu  verringern  — ,  aber  die  Sterblichkeit  ist  ganz  gewaltig  herunter- 
gegangen. 

Im  übrigen  ist  die  jetzige  Bevölkerungszahl  der  Erde  schlechthin  weit 
stärker  als  in  irgendeinem  andern  Augenblicke  der  Menschheitsgeschichte. 
Infolgedessen  wird  auch  der  Bevölkerungszuwachs  als  solcher,  selbst  bei 
einer  schwachen  Geburtenziffer,  von  Jahr  zu  Jahr  immer  größer. 

In  den  letzten  vierzig  Jahren  hat  der  endgültige  Bevölkerungszuwachs 
der  gesamten  Menschheit  —  allerdings  ungerechnet  der  afrikanischen 
Schwarzen  und  der  Chinesen,  für  die  es  keine  auch  nur  annähernd  genaue 
Statistik  gibt  —  vierhundertfünfzehn  Millionen  betragen,  was,  auf  ein  Jahr- 
hundert berechnet,  etwa  eine  runde  Milliarde  ergeben  würde.  Die  Be- 
völkerung der  Erde,  die  im  Jahre  191 5  annähernd  zwei  Milliarden  betragen 
wird,  wird  also,  falls  nicht  irgendein  gesellschaftliches  oder  kosmisches 
elementares  Ereignis  eintritt,  in  etwa  hundert  Jahren  bis  auf  drei  Milliarden 
steigen. 

Nun  haben  die  verschiedenen  Völker  nicht  etwa  im  gleichen  Verhältnis 
zugenommen.    Die,  die  am  schnellsten  zugenommen  haben,  sind  die,  die 


Die  Herrschaft  der  Wissenschaft. 


499 


sich  durch  die  Einwanderung  vermehrt  haben.  Britisch-Südafrika  (Trans- 
vaal, Kapland,  Natal,  Oranjefreistaat)  ist  im  Verhältnis  von  loo  zu  690 
gewachsen,  Argentinien  von  100  zu  415,  AustraUen  von  100  zu  325  und  die 
Vereinigten  Staaten  von  100  zu  225. 

An  dem  gesamten  Wachstume  der  menschlichen  Bevölkerung  beträgt 
der  Anteil  der  unzivilisierten  Völker  oder  solcher  halbzivdlisierter  wie 
Ägypter,  Japaner,  Chinesen,  Malaien,  Algerier,  Indochinesen  und  Hindus 
zwei  Fünftel,  d.  h.  40  0/0,  der  der  Slawen  20  0/0  und  der  der  Amerikaner 
spanischer  wie  englischer  Zunge  ebenfalls  etwa  20  0/0.  Der  Anteil  des  ge- 
samten Europas  aber  (Großbritanniens,  Deutschlands,  Italiens,  Spaniens, 
Frankreichs  und  anderer  europäischer  Völker)  beläuft  sich  in  dem  gesamten 
Wachstum  auf  nur  ein  Fünftel  (20  0/0). 


Gesamtzuwachs 

in  vierzig  Jahren 

(1870—1910) 

Ansatz  des 

Steigens 

in  Prozenten 

Bevölkerungs- 
verhältnis 
i.  J.  1910 

Farbige  Rsissen 

Slawen 

164.8 
76,8 

31.4 
53.6 
14.4 

71,8 
2,2 

164 

186 

187 

235 
300 

145 
106 

40 
20 

Spanisches     und     portugiesisches 
Amerika 

Vereinigte  Staaten 

Englische  Kolonien 

Europäische    Völker     (ausschließ- 
lich Frankreichs) 

Frankreich 

10 
13 

4 

3 

IG 

415,0 

Mithin  beträgt  der  gesamte  Bevölkerungszuwachs  der  Erde  in  vierzig 
Jahren  rund  415  Millionen. 

Wenn  wir  die  slawischen,  die  amerikanischen  Länder  mit  spanischer 
und  portugiesischer  Sprache  und  dann  auch  noch  die  vier  skandinavi- 
schen Länder  (Finnland,  Dänemark,  Schweden  und  Norwegen)  unter  je 
einer  Einheit  zusammenfassen,  so  erhalten  wir  folgendes  anschauliche 
Bild  über  den  Menschenzuwachs  nach  Millionen  in  den  letzten  vierzig 
Jahren  (1870— 1910): 


5oo 


Siebentes  Buch. 


I.  J.  1870 


I.  J.  1910 


ZUWACHS 
IN 

MILLIONEN 


PROZEN- 
TUALER 
ZUWACHS 


Indien 

Rußland  und  andere  slawische 

Länder  

Vereinigte  Staaten  .... 
Spanisches  und  portugiesisches 

Amerika "  . 

Deutschland 

Skandinavische  Länder   ■     .     . 

Japan    

Osterreich 

Großbritannien 

Frankreich 

Java 

Italien 

Spanien  und  Portugal     .     .     . 


90,0 
38,5 

37.5 
40,1 

35.0 
35,9 
31.9 
36.6 

22,6 
26,6 
22.0 


324,3 

166,8 
92,1 

68,9 

64.9 
13,4 
5^,6 
49,4 

45.4 

3Ö.8 
38,1 

34,7 
27,6 


122,8 

76,8 
53,6 

31.4 

24,8 

4,2 

16,6 
13.5 
13,5 

2,2 
15,5 

7,9 
5.6 


162 

186 
235 

187 
163 

46 

147 

137 

,44 

106 

170 

131 
126 


Diese  Zahlen  zeigen  mit  unwiderstehlicher  Deutlichkeit  bei  den  euro- 
päischen Völkerschaften  (mit  Ausnahme  der  Slawen)  ein  weit  weniger 
rasches  Wachstum  als  bei  denen  Asiens  und  Amerikas,  eine  Erscheinung, 
die  auf  die  zunehmenden  Auswanderimgen  der  ersteren  und  vielleicht 
noch  mehr  auf,  den  Geburtenrückgang,  den  sie  zu  verzeichnen  haben, 
zurückzuführen  ist. 

Um  aber  diesen  Schluß  so  recht  in  seiner  vollen  Bedeutung  zur  An- 
scliauung  zu  bringen,  ist  es  gut,  sich  einmal  die  farbigen  und  die  weißen 
Völkerschaften  nebeneinander  zu  vergegenwärtigen  und  einige  von  ihnen 
in  bunter  Ordnung  zusammenzustellen. 

Einen  eigenen  Reiz  hat  es,  einmal  die  Zahlen  für  die  Länder  hervor- 
zuheben, bei  denen  der  Bevölkerungszuwachs  170  0/0  überstiegen  hat,  und 
unter  ihnen  ganz  besonders  auch  die  außereuropäischen: 


Die  Herrschaft  der  Wissenschaft. 


5oi 


BEVÖLKERUNGS- 
ZUWACHS 
nach  Prozenten 
innerhalb  von  vierzig 
Jahren 


Britisch-Südafrika 690 

Argentinien  und  Urug^uay 4^5 

Australien 325 

Ägypten 260 

Vereinigte  Staaten 235 

Serbien 222 

Brasilien 212 

Liberia 207 

Polen  (d.  h.  das  gesamte  polnische  Sprachgebiet)     .     .     ^    .     .  205 

Chile ig4 

Rußland  (ausschliefilich  Polens) 186 

Algerien 179 

Kanada 174 

Venezuela 173 

Colombia 171 

Java 170 

So  zeigt  Europa  ein  weit  weniger  rasches  Wachstum  als  die  übrigen 
Weltteile,  und  in  Europa  sind  es  allein  die  Slawen,  die  sich  wirklich  stark 
vermehren. 

Nach  den  von  ihnen  gesprochenen  Sprachen  ist  das  Wachstum  der 
Völkerschaften  innerhalb  von  vierzig  Jahren,  in  absoluten  Zahlenwerten 
ausgedrückt,  das  folgende  gewesen: 

Engländer         72  000  000 

Spanier    und    Portugiesen    ....        37  000  000 

Slawen fy  000  000 

Andere 63  000  000 

Farbige    Rassen 166000000 

Doch  diese  Angaben  sind  nichts  weniger  als  abschließend,  da  in  ihnen 
weder  auf  China,  dessen  leider  nicht  bekannter  Bevölkerungszuwachs 
wahrscheinlich  jeder  Voraussetzung  Hohn  sprechen  >und,  wenn  er  in  die 
Rechnung  eingestellt  werden  könnte,  alles  umstoßen  würde,  noch  auf  die 
Schwarzen  Afrikas,  noch  auf  die  Mestizen,  Mulatten  und  Neger  von  Nord- 
und  Südamerika  Rücksicht  genommen  ist. 
14  Richet,  Geschichte  der  Menschheit,  II. 


5o2  Siebentes  Buch. 


Doch  ist  es  auch  ohnedies  ganz  klar,  daß  die  weiße  Rasse,  trotz  ihres 
überlegenen  Geistes  und  obwohl  sie  die  andern  Menschenrassen  unter 
ihrer  Herrschaft  hält,  doch  weit  weniger  rasch  als  diese  wächst.  Dieselbe 
zunehmende  Zivilisation,  die  bei  den  Weißen  den  Geburtenzuwachs  ein- 
schränkt,  hebt   ihn   umgekehrt   bei    den   minderwertigen   Rassen. 

Unter  den  Weißen  vermehren  sich  wieder,  als  die  jüngsten  Kinder  der 
Zivilisation  imter  ihnen,  ganz  besonders  schnell  die  Slawen.  Die  Be- 
völkerung des  europäischen  Rußlands  belief  sich  im  Jahre  191 3  auf  168  Mil- 
lionen. Fügt  man  nun  den  Slawen  dieses  Landes  noch  die  Balkänslawen 
sowie  die  Österreichs  und  Preußens  hinzu,  so  kommt  man  auf  eine  Zahl 
von  etwa  zweihundert  Millionen  Menschen,  die  slawische  Sprache  spre- 
chen, gegenüber  himdertf ünfzig  Millionen,  die  englisch  sprechen,  hundert, 
die  spanisch,  fünf undsiebzig,  _die  deutsch,  und  fünfundvierzig,  die  fran- 
zösisch sprechen. 

Nach  ihrer  stärkeren  Bevölkerungszunahme,  sollte  man  glauben,  müßte 
die  Sprache  der  Slawen  oder  die  der  Engländer  einen  Vorsprung  vor  allen 
übrigen  gewinnen.  'Doch  die  slawischen  Sprachen  sind,  genauer  besehen, 
recht  verschieden  voneinander  und  haben  zudem  eine  außerordentlich 
verwickelte  Laut-  und  Formenlehre,  die  englische  Sprache  aber  ist  so 
willkürlich  in  ihrer  lautlichen  Gestaltung,  daß  eine  noch  weitere  Ausbrei- 
tung derselben  nur  eine  sehr  geringe  Wahrscheinlichkeit  hat.  Eine  weit 
größere  kommt  der  besonderen  Neuschöpfung  einer  eigenen  internationalen 
Sprache  zu,  deren  Grammatik  keine  besonderen  Schwierigkeiten  bieten 
darf,  deren  Wortschatz  sich  auf  dem  Lateinischen  aufbauen  und  deren 
Schrift  ebenfalls  eine  lateinische  sein  muß;  das  Englische  ist  ja  im  Grunde 
genommen  auch  eine  mit  dem  Lateinischen  durchsetzte  Sprache,  und  auch 
das  Deutsche  hat  eine  nicht  geringe  Zahl  lateinischer  Bestandteile. 

Nun  hat  die  Erfahrung  gezeigt,  daß  ein  Kind  gleichzeitig  zwei  Idiome 
lernen  und  sprechen  oder  mit  andern  Worten  im  Besitze  zweier  Mutter- 
sprachen sein  kann,  beispielsweise  des  Provenzalischen  neben  dem  Fran- 
zösischen, des  Bretonischen  neben  dem  Französischen,  des  Baskischen 
neben  dem  Spanischen,  des  Walhsischen  neben  dem  Englischen,  des  Finni- 
schen neben  dem  Schwedischen,  des  Wendischen  neben  dem  Deutschen. 
Dann  werden,  und  zwar  ohne  Zweifel  schon  in  einer  nahe  bevorstehenden 
Zeit,  die  Menschen  begreifen,  daß  es  unvorteilhaft  ist,  in  einer  iilles  läh- 
mend«! unerfreulichen  geistigen  Scheidung  voneinander  zu  bleiben.  Die 
wahrhafte  gesellschaftliche,  sitthche  und  geistige  Verbrüderung  der  Völker 
wird  die  Annahme  einer  internationalen  Sprache  zur  Grundlage  haben,  viel- 


Die  Herrschaft  der  Wissenschaft.  603 

leicht  des  so  wunderbar  einfachen,  logischen  und  wohlklingenden  Esperanto, 
das  Zamenhof  *  im  Jahre  1895  ersonnen  hat.  Das  soll  nicht  etwa  für  die 
Völker  den  Anlaß  bieten,  ihre  überHeferten  alten  Sprachen  aufzugeben, 
die  viel  zu  reich  an  Meisterwerken  und  ruhmvoller  Vergangenheit  sind,  um 
so  einfach  zugrunde  zu  gehen.  Die  Völker  werden  mühelos  neben  ihrer 
nationalen  Sprache  noch  ein  besonderes  gemeinsames  internationales  Idiom 
zu  gebrauchen  wissen,  das  sich  ebenso  leicht  lernen  wie  sprechen  läßt. 

An  dem  allgemeinen  Rückgange  der  Geburtenziffer  trägt  in  erster 
Linie  die  mit  aller  Kultur  verbundene  Steigerung  der  Luxusbedürfnisse 
die  Schuld.  Weiter  sind  es  wirtschaftliche  Gründe,  aus  denen  sich  die 
einzelnen  Menschen  eine  Beschränkung  ihrer  Kinderzahl  auferlegen.  Weder 
Deutsche  noch  Italiener  und  Engländer  bewahren  denselben  hohen  Ge- 
burtenreichtum wie  im  vorangegangenen  Jahrhundert ;  so  folgen  auch 
die  übrigen  europäischen  Völker  nachträglich  dem  nun  schon  seit  damals 
gegebenen  verhängnisvollen  Beispiele  Frankreichs,  woraus  sich  wohl  mit 
einiger  Sicherheit  voraussagen  läßt,  daß  die  Geburtenziffer  überall  noch 
weit  mehr  heruntergehen  wird.  In  Frankreich  läßt  sich  beinahe  schon 
ein  Überschuß  der  Sterbefälle  über  die  Geburten  feststellen.  So  muß  in  ab- 
sehbarer Zeit  ein  immer  größer  werdendes  zahlenmäßiges  Übergewicht  der 
gelben  Rasse  über  die  weiße  eintreten  und  innerhalb  der  weißen  Rasse 
wieder  eine  Vorherrschaft  der  Slawen,  die  ihren  starken  Geburtenreichtum 
auch  noch  weiter  bewahren  und  erst  dann  einbüßen  werden,  wenn  auch 
bei  ihnen  der  Geist  abendländischer  Demokratie  und  Plutokratie  einge- 
zogen sein  wird. 

Wenn  wir  so  auch  einmal  von  der  Zukunft  sprechen,  verlassen  wir  nicht 
etwa  die  der  Geschichtswissenschaft  gesteckten  natürlichen  Grenzen.  Der 
Geschichtsforscher  hat  doch  wohl  noch  anderes  zu  tun,  als  immer  bloß 
schweigend  die  Urkunden  der  Vergangenheit  der  Reihe  nach  aufzuzeichnen  I 
Was  hat  es  denn  für  einen  Nutzen,  die  Tatsachen  des  gestrigen  Tageg 
kennen  zu  lernen,  wenn  sie  uns  nicht  dazu  dienten,  die  des  morgigen 
klarer  voraussehen  zu  lassen?  Gewiß,  alle  Vorausseherei  baut  sich  aus- 
schließlich auf  dem  wankenden  Boden  bloßer  VermutiKig  auf;  doch  er- 
wächst sie  auch  bisweilen  mit  einer  logischen  Notwendigkeit  auf  dem 
festen  Boden  strenger  Geschichtsforschung.  Wenn  beispielsweise  die  Kurve 
irgendeiner  sozialen  Erscheinung  nun  schon  fünfzig  Jahre  lang  einer 
ganz  bestimmten  Richtung  folgt,  ist  doch  wohl  die  Voraussetzung  zulässig, 


*  Anm.  des^  Herausgebers :   Dr.   Ludwig  Zamenhof,  polnischer  Augenarzt,  geb. 
1859   zu    Bialystok,    gest.    191 7    zu   Warschau. 
14* 


5o4  Siebentes  Buch. 


daß  sich  die  Kurve  auch  weiter  in  derselben  Linie  bewegen  und  sich  auch 
noch  in  üen  nächsten  Jahren  in  derselben  Richtung  fortsetzen  wird.  So 
besteht  die  Berechtigung,  sie  sich  beliebig  verlängert  zu  denken!  Soweit 
also  nicht  etwa  irgendein  plötzliches  unvorhergesehenes  Ereignis  störend 
dazwischentritt,  werden  die  Gesetze  der  Zukunft  durch  die  der  Vergangen- 
heit bestimmt. 

Deshalb  sind  wir  denn  auch  wohl  berechtigt,  ein  gewisses  Maß  von 
Besorgnis  zu  empfinden,  wenn  wir  die  gewaltige  Entwicklung  der  Völker 
der  farbigen  Rassen  sehen.  Es  will  dabei  verhältnismäßig  wenig  ver- 
schlagen, wenn  gegenwärtig  nicht  weniger  als  vierhundert  Millionen  Ein- 
geborene unter  dem  Schutze,  der  Verwaltung  und  der  Regierung  Groß- 
britanniens, der  Vereinigten  Staaten  und  Frankreichs  stehen.  Mit  ihrer 
angeblichen  Bevormundung  durch  die  Europäer,  von  der  soviel  Wesens 
gemacht  wird,  ist  es  nicht  so  weit  her  wie  man  denkt;  sie  ist  im  Grunde 
genommen  nur  ein  Märchen.  Es  wäre  doch  wirklich  kindisch,  sich  einzu- 
bilden, daß  alle  die  heute  unter  europäischer  Gewalt  stehenden  halbwilden 
Völkerschaften  ewig  unter  diesem  Joche,  daß  etwa  Indien  englisch,  die 
Philippinen  amerikanisch,  Algerien  und  Indochina  französisch  bleiben  wür- 
den. Die  Festigkeit  dieser  Kolonialreiche  ist  nichts  weniger  als  gesichert. 
Die  heute  unter  der  Verwaltung  und  Erziehung  der  Europäer  blühenden 
Einheimischen  werden  sich  vielleicht  eines  Tages  als  die  gefährlichsten 
Feinde    Europas    entpuppen. 

Die  religiösen  Bekenntnisse  ändern  ihren  Besitzstand  in  der  Welt  kaum 
irgendwo.  Das  Verhältnis  der  einzelnen  christHchen  Glaubensformen  zu- 
einander bleibt  sich  auch  fast  überall  gleich.  Denn  in  der  slawischen 
Völkerfamilie  bleibt  immer  derselbe  Teil  der  römischen  Kirche  treu,  und 
in  den  Vereinigten  Staaten  schreitet  gleichfalls,  infolge  irländischer  Ein- 
wanoerung,  ihre  Lehre  schneller  vorwärts  als  die  protestantische.  Die 
christliche  Religion  in  ihrer  Gesamtheit  aber  gewinnt  weder  dem  Buddhis- 
mus  noch  dem   Islam  irgendwelchen   Boden  ab. 

Unbekümmert  um  die  amtliche  Zählung  der  Religionen,  wie  sie  uns  die 
Statistik  liefert,  können  wir  unstreitig  in  allen  christlichen  Ländern,  be- 
sonders aber  in  den  katholischen,  eine  wachsende  Gleichgültigkeit,  die 
geradezu  auf  Ungläubigkeit  hinausläuft,  feststellen.  Durch  kritische  Be- 
kämpfung, durch  witzigen  Spott  und  besonders  auch  durch  die  Wissenschaft 
erschüttert,  ist  der  Glaube  der  alten  Zeit  sogar  denen  entschwunden,  die 
sich  noch  heute  offen  und  ehrlich  als  Christen  bekennen.  Sie  haben  mit 
den  Christen  der  Vergangenheit  nur  wenig  gemeinsam.  Es  ist  allein  die 
Achtung  vor  einer  ruhmvollen  hundertjährigen  Art  der  Gottesverehrung, 


Die  Herrschaft  der  Wissenschaft.     *  5o5 

die  die  ganze  Erhabenheit  der  alten  äußeren  Form  bewahrt  hat,  die  die 
schwerfälligen  und  plumpen  Glaubenslehren  vergangener  Zeiten,  die  ebenso- 
viel Blutzeugen  als  Henker  hervorgebracht  haben,  bis  jetzt  überlebt  hat 
und  vielleicht  noch  lange  überleben  wird.  So  sind  wohl,  wie  sehr  auch  die 
Klassen-  und  Rassenkriege  noch  immer  zu  fürchten  sein  mögsn,  die 
Religionskriege  kaum  mehr  bedenklich.  Aber  der  Dank  hierfür  gebührt 
mehr  menschlicher  Zweifelsucht  als  menschlicher  Weisheit. 


Durch  die  Dampfschiffahrt  und  besonders  auch  durch  den  Eisenbahn- 
verkehr hat  ausnahmslos  bei  allen  Völkern  der  Handel  noch  weit  mehr  als  die 
Bevölkerung  selbst  zugenommen.  Mit  anderen  Worten:  überall  ist  der 
Luxus,  überall  das  Wohlleben  gewachsen.  In  allen  Gesellschaftsschichten 
haben  die  neuzeitlichen  Erfindungen  das  Leben  leichter  und  angenehmer 
gestaltet.  Wenn  das  Glück  von  den  äußeren  Lebensbedingungen  abhängt, 
was  nun  einmal  bis  zu  einem  gewissen  Maße  richtig  ist,  dann  ist  das 
Dasein  der  Menschen  heute  glücklicher  als  gestern,  und  wird  es  morgen 
wieder   glücklicher   als   heute   sein. 

In  vierzig  Jahren  ist  der  Ausfuhrhandel  aller  Völker  auf  Grund  der 
Wertberechnung  der  Güter  um  mehr  als  250%  gestiegen.  Vielleicht 
besteht  diese  Steigerung  mehr  dem  Scheine  nach  als  In  Wirklichkeit, 
da  sie  weniger  der  zahlenmäßigen  Vermehrung  der  Bevölkerung,  als 
dem  allgemeinen  Mehrwert  der  Waren  zu  danken  ist.  Nichtsdesto- 
weniger hat  auch  der  Einzelkonsum,  d.  h.  der  Verbrauch  auf  den  Kopf 
der  Bevölkerung  berechnet,  überall  zugenonmien.  So  ist  für  gewisse  Waren 
eher  eine  Preissteigenmg  als  ein  Fall  der  Preise  eingetreten,  wie  z.  B. 
für  Zucker,  Kaffee,  Woll-  und  Baumwollwaren,  und  doch  ist  die  Ausfuhr 
von  Zucker,  Kaffee,  Wolle  und  Baumwolle  ins  Riesenhafte  gewachsen, 
so  daß  sich  hieraus  wohl  der  Schluß  rechtfertigt,  daß  es  auch  nicht 
einen  Menschen  gibt,  dessen  Verbrauch  an  Zucker,  Kaffee,  Wolle  und 
Baumwolle  nicht  schon  für  seine  einzelne  Person  beträchtlich  gewachsen 
wäre. 

Kurz,  die  Ausnutzung  des  menschlichen  Lebens  hat  sich  immer  mehr 
gesteigert,  und  die  Zahl  seiner  Bedürfnisse  und  Genüsse  ist  gewachsen. 
Die  verschiedenen  Schichten  der  Gesellschaft,  zwischen  denen  einst  ein 
so  unversöhnlicher  Gegensatz  geklafft  hat,  streben  heute  nach  einer 
größeren  Gleichheit,  zum  mindesten  einer  Gleichheit  des  Wohllebens  und 
des    Luxus. 


5o6 


Siebentes  Buch. 


Die   folgende   Übersicht   gibt   die   Höhe   des   Ausfuhrhandels   auf   den 
Kopf  der  Bevölkerung  in  Franken  für  die  beiden  Jahre  1872  und  1912 an: 


1S72 


1912 


WACHSTUM 
(prozentual) 


Japan  .     . 
Niederlande .     . 
Belgien     .     .     . 
Schweiz    .     . 
Großbritannien . 
Dänemark 
Norwegen     •     , 
Frankreich 
Deutschland 
Schweden     .     . 
Amerika  .     . 
Rumänien      . 
Spanien    .     • 
Osterreich     .     , 
Italien  ... 
Griechenland 
Serbien     .     .    « 


853 

245 
170 

166 

250 

140 

65 

75 
58 

57 
28 

38 
16 

30 

50 
50 
18 


3412 
1080 

540 
360 

330 

300 

220 

210 

180 

170 

140 

90 

58 

57 

55 

52 

40 


300 

34« 
220 
120 
28 
110 
240 
180 
130 
200 

4C'0 

135 

260 

9Ö 

10 

4 
120 


Diese  Übersicht  zeigt,  daß  sich  die  Ausfuhr  und  folglich  auch  der 
Verbrauch  im  allgemeinen  mehr  als  verdoppelt  hat.  Für  gewisse  Staaten 
wie  Deutschland,  Niederlande  und  Belgien  haben  sie  sich  sogar  mehr  als 
verdreifacht.    Ja,  für  Japan  haben  sie  sogar  eine  vierfache  Höhe  erreicht. 

Gold  und  Silber  sind  im  Werte  gefallen.  Aus  Kahfornieh,  Transvaal, 
Mexiko,  Australien,  Klondyke,  Guyana  sind  nämlich  solche  Mengen  Goldes 
und  Silbers  herausgeholt  worden,  daß  diese  edlen  Metalle  bald  weniger 
selten  geworden  sind  und  so  etwas  von  ihrem  Preise  eingebüßt  haben. 
Doch  dies  kann  nicht  genügen,  um  das  Anschwellen  des  gesamten 
Exportes  auf  die  doppelte  Höhe  allein  hieraus  zu  erklären.  Höchstens  mag 
vielleicht  die  verhältnismiäßige  Wertherabsetzung  der  Münzmetalle  die 
Verteuerung  der  fabrikmäßig  hergestellten  Gegenstände  zu  erklären  im- 
stande sein,  wie  ja  auch  auf  ihr  das  Steigen  der  Löhne  und  der  allgemeine 
Mehrwert   des    Grundbesitzes   beruht. 

Der  Staatshaushalt  sämtlicher  Länder  ist  in  kurzer  Zeit  zu  einer 
Höhe  angeschwollen,  die  alles  übrige  in  den  Schatten  stellt:  Bevölkerungs- 
zunahme   wie    verhältnismäßige    Wertabnahme    des    Goldes. 

Im    folgenden    soll    eine    vergleichende    Übersicht    der    Staatshaushalt- 


Die  Herrschaft  der  Wissenschaft. 


5o7 


ausgaben  einiger  Länder  nach  Franken  auf  den  Kopf  des  Bewohners  für 
die  Jahre  1872  und  191 2  gegeben  werden. 

Staatshaushalt   nach  Franken  auf  den  Kopf  der  Bevölkerung. 


B72 

1912 

WACHSTUM 
(prozentual) 

6i2 

135 

120 

70 

120 

72 

47 

1X2 

140 

40 

93 

130 

i8 

82 

175 

52 

79 

51 

16 

70 

340 

50 

68 

36 

17 

68 

300 

38 

61 

60 

32 

60 

88 

35 

56 

60 

3T 

55 

80 

57 

54 

5 

17 

52 

200 

25 

48 

92 

II 

44 

300 

? 

42 

9 

II 

35 

220 

II 

26 

»35 

8 

22 

»75 

Großbritannien  . 
Frankreich    .     . 
Osterreich-Ung'arn 
Belgien     .... 
Norwegen      .     .     . 
Niederlande  .     .     . 
Rumänien 
Italien  .... 
Schweden      .     .     . 
Dänemark     .     . 
Portugal   .... 
Spanien     .... 
Deutschland      .     . 
Vereinigte  Staaten 
Rußland    .... 
Griechenland     . 
Serbien     .     .     .     . 
Bulgarien       .     . 
Türkei      .... 
Schweiz    .     ... 
Japan  


Im  Durchschnitte  sind  also  die  Ausgaben  um  nahezu  125%  gewachsen. 

Beim  ersten  Blick  scheint  es,  als  ob  die  mittlere  Jahressumme  von 
60  Frank  auf  den  Kopf  der .  Bevölkerung  nicht  gerade  besonders  hoch 
ist;  doch  in  Wirklichkeit  ist  diese  Siunme  recht  beträchtlich,  wenn  man 
bedenkt,  daß  ein  Familienvater  mit  drei  Kindern  die  Jahressumme  von 
300  Frank  aufzubringen  hat.  Es  ist  das  ungefähr  ein  Sechstel  seines  ganzen 
Verdienstes.  Jedenfalls  haben  sich  in  vierzig  Jahren  die  Ausgaben  ver- 
dreifacht. Diese  maßlose  Steigerung  ist  aber  fast  ausschließlich  der 
riesenhaften  Anschwellung  der  Militärlasten  zu  verdanken. 

Vergleicht  man  die  Staatsschulden  in  den  einzelnen  Ländern  und 
verteilt  sie  auf  den  Kopf  der  Bevölkerimg,  so  erhält  man  für  das  Jahr 
191 2  folgende  Zahlen: 


5o8 


Siebentes  Buch. 


STAATSSCHULDEN 


Summe 

in 

Millionen  Franken 


auf  den  Kopf  der 
Bevöllcerung 
(in  Franken) 


Frankreich  .  . 

Portugal     .  .  .  . 

Belgien       .  .  .  . 

Spanien      .  .  .  . 

Niederlande  .  .  . 

Deutschland  .  .  . 

Österreich  .  .  . 

Italien    .     .  .  .  . 

Großbritannien  . 

Serbien      .  .  .  . 

Norwegen  .  .  .  , 

Dänemark .  .  .  . 

Bulgarien   .  .  .  . 

Schweden  .  .  .  . 

Rußland     .  .  .  . 

Japan     .     .  .  .  , 

Schweiz      .  .  .  . 
Vereinigte  Staaten 


32  000 
4300 
3700 
9  000 

Q  400 

27  000 

20  000 

13500 

16  800 

650 

500 

500 

700 

850 

24  000 

4000 

250 

7500 


8io 
720 
500 
450 
410 
410 
390 
375 
365 
220 
200 
180 
160 
150 
140 
100 

65 

27.5 


Die  folgende  Übersicht  gibt  die  Höhe  der  Militärlasten,  also  für  Land- 
heer   wie    Seemacht,    in    Franken   auf    den    Kopf    der    Bevölkerung    an: 


1912 

WACHSTUM 

(prozentual) 

19 

40 

110 

16 

35 

120 

3 

30 

1000 

6 

30 

430 

5 

21 

310 

II 

20 

85 

9 

19 

115 

ij 

18 

20 

7.5 

15,5 

105 

6 

15 

140 

10 

15 

50 

6 

14 

125 

6,7 

13,4 

IOC 

9 

",5 

28 

3,2 

10,8 

240 

1,2 

11,5 

900 

7 

11,0 

55 

7,7 

10,5 

36 

2 

7.5 

270 

Großbritannien    .     . 
Frankreich      .     .     . 

Türkei 

Griechenland       .     . 
Schweden .     .     .     . 
Deutschland   .     .     . 
Italien    .     .     .     .     , 
Niederlande    .     . 
Vereinigte  Staaten 
Spanien      .     .     .     . 
Dänemark ... 
Rußland      .     .     . 
Norwegen  .     .     . 
Osterreich       .     . 
Rumänien  . 
Schweiz      .     .     . 
Portugal     .     .     . 
Belgien  .... 
Japan     .... 


Die  Herrschaft  der  Wissenschaft.  Sog 

Wie  wir  gesehen  haben,  haben  sich  in  vierzig  Jahren  die  gesamten 
Staatsausgaben  verdreifacht,  was  wir  vor  allem  auf  die  riesigen  Militär- 
und  Marinelasten  zurückführen  mußten.  Doch  diese  wahnsinnige  Schraube 
ohne  Ende,  die  nur  eine  traurige  Folge  der  zwischen  den  Völkern  herr- 
schenden vollkommenen  Gesetzlosigkeit  ist,  ist  noch  immer  nicht  zum 
Stillstande  gekommen;  vielmehr  ist  sie  in  den  letzten  zehn  Jahren  ganz 
besonders   angezogen   worden. 

Die  Schulden  der  einzelnen  Staaten  sind  ganz  ungeheuer:  fünf  Mil- 
liarden für  die  Vereinigten  Staaten,  Deutschland  und  Österreich,  zwanzig 
Milliarden  für  Großbritannien,  dreißig  Milliarden  für  Frankreich,  ja  fünf- 
unddreißig Milliarden  für  Rußland,  Alle  Regierungen  suchen  in  immer 
drückender  werdenden  Steuern  das  Mittel  zu  finden,  den  einmal  über- 
nommenen Verpflichtungen  nachzukommen  und  sich  stets  wieder  neue 
aufzubürden,  die  dann  mit  Anleihen  gedeckt  werden  müssen.  So  stehen 
immer  die  Finanzfragen  im  Vordergrunde;  denn  es  gibt  keine  Reform 
und  keinen  Fortschritt,  deren  Verwirklichung  nicht  sogleich  wieder  kost- 
spielig würde. 

Infolge  dieses  Übergewichtes  materieller  Interessen  zeigen  die  Demo- 
kratien das  immer  deuthchere  Bestreben,  sich  zu  Plutokratien  umzuge- 
stalten, wie  es  aufs  allerklarste  die  Entwicklung  der  großen  amerikanischen 
Demokratie  erweist.  Aber  die  Geschichte  lehrt  uns,  daß  die  auf  der  Re- 
ligion begründet  gewesenen  Regierungen  des  Priesterstandes,  die  durch 
die  Erblichkeit  erhaltenen  des  Adels  und  die  durch  die  Gewalt  gestützten 
des  Mihtärs  sich  zu  allen  Zeiten  als  gesittungsfeindlich  herausgestellt 
haben.  Auch  das  chinesische  System,  das  die  Regierungsgewalt  den 
Kandidaten,  die  die  glänzendsten  Staatsprüfungen  bestehen,  verleiht,  hat 
lächerliche  Ergebnisse  gezeitigt.  Unsere  modernen  Gesellschaften  leben 
unter  einer  ganz  andern  Herrschaft  als  einer  von  Priestern,  Adligen, 
Soldaten  oder  büchergelehrten  Mandarinen,  Heutzutage  sind  es  dem 
äußeren  Scheine  nach  die  großen  Volksmassen  als  die  Besitzer  der 
Mehrheit,  in  Wahrheit  aber  ausschließlich  die  Reichen,  die  die  Herrschaft 
ausüben,  und  so  ist  es  die  plutokratische  Demokratie,  die  im  Grunde 
die    Gewalt    in    Händen    hat. 

Doch  die  neue  Gesellschaft  des  zwanzigsten  Jahrhunderts,  die  sich 
ganz  ebenso  auf  Gleichheit  wie  auf  Reichtum  gründet,  wird  die  noch  not- 
wendigen Kulturfortschritte  allein  verwirklichen,  wenn  sie  sich  ent- 
schlossen auf  die  modernen  Wissenschaften  stützt.  Die  Demokratien 
sind  undankbar  und  unwissend,  die  Plutokratien  töricht  und  habsüchtig. 
Wissenschaftliche  Aufklärung  allein  wird  beide  umgestalten,  neu  beleben. 


5ro  Siebentes  Buch. 


in  Ordnung  bringen  und  von  ihren  Fehlem  und  Irrungen  befreien  können. 
Sich  selbst  überlassen,  würden  diese  kapitalistischen  Demokratien  aller- 
dings in  der  Tat  sehr  rasch  die  Welt  durch  Käuflichkeit,  Bestechung 
und    Gemeinheit    in    Verfall    bringen. 

Ja,  allein  der  modernen  Wissenschaft  und  der  Industrie,  die  weiter 
nichts  als  eine  Anwendung  dieser  Wissenschaft  ist,  verdankt  die  Menschen- 
welt ihre  gegenwärtige  ungewöhnliche  Macht  und  Stärke,  und  jene  rück- 
ständigen Elemente,  die  die  moderne  Wissenschaft  verwünschen,  passen 
ebensowenig  in  die  jetzige  menschliche  Gesellschaft  hinein,  wie  ein  Hotten- 
totte  in   eine    unserer   Hochschulen   oder   Akademien! 


Zwei  Bestrebungen  entgegengesetzter  Art  treten  nunmehr  in  die  Er- 
scheinung. Die  eine  drängt  die  Menschen,  sich  in  verschiedene  Lager 
zu  teilen  und  sich  auf  Grund  des  Nationalitätenprinzipes  zu  Gruppen 
zusammenzuschließen,  die  voll  Stolz  auf  ihre  Vergangenheit  imd  voll 
Vertrauen  auf  ihre  Zukunft,  aber,  voller  Eifersucht  auf  die  benachbarten 
wie  die  entfernten  Völkerschaften,  ängstlich  ihre  Rechte  hüten  und  ihrem 
Stamme,  ihrer  Sprache  und  ihrer  Religion  die  treueste  Anhänglichkeit 
bewahren.    Es    ist    dies    der    sogenannte    nationalistische    Geist. 

Eine  andere,  anscheinend  entgegengesetzte  Macht  drängt  die  Menschen, 
sich  gegenseitig  zu  nähern,  sich  kennen  zu  lernen  und  ihre  Arbeit  zu 
I  vereinen,  um  die  allen  gemeinsamen  Leiden  auch  gemeinsam  zu  bekämpfen, 
sEs  ist  dies  die  internationale  Richtung. 

Aber  ein  Irrtum,  ein  ganz  grenzenloser  Irrtum  ist  es,  an  das  Vorhanden- 
seih irgendwelchen  Widerspruchs  zwischen  den  nationalen  Bestrebungen 
der  Völker  und  ihren  BemühungeifTmi  internationale  Verbrüderung  zu 
glauben.  Die  wahre,  echte  und  sittlich  gerechtfertigte  internationale  Ver- 
brüderung von  allem,  was  Menschenantlitz  trägt,  vereint  sich  wundervoll 
mit  der  Unabhängigkeit  jedes  einzelnen  Volkes,  sei  es  noch  so  groß  oder 
noch  so  klein;  Die  entschiedensten  Vertreter  des  Internationalismus  sind 
stets  auch  solche,  denen  nichts  mehr  am  Herzen  liegt,  als  ihrem  Vater- 
lande   seine    Freiheiten    ausnahmslos    unversehrt    zu    erhalten. 

Es  ist  bei  den  Menschen  das  ständige  unbewußte  Bestreben  gewesen, 
sich  einander  zu  nähern  und  durch  Verminderung  aller  trennenden  Ent- 
fernungen vermöge  Schaffung  immer  bequemerer  Verkehrsmittel  die  ver- 
einigenden Bande  des  Bewußtseins  menschlicher  Gemeinschaft  immer 
enger  zu  knüpfen. 


Die  Herrschaft  der  Wissenschaft.  5ll 

Die  Eisenbahnen  sind  ein  belebender  Urquell  für  den  gesamten  Verkehr 
zwischen  einzelnen  Personen  und  ganzen  Völkern  geworden.  Im  Jahre 
1870  dehnte  sich  das  Schienennetz  über  eine  Fläche  von  zweihundert- 
tausend Kilometern  aus;  im  Jahre  191 3  hat  diese  Fläche  schon  eine  Million 
überschritten;  am  i.  Januar  191 1  waren  es  noch  982574  km.  Eine  ganz 
besondere  Entwicklung  aber  hat  das  Eisenbahnwesen  in  den  Vereinigten 
Staaten  genommen:  im  Jahre  1871  noch  85937  km,  aber  im  Jahre  191 1 
nicht  weniger  als  392  888  km,  d.  h,  4300  km  auf  die  Million  Einwohner. 
In  Frankreich  beträgt  die  Kilometerzahl  auf  die  Million  Einwohner 
1040,  in  Deutschland  940,  aber  in  Rußland  nur  430.  Doch  haben  sich  hier 
in  den  Jahren  1870 — 1910  die  Eisenbahnen  um  650 0/0  vermehrt,  während 
in  derselben  Zeit  ihr  Wachstum  in  Frankreich  300 0/0,  in  Deutschland 
3150/0,  in  den  Vereinigten  Staaten  4600/0,  in  Austrahen  16000/0,  in  Brasihen 
25000/0  und  in  Mexiko  7000 0/0  betragen.  Kurz,  über  die  ganze  bewohnte 
Erde  zieht  sich  ein  Schienennetz,  das  die  Möglichkeit  gewährt,  von 
Cadiz  bis  Wladiwostok  oder  von  Vancouver  bis  New  York  und  nächstens 
auch  vom  Kap  der  Guten  Hoffnung  bis  Alexandria  zu  gelangen. 

Die  Leistungsfähigkeit  der  Züge  wird  immer  größer,  legen  doch  die 
Eilzüge  bei  nur  mittlerer  Geschwindigkeit  bequem  achtzig  Kilometer  in 
der  Stunde  zurück,  so  daß  wohl  die  Voraussetzung  nicht  unzulässig 
ist,  daß  sie  auf  gewissen  nicht  so  verkehrsreichen  Strecken  bei  voller  Ge- 
schwindigkeit hundertzwanzig  Kilometer  und  wohl  noch  mehr  erreichen. 
Die  großen  internationalen  Expreßzüge  sind  nicht  bloß  mit  aller  Bequem- 
lichkeit, nein,  mit  dem  verschwenderischsten  Prachtaufwand  ausgestattet. 
Und  dabei  zeigen  die  Fahrpreise  eine  beständige  Neigung,  immer  mehr 
herabzugehen,  anstatt,  wie  die  Preise  für  Wjaren,  sich  immer  mehr  zu 
erhöhen. 

Nicht  bloß,  daß  die  Eisenbahnen  entfernte  Städte  miteinander  verbinden, 
nein,  weit  mehr:  an  den  großen  Verkehrsmittelpunkten,  wie  New  York, 
Paris,  London,  Berlin,  sind  teils  unterirdische,  teils  oberirdische  Bahnen 
derart  angelegt  worden,  daß  sie  die  Stadt  durchschneiden  und  zu  den 
niedrigsten  Preisen  Millionen  von  Fahrgästen  befördern.  Auch  an  nicht 
ganz  so  großen  Orten  bis  hinunter  zu  Provinzialstädten  von  zwanzig- 
bis  fünfundzwanzigtausend  Einwohnern  verkehren  elektrische  oder  Dampf- 
straßenbahnen, die  schnelle  und  bilüge  Fahrgelegenheiten  nach  allen 
Richtungen  schaffen. 

Zu  Wasser  waren  die  Verkehrsfortschritte  nicht  geringer  als  auf  dem 
Lande.  Jenes  scheinbare  Hirngespinst  eines  durch  Heizkraft  sich  fort- 
bewegenden Bootes,  das  sich  ein  Denis  Papin  gebildet  und  auch  zur  Aus- 


5i2  Siebentes  Buch. 


führung  gebracht  hatte,  ohne  bei  seinen  Zeitgenossen  das  genügende 
Verständnis  zu  finden,  hat  in  einer  Einrichtung  von  segensreichster 
Gemeinnützigkeit  und  gewöhnhchster  AlltägUchkeit  seine  Verwirkhchung 
gefunden.  Die  Dampfschiffe  haben  fast,  wenn  nicht  überhaupt,  überall 
die  Segelschiffe  verdrängt.  Im  Jahre  191 2  verfügte  Großbritannien,  dessen 
Handelsflotte  so  groß  ist  wie  die  aller  übrigen  Länder  zusammen- 
genommen, über  Dampfschiffe  mit  einem  Gesamtinhalte  von  11272000  t 
und  über  Segelschiffe  mit  einem  solchen  von  i  132000  t.  Noch  im 
Jahre  1870  stand  es  dort  fast  umgekehrt.  Dampfschiffe  mit  1112934  t 
Gesamtinhalt  gegenüber  Segelschiffen  mit  4557855  t;  das  will  sagen, 
daß  in  bezug  auf  den  Tonnengehalt  in  England  die  Dampfer  von  100 
auf  1000  stiegen,  während  dort  in  derselben  Zeit  die  Segler  von  100  auf 
25  fielen,  In  den  andern  Ländern,  besonders  in  Norwegen  und  Frankreich, 
sind  zwar  die  Segler  noch  nicht  so  abgekommen  wie  in  England,  doch 
handelt   es    sich   hier   bloß   um   eine    Frage   der   Zeit. 

Man  hat  Riesenschiffe  von  sechzigtausend  Pferdekräften  und  darüber 
gebaut,  die  die  schnellsten  Verbindungen  zwischen  allen  Häfen,  mithin 
auch  allen  Ländern  der  Welt,  herstellen:  schwimmende  Städte  von  bis- 
weilen 47  000  t  Inhalt,  die  für  eine  einzige  Fahrt  sechstausend  Personen 
bei  höchsten  Ansprüchen  in  bezug  auf  Luxus,  Geschwindigkeit  imd 
Sicherheit  aufnehmen  können.  Zu  einer  Durchfahrung  des  Atlantischen 
Weltmeeres  von  einem  Ufer  zimi  andern  werden  noch  nicht  fünf  Tage 
gebraucht.  In  noch  nicht  einem  vollen  Monate  läßt  sich  eine  Rundfahrt 
um  unsern  gesamten  kleinen  Planeten  herum  machen.  Noch  vor  kaimi 
drei  Menschenaltem  war  zu  einer  solchen  Reise  ein  ganzes  Jahr  nötig, 
und  sie  war  damals  noch  ein  wirklich  gefährliches  und  höchst  kost- 
spieliges   Unternehmen. 


Ein  ganz  neues  Beförderungsmittel  trat  im  Jahre  1895  zum  erstenmal  in 
die  Erscheinung,  um  eine  ganz  wunderbar  schnelle  Verbreitung  zu  finden; 
es  war  dies  der  Kraftwagen,  das  Automobil.  Für  das  Automobil  wie  für 
die  Dampfmaschine  ist  stets  die  Verbrennung  von  Kohle  die  Kraftquelle; 
aber  bei  dem  Motorwagen  entwickelt  sich  die  Kraft  aus  der  plötzlichen 
Entladung  eines  explodierenden  Gemisches  von  atmosphärischer  Luft  und 
Petroleumdampf  im  Gegensatz  zur  Dampfmaschine,  wo  sie  sich  aus  dem 
durch    das    überheizte    Wasser    erzeugten    Dampf    entwickelt. 


Die  Herrschaft  der  Wissenschaft.  613 

Die  Eisenbahnen  haben  einen  schweren  Nachteil,  der  aber  mit 
ihrem  gesamten  Wesen  zusammenhängt  und  deshalb  von  ihnen  unzer- 
trennlich ist:  sie  brauchen  einen  Schienenstrang,  d.  h.  eine  mühsam 
gebaute  Bahn,  die  sich  über  Flüsse,  Berge  und  Abhänge  nur  mit  Hilfe 
von  langwierigen,  schweren  Kunstarbeiten  legen  läßt,  die  manchmal 
überhaupt  nicht  ausführbar  und  stets  sehr  kostspielig  sind.  Ebenso 
können  die  Automobile  nur  auf  sehr  guten  und  dauernd  unterhaltungs- 
bedürftigen Straßen  verkehren.  Aber  gerade  jetzt,  seit  ganz  kurzer  Zeit, 
sind  die  ersten  schüchternen  Versuche  mit  einer  Erfindung  gemacht 
worden,  die  ganz  wunderbar  ist  und  bald  weit  gründlicher  als  es  nur 
jemals  Dampfschiffahrt  und  Eisenbahn  vermögen  werden,  über  alle  Hinder- 
nisse Herr  werden  wird,  die  nur  die  Natur  den  menschlichen  Beziehungen 
gesetzt  hat;  gemeint  ist  natürlich  das  Flugwesen  und  die  Luftschiffahrt. 

Im  Jahre  1783  hatten  die  beiden  französischen  Brüder  Montgolfier, 
Joseph  (1740 — 1810)  und  Etienne  (1745 — 1799),  die  Beobachtung  ge- 
macht, daß  ein  mit  heißer  Luft  gefüllter  Ballon,  infolge  der  sich  aus- 
dehnenderen  leichteren  Luft  in  seinem  Innern,  in  die  Höhe  stiege.  So 
hat  ein  solcher  Ballon  eine  treibende  Kraft,  die  an  seinem  Umfange 
und  dem  Unterschiede  zwischen  der  Dichtigkeit  der  erhitzten  und  der 
eines  gleichen  Umfanges  von  der  ihn  umgebenden  Luft  gemessen  wird. 
Er  kann  mithin  bei  einem  gewissen  Umfange  Lasten  und  Menschen 
heben.  Schon  wenige  Monate  später  dachte  der  gleichfalls  französische 
Physiker  C6sar  Charles  (1746 — 1823)  daran,  die  heiße  Luft  durch  ein 
Gas  von  geringerer  Schwere  als  atmosphärische  Luft,  nämlich  Wasser- 
stoff, zu  ersetzen  (i.  Dezember  1783).  Aber  diese  von  den  jeweiligen 
Winden  abhängigen  Luftschiffe  ließen  sich  nicht  lenken.  Die  Schwierig- 
keit der  Lenkbarkeit  des  Ballons  zermarterte  damals  das  Gehirn  so 
manchen  findigen  Forschers;  nach  mancherlei  Experimenten  des  fran- 
zösischen Marineingenieurs  Dupuy  de  Lome  (1872)  versuchte  es  sein 
berühmter  Landsmann  Gaston  Tissandier,  der  Geschichtschreiber  der 
Luftschiffahrt,  mit  der  Anbringung  einer  Propellerschraube  an  den  Ballon, 
und  damit  gelang  es  ihm  einigermaßen,  ein  kleines  Luftschiff  im  Räume 
vorwärts  zu  bringen  (1883).  Im  Jahre  1884  baute  Renard  einen  elek- 
trischen Motorenapparat,  der  stark  genug  war,  eine  Propellerschraube 
von  ziemlicher  Größe  zu  bewegen.  Er  erreichte  so  eine  Geschwindigkeit 
von  dreißig  Kilometern  in  der  Stunde,  wodurch  ihm  bei  ruhiger  Luft 
eine    wirkliche    weitere    Luftschiffahrt    ermöglicht    wurde. 

In  unseren  Tagen  hat  die  Aeronautik  eine  auüBerordentliche  Vervoll- 
kommnung  erfahren,    besonders    durch   den   Deutschen   Grafen   Zeppelin. 


5i4  Siebentes  Buch. 


Die  Propellerschrauben  wurden  nun  mit  Petroleummotoren  von  ebenso 
geringer  Schwere  wie  bedeutender  Stärke  in  Bewegung  gesetzt.  Es 
gelang,  die  Leinwand  dicht  zu  machen  und  durch  allerlei  sinnige  Kunst- 
griffe einen  Verlust  an  dem  in  dem  Ballon  enthaltenen  Gase  zu  verhindern. 
Der  ganze  Apparat  wird  halbstarr  hergestellt  vermittels  eines  Metall- 
gerippes aus  Aluminium  (so  bei  den  Zeppelinen).  Es  werden  damit  Ge- 
schwindigkeiten von  sechzig  Kilometern  in  der  Stunde  erreicht,  ohne  daß 
die  Möglichkeit  ausgeschlossen  wäre,  auch  gegen  den  Wind,  selbst  bei 
ziemlicher  Stärke,  zu  fahren.  Doch  diese  ungeheueren  Luftschiffe,  die 
riesig  kostspielig,  äußerst  feuergefährlich  und  nur  sehr  schwer  vor  Stürmen 
zu  schützen  und'  in  riesigen  Hallen  unterzubringen  sind,  sind  im  letzten 
Grunde  wohl  hauptsächlich  für  mihtärische  Zwecke  —  und  auch  da  nur 
unter   besonderen    Bedingungen   —    von   ernstlichem    Nutzen. 

Wahrhaft  schnelle  und  leichte  Beförderung  ist  also,  wenigstens  vor- 
läufig, wohl  überhaupt  kaum  durch  das  Luftschiff  zu  erreichen,  nicht 
einmal  dann,  wenn  es  geräumig  und  lenkbar  ist.  Das  geschieht  allein 
durch    den    Flugapparat,    die    glanzvollste    Entdeckung    der    Gegenwart. 

Schon  in  alter  Zeit  hatten  die  Menschen  wahrgenommen,  wie  Vögel, 
Insekten,  Fledermäuse,  ja  selbst  Fische  *,  obwohl  doch  schwerer  als  die 
Luft,  bei  all  ihrer  Schwere  im  Räume  schweben  und  sich  mühelos  ganz 
nach  ihrem  Belieben  bewegen  konnten.  Doch  sämtHche  von  den  wage- 
mutigsten Entdeckern  unternommenen  Versuche,  die  bei  diesen  so  ver- 
schiedenen Tierarten  sich  bietenden  Flugmaschineri  nachzuahmen,  waren 
nicht  bloß  umsonst,  sie  wurden  auch  noch  von  der  zeitgenössischen 
Menschheit  einstimmig  als  lächerlich  zurückgewiesen,  vermag  doch  nun 
einmal  das  Menschengeschlecht,  dessen  Blick  stets  in  seiner  Verblendung 
durch  den  Schein  des  Augenbhcks  getrübt  wird,  niemals  das  Unbekannte 
zu  begreifen.  Bereits  im  i6.  und  17.  Jahrhundert  machten  Meister  Leonardo 
da  Vinci  und  der  gelehrte  deutsche  Jesuitenpater  Athanasius  Kircher 
(1601 — 1680)  einige  schüchterne  Versuche.  Aber  sie  fanden  weder  Nach- 
ahmung noch  Verständnis.  Im  Jahre  1830  gab  der  Engländer  Cayley 
zum  ersten  Male  die  Theorie  des  Aeroplans,  und  bereits  im  Jahre  1868 
baute  der  Franzose  P^naud  einige  schon  vom  theoretischen  Standpunkt 
unfertige,  praktisch  aber  überhaupt  kein  greifbares  Ergebnis  herbeiführende 
Apparate..  Doch  das  Problem  selbst  war  damit  ein  für  allemal  gekenn- 
zeichnet. 


*  Der  sog.     „tüegende    Fisch",  s.    Charles  Richet  selbst  in  seiner  nach  diesem 
Mittelmeerfisch  betitelten  Fabel,  vgl.  weiter  unten  S.  520  Anm. 


Die  Herrschaft  der  Wissenschaft.  5i5 


Im  Jahre  1880  legte  dann  der  große  französische  Physiologe  Etienne- 
Jules  Marey  die  Eigentümlichkeiten  des  Vogelfluges  dar  und  wies  gleich- 
zeitig nach,  daß  das  Fliegen  auch  mit  künstlichen  Maschinen  möglich  sei. 
In  den  Jahren  1880 — 1904  machten  verschiedene  Fachmänner  anregende 
Versuche,  die  aber  im  wesentlichen  keine  praktischen  Folgen  ergaben*. 

Doch  auf  Cayley  weiterbauend,  vermochte  der  schon  genannte  fran- 
zösische Gelehrte  Renard  die  Theorie  des  Aeroplans  (Gleitflieger)  end- 
gültig zu  begründen  und  die  mathematischen  Bedingungen  des  Problems 
klar  aufzustellen.  Aber  den  entscheidenden  Versuch  machten  im  Jahre 
1904  die  beiden  amerikanischen  Brüder  Orville  und  Wilbur  .Wright. 
Es  gelang  ihnen,  sich  auf  einem  Apparat  mit  einem  von  einem  Motor 
getriebenen  Propeller  in  die  Lüfte  zu  erheben.  Zu  beiden  Seiten  des 
Motors  breiten  sich  zwei  große  feste  Flügel  aus,  die  die  ganze  Maschine 
halten.     Die    Kunst    des    Fliegens    war    damit    entdeckt. 

Die  Geschwindigkeit  kommt  durch  die  Propellerschraube  zustande. 
Mit  der  Geschwindigkeit  aber  wächst  zugleich  der  Luftwiderstand,  nur 
in  noch  höherem  Maße  als  jene.  Es  kommt  ein  Augenblick,  wo  die 
Geschwindigkeit  ausreichend  gewachsen  ist,  um  auch  den  starren  Flügeln 
des  Apparats  eine  ausreichende  Stütze  in  der  sehr  widerstandsfähig 
gewordenen  Luft  zu  geben.  Eine  leichte  Biegung  der  Flügel  bestimmt 
die  seithche  Neigung,  die  der  Flieger  zu  haben  wünscht.  Zwei  Steuerruder 
ermöglichen  die  Lenkung  des.  Flugzeuges  nach  rechts  oder  links  oder 
nach  oben  oder  unten.  So  fliegt  dieser  künsthche  Riesenvogel,  der  die 
gewaltigsten  unter  allen  Vögeln  noch  tausendmal  an  Kraft  überbietet, 
unter  der  Leitung  einer  mensclüichen  IntelHgenz  hin  und  her  im  freien 
Weltenraume.  Es  ist  mit  ihm  gelungen,  Geschwindigkeiten  von  203  km 
in  der  Stunde  noch  zu  überbieten,  und  mehr  als  6120  m  in  die  Höhe  zu 
steigen,  die  Alpen  sowie  den  Ärmelkanal  zu  überfhegen,  von  Italien  nach 
Korsika,  von  Fr6jus  nach  Timis  zu  gelangen,  kurz,  ohne  den  Boden  zu 
berühren,  dreizehn  Stimden  lang  in  Bewegung  zu  bleiben  und  in  dieser 
Zeit  eine  Strecke  von  1020  km  zurückzvilegen.  Und  doch  sind  das  erst 
Anfänge;  bald  werden  ganz  andere  Leistungen  zu  verzeichnen  seinl 

Zwar  sind  die  Flugmaschinen  bisher  für  Handels-  oder  industrielle 
Zwecke  fast  gar  nicht  zur  Verwendung  gekommen.  Wohl  in  noch  größerem 
Maße   als    die   Automobile    sind   sie   außerordentliche    Luxusgegenstände 


*  Anm.  des  deutschen  Herausgebers:  U.  a.  der  damit  das  Interesse  der  weitesten 
Kreise  erregende  bekannte  deutsche  Ingenieur  Otto  Lilienthal,  der  am  lö.  August 
1896  als   Märtyrer  seiner  Kunst   an   den  Folgen  eines   Absturzes   den  Tod   erlitt. 


5i6  Siebentes  Buch. 


geblieben.  Gegenwärtig  haben  die  Aeroplane  noch  immer  ausschließUch 
auf  mihtärischem  Gebiete  Bedeutung.  Hier  warten  ihrer  gewichtige  Auf- 
gaben. Sie  werden  für  mihtärische  Aufklärungen  und  Fühlungnahme 
zwischen  den  verschiedenen  Abteilungen  eines  durch  natürliche  Hinder- 
nisse auseinandergerissenen  Heeres  von  wirksamem  Nutzen  sein.  Viel- 
leicht werden  sie  auch  mit  Geschossen  versehen  werden,  die  in  feindliche 
Lager  oder  Städte  zu  werfen  sind.  Darum,  weil  sich  die  Menschen  stets 
mit  besonderem  Eifer  auf  das  legen,  wodurch  die  militärische  Organisation 
verstärkt  wird,  sind  sie  auch  mit  so  glühender  Leidenschaft  an  den  Bau 
von  Flugmaschinen  gegangen.  Jeder  Tag  bringt  in  dieser  Hinsicht 
neue   Fortschritte. 

Aber,  wenn  auch  scheinbar  allein  zum  Nutzen  des  Krieges,  so  arbeiten 
doch  im  Grunde  die  Erbauer  von  Aeroplanen  zum  Nutzen  des  Friedens, 
Ihrer  Bestimmung  gemäß  werden  die  Flugmaschinen,  wenn  erst  gewisse 
technische  Schwierigkeiten  gelöst  sein  werden,  dadurch,  daß  sie  sich 
immer  leichter  handhaben  lassen  und  immer  weiteren  Kreisen  zugänglich 
werden  werden,  auch  die  internationalen  Beziehungen  bequemer  gestalten, 
vermehren  und  fördern!  Flüsse,  Berge  und  Felsabhänge  werden  dann 
nicht  mehr  Scheidewände  zwischen  den  Völkern  bilden,  kennt  doch  der 
Luftraum  keine  Grenzen  I  Man  wird  dann  gutwillig  oder  nicht  das 
Ende  des  ungeheuerlichen  gegenwärtigen  Zollschrankensystems  erleben, 
das  mehr  als  alle  anderen  unserer  sozialen  Erfindungen  die  Völker  von- 
einander abschließt  und  dadurch  verarmen  läßt! 


Nicht  bloß  in  der  Beförderung  von  Menschen  und  Waren  hat  die 
moderne  Wissenschaft  Wunderbares  vollbracht,  nein,  vor  allem  auch  in 
der  von  Geisteserzeugnissen.  Der  elektrische  Telegraph,  der  in  die 
kleinsten  Flecken  und  die  fernsten  Gegenden  seinen  siegreichen  Einzug 
gehalten  hat,  verbreitet  einen  Gedanken,  ein  Ereignis  oder  auch  einen 
Ausspruch  in  wenigen  Bruchteilen  einer  Sekunde  über  den  ganzen  Erdball. 
Rußland  hat  ein  Telegraphennetz  von  678  000  km,  Deutschland  von 
750906  km,  Frankreich  von  659323  km,  die  Vereinigten  Staaten  von 
2772000  km  und  Großbritannien  von  i  883  100  km.  Die  ganze  Erde 
besitzt  ein  solches  von  etwa  zwölf  Millionen  Kilometern,  ohne  daß  dabei 
die  unterseeischen  Kabel  gerechnet  sind,  die  die  Erdteile  miteinander 
verbinden. 

Die  Wohltaten  des  elektrischen  Telegraphenverkehrs  wurden  noch  durch 
zwei  andere   überraschende   Entdeckungen   überboten;   den   Fernsprecher 


Die  Herrschaft  der  Wissenschaft.  617 

und  die  Telegraphie  ohne  Draht.  Im  Jahre  1877  zeigte  der  Physiologq 
der  amerikanischen  Universität  Boston,  Graham  Bell,  daß  eine  auch  wohl 
Membran  genannte  Metallplatte,  die  durch  einen  Metalldraht  mit  einer 
zweiten  in  Verbindung  stand,  ihre  Schwingungen  mit  einer  derartigen 
Vollendung  und  Schärfe  auf  diese  2U  übertragen  vermochte,  daß  das 
Schwingungsgeräusch  der  einen  Platte  durch  eine  völlig  entsprechende 
Schwingung  der  andern  genau  wiedergegeben  wurde.  Sämtliche  Geräusche 
mit  ihrem  ihnen  eigentümlichen  Rhythmus,  ihrer  Tonstärke  und  ihren 
Klangfarben,  also  auch  die  menschliche  Sprache  in  allen  ihren  zarten 
Gestaltungen,  konnten  so  die  weitesten  Entfernungen  bewältigen.  Es 
war  das  Telephon  oder  der  Fernsprecher,  das  nun  rasch  die  weiteste 
Verbreitung  fand  und  nicht  nur  für  Gespräche  zwischen  Einwohnern 
desselben  Ortes,  sondern  auch  für  solche  zwischen  den  entferntesten 
Ortschaften  in  Aufnahme  kam. 

So  hat  die  moderne  Wissenschaft  jenes  fast  märchenhafte  Wunder 
verwirklicht,  es  uns  zu  ermöglichen,  die  Stimme  jemandes,  der  tausend 
Kilometer  von  uns  entfernt  ist,  in  allen  ihren  Schattierungen  deutlich 
zu    vernehmen. 

Nicht  weniger  Staunen  muß  die  Telegraphie  ohne  Draht  erregen, 
auch  Funkentelegraphie  genannt.  Dank  den  in  den  Jahren  1886 — 1890 
Schlag  auf  Schlag  folgenden  Entdeckungen  des  berühmten  deutschen 
Physikers  Heinrich  Hertz  (1857 — 1894),  des  fähigsten  unter  den  zahl- 
reichen Schülern  eines  Hermann  von  Helmholtz,  sowie  des  Engländers 
Oliver  Lodge  und  des  Franzosen  Branly  gelang  es  dem  italienischen 
Physiker  Marconi,  durch  eine  besondere  Art  von  Apparaten,  die  sich 
frei  durch  den  Luftraum  fortpflanzenden  elektrischen  Schwingimgswellen 
ohne  jeden  Leitungsdraht  wieder  aufzufangen.  Wie  die  eigentliche 
Schwäche  der  Eisenbahn  nach  dem  Vorherausgeführten  darin  lag,  daß 
ihre  erste  Voraussetzung  die  Anlage  des  Schienenstranges  bildete,  so 
halte  auch  bisher  immer  die  eigentliche  Schwäche  des  telegraphischen 
Verkehrs  in  der  unumgänglichen  Notwendigkeit  gelegen,  für  denselben 
zunächst  ein  weitveizweigtes  Drahtnetz  anlegen  zu  müssen.  Jetzt  nun  sind 
die  hölzernen  Stangen  wie  die  eisernen  Drähte  überflüssig  geworden;  es 
genügt  eine  Aussendungs-  und  eine  Empfangsstelle,  die  einzig  und  allein 
durch  die  atmosphärische  Luft  in  räumlichem  Zusammenhange  stehen.  Die 
größte  französische  Station  für  drahtlose  Telegraphie  ist  auf  dem  Eiffel- 
turm in  Paris,  die  größte  deutsche  in  Nauen  bei  Berlin.  So  können  an 
jedem  beliebigen  Punkte  des  Erdballs  Signale  aufgefangen  werden,  die 
zweitausend  Kilometer  von  dieser  Stelle  ab  durch  die  weite  Luft  geworfen 
15  Richet,  Geschichte  der  Menschheit 


5i8  Siebentes  Buch. 


worden  sind.  Die  Schiffe,  die  über  das  Weltmeer  fahren,  können  mit- 
einander in  Verkehr  treten,  ohne  daß  eine  sichtbare  Verbindung  für 
den  Austausch  von  Gedanken  vorhanden  wäre,  die  gleichwohl  wörthch 
von    einem    Ende    der    Welt    zum    andern    gewechselt    werden    können. 

Diesen  sämtlichen  Wunderwerken  haben  wir  auch  den  gegenwärtigen 
raschen,  bequemen  und  starken  Nachrichten-  und  Güteraustausch  unter 
den  Menschen  zu  danken.  Darin  liegt  ohne  Zweifel  der  bezeichnende  Zug 
der  Gegenwart.  So  sind  denn  auch  bei  aller  unwillkürlichen  Abneigung 
für  das,  was  unter  den  Begriff  der  internationalen  Organisation  fällt, 
gleichwohl  die  Regierungen  notgedrungen  im  Jahre  1868  zu  Wiei\  für 
einen  Internationalen  Telegraphenverein  und  im  Jahre  1874  zu  Bern  für 
einen  Weltpostverein  zu  haben  gewesen,  die '  beide~durch  den  deutschen" 
Geiieralpostmeister ,  Staatssekretär  Heinrich  Stephan ,  angeregt  worden 
waren,  um  ihren  gemeinschaftlichen  ständigen  Sitz  in  der  Schweiz  zu  Bern 
zu  bekommen,  wo  die  Bedingungen  der  internationalen  Brief-  und  Tele- 
grammsendungen ihre  dauernde  Regelung  finden.  Im  Jahre  1910  stieg 
die  Zahl  der  internationalen  Telegramme  auf  mehr  als  vierhundertfünfzig 
Millionen  und  die  der  Weltbriefe  und  Weltpostkarten  auf  achtunddreißig 
Milliarden.  Es  sind  das  Riesenziffern,  die  so  recht  den  rührigen  Ge- 
dankenaustausch zwischen  den  sämtlichen  Bewohnern  unseres  kleinen 
Planeten   offenbaren. 

Ganz  besonders  würden  allerdings  die  internationalen  Beziehungen  durch 
eine  Vereinheitlichung  des  Münzwesens  und  eine  allgemeine  Annahme 
des  dezimalen  Maßsystems  beschleunigt  und  erleichtert  werden.  Leider 
ist  die  Münzeinheit  nur  teilweise  zustandegekommen.  In  bezug  auf  das 
dezimale  Maßsystem  aber  stehen  noch  vorläufig  die  Russen  und  die 
Engländer  beiseite,  die  sich  beide  mehr  aus  falschem  Patriotismus  und 
durch  die  Macht  der  Gewohnheit  als  aus  ernsten  wirtschaftlichen  Gründen 
noch  immer  nicht  zur  Aufgabe  ihrer  altfränkischen,  unzeitgemäßen  und 
unbequemen    Maßbezeichnungen    haben    entschließen    mögen. 

Doch  es  unterliegt  keinem  Zweifel,  daß  sie  alle  nur  zu  bald  begreifen 
werden,  daß  hier  ebenso,  wie  ja  auch  sonst  so  gut  wie  überall,  ihre 
Sonderinteressen  mit  den  allgemeinen  nicht  im  mindesten  Widerspruch 
stehen;  sie  haben  sich  übrigens  schon  beinahe  dazu  bekannt,  indem  sie 
nämlich  im  Jahre  1875  ^^m  Internationalen  Maß-  und  Gewichtsbureau  bei- 
traten, um  als  unbedingt  ständige  Einheit  des  Längenmaßes  das  Meter 
und   als    solche    des    Gewichtes    das    Kilogramm   zu    erhalten. 

Im  Anschluß  hieran  wurden  noch  weitere  internationale  Vereinigungen 
begründet,    von    denen    hier    nur    die    bedeutendsten    Erwähnung    finden 


Die  Herrschaft  der  Wissenschaft.  5ig 

mögen,  so  das  Zentralbureau  der  Internationalen  Erdmessung,  das  seit 
1866  besteht,  seit  1869  seinen  Sitz  in  Berlin  hat  und  mit  seiner  permanenten 
Kommission,  zu  deren  hervorragendsten  Mitghedern  der  auch  in  Pazifisten- 
kreisen so  hochverehrte  greise  Vorsitzende  der  Deutschen  Friedens- 
gesellschäTf^TroFes'sor  Wilhelm  Foerster  von  der  Universität  Berhn,  gehört, 
"Sem  anfangs  unter  der  Leitung  von  Johann  Jakob  Bayer  und  jetzt  unter 
Professor  Helmert  stehenden  Königlich  Preußischen  Geodätischen  Institut 
auf  dem  Taschenberge  bei  Potsdam  angegliedert  ist,  weiter  die  Inter- 
nationale Vereinigung  für  den  Schutz  des  künstlerischen  und  literarischen 
Eigentums  (1883),  das  Bureau  zur  Unterdrückung  des  Sklavenhandels 
(1890)  und  das  Internationale  Eisenbahnverkehrsbureau  (1890). 

Für  die  Längengradmessung  ist  allgemein  der  Meridian  von  Greenwich 
zur  Annahme  gelangt.  Es  gibt  in  Europa  eine  sogenannte  Mitteleuro- 
päische Zeit,  die  zwar  mit  den  in  West-  und  Osteuropa  im  praktischen 
Verkehre  noch  immer  geltenden  Ortszeiten  der  verschiedenen  Plätze  in 
Widerspruch  steht,  aber  die  Zeitangaben  für  Überland  und  Untersee- 
telegraname   wie   sonstige   Verkehrssachen   erleichtert. 

So  erfüllt  sich,  wenn  auch  nur  lässig  und  langsam,  trotz  aller  Kriege, 
Eifersüchteleien  und  hemmenden  Überheferungen  das  prophetische  Wort 
des  großen  Dichters  Alphonse  de  Lamartine  (1792 — 1869): 

„Aufklärung  macht  die  Welt  allüberall  zu  Eins !" 

Eine  gemeinsame  Weltanschauung,  die  sich  aus  der  unendlichen  Fülle 
der  verschiedenen  Meinungen  der  einzelnen  Persönlichkeiten  wie  der 
Völker  herauszuarbeiten  strebt,  scheint  immer  mehr  ans  Tageslicht  kommen 
zu  wollen  I  Die  internationalen  Kongresse  (wissenschaftlicher,  sozialer, 
industrieller  oder  technischer  Art),  die  von  Tag  zu  Tag  an  Bedeutung  und 
Häufigkeit  gewinnen,  sind  das  lebende  Gleichnis  jenes  vom  Dichter  ge- 
meinten „Einen,  Einheitlichen,  das  Aufklärung  aus  den  durch  Landes- 
und Volkszugehörigkeit  gespaltenen  verschiedenen  Gruppen  der  Intellek- 
tuellen der  ganzen  Welt  zum  gemeinsamen  Kampfe  um  und  für  die  Wahr- 
heit macht  1" 

Und  so  wird  für  das  getrennte  Streben  nach  diesem  einzigen  Ideal, 
das  die  Welt  bisher  noch  immer  als  solches  gekannt  hat,  ein  gemeinsames 
eintreten!  Nach  der  Spaltung  Vereinigung!  Dank  diesem  allgemeinen 
Zusammenarbeiten  der  ganzen  Welt  wird  sich  vielleicht  eine  weniger 
barbarische  Staatsgemeinschaft,  eine  weniger  knechtselige  Einzelpersöa- 
lichkeit  und  eine  edlere  Gesamtmenschheit  bilden! 

So    gehören    die    letztverflossenen    Jahre    zu    den    fruchtbarsten    der 

15* 


520  Siebentes  Buch. 


Menschengeschichte.  Doch,  was  sie  dazu  gemacht  hat,  ist  nicht  sowohl 
Literatur  und  Kunst,  als  vielmehr  die  moderne  Wissenschaft,  die  Industrie 
und  die  moderne  Sozialreform! 


Bei  alledem  sind  nicht  etwa  die  literarische  und  die  künstlerische 
Produktion  zurückgeblieben,  Sie  haben  sogar  fast  noch  fieberhaftere 
Tätigkeit  entfaltet.  Die  Schriftstellerei  und  Malerei  sind  zu  recht  eigent- 
lichen Broterwerben  für  eine  Unzahl  von  Einzelpersönlichkeiten  geworden. 

Unter  den  Schriftstellern  hinwiederum  sind  die  kritischen  und  die 
Verfasser  von  Romanen  am  zahlreichsten  vertreten.  Ihre  Schöpfungen 
verraten  zwai'  ein  reiches  Maß  von  Gewandtheit,  lassen  aber  doch  nur  wenig 
Selbständigkeit  erkennen.  Immerhin  hat  es  in  England  die  virtuose  Meister- 
schaft des  neuerdings  auch  stark  pazifistisch  gerichteten  H.  G.  Wells  in 
der  von  dem  Franzosen  Jules  Verne  geschaffenen  imd  durch  seine  phan- 
tastischen Reisedichtungen  in  der  ganzen  Welt  beliebt  gewordenen  Gat- 
tung des  naturwissenschaftlichen  Romans  zu  einer  genialen  Vollendung 
gebracht,  der  wir  so  manches  sich  auf  der  Grenze  zwischen  Kunst  und 
Wissenschaft  bewegende  köstliche  Erzeugnis  verdanken,  und  hat  dort 
das  glänzende  Genie  eines  Rudyard  Kipling  mit  künstlerischen  Motiven 
ganz  ähnlicher  Art  vermöge  seines  so  eigenartigen  Stiles  die  über- 
raschendsten Wirkungen  hervorgebracht.  In  Frankreich  hat  Armand 
Sully  Prudhomme  dieselben  Bahnen  betreten  und  Gedichte  dieser  wissen- 
schaftlich künstlerischen  Gattung  verfaßt,  die  durch  die  überwältigende 
Tiefe  ihrer  Gedanken  wie  den  wunderbaren  Zauber  ihrer  Form  wahre 
Perlen  der  Poesie  darstellen*. 

Aber  über  alle  Schriftsteller  der  Zeit  ragt  Leo  Tolstoij  (1820 — 1907)  um 
Haupteslänge  empor,  ist  er  doch  gleich  gewaltig  als  Dichter  wie  als  pazi- 
fistischer und  christlicher  Philosoph  und  Apostel.  Seine  Romane  sind  zwar 
manchmal  von  einem  undurchdringlichen  dichten  Dunkel  umhüllt,  in  dem 
sich  der  Leser  wie  in  einem  Urwalde  verirrt,  aber  darum  nicht  weniger 
rührend  und  tief,  so  Anna  Karenina,  Krieg  und  Frieden,  Auferstehung. 
Die  Personen,  die  er  erfindet,  sind  überlebensgroß  gezeichnet  und  tragen 


*  Aniii.  des  Herausgebers:  Durcfei  sie.  hat  sich  bekanntlich  der  Verf.  dieses 
Werkes  zu  seinen  Sully  Prudhomme  gewidmeten  und  auf  dessen  Vorschlag  von 
der  Academie  Frangaise  preisgekrönten  Fabeln  (in  Poesie)  anregen  lassen,  die  in 
der  Nachdichtung  des  deutschen  Bearbeiters  dieser  Kulturgeschichte  in  Gemein- 
schaft mit  Armand  Hoche  zu  Berlin  i.  J.  1914  im  Verlage  von  Gebr.  Paetd 
erschienen  sind.    Er  hat  übrigens  auch  pazifistische  Romane  geschrieben. 


Die  Herrschaft  der  Wissenschaft.  621 

als  solche  das  Gepräge  einer  gewaltigeren  Lebenswahrheit  als  so  manche 
alberne  Wesen,  die  wir  alltäglich  um  uns  kommen  und  gehen  sehen.  In 
seinem  späteren  Leben  ist  Tolstoi j  zum  begeisterten  und  kühnen  Neuerer 
geworden,  der  furchtlos  gegen  die  gesamten  bisherigen  von  der  Welt  ange- 
nommenen sozialen  Grundsätze  kämpft.  Die  Verteidigung  der  Armen  und 
Schwachen,  der  in  Unwissenheit,  Schmutz  und  Geiz  erstarrenden  Bauern 
hat  er  zu  seiner  Aufgabe  gemfacht  und  zu  dem  Behufe  seine  unerbittliche 
und  oft  sogar  wenigstens  anscheinend  unwiderstehliche  Logik  in  den  Dienst 
der  glänzenden  Paradoxen  gestellt. 

Die  Bühne,  die  im  gegenwärtigen  Augenblicke  deutliche  Spuren  des 
Verfalles  zeigt,  hat  gleichwohl  manche  ancegenden  Werke  hervorgebracht, 
Werke,  die  bald  durch  den  Zauber  der  Form,  bald  durch  die  Gewalt  des 
Inhalts  wirkten.  Doch  gibt  es  nur  ein  das  gewöhnliche  Durchschnittstnaß 
überragendes  wahrhaftes  Meisterwerk,  das  biographische  Dichterdrama: 
Cyrano  von  Bergerac  von  Edmond  Rostand*.  Es  ist  gewaltig,  packend 
und  wahrhaft  künstlerisch,  sein  Stil  ist  von  hinreißendem  Schwünge,  und 
sein  Erfolg  ist  wohl  der  größte  gewesen,   den  die  Bühne  je  erlebt  hat< 

Die  Malerei  wie  die  Musik  hat  seit  dem  Jahre  1870  auch  nicht  ein 
größeres  Aufsehen  machendes  Werk  hervorgebracht.  Doch  aus  der  Hand 
von  Künstlern  französischer  Bildhauerei  ist  mehr  als  ein  wahrhaft  schönes 
und  wirkungsvolles  Kunstwerk  ans  Licht  der  Öffentlichkeit  getreten, 
so  aus  der  eines  Jean-Baptiste  Carpeaux  (1827— 1875),  eines  Alexandra 
Falguiere  (geb.  1831),  Paul  Dubois-Pigalle  (geb.  1829),  Henri  Chapu 
(1833— 1 891),  Antonin  Merci6  (geb.  1845).  Alle  überragt  Auguste  Rodin, 
der  gewaltige  Meister  unserer  Tage,  der  einen  neuen  eigenartigen  StU  er- 
sonnen hat,  mit  dem  er  allgemeine  Begeisterung  und  Bewundenmg  her- 
vorruft. 


Aber  die  größten  Eroberungen  haben  diesmal  —  noch  mehr  als  je  zuvor 
—  die  Naturwissenschaften  gemacht,  und  es  sind  diese  Eroberungen 
jetzt  sogleich  auf  industriellem  Gebiete  nutzbar  gemacht  worden. 

Im  Jahre  1875  erfand  der  französische  Astronom  und  Astrophysiker 
Pierre-Jules-Cesar  Janssen  zur  Herstellung  einer  Photographie  des  Durch- 
ganges des  Planeten  Venus  durch  die  Sonne  einen  Apparat,  der  in  jeder 


*  Anm.  des  Herausgebers.  In  deutscher  Nachdichtung  von  Ludwig  Fulda.  Der 
Titelheld  bildete  einst  die  Glanzrolle  des  Meisters  Josef  Kainz  auf  den  berühmten 
Brettern  des  Deutschen  Theaters  zu  Berlin.  Cyrano  schrieb  Dramen  und  phan- 
testische   Reiseromane. 


522  Siebentes  Buch. 


Sekunde  hintereinander  eine  Aufnahme  der  aufeinanderfolgenden  ver- 
schiedenen Phasen  dieses  Durchganges  gestattete.  Ein  amerikanischer 
Photograph,  namens  Muybridge,  besonders  aber  auch  der  gelehrte  fran- 
zösische Physiologe  Etienne-Jules  Marey  brachten  dieses  Verfahren  zu 
einer  unerwarteten  Entwicklung,  indem  sie  alle  möglichen  Gegenstände 
oder  Personen  photographisch  im  Bewegungszustande  wiedergaben.  In- 
folge des  Beharrungsvermögens  der  Gesichtseindrücke  auf  der  Netzhaut 
rufen  diese  Einzelbilder  eines  Menschen  in  seinen  sämtlichen  Bewegungs- 
erscheinungen durch  ihre  schnelle  Aufeinanderfolge  den  Schein  seiner 
einheitlichen  ununterbrochenen  und  zusammenhängenden  Bewegung  hervor. 
Es  ist  dies  die  Grundlage  von  dem  Wesen  des  Kinematographen,  der  es  in 
der  kürzesten  Zeit  zu  einer  derartigen  VolkstüniHchkeit  und  Beliebtheit 
gebracht  hat,  daß  er  in  manchen  Orten  sogar  die  Theatervorstellungen 
bedenklich  verdrängen  zu  wollen  scheint.  Die  Kinematographie  ist  heute 
ein  äußerst  glänzender  Erwerbszweig  geworden,  nachdem  sie  durch  Er- 
findung gewisser  sinniger  Kunstgriffe  einige  technische  Fortschritte  für 
ihre  praktische  Handhabung  gemacht  hat.  Trotz  alledem  bleibt  das  Kino 
vom  ästhetischen  Standpunkt  aus  hinter  dem  eigentlichen  Theater  genau 
so  weit  zurück,  wie  etwa  die  Photographie  hinter  der  Malerei. 

Dem  großen  amerikanischen  Erfinder  Thomas  Alva  Edison  blieb  es 
vorbehalten,  zu  alledem  nun  noch  den  Phonographen  zu  erfinden.  Das 
Wesen  des  Apparats  ist  höchst  einfach.  Die  Schwingungen  eines  Schalles 
graben  sich  auf  einer  aus  Wachs  hergestellten  Walze  ein.  Wenn  alsdann 
ein  an  einer  schwingenden  Metallmembran  angebrachter  feiner  Stift  noch- 
mals genau  durch  diese  in  dem  Wachs  eingedrückten  Spuren  hindurch- 
geführt wird,  gibt  die  Membran  getreu  das  ursprüngliche  Geräusch 
wieder.  Genau  so  wie  sich  durch  die  Photographie  sämtliche  Bilder  und 
durch  die  Kinematographie  sämtliche  Bewegungen  wiedergeben  lassen, 
genau  so  wird  es  durch  die  Phonographie  ermöglicht,  sämtliche  Töne 
aufzuzeichnen  und  unauslöschlich  festzulegen,  ja  nicht  nur  festzulegen, 
sondern  sogar  noch  riesenhaft  verstärkt  weithin  vernehmbar  zu  machen 
und  auf  diese  Weise  einer  zahlreichen  Zuhörerschaft  beispielsweise  die 
feinsten  Klangfarben  einer  Symphonie,  die  geringsten  Tonübergänge  des 
Gesanges  und  die  zartesten  Schattierungen  menschUcher  Sprache  weiter- 
zugeben. 

Eines  der  verwickeltsten  und  zugleich  fruchtbarsten  Forschungsgebiete 
ist  die  Elektrizitätswissenschaft  geworden,  steht  doch  die  Beschäftigung 
mit  ihr  zwischen  den  abstraktesten  mathematischen  Untersuchungen  einer- 
.seits   und   den   vielgestaltigsten   praktischen    Ideen   auf   technischem   und 


Die  Herrschaft  der  Wissenschaft.  623 

industriellem  Gebiete  anderseits  etwa  in  der  Mitte.  So  erfand  noch 
vor  dem  Jahre  1870  der  aus  Belgien  stammende  Z^nobe-Th6ophile  Gramme, 
der  ursprünglich  ein  einfacher  Fabrikarbeiter  zu  Paris  war,  hier  die  erste 
elektromagnetische  oder  Dynamomaschine,  die  durch  die  rasche  Drehung 
eines  Magneten  eine  elektrische  Kraft  erzeugen  kann,  die  sich  in  einen  ein- 
zigen Strom  zusammenfassen  läßt.  Durch  Anbringung  einiger  unbedeuten- 
der Änderungen  an  der  Grammeschen  Maschine,  wie  sie  ursprünglich  war, 
ist  man  schließlich  dazu  gekommen,  große  und  gewaltige  durch  Dampf- 
kraft getriebene  Elektrizitätserzeugungsapparate  zu  bauen.  Riesige  Magnete 
können  so  bedeutende  elektrische  Kräfte  entwickeln,  die  sich  leicht  durch 
gut  isolierte  Metallkabeln  bis  in  eine  weite  Ferne  führen  lassen.  Die  auf 
diese  Weise  beüebig  übertragbare  elektrische  Kraft  kann  sich  je  nach  dem 
Zwecke,  den  sie  erfüllen  soll,  in  eine  andere  Kraft  umsetzen,  so,  wenn 
sie  Maschinen  oder  Wagen  treiben  soll,  in  Bewegung,  wenn  sie  aber  zur 
Beleuchtung  einer  Stadt  dienen  soll,  in  Licht.  Es  hat  demnach  ohne 
erhebliche  Wirkungseinbuße  die  Verbrennung  der  Steinkohle  letzten  Endes 
zur  Erzeugung  von  Elektrizität,  d.  h.  von  Bewegung,  und  zwar  Fem- 
bewegung geführt.  Es  ist  dies  wieder  ein  weiterer  beachtenswerter  Fort- 
schritt über  die  Dampfmaschine  hinaus,  die  ja  selbst  nur  Kraft  und  Be- 
wegung in  der  unmittelbaren  Nähe  ihres  Erzeugers  hervorbringen  kann! 
In  den  Gebirgsgegenden  hat  man  die  Ströme  und  Bäche  (sogenannte 
Weiße  Kohle)  ausgenutzt,  um  Dynamomaschinen  in  Bewegung  zu  setzen 
und  so  in  der  wohlfeilsten  Weise  Kraft,  Bewegung  und  Licht  zu  gewinnen. 
Das  elektrische  Licht  hat  vor  den  anderen  Lichtquellen  so  bedeutende 
Vorzüge,  daß  es  in  der  neuesten  Zeit  allmähHch  die  einzige  Beleuchtungs- 
art werden  zu  wollen  scheint. 

Fast  ebenso  wie  in  bezug  auf  ihre  industrielle  Verwertung  ist  die 
Elektrizität  auch  in  bezug  auf  ihre  theoretische  Betrachtung  ein  Gegen- 
stand zahlloser  Arbeiten  gewesen.  So  hatte  bereits  der  Engländer  James 
Clerk  Maxwell  (1831 — 1879)  eine  gewisse  Vorahnung  gezeigt  von  der 
völligen  Übereinstimmung  der  durch  die  Elektrizität  erzeugten  Schwin- 
gungen mit  den  Lichtschwingungen;  ein  experimenteller  Beweis  dieser 
Verwandtschaft  zwischen  Elektrizität  und  Licht  sollte  freilich  erst  dem 
schon  genannten  berühmten  deutschen  Physiker  Heinrich  Hertz  gelingen. 
Dieser  hat  in  den  Jahren  1886— 1888  durch  verschiedene  Schöne  Ver- 
suche nachgewiesen,  daß  die  elektrischen  Strahlen  genau  so  wie  die 
Lichtstrahlen  zurückgeworfen  werden.  Es  war  das  ja  der  Ausgangspunkt 
für   die   Entdeckung   der   Telegraphie   ohne   Draht   gewesen. 

Ein    großer    englischer    Forscher,    Sir    William    Crookes    (1832— 191 9), 


524  Siebentes  Buch. 


hatte  im  Jahre  1879  nachgewiesen,  daß,  wenn  der  elektrische  Funke  in 
eine  Röhre  (Crookessche  Röhre),  die  möghchst  luftleer  ist,  überspringe, 
von  der  positiven  Elektrode  gewisse  Strahlen  von  rätselhafter  Natur  aus- 
gehen, die  auf  fluoreszierende  (lichtstrahlende)  Platten  wirken.  Als  der 
deutsche  Physiker  Wilhelm  Konrad  Röntgen  (geb.  im  Jahre  1845)  jenes 
schöne  Crookessche  Experiment  im  Jahre  1895  wieder  aufnahm,  machte 
er  eine  höchst  erstaunliche  Entdeckung,  Er  fand,  daß  gewisse  von  den 
Kathodenstrahlen,  d.  h.  von  den  Strahlen  des  negativen  Poles,  die  undurch- 
sichtigen Körper  so  zu  durchdringen  vermögen,  daß  sie  alsdann  noch  eine 
genügende  Wirkung  auf  eine  photographische  Platte  hervorzubringen  die 
Kraft  haben;  es  sind  das  die  X-Strahlen,  wie  sie  der  Gelehrte  ihrer  rätsel- 
haften Natur  wegen  bezeichnete,  oder  die  meist  nach  ihm  selbst  benannten 
Röntgenstrahlen;  die  Bedeutung  dieser  Entdeckung  ist  ganz  erheblich, 
hat  sie  doch  einerseits  bei  den  Theoretikern  zu  ganz  neuen  Auffassungen 
von  dem  Wesen  der  Materie  geführt  und  anderseits  höchst  segensreiche 
praktische  Anwendungen  in  ihrem  Gefolge  gehabt.  Der  Gebrauch  dieses 
wirksamen  Durchleuchtungsverfahrens  hat  sich  besonders  für  medizinische 
Zwecke  bewährt  und  in  der  Heilkunde  ganz  außerordentlich  verbreitet, 
und  nicht  etwa  ausschließlich  zur  Beschaffung  einer  Photographie  der 
inneren  Organe,  sondern  auch  zu  unmittelbareren  Zwecken,  wie  zur 
Beseitigung  von  Hautgeschwulsten  und  zur  Beeinflussung  einer  nicht 
genügenden    Ernährung    der    menschlichen    Epidermis, 

In  das  gleiche  Kapitel  wie  die  Röntgenstrahlen  gehört  auch  jener 
merkwürdige  chemische  Grundstoff,  den  der  Franzose  Pierre  Curie  im 
Jahre  1 898  zu  Paris  entdeckt  hat :  das  Radium.  Alles  an  ihm  ist  eigenartig ; 
es  ist  ein  Metall,  und  zwar  ein  ungeheuer  seltenes  und  äußerst  schwer  zu 
gewinnendes,  das  ohne  jede  sonstige  chemische  Wirkung  beständig  Wärme 
entwickelt.  Es  entsendet  dauernd  und  bei  jeder  Temperatur  eine  besondere 
Art  von  Strahlen,  die  auch  von  undurchsichtigen  Körpern  hindurch- 
gelassen werden,  und  wirkt  so  aus  der  Entfernung  durch  die  Ausstrah- 
lungen, die  es  beständig  entwickelt,  ohne  eine  wesentliche  Einbuße  an 
Gewicht  zu  erfahren.  Dieser  einfache  chemische  Körper,  also  ein  neues 
Element,  ist  mithin  in  einer  unaufhörlichen  Zersetzung  begriffen;  das  ist 
vom  Standpunkte  der  Chemie  aus  eine  ganz  neue  Erscheinung,  die  allen 
bisherigen  Lehren  der  Wissenschaft  Hohn  spricht.  Die  besonderen 
Strahlen,  die  es  aussendet,  die  sogenannten  Radiumstrahlungen  oder 
Radiumemanationen  setzen  sich  schließlich  in  einen  andern  einfachen 
chemischen   Körper  um,   das   Heliumgas, 

So   war  zum  erstenmal   eine  jener   Stoffumwandlungen   erwiesen,   nach 


Die  Herrschaft  der  Wissenschaft.  525 


der  die  mittelalterlichen  Alchemisten  stets  so  sehr  auf  der  Suche  gewesen 
sind.  Allein  bis  zur  Stunde  ist,  trotz  aller  gründlichen  Studien  eines 
Pierre  Curie  und  seiner  Gattin  Frau  Marie  Curie,  die  Geschichte  des 
Radiums  noch  immer  sehr  lückenhaft.  Wir  können  uns  offenbar  noch  auf 
gar   manche   Überraschungen   von   ihr   gefaßt   machen. 

Alle  diese  Forschungen  über  die  Elektrizität,  das  Licht  und  die  sonstigen 
verschiedenartigsten  Wellenschwingungsbewegungen  des  zunächst  nur  auf 
einer  Annahme  beruhenden  Äthers  haben  die  Chemiker  und  Physiker 
zu  neuen  Vorstellungen  über  die  Natur  der  Atome  geführt,  die  bisher 
als  die  letzten  Grundelemente  jeder  materiellen  Substanz  gegolten  haben. 
Das  Atom  wird  heute  als  etwas  angesehen,  das  erst  selbst  wieder  eine 
Anhäufung  von  elektrischen  Kräften,  sogenannten  Elektronen,  darstellt, 
die  sich  mit  einer  außerordentlichen  Schnelligkeit  um  einen  Mittelpunkt 
im  Kreise  herumdrehen,  ganz  wie  die  Planeten  um  die  Sonne.  Es  hat  sich 
sogar  die  Drehungsgeschwindigkeit  durch  mathematische  Analyse  be» 
rechnen  lassen. 

Dem  französischen  Physiker  Lippmann  ist  es  im  Jahre  1892  als  einem 
der  ersten  gelungen,  die  wissenschaftliche,  wenn  auch  noch  nicht  die 
praktische  Lösung  eines  der  Probleme  zu  finden,  die  am  längsten  die 
Aufmerksamkeit  der  Forscher  in  Anspruch  genommen  haben,  nämlich  das 
Problem  der  Farbenphotographie,  d.  h.  der  Photographie  in__nalMicben 
Farben.  x        -y- 


Doch  bei  allen  wunderbaren  Entdeckungen  im  Gebiet  der  Physik 
läßt  sich  gleichwohl  von  dieser  keineswegs  behaupten,  daß  sie  im  Laufe 
der  letzten  fünfzig  Jahre  unter  allen  Wissenschaften  die  tiefste  Um- 
wälzung und  Neugestaltung  erfahren  hat;  unbestreitbar  gebührt  darin  der 
Biologie   der   Vorrang  und  innerhalb   dieser   wieder  der   Medizin. 

So  sehr  nun  auch  die  Fortschritte  der  Medizin  und  der  Chirurgie 
gerade  für  das  Leben  der  menschlichen  Gemeinschaften  sowie  der  ein- 
zelnen Menschen  wesentlich  sind,  so  ist  doch  bisher  von  ihnen  hier  kaum 
die  Rede  gewesen;  es  unterblieb  dies,  weil  bis  gegen  Ende  des  19.  Jahr- 
hunderts doch  nichts  über  die  Mittelmäßigkeit  hinausragte  und  auf 
einigermaßen  sicherem  Boden  stand.  Gewiß  hatte  es  auch  schon  vor 
unserer  Zeit  scharfsinnige,  erfinderische  und  gelehrte  Ärzte  gegeben,  die 
so  gute  Beobachter  waren,  die  verschiedenen  Krankheiten,  soweit  sie 
ihnen  schon  vorher  begegnet  waren,  nach  ihren  einzelnen  Entwicklungs- 
stadien mit  kritischer  Sorgfalt  zu  prüfen,  neue  Krankheitsformen  zu  ent- 


526  Siebentes  Buch. 


decken  und  auch  erfolgversprechende  Heilmethoden  zu  erfinden.  Nach 
mancherlei  therapeutischen  Dummheiten  war  man  endlich  im  Jahre  1860 
einigermaßen  mit  den  Voraussetzungen  bekannt  geworden,  unter  denen 
eine  Verordnung  von  Chinarinde,  Quecksilber  oder  Opium  unumgänglich 
ist.  Aber  darin  bestand  auch  nahezu  ausschließlich  die  gesamte  wirksame 
Behandlungsweise  der  verschiedenen  Krankheiten,  die  auch  stets  allein 
nach  den  -Vorschriften  eines  ziemlich  engen  Erfahrungskreises  erfolgten, 
eines  Erfahrungskreises,  der  noch  immer  nicht  weit  über  den  des  Hippo- 
krates,  jenes  alten  großen  Schöpfers  des  klinischen  Verfahrens,  hinaus- 
ging. Die  Diagnose  der  Krankheiten  war  eine  leidliche,  ihre  Therapeutik 
eine  sehr  unzulängliche,  die  Lehre  von  ihren  Ursachen  und  damit  auch 
die    Gesundheitsforschung    einfach    noch    nicht    vorhanden. 

So  ist  denn  die  Neuschöpfung  der  Heilkunde,  um  nicht  zu  sagen  ihre 
Schöpfung  überhaupt,  soweit  es  sich  wenigstens  um  eine  im  strengen 
modernen  Sinne  wissenschaftliche  Heilkunde  handelt,  ein  Werk  aller- 
jüngsten  Datums. 

In  den  letzten  Jahren  des  18.  Jahrhunderts  hatte  im  Lauf  seiner 
Tätigkeit  der  enghsche  Arzt  Edward  Jenner  (1749 — 1823)  eine  Entdeckung 
gemacht,  die  die  Qual  und  Pein  der  armen  Menschenkinder  mehr  erleich- 
terte, als  es  bisher  noch  irgendeine  andere  Erfindung  getan  hatte.  Die 
Pocken  oder  Blattern  waren  eine  Seuche,  die  immer  gleich  so  um  sich  griff, 
daß  fast  jeder  ohne  Ausnahme  wie  von  einem  unentrinnbaren  Schicksal 
verdammt  zu  sein  schien,  sich  ihren  Anfällen  aussetzen  zu  müssen.  Diese 
nahezu  über  die  ganze  Welt  verbreitete  Krankheit  war  schmerzhaft  und 
häufig  tödlich  und  hinterließ,  selbst  wenn  man  von  ihr  genas,  häßliche  Narben, 
allerlei  Gebrechen  und  oft  sogar  Blindheit,  Man  hatte  versucht,  sie  mit 
der  schon  früh  von  den  Chinesen  praktisch  erprobten  Impfung  abzuwehren. 
Die  Impfung  brachte  zunächst,  wenn  auch  nur  in  leichter  Gestalt,  die 
Krankheit,  aber  für  die  weitere  Zukunft  die  geringere  Ansteckungs- 
fähigkeit gegenüber  einer  späteren  Epidemie.  Doch  sie  blieb  immerhin 
ein  gefährliches  Verfahren,  kam  es  doch  bisweilen  vor,  daß  die  Geimpften 
der  Erkrankung  erlagen.  Da  entdeckte  Jenner  im  Jahre  1798,  daß  die 
Kühe  in  den  Ställen  manchmal  von  einer  ihnen  eigentümlichen  Krankheit 
befallen  wurden,  den  cow-pox,  wie  er  sie  nannte,  d,  h.  den  Kuhpocken, 
und  daß  die  Impfung  mit  Kuhpocken  gegen  Menschenblattern  schütze. 
Das  bedeutete  geradezu  das  Ende  dieser  so  häßlichen  Krankheit,  sind  doch 
die  Geimpften  so  gut  wie  sicher  gegen  die  Pocken  gefeit.  So  war  die 
grausamste   Geißel   des   Menschengeschlechts   besiegt.    Es   war  das  wohl 


Die  Herrschaft  der  Wissenschaft.  627 

auch  nur  ein  Stück  Empirie,  aber  eine  so  segensreiche  Empirie,  daß  es 
nichts  gibt,  was  nur  irgend  mit  ihr  zu  vergleichen  wäre. 

Im  Jahre  181 5  entdeckte  der  große  französische  Mediziner  Ren6-Th^o- 
phile-Hyacinthe  Laennec  (1781 — 1826)  das  Auskultationsverfahren,  d.  h. 
ein  zuverlässiges  Untersuchungsmittel,  das  aus  den  Abweichungen  in  den 
Geräuschen  der  Atmungsorgane  wie  auch  in  denen  des  Herzens  mit  einer 
bisher  unbekannten  Genauigkeit  die  Diagnose  der  Lungen-  und  Herz- 
krankheiten   aufzustellen    ermöglicht. 

Die  Entdeckung  des  aus  der  echten  Chinarinde  gewonnenen  und  im 
Jahre  1820  zum  ersten  Male  von  Pelletier  und  Caventon  für  den  allgemeinen 
Gebrauch  zurechtgemachten  Chinins  gestattete  die  Verwendungsmöglich- 
keiten dieses  wundertätigen  Heilmittels  genau  abzugrenzen.  Bald  prä- 
pariert mau  auch  die  Alkaloide  der  andern  Pflanzen  (Morphin,  Digitalin), 
wodurch    die    Therapeutik    an    planmäßiger    Regelung    gewann. 

Die  Fortschritte  der  Physiologie,  Chemie  und  Physik  in  den  Jahren 
1830 — 1870  zeitigten  eine  strengere  Wissenschaftlichkeit  bei  ärztlichen 
Untersuchungen  (für  den  sogenannten  Krankheitsbefund).  So 
wiesen  französische  wie  deutsche  Mediziner  um  1840  nach,  daß  bei  allen 
Fiebern  die  Körpertemperatur  über  die  Normaltemperatur  von  37°  hinaus- 
steigt. Diese  Übertemperatur,  die  sich  zwischen  37°  und  41°,  ja  auch  42" 
erstrecken  kann,  liefert  durch  ihre  Dauer  und  Stärke  äußerst  lehrreiche 
Aufschlüsse  über  den  Verlauf  eines  Fiebers;  die  ärztliche  Temperatur- 
messung   wird    die    Grundlage    aller    Krankheitsdiagnosen. 

Auch  die  chemischen  Rückwirkungen  des  Harns  begegneten  immer 
besserem  Verständnis.  Ein  englischer  Mediziner,  Richard  Bright  (1789 
bis  1858),  entdeckte  den  Zusammenhang  der  Eiweißabsonderung  (Albumi- 
nurie) und  gewisser  entzündlicher  Vorgänge  in  den  Nieren  mit  bestimmten 
Herzbeschwerden  (die  sogenannte  Brightsche  Nierenkrankheit).  Das  gra- 
phische Verfahren  mit  Hilfe  des  Sphygmograph  oder  Pulsmesser  be- 
nannten Instrumentes  ermöglichte,  die  Fortpflanzungsgeschwindigkeit  der 
Pulswelle  durch  eine  aufgezeichnete  Pulskurve  graphisch  darzustellen.: 
Die  anatomisch  -  pathologischen  Mikroskopierübungen  gaben  zahlreiche 
Einzelaufschlüsse  über  die  Veränderungen  der  Organe,  besonders  des 
Nervensystems  wie  des  Rückenmarkes.  Diese  Beschreibungen  machten 
teilweise    mit    ganz    neuen    Krankheiten    bekannt. 

Doch  im  Grunde  änderten  alle  diese  Erfahrungen  sowohl  an  den 
Grundbegriffen  der  Medizin  wie  an  der  Krankheitsbehandlungs-  und  -vor- 
beugungsmethode    (Prophylaxe)    nur   wenig.  i 


628  Siebentes  Buch. 


Da  trat  ein  Mann  auf,  der  durch  seine  genialen  Entdeckungen  iinbe- 
grenzte  neue  Bahnen  wies  und  Tausende  und  Abertausende  von  dankens- 
werten Arbeiten  anregte.  Es  war  Louis  Pasteur  (1822 — 1895).  Durch  ihn 
smd"^  medizinischen  Wissenschaften  auf  einer  von  der  bisherigen  voll- 
kommen abweichenden  Grundlage  gleichsam  zum  zweiten  Male  begründet 
worden.  Es  gibt  in  der  Geschichte  der  modernen  Wissenschaften,  ja  in 
der  Menschheitsgeschichte  überhaupt,  wohl  keine  so  tiefe  Umwälzung, 
wie  die  dei  Medizin  in  den  Jahren  1865 — 1905.  Vierzig  Jahre  haben 
genügt,  eine  ganze  Welt  von  völlig  neuen  und  bis  dahin  auch  nicht  im 
entferntesten  geahnten  Tatsachen  zu  erschließen.  Die  Medizin  läßt  sich 
in  zwei  große  Hauptabschnitte  zerlegen:  einen  ersten  bis  zu  und  einen 
zweiten  seit  Pasteurs  Wirksamkeit. 

Anfangs  lagen  die  Arbeiten  dieses  Gelehrten  auf  dem  Gebiete  der  anor- 
ganischen Chemie  (1850);  aber  ganz  allmählich  fühlte  er  sich  mehr  zu  For- 
schungen über  das  Wesen  der  natürlichen  Gärungsvorgänge,  d.  h.  den  Anteil 
der  belebten  Urkörperchen  an  gewissen  chemischen  Veränderungen  der 
gärungsfähigen  Stoffe  hingezogen  (1857).  Da  entdeckte  er,  daß  selbst  eine 
Flüssigkeit,  die  an  sich  zur  Gärung  geeignet  ist,  wie  etwa  Milch,  Harn  oder 
Blut,  doch  niemals  gärt,  ohne  irgendwelche  Keime  dieser  niederen  Lebe- 
wesen zu  enthalten.  Er  schloß  daraus,  daß  es  für  die  Gärorganismen  keine 
Urzeugung  gäbe.  Die  gärfähigen  Flüssigkeiten  gären  ausschließlich,  wenn 
sie  von  Keimen  befruchtet  worden  sind.  Nun  sind  diese  Keime  überall  teils 
in  der  Luft,  teils  im  Wasser,  verbreitet  und  können  nun,  wenn  sie  in 
gärfähige  Flüssigkeiten  fallen,  sich  entwickeln  und  deren  Verändenmg  her- 
vorrufen. ' 

Im  Jahre  1865  drang  er  in  diese  Forschungen  noch  tiefer  ein;  er 
erkannte,  daß  gewisse  Krankheiten  der  Seidenraupen  (Körperchen-  und 
Hopfenpilzkrankheit)  von  der  starken  Vermehrung  jener  Gärorganismen 
herkämen.  Die  Keime,  die  in  den  Flüssigkeiten  des  Körpers  einen  ihrer 
Verbreitung  günstigen  Boden  finden,  pflanzen  sich  darin  rasch  fort  und 
führen  die  Krankheit  der  Raupe  herbei.  Aus  verallgemeinernder  Anwen- 
dung der  an  den  Seidenraupen  beobachteten  Erscheinungen  auf  die  höheren 
Tiergattungen  machte  Pasteur  den  Schluß,  daß  die  Krankheit  ihre  Ursache 
in  dem  Eindringen  gewisser  Keimkörner  in  den  Organismus  und  dem  Auf- 
gehen dieser  Samerielemente  in  demselben  habe.  Diejenigen  unter  ihnen, 
die  einer  Entwicklung  in  den  Flüssigkeiten  oder  den  Geweben  der  Lebe- 
wesen fähig  sind  und  damit  in  ihnen  eine  Krankheit  hervorrufen  können, 
werden  Krankheitserreger  genannt.  Im  Normalzustande  sind  Blut  und 
Gewebe   steril,    d.   h.   keimfrei,   während   das   Blut   und   die   Gewebe  de«r 


Die  Herrschaft  der  Wissenschaft.  52g 


Kranken  von  solchen  Keimen  infiziert  sind,  in  denen  die  eigentliche 
Ursache  der  Krankheit  zu  sehen  ist.  Diese  Infektion  also  macht  das 
Wesen  der  Krankheit  aus  oder,  um  es  in  anderer  Weise  auszudrücken 
und  in  eine  kurze  Formel  zu  bringen,  die  den  ganzen  gewaltigen  Fort- 
schritt, zu  dem  es  die  medizinischen  Wissenschaften  gebracht  haben,  in 
einem  einzigen  Satze  zusammenfaßt:  die  Lehre  von  den  Krankheiten 
ist  eine  Lehre  von  den  Schmarotzern. 

Eine  in  ihren  Folgen  unendlich  segensreiche  unmittelbare  Anwendung 
dieser  Lehre  machte  sogleich  der  Engländer  Sir  Joseph  Lister  (geb.  1827), 
einer  jener  großen  Wohltäter  der  Menschheit,  die  das  höchste  Maß  ihrer 
"Dankbarkeit  für  alle  Zeiten  verdienen.  Mit  Anwendung  von  Pasteurs  Ent- 
deckungen auf  die  Chirurgie  erkannte  dieser,  daß  die  häufigen  tödlichen 
Ausgänge  der  Operationen  stets  an  der  Möglichkeit  des  Zutritts  von  in 
der  Luft  schwebenden  Fäulniskeimen  zur  Wunde  imd  ihrem  Eindringen 
in  dieselbe  wie  ihrer  schnellen  Vermehrimg  auf  diesem  Boden  lag.  Es 
gilt  also,  entweder  durch  chemische  Substanzen  oder  durch  Hitze  diese 
schädlichen  Keime,  die  als  Schmarotzer  die  Wimden  zu  infizieren  geeignet 
sind,  rechtzeitig  zu  vernichten.  Es  gilt,  die  Operationsinstrumente  zu  sterili- 
sieren und  die  krankheiterregenden  Keime,  die  überall  in  der  Luft  ver- 
breitet sind  und  in  mikroskopisch  kleinen  Körnern  an  der  Oberfläche  aller 
Gegenstände  haften  bleiben,  nicht  während  der  Operation  in  die  Gewebe 
eindringen  zu  lassen  oder  aber,  wenn  es  doch  geschehen  ist,  und  sie  schon 
in  der  bereits  infizierten  Wunde  in  ungezählten  Mengen  vorhanden  sind, 
nun  wenigstens  zu  vernichten.  Es  ist  dies  das  antiseptische  Verfahren,  jenes 
wunderbare  Verfahren,  das  mehr  Menschenleben  zu  retten  vermocht  hat 
als  menschlicher  Wahnsinn  auf  den  Schlachtfeldern  hat  vernichten  können. 

Um  dieselbe  Zeit  (1865)  führte  der  französische  Mediziner  Villemin  den 
unwiderleglichen  experimentellen  Beweis,  daß  die  Tuberkulose,  die  ver- 
heerendste aller  Plagen  vmseres  Menschengeschlechts,  ein  durch  Impfung 
übertragbares,  mithin  ansteckendes  Leiden  sei.  Zwar  gelang  es  Villemin 
nicht,  den  Keim  der  Tuberkulose  zu  erkennen  und  zu  züchten;  doch  nach 
Pasleurs  Beobachtungen  über  die  krankheitserregende  Tätigkeit  der  Ba- 
zillen war  die  Existenz  eines  solchen  Schmarotzers  als  ursprünglichen  Aus- 
gangspunktes der  Tuberkulose  so  gut  wie  zweifellos.  Zehn  Jahre  später 
glückte  es  denn  auch  dem  berühmten  deutschen  Mediziner  Robert  Koch 
(geb.  1843),  den  Tuberkelbazillus  ausfindig  zu  machen  und  damit  Pasteurs 
und  Villemins  Arbeiten  erst  zu  ihrem  eigentlichen  letzten  Abschluß  zu 
bringen  (1882). 

In  den    Jahren   1872— 1882  lösen  die  Entdeckungen  Pasteurs    förmlich 


530  Siebentes  Buch. 


einander  ab.  Es  ist  das  das  heroische  Zeitalter  der  Medizin,  Pasteur  beweist, 
daß  die  Keime  als  Ausgangspunkte  der  Krankheiten  sich  absondern  und 
sich  in  keimfreien,  wenn  auch  nahrhaften  Flüssigkeiten,  die  so  ein  günstiger 
Nährboden  für  eine  Reinkultur  werden,  züchten  lassen.  Der  Infizierungs- 
keim  gedeiht  in  den  Nährflüssigkeiten  wie  das  Getreide  auf  dem  Felde. 
Wird  er  dann  einem  Tiere  eingeimpft,  gibt  er  ihm  die  entsprechende 
Krankheit,  für  die  gerade  er  die  eigentümliche  Triebkraft  bildet.  Ja  noch 
mehr,  es  lassen  sich  die  Keime  abschwächen  und  sowohl  zur  Verhütung 
des  Todes  hinreichend  unschädlich,  wie  auch  zur  Verleihung  der  Immunität 
durch  Herbeiführung  einer  nur  leichten  schnell  in  Genesung  über- 
gehenden Erkrankung  hinreichend  wirksam  machen. 

Hieraus  erwuchsen  die  unbegrenztesten  Hoffnungen,  die  sich  aber  nur 
teilweise  erfüllten,  um  zum  andern  Teil  einer  nicht  zu  fernen  Zukunft 
vorbehalten  zu  bleiben.  Wie  schon  jetzt  eine  ganze  Reihe  von  Krank- 
heiten auf  diesem  Wege  eine  wesentliche  Einschränkung  finden,  so  wird 
es  in  Zukunft  wahrscheinlich  mit  allen  möglich  sein.  Da  alle  Krankheiten 
auf  Bazillen  beruhen,  werden  sich  wohl  auch  alle  durch  Schutzimpfungen 
bekämpfen  lassen  müssen. 

In  richtiger  Würdigung  der  unermeßlichen  Tragweite  dieser  Probleme 
haben  sich  überall .  in  der  Welt,  in  England,  in  Italien,  in  Frankreich 
wie  in  Deutschland,  die  Gelehrten  ans  Werk  gemacht  und  mit  rühm- 
lichen Entdeckungen  eine  derartige  Umwälzung  in  den  medizinischen 
Forschungen  heraufbeschworen,  daß  von  jenem  so  mühsam  aufgeführten 
stolzen  Gebäude  der  Ärzte  des  Altertums  als  einziges  noch  für  die  heutige 
Zeit  Verwertbare  einige  ihrer  klinischen  Krankheitsbeschreibungen  übrig 
bleiben.  Die  Krankheit,  die  einst  in  alten  Tagen  eine  Art  geheimnisvoller 
Rauchwolke  war,  die,  so  oft  sie  einer  festhalten  wollte,  stets  seinen. 
Händen  zu  entfliehen  wußte,  eine  verhängnisvolle  und  launische  sagen- 
hafte Gottheit,  ein  Würgengel,  der  seinem  augenblicklichen  Einfalle  folgend, 
bald  hier,  bald  da  seine  ausersehenen  Opfer  zu  treffen  suchte,  die 
Krankheit  ist  heute  eine  greif-  und  sichtbare  Wirklichkeit  geworden,  ein 
winziges  Wesen  mit  einer  Gestalt,  Sitten  und  Lebensbedingungen,  die  von 
Jahr  zu  Jahr  bekannter  werden,  ein  Wesen,  das  sich  in  Glaskolben 
einschließen,  in  seiner  Entwicklung  zurückhalten  oder  beschleunigen,  an 
Ort  und  Stelle  seiner  Verheerimgstätigkeit  erkennen  und  in  allen  seinen 
Wirkungen  verfolgen  läßt ;   wir  nennen  ein  solches  Wesen  Bazillus  *. 

Hierdurch  hat  natürlich  auch  die  Therapeutik  eine  vollkommene  Um- 


*  Vgl,  die  folgende  Anmerkung. 


Die  Herrschaft  der  Wissenschaft.  53 1 

gestaltung  erfahren.  Nur  zu  bald  wurde  die  Entdeckung  gemacht,  daß 
die  symptomatischen  Erscheinungen  der  Krankheiten  nicht  sowohl  auf  der 
unmittelbaren  Entwicklung  der  Bazillen  als  vielmehr  auf  der  Schäd- 
lichkeit der  von  ihnen  hervorgebrachten  chemischen  Substanzen  beruhen 
(die  beiden  französischen  Bakteriologen  Pierre  Roux,  geb.  1853,  Sohn  des 
im  Jahre  1854  verstorbenen  Chirurgen  Philibert  Roux,  und  Alexandre 
Yersin,  geb.  1863,  mit  ihren  grundlegenden  Arbeiten  darüber  aus  dem 
Jahre  1883).  Nur  zu  bald  brach  sich  die  Erkenntnis  Bahn,  daß  das  Blut 
der  infizierten  imd  geheilten  Tiere  —  auch  Serum  genannt  —  Bestand- 
teile enthält,  die  die  Fähigkeit  haben,  den  Fortschritten  der  infektiösen 
Bazillen  und  der  Wirkung  ihres  Toxin  Einhalt  zu  gebieten  (die  Blut- 
oder Heilserumtherapie  von  H6ricourt  und  Charles  Riebet  *  vom  Jahre 
1888).  Vier  Jahre  später  hatte  Emil  Adolf  Behring  (geb.  1854)  in  Anwen- 
dung der  Serumtherapie  auf  die  Diphtherie  den  ausschlaggebenden  Erfolg 
gehabt,  ein  Heilserum  herzustellen,  das  von  einer  ganz  wunderbaren  Wir- 
kung gegen  jene  Krankheit  ist,  die  einst  zu  den  allerfurchtbarsten  ge- 
hörte und  heute  zu  einer  fast  harmlosen  geworden  ist  (1893). 

So  sind  Serumtherapie  sowie  Opotherapie,  auch  Organotherapie  oder 
Organsafttherapie  genannt,  d.  h.  Behandlung  von  Krankheiten  durch  inner- 
lichen Gebrauch  von  bestimmten  tierischen  Geweben  oder  Säften,  die  beiden 
Befreierinnen  der  Therapeutik  aus  den  Jahrhunderte  alten  erdrückenden 
Fesseln  der  Empirie  geworden. 

Aber  auch  das  Studium  der  gesamten  übrigen  zur  Bekämpfung  der 
Leiden  bestimmten  Heilmittel  kann  jetzt,  wo  sich  jede  Krankheit  auf  das 
Tier  weiter  übertragen  läßt,  gleichfalls  ein  methodisches  werden,  das  sich 
auf  gründlicher  imd  streng  wissenschaftlicher  Experimentiertätigkeit  aufbaut. 


*  Anni.  des  Herausgebers.  Der  Verfasser  unserer  Kulturgeschichte,  der  zugleich 
der  Vorsitzende  der  französischen  Friedensgesellschaften  ist  und  Ostern  19 14 
zu  Berlin  als  Freund  des  deutsch-französischen  Einvernehmens  gewirkt  hat,  ist 
der  Sohn  des  Pariser  Chirurgen  und  Stabsarztes  Alfred  Riebet.  Vgl.  die  Lebens- 
beschreibung: „Charles  Riebet,  der  jüngste  Träger  des  Nobelpreises,  und  seine 
Leit-,  Zeit-  und  Streitfabeln  des  20.  Jahrhunderts"  vom  deutschen  Bearbeiter  dieses, 
Dr.  Rudolf  Berger  (Berlin)  im  „Zeitgeist",  literarische  Beilage  des  „Berliner 
Tageblatt"  vom  24.  November  1913  und  in  der  Monatsschrift  für  lebens-  und 
geistesgeschichthche  Forschungen  „Die  Persönlichkeit",  Heft  5,  S.  361 — 369.  — 
Mit  dem  „Bazillus",  wie  er  ihn  oben  beschrieben  hat,  beschäftigt  sich  Riebet 
künstlerisch  in  seiner  nach  demselben  benannten  Fabel  (in  der  oben  S.  520 
Anm.  angeführten  deutschen  Nachdichtung  von  Hoche  und  Berger  S.  60 — 61) 
und  mit  dem  Impfungsexperiment  am  lebenden  Tier  in  der  Fabel  „Der  Gelehrte 
und   das   Karnickel"    (ebenda   S.    17 — 19). 


532  Siebentes  Buch. 


Es  ist  dies  die  Chemotherapie,  in  der  der  Frankfurter  Pharmakologe  Paul 
EhrUch  (1854 — 1916)  Leistungen  aufzuweisen  hat.  die  sich  eines  Wehrufs 
erfreuen  *. 

So  erfolgte  die  Entdeckung  ganz  neuer  Heilmittel  von  außerordentlicher 
Wirk<^amkeit,  deren  Reihe  immer  noch  nicht  abgeschlossen,  sondern  von 
Tag  zu  Tag  in  fortwährendem  Wachsen  begriffen  ist.  Der  Chloralkohol 
oder  das  Chloral,  die  Salicylsäure  mit  ihren  verschiedenen  Derivaten,  die 
organischen  Verbindungen  des  Arsen  (Salvarsan)  sind  solche  kostbaren 
Errungenschaften  moderner  Therapeutik, 

Aber  so  segensreich  sicher  auch  die  mannigfaltigen  Heranziehungen  der 
Pasteurschen  Entdeckungen  bei  der  Behandlung  der  Krankheiten  sein 
mögen,  so  üben  sie  doch  noch  weit  mehr  ihre  wohltätige  Wirkung  als 
Vorbeugungsmittel  zur  Verhütung  der  Krankheiten  aus,  muß  doch  für  alle 
Folge  die  wissenschaftliche  Hygiene,  von  der  sich  bereits  heute  ein  un- 
gefähres Zukunftsbild  machen  läßt,  in  medizinischen,  ja  sogar  auch  in 
sozialen  Dingen  überall  die  erste  Stelle  einnehmen.  Sie  bildet  die  große 
Hoffnung  für  alle  diejenigen,  denen  noch  nicht  die  Liebe  für  die  Mensch- 
heit in  ihren   Herzen   erstorben   ist. 

Es  ist  ganz  einwandfrei  festgestellt,  daß  die  Krankheiten  weiter  nichts 
als  von  Schmarotzern  hervorgerufene  pathologische  Zustände  sind,  oder  es 
sich  bei  ihnen  um  Fälle  von  Übertragung  handelt.  Ein  Individuum,  dessen 
Körper  weder  von  einem  Parasiten  vergiftet  noch  von  einem  zerstörenden 
Stoffe  verseucht  ist,  ist  niemals  krank.  Es  gibt  keine  Krankheit,  die  nicht 
aus  einer  äußeren  Einwirkung  hervorgegangen  wäre.  Daher  die  so  ein- 
leuchtende, auch  vom  Standpunkte  der  strengsten  Logik  unanfechtbare 
Schlußfolgerung,  daß,  wer  die  Krankheiten  vermeiden  will,  nur  die  An- 
steckungen zu  vermeiden  braucht.  Die  Trockenlegung  aller  der  Wass-^r- 
läufe,  die  Flecktyphus,  Cholera  und  Ruhr  mit  sich  führen,  die  Vernichtung 
alles  des  Fleisches  und  aller  der  Milch,  die  möglicherweise  Tuberkulose 
verbreiten,  die  strenge  Absonderung  aller  der  Kranken,  die  Tuberkulose, 
Scharlach,  Diphtherie,  Röteln  oder  etwa  auch  Krebs  übertragen  könnten, 
nach  dem  Vorbilde  der  Absonderimg  der  L^prakranken,  wie  sie  schon  in 
alten  Zeiten  gehandhabt  worden  war,  die  Ausrottung  aller  Moskitos,  Stech- 
mücken und  Fliegen,  die  den  Menschen  die  Malaria  einimpfen,  und  aller 
Ratten,  die  ihnen  die  Pest  bringen:  das  muß. das  fernste  Streben  sämtlicher 


*  Wertvolle  Beiträge  zu  Ehrlichs  Biographie  hat  der  Verf..  dieses  Werkes, 
Charles  Richet,  einer  seiner  zahlreichen  Verehrer  und  persönlichen  Freunde  in 
Frankreich,  in  der  von  dem  Berliner  Prof.  Carl  Posner  redigierten  Internatioalen 
Festschrift   zu   Prof.   Ehrlichs  sechzigstem   Geburtstage   um   Ostern    1914  geliefert. 


Die  Herrschaft  der  Wissenschaft.  633 

Ärzie  und  das  noch  viel  ernstere  sämtlicher  Regierungen  sein.  Durch  ent- 
schlossene Maßregeln  haben  es  auch  die  Engländer  bereits  erreicht,  daß 
gewisse  Krankheiten  fast  gänzlich  verschwunden  sind,  wie  der  Typhus, 
und  andere  sich  wenigstens  erheblich  eingeschränkt  haben,  wie  die  Tuber- 
kulose. Ihnen  nicht  nur  nachzustreben,  sondern  sie  noch  möglichst  zu  über- 
bieten soll  unsere  zukünftige  Losung  seinl  Nicht  sowohl,  wie  man  gegen 
die  Kranken  möglichst  liebevoll  ist,  als  vielmehr,  wie  man  die  Gesunden, 
nicht  erst  zu  Kranken  werden  läßt,  das  ist  die  große  Aufgabe  des  Men- 
schengeschlechts I  Es  wird  heißen,  von  einer  unerbittlichen  Strenge  gegen 
die  Ansteckung  zu  sein  und  sich  nicht  mit  halben  Maßnahmen  zu  be- 
gnügen. Die  Isolierimg  der  mit  ansteckenden  Krankheiten  Behafteten  wird 
die  wahre  Menschenfreundschaft  sein,  und  nicht  etwa  jene  rührselige  Aller- 
weltsmenschenfreundschaft,  deren  unheilvolle  Folgen  wir  noch  immer 
allzusehr  spüren.  Dann  erst  werden  Syphilis,  Tuberkulose,  Diphtherie  und 
Scharlach  vollkommen  ausgerottet  sein.  In  noch  nicht  fünfzig  Jahren  wird 
man  entsetzt  sein,  mit  welcher  Nachsicht,  um  nicht  zu  sagen,  mit  welchem 
Wohlwollen,  wir  auch  noch,  nachdem  wir  die  Art  ihrer  Verbreitung  kennen 
gelernt  haben,  jene  Schmarotzer,  die  das  Brandmal  und  Unglück  der 
Menschheit  bilden,  gleichwohl  nach  wie  vor  behandeln. 

Aber  die  Hygiene  hat  auch  noch  andere  Aufgaben,  unter  denen  es  be- 
sonders zwei  sind,  denen  sich  kein  zivilisiertes  Land  entziehen  kann:  es 
sind  dies  die  Säuglingsemährung  und  der  Kampf  gegen  den  Alkoholismus 
oder  das  Gewohnheitssäufertum. 

Eine  sehr  große  Zahl  neugeborener  Kinder  geht  am  Hunger  zugrunde. 
Würden  sie  von  ihrer  Mutter  genährt,  und  ihnen  nicht  dank  einer  un- 
glaublichen Unwissenheit  Nahrungsmittel  zugeführt,  die  sämtlich  mit  Aus- 
nahme der  Muttermilch  das  reine  Gift  für  sie  sind,  so  wären  nicht  immer 
wieder  jene  unheimlichen  Sterblichkeiten  zu  beklagen,  die  sich  zwischen 
15  und  180/0  bewegen,  ja  sich  manchmal  bis  zu  250/0  steigern  und  eine 
Schande  unseres  Gemeinschaftslebens  sind. 

Noch  schrecklichere  Verwüstungen  richtet  vielleicht  der  Alkoholismus 
an.  Diese  Plage  wird  immer  ärger,  besonders  auch  in  Frankreich.  Sie 
hat  Not  und  Elend,  Prostitution,  Geisteskrankheiten  und  Selbstmord  im 
Gefolge.  Etwas  so  Furchtbarem  gegenüber  ist  es  eine  Schande,  wie  gleich- 
gültig wir  ihm  zusehen,  gibt  es  doch  sogar  einzelne  Regierungen,  die  den 
Alkoholverkauf  noch  fördern;  denn  ebensosehr  wie  durch  den  Alkohol- 
genuß ein  ganzes  Volk  verarmt,  bereichert  sich  umgekehrt  durch  ihn  sein 
Fiskus.  Zudem  scheuen  die  Parlamente,  es  mit  den  Schnapsproduzenten 
und  -Verkäufern  bei  dem  bedenklichen  Einflüsse,  den  diese  haben,  zu  ver- 
16_Richet,  Geschichte  der  Menschheit  II. 


534  Siebentes  Buch. 


[  derben.  Aber  es  werden  jene  furchtbaren  und  dabei  zu  so  niedrigem  Preise 
i  verschenkten  Gifte,  wie  Branntwein  und  Absinth,  wenn  man  nicht  bei 
Zeiten  eine  angemessene  Regelung  ihres  Ausschankes  zu  treffen  weiß, 
schließlich  einmal  eine  völlige  Entartung  des  Geschlechts  herbeiführen. 
Der  Wirkungskreis  der  Ärzte  in  der  modernen  Gesellschaft  hat  immer 
mehr  Fühlung  zu  dem  der  wissenschaftlichen  Forscher  zu  suchen,  so  daß 
der  Zusammenhang  der  Medizin  mit  den  andern  Wissenschaften,  die  ihr 
immer  unentbehrlicher  werden,  von  Tag  zu  Tag  enger  werden  muß.  Von 
der  Wissenschaft  rührt  ein  Umschwung  in  der  Industrie  und  eine 
Erleichterung  und  angenehmere  Gestaltung  der  sämtlichen  Lebensbe- 
dingungen her,  nicht  weniger  eine  Erneuerung  der  Medizin  und  damit 
eine  Abschwächung  menschlichen  Leides,  ist  doch  die  Krankheit  sicher 
das  größte,  wenn  nicht  vielleicht  das  einzige  wirkliche  Leid  des  Menschen. 
Deshalb  sind  aber  auch  allen  wissenschaftlichen,  chemischen,  physischen 
und  medizinischen  Einrichtungen  die  Mittel  zu  gewähren,  deren  sie  jeden 
Tag  mehr  bedürfen.  Dem  Kriege,  ja  selbst  der  Volksbildung  seine  sämt- 
lichen verfügbaren  Mittel  opfern  ist  ein  unzeitgemäßer  und  vorsintflutlicher, 
unheilvoller  Irrtum  1  Heute  gilt  es,  an  die  Wissenschaft  zu  denken, 
d.  h.  an  die  Ausspürung  des  Unbekaimten  und  die  Erkämpfung  der 
Wahrheit. 

Aber  es  wird  dazu  nicht  etwa  ausreichend  sein,  prächtige  Gebäude 
mit  geräumigen  und  durch  reiche  Apparatensammlungen  wertvollen  Labora- 
torien zu  errichten;  es  wird  auch  unumgänglicherweise  für  zahllose  Gelehrte 
Vorsorge  zu  treffen  sein,  die  die  Mittel  zum  Leben  und  sogar  zum  behag- 
lichen Leben  haben  müssen,  um.  sich  Arbeiten  und  Forschungen  von 
einem  rein  wissenschaftlichen  Charakter  vollständig  widmen  zu  können, 
ohne  sich  gleichzeitig  um  die  Einträglichkeit  ihres  Daseins  kümmern  und 
für  eine  praktische  und  immittelbare  Ausnutzimg  ihres  Wissens  sorgen 
zu  brauchen. 


Zum  Schlüsse  wollen  wir  versuchen,  noch  einmal  im  Fluge  die  Stufen- 
folge der  Fortschritte  darzustellen,  die  durch  eine  bunte  Reihe  zahlloser 
Abenteuer  und  Begebenheiten  hindurch  dem  Menschen  ermöglicht  haben, 
aus  dem  Zustande  der  Wildheit  herauszukommen,  um  dann  zuletzt  zu  den 
Hohen  der  Zivilisation  zu  gelangen.  Wir  wollen  sogar  so  kühn  sein,  uns; 
.äSTdie  Frage  heranzuwagen :  „Was  dürfen  wir  von  der  zukünftigen  Mensch- 
.  heit  hoffen?"    Die  Geschichte  wäre  ja  weiter  nichts  als  ein  ziemlich  trau- 


Die  Herrschaft  der  Wissenschaft.  635 

riger  und  unfruchtbarer  Zeitvertreib,   wenn  wir  nicht  daraus  auch  etwas 
lernen  und  für  die  Zukunft  entnehmen  könnten  I 


Lange,  lange  hat  der  Mensch  so  gut  wie  keine  erkennbare  Sp\ir  seiner 
damals   nur  schrittweisen  Entwicklung  hinterlassen   und  einsam  im  Ver- 
/  borgenen  ein  Leben  geführt,  das  er  erst  den  Elementen  abringen  mußte 
und  allein  "aus  den   von  ihm  erbeuteten  wilden  Tieren  seiner  Umgebung  .^ 

notdürftig  fristen  konnte.  Im  Verlauf  dieses  langen  unbekannten  Zeit-  t/T*^^/^^ 
raumes  hat  sich  sein  geistiges  Wesen  verfeinert.  Zum  Schlüsse  hat  er  dann  ^'^uy^t 
einige  rohe  Werkzeuge  erfunden,  sich  die  Kunst  angeeignet,  ein  Feuer -»-*~-y/<,# 
anzustecken,  den  Hund  zu  zähmen  und  Steine  zu  schneiden  und  zu  glätten.  4^^^,,^ 
Auch  hat  er  sich  schon  damals  zu  Familien,  Stämmen  und  vielleicht  auch 
Völkerschaften  zusammengeschlossen.  Aber  dies  alles  ist  etwa  noch  keine 
historische  Vergangenheit. 

^  Die  eigentliche   Geschichte  beginnt   erst  mit  den  alten  Kulturen  Ägyp- 
tens und  Chaldäas.    Schon  haben  sich  ständige  Gemeinschaften  gebildet 
mit   einer   gewissen   Architektur,    Schrift,    Hierarchie,    Zünften,    einer    Re-      > 
ligion  und  auch  schon  einer  Kunst,  die  nicht  mehr  gar  so  grob,  und  einer     ' 
Wissenschaft,  die  nicht  mehr  gar  so  kindlich  ist. 

In  ein  paar  Jahrtausenden,   deren  Zahl^  die  Geschichte  anzugeben  yer-^    1  v^'^ 
magj_^nd_danrL  die  Fortschritte  dieser  Urvölker  so  schwach,  daß  vorher  .  \tnJi 
offenbar   Hunderte   von  Jahrhunderten   notwendig   gewesen   sein   müssen,     \    ' 
um  die  Menschen  auch  nur  bis  dahin  zu  bringen.  f^* 

Doch  jene  gewaltigen  asiatischen_jQd£r__ägypti5chen  Riesenreiche,  in 
denen  die  ersten  Herde  einer  gewissen  Weltkultur  zu  erblicken  sind, 
waren^auch.  .yJT02L.^gilL-ibi:gQ-  j*^^^-*^*^"  ^^pi'^^ph  Y<^Tn  Elntp  des  Krieges  befleckt 
gewesen. 

Gleich  mit  den  Anfängen  menschlicher  Gemeinschaften  tritt  der  Krieg    // 
in  die  Welt  als   das   große  Übel.    Die  prächtigen   Riesenstädte  Theben,  . 
Ninive,  Babylon  gehen  durch  Krieg  und  Zwietracht  zugrunde. 

Allein  während  dieser  blutigen  Kämpfe,  die  sich  die  Völker  Asiens  gegen- 
seitig lieferten,  schufen  in  dem  Becken  des  Mittelmeeres  die  _Phönizi^,_ 
die  Kreter  und  besonders  die  Hellenen  den  Handel,  die  Schiffahrt  und 
den  Verkehr.  Sie  erfanden  ein  einfaches  Alphabet  imd  gaben  sich  eine 
planvolle  synthetische  Sprache.  Etwa  tausend  Jahre  vor  unserer  Zeit- 
recTinung  besteht  bereits  die  griechische  Sprache,  die  noch  heute  fortlebt, 
und  schon  damals  feierte  der  größte  aller  Dichter  die  Siege  seines  Volkes. 

Schon  fünf  Jahrhunderte  nach  Trojas  Einnahme  und  Zerstörung  hatte 

16* 


536  Siebentes  Buch. 


Hellas  alles,  was  menschlicher  Geist  an  erhabener  Größe  aufzuweisen 
hatte,  mit  seiner  Volkskultur  harmonisch  zu  verschmelzen  verstanden. 
Und  alsbald  erklomm  es  die  höchsten  Stufen  im  Reiche  der  Gedanken. 
Während  die  gesamte  übrige  Welt  in  finsterer  Barbarei  stecken  blieb,  hat 
jenes  Land  Philosophen,  Dichter,  Geschichtschreiber  und  Bildhauer  aus 
seinem  Schöße  hervorgehen  sehen,  die  noch  heute  nicht  zu  übertreffen, 
ja  auch  nur  zu  erreichen  gelungen  ist.  Hellas  bildete  demokratische  Ge- 
meinschaften, die  ebenso  rührig  und  unternehmungslustig  wie  aufopfernd 
gewesen  sind.  Aber  dann  verspritzte  es  sein  ganzes  Blut  und  verbrauchte 
es  seine  ganze  Kraft  in  inneren  und  auswärtigen  Kriegen.  Der  wutschnau- 
bende Ares  verdunkelte  die  ihm  von  Pallas  Athene  eingehauchte  schöne 
Seele,  bis  es  deren  ganze  Glut  in  gegenseitiger  Fehde  verzehrte.  Zerrüttung 
und  Zwietracht  hatten  es  schließlich  so  geschwächt,  daß  die  Römer  nur 
noch  zu  erscheinen  brauchten,  um  es  zu  besiegen.  Rom  bedeutete  zwar 
auch  den  Krieg,  aber  es  bedeutete  doch  schon  den  disziplinierten  und 
organisierten  Krieg. 

Alsbald  dann  bringt  Rom  jedoch  seine  gewaltigen  und  we'isen  Ein- 
richtungen zur  Herrschaft  über  die  gesamte  Welt,  der  es  damit  den  Frieden 
auferlegt,  nachdem  es  sie  besiegt  und  unterworfen  hat. 


Doch  bald  bildete  auch  ein  Volk,  das  fern  von  Europa  im  äußersten 
östlichen  Asien  wohnte  und  einer  ganz  andersartigen  Menschenrasse  an- 
gehörte, die  an  Masse  so  unerschöpflichen  Chinesen,  einen  eigenen  sozialen 
Organismus,  mit  dem  es  sich  in  selbständigen  Bahnen  zu  einer  wirr  ver- 
schlungenen Zivilisation  entwickelte,  doch  ohne  dadurch  mit  der  römi- 
schen Welt  in  Berührung  zu  kommen.  So  hat  es  bis  in  unsere  Tage  in  völ- 
liger Abschließung  abseits  von  uns  gestanden,  ohne  jemals  auch  nur  die 
schwächste  Einwirkung  auf  die  Fortschritte  des  Abendlandes  auszuüben 
oder  umgekehrt  das  geringste  aus   der  Abendwfelt   bei  sich  einzuführen. 


Griechenland  war  durch  Anarchie  zugrunde  gegangen.  Rom  brach 
durch  den  Despotismus  zusammen,  der  selbst  weiter  nichts  als  eine  andere 
Form  der  Anarchie  ist.  Sich  in  Knechtseligkeit  an  abscheuliche  Tyrannen 
wegwerfend,  verlor  dieses  schließlich  jeden  Halt.  Da  fielen  die  Barbaren 
von  allen  Seiten  ein  und  plünderten  die  römische  Welt,  um  in  ihr  an  die 
Stelle  der  schönen  hellenischen  'Kultur  ein  wüstes  Gesellschaftsgebäude 
ru  setzen,   dessen  Gesittungsroheit  nur  ein  ganz  klein  wenig  Einhalt  zu 


Die  Herrschaft  der  Wissenschaft.  637 

tun,  auch  das  Christentum  nicht  stark  genug  war.  Acht  finstere  Jahr- 
hunderte hindurch  unterbheb  jeder  Fortschritt.  Es  war  die  Zeit  der  All- 
macht der  katholischen  Kirche,  die  Könige  wie  Völker  unter  ihrem  Banne 
hielt.  Ihre  Barbarei  war  groß,  aber  immerhin  weniger  groß  als  die  der 
ihr  unterworfenen  Völker.  Erst  um  das  14,  Jahrhimdert  begann  sich  all- 
mählichder  menschliche  Geist  wieder  etwas  zu  erholen. 

Und  nun  kam  die  Buchdruckerkunst,  die  erst  die  richtige  Möglichkeit 
schuf,  geistiges  Leben  zu  verbreiten.  Es  erstanden  Universitäten.  Die 
Dichter,  die  Philosophen,  die  Maler  und  die  Geschichtschreiber  feierten 
ihre  Wiederauferstehung.  Es  erfolgte  die  Entdeckung  Amerikas.  Der 
Menschheit  Denken,  das  so  lange  nur  in  einer  Art  Dämmerzustand  ge- 
wesen war,  erwachte  nun  wieder  aus  seinen  Träumen  zur  Selbständigkeit, 
Und  so  gruppierte  sie  sich  denn  in  freien,  voneinander  unabhängigen 
Einzelgebilden.  Es  war  eine  wundervolle  plötzliche  geistige  Wiedergeburt, 
die  Renaissance  der  Wissenschaft  und  Künste. 

Und  schon  wendet  sich  eine  wahre  Blüte  des  Menschengeschlechts 
echter  wissenschaftlicher  Forschung  zu,  d.  h.  solcher,  der  als  einziges  Ziel 
ihrer  Tätigkeit  die  lautere  Wahrheit  vor  Augen  schwebt.  Und  kaum  ist 
eben  erst  der  Weg  betreten,  der  zu  dieser  hehren  Göttin  führen  soll,  da 
beginnt  es  auch  schon  überall  hell  zu  werden:  Kepler,  Kopernikus,  Galilei, 
Descartes,  Harvey,  Baco,  Pascal  weisen  der  Menschheit  ihre  Aufgabe  an. 
Es  ist  vollbracht  I  Nun  dürfen  es  auch  die  Menschen  wissen,  welche  Gott- 
heit die  wahrhaft  anzubetende  istl 


Aber  Irrungen  und  Leidenschaften  danken  nicht  so  leicht  ab,  wie  man 
vielleicht  wünschen  möchte  1 

Zunächst  nämlich  wüten  erst  ein  ganzes  Jahrhundert  lang  gräßliche 
Rehgionskriege.  Zwei  große  christliche  Sekten  streiten  um  Europa.  Katho- 
liken und  Protestanten  schlachten  sich  gegenseitig  dahin,  und  Haß  wie 
Blut  fließen  in  Strömen  I 

Ferner  ordnen  sich  alle  Völker  gleichmäßig  einem  drückenden  monar- 
chischen Joche  unter.  Frankreich,  Spanien,  Österreich,  Rußland,  Preußen, 
ja  sogar  England  haben  im  17.  und  18.  Jahrhundert  blindlings  die  Befehle 
ihrer  erblichen  Herrscher  angenommen  und  unter  Führung  dieser  Herrscher 
gegenseitig  in  langen  Kämpfen  gerungen,  um  sich  zu  zerrütten  und  eins 
nacli  dem  andern  um  den  Preis  dieser  Zerrüttung  einen  armseligen  Kriegs- 
ruhm und  einen  vorübergehenden  Vorrang  zu  erwerben. 

Durch  den  Krieg  sind  sie  fast  sämtHch  schon  einmal,   Spanien,  Frank- 


5^8  Siebentes  Buch. 


reich,  Österreich,  Preußen  sowie  Rußland,  dem  Untergange  nahe  gewesen. 
I  Durch  den  Krieg  haben  sie  alle  schon  einmal  die  Stunden  der  Not  kennen 
gelernt,  in  denen  der  Bestand  eines  ganzen  nationalen  Daseins  gefährdet 
\  erscheint. 

Doch  die  Gelehrten  ließen  sich  darum  nicht  stören,  aus  dem  Füllhorn 
ihrer    Gaben    weiter    ihre    Wohltaten    über    die    ganze   Welt   auszugießen. 

Dann  ging  plötzlich  ein  mächtiger  Hauch  der  Befreiung  über  die 
Erde,  der  in  Frankreich  sogar  die  ganze  Monarchie  wegfegte  und  die  andern 
Völker  wenigstens  mit  der  Freiheitsidee  iDeschenkte,  die  der  Wissenschaft 
edelste  Tochter  ist. 

Und  nun  läßt  sich  dieser  Befreiungs drang  durch  nichts  mehr  zurück- 
halten. In  einem  einzigen  Jahrhundert  mehren  sich  die  industriellen, 
sozialen  und  wissenschaftlichen  Fortschritte  nach  allen  Seiten,  und  die 
Menschheit  kommt  in  diesem  kurzen  Zeiträume  weiter  vorwärts  als  zuvor 
in  einem  Jahrtausend. 

Das  ganze  19.  Jahrhundert  ist  nur  die  großartige  stürmische,  aber 
noch  immer  nicht  fertige  Entwicklung  eines  doppelten  Kampfes;  es  ist 
dies  einmal  der  Kampf  um  die  Materie  durch  die  Wissenschaft  und  dann 
der  Kampf  um  die  Freiheit  durch  die  mit  ihrer  Hilfe  mündig  gewordenen 
Bürger.  Ja,  die  Ereignisse  überstürzen  sich  so  schnell,  daß  die  zweite 
Hälfte  des  19.  Jahrhunderts  sich  einer  Leistung  rühmen  kann,  die  die 
der  ersten  noch  zehnfach  übersteigt. 

So  haben  wir  denn  das  20.  Jahrhundert  betreten. 


Bei  Anbruch  des  jetzigen  Jahrhunderts  haben  blutige  Zuckungen, 
die  blutigsten  der  ganzen  Menschheitsgeschichte,  die  alte  Welt  erschüttert! 
Und  heute,  im  Jahre  191 9,  scheint  es,  daß  der  furchtbare  MiUtarismus 
alter  Zeiten,  der  sich  so  vollkommen  mit  Preußen,  Österreich  und  der 
Türkei  verwachsen  zu  haben  schien,  endgültig  beseitigt  worden  ist.  Die 
absoluten  Monarchien  haben  überall  zu  bestehen  aufgehört.  Mehr  oder 
weniger  freie  Völker  verfügen  selbständig  über  ihr  Schicksal.  Doch,  da 
die  Freiheit  nur  die  Erlösung  vom  Übel  ist,  aber  noch  nicht  in  sich  eine 
unbedingte  Bürgschaft  für  das  Glück  gewährt,  so  stehen  sie  nun  in  bezug 
auf  die  weitere  Zukunft  am  Scheidewege,  ob  sie  sich  hierhin,  ob  dorthin 
schlagen  sollen. 

Die  eine  Richtung,  in  der  sie  sich  bewegen  können,  wäre  nur  eine 
Fortsetzung  jener  Irrwege  des  Haders,  der  Fehde  imd  der  Anarchie,  wie 
sie  sie  bisher  einschlugen;  es  wäre  der  alte  Kurs:  all  ihr  Blut  zu  verspritzen 


Die  Herrschaft  der  Wissenschaft.  639 

und  alle  ihre  Schätze  zu  verschwenden,  nur,  um  einige  Quadratkilometer 
Landes  zu  gewinnen  —  oder  auch  vielleicht  zu  verlieren  —  und  um  ein  Über- 
gewicht von  zweifelhaftem  Wert  über  andere  Völker  zu  erringen  —  oder 
auch  unter  Umständen  einzubüßen. 

Die  andere  weist  auf  die  Bahn  der  Politik  des  Friedens,  der  Eintracht 
und  der  Verbrüderung,  der  Achtung  vor  den  Satzungen  des  Völkerrechts, 
der  Schiedsgerichte  zur  Abwehr  der  Kriege,  der  Ordnung  als  Ersatz  für 
die  Anarchie  und  weiter  eine  Vereinigung  aller  persönlichen  und  staat- 
lichen Kräfte,  alle  Arten  des  dem  Menschen  anhaftenden  Elends  zu  be- 
siegen und  die  Trunksucht  wie  alle  übrigen  furchtbaren  Laster  und 
Irrungen  zu  bezwingen,  die  wuchernde  Unwissenheit  auszurotten,  die  Krank- 
heiten durch  hygienische  -Maßnahmen  unerbittlich  zu  bekämpfen,  die 
Naturkräfte  unseren  Bedürfnissen  zu  unterwerfen,  mit  einem  Worte:  alle 
Anstrengung,  allen  Scharfsinn,  den  der  Mensch  in  seinem  Wahne  bis 
zu  dieser  Stunde  dem  Kriege  gewidmet  hat,  auf  die  Wissenschaft  zu  ver- 
wenden. 

Dann  werden  sich  unseren  Augen  wieder  Wunder  auftun,  wie  die,  mit 
denen  uns  die  Wissenschaft  schon  einmal  beschenkt  hat,  Wunder,  die 
mit  jedem  Tag  überwältigender  und  auch  mit  jedem  Tag  segensreicher 
werden! 

Die  Völkerverbrüderung  ist  um  so  nötiger,  als  die  verschiedenen  Ein- 
zelzivilisationen, wenn  sie  sich  gegeneinander  abschließen,  doch  früher 
oder  später  einmal  erlöschen  müssen.  So  hell  sie  auch  alle  strahlen  mögen, 
sie  können  ihr  Licht  für  die  Zukunft  allein  bewahren,  wenn  weitere  Fackeln 
der  Gesittung  ihrem  Verfall  eine  zweite  Jugend  bringen.  Sich  selbst  über- 
lassen, sind  ja  einst  auch  China  und  Ägypten  in  dem  furchtbaren  Staub 
altvaterischer  Überlieferung  vermodert;  ihren  Untergang  haben  sie  allein 
jenem  Eigensinne  zu  verdanken,  mit  dem  sie  alle  auf  eine  Verjüngung 
zielenden  Ratschläge  europäischer  Ausländer,  die  sie  in  ihrem  Stumpf- 
sinne sämtUch  nur  als  ihre  Feinde  ansahen,  immer  wieder  zurückwiesen. 

Doch  die  Wissenschaft  als  Führerin  anzurufen,  hat  allein  für  die  Sinn, 
die  ihren  Ruf  gleichzeitig  an  alle  Wissenschaften  ergehen  lassen,  an  die 
Erfahrungswissenschaften  wie  an  die  mathematischen,  an  die  juristischen 
wie  an  die  sozialen  und  historischen,  ja  sogar  auch  an  die  höchste  Wissen- 
schaft, die  Wissenschaft  vom  Guten  und  Bösen,  die  Ethik  als  die  Lehre 
von  den  sittlichen  Werten,  die,  wenn  sie  sich  nicht  etwa  auf  einer  gebrech- 
lichen Metaphysik  aufbaut,  den  Menschen  belehren  wird,  warum  und  in- 
wiefern er  die  PfUcht  hat,  die  eigenen  Launen,  Interessen  und  Leiden- 
schaften dem  Recht  und  dem  Glücke  seiner  Mitmenschen  zu  opfern. 


540  Siebentes  Buch. 


Wenn  wir  der  Wissenschaft  ein  so  entscheidendes  Übergewicht  geben, 
wenn  wir  so  glänzende  Hoffnungen  auf  sie  setzen,  so  geschieht  das,  weil 
uns  die  Geschichte  gezeigt  hat,  daß  jede  Hebung  des  Menschengeschlechts 
in  seiner  Lage  ihre  Wurzel  in  der  Wissenschaft  hat.  Tritt  s  i  e  mit  irgend- 
einer neuen  Leistung  in  die  Erscheinung,  so  folgen  ihr  sogleich  auch  Kultur- 
fortschritte, die  so  unerwartet,  überraschend  und  plötzlich  kommen,  daß 
unsere  kühnsten  Träume  hinter  der  Wirklichkeit  nur  in  einem  matten 
Lichte  erscheinen. 

Es  war  schon  ein  roher  Anfang  von  Wissenschaft,  als  die  Menschen 
dereinst  Späne  trockenen  Holzes  aufhäuften  und  darin  einen  Funken 
entzündeten.  Es  war  dann  weiter  schon  etwas  von  Wissenschaft,  als 
sie  später  ein  Schwert  zu  schmieden  und  ein  Tongefäß  zu  brennen  be- 
gannen, und  gewiß  auch,  als  sie  noch  später  bewegliche  Typen  auf 
einem  Brette  befestigten,  um  die  Vervielfältigung  des  geschriebenen 
Wortes  durch  den  Druck  vorzunehmen.  Das  war  damals  gerade  so 
Wissenschaft,  wie  es  heute  ist,  wenn  man  die  Bahn  eines  Kometen  be- 
rechnet oder  in  einem  kleinen  Glasbehälter  die  Ursachen  der  Seuchen 
anschaulich  entwickelt. 


Die  Wissenschaft  hat  den  Menschen  mehr  gegeben  als  sie  je  erträumt 
haben.  Und  wollen  sie  es,  wird  sie  ihnen  noch  mehr  geben.  Wenn  wir 
uns,  anstatt  uns,  den  Wilden  gleich,  gegenseitig  aufzufressen,  unterein- 
ander zu  verbrüdern  wissen  werden,  dann  wird  sie  uns  sogar  neue  Ge- 
biete eröffnen,  die  überhaupt  noch  nicht  in  unsern  engbegrenzten  Ge- 
sichtskreis getreten  sind. 

Vielleicht  werden  wir  so  dank  einer  solchen  gemeinschaftlichen  Be- 
teiligung an  der  segensreichsten  und  ruhmvollsten  aller  nur  irgend  er- 
denklichen Bestrebungen  auch  einmal  dazu  gelangen,  die  beiden  größten 
und  furchtbarsten  Plagen  der  Menschheit  zu  bannen:  den  Klassenkrieg 
und  den  Rassenkrieg! 

Später  werden  dann  durch  eine  wissenschaftlich  ersonnene  Zuchtwahl 
die  Menschen  eine  neue  Rasse  bilden,  die  kräftiger  und  gesünder  als  die 
bisherige  ist.  Die  menschliche  Zuchtwahl  ist  die  größte  aller  menschlichen 
Hoffnungen.  Aber  das  wird  die  Leistung  sein,  die  späteren  Jahrhunderten 
obliegt ! 

Die  Aufgabe  unseres  jetzigen  Jahrhunderts  ist  einfacher.    Sie  beschränkt 


Die  Herrschaft  der  Wissenschaft.  54* 

sich  darauf,  dem  Rechte  die  Kraft  zu  geben,  aber  sie  dem,  was  kein  Recht 
ist,  zu  nehmen  und  den    Irrtum  durch  die  Wahrheit  zu  ersetzen  I 


Die  Wissenschaft  ist  die  große  Befreierin,  auf  die  sich,  welches  auch  die 
Volks-  und  Rassenzugehörigkeit  jemandes  sein  mag,  ob  er  groß  oder  klein, 
jung  oder  alt  sei,  zu  den  Vornehmen  oder  Proletariern  gehöre,  aller  Augen 
richten  müssen. 

Wenn  wir  aber  nun  gerade  demjenigen  Abschnitte  der  Menschheits- 
geschichte, der  von  1789 — 191 2  reicht,  den  Ehrennamen  des  Zeitalters 
der  Wissenschaft  geben,  so  geschieht  dies,  weil  die  Segnungen  aller  Wissen- 
schaften, besonders  aber  der  medizinischen  Wissenschaften,  ihren  Glanz 
auf  das  19.  Jahrhundert  werfen.  Durch  die  Entdeckungen  von  Männern, 
wie  Pasteur  und  Villemin,  wie  Lister  und  Koch,  haben  die  Bedingungen 
menschlichen  Daseins  eine  völlige  Wandlung  erfahren,  durch  die  wir  eine 
Hebung  unseres  Geschlechts  erlebt  haben,  wie  sie  uns  staatliche  und 
kriegerische  Bewegungen  niemals  gebracht  hätten.  Der  Krieg  und  die 
Politik  haben  unter  uns  vielmehr  eine  Saat  von  Haß,  Not  und  Kummer 
gestreut,  während  die  Wissenschaft  nur  ihre  Segnungen  über  uns  aus- 
gegossen hat.  Nichts  anderes  als  die  Wissenschaft  ist  es,  die  der  Neuzeit 
ihre  unvergleichliche  Größe  gegeben  hat.  Wenn  das  20.  Jahrhundert  nicht 
einen  allgemeinen  Verfall  herbeiführen  will,  muß  es  seine  Vorgänger  über- 
flügeln; aber  alle  Mühe  wird  umsonst  sein,  wenn  nicht  die  Gesellschaft 
den  Gelehrten  als  den  Priestern  der  Wahrheit  das  hinlängliche  Maß  von 
Unabhängigkeit,  Ruhe  und  Ehre  gewährt. 

Die  Medizin  zur  umfassendsten  Wissenschaft,  zur  Wissenschaft  xax* 
^^oxnv  d.  h.  zur  Wissenschaft  aller  Wissenschaften  erheben  und  gleich- 
zeitig die  Lehren  der  wissenschaftlichen  Medizin  zu  sozialen  Lehren  aus- 
schöpfen, darin  ist  die  ruhmvolle  Aufgabe  des  kommenden  Jahrhunderts 
zu  erblicken! 

Dann  wird  der  Mensch  endlich,  der  beständigen  Furcht  vor  Krankheit 
überhoben,  von  allen  Giften  und  seinen  schlimmsten  Feinden,  den  Schma- 
rotzern, befreit,  mit  Entschlossenheit  an  die  Erforschung  der  mancherlei 
großen  Gesetze  gehen  können,  die  noch  im  Dunkel  der  Erscheinungswelt 
verborgen  sind. 


542  Siebentes  Buch. 


.Nachtrag  des   Herausgebers  zu  Seite   418. 

In  dem  ersten  Jahr  der  kurzen  repubUkanischen  Ära  Spaniens  (Febr. 
1873  bis  Jan.  1875)  übernahm  Castelar  zuerst  das  Ministerium  des  Auswär- 
tigen, um  es  dann  bald  mit  dem  Ministerpräsidium  zu  vertauschen.  Unter 
ihm  trat  ein  Mathematik-  und  Physikforscher  und  Meister  der  Dramatik 
wie  Jos6  Echegaray,  Verfasser  der  Bühnenwerke  Galeotto  (deutsch  von 
Dr.  Paul  Lindau)  und  Michael  Servet  (deutsch  vom  Herausgeber  dieses 
Werkes,  Dr.  Rudolf  Berger,  Berlin),  als  demokratischer  und  republikani- 
scher   Kultusminister    ein. 


Der  Vierjährige  Krieg  (1914— 1918).  543 


Achtes  Buch 

Nachträglich  vom  Herausgeber  auf  Grund   des  erst  Anfang    1920 
erschienenen  franz.  Originalwerks  angehängt. 

Der  Vierjährige  Krieg  (1914-1918). 

Vorbemerkung  des  Verfassers 
[Ergänzung  zum  Vorwort  des  Verfassers  (S.  XII.)] 

Wir  wenden  uns  vor  allem  an  die  Jugend!  Sie  bildet  unseren  Stolz, 
unsere  Liebe  und  unsere  Hoffnung !  —  Wenn  wir  aber  zur  Jugend  sprechen, 
wäre  es  höchst  unverzeihlich,  wenn  wir  sie  nicht  lehren  wollten,  daß  es 
Schuldige  gibt.  Wir  haben  wahrlich  keine  Neigung  für  jene  Richter,  die 
Sokrates  dem  Schieriingsbecher,  Jesus  Christus  dem  Kreuz,  Johanna  von 
Are  dem  Scheiterhaufen  überantwortet  haben!  Wir  haben  wahrlich  keine 
Achtung  für  jene  Eroberer,  die  um  der  bloßen  Möglichkeit  willen  ein 
klein  wenig  eitlen  Ruhm  gewinnen  zu  können,  Ströme  von  Trauer  und 
Blut  vergossen  haben.  Wir  haben  wahrlich  keine  Bewunderung  für 
Staatsstreiche  imd  Tyranneien,  Landesverweisungen  und  Plünderungen, 
Schreckensherrschaften  und  Bartholomäusnächte. 


Bei  der  engen  Aneinanderreihimg  der  endlosen  Ereignisse  der  Welt- 
geschichte haben  uns  zwei  Ideen  geleitet:  die  Achtung  vor  dem  mensch- 
üchen  Individuum  und  der  Glaube  an  die  Wissenschaft. 


Die  Weltgeschichte  bildet  lediglich  eine  lange  Liste  von  Märtyrern. 
Die  arme  Menschheit  hat  eine  Unzahl  von  Leiden  erhtten.  Unsere  Partei 
ist  genommen :  wir  sind  für  die  Märtyrer  und  gegen  die  Henker,  für 
die  Unterdrückten  und  gegen  die  Unterdrücker!  Das  ist  unsere  Stel- 
lung der  Vergangenheit  gegenüber. 

Was  aber  die  Zukunft  angeht,  so  glauben  wir,  ja  wollen  sogar  be- 
weisen, daß  einzig  und  allein  die  Wissenschaft,  indem  sie  die  Materie 
bändigt  und,  so  gut  es  eben  geht,  einige  der  in  den  Dingen  verborgenen 
Geheimnisse  erklärt,  Leib  und  Geist  des  Menschen  befreien  und  den 
Seelen  jene  beiden  Grundbegriffe  einprägen  wird,  die  sich  niemals  von- 
einander trennen  lassen:   Gemeinschaftsgeist  und  Gerechtigkeit. 


544  Achtes   Buch. 


So  dachte  ich  im  Jahre  191 4.  So  denke  ich  auch  heut.  Auch  jene  so 
schändUche  und  blutige  Katastrophe,  die  das  österreichisch-deutsche  Bünd- 
nis entfesselt  hat,  wird  mich  nicht  überzeugen,  daß  die  großen  Gemetzel 
eine  Entfaltung  menschlichen  Geistes  bedeuten.  Gleichwohl  wird  dieser  ent- 
setzliche Vierjährige  Krieg  vielleicht  —  und  dann  als  der  einzige  unter 
allen  den  vielen  Kämpfen  der  Vergangenheit  —  jenen  höchsten  Ruhm  für 
sich  in  Anspruch  nehmen  dürfen,  daß  er,  indem  er  durch  unseren  Sieg 
in  die  Welt  das  Recht  eingeführt  hat  und  dieses  Recht  durch  seine  Ge- 
walt schützt,  der  letzte  aller  Kriege  sein  wird. 

Mit  Worten  der  Hoffnung  hatte  ich  dieses  Buch  in  den  letzten  Tagen 
des  Juli  191 4  abgeschlossen.  Aber  dies  Vertrauen  auf  den  gesunden  Sinn 
der  Menschen  ist  kläglich  getäuscht  worden.  Ein  furchtbarer  Krieg,  der 
zehn  Millionen  Tote  gekostet  hat,  der  Europa  mit  Trauer,  Tränen  und 
Trümmern  erfüllt  hat,  ist  entfesselt  worden,  und  mit  einer  Leidenschaft,  die 
alles  bisher  jemals  Dagewesene  übertraf!  Gewiß,  am  11.  November  191 8 
hat  schließlich  das  Recht  einen  vollen  Triumph  gefeiert;  aber  im  Laufe 
dieser  blutigen  Jahre  hat  es  doch  zu  wiederholten  Malen  den  Anschein 
gehabt,  als  ob  das  Böse  siegen  wolle. 

Der  Vierjährige  Krieg  wird  eine  entscheidende  Rolle  innerhalb  der  Welt- 
geschichte spielen,  nicht  etwa  bloß  durch  die  gewaltigen  Ereignisse,  die 
er  aufzuweisen  hat,  durch  die  riesenhaften  Heere,  die  er  in  Bereitschaft 
gestellt  hat,  sondern  weit  mehr  durch  seine  gewichtigen,  tiefen,  unabseh- 
baren Folgen,  die  noch  manches  Geschlecht  hindurch  fortwirken  werden. 

Wir  können  hier  natürlich  nur  einen  kurzen  Bericht  geben,  aber  um  was 
wir  uns  bemühen  wollen,  das  ist,  daß  dieser  Bericht  die  höchste  Objek- 
tivität wahren  soll.  Eine  schwierige,  ja  vielleicht  unmögliche  Aufgabe,  be- 
urteilen doch  die  Zeitgenossen  die  Ereignisse,  von  denen  sie  selbst  die 
unmittelbarsten  Augenzeugen  gewesen  sind,  nur  schlecht  I  Bei  allem  Be- 
mühen, gerecht  zu  sein,  zittert  doch  in  uns  noch  immer  etwas  von  inneren 
Leidenschaften  nach,   das  uns  die  Klarheit  unseres  Urteils  trübt. 

So  werden  wir,  um  stets  der  Gerechtigkeit  treu  zu  bleiben,  am  besten  die 
Ereignisse  selbst  sprechen  lassen,  ohne  sie  durch  irgendwelche  Kommentare 
abzuschwächen. 

Am  28.  Juni  191 4  wurde  zu  Sera  je  wo  in  Bosnien  der  österreichische  Thron- 
erbe Erzherzog  Ferdinand  mitsamt  seiner  Gemahlin  von  ein  paar  jungen 
Serben,  Princip  und  Grabinowitsch,  ermordet,  die  auf  die  fürstliche  Kutsche 
zwei  Revolverschüsse  abfeuerten  und  einige  Bomben  warfen.  Noch  heute 
schwebt  über  die  näheren  Begleitumstände  des  Verbrechens  ein  gewisses 
Dunkel.     Es    ist    sogar    ziemlich    wahrscheinlich,    daß    die    österreichische 


Der  Vierjährige  Krieg  (1914— 1918).  545 

Polizei,  wenn  sie  auch  nicht  gerade  den  Anschlag  unmittelbar  selbst  be- 
gangen hat,  doch  zum  mindesten  keineswegs  alles,  was  in  ihren  Kräften 
stand,  versucht  hat,  um  die  Verschwörung,  aus  der  er  entstammte,  auf- 
zuhalten. 

Schon  seit  langem  herrschte  zwischen  Serben  und  Österreichern  eine 
gereizte  Stimmung  von  großer  Erbitterung:  die  ungesetzmäßige  Einverlei- 
bung Bosniens,  eines  Landes,  in  dem  eine  von  den  vielen  serbischen  Mund- 
arten herrscht,  hatte  den  Nationalismus  der  Serben  nur  noch  mehr  gestei- 
gert. Sie  strebten  nach  Unabhängigkeit  und  die  österreichische  Regierung 
nach  Herrschaft. 

Es~ist  heute  ein  paar  ohnmächtigen  und  lächerlichen  Ableugnungen  zum 
Trotze  klar  erwiesen,  daß  sogleich  nach  dem  Attentat  von  Serajewo  die 
beiden  kaiserlichen  Höfe  von  Deutschland  und  Österreich,  die  einer  wie 
der  andere  Krieg  planten,  auch  den  Wink  zu  seiner  Entfesselung  gaben. 
^e  Ermordung  des  Erzherzojgs  lieferte  ihnen  den  so  lange  ersehnten  Vor- 
wand. 

Drei  Wochen  vergingen  nun,  in  denen  jenes  Theaterkunststückchen  vor- 
bereitet werden  sollte,  jener  entscheidende  Schritt,  der  den  Weltkrieg  ent- 
schied. Es  war  dies  Österreichs  Ultimatum  an  Serbien  vom  22.  Juli,  6  *Uhr 
abends.  Diese  kränkende  Note  stellte  neben  anderen  seltsamen  Forde- 
rungen das  zumutende  Verlangen,  daß  die  österreichische  Polizei  über 
das  Verbrechen  von  Serajewo  auch  in  Serbien  selbst  eine  Untersuchung 
anstellen  dürfe. 

Serbien  gab  in  seiner  Antwort,  abgesehen  von  dem  Punkte  der  Ein- 
mischung der  österreichischen  Beamten,  in  allen  übrigen  Punkten  nach: 
es  schlug  die  Verweisung  des  Rechtsstreites  an  das  Haager  Schiedsgericht 
oder  auch  an  die  Gerichtsbarkeit  der  Großmächte  vor. 

Der  Ministerpräsident  Berchtold,  der  damals  zusammen  mit  dem  Grafen 
Tisza  den  altersschwachen,  ja  schon  beinahe  kindisch  gewordenen  Kaiser 
Franz  Joseph  vertrat,  fand  am  25.  Juli  darauf  nur  eine  höhnende  Antwort, 
um  schon  am  28.  Juli  den  Krieg  zu  erklären.  Das  österreichische  Heer 
erhielt  den  Befehl,  in  Serbien  einzumarschieren;  Kanonenboote  fuhren  die 
Donau   hinab   und   nahmen   Belgrad   unter   Geschützfeuer    (29. — 30.   Juli). 

Doch  schon  am  25.  Juli  hatten  diejenigen  europäischen  Großmächte,  die 
wirklich  ehrlich  Frieden  wünschten,  einen  Vermittlungsversuch  unter- 
nommen. England,  Frankreich,  Italien  drängten,  den  Streitfall  einem 
Schiedsgerichtshof  zu  unterbreiten. 

Rußland,  dessen  Geschicke  damals  ein  Sasonoff  lenkte,  schloß  sich 
gleichfalls  dem  Gedanken  einer  Vermittlung  an  und  bat   Österreich  um 


546  Achtes  Buch. 


eine  Frist  von  zwei  Tagen.  Aber  Österreich-Deutschland  verweigerte  alles, 
Frist,    Vermittlung,    Aburteilung    durch    den    Haager    Schiedsgerichtshof. 

Fünf  Tage  lang  gingen  die  diplomatischen  Noten  hin  und  her,  um  ganz 
deutlich  zu  enthüllen,  daß  Österreich  und  Deutschland  Krieg  um  jeden 
Preis  wollten.  Alles  hing  vom  Deutschen  Kaiser  ab.  Wilhelm  II.  hätte 
nur  ein  einziges  Wort  zu  sprechen  brauchen,  und  Österreich  hätte  einen 
Vergleich  angenommen,.  Doch  dieses  Wort  auszusprechen,  das  so  viele 
Menschenleben    erspart  und  ihm  die  Krone   erhalten  hätte,  weigerte   er   sich. 

Er  erklärte,  daß  der  Streitfall  zwischen  Serbien  und  Österreich  eine  rein 
innere  und  ausschließlich  österreichische  Angelegenheit  sei,  daß  weder 
Rußland  noch  irgendeine  andere  Macht  in  diesen  Streit  eingreifen,  daß 
vielmehr  ein  Eingriff,  welcher  Art  er  auch  immer  sein  möchte,  ein  Attentat 
auf  die  Ehre  Österreichs  bedeuten  würde  und  die  ernstesten  Folgen 
hervorrufen    könnte. 

Diese  Haltung  war,  wie  es  nun  endlich  auch  die  Deutschen  selbst  in  ihrer 
überwiegenden  Mehrheit  anerkennen,  die  eines  großen  Heerführers,  der 
ganz  sichei  zu  sein  glaubt,  einen  hervorragenden  und  entscheidenden  Sieg 
davonzutragen  und  der  zum  Kriege  entschlossen  ist,  um  daraus  Eroberung, 
Ruhm   und    Gewinn   zu   ziehen. 

So  war  nach  dem  ausdrücklichen  Wunsch  Wilhelms  und  Franz  Josephs 
die  Entscheidung  für  den  Krieg  gefallen. 

Der  Einmarsch  in  Serbien  und  die  Beschießung  Belgrads  beantwortete 
Rußland  mit  der  Mobilmachung  seiner  vierzehn  Armeekorps  (28. — 29.  Juli). 
Nun  machte  auch  Deutschland  mobil  (29.  Juli),  dann  Frankreich. 

So  wurde  der  Krieg  unvermeidlich. 

Frankreich  hielt  es  für  eine  Ehrensache,  Rußland  unter  keinen  Um- 
ständen im  Stich  zu  lassen,  genau  wie  es  Deutschland  Österreich  gegenüber 
tat,  wie  es  sich  Rußland  nicht  nehmen  lassen  wollte,  für  Serbien  einzu- 
treten und  Österreich  nicht  ein  Tüttelcheti  von  seinen  Ansprüchen  auf- 
zugeben bereit  war.  Ein  unseliges  Ineinandergreifen  der  Umstände,  dessen 
verhängnisvolle  Entwicklung  keine  Friedensbemühung,  mochte  sie  auch 
noch  so  entschlossen  und  geschickt  sein,  verhindern  wollte  —  oder  konnte  I 

Am  I.  August  191 4  jauchzten  das  gesamte  Frankreich  wie  das  gesamte 
Deutschland  dem  Kriege  zu,  aber  Frankreich  als  ein  sich  ihm  unter- 
werfendes, Deutschland  als  ein  ihn  aufnötigendes.  Die  Sprache  der 
deutschen  Zeitungen  beweist,  daß  nahezu  die  Gesamtheit  desi  deutschen 
Volkes  in  diesem,  nach  einem  zynischen  Ausspruch  des  Kronprinzen  so 
frischen  und  fröhlichen  Kriege  ein  riesiges  einträgliches  Raub-  und  Plün- 
derungsunternehmen sah. 


Der  Vierjährige  Krieg  (1914 — 1918).  547 

Italien  erklärte,  obwohl  vertragsmäßig  an  den  Dreibund  gefesselt,  sogleich 
seine  Neutralität  (2.  August  ^914).  Die  Sympathien  des  Königs  und  des 
gesamten  Volkes  für  die  romanische  Schwesternation  der  Franzosen  waren 
zu  heiße,  als  daß  sich  das  itahenische  Heer  mit  den  „verwünschten"  Öster- 
reichern in  Reih  und  Glied  stellen  konnte. 

England  (Lord  Grey)  hatte  die  sichere  Überzeugung  gewonnen,  daß  der 
Krieg  von  Deutschland  planmäßig  vorbereitet,  gefördert  und  hervorgerufen 
sei:  wenn  es  aber  auch  der  französischen  Sache  sehr  sympathisch  gegenüber- 
stand, so  schwankte  es  doch  in  den  ersten  Tagen  hin  und  her.  Doch 
wurde  es  bald  durch  einen  verhängnisvollen  Fehler  Deutschlands,  der  nicht 
bloß  ein  Fehler,  sondern  gleichzeitig  ein  Verbrecheji  war,  gezwungen, 
mit  Mut  und  Kraft  in  die  Arena  hinabzusteigen. 

Ein  Mittelding  zwischen  Fehler  und  Verbrechen,  so  mußte  der  Einmarsch 
in  Luxemburg  (2.  Aug.)  imd  in  Belgien  (4.  Aug.)  bezeichnet  werden. 
Ein  deutscher  Vortrupp  drang  in  Belgien  ein  und  überbrachte  den 
Vorschlag  einer  freundschaftlichen  Neutralität,  mit  dem  er  jedoch 
auch  die  Berechtigung  für  das  gesamte  deutsche  Heer  in  Anspruch  nahm, 
durcli  belgisches  Gebiet  ziehen  zu  dürfen.  Die  Deutschen  beriefen  sich  auf 
eine  vorgebliche  Besetzung  Belgiens  seitens  der  französischen  Truppen. 
Nun  hatte  nicht  ein  einziger  französischer  Soldat  belgischen  Boden  betreten, . 
und  war  so  der  deutsche  Einmarsch  eine  handgreifliche  Verletzung  der 
belgischen  Neutralität,  die  Europa  in  einem  von  Frankreich,  England, 
Rußland,  Österreich  und  Deutschland  selbst  im  Jahre  1839  feierlich 
unterzeichneten  Vertrage  rückhaltlos  anerkannt  hatte. 

Seinen  Überlieferungen  unbedingter  Zuverlässigkeit  getreu,  entschied 
sich  England,  seiner  Unterschrift  Ehre  zu  erweisen  und  die  Unabhängigkeit 
Belgiens  mit  den  .Waffen  zu  verteidigen.  So  erklärte  es  Deutschland  den 
Krieg  (5.  August,  Mobilmachung  der  Flotte  am  3.  August  191 4)  und 
schickte  sein  kleines  Landheer  —  nach  einem  unbedachten  Worte  Wilhelms 
ein  verächtliches,  jämmerliches  Heerchen  —  zum  Festland  hinüber,  um 
hier   Recht  und   Gerechtigkeit  zu  verteidigen   (7.  August). 

Der  Weltkrieg  begann.  Auf  der  einen  Seite  Österreich  und  Deutschland, 
auf  der  anderen  Rußland,  Frankreich  und  England  zum  Schutze  der 
Überfallenen  beiden  Länder   Belgien  und   Serbien. 


548  Achtes  Buch. 


Jetzt  war  die  so  unbedeutende  Veranlassung  dieses  Krieges,  das  Attentat 
von  Serajevo,  völlig  vergessen.  Es  handelte  sich  nun  ausschließlich  noch 
um  die  Herrschaft  der  Welt. 

Und  sogar  um  noch  mehr  als  um  die  Herrschaft  der  Welt.  Sicher  muß 
schon  auf  Grund  der  Natur  ihres  Begriffes  stets  die  Gewalt  triumphieren! 
Aber  sollte  dies  in  der  Zukunftsgesellschaft  d  i  e  Gewalt  sein,  die  gegen 
das  Recht  kämpft,  und  nicht  vielmehr  die,  die  sich  auf  das  Recht  stützt  ? 


Die  militärische  Macht  der  beiden  Widersacher  war  zwar  nicht  eine 
bis  in  ihre  Einzelheiten  gleiche,  wohl  aber  eine  in  ihrem  gesamten  Um- 
fange gleichwertige. 

Wenn  man  sie  lediglich  vom  Standpunkte  der  Marine  aus  betrachtet, 
so  war  die  Flotte  Englands,  besonders  mit  Unterstützung  der  französischen 
und  der  russischen  Flotte,  gegenüber  der  österreichisch-deutschen  See- 
macht von  einer  erdrückenden  zahlenmäßigen  Überlegenheit. 

Nun  hängt,  wenn  man  auch  zugeben  muß,  daß  sich  kriegerischer  Mut 
und  kriegerische  Begabung  auf  beiden  Seiten  der  Gegner  die  Wage 
halten,  für  die  Dinge  der  Marine  einzig  und  allein  die  Überlegenheit 
von  der  Zahl  der  Geschütze  und  dem  Tonnengehalt  der  Panzerschiffe  ab. 
So  wurde  für  Deutschland  der  Seekrieg  zu  einer  Unmöglichkeit,  und 
hat  sich  in  der  Tat  von  Beginn  des  Feldzugs  an  die  deutsche  ;Flotte  in 
der  Kieler  Bucht  eingeschlossen  gehalten,  ohne  einmal  wagen  zu  dürfen, 
auf  die  offene  See  zu  gehen  oder  einen  zahlenmäßig  vierfach  überlegenen, 
d.  h.  also  viermal  so  mächtigen,  Gegner  herausfordern  zu  können. 

Das  russische  und  das  französische  Heer  standen  zahlenmäßig  dem 
deutschen  und  dem  österreichischen  Heere  keineswegs  nach.  Doch  das 
russische  Heer,  schlecht  befehligt,  durch  die  Käuflichkeit  einer  schamlosen 
Verwaltung  zerrüttet,  ohne  alle  Lebensmittel,  ohne  jedweden  Kriegs- 
und Schießbedarf,  wie  es  war,  war  im  Gegensatz  zu  der  vervollkommneten 
Ausrüstung  des  Feindes  nur  mit  einem  ganz  unzulänglichen  Kriegsmaterial 
ausgestattet.  Das  österreichische  Heer,  das  aus  Soldaten  der  verschieden- 
sten untereinander  feindseligsten  Nationalitäten  bestand,  bekam  erst  im 
Kampfe  ein  wenig  Zusammenhalt. 

Im  deutschen  wie  im  französischen  Heere  glühte  ein  gleich  großer 
Patriotismus.  Aber  das  deutsche  Heer,  das  von  einem  geschickten  und 
fähigen  Generalstabe  geleitet  wurde,  war  doppelt  so  stark.  Überdies  war 
■es  mit  einem  ganz  wunderbaren  Kriegsmaterial  versehen,  das  seit  langem 
mit  äußerster  Sorgfalt  vorbereitet  worden  war.    Das  7,5-cm-Geschütz  der 


Der  Vierjährige  Krieg  (1914 — 1918).  549 

leichten  Artillerie  war  sicher  dem  deutschen  Geschütz  überlegen,  aber 
diese  Überlegenheit  ersetzte  keineswegs  den  Mangel  an  schwerer  Artillerie. 
Das  deutsche  Flugwesen  verfügte  dem  französischen  gegenüber  über 
größere  Geschwindigkeit  und  auch  über  größere  Stärke. 

Was  die  serbischen  und  englischen  Truppen  angeht,  so  hatten  sie  in 
den  ersten  Monaten  des  Krieges  noch  einen  recht  schwachen  Effektiv- 
bestand. 

Der  Feldzugsplan  der  Deutschen  war  von  eben  solcher  Einfachheit  wie 
Kühnheit.  Den  Russen  stellten  sie  an  ihrer  Ostgrenze  nur  eine  dünne 
Schützenlinie  gegenüber  und  ließen  die  Österreicher  sich  hier  gegen 
das  kleine  serbische  Heer  ganz  allein  wehren.  Die  deutsche  Anstrengung 
setzte  ihre  ganze  Kraft  in  der  Hauptsache  gegen  die  Franzosen  und 
gegen  die  französische  Hauptstadt  ein.  ^^Nach  Paris''  bildete  gleich- 
zeiti.<?   das   Losungswort,   den   Kriegsruf  und   den   Feldzugsplan. 

Durch  Belgien  eindringen,  dieses,  ohne  auch  nur  einen  Schwertstreich 
tun  zu  brauchen,  durchziehen,  in  Frankreich,  durch  das  Norddepartement 
und  die  Ardennen  einmarschieren,  ohne  sich  vor  der  durch  Festungen 
und  verschanzte  Feldlager  geschützten  Ostgrenze  aufhalten  zu  brauchen, 
das  französische  Heer  in  einem  furchtbaren  Anlauf  überrennen,  sich 
schlagen,  noch  ehe  jenes  „jämmerliche  englische  Heerchen"  über  den 
Ärmelkanal  zu  gelangen  vermocht,  und  seine  Stellung  auf  dem  Festlande 
stärken,  noch  ehe  das  russische  Heer  seine  Mobilmachung  vollendet  hat, 
und  nach  Verlauf  von  noch  nicht  zwanzig  Tagen  im  Siegeslaufe  bis  nach 
Paris  vordringen,  sich  der  französischen  Hauptstadt,  des  Mittelpunktes 
der  gesamten  politischen  und  miUtärischen  Verteidigung  der  Verbands- 
mächte, bemächtigen,  um  sich  nun  erst  richtig  auf  Rußland  zu  werfen: 
das  war  der  deutsche  Aufmarschplan.  Er  ist  nicht  gelungen,  aber  er 
hätte  leicht  gelingen  können! 


Fürs  erste  hatten  die  Deutschen  nicht  einen  derartigen  Widerstand 
Belgiens    vorausgesetzt. 

Die  Stadt  Lüttich,  die  der  belgische  General  Leman  befehligte,  ver- 
teidigte sich,  anstatt  dem  Vorschlag  der  Deutschen  gemäß  zu  kapitu- 
lieren (5.  August),  aufs  heldenmütigste,  wodurch  das  französische  Heer 
in  die  glückliche  Lage  kam,  sich  nach  Nordosten  hin  konzentrieren  zu 
können.  Dessenungeachtet  blieb  das  deutsche  Heer  zahlenmäßig  noch 
17  Riebet,  Geschichte  der  Menschheit,  IL 


55o  Achtes  Buch. 


immer  weit  überlegen.  Am  20.  August  griff  es  das  französische  Heer  an 
(Namur  und  Charleroi,  22. — 24.  August).  Die  Franzosen  wurden  besiegt 
und  mußten  sich  zurückziehen.  Doch  der  Eindringling  sah  sich  genötigt, 
das  Tempo  seines  Vormarsches  zu  verlangsamen.  Es  war  nun  nicht 
mehr  die  kleine  militärische  Feldübung,  auf  die  er  gerechnet  hatte. 

Joffre,  der  Generalissimus  des  französischen  Heeres,  wollte,  aus  der 
Erkenntnis  heraus,  daß  angesichts  der  zahlenmäßigen  Überlegenheit  eines 
auch  noch  mit  einer  überlegenen  Ausrüstung  versehenen  Feindes  die 
Niederlage  gewiß  sei,  das  französische  Heer  nicht  einem  Zusammenbruch 
aussetzen,  und  so  faßte  er  den  schmerzlichen  Entschluß  einer  Zurücknahme 
des  Heeres,  doch  einer  solchen  Zurücknahme,  die  durch  ihren  defensiven 
Charakter  den  Angreifenden  erschöpfte.  Es  entspannen  sich  Kämpfe 
von  einer  geradezu  unerhörten  Heftigkeit.  Menschen  und  Pferde  sanken 
vor  Erschöpfung  dahin.  Doch  der  Vormarsch  ging  weiter.  Am  5.  Sep- 
tember stand  die  Heeresgruppe  Kluck  bereits  an  der  Marne,  nur  noch 
25  Kilometer  vor  Paris. 

In  derselben  Zeit,  wo  die  Heeresgruppe  Kluck  auf  Paris  vorrückte, 
griffen  zwei  andere  Heeresgruppen  im  Osten  an,  die  beide  eine  größere 
Stärke  hatten,  und  an  Munition  und  schwerer  Artillerie  besser  ausge- 
rüstet  waren  als   das   gegenüberstehende   Heer. 

Die  Lage  Frankreichs  war  beängstigend.  Die  Hauptstadt  war  ernstlich 
bedroht,  bis  zu  dem  Maße,  daß  die  Regierung,  um  nicht,  wie  im  Jahre  1870, 
in  Paris  eingeschlossen  zu  werden,  ihren  Sitz  nach  Bordeaux  verlegte. 
General  Galli^ni  wurde  mit  der  Verteidigung  von  Paris  vertraut. 

Bis  zum  5.  September  waren  die  französisch-englischen  Heeresabteilungen, 
ob  besiegt  oder  nicht,  beständig  zurückgegangen.  Da  hielt  Joffre  den 
Augenblick  für  gekommen,  diese  Rückbewegung  hier  an  der  Marne  zum 
Stehen  zu  bringen,  und  so  richtete  er  an  die  Soldaten  einen  Aufruf  in 
ebenso    schlichten   wie   markigen   Worten. 

Die  sich  nun  an  diesem  Flusse  entspinnende  Schlacht  dauerte  fünf 
volle  Tage.  Sie  entschied  das  Schicksal  des  Krieges.  Das  französische 
Heer  tat  in  jenen  Tagen,  einem  schönen  Worte  Maunourys  zufolge, 
mehr  als  seine  Schuldigkeit.  Am  Schlüsse  dieser  fünf  großen  Tage,  also 
am  10.  September,  waren  es  nunmehr  die  Deutschen,  die  zurückgehen 
mußten. 

Diese  Riesenschlacht,  die  dank  den  geschickten  Anordnungen  Joffres 
und  der  Heerführer  Galli^ni,  Castelnau,  Maunoury  und  Foch,  dank  vor 
allem  der  unvergleichlichen  Tapferkeit  der  Soldaten  gewonnen  wurde, 
bedeutete  einen  glänzenden  Siegw    Sie  war  für  die  Deutschen  keine  wilde 


Der  Vierjährige  Krieg  (1914— 1918).  55l 

ungeordnete  und  lärmende  Auflösung,  aber  sie  war  für  sie  gleichwohl  der 
Verlust  des  Krieges,  der  schwere,  unwiederbringliche  Verlust  des  Krieges. 
Die  Tragweite  ihrer  Folgen  war  unberechenbar.  Alle  Pläne  einer  stür- 
mischen Eroberung,  ohne  die  überhaupt  keine  Eroberung  denkbar  war, 
wurden  vernichtet.  Der  Rückzug  Klucks  hätte  sich  sogar  ohne  Zweifel 
in  einen  vöUigen  Zusammenbruch  verwandelt,  wenn  nicht  die  französische 
Kavallerie  —  ganz  ebenso  wie  die  deutsche  —  durch  wiederholte  Märsche 
erschöpft  gewesen  wäre,  und  wenn  die  Artillerie  über  reichere  Munition, 
verfügt  hätte.  Immerhin  blieben  von  der  Heeresgruppe  Kluck  auch  so 
nur  Trümmer  übrig,  die  sich  hinter  den  Schützengräben  zu  neuen  For- 
mationen   sammelten. 

Dieses  fünftägige  heldenmütige  Ringen,  das  nach  einem  stillen  all- 
gemeinen Übereinkommen  unter  dem  Namen  der  Marneschlacht  (5.  bis 
10.  September  1914)  bekannt  ist,  ist  das  größte  militärische  Ereignis 
des  Weltkrieges  und  vielleicht  der  Geschichte  überhaupt.  Das  deutsche 
Heer,  das  für  unbesieglich  galt,  wurde  völlig  zu  Boden  geschlagen. 
Ganz  wie  bei  Marathon,  wie  bei  Valmy,  wo  auch  die  Freiheit  der  Welt 
auf   dem   Spiele   stand,    ward  auch   hier  die   Freiheit   der   Welt  ^rettet. 


Während  die  Heeresgruppe  Kluck  bis  in  die  Isle  de  France  vordrang 
und  nach  Paris  zu  gelangen  suchte,  während  die  beiden  Heeresgruppen 
des  Kronprinzen  und  von  Bülows  vergeblich  durch  den  Argonner  Wald  zu 
kommen  und  Verdun  zu  nehmen  versuchten,  griff  eine  weitere  deutsche 
Heeresabteilung  Belgien  an.  Sie  sah  sich  nur  dem  kleinen  belgischen 
und   dem  kleinen   englischen   Heere  gegenüber. 

Dank  ihrer  Heeresstärke  und  ihrer  mächtigen  Artillerie  vermochten  die 
Deutschen  rasch  vorzugehen  und  sich  Brüssels  (20.  August),  Namurs 
(23.  August),  Antwerpens  (10.  Oktober),  Brügges  und  Thielts  (14.  Ok- 
tober), Ostendes  (24. — 31.  Oktober)  zu  bemächtigen.  Aber  als  sie  schließ- 
lich ,Ostende  eingenommen  hatten,  wurden  sie  nun,  unmittelbar  vor 
Ypern,  genötigt,  ihrem  Vormarsch  Halt  zu  gebieten.  Es  war  in  der  Tat 
eine  französische  Eliteabteilung,  die  Marineinfanteriedivision,  zur  Unter- 
stützung der  Briten  und  Belgier  angekommen  und  dann  zur  Verteidigung 
des  französischen  Küstenlandes  vorwärtsgestürmt.  Es  war  das  das  so- 
genannte Rennen  ans  Meer.  Nach  einer  Reihe  blutiger  Kämpfe  mußte 
das  deutsche  Heer  endgültig  darauf  verzichten,  über  Ypern  hinauszu- 
kommen. 
17* 


552  Achtes   Buch. 


Doch  nun  war  nahezu  das  gesamte  Belgien  von  dem  deutschen  Heere 
besetzt.  Es  bheb  von  dem  belgischen  Gebiete  nur  noch  ein  schmaler 
Streifen  Landes  an  der  nordwestlichen  Grenze  übrig.  So  büßten  die 
Belgier  durch  unverdientes  Leid  die  Ehre,  ihre  Unabhängigkeit  verteidigt 
zu  haben. 

König  Albert  und  die  Belgische  Regierung  sollten  nun  (13.  Oktober) 
in  Le  Havre  Frankreichs  Gastfreundschaft  genießen.  Viele  Belgier  ginggn 
in  die  freiwillige  Verbannung  nach  Paris,  wo  sie  eine  ihres  Heldenmutes 
und    ihres    Unglücks    würdige    Aufnahme    fanden. 

Das  belgische  Volk  aber  erduldete  das  grausamste  Martyrium.  Im 
Rausche  über  ihre  anfänglichen  Siege  zeigten  die  Deutschen  unverhohlene 
Absichten,  sich  das,  wie  sie  vorgaben,  ihrem  Handel  unentbehrliche 
Belgien  in  seinem  gesamten  Umfange  mehr  oder  weniger  offen  anzu- 
gliedern. Später  (1917 — 1918)  schränkten  sie  ihre  Ansprüche  allerdings 
etwas  ein;  doch  in  den  Jahren  191 4 — 191 5  betrachteten  sie  die  Er- 
oberung Belgiens  als  eine  endgültige;  sie  wiederholten  das  Wort  Napoleons, 
daß  sie  Antwerpen  brauchten  als  ein  gegen  England  aufgestelltes 
Geschütz.  Daher  behandelten  sie  denn  auch  die  Belgier  so,  wie  seit 
den  ältesten  Zeiten  der  Geschichte  die  Eroberer  die  Besiegten  immer  zu 
behandeln    pflegten. 

Ja,  vielleicht  sogar  noch  mit  mehr  Härte!  Eine  halb  zivile,  halb 
militärische  Verwaltung  wurde  in  Brüssel,  in  Antwerpen,  in  Lüttich, 
in  Gent  eingerichtet,  um  den  Bevölkerungen  Verordnungen  aufzuerlegen, 
die  ebenso  barbarisch  wie  kindisch  waren,  ganz  willkürliche  Steuern  zu 
erheben,  des  Landes  zu  verweisen,  auszuplündern,  zu  vergewaltigen  und 
auszuhungern.  Die  Heldentaten  des  Herzogs  Alba  und  der  Spanier  aus 
dem  17.  Jahrhundert  waren  vorüber.  Die  Einäscherung  Loewens 
(28.  August  191 4)  ist  eine  der  häßlichsten  Episoden  dieses  so  erbarmungs- 
losen Krieges,  in  dem  nicht  einmal  die  doch  schon  in  sich  reichlich  un- 
erbittlichen Gesetze  des  Krieges  Beachtung  fanden.  Es  lassen  sich  diese 
Verbrechen  nicht  etwa  durch  den  Einwand  entschuldigen,  daß  sie  ja  von 
einer  bewaffneten  und  rasenden  Soldateska  begangen  worden  seien,  wur- 
den doch  die  Plackereien  von  den  Heerführern  selbst  befohlen.  „Seid 
harti"  hatten  sie  in  ihren  so  lehrhaften  Schriften  immer  wieder  ausgerufen. 

Die  angeblich  gesetzmäßige  Hinrichtung  der  englischen  Krankenpflegerin 
Miß  Edith  Cavell  (Oktober  191 5)  zeigt  so  recht,  bis  zu  welchem  Maße 
sich  die  Vorstellung  von  Gut  und  Böse  in  der  deutschen  Seele  ver- 
wiirt  hatte.  Hoffen  wir  zur  Ehre  der  gesamten  Menschheit,  daß  auch 
in  den  Geist  der  Germanen  die  Erleuchtung  wieder  einziehen  wird,  daß 


Der  Vierjährige  Krieg  (1914 — 1918).  553 

sie  von  dieser  nur  allzu  langen  Verirrung  wieder  zu  sich  kommen 
und  sich  dann  über  die  von  ihnen  dereinst  begangenen  Verbrechen  ent- 
rüsten und  empören  werden. 

Was  aber  die  Belgier  selbst  angeht,  so  ist  nicht  bloß  ihr  Heer,  ^sondern 
auch  die  ganze  belgische  bürgerliche  Zivilbevölkerung,  deren  Vaterlands- 
liebe sich  nicht  einmal  durch  den  preußischen  Militärdespotismus  beugen 
ließ,  heldenmütig  und  tapfer  gewesen.  Der  höchst  ungeschickte  Versuch 
der  Deutschen,  einen  Gegensatz  zwischen  Flamen  und  Wallonen  schaffen 
zu  wollen,  hat  zum  Schluß  mit  dem  kläglichsten  Fiasko  geendigt. 


Auch  an  der  Ostfront  hatten  sich  große  Kämpfe  entsponnen.  An  der 
nordöstlichen  Grenze  Preußens  drangen  die  Russen  mit  einer  starken 
Kavallerie  ins  preußische  Gebiet  ein  und  gewannen  hier  die  Schlacht 
bei  Gumbinnen  (17. — 20.  August),  durch  die  sie  sich  Königsberg  bis  auf 
wenige  Kilometer  näherten.  Dieser  stürmische  Vormarsch  bestimmte  den 
deutschen  Generalstab,  ein  Armeekorps  nach  dem  Osten  zu  schicken, 
um  hier  die  deutsche  Landesgrenze  zu  verteidigen.  Der  greise  General 
Hindenburg,  der  diese  Heeresabteilung  befehligte,  machte  einen  kräftigen 
Gegenangriff  und  trug  dann  bei  Tannenberg  einen  glänzenden  Sieg  davon 
(26. — 29.  August).  Ein  ganzes  russisches  Armeekorps  wurde  vernichtet. 
Noch  heute  schwebt  ein  gewisses  Dunkel  über  der  Rolle,  die  damals  der 
russische  General  Rennenkamp  gespielt  hat.  Wie  es  auch  damit  sein  mag, 
in  jedem  Falle  gewann  von  diesem  Augenblicke  an  Hindenburg  in  Deutsch- 
land eine  in  dauerndem  Wachstum  befindliche  Volkstümlichkeit,  die  schon 
damals  so  groß  war,  daß  er  als  der  Befreier  aus  der  Not  angesehen  wurde. 

Während  es  auf  der  Westfront  zu  jener  Zeit  kaum  noch  etwas  anderes 
gab  als  einen  Schützengrabenkrieg,  einen  Abnutzungskrieg,  einen  Stel- 
lungskrieg, herrschte  an  der  russischen  Grenze  von  nun  an  ausschließ- 
lich der  Bewegungskrieg.  In  Galizien  nahmen  die  Russen  Lemberg  und 
Przemysl  (22.  März  191 5),  bedrängten  die  Österreicher  überall,  wo  sie 
sie  trafen,  und  wagten  sich  Ende  April,  zur  drohenden  Gefahr  von 
Budapest,  von  dem  sie  damit  nur  noch  300  Kilometer  entfernt  waren, 
in  die  Hohlwege  der  Karpathen.  Da  das  österreichische  Heer  sich  doch 
nicht  allein  gegen  die  Russen  zu  verteidigen  vermochte,  schickte  ihm  die 
deutsche  Heeresleitung  ein  gewaltiges  Heer  unter  dem  Befehl  eines  so 
tüchtigen  Feldherrn  wie  General  von  Mackensen.  Da  nun  mußten  die 
Russen  zurückweichen  und  Lemberg  räumen  (22.  Juni  191 5),  während 
anderseits  Hindenburg  in  Polen  und  Kurland  eindrang  und  sich  Warschaus 


554  Achtes   Buch. 


bemächtigte  (5.  August).  Im  September  191 5  war  ganz  Polen  von  Kowno 
bis  Czernowitz  in  den  Händen  der  Deutschen. 

So  erlitt  dieses  auch  schon  bisher  seit  ein  paar  Jahrhunderten  immer  wieder 
vom  Unglück  verfolgte  Polen  nun  auch  in  diesem  Weltkriege  dasselbe 
grausame  Schicksal  wie  Belgien,  waren  doch  die  Leiden,  die  diese  beiden 
Länder  zu  erdulden  hatten,  gleich  furchtbar.  Ja,  vielleicht  die  Polens  noch 
furchtbarer,  insofern,  als  hier  nicht  bloß  Plünderung,  Erpressungen,  Lan- 
desverweisungen und  Hunger  mit  gleicher  Heftigkeit  wüteten,  sondern  bei 
allen  polnischen  Patrioten  dies  alles  noch  durch  eine  gräßliche  sittliche 
Folter  erschwert  wurde.  In  beiden  kriegführenden  Heeren  waren  ja  Polen, 
denen  so  im  wahren  Sinne  des  Wortes  ein  brudermprderischer  Daseins- 
kampf angesonnen  war.  Posen,  Lemberg  und  Warschau  sind  eines  wie 
das  andere  polnische  Städte,  und  die  Kinder  Posens,  Lembergs  und  War- 
schaus ^wurden  auf  beiden   Seiten  ins   Heer  gestellt. 

So  war  denn  auch  der  Widerstand  Polens  gegen  den  deutschen  Ansturm 
nicht  zu  vergleichen  mit  dem  entsprechenden  Widerstände  Belgiens.  Ja, 
es  bestand  sogar  in  Warschau  eine  österreichisch-deutsche  Partei.  Wenn 
Österreich  und  Deutschland  nur  eine  Verständigung  über  die  polnische 
Frage  gefunden  hätten  und  bereit  gewesen  wären,  ganz  Polen  völlige  Unr 
abhängigkeit  zu  gewähren,  kein  Zweifel,  daß  die  Polen  sich  ihrerseits 
mit  ihnen  verbunden  hätten.  Aber  die  österreichisch-deutsche  Polenpolitik 
war  wenig  geschickt.  Sie  wollten  auch  nicht  auf  eines  ihrer  angeblichen 
Rechte  verzichten,  und  so  bewilligten  sie  dem  besetzten  russischen  Polen 
'nur  eine  Scheinautonomie,  mit  der  sie  weder  seinem  Volke,  noch  seinen 
Intellektuellen,  noch  auch  seinen  Juden  etwas  vormachen  konnten.  So 
mußten  die  Polen  unter  dem  Drucke  einer  äußerst  harten  Tyrannei  sich 
vorläufig  mit  Geduld  in  ihr  Schicksal  ergeben,  bis  ihnen  vielleicht  einmal 
die  Befreiung  von  anderer  Seite  käme.  Sie  konnten  wirklich  nicht  hoffen, 
daß  ihre  Tyrannen  von  gestern,  Russen,  Preußen  und  Österreicher,  nun- 
mehr ihre  Retter  werden  sollten. 

Die  großen  Erfolge  der  Russen  gegenübei  den  Österreichern  erklären 
sich  nur  zu  leicht.  Die  aus  Tschechen,  Slowaken,  Polen,  Italienern  bunt 
zusammengewürfelten  österreichischen  Heeresabteilungen  waren  in  ihren 
Leistungen  keineswegs  immer  gleichmäßig.  Manchmal  ergaben  sich  ganze 
■  Regimenter  ohne  jeden  Kampf.  Wie  kann  auch  an  Menschen,  mögen 
sie  auch  noch  so  gefügig  erscheinen,  das  Verlangen  gestellt  werden,  für 
eine  Fahne  zu  sterben,  die  sie  verabscheuen?  Jene  großen  Siege  aber, 
wie  sie  die  Deutschen  über  die  Russen  davongetragen  haben,  lassen  sich 
ohne  alle   Schwierigkeit  durch  die  furchtbare  Not  an  Kriegsmaterial  er- 


Der  Vierjährige  Krieg  (1914 — 1918).  555 

klären,  unter  der  das  russische  Heer  litt,  eine  Not,  die  sich  nicht  etwa 
bloß  auf  Munition  beschränkte,  sondern  auch  an  Gewehren  und  Geschützen 
nicht  um  das  mindeste  geringer  war,  und  durch  die  anarchische  Unordnung, 
die  schon  in  jener  Zeit  in  dem  russischen   Heere  herr^hte. 

An  der  Westfront  hatten  die  beiden  kriegführenden  Parteien  seit  dem 
Oktobermonat  des  Jahres  191 4  feste  Stellungen  bezogen,  die  sie  so  stark 
ausbauten,  daß  sie  bis  zum  Oktober  191 8,  also  vier  schwere  Jahre  hin- 
durch, kaum  irgendwelchen  nennenswerten  Änderungen  unterworfen  waren. 

Vier  Jahre  hindurch  sollte  nunmehr  der  Bewegungskrieg  vollkommen 
ruhen;  vier  Jahre  hindurch  sollte  es  nun  nur  noch  einen  Krieg  geben, 
dessen  lange  Dauer  vorher  niemand  vorauszusehen  und  dessen  Bedingimgen 
vorher  ebensowenig  jemand  auch  nur  im  entferntesten  zu  vermuten  gewagt 
hätte.    Es  wurde  eben  ein  Schützengraben-  und  Stellungskrieg. 

Gräben  wurden  auf  beiden  Seiten,  mochte  es  sich  auch  um  mergeliges, 
kreidiges,  sumpfiges  Gelände  handeln,  in  einer  riesenhaften  Ausdehnung, 
von  Beifort  bis  Ostende,  angelegt,  und  die  beiden  gewaltigen  Heere  ver- 
harrten Antlitz  gegen  Antlitz  in  ihrer  Stellung,  um  sich  Tag  für  Tag  gegen- 
seitig ab  und  zu  ein  kleines  Schrapnell-,  Maschinengewehr-,  Gewehr-  tmd 
Granatenfeuer  zu  bereiten  und  immer  wieder  vergebliche  Anstrengungen 
zu  einem  „Durchbruch"  der  gegnerischen  Verteidigungslinie  zu  machen, 
die  alles  in  allem  nur  in  ebenso  ruhmvpllen  wie  unnützen  blutigen  Hand- 
gemengen endigten. 

Gab  es  doch  hinter  der  ersten  Linie  noch  eine  und  dann  wieder  leine 
und  immer  wieder  eine,  die  alle  ganz  ebenso  gut  gesichert  waren,  wie  die 
erste,  und  die  der  Angegriffene  nach  Bedürfnis  noch  immer  mehr  befestigen 
konnte. 

In  den  Theorien  und  den  Prinzipien  des  Krieges  trat  eine  völlige  Um- 
wäUunff  ein.    Von  den  in  den  technischen  Schriften  gelehrten  Überliefe- ! 
rungen  blieb  rein  nichts  übrig,  rein  nichts,  es  müßten  denn  jene  allgemem- 1 
gültigen  psychologischen  Wahrheiten  hierher  gerechnet  werden,  denen  zu  ■ 
allen  Zeiten  die  materiellen  Bedingungen  des   Kampfes  unterworfen  sind. 
Auf  einer  weiten    500  Kilometer  langen  Front,  von  Beifort  bis  Ostende, 
bedeckte    eine    gewaltige    Artillerie    die    gegnerischen    Schützenlinien    und 
Schützengräben  unaufhörlich  unter  dem   Hagel  ihrer  Geschosse.    Es  war 
das  eine  Verschwendung  von  Munition,  wie  sie  vorher  noch  nie  gesehen 
worden  war.    Um  nun  diese  wahren  Orgien  im  Gebrauche  von  Feuerwaffen 
befriedigen  zu  können,  mußten  ganze  Fabriken  gebaut  und  Tausende  von 
Arbeitern   und  auch   Ai-b eiterinnen   eingestellt   werden.    In   Frankreich,  in 
England,   in   Deutschland,    in    Italien,    überall,    sogar   in   den   Vereinigten 


556  Achtes  Buch. 


Staaten  von  Nordamerika,  die  für  den  Mächteverband  arbeiteten,  wurden 
immer  neue  Fabriken  erbaut;  die  einstmals  für  Werke  des  Friedens  be- 
stimmt gewesenen  Werkstätten  wurden  nun  in  Kriegswerkstätten  verwandelt. 
Es  bestand  keine, andere  Industrie  mehr  als  die  der  Konstruktion  von  Ge- 
schützen, Maschinengewehren,  Fliegern,  Panzerschiffen,  vor  allem  auch 
die  der  Herstellung  von  Explosivstoffen,  Schrapnells,  Patronen,  Torpedos, 
Bomben,   Granaten. 

Selbst  wenn  verhältnismäßige  Ruhe  herrschte  und  keine  allgemeine  Offen- 
sive eröffnet  war,  war  der  Munitionsverbrauch  schon  sehr  stark,  nun  erst  im 
Augenblick   der   Offensive,   wo   er   sich   verhundertfachte! 

Sobald  ein  Sturmangriff  in  Vorbereitung  ist,  wird  der  feindliche 
Graben  stunden-,  ja  bisweilen  tagelang  mit  so  starkem  und  dichtem  Feuer 
bedeckt,  daß  kein  lebendes  Wesen  weit  und  breit  verschont  bleibt  —  sogen. 
Trommelfeuer  — ,  während  in  der  gleichen  Zeit  ein  heftiges  Gewehrfeuer,  das 
hinter  der  Linie  erschallt,  den  Verteidigern  des  Grabens  verbietet,  Verstär- 
kungen heranzuführen,  da  sie  dann  durch  eine  undurchschreitbare  Feuer- 
linie (sogen.  Sperrfeuer)  hindurchmüßten.  So  kommt  es,  daß  der  Sturm- 
angriff zunächst  fast  immer  gelingt  und  sich  die  Infanterie  ohne  allzu  erheb- 
liche Verluste  der  Gräben  der  ersten  Linie  bemächtigen  kann.  Aber,  sind  erst 
einmal  diese  Gräben  eingenommen,  dann  kommt  die  Reihe  wieder  an 
den  Verteidiger,  den  Graben,  dessen  Eroberung  sich  damit  als  ebenso 
einfach  wie  vergänglich  erwiesen  hat,  nun  seinerseits  mit  Feuer  zu  bedecken 
und  durch  Sperrfeuer  von  sich  aus  nun  seinerseits  dem  Angreifer  zu  ver- 
wehren, neue  Truppen  zu  schicken. 

Diese  Artilleriekämpfe  —  sofern  wenigstens  ihre  Ausdehnung  nur  einige 
Kilometv^r  weit  reicht  —  verbrauchen  in  wenigen  Stunden  ganz  unglaub- 
liche Vorräte  an  Munition.  Sie  müssen  immer  wieder  erneut  und  schnell  an 
die  Front  gebracht  werden.  Da  gilt  es  Fahrstraßen,  Überführungen, 
Brücken  anzulegen,  schmalspurige  Eisenbahnen  zu  erbauen,  Proviant- 
stellen einzurichten.  Es  ist  ein  ungeheures  Material,  das  im  weiteren 
Etappengebiet  hinter  der  Front  eine  ungeheure  industrielle  Anstrengung 
erheischt.  , 

I  Es  kann  hier  nicht  auf  alle  Einzelheiten  dieser  ganzen  Kriegsindustrie 
I  eingegangen  werden.  Sie  ist  einfach  bewundernswert  und  müßte  uns  eine 
i  hohe  Vorstellung  von  der  Intelligenz  des  Menschen  geben,  wenn  nicht  in 
i  letzter  Instanz  dieser  ganze  Scharfsinn  seine  einzige  Aufgabe  in  Zerstörung 
i  und   Tod   sähel 

'      Die  Maschinengewehre,  die  schon  vor  1870  von  einem  französischen  Of- 
fizier erfunden  worden  sind,  gewinnen  nun  plötzlich  eine  ganz  unerwartete 


Der  Vierjährige  Krieg  (1914— 1918).  55j 

Bedeutung.  Jede  Kompanie  ist  damit  versehen;  ein  einziges  Maschinen- 
gewehr kann  in  wenigen  Minuten  durch  sein  fächerförmiges  Schießen  etwa 
tausend  Infanteriegewehre  ersetzen.  An  günstigen  Punkten  aufgestellt  und 
von  drei  bis  vier  tüchtigen  und  entschlossenen  Schützen  bedient,  kann  es 
ein   ganzes    Regiment   aufhalten. 

Die  Deutschen  sind  die  ersten  gewesen,  die  giftige  oder  Stickgase  ange- 
wandt haben.  Zunächst  bedienten  sie  sich  dazu  des  Chlors,  das  sie  aus  großen 
Flaschen,  die  es  in  komprimiertem  Zustande  enthielten,  in  riesigen  Wellen 
herausließen.  In  einer  Mischung  von  Zinnchlorür  breitete  sich  das  Chlor 
in  Form  von  dichten  Nebelschleiern  aus,  die  der  Wind  zu  dem  feindUchen 
Schützengraben  trieb,  wo  sie  Ersticken  und  Tod  brachten.  Eine  solche 
Chlorwelle  überraschte  im  Jahre  191 5  die  Kanadier,  die  dem  völlig  hilflos 
gegenüberstanden. 

Dann  gelang  es,  die  Wirkungen  der  Chlorwellen  durch  Masken  mit 
Chlor  neutralisierenden  Substanzen  aufzuheben. 

Später  wieder  wurden  die  Gasschleier  durch  mit  äußerst  schädlich  zusammen- 
gesetzten giftigen  Stickgasen  (benzoylhaltigem  Bromür,  Arsin,  kohlenstoff- 
haltigem Oxychlorür,  chloräthylhaltigem  Schwefel)  gefüllte  Bomben  ersetzt, 
die  beim  Explodieren  das  Gas  herauslassen,  das  seinerseits  vielleicht  noch 
mehr  als  die  Eisenstücke  dazu  beiträgt,  eine  mit  Artilleriefeuer  bestrichene 
Gegend  unhaltbar  zu  machen.  Zum  Schutze  gegen  diese  sich  aus  den 
explodierenden  Granaten  entwickelnden  zerstörenden  Gase  war  eine  ganz 
besondere  Art  von  Masken  einfach  unentbehrlich.  So  wurde  das  Tragen 
der  Maske  notwendig  und  vorschriftsmäßig.  Man  lernte  auch  Helme 
konstruieren,  die,  wenn  auch  nicht  die  Kugeln,  so  doch  wenigstens  die 
kleinen  Eisen-  oder  Stahlsplitter  abwehrten. 

Da  die  Gräben  durch  dichte  Stacheldrahtverhaue  geschützt  waren,  mußte 
der  Angreifer  wirksamere  Zerstörungsprozesse  ersinnen  als  ein  selbst  sehr 
lebhaftes  Artilleriefeuer.  In  dem  letzten  Kriegsjahre  erfanden  die  engHschen 
Ingerlieure  ein  mächtiges  Angriffsmittel,  das  besonders  im  Sommer  191 8 
eine  erstaunlich  wirkungsvolle  Tätigkeit  entfaltete,  die  Tanks,  schwer 
gepanzerte  bombenfeste  Maschinen,  die,  duch  Petroleummotore  in  Bewe- 
gung gesetzt,  bei  ihrem  Anrücken  alles,  was  sie  auf  ihrem  Wege  finden, 
niederreißen,  ohne  sich  selbst  irgendwie  vor  Gewehr-  oder  selbst  Ma- 
schinengewehrfeuer fürchten  zu  brauchen. 

Es  hatte  vor  dem  Kriege  die  allgemeine  Ansicht  geherrscht,  daß  die 
alten  Handgemenge  mit  ihren  Nahkämpfen  nicht  mehr  erlebt  werden 
würden.  Auch  sie  wurden  wieder  erlebt.  Die  Schützengräben  wurden  von 
den  einen  Soldaten  verteidigt  und  den  anderen  angegriffen,  bis  sie  schließ- 


558  Achtes   Buch. 


lieh  jMann  gegen  Mann  miteinander  rangen;  eine  sehr  mörderische  Waffe 
war  die  Handgranate,  die,  auf  einige  Meter  geworfen,  platzt,  um  mit  den 
mörderischen  Splittern,  die  sie  aussendet,  Tod  und  Verderben  zu  speien. 

Die  sämtlichen  Beobachtungsposten  waren  durch  Telephone  miteinander 
verbunden;  Lastautomobile  schafften  Lebensmittel  und  Munition  heran, 
Tausende  von  Menschen  entfalteten,  nur  wenige  Kilometer  von  der  Schützen- 
grabenlinie entfernt,  eine  fieberhafte  Tätigkeit. 

Innerhalb  dieser  Tätigkeit  spielte  die  Kavallerie  eine  geradezu  klägliche 
Rolle.  So  wurden  denn  auch  die  meisten  Kavallerieregimenter  bald  eins 
nach  dem  anderen  zum  Infanteriedienst  befohlen. 

*  ♦ 

Ganz  einzigartig  vervollkommnete  sich  ini  Laufe  dieser  vier  Jahre  das 
militärische  Flugwesen.  Anfangs  hatten  die  den  neuen  Ideen  widerstreben- 
den Generalstäbe  nicht  einsehen  wollen,  welchen  hervorragenden  Einfluß 
auf  das  Schicksal  aller  Schlachten  diese  neue  Waffe  ausüben  sollte.  Erst 
sehr  langsam  und  spät  dämmerte  die  Erkenntnis  dafür  auf,  war  doch  das 
deutsche  Flugwesen  drei  Jahre  lang  einfach  überlegen  gewesen,  bis  mit 
dem  Beginn  des  vierten  Jahres  endlich  die  Verbündeten  durch  die  Zahl 
ihrer  Flieger  eine  wirkliche  Überlegenheit  über  jenes  in  seiner  Herrschaft 
über  die  Luft  gewannen,  eine  Überlegenheit,  die  nicht  wenig  zu  dem  end- 
gültigen Siege  beitrug. 

Die  Geschwindigkeit  einiger  FUeger  beträgt  im  Jahre  191 8  das  Dop- 
pelte von  der,  die  die  schnellsten  von  ihnen  im  Jahre  191 2  hatten.  Es 
gibt  deren  einige,  die  in  der  Stunde  250  Kilometer  machen  und  1000 
Kilo  Bomben  mit  sich  führen  können.  Es  gibt  Jagdflieger,  die 
schnellsten  ihrer  Gattung,  die  als  solche  mit  dem  Nachrichten- 
dienst betraut  sind,  mit  Maschinengewehren  bewaffnet  den  feindlichen 
Flugdienst  zu  bekämpfen  haben  und  den  Beobachtungs-  und  den  Bom- 
benfliegern zum  Schutze  dienen  sollen,  Pie  BeobachtungsfHeger 
überwachen  die  Bewegungen  des  Feindes,  machen  photographische  Auf- 
nahmen, stehen  durch  drahtlose  Telegraphie  mit  den  Artillerieposten 
in  Verbindung  und  geben  wertvolle  und  zuverlässige  Angaben,  welche 
Punkte  die  Artillerie  zu  beschießen  hat.  Die  Bombenflieger  sollen 
über  feindliche  Ansammlungen  Bomben  werfen,  (Schienengeleise,  Bahn- 
höfe, Schuppen,  Feldlager  und  dergleichen  zerstören  und  die  Munitions- 
und  Provianttransporte   beunruhigen. 

Weder  die  einen,  noch  die  anderen  haben,  sobald  sie  in  einer  Höhe 
von  mehr  als   2500  Metern  'sind,   noch  irgend  etwas   von  der   Infanterie 


Der  Vierjährige  Krieg  (1914 — 1918).  55g 

des  Feindes  und,  sobald  sie  sich  3500  oder  4000  Meter  erheben,  auch 
nur  noch  wenig  von  seiner  Artillerie  zu  fürchten.  In  Wahrheit  braucht 
sich  der  Flieger  ganz  allein  vor  dem  Flieger  zu  bangen,  so  daß  die  Herr- 
schaft über  die  Luft  schließlich  dem  Heere  zufällt,  das  über  die  zahl- 
reichsten Flieger,  wie  die  Herrschaft  über  das  Meer  der  Seemacht,  die 
über  die  meisten  Schiffe  und  Kanonen  verfügt.  Seit  dem  Monat  Juni  des 
Jahres  1918  haben  die  Verbündeten  die  Herrschaft  über  die  Luft  be- 
sessen und  darin  hat  auch  ;eine  der  großen  Ursachen  ihres  Sieges  ge- 
legen. 

Die  großen  lenkbaren  Luftballons  aber  mit  ihren  sinnreichen  Maschinen, 
die  nur  den  Soldaten  schadeten,  (die  sie  bestiegen,  die  sogen.  Zeppeline, 
die  ihren  Namen  nach  dem  deutschen  Offiziere  tragen,  der  sie  vervoll- 
kommnet hat,  haben  ein  weithin  schallendes  Fiasko  gemacht;  denn  es 
bedeutet  nicht  etwa  einen  nützlichen  und  glänzenden  kriegerischen  Triumph, 
schwere   Explosivbomben   über   eine   friedliche   Stadt  geworfen   zu   haben. 

Auf  dem  Gebiete  des  Luftschiffwesens  sind  einzig  und  allein  die  Fessel- 
ballons erwähnenswert,  die  zu  Beobachtungszwecken  dienten  (in  ihrer 
phantasievollen  Sprache  nannten  sie  die  Soldaten  Würste).  Ein  in  solchem 
Ballon  aufgestiegener  Offizier  konnte  die  feindlichen  Bewegungen  und 
das  feindliche  Feuer  weithin  wahrnehmen  und  dem  Kommandoposten  die 
Ergebnisse  seiner   Beobachtungen  bequem  telephonieren. 


Die  Entwicklung  dieser  ganzen  riesenhaften  Kriegsmaschine  hat  die 
mannigfachsten   Folgen  gezeitigt. 

Zunächst  die  großen,  unerhörten  und  bis  ans  Unglaubliche  streifenden 
Ausgaben.  Eine  genauere  Schätzung  ist  völlig  unmöglich,  doch  bleibt  man 
höchstwahrscheinlich  noch  hinter  der  Wirklichkeit  zurück,  wenn  man 
sagt,  daß  für  die  Gesamtheit  aller  Kriegführenden  die  Ausgaben  nahezu 
eine  halbe  MiUiarde  pro  Tag  erreichten.  Natürlich  ist  es,  um  diesen  hohen 
Anforderungen  zu  genügen,  ganz  unumgänglich  gewesen,  Anleihen  auf- 
zunehmen, und  so  sind  im  Laufe  des  Krieges  die  Schulden  jedes  Landes 
auf  ihren  fünffachen  Betrag  angewachsen.  Europa  (Italien,  Frankreich 
und  England)  hat  von  Amerika  über  200  Milliarden  entliehen.  Nur 
für  die  Bezahlung  der  bloßen  rückständigen  Zinsen  dieser  Schuld  sind 
die  Steuern  verdoppelt  und  verdreifacht  worden.  Doch  das  ist  erst 
ein  schüchterner  Anfang,  und  bald  werden  sie  ins  Riesenhafte  gewachsen 
sein. 


56o  Achtes   Buch. 


Da  wegen  des  Mangels  an  Transportmitteln,  Ackerbau  und  Handarbeit 
eine  ungeheure  Not  an  Lebensmitteln  herrschte,  wurde  das  Angebot  von 
der  Nachfrage  überstiegen  und  alle  Preise  in  die  Höhe  getrieben,  viel- 
leicht noch  mehr  für  die  Fabrik-  als  für  die  Nahrungserzeugnisse,  so  daß 
das    Leben    dreimal    teurer    geworden    ist,    als    es    vor    dem    Kriege    war. 

Eine  furchtbare  Kette  immer  neuer  verhängnisvoller  Folgen!  Wenn 
dann  das  Leben  immer  kostspieliger  wird,  müssen  auch  die  Löhne  immer 
höher  steigen,  und  nun  bringt  die  gewaltige  Lohnerhöhung  auch  wieder 
eine  gewaltige  Steigerung  der  Ausgaben  mit  sich.  Wie  sollen  die  zu- 
künftigen Budgets  der  europäischen  Völker  —  und  namentlich  Deutsch- 
lands —  ihre  ungeheuren  Schulden  zu  bezahlen  vermögen?  Es  ist  das 
einfach  unmöglich  vorauszusagen.  Alles,  was  sich  heute  sagen  läßt,  ist 
nur,  daß  der  Wert  des  Silbers  (und  des  Goldes)  wenigstens  um  die  Hälfte 
herabgegangen  ist,  was  genau  dasselbe  ist,  als  wenn  man  sagen  würde, 
daß   sich  die  Gegenstände  um  das  Doppelte  verteuert  haben. 

Trotz  der  den  Frauen  der  Krieger  gewährten  Unterstützung,  trotz  der 
riesigen  Lohnerhöhungen  war  auch  das  Leben  zu  Hause  ein  hartes. 
Doch  ein  um  wieviel  härteres  war  das  der  fünf  Millionen  bewaffneter 
Männer,  die  während  dieses  ganzen  langen  Krieges  an  den  Schlachtfronten 
lebten!  Hier  galt  es,  den  Stürmen  mörderischer  Geschosse  und  ver- 
nichtender Gase  zu  trotzen,  in  Kot,  Schnee  oder  Blut  zu  schlafen,  Seite 
an  Seite  mit  den  verwesten  Leichnamen,  Seite  an  Seite  mit  den  noch 
röchelnden  Sterbenden,  oft  ohne  alle  Lebensmittel  oder  höchstens  mit 
stinkenden.  Und  selbst  an  den  Ruhetagen  waren  die  aufreibendsten  Ar- 
beiten zu  verrichten.  Unterstände  zu  bauen,  die  Erde  umzugraben,  Heer- 
1  Straßen  auszubessern.    Ein  furchtbares,  ja  ein  furchtbares  Dasein! 

Und  doch  haben  die  Soldaten  .diesem  Dasein  mit  ruhigem  Mute  ins 
Auge  gesehen,  ohne  sich  zu  beklagen.  Sie  haben  „fürs  Vaterland" 
den  Tod  mit  allen  seinen  Qualen  erlitten. 

Es    wäre    doch    zunächst    zu    erwarten    gewesen,    daß    durch    die    Ent- 

wickelung  des   Luxus  und  einer  verfeinerten  Gesittung  die  Seelen  immer 

weibischer    und    die    Sinne    immer    schlaffer    geworden    wären.     Doch    in 

I  Wirklichkeit    gestaltete    sich    die    Sache    ganz    anders.     —    Niemals    war 

kriegerischer  Heldenmut  so  stark.    Niemals,  Selbst  in  den  Zeiten  »Spartas 

!  und  Roms,  hatte  Opfermut  eine  so  starke  Macht  über  die  Herzen. 

Und  es  war  das  um  so  bemerkenswerter,  als  die  Kämpfer  keineswegs,  sei  es 
die  Offiziere,  sei  es  auch  die  Soldaten,  berufsmäßige  Krieger  waren.  Nach  dem 
ersten  Kriegs  jähr  war  kein  Offizier  aus  dem  Aktivenbestande  —  wenigstens 
für   die   niederen   Kaders   —   übriggeblieben,   der  nicht   entweder  gefallen 


Der  Vierjährige  Krieg  (1914 — 1918).  56 1 

oder  verwundet  oder  gefangengenommen  worden  wäre,  und  das  ging  so 
weit,  daß  jene  Offiziere  in  der  einen  oder  anderen  Heeresabteilung  durch 
Zivilisten,  Ingenieure,  Handwerker,  Kaufleute,  Lehrer,  Landarbeiter,  An- 
wälte, Beamte  ersetzt  werden  mußten,  die  Offizier^funktionen  übernahmen, 
übernahmen  mit  soviel  Patriotismus,  Kenntnis  und  Gewicht,  daß  diese  neuen 
Offiziere,  die  gewiß  keine  berufsmäßigen  waren,  aber  die  den  Krieg  in  der 
rauhen  Schule  des  Krieges  erlernt  hatten,  doch  mindestens  so  geübt  und  so 
fähig   waren    wie   die    Offiziere   von   Fach. 

In  vier  Jahren  erfahren  die  Kriegsmethoden  eine  solche  Umgestaltung, 
daß  zwischen  den  Armeen  von  191 8  und  denen  von  191 4  ein  Jahrhundert 
der  Erfindungen  und  des  Fortschrittes  zu  liegen  schien. 


Gleich  in  den  ersten  Septembertagen  hatten  die  Verbandsmächte  be- 
schlossen, ihre  Überlegenheit  als  Seemächte  auszunützen  und  über  Deutsch- 
land die  Blockade  zu  verhängen.  Es  läßt  sich  kaum  irgend  etwas  erdenken, 
was  noch  so  wenig  gegen  das  Kriegsrecht  verstoßen  hätte.  Blockade  und 
Aushungerung  sind  militärische  Waffen,  die  von  den  Kämpfenden  seit  un- 
denklichen Zeiten  noch  nie  verachtet  worden  sind.  Auch  Metz  im  Jahre  1870 
und  Paris  im  Jahre  1871  sind  nicht  durch  menschliche  Gewalt  genom- 
men, sondern  durch  Blockade  zur  Übergabe  gezwungen  worden. 

So  wurde  die  Blockade  beschlossen.  Wäre  sie  überall  streng  durchge- 
führt worden,  wäre  der  Krieg  in  zwei  Jahren  zu  Ende  gewesen.  In 
der  Tat  können  Deutschland  und  Österreich-Ungarn  ausschließlich  aus 
ihren  eigenen  Nahrungsmittelbeständen  höchstens  sieben  bis  acht  Monate 
leben.  Durch  die  bloßen  aufgehäuften  Vorräte  hätte  vielleicht  die  Periode 
Mai  bis  August  191 5  überwunden  werden  können,  doch  die  gleiche  von 
1916?  Zudem  kann  doch  der  Boden  jener  beiden  Länder  nicht  Kupfer, 
Petroleum,  Gummi  und  die  für  das  Kriegsmaterial  so  notwendigen  Schmier- 
öle   liefern. 

Die  Blockade  war  eben  nur  sehr  unvollkommen.  Es  handelte  sich  nämlich 
darum,  sich  nicht  die  Sympathien  Amerikas  zu  entfremden.  Wie  sollte  auch 
der  Durchgangshandel  amerikanischer  Waren  durch  Schweden,  Dänemark 
und  vor  allem  Holland  verhindert  werden?  Durch  die  niederrheinischen 
Kanäle  von  Amsterdam  und  Rotterdam  bis  Köln  haben  ungeheure  Züge  von 
Schiffen  beständig  Lebensmittel  nach  Deutschland  geschafft.  Die  Statistiken 
haben  bewiesen,  daß  im  Jahre  191 5  die  Holländer  zehnmal  mehr  Lebens- 
mittel verbraucht  haben  als  in  den  vorhergehenden  Jahren.  Dieses  ganze 
Mehr  an  Lebensmitteln  floß  offenbar  nach  Deutschland  zum  Nachteil  der 


562  Achtes  Buch. 


holländischen    Volksmassen,    die    mit    Ausnahme    einiger    Großkaufleute, 
die  sich  daran  unbedenklich  bereicherten,   ganz  maßlos  litten. 

Zudem  beschränkte  und  regelte  Deutschland  mit  einer  Energie,  die  ein- 
fach zu  bewundern  ist,  seinen  Verbrauch  in  einer  Weise,  daß  es  bis  zum 
November  191 8  zu  leben  hatte,  natürlich  nur  kärglich  und  kläglich,  aber 
doch  immerhin  zu  leben  hatte. 

Um  die  Mitte  des  Jahres   191 7  wurde  nun  auch  die  Blockade  strenger. 

Damals  aber  gerade  öffnete  sich  für  Deutschland  Rußland;  Rumänien 
wurde  besiegt,  zwischen  Berlin  und  Konstantinopel  wurde  ein  freier  Verkehr 
eingerichtet,  und  so  gab  es,  auch  ohne  daß,  sei  es  die  Ukraine,  sei  es 
Rumänien,  die  so  heiß  ersehnten  Nahrungsmittel  brachten  —  die  Bauern 
schlugen  einfach  jede  Verhandlung  ab  —  gleichwohl  einen  hinlänglichen 
Export  zum  Ausgleich  der  zunehmenden  Strenge  der  Blockade. 

Für  alle  Fälle  gab  das  deutsche  Volk  ein  seltenes  Beispiel  von  Beharr- 
lichkeit.   Diese  Unterwerfung  unter  einen  ungerechten  Herrscher,  der  als 
Vertreter  des  Vaterlandes  gilt,  hat  vielleicht  etwas  von  Serviüsmus,  aber 
I  jedenfalls  von  einem  Servilismus,  der  an  Heroismus  grenzt. 

Als  die  Deutschen  ihre  Panzerschiffe  aus  der  Kieler  Bucht  unmöglich 
ausfahren  zu  lassen  vermochten,  führten  sie  den  sogenannten 
verschärften  U-Boot-Krieg  e  i  n,  und  es  war  eine  der  Überraschungen  in 
jener  an  Überraschungen  so  reichen  Zeit,  daß  diese  nahezu  völlig  neue 
Waffe   so   bald   eine   derartige   Bedeutung   erlangen   konnte. 

Ein  genialer  französischer  Ingenieur,  Jules  V  e  r  n  e ,  hatte  um  das  Jahr 
1865  herum  den  Nautilus  ersonnen,  ein  Schiff,  das  unter  den  Fluten  fahren 
konnte,  unter  denen  es  unsichtbar,  ja  geradezu  unangreifbar  wurde.  Ein 
französischer  Marineoffizier  mit  Namen  Z6d6  hatte  zum  erstenmal  ein 
Unterseeboot  für  die  Kriegsflotte  erbaut,  und  einige  wenige  Tauchboote 
waren  bereits  im  Jahre  191 4  in  den  Schiffswerften  vorhanden,  ohne  daß 
ihnen  ein  großer  Kampfwert  beigemessen  wurde.  Im  Jahre  191 4  erbauten 
die  Deutschen  zum  Ersätze  für  die  erzwungene  Untätigkeit  ihrer  auf  den 
Fluten  schwimmenden  Seemacht  viele  U-Boote  (etwa  360),  vervollkommneten 
deren  Konstruktion  immer  mehr  und  machten  sie  Yü'  einer  gewaltigen  und 
gefährlichen  Waffe. 

Diese  Tauchboote  verfolgen  unter  den  Fluten  ihre  unsichtbare  Bewegung, 
um  auf  die  Panzerschiffe  wie  auch  wohl  auf  die  Passagierdampfer  ihre 
explodierenden  Torpedos  derart  zu  werfen,  daß  in  nur  wenigen  Sekunden 
auch  das  größte  Panzerschiff  und  auch  der  riesigste  Passagierdampfer 
in  die  Luft  fliegen. 

*  ♦ 


Der  Vierjährige  Krieg  (1914— 1918).  663 

Wenn  auch  die  diplomatischen  und  die  miUtärischen  Tatsachen  unter  sich 
in  engem  Zusammenhange  stehen,  müssen  sie  doch  getrennt  dargelegt 
werden,  wiewohl  die  Verkettung  der  Tatsachen  der  Diplomatie  auf  die 
militärischen  Tatsachen  zurückwirkt,  ja  noch  mehr,  wenn  auch  die  militä- 
rischen   Tatsachen    ganze    Bündnisse    und    Vertragsbrüche    bestimmen. 

Schon  gleich  in  den  ersten  Kriegstagen  hatten  sich  noch  Japan  und 
Portugal  den  Verbandsmächten  angeschlossen;  ihre  Waffen  bildeten  aller- 
dings für  sie  nur  eine  sehr  mittelmäßige  Hilfe.  Japan  bemächtigte  sich,  ohne 
irgendwelchen  erheblichen  Widerstand  zu  finden,  Kiautschaus  (21.  August) 
und  der  Marshallinseln  (6.  Oktober).  Von  Portugal  aber  ist,  soweit 
wir  nicht  etwa  noch  auf  die  Sendung  einer  Division  an  die  Westfront 
i.  J.  191 6  Rücksicht  nehmen,  kaum  etwas  anderes  als  sein  Auftreten 
in  Afrika  bemerkenswert.  Die  Geschichte  dieses  afrikanischen  Feldzuges 
in  den  deutschen  Kolonien  ist  auch  heute  noch  ziemlich  unklar.  Sie 
bestand  in  mühevollen  Märschen  in  halbverödeten  Landschaften,  in  denen 
es  weder  Straßen  noch  Transportmittel  gibt.  Die  französischen,  englischen 
und  portugiesischen  Streitkräfte  waren  mit  einem  Wort  überall  siegreich, 
und  das  riesige  afrikanische  Reich,  das  Deutschlands  Hochmut  ersonnen 
hatte,  schwand  dahin. 

* 

Im  November  191 4  brach  die  Türkei  und  schon  wenige  Monate  später 
Bulgarien  die  vertragsmäßige  Neutralität.  Von  einem  wirküchen  Volks- 
willen kann  dabei  keine  Rede  sein.  In  den  beiden  ja  einem  absoluten 
Monarchen  untertänigen  Ländern  macht  die  Laune  der  Herrscher  nun 
einmal  alles :  in  Bulgarien  war  es  Ferdinand  aus  dem  Hause  Koburg, 
in  der  Türkei  der  Sultan.  Dieser  war  allerdings  nur  eine  Puppe 
in  den  Händen  eines  Enver  Pascha,  während  Ferdinand  der  echte  Typus 
des  Despoten  war. 

Mit  Bulgarien  und  der  Türkei  ließ  sich  Deutschland  in  seinem  da- 
maligen Siegestaumel  zu  Träumen  eines  maßlosen  Hochmuts  hinreißen. 
So  bildete  für  Berlin  den  ganz  alltäglichen  Gesprächsstoff  eine  Eisen- 
bahnlinie Hamburg — Berhn — Stambul — Bagdad  und  eine  ebensolche 
Mitteleuropa,  die  ihre  Fühlhörner  bis  zum  Persischen  Meerbusen  aus- 
dehnen   sollte. 

Ferdinands  blinder  Ehrgeiz  hat  Bulgarien  in  das  verderbliche  Bündnis 
mit  Österreich-Deutschland  hineingestoßen.  Ohne  Zweifel  haben  ihm 
die  deutschen  Machthaber  die  Hoffnung  gemacht,  daß  er  durch  seine 
Teilnahme  am  Kriege  der  Herr  über  den  Balkan,  ja  vielleicht  über  Kon- 


564  Achtes  Buch. 


.  stantinopel    werden    würde.     Jedenfalls    haben    sie    es    erreicht,    bei    ihm 
vollkommen   in   Vergessenheit  zu  bringen,    daß    Frankreich   und   England 

I  bereits    seit    einem    Jahrhundert   immer   die    Bulgaren   gegen   die    Türken 

;  verteidigt  und  die  ganze  christliche  Bevölkerung  Mazedoniens  dem  Sklaven- 
joche entrissen  hatten.    Die  Dankbarkeit  ist  eine   Münze,   die  im  Balkan 

j  keine   Geltung  hat. 

*  * 


Da  erweiterte  sich  mit  einem  Male  der  Kriegsschauplatz  gewaltig. 
Ein  türkisches  Heer  drang  durch  den  Kaukasus  in  russisches  Gelände 
ein,  ein  anderes  versuchte  den  Suezkanal  zu  besetzen,  noch  ein  anderes 
besetzte  Mesopotamien,  um  von  da  aus  die  englischen  Besitzungen  in 
Indien  zu  bedrohen.  In  allen  diesen  Orientländern  schickte  England  in 
Gemeinschaft  mit  Frankreich  Truppen  und  Schiffe  über  die  Meerenge 
von  Suez  nach  Mesopotamien  und  Syrien.  Ebenso  bildete  sich  ein  rus- 
sisches Armeekorps,  um  über  den  Kaukasus  und  das  Tote  Meer  in 
Kleinasien  einzudringen. 

In  jener  Zeit  wurde  auch  von  dem  Dreiverband  der  Plan  zu  einem 
Unternehmen  erdacht,  das  dann  völlig  mißlang;  es  handelte  sich  um 
das  Gallipoli-  und  Dardanellenunternehmen.  Ein  kleines  Armeekorps  wurde 
nach  Sedul-Bahr  gesandt,  um  von  hier  aus  zunächst  ohne  jeden  Widerstand 
die    Südspitze    der    Halbinsel    Gallipoli   zu   besetzen. 

Am  i8.  März  191 5  versuchte  ein  englisch-französisches  Schiffsgeschwader 
die  Dardanellen  mit  Gewalt  zu  sprengen,  doch  der  Versuch  mißlang  vöUig. 
Der  Bouvet  wurde  in  den  Grund  gebohrt,  ebenso  die  engUschen  Schiffe 
Irresistible  und  Order.  So  mußte  der  Versuch  einer  gewaltsamen  Weg- 
nahme der  Dardanellen  als  eine  Unmöglichkeit  erkannt  und  bald  auch 
das  GallipoHunternehmen  aufgegeben  werden.  Doch  es  durfte  wirklich 
nicht  den  beiden  mitteleuropäischen  Mächten  die  gesamte  Balkanhalb- 
insel ohne  jeden  Widerstand  überlassen  werden.  Und  so  wurde,  vor 
allem  dank  der  Zähigkeit  des  französischen  Ministerpräsidenten  Briand, 
das    Salonikiunternehmen    beschlossen. 

Ein  englisch-französisches  Armeekorps  landete  in  der  Gegend  von  Sa- 
loniki, um  sie  bald  in  ein  riesiges  verschanztes  Feldlager  umzuwandeln. 
Die  Verbündeten  machten  eine  gewaltige  Anstrengung,  diesem  Feldlager 
gleichzeitig  die  nötige  Stoßkraft  wie  die  nötige  Widerstandskraft  zu 
geben.  Doch  die  Schwierigkeiten  waren  so  groß,  der  Gesundheitszustand 
der  Truppen  so  mangelhaft,  daß  gleich  zu  Anfang  die  Besorgnis  nahelag, 


Der  Vierjährige  Krieg  (1914— 1918).  565 

daß    das    Salonikiunternehmen   wohl   kein   glückUcheres    Schicksal   als  das 
Gallipoli-   und   Dardanellenunternehmen  haben   würde. 


Vom  ersten  Kriegsbeginn  an  hatten  die  Serben  die  Österreicher  vor- 
übergehend zurückzudrängen  und  sogar  selbst  ein  wenig  in  österreichisches 
Gebiet  vorzurücken  vermocht,  doch  dafür  verfügten  sie  unglücklicherweise 
nur  über  unzureichende  Munition.  Den  Österreichern  in  ihrer  nationalen 
Buntscheckigkeit  fehlte  es  wiederum  an  dem  nötigen  Patriotismus.  So 
war   das   Spiel  auf  beiden   Seiten   ein   gleiches. 

Bulgariens  Eintritt  in  das  österreichisch-deutsche  Bündnis  änderte  mit 
einem  Schlage  alles.  Das  bulgarische  Heer,  das  sich  hoch  mehr  durch 
seine  Wildheit  als  durch  seine  Tapferkeit  auszeichnete  und  das  in  einer 
Stärke  von  400000  Mann,  von  tüchtigen  deutschen  Offizieren  befehligt, 
die  Offensive  ergriff,  drang  bis  zum  Doiransee  vor,  um  fast  das  gesamte 
serbische  Gebiet  zu  besetzen.  Es  geschah  das  selbstverständlich  aus- 
schließlich um  des  Plünderns,  Rauhens,  Zerstörens  und  Mordens  willen. 
Das    Märtyrerverzeichnis    Belgiens   ist   nichts   gegen   das    Serbiens. 

Am  30.  November  drangen  die  Bulgaren  in  Monastir  ein.  Das  serbische 
Heer  mußte  damals  durch  beinahe  unzugängliche  Engpässe  nach  Albanien 
flüchten.  Die  Leiden  dieses  unglücklichen  Heeres  sind  einfach  nicht 
wiederzugeben.  Vor  Kälte,  Hunger  und  Strapazen  brach  es  zusammen. 
Was  gleichwohl  noch  am  Leben  und  gesund  geblieben  war,  wurde  von 
der  französischen  wie  der  italienischen  Marine  neu  verproviantiert  und 
nach  Korfu  gebracht,  wo  diese  Heeresteile  dank  der  aufopfernden  und 
geschickten  Tätigkeit  des  Generals  de  Mond6sir  ihre  Gesundheit  so  wieder- 
herstellen konnten,  daß  sie  schon  zwei  Jahre  später  imstande  waren, 
einen  entscheidenden  Anteil  an  der   Schlußoffensive  zu  nehmen. 

Das  bulgarische  Heer  hatte  durch  seine  Entschlossenheit  die  Serben 
nahezu  völlig  außer  Tätigkeit  gesetzt.  So  konnte  es  seinen  Marsch 
ungestört  nach  Süden  fortsetzen  und  das  englisch-französische  Expeditions- 
korps an  die  Küste  zu  werfen  versuchen.  Der  Oberkommandierende  Sarrail 
sah   sich  genötigt,   zurückzuweichen   (Dezember   191 5). 

Zum  Unglück  lieferte  auch  noch  die  griechische  Regierung  unter  un- 
verschämter Mißachtung  ihres  mit  Serbien  geschlossenen  Vertrages  die 
griechischen  kleinen  Festungen  dem  bulgarischen  Heere  aus,  ohne  sich 
jedoch  offen  gegen  die  Verbandsmächte  zu  erklären  zu  wagen. 

* 
18  Riebet,  Geschichte  der  Menschheit,  II. 


566  Achtes  Buch. 


Italien,  das  im  Mai  191 5  an  Österreich  den  Krieg  erklärt  hatte,  schickte 
nun  ein  Armeekorps  nach  Valona  an  die  Adriatische  Küste.  Es  bildete 
sich  eine  neue  Front  (Seres,  Monastir,  Koritza,  Valona). 

*  *  * 

Wir  müssen  etwas  zurückgreifen,  um  eines  der  bemerkenswertesten 
Ereignisse  dieses  Krieges  zu  gedenken:  des  Eintrittes  Italiens  in  das  fran- 
zösisch-englische Bündnis. 

In  Italien  verlangte  schon  seit  Kriegsausbruch  die  nationalistische  Partei 
den  Bestrebungen  der  Soldaten  von  1848,  1859  und  1870  getreu,  daß  die 
Provincie  irredente  (Unerlösten  Provinzen)  Italiens,  Triest  und  das  Tren- 
tino,  an  ihr  rechtmäßiges  Volkstum  zurückfielen.  Garibaldis  Enkel,  die 
die  Überlieferung  ihres  erlauchten  Ahnen  fortsetzten,  hatten  sich  ins 
französische  Heer  einreihen  lassen,  um  hier  den  deutschen  Imperialismus 
bekämpfen  zu  können  und  einen  ruhmreichen  Tod  zu  finden.  Von  Tag 
zu  Tag  wuchs  die  nationalistische  Partei  in  den  breiten  Massen  des  Volkes 
an  Stärke.  Vergeblich  suchte  Herr  von  Bülow,  der  Vertreter  Deutsch- 
lands in  Rom,  Österreich  verständlich  zu  machen,  daß  es  sich  vergleichen 
müsse.  Österreich,  das  schon  auf  die  mühelosen  Siege,  die  es  über  das 
kleine  serbische  Heer  davontrug,  hinreichend  stolz  war  und  auf  Deutsch- 
land rechnete,  das  ihm  helfen  sollte,  den  russischen  Einfall  zurückzudrän- 
gen, weigerte  sich  hartnäckig,  ein  Zugeständnis  zu  machen,  in  dem  es  eine 
Schändung  und  eine  Entehrung  sah.  So  trat  nun  scheinbar  ein  Handeln 
und  Schachern  ein.  Doch  der  große  Dichter  Gabriele  d'Annunzio  feuerte 
bald  in  flammenden  Worten  seine  Landsleute  an,  in  den  Kampf  für  die 
Freiheit  einzutreten;  er  wurde  gehört  und  fand  Beifall  und  Gefolgschaft. 
Auf  alle  wirklich  volkstümlichen  Parteien  gestützt,  entschloß  sich  endlich 
König  Viktor  Emanuel,  trotz  des  Widerstandes  zahlreicher  Giolitti  er- 
gebener Abgeordneter,  im  Mai  191 5  sich  mit  seinen  natürlichen  Ver- 
bündeten Frankreich  und  England  gegen  Deutschland  und  vor  allem 
den  Erbfeind  Österreich  zu  vereinen. 

Es  bestand  damals  im  Mai  191 5  eine  italienische  Front  im  Trentino 
und  eine  zweite  östlich  von  Venedig.  Wütende  Kämpfe  entspannen  sich 
bald  im  Trentino,  bald  wieder  nördlich  von  Venedig,  mit  abwechselnden 
Erfolgen  und  Mißerfolgen,  die  trotz  der  Gewalt  dieser  Kämpfe  weder  in 
der  einen  Richtung  noch  in  einer  anderen,  abgesehen  von  den  letzten 
Tagen  des  Oktober  191 8,  entscheidenden  Einfluß  auf  den  Ausgang  des 
Krieges  ausübten. '' 

Zunächst  waren  es  die  ItaUener,  die  auf  österreichisches  Gebiet  ein- 
rückten;   doch   im    Mai    1916    drang   nun    seinerseits    das    österreichische 


Der  Vierjährige  Krieg  (1914— 1918).  667 


Heer  durch  eine  kräftige  Offensive  über  die  Grenzen  des  Trentino  hinaus 
vor,  um  sich  auf  das  Hochland  der  Sette  Comuni  zu  wagen  und 
Vicenza  zu  bedrohen.  Cadorna,  der  die  italienischen  Streitkräfte  befehhgte, 
machte  einen  Gegenangriff  und  führte  am  21.  Juni  den  österreichischen 
Rückzug  herbei.  So  festigte  sich  die  Front  im  Trentino  von  neuem.. 
Einige  Tage  später  gingen  die  Italiener  auf  dem  Karst,  einem  felsigen 
und  gefährlichen  Hochlande,  das  Triest  beherrscht,  zur  Offensive  über 
und  bemächtigten  sich  der  Stadt  Görz,  die  zwar  seit  langem  Österreich 
Untertan,  in  Wirklichkeit  aber  ganz  so  wie  Triest  italienischer  Nationalität 
war.  Am  21.  August  zog  König  Viktor  Emanuel,  der  alle  Strapazen  und 
Ruhmestaten  seiner  Soldaten  persönlich  zu  teilen  bestrebt  war,  im  feier- 
lichen Triumphe  in  Görz  ein. 

Hinter  Görz  erheben  sich  hohe  und  steile  Berge,  und  nur  allzu  lange 
verharrten  auf  fast  unzugänglichen  Höhen  Österreicher  wie  Italiener 
Antlitz  gegen  Antlitz,  ohne  daß  von  der  einen  Seite  oder  von  der  anderen 
irgendein  entscheidender  Erfolg  davongetragen  wurde.  Ein  ganzes  Be- 
lagerung sartilleriekorps  folgte  beiden  Heeren  auf  den  schneebedeckten  Ge- 
birgskamm.  ^  ^ 

* 

Im  Jahre  191 6  trat  auch  Rumänien,  das  bisher  neutral  geblieben  war, 
dem  französisch-englischen  Bündnis  bei,  obwohl  der  König  von  Rumänien 
mit  deutschen  Fürsten  verwandt  war. 

Es  ist  leicht  zu  begreifen,  daß  es  im  wesentlichen  Interesse  Rumäniens 
lag,  die  dem  Lande  Ungarn  untertänig  gewordenen  rumänischen  Sieben- 
bürgen aus  diesem  Sklavenjoche  zu  befreien. 

Der  heftige  Sturm  des  Weltkrieges  hatte  alle  unterdrückten  Nationali- 
täten wieder  mit  neuer  Hoffnung  belebt.  Nun  gehörten  unter  allen  Unter- 
drückten, vielleicht  zu  denen,  die  am  meisten  gelitten  hatten,  die  Rumänen 
Siebenbürgens,  die  ihrer  Sprache  und  ihren  Sitten  treu  geblieben,  auf 
ihr  Romanentum  mit  Recht  stolz  waren  und  nur  unwillig  das  Tyrannen- 
joch ertrugen,  das  ihnen  die  Ungarn,  die  verbürgten  Nachkommen  der 
Hunnen,    mit   roher    Gewalt   aufzwangen. 

So  erklärte  Rumänien  dem  vereinigten  Österreich  und  Deutschland  den 
Krieg.  Es  besaß  ein  gut  geführtes  Heer  von  einem  glühenden  Patriotismus. 
Die  Kriegserklärung  trägt  als  Datum  den  28.  August  191 6.  Sogleich 
drangen  die  rumänischen  Soldaten  in  Ungarn  ein.  Im  Ansturm  wurde 
Orsowa  genommen.  Gleichzeitig  zog  ein  russisch-serbisches  Heer  nach 
Rumänien,  wo  es  in  die  Dobrudscha  einrückte  (3.  September).  Aber 
18* 


568  Achtes  Buch. 


bald  drängten  überlegene  bulgarische  Streitkräfte,  die  sich  mit  den  Deut- 
schen vereinigt  hatten  und  von  dem  preußischen  General  Mackensen 
geführt  wurden,  das  rumänische  Heer  zurück.  In  Siebenbürgen  nahm 
der  preußische  General  Falkenhayn  von  neuem  eine  siegreiche  Offensive 
auf,  und  bald  schon  mußte  das  gesamte  rumänische  Heer  den  Rückzug 
antreten. 

Zv^^ei  Gründe  lassen  sich  für  diese  blutige  Niederlage  angeben. 

Zunächst  die  völHg  unzulängliche  Munition.  Im  modernen  Kriege  findet 
ein  solcher  Verbrauch  von  Geschossen  statt,  daß  riesige  solid  geführte 
Fabriken  benötigt  w^erden,  nur  um  die  Artillerie  dauernd  beliefern  zu 
können.  Nun  konnten  die  Verbündeten  keine  Munition  schicken,  Ru- 
mänien  selbst   aber  hatte   weder   Vorräte   noch   Fabriken. 

Was  aber  vor  allem  die  Ursache  für  die  rumänischen  Mißerfolge  bil- 
dete, das  war  der  träge  Widerstand  oder,  um  ganz  offen  zu  sprechen, 
die  Abtrünnigkeit  der  Russen,  von  denen  immer  mehr  zum  Feinde  über- 
liefen. Anstatt  den  Anmarsch  der  Rumänen  zu  unterstützen,  zog  sich 
das  russische  Heer  fast  ohne  jeden  Angriff  zurück.  Brussilow  hatte  den 
Befehl  erhalten,  seinen  siegreichen  Marsch  nicht  weiter  fortzusetzen.  Knir- 
schend mußte  er  in  demselben  innehalten,  ja  zurückgehen  imd  es 
Jvlackeßsen  überlassen,  das  rumänische  Heer  bei  Focsani  völlig  zu  ver- 
nichten (14.  August  191 7). 

Da  drangen  die  österreichisch-deutschen  Heere  in  Bukarest  ein,  um  nun 
Rumänien  den  Bukarester  Vertrag  aufzunötigen,  durch  den  sie  zu  Herren 
des  gesamten  Landes  wurden.  Das  rumänische  Heer  und  die  rumänische 
Regierung  zogen  sich  nach  Jassy  zurück,  wo  sie  die  anmaßenden  Bedin- 
gungen des  Siegers  annehmen  mußten:  teilweise  Demobilisierung  des 
Heeres,  Lieferung  von  Brotgetreide,  Petroleum  und  Munition,  Besetzung 
des  ganzen  Landes,  Gutheißung  von  Requisitionen  in  allen  seinen  Pro- 
vinzen, Beschlagnahme  aller  Verkehrsmittel  und  -Straßen.  Es  hat  in 
Rumänien  bis  zur  Kriegserklärung  eine  deutschfreundliche  Partei  bestanden, 
deren  führende  Persönlichkeit  Marguiloman  war.  So  mußte  denn  jetzt 
das  Ministerium  Bratianu  einem  Ministerium  Marguiloman  Platz  machen. 
Hätten  nicht  die  Verbündeten  an  der  Westfront  in  den  Monaten  August 
bis  Oktober  des  Jahres  191 8  ganz  hervorragende  Siege  errungen,  so 
wäre  die  Knechtung  Rumäniens  eine  vollkommene  geworden,  und  eine 
neue  Ungerechtigkeit  hätte  sich  den  großen  Ungerechtigkeiten  der  Ge- 
schichte angereiht. 


Der  Vierjährige  Krieg  (1914 — 1918).  669 

Der  rumänische  Zusammenbruch,  so  schmerzHch  er  auch  sein  mag, 
hat  gleichwohl  keinerlei  entscheidende  Wirkung  auf  die  politischen  oder 
auch  die  militärischen  Ereignisse  geübt.  Doch  ein  Weltereignis,  eine 
elementare  Umwälzung,  deren  Folgen  überhaupt  nicht  vorauszusehen  sind, 
hat  auch  die  Bedingungen  des  Krieges,  wenigstens  auf  einige  Zeit,  von 
Grund    aus    umgestaltet;    es    handelt    sich   um    die    russische    Revolution. 


Im  Jahre  191 4  sah  es  so  aus,  als  ob  sich  Rußland,  für  dessen  Ehre 
letzten  Endes  Frankreich  und  England  Krieg  führten,  mit  Feuereifer  in 
den  Kampf  werfen  wolle.  Doch  das  war  alles  nur  trügerischer, 
äußerer    Schein. 

Der  Zar,  ein  Mann  von  mittelmäßiger  Begabung  und  sanftem  imd 
unentschlossenem  Charakter,  konnte  bei  seinen  Mitmenschen  höchstens 
edlere  Gefühle  auslösen.  Doch  leider  wurde  derselbe  Mann  auch  zeit- 
weise von  Anfällen  eines  hochgradigen  Mystizismus  beunruhigt,  die  die 
deutschfreundliche    Hofpartei    sehr    geschickt    auszunutzen    wußte. 

Ein  unflätiger  und  ungeschliffener  Mönch  namens  Rasputin  hatte  über 
die  schwache  Seele  des  Herrschers  jede  nur  erdenkliche  Macht.  Die 
Zarin,  eine  deutsche  Prinzessin,  verhehlte  ihre  Sympathie  für  ihre  Lands- 
leute nicht.  Den  ersten  Siegesnachrichten  gegenüber  verhielt  sie  sich 
zunächst  schweigend,  doch  nach  den  Niederlagen  faßte  sie  wieder  Mut, 
ja  wagte  sie  es,  einen  Mann  wie  Stürmer,  der  um  jeden  Preis  Frieden 
schließen  und  mit  Österreich  und  Deutschland  sich  verständigen  wollte, 
zum  leitenden  Minister  ernennen  zu  lassen. 

Auch  kannte  das  russische  Volk  nicht  die  Vaterlandsliebe  in  dem 
Sinne,  den  die  Westeuropäer  mit  diesem  Worte  verbinden.  Die  Masse 
der  ländlichen  Bevölkerung  hatte  den  Krieg  weder  ursprünglich  gewollt 
noch  auch  ihn  nachträglich  jemals  anerkannt.  Die  Muschiks  sind  viel 
zu  ungebildet  und  unbeholfen,  um  auch  nur  das  geringste  Verständnis 
für  jene  sozialen  und  politischen  Dinge  zu  haben,  die  den  Westen  so 
stark  interessieren.  Die  sämtlichen  Verwaltungen,  namentlich  die  des 
Heeres,  waren  käuflich,  bestechlich,  gleichgültig,  unfähig  und  noch  gerade 
so  unzuverlässig  wie  im  Augenblick  des  Russisch-Japanischen  Krieges.  Die 
Bürgerklassen  aber,  die  schon  zahlenmäßig  hinter  dieser  gewaltigen  An- 
häufung von  160  Millionen  Bauern  vollkommen  zurücktreten,  lehnen 
gleich  mit  Beginn  jedes  Interesse  für  den  Krieg  ab  und  denken  nur 
daran,  sich  von  ihm  fernzuhalten  und  sich  durch  ihn  zu  bereichern. 


670  Achtes   Buch. 


Wohl  gab  es  eine  Duma,  eine  Art  Parlamentsversammlung,  doch  diese 
Duma  war  wieder  in  Parteien  zerklüftet,  die  nie  zu  einer  Verständigung 
zu  kommen  vermochten;  auch  wurde  die  Duma  nicht  zusammenberufen, 
und   die   Regierung   dachte   nur   an  ihre   Auflösung. 

Im  März  191 7  wurde  es  ganz  deutlich  ersichtlich,  daß  die  Hofpartei, 
die  schon  im  vorangegangenen  Jahre  die  ganze  militärische  Arbeit  ge- 
hemmt und  geschwächt  hatte,  nunmehr  entschiedenen  Willens  war,  mit 
Deutschland  einen  auch  noch  so  entehrenden  Frieden  zu  schließen.  Bei 
aller  ihrer  Gleichgültigkeit  erhoben  sich  viele  Russen,  als  sie  nunmehr 
endlich  durchschauten,  daß  die  Duma  aufgelöst,  die  unumschränkte 
Herrschergewalt  des  Zaren  wieder  hergestellt  und  mit  Deutschland  Friede 
geschlossen  werden  solle.  Die  Sozialisten  und  die  Nihilisten,  von  denen 
einige  von  Deutschland  bezahlt  wurden,  verbanden  sich  mit  den  verfassungs- 
treuen Mitgliedern  des  Kleinbürgertums,  den  gebildeten  Elementen  sowie 
denjenigen  Offizieren,  die  ihr  Vaterland  liebten  und  für  die  Duma  Partei 
nahmen.  Einige  Regimenter  verweigerten  den  Gehorsam;  andere  erklärten 
sich,  wenn  auch  nur  schüchtern,  für  den  Zaren.  Drei  Tage  lang  tobte 
in  Petersburg  Straßenkampf.  Die  Matrosen  in  Kronstadt  meuterten.  Nach- 
dem der  Zar  sich  nach  Zarskoje  Selo  geflüchtet  hatte  und  von  seiner 
Garde  und  denjenigen  Regimentern,  die  er  noch  immer  für  treu  hielt, 
im  Stich  gelassen  worden  war,  blieb  ihm  nichts  weiter  übrig,  als  abzu- 
danken. Doch  solche  Abdankungen  haben  die  Dynastien  noch  niemals 
gerettet.  Das  Beispiel  Petersburgs  wurde  von  Moskau,  Kiew,  Odessa  und 
allen  großen  Städten  Rußlands  befolgt,  und  so  wurde  die  russische 
Republik  ausgerufen. 

Es  ist  in  Westeuropa  noch  nicht  hinlänglich  bekannt,  was  sich  alles  seit 
dem  Augenblick  der  Thronentsagung  des  Zaren  in  dem  unendlichen 
Rußland  ereignet  hat.  Ein  unerhörter  Wirrwarr,  eine  Anarchie,  die  alle 
Grenzen  der  WahrscheinUchkeit  durchbricht,  das  Abbrechen  der  Be- 
ziehungen mit  der  ganzen  übrigen  Welt,  die  Einschränkung  der  Presse, 
die  Veröffentlichung  von  verlogenen  Phantasieberichten,  all  das  bewirkt, 
daß  über  die  Geschichte  der  russischen  Unruhen  noch  ein  völliges  Dunkel 
schwebt. 

Wir  sind  ausschließlich  auf  Vermutungen  angewiesen  und  in  ständiger 
Gefahr,  so  oft  wir  eine  Tatsache  behaupten,  auch  jedesmal  einen  Irrtum 
zugeben  zu  müssen.  Wir  kennen  die  Geschichte  der  ägyptischen 
XXV.  Königsdynastie  immer  noch  besser  als  die  wüsten  Unruhen,  die  im 
Jahre  191 4— 191 8  Kiew,  Moskau,  Samara  und  Petersburg  erschüttert  haben. 
Zu  Anfang  wurden  die  Zügel  der  Macht  von  den  Mitgliedern  der  Duma 


Der  Vierjährige  Krieg  (1914 — 1918).  671 

(der  Partei  der  Kadetten)  ergriffen  unter  der  Bekundung  der  Absicht,  eine 
regelrecht  demokratische  Regierung  zu  begründen  und  den  Kampf  gegen 
östei reich  tmd  Deutschland  entschlossen  fortzusetzen.  Die  Mehrzahl  der 
Offiziere  sowie  das  gesamte  Heer  schlössen  sich  der  neuen  Regierung  an. 
Der  Zar  wurde  mit  seiner  Familie  gefangengesetzt,  um  einige  Monate 
später  von  dem  Pöbel  feige  niedergemetzelt  zu  werden.  Die  am  schhmmsten 
bloßgestellten  Minister  wurden  vor  Gericht  gestellt. 

Ein  Anwalt,  der  als  Herrscher  weiter  keine  andere  Berechtigung  mit- 
brachte als  eine  gewisse  rhetorische  Zungenfertigkeit,  Kerensky,  stand 
an  der  Spitze  dieser  Regierung,  in  der  er  einen  glänzenden  Be- 
weis seiner  Unfähigkeit  gab.  Anstatt  sogleich  die  Volksvertretung 
zusammenzuberufen,  schmeichelte  es  ihm,  eine  demagogische  Diktatur  aus- 
zuüben. Doch  bald  wurde  er  von  der  Partei  der  sogenannten  Sowjets 
(Arbeiter-  und  Soldatenräte,  A.-  und  S.-Räte),  die  das  wirkliche  Volk 
(Bolschewiki  oder  Maximalisten)  zu  vertreten  behaupteten,  noch  an  Dema- 
gogie überboten.  Zwei  schon  mehrfach  ^egen  Verstoßes  gegen  das  gemeine 
Recht  verurteilte  Individuen,  Lenin  und  Trotzky,  die  beide  weiter  nichts  als 
geheime  Agenten  des  deutschen  Generalstabes  waren,  gewannen  durch 
ihre  Gewaltpredigten  bald  eine  große  Volkstümlichkeit.  Mit  Erbitterung 
bekämpften  sie  Kerensky.  Kerensky  aber  sprach  immer  nur,  anstatt  zu 
handeln  (Juli  bis  August  191 7)  tmd  dekretierte  Verfügungen,  die  eine 
schlechte  Mannszucht  unter  den  Truppen  förderten.  Die  Soldaten  wollten 
weder  Offiziere  noch  Schlachten. 

Jetzt  folgen  natürlich  an  der  Kampfesfront  Niederlagen  auf  Niederlagen, 
Zusammenbrüche  auf  Zusammenbrüche,  und  ein  Heer  ist  einfach  nicht  mehr 
vorhanden. 

Im  Jahre  191 6  hatte  Brussilow  in  Galizien  über  die  Österreicher  glänzende 
Siege  davongetragen  und  annähernd  250000  Gefangene  gemacht.  Aber 
der  schwache  Zar  hatte  innerlich  schon  längst  darauf  verzichtet,  den  Krieg 
noch  weiter  fortzusetzen.  Sein  Ministerpräsident  Stürmer  verriet  die 
Entente  ganz  offen.  Brussilow  mußte  dem  Zusammenbruch  der  Rumänen 
ganz  ruhig  zusehen.  — 

Das  russische  Heer  aber  wälzte  sich  in  einer  niedrigen  Anarchie,  die  noch 
schrecklicher  war  als  der  Abfall  Stürmers.  Von  dem  ganzen  Gebaren 
angeekelt,  nahm  Brussilow  seinen  Abschied  und  wurde  durch  Kornilow 
ersetzt,  der  ein  entschlossener  Soldat  war;  aber  Kornilow  gebot  ebenso 
wie  Brussilow  nur  über  undisziplinierte  Truppen,  die  am  Vorabend  der 
Schlacht  überliefen.    Czernowitz  wurde  geräumt   (3.  August   1917). 

Auch  im  nordwestUchen   Baltikum  trugen  die  Deutschen  leichte  Siege 


572  Achtes   Buch. 


davon  und  drangen  am  3.  September  in  Riga  ein,  das  sich  zum  bloßen 
Scheine  verteidigt  hatte. 

Die  Macht  der  Sowjets,  die  täghch  wuchs,  faßte  immer  festere  Wurzeln 
und  baute  sich  immer  mehr  aus.  Eine  Rote  Garde  wurde  gebildet,  angeb- 
lich, um  die  sogenannte  Revolutionspartei  zu  verteidigen.  Und  dabei  war 
in  Wirklichkeit  diese  Revolutionspartei  die  Partei  der  Banditen  und  der 
Agenten  Deutschlands,  Da  die  Soldaten  der  Roten  Garde  einen  sehr  hohen 
Sold  empfingen,  ergänzte  sich  dieselbe  leicht  und  wurde  bald  die  einzige 
gesetzmäßige  Gewalt.  Es  geschah  das  übrigens  nicht  ohne  innere  Kämpfe. 
Es  spielten  sich  Aufstände,  Schlägereien,  Mordanschläge,  ja  sogar  ganze 
Schlachten  ab. 

Kerensky  mußte  flüchten  (Oktober  1917).  Die  Bolschewiki  aber  hinderten 
die  alte  sowie  die  neuernannte  Duma  an  ihrem  Zusammentritt,  ließen  die 
Widerstrebenden  gefangennehmen  oder  standrechtlich  erschießen,  womit 
alles  zum   Schweigen  gebracht  wurde. 

Gegen  die  bolschewistische  Revolution  fand  sich  ebensowenig  Widerstand 
im  Heere  wie  im  Bürgertum.  Die  Partei  der  Vernunft  und  der  Ordnung 
schwand  dahin  wie  eine  Rauchwolke.  Die  Intellektuellen  und  die  Mitglieder 
des  Bürgerstandes  ließen  sich  terrorisieren,  sei  es  aus  Feigheit,  sei  es  aus 
Lässigkeit,  sei  es  aus  Unfähigkeit  oder  sei  es  auch  aus  Zwietracht.  Wahrlich, 
so  schmerzlich  auch  ihr  Schicksal  gewesen  sein  mag,  sie  haben  es  nicht 
besser  verdient! 

Lenin  und  Trotzky  hatten  den  Bauern  die  beiden  einzigen  Dinge  verspro- 
chen, für  die  diese  Verständnis  hatten:  Frieden  und  Aufteilung 
der  Ländereien.  Da  liefen  die  Soldaten  des  ungeheuren  russischen  Heeres 
nach  allen  Seiten  auseinander,  einzig  und  allein  auf  ihre  Heimkehr  bedacht, 
um  sich  in  die  Ländereien  zu  teilen,  anstatt  mit  dem  deutschen  Heere  zu 
kämpfen. 

Wie  stets  eine  solche  Soldateska,  so  bestand  auch  diese,  die  sich  an  Wutki 
und  hochtönenden  Reden  berauschte,  durchweg  aus  Barbaren.  Viele  Offi- 
ziere wurden  ermordet,  die  Generäle  durch  unerfahrene  und  rohe  Unter- 
offiziere ersetzt  und  die  Anarchie  und  die  Hungersnot  wurden  die  einzigen 
beiden  Gottheiten,  die  auch  noch  heute  in  Rußland  die  herrschenden  sind. 

Jede  Provinz,  jede  Stadt,  jedes  Dorf  bekam  ihren  eigenen  Sowjet,  der 
meist  aus  Räubern  und  Schwachsinnigen  bestand.  Das  Verbrechen  feierte 
Triumphe  und  machte  sich  in  ganz  Rußland  breit.  Das  russische  Volk, 
das  vorher  von  einer  tiefen  Liebe  gegen  seinen  Gott  beseelt  und  von  einer 
blinden  Ergebenheit  für  seinen  Zaren  erfüllt  schien,  warf  in  wenigen 
Wochen  Anschauungen  über  Bord,  die  nur  zu  lange  unzerstörbar  schienen. 


Der  Vierjährige  Krieg  (1914 — 1918).  673 

Eine  maßlose  Unordnung,  wie  sie  die  menschliche  Gesellschaft  bis  dahin 
noch  niemals  gesehen  hatte,   verheerte  ganz   Rußland. 

Die  Deutschen  waren  so  geschickt,  dieses  Chaos  auszunutzen.  Im 
Gegensatz  zu  den  zerlumpten  und  fahnenflüchtigen  Soldaten,  die 
jetzt  das  russische  Heer  bildeten,  hatten  sie  sich  ihre  tadellose  Disziplin 
und  ihr  gewaltiges  Kriegsmaterial  erhalten.  Sie  rückten,  ohne  irgendwelches 
Hindernis  zu  finden,  bis  Riga  vor  (Sommer  191 7)  und  machten  Trotzky 
ein  Friedensangebot,  auf  das  dieser  bereitwilligst  einging. 

So  kam  es  zum  Frieden  von  Brest-Litowsk  (Januar  1918).  Nach  ihm 
wurden  Litauen  und  Estland  vollkommen  Deutschland  überlassen.  Die 
Ostseeprovinzen  (das  sogenannte  Baltikum)  wurden  unter  dem  Vorwande, 
daß  der  Adel  dort  deutscher  Abstammung  sei,  zur  Hälfte  dem  Deutschen 
Reiche  angegliedert.  Die  Ukraine,  die  noch  weit  größer  und  vollkommen 
russisch  ist,  wurde  zwar  scheinbar  selbständig,  in  Wahrheit  aber  stellte 
sie  sich  unter  den  Schutz  Kaiser  Wilhelms. 

Zu  alledem  übergab  die  Sowjetrepublik  das  gesamte  Gold,  das  sie  den 
Banken  und  dem  Fiskus  entnommen  hatte,  und  verpflichtete  sich,  Deutsch- 
land  Lebensmittel   zu   liefern. 

Zum  Entgelt  dafür  behielten  Trotzky  und  Lenin  ihre  ganze  Macht, 
um  weiter  in  Petersburg  imd  Moskau  residieren  und  über  das  russische 
Bürgertum  die  greulichste  vmd  willkürhchste  aller  Tyranneien  ausüben 
zu  können. 

Man  hat  die  Kühnheit  gehabt,  diese  russische  Revolution  mit  der  Großen 
Französischen  zu  vergleichen.  Doch  dieser  Vergleich  bildet  geradezu 
eine  Gotteslästerung.  Wenn  überhaupt  ein  Vergleich  zutreffend  ist,  so  ist 
es  der  mit  jenem  seinerzeit  viel  genannten  Individuum  namens  Bonnot, 
das  vor  wenigen  Jahren  in  den  Pariser  Straßen  von  einem  dahinrasenden 
Automobil  aus  Banken  plünderte  und  auf  die  erschreckten  Beamten  zu 
wiederholten  Malen  Schüsse  abgab. 


Dieser  schimpfliche  Friede  rief  natürlich  überall  Aufstände  und  Um- 
wälzungen hervor.  Georgien  und  Kaukasien  erklärten  ihre  Selbständig- 
keit, und  auch  Sibirien  erhob  sich.  Die  tschechoslowakischen  Gefangenen, 
die  in  Sibirien  festgehalten  wurden,  befreiten  und  verständigten  sich  gegen- 
seitig, um  schließhch  ein  kleines  Heer  zu  bilden,  das  Mittel  und  Wege 
fand,  sich  bald  mit  den  Kosaken,  bald  mit  den  ehemahgen  Offizieren,  bald 
mit  den  Kleinbürgern  zu  vereinen,  und  damit  der  bolschewistischen 
Bewegung  im  Osten  eine   Schranke  zu  setzen. 


574  Achtes   Buch. 


Kleinrußland  oder  die  Ukraine,  deren  Hauptstadt  Kiew  ist,  wechselte  zu 
wiederholten  Malen  seinen  Herrn.  Der  Bürgerkrieg  fand  hier  eine  dauernde 
Stätte.  Kiew  ging  von  Hand  zu  Hand,  ohne  daß  bis  zu  dieser  Stunde 
die  Lösung  des  Problems,  was  aus  dieser  großen  Stadt  einmal  werden 
solle,  noch  mehr  aber  die  Geschichte  der  unheimlichen  und  blutigen 
Schicksalswenden  zu  erkennen  gewesen  wäre,  die  Kleinrußland  nach- 
einander   durchzumachen   hatte. 

Auch  Finnland,  das  endlich  die  russische  Herrschaft  abschüttelte,  nach- 
dem es  sie  seit  dem  Jahre  1807  nur  mit  dem  höchsten  Widerwillen  er- 
tragen hatte,  verkündete  gleichfalls  seine  Selbständigkeit.  Es  sollte  mehr 
als  jedes  andere  Volk  unter  Hunger  und  Bürgerkrieg  leiden.  Eine 
Weiße  Garde  (konservativ  und  nationalistisch)  bildete  sich,  um  den  Über- 
griffen der  Roten  Garde  (revolutionär  und  russisch)  zu  widerstehen.  Die 
Deutschen  hielten  es  für  nützlich,  die  Weiße  Garde  zu  unterstützen,  der 
es  gelang,  die  Bolschewiki  zu  vertreiben,  um  dann  selbst  mit  Hilfe 
des  Terrors  zu  regieren.  Das  finnländische  Bürgertum  bekundete  Deutsch- 
land seine  Dankbarkeit  und  rief  deutsche  Offiziere  und  Zivilisten  zu 
Hilfe,  die,  anstatt  sich  gegen  Schweden  oder  gegen  die  Verbündeten  zu 
wenden,  Finnland  zu  einem  Anhängsel  von  Deutschland  zu  machen 
versuchten  und  hier  eine  Art  Reichstag  beriefen,  dessen  ungesetzmäßig 
gebildete  Minderheit  auf  den  sinnreichen  Einfall  kam,  sich  einen  König 
zu  geben,  und  noch  dazu  einen  deutschen,  gerade  in  dem  Augenblick,  wo 
Deutschland  besiegt   war. 


Zu  derselben  Zeit,  wo  die  Bolschewisten  mit  Deutschland  Frieden 
schlössen,  erklärten  sie  —  zum  mindesten  hat  nur  wenig  daran  gefehlt  — 
den  Westmächten  den  Krieg.  Sie  vertrieben,  nicht  ohne  sie  vorher 
schamlos  gemartert  zu  haben,  die  Franzosen,  die  Engländer  und  die 
Amerikaner,  die  noch  irgend  in  Rußland  zu  finden  waren,  mit  der  Behaup- 
tung, es  gelte  dieser  Kampf  ausschließlich  dem  westlichen  Imperialismus. 

Da  rüsteten  die  Verbündeten,  um  nicht  das  gesamte  Rußland  für 
immer  dem  Fanatismus  der  Sowjets  erliegen  zu  lassen,  eine  Unternehmung 
nach  Archangelsk  und  der  Murmanküste  aus.  Zu  gleicher  Zeit  drangen 
sie  im  östlichen  Asien  gemeinsam  mit  den  Japanern  in  Sibirien  ein  und 
vereinigten  sich  hier  mit  der  kleinen  Gruppe  der  Tschechoslowaken. 

Die  in  das  österreichische  Heer  eingereihten  und  ihm  einfach  mitten  unter 
die  Regimenter  gesteckten  Tschechen  und  anderen  Slawen  verabscheuten 
die  Fahne,  unter  der  sie  sich  zu  schlagen  gezwungen  waren;  in  den  großen 


Der  Vierjährige  Krieg  (1914 — 1918).  5']5 

Schlachten  Galiziens  und  Polens  hatten  sie  sich  zu  Tausenden  fast  ohne 
Kampf  ergeben;  in  Sibirien  interniert,  bildeten  sie  durch  ihre  Zahl 
und  ihren  Patriotismus  eine  ernste  stete  Bedrohung.  Unter  allen  Er- 
scheinungen dieses  Krieges  ist  vielleicht  keine  seltsamer  als  die  jener  Ge- 
fangenen, die  allmählich  zu  einem  richtigen  Heere  wurden,  um  nun  gegen 
ihre  alten  Waffenbrüder  zu  kämpfen. 

Aber  von  dem  Vertrage  zu  Brest-Litowsk  sollte  nichts  bestehen  bleiben. 
Ob  Rußland  auch  weiter  zerstückelt  bleiben  oder  seine  alte  Einheit  wieder- 
gewinnen wird,  ist  das   Geheimnis  der  undurchdringlichen  Zukunft. 


Der  Sturz  des  Zaren  hatte  mittelbar  noch  eine  weitere  Folge :  er  führte 
auch  noch  den  Sturz  des  Königs  Konstantin  herbei  und  entschied  den 
Eintritt  Griechenlands  in  die  Entente. 

Seit  dem  Jahre  191 4  hätte  König  Konstantin  es  gern  so  wie  sein  alter 
Rival  Ferdinand  von  Bulgarien  zu  machen  gewünscht.  Einen  großen, 
Frankreich  feindlichen  Einfluß  auf  ihn  übte  seine  Gemahlin,  die  Königin 
Sophie  von  Griechenland,  die  Schwester  Wilhelms  von  Hohenzollern,  aus. 
Konstantin  vergaß  ganz,  daß  Frankreich  der  Befreier  Griechenlands 
gewesen  war.  Er  verbarg  seine  Liebe  und  Bewunderung  für  das  deutsche 
Heer  keineswegs,  ja  er  hatte  sogar  seinen  Stab  aus  von  Deutschland  ab- 
kommandierten Offizieren  gebildet.  Im  Gegensatz  zu  ihm  gingen  das 
Parlament  und  sein  Ministerpräsident  Venizelos,  ein  Mann  von  seltener 
Tatkraft  und  vollendeter  Tüchtigkeit,  mit  der  übergroßen  Mehrheit  des 
griechischen  Volkes,  das  nun  einmal  dem  Dreiverbande  günstig  war. 

Ein  altes  Abkommen  (das  Abkommen  von  Bukarest)  verband  Serbien 
und  Griechenland;  Konstantin  nahm  hierauf  keine  Rücksicht,  sondern 
entließ  lieber  seinen  Minister  Venizelos  (März  191 5).  Trotz  des  wieder- 
holten Einspruches  eines  so  gewandten  Unterhändlers  wie  Guillemin, 
des  damaligen  französischen  Vertreters  zu  Athen,  verfolgte  Konstantin 
seine  verschlagene  Politik  und  erhob  seinen  Gegeneinspruch  gegen  die 
Besetzung  von  Saloniki  (Januar  191 6).  Venizelos,  der  sich  in  Athen 
nicht  mehr  sicher  fühlte,  flüchtete  sich  nach  Saloniki  und  bildete  hier 
angesichts  der  die  Gesetze  mißachtenden  Regierung  des  Königs,  der 
das  Parlament  aufgelöst  hatte,  eine  griechische  Nationalregierung  (13.  Okt. 
191 6).  Griechenland  war  gerade  in  jenem  Augenblicke  in  zwei  feindliche 
Lager  gespalten.  Vergebens  beteuerte  der  König  strengste  Neutralität. 
Seine  Worte  wurden  durch  seine  Taten  Lügen  gestraft.  Am  16.  Dezember 
sind    englische    und    französische    Matrosen,    die    sich    damals    in    Athen 


576  Achtes  Buch. 


aufhielten,  das  Opfer  eines  feigen  heimtückischen  Überfalles,  für  den  die 
Verbündeten  Genugtuung  und  Sühne  verlangen.  Als  ihnen  nun  nichts 
als  ausweichende  Antwort  zuteil  wurde,  sah  sich  König  Konstantin  nach 
langen  Verhandlungen  zur  Abdankung  genötigt  (12.  Juni  1917).  Er  zog 
sich  in  die  Schweiz  zurück  und  übergab  die  Krone  seinem  zweiten  Sohn 
Alexander,  dem  jetzt  nichts  mehr  übrigblieb,  als  Venizelos  zum  Minister 
zu  nehmen. 

Dank  diesem  großen  Staatsmann  wurde  die  Einheit  Griechenlands 
wieder  hergestellt.  Von  seinem  deutschen  Könige  befreit,  konnte  nun  auch 
das  griechische  Volk  einen  regen  Anteil  am  Kriege  nehmen,  und  in  der 
Tat  haben  die  griechischen  Truppen  im  Oktober  191 8  bei  der  Offensive 
gegen   Bulgarien  in  der  heldenmütigsten  Weise  mitgekämpft. 

*  * 

* 

Es  ist  noch  nicht  von  den  Kämpfen  gesprochen,  die  sich  im  Kaukasus, 
in  Syrien,  in  Palästina,  in  Arabien,  in  Mesopotamien  entspinnen  sollten. 
Sie  sind  indessen  wirklich  der  Erwähnung  wert,  wäre  es  auch  nur,  um 
die    Riesenhaftigkeit   dieses   Weltkampfes   deutlich   vor   Augen   zu   führen. 

Im  Kaukasus  überschritt  gleich,  nachdem  die  Türkei  im  Januar  191 5 
den  Krieg  erklärt  hatte,  ein  russisches  Heer  unter  dem  Befehl  des  Groß- 
fürsten Nikolaus  die  Grenze.  Die  Türken  verschanzten  sich  und  ver- 
teidigten sich  hartnäckig;  im  Januar  191 6  aber  brachte  eine  kühne 
Offensive  die  Russen  bis  Erzerum.  Mit  Unterstützung  der  russischen 
Schwarzen   Meer-Flotte   drangen   sie  in  ganz   Armenien   vor. 

Im  Jahre  191 7  jedoch  zeitigte  die  russische  Revolution  die  gleichen 
Folgen  wie  einst  in  Polen  auch  jetzt  in  Armenien.  Die  Türken  eroberten 
das  verlorene  Armenien  wieder,  gaben  sich  überall  ihren  gewohnten 
Metzeleien  hin  und  eroberten  schließlich  auch  Batum  und  dann  auch 
noch  Baku  wieder,  welches  letztere  dem  Erdboden  gleichgemacht  wurde. 

In  Mesopotamien  hatte  eine  englische  Division  unter  dem  Befehl  von 
General  Townsend  zunächst  Bassora  besetzt;  langsam  rückte  sie  gegen 
Bagdad  vor.  Am  28.  September  191 5  warf  sie  dann  das  türkische 
Heer  bei  Kut-el-Amara  zu  Boden;  doch  bald  sah  sich  Townsends  kleine 
Heldentruppe  genötigt,  einen  geordneten  Rückzug  anzutreten.  Sie  wurde 
umzingelt  und  mußte,  da  sie  weder  Lebensmittel  noch  Munition  mehr 
hatte,  nach  kurzem  Widerstände  kapitulieren  (28.  April  191 6).  Im 
Laufe  von  annähernd  einem  Jahre  bereiteten  die  Engländer  mit  ihrer 
unüberwindlichen  Beharrlichkeit  ein  neues  Unternehmen  vor.  Es  war 
General  Maude,  der  im  Februar  191 7  auf  das  türkische  Heer  einen  starken 


Der  Vierjährige  Krieg  (1914 — 1918).  677 

Angriff  machte,  um  es  bei  Kut-el-Amara  völlig  zu  besiegen  und  am 
II,  März  in  Bagdad  einzuziehen,  das  nicht  bloß  das  Handelszentrum, 
sondern  auch  das  strategische  von  ganz  Mittelasien  ist.  Die  Einnahme 
von  Bagdad  machte  von  nun  an  alle  deutschen  Ränke  bei  dem  Schah 
von    Persien    wirkungslos. 

Die  Verbündeten  fanden  eine  unvermutete  Hilfe  bei  den  Arabern 
des  Hedschas,  fanatischen  und  eifrigen  Moslems,  die  stolz  darauf  waren, 
Herreil  über  Mekka  zu  sein  und  die  Autorität  des  Sultans  nicht  anerkannten. 

Nach  der  jämmerlichen  Schlappe  der  Türken  bei  der  Meerenge  von 
Suez  zog  sich  ihre  Mittelmeerarmee  nach  Palästina  und  Syrien  zurück. 
Sie  wurde  von  der  englischen  Armee  des  Generals  Murray  verfolgt,  der 
nach  verschiedenen  Kämpfen  schließlich  in  Gemeinschaft  mit  einem  fran- 
zösischen Truppenteile  in  Jerusalem  einzog.  Die  Einnahme  Jerusalems, 
die  in  strategischer  Hinsicht  wenig  Bedeutung  hat,  machte  gleichwohl 
überall  großes  Aufsehen,  war  doch  nun  wieder  zum  ersten  Male  seit  den 
Kreuzzügen  die  Stadt,  in  der  Christus  gestorben  war,  in  den  Händen 
der    Christen. 


Von  den  Ereignissen  auf  der  See  ist  nur  wenig  zu  sagen.  Es  hat 
nämlich  die  Marine,  und  namentlich  die  englische,  in  dem  Kriege  keines- 
wegs eine  hervorragende,  ja  eine  auch  nur  annähernd  ebenso  be- 
deutende, wenn  auch  natürlich  nach  außen  mehr  zurücktretende  Rolle 
gespielt  wie  die  Landheere.  Auf  allen  Meeren  Schutz  der  Lebensmittel- 
sendungen, Verteidigung  der  Küsten,  Sperre  des  deutschen  Handels, 
Beförderung  der  Truppen;  es  war  eine  beständige  stille  Anstrengung, 
ohne  die  der  Sieg,  ja  auch  nur  der  Kampf  unmöglich  gewesen  wäre.  Es 
kann  niemals  genügend  gewürdigt  werden,  welche  Wunder  von  Energie, 
Ausdauer  ,und  Selbstverleugnung  die  Marine  der  Verbündeten  voll- 
bracht  hat. 

Es  gab  nahezu  keine  Seeschlacht.  Im  August  191 4  entgingen  die 
Goeben  und  die  Breslau,  zwei  deutsche  Panzerschiffe,  dem  engÜsch- fran- 
zösischen Geschwader,  um  schließlich  in  dem  Bosporus  einzutreffen  und 
hier  einige  Monate  später  den  für  sich  allein  so  ohnmächtigen  türkischen 
Küstenschutz  zu  verstärken.  Die  deutschen  Kreuzer  aber,  die  den  Stillen 
Ozean  befuhren,  wurden  an  den  Falklandinseln  zerstreut  imd  vernichtet 
(8.  Dez.  191 4).  Diejenigen  Kreuzer  jedoch,  die  am  Kampfe  nicht  teil- 
genommen   hatten,     wurden    nacheinander    in    den    Grund    gebohrt    (die 


578 


Achtes  Buch. 


Dresden,  die  Königsberg),  abgesperrt  oder  interniert  (Prinz  Eitel  und  die 
Karlsruhe).  Im  übrigen  blieb  nahezu  die  Gesamtheit  der  deutschen  Flotte 
während  der  Dauer  des  ganzen  Krieges  müssig  in  der  Kieler  Bucht  liegen 
mit  Ausnahme  des  Jahres  191 7,  wo  sie  in  der  Ostsee  bei  der  Einnahme 
von  Riga  mitwirkte.  Ein  einziges  Mal,  am  31.  Mai  191 7,  ging  sie  in  See 
(Schlacht  am  Skagerrak).  Der  englische  Admiral  Sir  David  Beatie  zögerte 
nicht,  sie  hier  an  der  Nordseeseite  Jütlands  anzugreifen,  obwohl  er  nur 
über  ganz  geringe  Kräfte  verfügte.  Die  Verluste  waren  auf  beiden  Seiten 
fast  gleich,  als  beim  Sinken  des  Tages  das  gesamte  englische  Geschwader 
unter  Admiral  Jellicoe  ankam;  die  deutschen  Schiffe  mußten  sich  nun 
zurückziehen,    um   nicht    völlig    vernichtet    zu   werden. 


Mit  dem  Abfall  Rußlands  lächelte  Fortuna  Deutschland  zum  letzten 
•Male.  In  diesem  Augenbhcke  war  ihm  wieder  ein  wenig  Hoffnung 
vergönnt,  schien  doch  die  Ohnmacht  der  Verbündeten,  die  deutschen 
Linien  zu  durchbrechen,  nach  drei  Kriegsjahren  ganz  deutlich.  Auch 
war  jetzt,  wo  Rußland,  Rumänien  und  die  Balkanhalbinsel  offen  dalagen, 
keine  Hungersnot  mehr  zu  fürchten.  Überdies  konnten  auch  die  öster- 
reichischen und  deutschen  Armeekorps,  die  an  der  Ostgrenze  kämpften,  da 
sie  sich  keinem  Feinde  mehr  gegenübersahen,  wieder  an  die  andere  Front 
zurückgeschafft  werden.  So  verloren  die  Verbündeten  mit  Rußland  zugleich 
auch   ihr   numerisches    Übergewicht. 

Aber  das  wieder  gewonnene  Vertrauen  brachte  auch  die  Verirrung. 
Gedrängt  von  den  Alldeutschen,  deren  Vorkämpfer  Admiral  Tirpitz  war, 
beging  der  Deutsche  Kaiser  einen  verhängnisvollen  Fehler,  der  ihm 
den  Thron  und  seine  Krone  kostete.  Von  allen  Fehlern  (oder  besser 
gesagt  Verbrechen)  Deutschlands  war  dies  der  schlimmste. 

Wilhelm  bildete  sich  ein,  daß  er  durch  Vermehrung  der  U-Boote 
und  durch  Verschärfung  der  Blockade  Englands  seitens  Deutschland 
die  Neuverproviantierung  des  Britischen  Inselreiches  unmöglich  machen 
könnte.  Es  ist  richtig,  daß  der  englische  Boden  nicht  ausreicht,  auch  nur 
den  zehnten  Teil  seiner  Bevölkerung  zu  ernähren,  was  soweit  geht,  daß, 
wenn  nicht  Schiffe  auf  die  englische  Insel  Korn,  Zucker,  Reis,  Vieh, 
Milch,  Futter  bringen,  die  Briten  in  wenigen  Wochen  verhungern  müssen 
So  beantwortete  Deutschland  seine  Blockade  durch  die  englischen  Panzer- 
schiffe mit  der  Organisierung  der  Blockade  von  England  durch  die 
U-Boote. 


Der  Vierjährige  Krieg  (1914— 1918).  Sjg 

Dieser  Plan  wäre  einfach  bewundernswert  gewesen,  wenn  er  gelungen 
wäre,  doch  er  gelang  nicht,  und  er  konnte  auch  gar  nicht  gelingen. 

Es  wären  nämlich  zweitausend  U-Boote  gebraucht  worden.  Es  waren 
aber  die  deutschen  U-Boote  zur  Hinderung  der  Warenlandungen  in  den 
englischen  Häfen  niemals  in  genügender  Menge  vorhanden.  Selbst  im 
Oktober  191 7,  wo  ihre  Zahl  den  Höhepunkt  erreicht  hatte,  gab  es 
nur  146,  doch  im  Juni  1918  bereits  nur  113.  Und  von  diesen  113  war 
kaum  die  Hälfte  imstande,  sich  auf  dem  Meere  zu  behaupten. 

Zudem  lernten  die  verbündeten  Kriegsflotten  sich  durch  listige  Maß- 
nahmen zu  schützen.  Die  Handelsschiffe  und  die  großen  Postdampfer 
wurden  kriegsmäßig  ausgerüstet.  Auf  dem  Ärmelkanal  wurden  Netze 
ausgespannt,  die  die  Überfahrt  mehr  oder  weniger  hinderten;  Kreuzer 
und  Panzerschiffe  geleiteten  die  Fahrzeuge,  die  Waren  beförderten,  in 
dem  Maße,  daß  für  den  Handel  der  Verbündeten  das  Verhältnis  der 
Verluste  höchstens  fünf  vom  Hundert  des  monatlichen  Tonnengehalts 
betrug.  Sicher  ist  auch  dies  keine  unbeträchtliche  Ziffer,  und  war  auch 
dies  ein  großer  Verlust  für  die  Briten,  aber  gleichwohl  wurde  doch, 
was  die  Hauptsache  ist,  die  Neuverproviantierung  nicht  verhindert. 

Der  U-Boot-Krieg  vermochte  nicht  bloß  nicht  England  auszuhungern, 
sondern  rief  überhaupt  erst  die  Entrüstung  Amerikas  hervor,  und  diese 
Entrüstung  steigerte  sich  in  demselben  Maße,  wie  sich  die  Torpedierungen 
vermehrten.  Die  deutschen  U-Boot-Leute,  deren  Mut  sich  nicht  leugnen 
läßt,  legten  eine  Roheit  an  den  Tag,  die  ihren  Mut  noch  überbot. 
Lachend  wohnten  sie  dem  gräßlichen  Schauspiel  eines  mit  ertrinkenden 
Fahrgästen,'  Frauen  und  Kindern  untergehenden  Schiffes  bei.  Oft 
vollendeten  sie  das  Werk  ihrer  Torpedos  —  durch  Kanonenschüsse  auf 
die  Rettungsboote.  Harmlose  Fischerboote  wurden  in  den  Grund  ge- 
bohrt, ohne  daß  diese  unrühmliche  Zerstörungstätigkeit  den  geringsten 
militärischen  Nutzen  brachte. 

Die  Geschichte  der  am  7.  Mai  191 5  torpedierten  Lusitania  ist  nur  eine 
Episode  des  U-Boot-Krieges.  Aber  diese  Episode  ist  charakteristisch, 
und  das  amerikanische  Volk  verstand  ihren  ganzen  Schauder. 

Zu  derselben  Zeit  warfen  die  Zeppeline  und  einige  Flieger  auf  London,  die 
englische  Küste,  Paris,  Nancy,  Troyes,  Dünkirchen  ihre  mörderischen  Bomben. 
Die  Absicht  der  Deutschen  war,  wie  sie  selbst  erklärten,  dabei  nicht  sowohl 
versammelte  Truppen  zu  treffen  oder  Festungen  zu  zerstören  als  vielmehr 
die  Seele  der  Zivilbevölkerung  durch  Schrecken  zu  beeinflussen.  Ein 
ganz  sonderbarer  psychologischer  Irrtum!  Diese  so  unnützen  Be- 
schießungen erbitterten  im  Gegenteil  die  Briten  und  die  Franzosen,  anstatt 


58o  Achtes  Buch. 


sie  zu  entmutigen  und  flößten  gleichzeitig  dem  amerikanischen  Volke  den 
Haß    gegen    Deutschland    ein. 

Wer  neben  diesen  Torpedierungen  und  Beschießungen  auch  noch  an 
das  Märtyrertum  der  Zivilbevölkerung  in  Flandern  und  in  Belgien,  die 
Entführungen  von  Frauen,  die  nach  einer  entehrenden  Behandlung  (Lille) 
fast  wie  Sklavinnen  weggeschleppt  wurden,  die  Metzeleien  von  Armeniern 
und  Serben,  die  den  Gefangenen  zugefügten  unmenschUchen  Behand- 
lungen denkt,  der  wird  es  auch  verstehen,  daß  in  dem  wackeren  Amerika 
der  Zorn  gegen  deutsche  Barbarei  immer  furchtbarer  sich  regen  mußte. 


Dieser  völlig  idealistische  Seelenadel  eines  großen  Volkes  fand  einen 
wunderbaren  Dolmetscher  in  seinem  Präsidenten  Woodrow  Wilson  (zum 
Präsidenten  ernannt  am  i.  März  191 3  und  dann  wiedergewählt  im  März 
191 7).  Gewiß,  in  diesem  so  langen  Kriege,  in  dem  ganz  großartige  Auf- 
wendungen an  Talent  und  Energie  gesehen  worden  sind,  sind  manche 
Männer  aufgetreten,  die  ein  schönes  Verständnis  in  den  Dienst  des 
Rechts  gestellt  haben,  mag  es  sich  nun  um  die  Feldherrengenies  wie 
Joffrc,  Foch,  Potain,  Kitchener,  Douglas,  Haig  oder  um  die  großen 
Meister  der  Staatsmannskunst  wie  die  Minister  Lloyd  Georges,  Briand, 
Cl^menceau  und  Venizelos  handeln,  aber  es  scheint  trotz  alledem,  daß 
die  glänzendste  und  gediegenste  dieser  hervorragenden  Individualitäten 
Wilson  war. 

Sein  Gewissen,  das  von  einer  einwandfreien  Reinheit  war,  war  aus- 
schließlich von  Idealen  und  Gerechtigkeit  erfüllt.  Erhabenheit  der  Ge- 
danken, unerschütterliche  Festigkeit  in  ihrer  Ausführung,  klare  und  un- 
erbittliche Logik,  das  alles  trägt  dazu  bei,  Wilson  zu  einer  der  größten 
Gestalten  der  Geschichte  zu  machen.  Es  war  das  erstemal  seit  Mark 
Aurel,  daß  ein  für  Recht  und  Wahrheit  erglühender  Philosoph  Millionen 
und  aber  Milhonen  zu  leiten  die  Macht  hatte. 

Eine  in  einer  einzigen  Hand  vereinte  Riesenmacht,  wie  sie  die  Welt- 
geschichte noch  niemals  gekannt  hatte,  und  zwar  erstlich,  weil  Nordamerika 
nach  Lage  der  Dinge  der  Schiedsrichter  der  Geschicke  der  Erde  werden 
mußte,  ferner  weil  in  den  Vereinigten  Staaten  der  Präsident  vier  Jahre 
lang  allmächtiger  Herr,  ja  fast  Diktator  ist,  und  schUeßlich  weil  die  per- 
sönliche Autorität  Wilsons  dank  seinem  schöpferischen  Genie  Tag  für 
Tag  wuchs. 

Wilson  bewies  zuerst  eine  Langmut,  die  die  Deutschen  irrtümlicherweise 


Der  Vierjährige  Krieg  (1914— 1918).  58  r 

für  Schwäche  hielten.  Die  festen  und  gemäßigten  Noten,  die  der  Präsident 
der  RepubUk  an  sie  richtete,  wurden  von  ihnen  mit  zweideutigen  imd 
heuchlerischen  Phrasen  beantwortet.  Zu  gleicher  Zeit  suchten  sie  gegen 
das  amerikanische  Nationalgefühl  die  deutschfreundlichen  Sympathien  des- 
jenigen Teiles  det  amerikanischen  Bevölkerung  aufzureizen,  der  von 
deutscher  Abstammung  war.  Der  deutsche  Botschafter  in  Washington, 
Graf  Bernstorff,  war  die  Seele  jener  stillschweigenden  Verschwörung,  die 
auch  vor  dem  Bürgerkriege  nicht  zurückgewichen  wäre.  Diese  Mischung 
von  Entschuldigungen,  Komplotten,  Torpedierungen,  Beschießungen  und 
Hinrichtungen  erbitterte  schließlich  die  Amerikaner  derart,  daß  sie  sich 
entschlossen,  den  Krieg  zu  erklären  (2.  April  191 7). 

Die  Kriegserklärung  rief  in  den  Vereinigten  Staaten  eine  ungeheure 
Begeisterung  hervor,  in  dem  verblendeten  Deutschland  aber  weckte  sie  nur 
eine  geringschätzige  Ungläubigkeit.  Die  deutschen  Regierungen  sagten  imd 
glaubten  auch  —  oder  heuchelten  wenigstens  so  — ,  daß  Amerika  keine 
Soldaten  hätte,  und  daß  die  Soldaten,  die  es  hätte,  niemals  in  Europa 
landen  könnten.  Sie  rechneten  aus,  daß  ein  amerikanisches  Heer  zu  seiner 
Bildung  und  zur  Überfahrt  über  den  Atlantischen  Ozean  zwei  Jahre  brauche. 
Kurz,  dem  gewaltigen  Fehler  folgte  eine  noch  gewaltigere  Selbsttäuschung. 

Sogleich  wurde  in  der  begeisterten  und  rührigen  amerikanischen 
Bevölkerung  der  Entschluß  gefaßt,  den  Krieg  mit  ganzer  Entschiedenheit 
zu  führen.  Der  Aufruf  der  Bürgerheere,  der  Bau  der  Geschütze,  der  Flieger 
und  der  Maschinengewehre,  die  Anfertigung  eines  ungeheuren  Kriegs- 
materials, die  Ausrüstung  neuer  Schiffe,  das  alles  wurde  mit  fieberhafter 
Eile  betrieben. 

Es  kam  so  rasch  und  gut  zur  Vollendung,  daß  bereits  im  Juli  191 8 
I  200000  amerikanische  Soldaten  den  Ozean  durchfahren  hatten.  General 
Pershin  wurde  zum  Generalissimus  der  amerikanischen  Armeen  in  Frank- 
reich  ernannt. 

Es  war  eine  bewundernswerte  Anstrengung,  aber  so  bewtmdernswert 
auch  diese  Anstrengung  sein  mochte,  noch  bewundernswerter  war  der 
Idealismus  eines  großen  Volkes,  das  ohne  irgendwelche  andere  Sorge  in 
den  Kampf  eintrat,  als  mit  der  einen,  für  Wahrheit  und  Recht  zu  streiten.  Kein 
Anspruch  auf  Hegemonie  oder  Eroberung!  Wenn  die  Amerikaner  unter 
der  Führung  eines  Wilson,  der  ihr  Sprachrohr  war,  die  Waffen  ergriffen 
hatten,  so  geschah  dies  weder  aus  persönlichen  Interessen  noch  aus  Liebe 
zum  Ruhme,  es  geschah  einzig  und  allein,  weil  sie  der  verhaßten  alten 
Welt  des  Imperialismus  und  des  Militarismus  ihr  Ideal  der  Demokratie  und 
der  Gerechtigkeit  aufzwingen  und,  wie  Wilson  zu  wiederholten  Malen  ge- 
19  Riebet,  Geschichte  der  Menschheit,  II. 


502  Achtes  Buch. 


äußert  hat,  einen  Sieg  davontragen  wollten,  der  die  schändliche  Ära  der 
Krieg;  beendigen  sollte. 

Das  gesamte  Amerika,  das  sich  nun  für  den  Krieg  begeisterte,  war  von 
einer  großen  Liebe  für  Frankreich  beseelt.  Die  Amerikaner  erinnerten 
sich,  wie  sich  in  den  ersten  Tagen  des  Unabhängigkeitskrieges  Lafayette 
neben  Washington  gestellt  hatte,  um  mit  ihm  Seite  an  Seite  mitzukämpfen, 
und  überall  erregte  es  besondere  Freude,  den  ritterlichen  Geist  der  Fran- 
zosen von  1777  und  den  der  Amerikaner  von  191 7  miteinander  zu  ver- 
gleichen. 

Diese  so  energischen  jungen  Männer,  die  der  Zufall  der  Ereignisse  so 
plötzlich  in  Soldaten  umwandelte,  erregten  sogleich  durch  ihre  Derbheit 
und  Schönheit,  durch  die  männliche  Sanftmut  ihrer  Haltung,  durch  ihren 
Heroismus  und  ihre  Ausdauer  auf  den  Schlachtfeldern  die  Bewunderung 
des  französischen  Poilu  und  des  engUschen  Tommy,  die  sich  gewiß  auf 
Heroismus  und  Ausdauer  verstanden. 

Mit  demselben  Augenblick,  mit  dem  Amerika  in  den  Kampf  eintrat, 
wurde  der  Ausgang  des  großen  Krieges  ungewiß;  es  bedurfte  schon  des 
ganz  erstaunlichen  Optimismus  der  Deutschen,  nicht  zu  begreifen,  daß  der 
Sieg  für  sie  einfach  ein  Ding  der  Unmöglichkeit  war,  und  daß  sie  langsam 
dem  Schicksal  völhger  Aufreibung  entgegengingen.  So  versuchten  sie  bei 
allen  Illusionen,  mit  denen  sie  sich  auch  jetzt  noch  schmeichelten,  denn 
doch  jedenfalls  erst  noch  einmal  Friedensvorschläge  zu  machen;  diese 
Friedensvorschläge  aber  waren  so  unzureichend  und  auch  so  wenig  auf- 
richtig, daß  sie  nur  mit  Geringschätzung  aufgenommen  werden  konnten. 
Wilson  erklärte  in  einer  großes  Aufsehen  erregenden  Denkschrift,  daß  von 
Frieden  so  lange  nicht  die  Rede  sein  könne,  wie  nicht  Belgien,  Frank- 
reich, Polen,  Serbien  vollkommene  Entschädigungen  gewährt,  wie  nicht 
ferner  die  unterjochten  Bevölkerungen  (Elsaß-Lothringer,  Polen,  Tschechen, 
Dänen,  rumänischen  Siebenbürger,  Italiener,  Jugoslawen)  befreit  sein, 
und  solange  noch  Adels-  und  Militärregierungen  ihre  Autorität  über 
ein  unterdrücktes  Volk  behaupten  würden.  Das  etwa  ist  es,  was  wir  nach 
allgemeiner  Übereinkunft  unter  den  vierzehn  Programmpunkten  Wilsons 
verstehen. 


Wenn  wir  nicht  von  jenen  unheimlichen  und  blutigen  Kämpfen  ge- 
sprochen haben,  die  sich  im  Anschluß  an  die  Schlacht  bei  Ypern  an  der 
Westfront  entspannen,  und  in  denen  Mann  gegen  Mann  rang,  so  geschah 


Der  Vierjährige  Krieg  (1914 — 1918).  683 

das,  weil  sie  im  Grunde  doch  auf  beiden  Seiten  beinahe  ergebnislos  ver- 
liefen. Heftige,  entschlossene  Angriffe.  Nicht  weniger  entschlossene  und 
nicht  weniger  heftige  Erwiderungen.  Wahre  Wunder  von  Waffentaten.  Un- 
vergleichliche Beispiele  von  Heldenmut.  Aber  keines  der  beiden  krieg- 
führenden Heere  vermochte  in  irgendeinem  Augenblick  einen  entscheiden- 
den Erfolg  zu  erringen. 

Ein  Jahr  lang  erfolgte  kein  Angriff  großen  Stils.  Die  durch  die  [gewaltige 
Anstrengung  von  191 4  erschöpften  Heere  suchten  sich  wieder  zu  kräftigen 
und  ihre  Munitionsvorräte  zu  erneuem.  Es  schien  jedoch,  als  ob  die  Zeit 
für  die  Verbündeten  arbeitete,  wurde  doch  das  englische  Heer  zusehends 
stärker  und  die  Lage  Deutschlands  durch  die  Blockade  zusehends  bedenk- 
licher. '1 

Am  25.  September  191 5  gelang  eine  große  französische  Offensive,  die 
sogen.  Champagneoffensive,  unmittelbar  vor  Reims  zunächst,  wie  es  schien, 
glänzend;  in  Wirklichkeit  war  sie  in  ihren  Folgen  höchst  unfruchtbar. 

Doch  von  allen  Offensiven  war  die  durch  ihre  Dauer,  durch  die  IStärke 
und  die  Tapferkeit  der  eingesetzten  Truppen,  durch  die  unglaubliche  Hef- 
tigkeit des  Geschützfeuers  mächtigste  der  deutsche  Sturmangriff  auf  Verdun 
unter  dem  Kronprinzen,  dessen  Generalstabschef  Falkenhayn  und  dessen 
Berater  der  alte  Haeseler  war.  Verdun  ist  eine  durch  allerlei  feste  Punkte 
(Beaumont,  Douaumont,  Vaux,  Damloup)  geschützte  Festung  an  der  Maas 
und  als  solche  gleichsam  ein  großes  verschanztes  Feldlager,  das  dem  Maas- 
tale zur  Verteidigung  dient.  Es  hat  eine  strategische  Bedeutung  ersten 
Ranges.  Die  Deutschen,  die  seine  Wichtigkeit  bald  erkannten,  hatten  gegen 
dasselbe  einen  ganz  furchtbaren  Artilleriepark  zusammengebracht;  auch 
warfen  sie  auserlesene  Truppen  (Stoßtruppen)  vor,  die  in  geschlossenen 
Gliedern  heranrückten,  nachdem  ihre  Reihen  durch  die  französischen 
Maschinengewehre  bereits  stark  gelichtet  waren.  Der  Mut  war  auf  beiden 
Seiten  ein  heldenhafter  zu  nennen. 

In  einem  Zeiträume  von  fünf  Monaten,  vom  24.  Februar  bis  zum 
I.  August,  forderten  diese  erbitterten  Schlachten  über  400000  Menschen 
zum  Opfer.  Aber  die  Hartnäckigkeit  der  von  Petain  befehligten  franzö- 
sischen Truppen  feierte  einen  vollen  Triumph.  Im  August  191 6  mußten 
die  Deutschen,  die  Verdun  schon  beinahe  erreicht  hatten,  wieder  zurück 
und  so  den  bereits  gewonnenen  Vorsprung,  der  ihnen  so  viel  Blut  gekostet 
hatte,  wieder  aufgeben. 

Die  Schlachten  um  Verdun  nahmen  kein  Ende,  trotz  der  kräftigen  An- 
griffe, die  die  Franzosen  im  Verein  mit  dem  britischen  Heere  an  der 
19» 


584  Achtes  Buch. 


Somme  machten  (i.  Juli  1916).  Auch  leisteten  die  Deutschen  bei  Peronne 
einen  gleichen  Widerstand  wie  die  Franzosen  bei  Verdun. 

Im  Jahre  191 7  hatte  eine  neue  französisch-britische  Offensive  schon 
mehr  Erfolg.  Die  verbündeten  Truppen,  die  gegen  Saint-Quentin  anmar- 
schierten, nahmen  Noyon,  Ham,  Peronne,  Bapaume  und  entsetzten  Arras 
(Schlachten   an   der   Aisne,   April — Mai    191 7). 

An  der  italienischen  Front  standen  nach  dem  italienischen  Erfolge  bei 
iGörz  lange  Zeit  die  beiden  Heiere  Gewehr  bei  Fuß  gegenüber,  ohne  auch 
nur  einen  Schritt  vorzurücken.  Aber  im  September  191 7  gelang  ein  großer 
österreichisch-deutscher  Vorstoß  an  der  venetianischen  Front.  Durch  den 
Abfall  Rußlands  war  ein  großer  Teil  des  österreichischen  Heeres  frei  ge- 
worden, und  andererseits  waren  die  italienischen  Soldaten  durch  allerlei 
defaitistische  Machenschaften  beunruhigt  worden,  so  daß  sie  der  Stoßkraft 
der  feindlichen  Heere  nur  schlecht  widerstanden.  Diese  überstiegen  den 
Karst,  nahmen  Görz  wieder  und  überschritten  den  Isonzo  (Schlacht  bei 
Caporetto),  um  bis  zum  Piave  und  Tagliamento  vorzudringen,  nachdem 
sie  nahezu  200000  Gefangene  gemacht  hatten.  Das  österreichisch-deutsche 
Heer  bedrohte  schon  unmittelbar  Verona,  Venedig  und  sogar  schon  Mailand. 

Die  Verbündeten  schickten  den  Italienern  auserwählte  Truppen  zu  Hilfe. 
General  Cadorna,  der  für  das  Mißgeschick  Italiens  mehr  oder  weniger 
verantwortlich  gemacht  wurde,  wurde  durch  General  Diaz  ersetzt,  und 
bald  stießen  die  feindlichen  Anstrengungen  auf  kräftigen  Widerstand.  Ja, 
schon  wenige  Monate  später  erlaubte  ein  glänzender  italienischer  Sturm- 
angriff den  verbündeten  Soldaten  abermals,  den  Piave  zu  überschreiten 
und  ungefähr  wieder  die  alte  Front  herzustellen. 

Vom  Juni  191 7  bis  zum  Mai  191 8  blieb  die  Stellung  der  einander 
bekämpfenden  Heere  auf  der  Westfront  dem  Anschein  nach  unverändert. 
In  Wirklichkeit  allerdings  verschlimmerte  sich  die  Lage  für  Österreich- 
Ungarn  von  Tag  zu  Tag,  sogar  ohne  alle  Kämpfe.  Der  Hunger  nämlich 
wurde  im  Innern  Deutschlands  und  vor  allem  auch  Österreichs  zusehends 
heftiger.  Die  Lebensmittelquellen,  die  in  der  Ukraine  und  in  Rmnänien 
zu  finden  gehofft  wurden,  waren  nur  sehr  mäßige  gewesen;  die  Neu- 
eindeckung mit  Munition  vollzog  sich  nur  schwer  zu  einer  Zeit,  wo  sich  in 
Frankreich  und  England  der  Ertrag  der  großen  Werkstätten  von  Tag 
zu  Tag  steigerte.  Vor  allem  gab  auch  die  Hoffnung  auf  amerikanische 
Hilfe  den  Verbündeten  den  Mut  wieder  und  erlaubte  ihnen,  geduldig 
durchzuhalten,  waren  sie  doch  seit  jener  Zeit  des  schließlichen  Sieges  gewiß. 

*  * 


Der  Vierjährige  Krieg  (1914— 1918).  585 

Auch  die  Neutralen  litten  unter  dem  Kriege.  Die  Verpflegung  mußte 
eben  überall  eingeschränkt  werden.  Besonders  war  auch  die  Schweiz  in 
einer  äußerst  schwierigen  Lage,  war  sie  doch  für  Kohle  ausschließlich 
von  der  Gnade  Deutschlands  und  für  Nahrungsmittel  ausschließlich  von 
der  der  Verbündeten  abhängig. 

Norwegen,  dessen  Handelsmarine  eine  beträchtliche  ist,  hatte  durch 
Torpedierungen  und  Minen  viel  zu  leiden  gehabt,  und  es  herrschte  dort 
überall  eine  Deutschland  feindliche  Stimmung.  Wie  sollte  auch  in  Nor- 
wegen, einem  im  wesentlichen  demokratischen  und  liberalen  Lande,  der 
preußische  Militarismus  Bewunderung  finden? 

Papst  Benedikt  XIV.  hatte  von  Anfang  an,  wie  es  sich  für  das  Haupt 
der  römischen  Klirche  ziemte,  seine  unbedingte  Neutralität  verkündet.  Tat- 
sächlich aber  war  er  Österreich  günstig  gesonnen,  der  einzigen  Macht, 
deren  Regierung  offenkundig  katholisch  war,  hatten  doch  in  Frankreich 
und  Italien  die  parlamentarischen  Demokratien  dem  Heiligen  Stuhle  gegen- 
über eine,  wenn  auch  nicht  gerade  feindliche,  so  doch  zum  mindesten 
gleichgültige  politische  Haltung  angenommen.  Selbst  die  ungerechte  Nie- 
dertretung Belgiens  vermochte  den  Papst  niemals  zu  bewegen,  seine  Stimme 
zugunsten  der  Achtung  der  Gesetze,  der  geschriebenen  wie  der  ungeschrie- 
benen, zu  erheben.  Bis  zum  letzten  Tage  ist  er  der  große  Freund  Öster- 
reichs geblieben,  der  jener  in  die  Augen  fallenden  Neutralität  treu  ist, 
die  auf  die  gleiche  Karte  Gerechtigkeit  und  Unrecht,  Freiheit  und  Ty- 
rannei   setzt. 

Brasilien,  dessen  Freundschaft  für  Frankreich  eine  überlieferte  war, 
stellte  sich  auf  die  Seite  der  Verbandsmächte  und  bemächtigte  sich  nach 
ziemhch  wirren  Verhandlungen  der  internierten  deutschen  Schiffe,  um 
Deutschland  gleichzeitig  den  Krieg  zu  erklären  (i.  Juni  1917). 

Die  RepubHken  Südamerikas :  Kuba  (2.  April),  Panama  (10.  April), 
Bolivia  (14.  April),  Guatemala,  Honduras,  Nicaragua  (Mai  191 7)  waren 
übrigens,  dem  Beispiel  der  Vereinigten  Staaten  folgend,  Brasilien  bereits 
vorangegangen.  Auch  China  erklärte  sich  im  Juni  191 7  für  den  Mächte- 
verband.   Argentinien,  Chile  und  Peru  blieben  neutral. 

In  Spanien,  in  Holland  und  in  Schweden  war  die  Stimmung  eine  geteilte. 
Im  allgemeinen  neigten  die  Konservativen  und  Klerikalen  zu  Deutschland, 
während  die  Demokraten  und  Liberalen  ihre  Sympathien  für  die  Verbün- 
deten nicht  zu  verbergen  vermochten.  In  allen  neutralen  Ländern  war  der 
Hunger  nach  Frieden  ein.  äußerst  brennender,  sind  es  doch  nicht  nur  die 
Kriegführenden,  die  unter  dem  Kriege  leiden;  infolge  der  Sohdarität  von 
Handel,  Industrie  und  Ackerbau,  die,  ob  sie  wollen  oder  nicht,  alle  Völker 


586  Achtes  Buch. 


miteinander  vereinigten,  selbst  zu  der  Zeit  eines  Krieges,  der  diese  Völker 
gar  nicht  zu  erreichen  scheint,  werden  von  ihm  alle  Völker  ohne  Ausnahme 
in   ihrem   Wohlbefinden   betroffen. 

Diese  so  allgemeinen  Friedensbestrebungen  reichten  indessen  nicht  aus, 
den  Frieden  wirklich  herbeizuführen,  und  es  wurde  zusehends  offenbarer, 
daß  der  große  Kriegskampf  nur  durch  eine  miÜtärische  Entscheidung 
sein   Ende   finden   könnte. 


Diese  Entscheidung  sollte  kurz  entschlossen  von  Deutschland  herbei- 
geführt werden,  dessen  Volksmassen  vom  Hunger  gequält  waren.  In  dem 
durch  Entbehrung  von  Nahrungsmitteln  noch  mehr  geprüften  und  noch 
heftiger  den  Frieden  herbeisehnenden  Österreich  mußte  der  junge  Kaiser 
Karl  den  verzweifelten  Todeskampf  seiner  verlorenen  und  verlassenen 
Völker,  ohne  etwas  dagegen  tun  zu  können  und  eine  Rettung  zu  wissen, 
ruhigen  Blutes  mitansehen.  Die  amerikanischen  Soldaten  trafen  in  immer 
dichteren  Massen  ein;  sie  mußten  bald  eine  Million  ausmachen  und  waren 
gut  ausgerüstete,  handfeste  Kämpfer,  die  die  Eigenschaften  für  die  glän- 
zendsten Offensiven  hatten. 

Eis  galt  zu  handeln !  Ludendorff,  der  eigentliche  Leiter  des  deut- 
schen Heeres,  wählte  als  Angriffsziel  den  Vereinigungspunkt  der  englischen 
und  französischen  Heeresabteilungen,  auf  den  er  einen  Sturmangriff  von 
außerordentlicher  Stoßkraft  machte  (Schlacht  in  der  Pikardie,  21.  März 
1918).  Trotz  seiner  heldenmütigen  Haltung  mußte  das  englische  Heer 
gleichwohl  zurückgehen.  Am  27.  März  bedrohten  die  Deutschen,  die  in- 
zwischen Tergnier,  Bapaume,  Roye  genommen  hatten,  die  feste  Stadt 
Amiens,  in  die  sie  aber  nicht  einzudringen  vermochten.  Ein  entschlossener 
französisch-britischer    Gegenangriff    hemmte    sie    beim    Vorgehen! 

Trotz  des  neugewonnenen  Geländes  herrschte  in  Wahrheit  nur  völlige 
Ohnmacht. 

Aber  Ludendorff  ließ  sich  nicht  entmutigen.  Am  27.  Mai  brach  eine 
andere  gewaltige  Offensive  von  deutscher  Seite  zwischen  Reims  und 
Soissons  los,  eine  Offensive,  die  auch  in  den  ersten  drei  Tagen  wirklich 
glückte.  Die  Truppen  Ludendorffs  drangen  bis  Chateau-Thierry  vor.  So 
wahnsinnig,  zu  glauben,  damit  bei  den  Parisern  erfolgreichen  Schrecken 
verbreiten  zu  können,  ließen  die  Deutschen  ihr  bis  zu  einer  Entfernung  von 
135  Kilometern  weittragendes  Geschütz,  eine  sogen.  Dicke  Berta,  ihr* 
tolles  Spiel  treiben.  Es  war  das  ein  sehr  geschickt  konstruierter  Mechanis- 
mus, der  alle  Viertelstunden  ein  ungeheures  Geschoß  von  150  kg  Gewicht 


Der  Vierjährige  Krieg  (1914— 1918).  587 


auf  die  Stadt  Paris  schleuderte.  Die  materiellen  Schäden  waren  beträchtlich, 
der  Schrecken  Null.  So  war  das  eine  ebenso  grausame  wie  unnütze  Maß- 
nahme. 

Das  deutsche  Heer  von  1918  war  nicht  mehr  das  von  191 4;  seine  Stoß- 
kraft erlahmte  allmählich.  So  kam  man  nicht  recht  über  Chateau-Thierry 
hinaus,  und  nur  zu  bald  sollten  die  französisch-britisch-amerikanischen 
Armeen  den  Anmarsch  der  Eindringlinge  hemmen:  Mangin  und  Degoutte 
bei  Reims,  Douglas  Haig  an  der  Somme.  Die  Offensive,  die  so  glänzend 
eingesetzt  hatte,  kam  zum  Stillstand,  so  daß  eine  neue  Schützengrabenlinie 
zustande  kam,  über  die  die  Deutschen  nicht  mehr  hinwegkamen.  In  der 
Champagne  und  der  Pikardie  hatten  sie  unter  furchtbaren  Verlusten  doch 
nur  etwa  zwanzig  Kilometer  gewonnen. 


Die  Verbündeten  hatten  endlich,  wenn  auch  etwas  spät,  begriffen,  daß 
in  der  Heeresleitung  die  Einheitlichkeit  erforderlich  sei.  Foch  war  zum 
Generalissimus  sämtlicher  Armeen  ernannt  worden  (15.  April).  Potain 
zum  kommandierenden  General  der  französischen  Armeen.  Nach  der 
kräftigen  Defensive  erhielten  die  militärischen  Operationen  einen  mäch- 
tigen neuen  Anstoß. 

Ja,  schon  gestalteten  sich  diese  Operationen  zu  vollen  Siegen  aus.  Bald 
(im  August  191 8)  fand  auf  allen  Abschnitten  der  Westfront  ein  fortgesetztes, 
sich  unaufhörlich  wiederholendes  Trommelfeuer  statt,  das  jedesmal  mit  einer 
Niederlage  auf  deutscher  und  einem  Geländegewinn  von  einigen  Kilometern 
sowie  einer  Einbringung  von  mehreren  tausend  Gefangenen  auf  ver- 
bündeter Seite  endete.  Die  eingehende  Schilderung  dieser  kühnen  und 
genialen  Operationen  unter  Leitung  von  Foch,  bei  denen  wir  nicht  wissen, 
ob  wir  seine  dabei  bewiesene  Tüchtigkeit  oder  den  dabei  bewiesenen 
Mut  der  Soldaten  mehr  bewundern  sollen,  mag  den  Militärschriftstellern 
und  Kriegshistorikern  überlassen  bleiben.  Ludendorff,  der  in  diesen  viel- 
fachen Kämpfen  beständig  besiegt  wurde,  sah  den  Mut  seiner  Truppen 
mit  jedem  neuen  Mißerfolge  mehr  dahinschwinden.  Seine  Effektivbestände 
verminderten  sich,  die  Erneuerung  des  Kriegsmaterials  nahm  keinen 
rechten   Fortgang. 

Abermals  —  es  war  im  September  191 8  —  bat  der  Kaiser  um  Frieden. 
Lediglich  zum  äußeren  Scheine  nahm  er  die  Vorschläge  Wilsons  an,  in 
Wahrheit  aber  machte  er  allerlei  stille  Vorbehalte,  die  er  verschwieg  und 
die  seine  wachsende  Ohnmacht  außerstande  war     durch    die  Waffen  zu 

♦  * 

unterstutzen.  ^ 


580  Achtes  Buch. 


Das  erste  Signal  wurde  an  der  Südostfront  gegeben.  General  Franchet 
d'Esp6ray,  der  die  Salonikiarmee  befehligte,  brach  die  lange,  vielleicht 
unfreiwillige  Muße,  zu  der  sich  die  Salonikiarmee  seit  mehr  als  zwei 
Jahren  verurteilt  hatte.  Eine  glänzende  Offensive  führte  das  von  fran- 
zösischen, britischen  und  italienischen  Divisionen  unterstützte  serbische 
Heer  bis  vor  Üsküb.  Das  bulgarische  Heer  zog  sich  in  wilder  Auflösung 
zurück.  Da,  am  24.  September  191 8,  dem  denkwürdigen  Datum,  das 
den  Beginn  des  Zusammenbruchs  bedeutet,  baten  die  Bulgaren  um  Waffen- 
stillstand. 

Dieser  Waffenstillstand  wurde  ihnen  unter  folgenden  strengen  Bedin- 
gungen gewährt :  Demobilisierung  des  bulgarischen  Heeres,  freier  Einzug 
der  verbündeten  Truppen  in  Sofia,  Beschlagnahme  aller  Verkehrsstraßen. 

Zar  Ferdinand  von  Bulgarien  war  nicht  mehr  an  der  Schlachtfront. 
Er  hatte  sich  vorsichtigerweise  nach  Wien  geflüchtet.  Ob  er  das  wohl 
tat,  um  dem  Zorne  seines  betrogenen  Volkes  zu  entgehen,  oder  vielleicht 
auch,  um  die  von  ihm  angehäuften  Güter  in  Sicherheit  zu  bringen?  Doch 
er  dankte  bloß  zugunsten  seines  Sohnes  Boris  ab,  der  auf  einige  wenige 
Tage  Zar  von  Bulgarien  wurde,  wo  aber  schon  bald  eine  Republik  an 
seine  Stelle  trat. 

Die  Türkei,  die  damit  von  Deutschland  losgerissen  war,  vermochte  sich 
nicht  mehr  zu  verteidigen.  Die  vereinigten  französisch-englischen  Heere 
drangen  in  Jaffa,  Beirut  und  Damaskus  ein;  ein  großer  Teil  des  türkischen 
Heeres  in  Syrien  wurde  gefangengenommen.  Die  Regierung  Enver 
Pascha  verschwand  geräuschlos.  Das  neue  Ministerium  beeilte  sich,  die 
noch  heute  nicht  hinreichend  bekannten  Bedingungen  des  ihm  von  den 
Verbündeten  auferlegten  Waffenstillstandes  anzunehmen. 

Als  einziger  Verbündeter  blieb  nun  Deutschland  nur  noch  Österreich. 
Aber  das  verhungerte,  in  Elend  dahinsiechende  Österreich  wand  sich  in  den 
letzten  Zuckungen.  Tschechen,  Polen,  Jugoslawen  verlangten  ihre  Auto- 
nomie. Das  dem  Bündnis  mit  Deutschland  doch  gleichfalls  unterworfene 
Ungarn  beanspruchte  volle  Selbständigkeit  für  sich.  Das  auf  so  vielen 
Verbrechen,  Schachergeschäften  und  Niederlagen  errichtete  alte  stolze 
Gebäude  der  Habsburger  brach  nun  auf  allen  Seiten  zusammen.  Es  war 
eine  Ungerechtigkeit  des  Schicksals,  daß  der  hochbejahrte  Franz  'Joseph 
sterben  durfte,  noch  ehe  er  das  furchtbare  Unglück,  an  dem  kein  anderer 
als  er  selbst  verantwortlich  war,  gesehen  hatte. 

Deutschland  bat  abermals  um  Frieden,  und  diesmal  war  die  Antwort 
der  volle  Sieg. 

Konzentrische  Sturmangriffe  spielten  sich  in  Flandern  und  der  Cham- 


Der  Vierjährige  Krieg  (1914 — 1918).  689 

pagne  ab,  und  die  amerikanischen,  französischen  und  britischen  Truppen 
drangen  in  Lille  ein  und  ebenso  in  Cambrai,  Douai  und  St.  Quentin,  "wo 
sie    nur  'noch    Verwüstung,    Plünderung    und    Trümmerhaufen    vorfanden. 

An  der  italienischen  Front,  die  seit  langer  Zeit  keine  richtige  Schlacht 
gesehen  hatte,  räumten  die  Österreicher  in  der  gleichen  Zeit  das  Feld  fast 
ohne  Kampf.  Einige  ungarische  und  Tiroler  Regimenter  wagten  hie  und  da 
einen  schüchternen  Widerstand.  Doch  im  großen  und  ganzen  sollte  der 
entschlossene  und  eilige  italienische  Vormarsch  nur  geringem  Widerstand 
begegnen. 

Auf  allen  Seiten  besiegt,  ohne  jede  Hoffnung,  noch  den  Sieg  zu  erringen, 
ja  selbst  ohne  jede  Hoffnung,  die  Niederlage  auch  nur  noch  ein  kleines 
Weilchen  verzögern  zu  können,  baten  nun  Österreich  und  Deutschland 
beinahe  im  gleichen  Augenblick  um  Waffenstillstand,  und  nach  wenigen 
Tagen  der  Unterhandlungen,  an  denen  im  Trentino  und  in  Venetien  wie 
in  Flandern  und  der  Champagne  die  verbündeten  Soldaten  ihren  siegreichen 
Marsch  fortsetzten,  wurde  auch  der  erbetene  Waffenstillstand  angenommen. 

Am  II.  November  1918,  11  Uhr  vormittags,  verstummte  plötzlich 
auf  der  ganzen  ungeheuren  Schützengrabenlinie,  die  von  der  Nordsee  bis 
nach  Beifort  reichte,  ebenso  wie  am  Piave  und  am  Tagliamento  der  gesamte 
Kanonendonner.  Ein  dreiunddreißigtägiger  Waffenstillstand  sollte  das  Vor- 
spiel des  Friedens  bilden. 

Der  größte  Krieg,  den  je  die  Weltgeschichte  in  ihren  Annalen  zu  ver- 
zeichnen hatte,  war  beendet. 


Die  Bedingungen  des  Waffenstillstandes  waren  hart!  Elsaß-Lothringen 
und  das  ganze  linke  Rheinufer  von  den  Verbündeten  besetzt,  ebenso  wie 
Triest,  Budapest  und  Pragl 

Rumänien  wieder  in  Freiheit  gesetzt,  die  Türkei  auf  Konstantinopel  be- 
schränkt und  Konstantinopel  unter  dem  Kanonendonner  der  französisch- 
britischen Schiffe  gehalten,  das  gesamte  deutsche  Heer  gezwungen,  über 
den  Rhein  zurückzugehen  und  sich  40  Kilometer  vom  Rheine  fernzuhalten, 
fast  die  gesamte  Flotte  mit  einem  ungeheuren  Kriegs-  und  Beförderungs- 
material den  Verbündeten  ausgeliefert  I  Mit  einem  Wort,  die  Unmöglichkeit, 
den  Kampf  noch  länger  aufrechtzuerhalten,  es  hätte  sich  denn  noch 
irgendwo  in  deutschen  Landen  ein  Narr  finden  müssen,  der  bereit  gewesen 
wäre,  einen  hoffnungslosen  Kampf  auf  sich  zu  nehmen! 

Wie  Napoleon  L  nach  der  Niederlage  bei  Belle-AlUance,  wie  Napoleon  IIL 


5go  Achtes  Buch. 


nach  der  bei  Sedan,  so  sollte  auch  Wilhelm  II.  nach  den  Schicksalsschlägen 
bei  Lille  und  Cambrai  zusammenbrechen. 

Da  wurde  in  Deutschland  die  Republik  verkündet.  Bestürzt  nahm  der 
Kaiser  seine  Zuflucht  nach  Holland.  Die  sämtlichen  Könige  und  kleinen 
Fürsten  Deutschlands  dankten  ab,  und  im  gesamten  Deutschland  wurde 
das  monarchische  System  durch  ein  republikanisches  ersetzt. 

Österreich  aber  fiel  nun  ganz  auseinander,  und  die  sämtlichen  Völker- 
schaften, die  es  bisher  gebildet  hatten  und  die  alle  ohne  Ausnahme  nach 
Selbständigkeit  strebten,   erlangten  sie  auch. 


Welches  sollte  nun  der  Friedensvertrag  sein?  Leider  müssen  wir  den 
Bericht  der  sich  nun  weiter  entwickelnden  unerhörten  Ereignisse  mit  dem 
II.  November  1918  abbrechen.  Soviel  ist  sicher,  daß  in  jedem  Fall  Deutsch- 
land die  ganze  Schwere  seines  verbrecherischen  Irrtums  wird  auf  sich 
nehmen  müssen.  Es  wird  um  die  Sühne  nicht  herumkommen.  Aber  so 
schwer  sie  auch  sein  wird,  sie  wird  nicht  an  die  Schäden  heranreichen, 
die  es  zugefügt,  und  noch  weniger  an  die  Verbrechen,  die  es  begangen  hat. 

Ja,  Deutschland  allein  ist  es,  das  im  Einvernehmen  mit  Österreich, 
seinem  Mitschuldigen,  den  Krieg  gewollt  hat,  in  dem  es  den  Sieg  erhoffte! 
Die  einfache  Gerechtigkeit  verlangt,  daß  es  büßt  und  sühnt,  und  es  wird 
büßen  und  sühnen  1 

Noch  lassen  sich  nicht  alle  Verluste  des  Krieges  abschätzen.  Die  Eng- 
länder haben  nahezu  700  000  Tote  gehabt,  die  Franzosen  etwa  i  500  000, 
die  Italiener  etwa  150000,  die  Serben  etwa  250000,  die  Amerikaner  etwa 
80000.  Welches  die  Verluste  der  Russen  sind,  ist  einfach  überhaupt  nicht 
bekannt.  Die  Österreicher  haben  nach  annähernder  Schätzung  über 
I  800  000  Tote  gehabt,  die  Deutschen  über  2  000  000.  Es  handelt  sich  also 
annäherungsweise,  da  jede  genaue  Statistik  fehlt,  im  ganzen  um  etwa  zehn 
Millionen  Tote.  Dabei  rechnen  wir  weder  die  in  Serbien,  Armenien,  Polen, 
Flandern,  in  der  Champagne  und  in  Belgien  an  Hunger  zugrunde  gegan- 
gene Zivilbevölkerung,  noch  die  Opfer  des  Bürgerkrieges  in  Finnland  und 
in  Rußland,  noch  auch  die  zahlreichen  Säuglinge,  die  in  den  besetzten  und 
den  ausgehungerten  Gebieten  schon  in  der  Wiege  gestorben  sind. 

Nicht  zu  reden  von  den  1 5  Millionen  Verwundeter,  gänzlich  oder  auch  nur 
auf  einem  Auge  Erblindeter,  zu  Krüppeln  Geschlagener,  Hinkender,  Ein- 
armiger, völlig  Gelähmter  und  von  grausamen  Schmerzen  Gefolterter,  die  in 
den  langen  Jahren  eines  schwierigen  Daseins  ihre  Wunden  als  gleichzeitiges 


Der  Vierjährige  Krieg  (1914 — 1918).  5g  I 

Zeugnis  eigenen  Heldenmuts  wie  menschlicher  Verirrung  zur  Schau  zu 
stellen  vermögen  werden! 

Zehn  Millionen  Tote,  fünfzehn  Millionen  Verwundete  aus  den  tapfersten 
und  schönsten  unter  allen  Jünglingen  erwählt!  Das  sind  die  Kosten 
dieses  Krieges  an  Menschenmaterial.  In  finanzieller  Beziehung  wird  er 
auf  über  zweitausend  Milliarden  Franken  zu  stehen  kommen,  d.  h.  in  Gold 
wohl  mehr,  als  es  überhaupt  im  Erdinnern  unseres  Planeten  gibt!  Handel 
und  Industrie  auf  lange  Jahre  gelähmt!  Tausende  von  Hektaren  Landes 
verwüstet,  wo  einst  ein  blühender  Anbau  herrschte!  Große  Städte,  wie 
Cambrai,  Douai,  Ypern,  Loewen,  Reims,  Soissons,  Belgrad  völlig  in 
Trümmer  gelegt!  Ja,  acht  ganze  Departements  Frankreichs,  und  gerade 
die  allergesegnetsten,  Serbien,  Polen,  Venetien  zerstört,  verwüstet,  geplün- 
dert und  aus  den  Fugen  gebracht,  dermaßen,  daß  von  ihren  großen  Städten 
wie  kleinen  Dörfern  oft  nichts  anderes  übrig  geblieben  ist  als  elende  Stein- 
haufen 1  Und  zu  alledem  vier  Jahre  lang  die  gesamte  Menschheit  in  Schimpf 
und  Schande,  Schauer  und  Trauer  lebend!  Ja,  das  ist  der  Preis  dieses 
Krieges ! 

Der  in  Serajewo  ermordete  unbekannte  Erzherzog  hat,  so  scheint  es, 
eine  Leichenfeier  gehabt,  die  prunkvoller  war  als  die  eines  Alexanders 
des  Großen! 


Dem  so  ungeheuren  Zusammenbruch  zum  Trotze  aber  wird  dieser  vier- 
jährige Krieg  bald  eine  neue  Ordnung  heraufführen! 

Da  ist  zunächst  die  Unabhängigkeit  der  bisher  unterjochten  Nationali- 
täten. Es  wird  kein  geknechtetes  Elsaß-Lothringen,  kein  zerrissenes  Polen, 
kein  ausländischen  Tyrannen  unterworfenes  Trentino,  Bosnien,  Herzego- 
wina,   Schleswig,    Slowenien,    Böhmen   mehr   geben! 

Und  dann  haben  vor  allem  die  Militärautokratien  für  immer  ihr  Ende 
erreicht !  Es  wird  nicht  mehr  in  einem  prunkvollen  Palaste  zu  Berlin,  Wien, 
Petersburg  und  Stambul  ein  herrlich  gekleidetes  Individuum  leben,  das  in 
einem  Anfall  von  Übellaune  oder  Zorn  die  Macht  haben  wird,  fünfund- 
zwanzig Millionen  Menschen  zum  gegenseitigen  Morden  zu  zwingen! 

Dieser  blutdürstige  Wahnsinn,  dem  das  gegenwärtige  Geschlecht  zum 
Opfer  fiel,  bildet  die  Geschichte  der  Vergangenheit.  Die  Geschichte  der 
Zukunft  nun  wird  ganz  anders  aussehen,  freilich  nur,  wenn  wir  die  furcht- 
baren Lehren,  die  uns  der  Krieg  gegeben  hat,  auszunützen  wissen  werden  I 


692  Achtes   Buch. 


Hätte  die  Errungenschaft  der  Völkerfreiheit  nicht  auch  mögUcherweise 
gewonnen  werden  können,  ohne  daß  sich  Fluten  unschuldigen  Blutes 
oder  unverdienten  Kummers  ergossen  hätten?  Ja,  vielleicht!  Vielleicht! 
Doch  die  Geschichte  zeigt  uns,  daß  auch  der  menschliche  Fortschritt  dem 
Kinde  gleich  niemals  anders  zur  Welt  kommt  als  im  Schmerze! 

So  werden  wir  auch  trotz  aller  der  Opfer  ohne  Zahl,  die  dieser  Krieg 
erheischt  hat,  dieses  Buch  noch  ganz  so,  wie  vidr  es  einst  im  Juli  191 4 
taten,  mit  Worten  der  Hoffnung  und  des  Vertrauens  abschUeßen!  Wer 
kann  wissen,  ob  nicht  aus  diesen  blutigen  Trümmern  eine  neue,  weniger 
unvernünftige  Welt  erstehen  wird  ?  Wer  kann  wissen,  ob  nicht 
die  ruhmvollen  Toten  der  Jahre  191 4 — 191 8  zukünftigen  Geschlechtern 
eine  glückliche  Zukunft  eröffnet  haben,  die  weniger  düster  sein  wird,  als 
es  die  an  Schmerzen  so  reiche  Vergangenheit  des  Menschengeschlechts  war  ? 


^93 


NAMEN-  UND  SACHREGISTER 

Wegen  der  durch  Papiemiangel  verursachten  häufigen  Umbrüche  in  den  Korrekturbogen  im 
Laufe  der  Drucklegung  mag  sich  an  einzelnen  Stellen  das  Schlagwort  auf  eine  der  angege- 
benen vorhergehende  oder  folgende  Seite  beziehen.    Der  geneigte  Leser  wird  wegen  der 
dadurch  veranlaßten  etwaigen  kleinen  Bemühung  um  Entschuldigung  gebeten 


Aachen  119.  240.  262.  269. 

Abassiden    115. 

Abbas    II.    Hilmi    Pascha 

439- 

Abbes  s.   Äbte. 

Abdankung  des  Königs 
Louis  (Bonaparte)  von 
Holland  330. 

Shogun     in    Japan 

468. 

Abdankungen  s.  Thron- 
verzichte. 

Abdankungsversuch  Na- 
poleons I.  zugunsten 
seines    Sohnes   339. 

Abd-ar-Rahmän    114.    156. 

Abd-el-Kader   384.    388. 

Abd-ul-Hamid    279. 

Abendland   s.    Okzident. 

Abendländische  Bildung 
270/271.  503. 

Abendmahl  s.  Heiliges 
Abendmahl. 

„'Abenteuer  Robinson  Cru- 
soes"  275. 

Abenteurer  amerikanische 
266. 

—  der    Welt    441. 

—  englische    441. 

—  französische    426. 

—  kapländische  441. 

—  s.  auch  Kriegsaben- 
teurer. 

—  Politik  in  Mexiko  410. 
Aberglaube 

christlicher    99.     181. 
karthagischer    71. 
orientalischer  27. 
römischer  65. 
russischer    255. 

Abessinien    7.    435. 

Abessinier   449. 

Abfall  Belgiens  von  Hol- 
land s.  Unabhängig- 
keitsbewegung Belgiens. 


Abfall  Bernadottes  vonNa- 
poleon  I.  336. 

Abfall  der  Niederlande 
197—199. 

—  —  südamerikanischen 
Kolonien  vom  spani- 
schen Mutterlande  356 
bis  358. 

—  Murats  von  Napoleon  I. 
336. 

Abgaben    127.     138.     140. 

146.   168.   175.  197.  214. 

215.  281.  J29.  335.  345. 

346.   384.   475.   509. 
Abgeordnete      138.      288. 

289.  293.  294.  297.  308. 

312.  316.  354.  365.  386. 

388.  389.  415.  422.  442. 
Abgeordnetenhaus      preu- 
ßisches   415. 

—  kammer      französische 

338.  339-  344-  352.  354. 
384.   418.   426.   439. 

—  kandidaturen  mit  amt- 
licher        Genehmigung 

389- 

—  wählen   426. 

„Abhandlung  über  die 
Methode"  s.  „Discours 
de  la  methode". 

„Abhandlung  über  die 
Vergehen  und  die  Stra- 
fen" s.  „Trattato  dei 
delitti  e  delle  pene". 

Abhängigkeit  der  interna- 
tionalen Abrüstung  vom 
allgemeinen  Schiedsge- 
richtszwang  488/489. 

—  politische,  militärische, 
finanzielle  Südamerikas 
von    Nordamerika    474. 

—  sverhältnis  der  ein- 
zelnen   deutschen    Bun- 


desstaaten nach  dem 
preußisch  -  österreichi- 
schen   Kriege    416. 

Abholzung  des  sibirischen^ 
Waldbestandes  452. 

Abhorrers  227. 

Ablaßbriefe    153. 

Ablaßhandel  153.   179. 

Ablehnung  der  Wagner- 
schen     Oper    in    Paris 

433- 

Ablenkung  der  Magnet- 
nadel  373. 

Abolition  406.  410.  519. 

Abolitionisten    406.    410. 

Abplattung  der  Erde  s. 
Polare  Erdabplattung. 

Abraham  (Erzvater)  17, 
20.    110.     III.    117. 

Abraham  (Ortschaft)  267. 

Abrundung  natürliche  des 
englischen  Besitzes  in 
Indien  457. 

Abrüstung    allmähliche 
internationale    s.    Inter- 
nationale      allmähliche 
Abrüstung. 

Abschaffung  der  Adels- 
privilegien in  allen  mo- 
dernen Staaten  491. 

—  —  —  in  Japan  468. 

—  —  Getreideeinfuhrzölle 
in  England   372. 

—  —  Königlichen  Ge- 
heimen Verhaftsbefehle 
in   Frankreich    267. 

Privilegienwirtschaft 

294.  491. 

—  —  Sklaverei  s.  AbO' 
lition. 

Todesstrafe    275. 

—  —    Zensur    216. 

—  des  englischen  Ober- 
hauses   224. 


594 


Namen-  und  Sachregister 


Abschaffung  d.  Krieges  b. 
Beseitigung  d.  Krieges. 

Abschaffung,  s   auch  Aufhe- 
bung, Beseitigung 

Abschied  Napoleons  I.  v. 
seiner     Leibgarde    340. 

Abschüeßung  der  Einhei- 
mischen von  den  Euro- 
päern in  Ägypten  13. 
56.    539- 

Abschließung  der  Einhei- 
mischen von  den  Euro- 
päern in  China  13.  463. 

539. 
Indien 

459- 
Abschluß     natürlicher     s. 

Abrundung. 
Absinth  533. 
Absolutes    Regiment    352. 

356.  396.  398.  419-  422. 

456.  465.  467.  474.  491. 
—    —    der    Herrscher   im 

17.  und  18.  Jahrhundert 

in    England    219 — 228. 

537. 
in  Frankreich  214.  232 
bis     234.    238  —  247. 

537. 
in  Österreich   260.    537. 

277.   537- 
in    Preußen    277.     537. 
in    Rußland    254 — 257. 

277.   281.    537. 
in     Spanien     234 — 235. 

537- 
Absolutismus  52.  53.  169. 
174.  175.  210.  215/216. 
219.  224.  227.  228.  230. 
236/237.  240.  247.  256. 
261.  267.  273.  280.  290. 
295-  297.  312.  317.  318. 
339-  345-  347-352.  353- 
355-  356.  361.  363-  382. 
389-  390.  392.  393-  396. 
399.  402.  417.  418.  419. 
422.  465.  467.  485.  491. 
536.  S.  auch  Minister- 
absolutismus, Minister- 
autokratie. 

Absolutistisches  Regie- 
rungssystem s.  Absolu- 
tes   Regiment. 

Absorbierungskraft    der 
Blutgefäße    376. 

Absperrungsnotwendigkeit 
chinesischer  Arbeit  465. 


Abstinenzbewegung  533. 

Abstraktionen  368. 

Äbte    484. 

Abteien   125. 

Abtretung  Beßarabiens 
von  Rumänien  an  Ruß- 
land 479. 

—  Ceylons    an    England 

347- 

—  der  Jonischen  Inseln 
an  England  347. 

Abtretung  der  Mandschu- 
rei von  China  an  Japan 
nach  dem  Chinesisch- 
japanischen Kriege  453. 

469. 

Philippinen   an   die 

Vereinigten  Staaten  von 
Nordamerika    470. 

—  eines  Teiles  der  Mand- 
schurei nach  dem   Chi- 
nesisch-japanischen 
Kriege  469. 

—  Elsaß-Lothringens  an 
Deutschland    425.    426. 

—  Finnlands  und  Polens 
an  Rußland  347. 

—  Formosas  an  Japan 
nach  dem  Chinesisch- 
japanischen Kriege  469. 

—  Hong-kongs  an  Eng- 
land   466. 

—  Kaliforniens  an  die 
Vereinigten  Staaten 
von    Nordamerika    406. 

—  Kaplands  an  England 

347. 

—  Neu-Mexikos  an  die 
Vereinigten  Staaten 
von    Nordamerika    406. 

—  Pong-hus  an  Japan 
nach  dem  chinesisch- 
japanischen Kriege  469. 

—  Portorikos  und  Kubas 
an  die  Vereinigten 
Staaten  von  Nordame- 
rika 470. 

— :  Salonikis  und  eines 
Teils  von  Epirus  sei- 
tens Serbiens  an  Grie- 
chenland nach  dem 
Zweiten  Balkankriege 
482. 

—  Texas'  an  die  Vereinig- 
ten Staaten  von  Nord- 
amerika   406.    411. 

Abukir    313.    322. 


Abwanderung  der  Land- 
bevölkerung in  die 
Städte   494.    497. 

—  —  weißen  Rasse  Süd- 
amerikas   359. 

—  englische  in  die  Groß- 
städte  494. 

Abzeichen  der  römischen 
Kaiser    seit    Konstantin 

lOI. 

Academie  des  Sciences  zu 
Paris    250/251. 

Academie  frangaise  216. 

Achäer  33.    54.    55. 

Achäischer    Bund    56. 

Achaja   94. 

Achilles   32.    33.    50.    118. 

Achtstündiger  Normal- 
arbeitstag in  Austraüen 
und   Neuseeland  473. 

Ächtung  der  europäischen 
Kriegspolitik  in  China 
465. 

Achtung  vor  dem  Leben 
461    Anm.    462    Anm. 

Ackerbau  4.  193.  255.  385. 
441.  445.  463.  465.  493. 

494- 

—  niederlassungen 

s.    Bauernkolonien. 
Ackerbauervölker   im   Ge- 

gegensatz    zu     Krieger- 
völkern 465. 
Agoka  461    Anm. 
Acta  eruditorum  250. 
Adam    (Samuel)    282. 
«.Adam  Beday>  379. 
Adam   (und  Eva)    17.   20. 
Addington    320.    321. 
Adel,    Adlige    (Edelleute; 

usw.  121.  124.  125.  126. 

128.  137.   138.  140.   142. 

145.   146.   147.   172.   179. 

180.  181.   182.   186.   189. 

190.  197.  204.  207.  208. 

214.  215.  222.  223.  227. 

231.  233.  239.  247.  255. 

257.  261.  267.  278.  285. 

288.  289.  293.  294.  307. 

341.  353.  369.  384.  394. 

402.   505. 
Adelsherrschaft  s.   Aristo- 
kratie. 

—  hierarchie  215. 

—  Privilegien  126.  127. 
128.  207.  214.  247.  255. 
278.  288.  289.  293.  294. 
394.   467.   468.   491. 


Namen-  und  Sachregister 


595 


Adelsrebellion    214. 

Ädilen    61. 

«Adler-»  (Drama)  330  Anm. 

Adler  Kaiserliche  franzö- 
sische  342. 

Admiräle  259.  284.  312. 
313.    320.    322.    460. 

Adresse  der  Zweihundert- 
einundzwanzig   353. 

Adrianopel  362.   476.   482. 

Adriatisches  Küstenland 
329.  401. 

Adriatisches  Meer  70.  97. 

134.    329-    399- 

Adua    450. 

Aeronautik,  ihre  Ge- 
schichte   171.    513 — 515. 

—  (einschließl.   Aviatik; 
in       den       Vereinigten 

Staaten  von  Nord- 
amerika  515. 

in  Deutschland  513/514. 
514.  515  Anm. 

in  England   514.   515. 

in  Frankreich  513.  514. 

515- 
in  Italien   171.   514. 

—  im  Dienste  des  Krieges 

490-     514- 

Aeroplane  514.  515.  516. 
S.   auch   Flieger. 

Aeroplan,  sein  mathema- 
tisches    Problem     514. 

515- 

—  sport    515. 
Aetius    104. 
Afghanen  456.  458. 
Afghanisch    457. 
Afghanistan  452.  456.  457. 

459-  . 
Afghanistans  Bündnis  mit 

England     s.     Englisch- 
afghanisches Bündnis. 
Afghanistanexpeditionen 

Englands    456 — 457. 
Afrika  22.  23.   70.   71.  72. 

73.    84.    97.     100.     103. 

106.   108.   113.   115.  116. 

135-  159-   162.  164.   167. 

201.  202.  312.  344.  384. 

406.  412.  413.  435.  437. 

439.  440.  443.    444.  446. 

447.  448.  449-  450-  451- 
459.  472.  474.  498.  510. 

Afrikaforschung  s.  Er- 
schließung des  Innern 
Afrikas. 

Afrikander  441. 


Afrikaneger    4.    498.    501. 

S.  auch  Neger. 
Afrikanerwelt  436. 
Afrikanisch    487.    498. 
Afrikanische  Eingeborene 

435-   436.   448.    504- 

—  Eisenbahnverkehrspro- 
jekte s.  Eisenbahnver- 
kehrsprojekte f.  Afrika. 

—  Kolonialkriegführung 

436—437- 

—  Kolonialpolitik    487. 

Afrikanische  Krieger- 

stämme s.  Krieger- 
stämme in  Afrika. 

—  Negerrepublik  s.  Li- 
beria. 

—  Ostküste   450. 
Afrikanischer    Krieg 

Frankreichs    s.     Algeri- 
scher   Feldzug. 
Afrikanisches     Klima      s. 
Klima    afrikanisches. 

—  Küstengebiet    406. 
Afrika-Seuchen    435.    436. 

447-  449- 

Ägäische    Inselwelt   481. 

Ägäisches  Meer  22.  23. 
33.     134.     481. 

Agamemnon   32.    117. 

Agglutinierende  Spra- 

chen   461. 

Agora  38. 

Agrarbevölkerung         369. 

493-  496. 

—  gesetzgebung 
altrömische  62.   63.   jj. 
australische   473. 
russische    402. 

Agrarier  tum    497. 

Agrigent    37. 

Ägypten,  Ägypter,  Ägyp- 
tisch 5.  7  ff.  17.  19.  20. 
21.  22.  23.  24.  25.  27. 
28.  29.  34.  40.  45.  51. 
54.  56.  59.  68.  80.  81. 
91.  94.  95.  100.  113. 
114.  133.  134.  135.  199. 
313.  314.  320.  382.  383. 
413.  435-  436.  439-  440. 
443-  444-  445-  449-  450- 
499-    501-    535- 

Ägypteraufstände  in  Kairo 
439- 

Ägyptische  Anleihewirt- 
schaft  439. 

—  Armee   440. 


Ägyptische  Feldzüge  nach 
Lybien,  Nubien,  Äthio- 
pien in  alter  Zeit  14.  535. 

—  Händel  Ludwig  Phi- 
lipps   382.    385. 

—  Nationalpartei  439. 

Ägyptischer  Befreiungs- 
krieg gegen  die  Türken 
382. 

—  Feldzug  Bonapartes  s. 
Bonapartes  Feldzug 
nach    Ägypten. 

Ägyptischer  Zwischenhan- 
delsverkehr 439. 

Ägyptische    Schrift    13. 

Ägyptologisches  Institut 
314. 

Ahnenkult  s.  Totenkult. 

Ahriman    27.    45. 

„Aiglon"    330    Anm. 

Aigos  Potamoi  47. 

Aischa     114. 

Ajax  32. 

Akademien  261.  277.   510. 

Akademie  der  exakten 
Wissenschaften  zu  Pa- 
ris s.  Academie  des 
Sciences. 

Akademie      der     Wissen- 
schaften 
Berliner  261. 
Leipziger    250. 
Pariser    250. 
Petersburger    256. 

Akademie   zu   Leipzig  250. 

Akademische  Legion  zu 
Wien    394. 

Akadien  246.  265.  267. 
281. 

Akbar  268. 

Akropolis    43. 

Aktien  257. 

Aktium   68.   81. 

Akustik    430. 

Akustische  Gesetze  430. 

Alabama  (Schiffsbezeich- 
nung;  487. 

'Alabamafrage   486. 

Alah    iio. 

Al^n  II.    270. 

Alamannen  102.   103.   106. 

Alarich    103. 

Alaska   151.    164.   406. 

Alaskas  Ankauf  von  Ruß- 
land durch  die  Ver- 
einigten Staaten  von 
Nordamerika  406. 


596 


Namen-  und  Sachregister 


Alba    (Herzog    von;    197. 
Albaner    (Bewohner    von 

Alba    longa)    61. 
Albanesen   (Bewohner  von 

Albanien)    382.    482. 
Albanesisch,  Albanesische 

Sprache    und    Literatur 

482. 
Albanien    481.    482. 
Alberoni   258.    259. 
Albertsee    438. 
Albigenser    136.     151. 
Albinus  93. 
Albuminurie    527. 
Albuquerque    163. 
Alchimie    524. 
Alembert     (d')    272.     274. 
Alesia    79. 
Alexander  der  Große  26. 

29.    43.    49  ff.    56.    70. 

75.    79.    105.    116.    252. 

261.  313. 
Alexander    I.     (Zar)    322. 

324.  328.  329.  331.  332. 

339-  340-  341.  342.  360. 

361.  362. 

Alexander    II.    (Zar)    397. 

402.    403.    478. 
Alexander    III.     (Alexan- 

dro witsch)   (Zar)   485. 
Alexander  Fürst  von  Ru- 
mänien 476. 
Alexander      VI.      Borgia 

(Papst)    169.    172.    173. 
Alexander     VII.     ( Papst; 

238. 
Alexander    Farnese    Prinz 

von   Parma    198. 
Alexandria  51.  56.  57.  95. 

113.  115.  255.  313.  383. 

439-   Sil- 
Alexei    (Sohn    Peters    des 

Großen)    256. 
Alexei  (Zar)  236.  237.  253. 
Alexe jewitsch  (Sohn   des 

Alexei)     s.     Peter     der 

Große. 
Alfred  der   Große   128. 
Algebra    195.    218.    249. 
Algerien     383.    384.    385. 

435-  444-  446.  449-  Soi- 

503- 
Algerier  384.   385.   499. 
Algerisch,    Algerische 

Sprache    und    Literatur 

s.    Arabisch,    Arabische 

Sprache   und    Literatur. 


Algerische    Gebirgs- 
stämme   384. 

Algerische  Kammerde- 
batte  zu   Paris   384. 

Algerischer    Adel    384. 

—  Feldzug  383—384.  385. 
Algerische    Sitten    385. 
Algier  (Land)  s.  Algerien. 

385.    444.     445.    446. 

—  (Stadt;  241.  383.  384. 
421.  435. 

Alhambra    115. 

Alighieri  (Dante)  32.  149. 
247.    378. 

Alkalische  Erden  349. 

Alkaloide    527. 

„Alkeste''    (Drama)    44. 

Alkohohen  430.   448.    533. 

Alkoholismus  359.  406, 
427.   448.   466.    533. 

Alkoholproduktion  und 
-ausschank,  ihre  not- 
wendige staatliche  Re- 
gelung   533. 

Alle    (Flüßchen)    324. 

Allgemeine  Gleichheit  s. 
Gleichheit  allgemeine. 

Allgemeine  Mobilisierung 
490. 

—  Physik  s.  Mechanik  u. 
Statik. 

—  Physiologie 

in      Deutschland      376. 
427. 

in    Frankreich    429. 
Allgemeines      Stimmrecht 
s.     Allgemeines     Wahl- 
recht und  auch  Plebis- 
zit. 

—  Wahlrecht 

in     allen    europäischen 

Staaten    491.    492. 

in      Deutschland     393. 

491. 

in  Frankreich  387.  388. 
425.   427.   491. 
in   Österreich   394.   491. 
Allgemeine     Volksbildung 
368.   492.   493.    519. 

—  Volksschule  s.  Schul- 
pflicht. 

—  Zoologie  in  England 
428. 

Allherrschaft  der  Natur- 
wissenschaften  368. 

—  des  Papstes  s.  Omni- 
potenz    des    Papstes. 


AUia   69. 

Alliiertenheere  der  Fran- 
zösischen Republik  nach 
der  Großen  Revolution 
298 — 299. 

—  im  Ersten  Balkan- 
kriege 481. 

Europäisch  -  chine- 
sischen Kriege  466. 

—  —  Krimkriege   397. 

—  —  Russisch-türkischen 
Kriege    478. 

—  in  den  preußischen 
Freiheitskriegen  337. 
339-    344- 

Alliiertenheere  Napoleons 
I.  bei  seinem  russisch. 
Feldzuge   332. 

Alliiertenheer  im  Kriege 
Frankreichs  und  Sar- 
diniens gegen  Öster- 
reich 399. 

Alliierte  Herrscher  des 
Wiener  Kongresses  360. 

—  —  Herrscher  (Mon- 
archen) in  den  preu- 
ßisch. Freiheitskriegen 
339-  340.  341.  342.  347. 

Alma   (Schlacht   bei)   398. 
Almagro     167. 
Allmacht     der    römischen 
Kirche     124 — 126.     536. 

—  päpstliche  s.  Omnipo- 
tenz     des    Papstes. 

Alpen   72.    300.    304.    319. 

515- 
Alpenübergang      (militäri- 
scher)   Bonapartes   319, 

—  Hannibals    72. 
Alphabet   20.   23.   463/464 

468.  535. 

Altägyptische  Astrono- 
mie  12. 

„Altar  des  Vaterlandes", 
Erste  Anwendung  des 
Ausdruckes    293. 

Altchinesische  Astronomie 
12. 

Alte  Gesellschaftsordnung 
366. 

—  Ordnung  s.  Reaktion 
und  Konservativismus. 

Alter  Reichtum  Indiens 
458. 

—  —  Javas  und  der  an- 
deren Sundainseln  474. 


Namen-  und  Sachregister 


597 


Altersversicherungsgesetz  - 
gebung  s.  Invaliditäts- 
u.  Altersversicherungs- 
gesetzgebung. 

—  —  kassen    497. 
Altertum  klassisches  30  ff. 

171.  172.   177.  360.  361. 
362.  406.  450.  476.  484, 

493-  494-  530.  531- 
Altes  Testament  in. 
Älteste    Steinzeit     (Oolith- 

formation)    i. 
Altfranzösisch,      altfranzö- 
sische Sprache  und  Li- 
teratur   ii8.     126.     141, 

147- 

Altgriechenland,  Altgrie- 
chisch usw.  s.  Griechen- 
land, Griechisch  usw. 

Altmexiko    164 — 167. 

Altperu    167. 

Aluminium  375.   430.   514. 

—  gerippe  halbstarr  an 
den    Zeppelinen    514. 

Amalekiter    18. 
Amasis    (Ahmosej    14. 
Amboise     177. 
Ambrosius   loi. 
Amerigo    Vespucci 

s.   Vespucci   Amerigo. 
Amerika     58.      155.      158. 

161.  162.   163.  164.  167. 

196.  215.  221.  246.  257. 

265.  266.  267.  268.  272. 

284.  367.  401.  403.  405. 

406.  407.  436.  470.  507. 

—  dampf  er    512. 

„Amerika    den    Amerika- 
nern r  357.   405. 
Amerika  in   Asien  470. 
Australien    471. 

—  neger    501. 

Amerikaner  221.  282.  283. 
366.  376.  405.  470.  471. 
522. 

S.    auch    Nordamerika- 
ner. 

—  tum   405. 
Amerikanisch  283.  484. 

—  ,  Amerikanische  Lite- 
ratur 407. 

Amerikanische  Ableh- 

nung    der     Monarchie 
404. 

—  Inselgesellschaft    215. 
Amerikanischer     Antimili- 
tarismus   404/405. 


Amerikanische  Rasse  163. 
164. 

Amerikanischer  Bürger- 
krieg s.  Sezessionskrieg 
amerikanischer. 

Amerikanische  Regierung 
504. 

—  Republik 

s.     Vereinigte     Staaten 
von    Nordamerika. 
Amerikanischer    Kongreß 
in    Panama    359. 

—  Unabhängigkeitskrieg 
s.  Nordamerikanischer 
Unabhängigkeitskrieg. 

Amerikanisches  Aben- 

teurertum s.  Aben- 
teurer amerikanische. 

—  Bürgerrecht  410. 

Amerikanische  Schiff- 

fahrt s.  Schiffahrtsge- 
sellschaften und  Bin- 
nenschiffahrt. 

Amerikanisches  Felsenge- 
birge   405. 

—  Ländergebiet    357. 

—  Republikanertum   404. 

—  Wahlrecht    410. 
Amerikanische  Traditions- 

losigkeit  404. 

—  Urbevölkerung 
s.   Uramerikaner. 

—  Vorurteilslosigkeit  404. 

—  Zeitungsflut  492. 
Amerikanisierungsprozeß 

rascher  an  den  Aus- 
ländern in  den  Ver- 
einigten Staaten  von 
Nordamerika   473. 

Amerikanismus 

s.    Panamerikanismus. 

Amiens  132.  141.  320.346. 

Ämilius    Paulus    55. 

Ammon    5 1 . 

Ammoniak  430. 

Amoriter   18. 

Amoy    466. 

Ampere    (Andr6-Marie) 

373-    374- 
Ampere     (Elektrische  Mas- 
seneinheitsbezeichnung; 

374. 
Amru    53.    58.    113. 
Amsterdam    199.   218.  231. 

495- 
Ämterbesetzung  unter 

Karl  X.  in  Frankreich 
353. 


Amtlicher  diplomatischer 
Auslandsverkehr  in  Tu- 
nis   und    Marokko   444. 

Amtseinsetzung  der  Geist- 
lichkeit   s.     Ordination. 

Amtsentsetzung  unter  dem 
Konsulat  Napoleon  Bo- 
napartes   317. 

Amulette   64. 

Amur   452. 

Amurskij  (Ehrender  Bei- 
name)   452. 

Analphabeten  in  Rußland 
und    Spanien    492. 

Analyse    des    Harnstoffes 

375- 
Analysis  (Analyse;  mathe- 
matische (geometrische; 

195.    217.    448. 
Analytische  Geometrie 

s.    Analysis    (Analyse). 
Anam    460. 
Anamiten   460. 
Anarchie     (System)     175. 

236.  271.  272.  277.  300. 

306.  307.  318.  384.  410. 

411. 
Anarchie    (Willkür; 

afrikanische  451. 

altgriechische    58.    536. 

auf    Kuba    470. 

auf    den    Antillen    161. 

indische    271. 

marokkanische  445, 

russische    456. 

türkische    475. 

universelle      485.      486. 

488.   496.    509.    538. 

Anarchie  zwischenstaat- 
liche s.  Zwischenstaat- 
liche  Anarchie. 

Anästhesie  376. 

Anatomie 

in  Frankreich  349.  350. 
in  Italien  171. 

Anaxagoras    46. 

Anaximander    46. 

Ancre    (Marquis    d')    213. 

Andachtsgegenstände  185. 

Andalusien    156.    157.327. 

335- 

Anden  s.   Kordilleren. 

Andrassy  (Graf,  Minister- 
präsident von  Öster- 
reich)   482. 

Andrea    del    Sarto 
s.    Sarto. 


20    Rlchet,  Geschichte  der  Menschheit,  iL 


598 


Nameiir  und  Sachregister 


Andrözieux    366. 

„Andromache"  (Drama- 
titelj    246. 

Äneas   33. 

Äneis   2)3-   83. 

Anerkennung  der  Fran- 
zösischen Repubhk  304. 

—  —  Oberherrschaft  Ita- 
liens über  Tripohs 
durch    die    Türkei   450. 

—  —    Unabhängigkeit 
Ägyptens  383. 

—  —  —  Montenegros 
durch   die   Großmächte 

477- 

—  —  —  Transvaals  und 
Oranjefreistaats    441. 

—  des  Howakönigs  als 
König  von  gesamt  Ma- 
dagaskar durch  Napo- 
leon  III.   449. 

—  Montenegros  als  selb- 
ständiges      Fürstentum 

477. 

—  und  Bestätigung  der 
Unabhängigkeit  der 
Vereinigten  Staaten  von 
Nordamerika   283.    284. 

—  —  —  des  Kon- 
gostaates 437. 

Angeberei  5.  Denunzian- 
tentum. 

Angebot  vergebliches  der 
deutschen  Kaiserkrone 
an  Friedrich  Wilhelm 
IV.   393.  394. 

Angeles    (Los; 
s.  Los  Angeles. 

Angelico     150. 

Angeln    102.    106.    128. 

Angelsachsen  128.  129. 
130.    142. 

Angelsächsisch    130.    147. 

Angelsächsische  Mächte- 
gruppe der  Gegenwart 
474- 

Angelsächsisches  König- 
reich   128. 

Angers   302. 

Angewandte  moderne 

Wissenschaft,  beson- 
ders Naturwissenschaft 
510,  521,  522,  523,  524. 

Anglikaner  216. 

Anglikanische  Kirche  184 
bis    186.   327. 


Angio- Amerikanisch, 
anglo-amerikanische  Li- 
teratur   407. 

Angola   438.    450. 

Angoul^me  (Herzog  vonj 
356. 

Angriffspolitik 

s.  Eroberungspolitik  u. 
auch    Kriegspolitik. 

Angromeinyus    27. 

Anhänger  des  englischen 
Königs  s.  Royalisten. 

Anilin    430. 

Anilin-Derivate    430. 

Anjou   137.    184.  245.  258. 

Ankauf  Lousianas  durch 
Napoleon    I.     '405. 

—  nordamerikanischer 
Alaskas  von  Rußland 
406. 

—  —  Floridas  von  Spa- 
nien  405. 

Anlaß  äußerer         des 

Deutsch  -  französischen 
Krieges   418 — 420. 

*—  —  —  Russisch-japani- 
schen Krieges   453. 

Anlehnung  Englands  an 
Frankreich  und  Ruß- 
land  483. 

Anleihe  Frankreichs  unter 
Ludwig   XVI.    287. 

—  Rußlands  im  Ausland 
s.  Auslandsanleihe  Ruß- 
lands.     , 

—  —  in    Frankreich   483. 

—  System  in  den  Staaten 

287.    439-    509- 
S.  auch  Ägyptische  An- 
leihewirtschaft. 

Annäherung  der  Mensch- 
heit durch  den  Inter- 
nationalismus   510. 

Anna  Iwanowna  (ZarinJ 
256.    259. 

„'Anna  Karenina"  (Ro- 
manj    432.    520. 

Anna  Königin  von  Eng- 
land  258. 

Anna  von  Österreich  232. 

Annexion  Belgiens  durch 
Holland  347. 

—  Birmas  durch  Britisch- 
indien   459. 

—  Bosniens  und  der  Her- 
zegowina durch  Öster- 
reich-Ungarn  479. 


Annexion  Zyperns  durch 
England  479. 

—  der  beiden  König- 
reiche Sizilien  und  des 
Königreichs  Neapel 
durch  das  Königreich 
Sardinien  (Piemontj 
400. 

—  —  gesamten  Man- 
dschurei durch  Japan 
(nach  dem  Chinesisch- 
japanisch.  Kriege)   469. 

—  —  Großherzogtümer 
Toskana  und  Emilia 
durch  das  Königreich 
Sardinien         (Piemont; 

399- 

mexikanischen  Pro- 
vinz Kalifornien  durch 
die  Vereinigten  Staaten 
von    Nordahierika    406. 

— Neu-Mexiko 

durch  die  Vereinigten 
Staaten  von  Nordame- 
rika   406. 

—  —  —  —  Texas  durch 
die  Vereinigten  Staaten 
von    Nordamerika    406. 

411. 

—  —  Südafrikanischen 
Repubhk  durch  das 
Britische   Reich   443. 

—  des  Königreichs  Berg 
s.  Annexion  Westfalens 

—  Hannovers,  Kurhessens 
und  der  Freien  Reichs- 
stadt Frankfurt  durch 
Preußen    417. 

—  Finnlands  durch  Ruß- 
land  331. 

—  Floridas  durch  die  Ver- 
einigten Staaten  von 
Nordamerika    358. 

—  Genfs  durch  das  Fran- 
zösische       Direktorium 

—  Genuas  durch  das  Kö- 
nigreich Sardinien  347. 

und  Liguriens  durch 

Frankreich    321. 

—  Hollands  durch  Frank- 
reich 330. 

—  Itahens  durch  Frank- 
reich 331. 

—  Koreas  durch  Japan 
(nach  dem  chinesisch- 
japanischen Kriege) 
469. 


Namen-  und  Sachregister 


Annexion  Korsikas  durch 
Frankreich    308. 

—  Mühlhausens      durch 
Frankreich    314. 

—  Oldenburgs         durch 
Frankreich    331. 

—  Piemonts  durch  Frank- 
reich   314.    320. 

—  Spaniens  durch  Frank- 
reich 330. 

—  Venedigs  durch    Öster- 
reich   311.     347. 

—  Westfalens  (nebst  Berg; 
durch    Frankreich    331. 

—  ssystem  279.  292.  Nach- 
trag 298.  307.  308.  311. 
314.  316.  323.  330.  331. 
S.    auch    Ländergier. 

Anorganische  Chemie  420 
528.  ^ 

Anpassung  der  Arten 

s.  Natürliche  Zuchtwahl. 
Anschlüsse      der      Trans- 
sibirischen   Bahn    nach 
Port   Arthur   (von  Muk- 
den    und    Wladiwostok) 
453. 
Ansiedler   s.    Kolonisten. 
Ansiedlergefahren  einstig-e 

498. 
Ansiedlungsstätte    (franzö- 
sische in  Algerien)  385. 
Antagonismus  französisch- 
deutscher  121. 
Antananarivo    449. 
Antediluvianische        Men- 
schen und  Tiere  i   195 
350. 
Anthropomorphismus    3. 
Antialkoholismus  der  Chi- 
nesen   463.    465. 
Antialkoholistische   Bewe- 
gung s.  Abstinenzbewe- 
gung, Temperenzlertum 
und        Trinkerrettungs- 
heimbewegung. 
Antibes    341. 

Antibureaukratismus  261 
286. 

Antiimperialismus  in  den 
Vereinigten  Staaten  von 
Nordamerika   405. 

AntiinterventionspoHtik 
Nordamerikas    405. 
S.  auch  Monroedoktrin 
und  Nichteinmischungs- 
pohtik. 

Antiklerikahsmus  345.- 
20* 


Antikonservatismus        der 

Arbeiterschaft    369. 
Antiliberalismus   356.  392. 

393-    415- 
Antillen      161.     162.     164. 

167.  196.  201.  231.  244 

268.    472.    474. 
Antillen  (Große;  470.472. 
Antillenmeer 

s.   Karibisches  Meer. 
Antimilitansmus  unter 

Friedrich   dem   Großen 

261. 
—  chinesischer  462. 
Antiochia       89.    95.     132 

^33- 
Antiochus    7^. 

Antiparlamentarismus  der 
187 1  er  Pariser  Com- 
mune 426. 

Antipathie  der  bürgerli- 
chen Regierungen  ge- 
gen internationale  Welt- 
anschauungen   518. 

Antirevolutionäre  Gesin- 
nung der  einstigen 
iiordamerikanischen  An^ 
Siedler    404. 

Antiroyalistischer  Protest 
unter  Karl  X.  von 
Frankreich    353. 

Antiseptisches  Verfahren 
529. 

Antivari  479. 

Antiwagnerianertum  433. 

Antonine    92.    93. 

Antonius  58.  68.  77.  81. 
85.  92.  93- 

Antwerpen  154.  197.  199 
231-    364. 

Anwälte  353.   386.   424. 

Anziehungskraft  der  Erde 
231.    250. 

Sonne    231.    250. 

Apenninen    121.     148. 

Aphrodite  41. 

Apisstier    9. 

Apollo    37.    50. 

Apostatentum  100/ loi 
156.  '       ' 

Apostel  (Jünger)  88.  89. 
III.  112.  268.  433.  461. 
520.    S.   auch   Prophet. 

Apotheose  der  Vernunft 
302. 

—  von  Herrschern  506. 
S.  auch  Herrscheranbe- 
tung. 


^99 

Apparatensammlungen 
wissenschaftliche   534. 

Appomattox    410. 

Aquae    Sextiae    ■;■/. 

Äquator  165. 

Aquilonia  69. 

Aquino  218. 

Aquitanien   117. 

Ära    s.    Zeitrechnung. 

Araber  s.   Arabien. 

Arabertum  115.  151  1C7 
199. 

Arabeske    150. 

Arabien  und  Araber  17. 
19-  25.  40.  110.  III, 
113.  114-  115.  116.  117.* 
131.  135-  151.  156-  156. 
162.  185.  195.  384.  436. 
444-   45°-   452.  487. 

Arabi    Pascha   439. 

Arabisch  139.  151  11-7 
158. 

Arabisch,    Arabische 
Sprache    und    Literatur 
113.    115-    385- 

Arabische  Eingeborene 
487. 

—  Hochschulen     115 
115. 

Arabisch-französisches 
Kolonialreich   385. 

Arago   348.    349.   387. 

Aragonien   156. 

Aralsee  456. 

Arbeiterausstand  s.  Streik. 

Arbeiterbewegung  mo- 
derne in  Stadt  und 
Land  493—498. 

Arbeiterfragen     369 — 371. 

—  freizügigkeit    498. 

—  gesetzgebung    497. 

—  gewinnanteile   497. 

—  Interessen  370. 

—  klasse   370.   497. 

S.  auch   Arbeiterschaft. 

—  koalition    496. 

—  Partei  in  England  496. 

—  psyche   370. 

—  Schaft  (Arbeiterstand; 
172.  290.  339.  353.  366. 
369.  370.  386.  387.  394. 
420.  442.  465.  473.  497. 
S.   auch  Arbeiterklasse. 

—  Schiedsgericht  473. 
497. 


6oo 


Namen-  und  Sachregister 


Arbeiterschutzgesetzge- 
bung in  Australien  und 
Neuseeland    473. 

—  —  —  den  modernen 
Staaten    491.    497. 

—  —  —  England  371. 

—  viertel  370, 

—  wohnungselend   371. 

—  Wohnungsgesetzgebung 

497- 

—  Wohnungsnot    371. 
Arbeitgeberschaft  473. 

497- 
Arbeitseinstellung 
S.  Streik. 

—  kräfte  in  Nordamerika 
s.  Nordamerikanische 
Arbeitskräfte. 

—  lohn  371.  473-.  494-  506. 
S.  auch  Städtische  Ar- 
beitslöhne und  Länd- 
liche   Arbeitslöhne, 

—  losigkeit    371. 

—  niederlegung  s.  Streik. 

—  willigenrecht    496. 
Arbela  52. 

Are  s.  Johanna  von  Are. 
Are  de  Triomphe  380. 
Archangelsk    254. 
Arehimedes  46.   47. 
Architektur 

ägyptische    5.    11.     13. 

altamerikanische       165. 
166.   535. 

byzantinische     150. 

chaldäische    15.    535. 

christliche  99.  109.  125. 
141.    150. 

französische     177.     249. 
380. 

griechische  43.  141.  171. 

internationale    moderne 

433- 
italienische      171.      172. 

177. 
mittelalterlich-arabischei 
(sarazenische;        115. 
150. 
Archive     preußische     292 
Nachtr. 

—  s.   Landesarchive. 
Archonten  38. 
Archole    310. 

Ares    536. 

Argentinien  167  357  Anm. 

358.  359-  470.  472.  487. 

S.    auch    Argentinische 

Repujjlik. 


Argentinier  ihre  verhält- 
nismäßige europäische 
Rassenreinheit   472. 

Argentinische  Rupublik 
357  Anm.  359.  470.  487. 
498.    500.    501. 

Argos   36.   69. 

Arianer    loi. 

Arianertum  100.  103.  181. 

Arier    26. 

Aristokratie  247.  467.  509. 

Aristokratisch  181.  223. 
229. 

Aristophanes  44  mit  Anm. 
59  Nachtrag.  203.  205. 
248. 

—  seine  Gegnerschaft 
gegen  Kriegs-  und 
Machtpolitik  44  mit  An- 
merk.    59    Nachtrag. 

Aristoteles  48.  50.  52.  83. 
154.    170.   218.   350. 

Aristotelismus    218. 

Arius    ICD. 

Armada  201.  202.  204. 
205.  231. 

Ärmelkanal    79.     515. 

Armenien,  Armenier,  Ar- 
menisch 23.  24.  26.  96. 
113.   455.   478.   479. 

Armeniermetzeleien  456. 
S.    auch    Gemetzel. 

Armenisch,  Armenische 
Sprache    und    Literatur 

455- 
Armenische     Christen     in 
der   Asiatischen  Türkei 
458. 

—  Geschichte    455. 

—  Greuel  s.  Armenier- 
metzeleien. 

—  Sitten    455. 
Armenisches    Volkstum 

s.   Nationales  Volkstum 

der    Armenier. 
Armorika  79. 
Arques     192. 
Arsen  531. 
Artillerie     145.     168.     175. 

337-  363.  399-  421.  422. 

443-  490- 
Artillerist    309. 
Artois     (Landschaft     und 

Provinz)    211.    234. 
Artois    (Graf   von;   295. 
Artus    128. 
Ärzteberuf 

altmexikanischer    165. 


Ärzteberuf  britisch-afrika- 
nischer   438.    447. 
französischer    216. 
nordamerikanischer  281. 
spanisch-jüdischer     des 
Mittelalters    157. 

Ärztliche  Stationen  in  Bri- 
tisch-Afrika  438.  447. 

Äschines    48. 

Äschylus  32.  44.  171.  205. 
248. 

Asiaten  164.  451.  453. 
456. 

Asiatisch   471.    479. 

Asiatische  Eingeborene 
504. 

—  Türkei  455.  458. 

Asien  29.  33.  42.  49.  50. 
51.  53.  54.  63.  75.  78. 
79.  91.  92.  97.  113.  114. 
115.  119.  134.  151.  152. 
160.  162.  104.  167.  201. 
272.  412.  413.  435.  439. 

451.  455-  458.  459-  461. 
470.  471.  474.  535.  536. 

Askese    100.    179.    186. 
Asketen    100. 
Asketismus     100. 
Asoka    s.    Agoka. 
Asow  254. 

Asowsches   Meer   254. 
Assar-Haddon   25. 
Assignaten  301. 
Association  Internationale 

Africaine    437. 
Assur  16. 
Assurbanapal       (Sardana- 

palj  25.   26. 
Assurnasirpal    24. 
Assyrien,      Assyrer      und 

Assyrisch  14  ff .   15.   17. 

18,    19.    20.    21,    22  ff. 

23.   24,   25.   26.   27.   40. 

41. 
Astarte   20.   24. 
Ästhetik  434.    522. 
Astrologie    208. 
Astronomie    12.    216.    217. 

250.  348.  521.  525.  540. 

—  der  alten  Ägypter  und 
Chinesen    13. 

Astronomischer         Bewe- 
gungsphotographenap- 
parat    521. 

Astyages    29. 


Namen-  und  Sachregister 


60 1 


Asylrecht  kirchliches    124. 

—  politisches  in  England 
396. 

„Athalie"  248. 
Atheismus   261.   349.   428. 
Athen    31.    35.    37    ff.   41. 

42.   43.    44.    47.  48.    49. 

55.  56.   57.  89.  98.   115. 

171.  362. 
Athene    43.    85.    536. 
Athenetempel    43. 
Atherisierung    376. 
Äthiopien    7.    9.    14.    435. 

448.  449- 
Äthiopier    449. 

—  ,  ihr  Christentum  450. 

—  ,   ihre    Intelligenz   449. 
Atlantis    158. 

Atlantische  Ostküste  Ame- 
rikas 512. 

Atlantischer     Ozean     122. 

158.  202.  239.  265.  281. 

344.  405.  406.435.    445. 

446.  451.  471.  472.  487. 

512. 
Atlantische    Westküste 

Afrikas    435.    438.    443. 

450. 
Atmungsgeräusche    526. 
ÄtoHen   31.    54.    55. 
Atomentheorie    s.    Atomi- 
stik. 
Atomistik 

im  alten  Hellas  57. 

im     modernen      Frank- 
reich,      Deutschland 
und     England     291. 
349-    375-    430-    525- 
Atriden  33. 
Attentat     politisches     352. 

410.    412.    466. 
Attika  31.   33.  35.   36.  42. 

47. 
Attila   104  ff.  332. 
Attisch  54. 
Attisch    54. 
Auber       (Daniel-Francois- 

Esprit)  381. 

Aubigne  (Agrippa  d') 
190.   242. 

Audh    271. 

Auerstädt    323. 

Auferstehung  520. 

Aufgabe  jeder  Art  Vor- 
herrschaft in  Deutsch- 
land seitens  Österreichs 
s.  Ausschließung  Öster- 


reichs   aus    dem    Deut- 
schen Bunde. 
Aufhebung     der     Feudal- 
macht   146.    293. 

—  —  Leibeigenschaft  in 
England    402/403. 

—  —  —  —  Frankreich 
402/403. 

—  —    —    —    Polen    306. 
Rußland  402. 

404. 

—  —  Menschenopfer  in 
Algerien    385. 

—  —     Preßfreiheit     354. 

389- 

—  —  Sklaverei  in  den 
Vereinigten  Staaten 
von    Nordamerika    404. 

—  —  französischen  Ver- 
fassung durch  den  De- 
zemberstaatsstreich 388. 

—  —  französischen  Ver- 
sammlungsfreiheit durch 
den  Dezemberstaats- 
streich   389. 

—  —  Güterkonfiskation 
unter    Ludwig     XVI  IL 

341- 

—  —  Klassenprivilegien 
492. 

Zölle  s.  Zollfreiheit. 

—  des  Ediktes  von  Nan- 
tes s.  Widerrufung  des 
Ediktes  von   Nantes. 

—  —  Klassenstaates  492. 
Aufhebung    s.    auch    Ab- 
schaffung. 

Aufklärungsdienst  militä- 
rischer 515. 

Auflösung    der    alten    Ge- 
sellschaft durch  die  Ka- 
pitalistendemokratien 
510. 

—  —  Türkei  s.  Zerstük- 
kelung    der    Türkei. 

—  des  Provinzialparla- 
ments  zu  Grenoble  288. 

Aufrechterhaltung  der 

Freiheit  der  Arbeit  496. 

Aufrichtung  des  neuen 
deutschen  Kaiserreiches 
s.  Gründung  des  neuen 
deutschen  Kaiserreiches. 

Aufschwung  Nordameri- 
kas s.  Nordamerikani- 
scher   Aufschwung. 

Aufstand  der  Hellenen 
360—362. 


Aufstände 

s.    Ägypteraufstände    in 
Kairo. 

Chinesenaufstände. 

Christenaufstände      auf 
dem  Balkan. 

Hellenenaufstand   (Auf- 
stand der  Hellenen), 

Janitscharenaufstände. 

Kubanischer     Aufstand. 

Polenaufstände. 

Russenauf  stände. 

Südamerikanische 
Volkserhebungen. 

Türkenaufstände. 

Volksaufstände     franzö- 
sische. 

—  russische. 

—  spanische. 
Aufständische      s.     Insur- 
genten. 

Aufteilung  Chinas  s.  Zer- 
stückelung   Chinas. 

—  des  gesamten  Afrika 
im     Berliner     Kongreß 

437. 

Augmentation  Act  184. 

Augier    (Emile)    432. 

Augsburg    154.    180.    206. 

Augsburgische  Konfession 
s.  Confessio  Augustana. 

Augsburger  Religions- 

friede s.  Religionsfriede 
zu    Augsburg. 

Auguren    62. 

August  IL  der  Starke 
König  von  Polen  (als 
Kurfürst  von  Sachsen 
Friedrich  August  I.) 
252.    253.    259. 

August  III.  von  Polen  (als 
Kurfürst  von  Sachsen 
Friedrich  August  IL) 
259.  260.  278. 

Augustenburg    415. 

Augusti  (Titel  der  beiden 
altrömischen  Doppel- 
kaiser)   97. 

Augustus  (erster  römi- 
scher Kaiser;  76.  77. 
82  ff.  86.  88.  92.  106. 
108.    318. 

Aurelles  de  Paladine  (Ge- 
neral Louis-Jean-Bap- 
tiste  d'j  424. 

Aurengzeb  268. 

Ausdehnung  durch  Er- 
wärmung   366. 


6o2 


Namen-  und  Sachregister 


Auseinandergehen  japani- 
scher und  chinesischer 
Kultur    467. 

Ausfälle   der   Türken   bei 

Plewna   478. 
Ausfalltaktik   424.   478. 
Ausfuhrhandel    371.     505. 

506. 

—  Zölle  amerikanische 
471. 

Ausgabenkontrollrecht 
des     engHschen     Parla- 
ments    gegenüber     der 
Krone    227. 

Ausgleich  des  konstanten 
Verhältnisses  der  An- 
hängerzahl zwischen 
Protestantismus  und 
Katholizismus  in  den 
Vereinigten  Staaten 

durch  irländische  Ein- 
wanderung 504. 

Ausgleichspolitik  s.  Ver- 
ständigungspolitik. 

Aushebung  s.  Rekruten- 
aushebung, Rekrutie- 
rung. 

—  sgeschäft  s.  Truppen- 
aushebung. 

Aushebung  von  Freiwil- 
ligenkorps s.  Freiwilli- 
genaufgebot. 

Aushungerung  Englands 
324- 

Auskultationsverfahren 
526. 

Ausländerinnen  auf  Für- 
stenthronen in  Frank- 
reich 188.  213.  232, 
286.  398. 

S.  auch  Frauenpolitik 
und   Frauenregiment. 

Ausländische    Offiziere 
340. 

—  Regimenter    289. 
Auslandsanleihe  Rußlands 

483.        - 

—  komplotte    397. 

—  Politik  Eduard  VII. 
483. 

—  zolle    s.    Ausfuhrzölle. 
Auslegung    der    Heiligen 

Schrift  s.  Bibelaus- 
legung. 

Auslese    5. 

Ausnützung  der  Elektrizi- 
tätswissenschaft für  die 


moderne  Industrie  522 
bis    524. 

Ausnützung  der  Elektrizi- 
tätswissenschaft für  die 
Medizin   524. 

Technik 

522. 

Naturwissenschaften 

s.  Industrielle  Ausnüt- 
zung der  Naturwissen- 
schaften. 

Ausrottung  der  Indianer 
406. 

—  —  infektiösen  Insek- 
ten und  Ratten   532. 

Uraustralier       413. 

414. 

Ausrufung  s.  Kaiserpro- 
klamation   usw. 

—  der  Dritten  Republik 
in   Frankreich    422. 

—  —  Ersten  Republik 
in   Frankreich   300. 

Republik  Chile  358. 

— Kolumbia    358. 

— Mexiko  358. 

Peru  358. 

—  —  Zweiten  französi- 
schen Republik  386. 

Ausrüstung 

s.  Heeresausrüstung, 
Soldatenausrüstung. 

Aussaat  494. 

Ausschließliche  Abhän- 
gigkeit des  Enderfolges 
im  modernen  Kriege 
von  wirtschaftlichen  Be- 
dingungen 481. 

Ausschließung  der  euro- 
päischen Gesandten 
vom  Kaiserlichen  Hofe 
in  China  465. 

—  Österreichs  aus 
Deutschland  417.  418. 
480.    482. 

Ausschreibung  s.  Trup- 
penaushebung. 

Aussendungsstelle  für 

Funkentelegraphie    517. 

Äußere  Politik  Napoleons 
III.     398. 

Äußerer  Kriegsanlaß  beim 
Deutsch  -  französischen 
Kriege    419—420.    425. 

Aussichtslosigkeit  moder- 
ner Putsche  404. 


Aussöhnung  zwischen 

Deutschland  und  Öster- 
reich 482. 

—  —  Rassen   413. 
Aussterben  der  Elefanten 

im    Kongostaat    438. 
Austerlitz  322.   323. 
Australien  412.   413 — 415. 

459.  465.  471.  473—475. 

498.  500.  501.  506.  511. 
Australisch  471. 
Australische    Eingeborene 

4.    u.    504. 

—  Gesetzgebung  473. 

—  Gewässer    471. 

—  Inseln  -473. 
Australischer    Bund   473. 

Australische  Ureinwohner 
s.  Australische  Einge- 
borene. 

—  Verwaltung    473. 
Australneger    4.    11.    504. 

Austreten  Österreichs  aus 
dem  Deutschen  Reich 
s.  Ausschließung  Öster- 
reichs aus  dem  Deut- 
schen  Bund. 

Austria  (Juan  d')  s.  Juan 
d'Austria. 

Ausströmungstheorie 
s.    Emanationstheorie. 

Auswanderergefahren  ein- 
stige   498. 

—  kolonnen    498. 

—  trupps  498. 
Auswanderungszunahme 

bei     den    europäischen 
Völkern    500. 
Auswanderungen 

chinesische  (nach  Euro- 
pa) 465. 

europäische    (nach    den 
Vereinigten  Staaten  von 
Nordamerika;    473. 
französische     242.    265. 
266.  295.  297.  298.  364. 

französisch  -  kanadische 
(nach    den    Vereinigten 
Staaten;  473. 
italienische     (nach    Ar- 
gentinien;   472. 
polnische    363. 
russische     (nach     Sibi- 
rien}  450. 

spanische  (nach  Argen- 
tinien)   472. 


Namen-  und  Sachregister 


603 


Ausweisung  s.  Verban- 
nung. 

Autodafe    185. 

Autokratismus,  Autokra- 
tie   s.    Absolutismus. 

Automobilfahrstraßen  513. 

Automobilismus  490.    510. 

513- 

—  im  Dienste  des  Krie- 
ges   490. 

Autonomie  426. 
Autorität     der     römischen 

Kirche       s.       Religiöse 

Autorität. 
Autoritätsprinzip    418. 
Avancement  309. 
Avaren  109.  117.  118.  119 
Aviatik 

italienische  älterer  Tage 

171. 

moderne  490.    513.   514 

bis    516. 

—  im  Dienste  des  Krie- 
ges   490. 

Avignon  72.  141.  143.  352. 
Ayacucho    358. 
Azincourt    144. 
Azoren    1 60. 
Azteken   165. 


Baal    20.    23. 

Babylon    16.    20.    25.    26. 

27.  28.   53. 
Babylonien  25.  26.  27.  40. 
Bacchus  493. 
Bach    (Johann    Sebastian; 

381. 
Bachsche   Fugen   381. 
—  Oratorien   381. 
Baco  von  Verulam  s.  Ba- 

con    (Francis). 
Bacon  (Francis)  218.  250. 

537. 
Baden   393.    416.    417. 
Badener        Volksaufstand 

393- 
Badenser    421. 
Bagdad  113.  114.  115.  119. 

458. 
Bagdadbahnprojekt    458. 
Bahamainseln    160. 
Bailly     (Astronom)      289. 

302. 
Bajonett  240. 
Bajuvaren    106. 


Bakteriologie 

in      Deutschland       529. 

530.    531- 

in   England    530. 

in  Frankreich  528.  529. 

530.    531- 

in   Italien   530. 

internationale    540. 
Baktrien    14.    40. 
Balearen   71. 
Balearische       Inseln      22. 

72.   103. 
Balkan    (Halbinsel; 

s.    Balkanhalbinsel. 

—  Christen  ,475. 

—  fragen    398.    476 — 482. 

—  halbinsel  152.  362. 
474-  475-  476.  477-  478. 
479.    480. 

—  Juden  477. 

—  kriege    480 — 482.    483. 

—  Slawen    475.    477.    502. 

—  Staaten  s.  Balkanvöl- 
ker. 

—  Völker  474.  475.  476. 
477.    481. 

Ballon  s.  Luftschiffsman- 
tel. 

Ballspielhaus  s.  Jeu  de 
Paume. 

Baltadji    294. 

Balten    102. 

Baltimore    495. 

Balzac   (Honor6;   379. 

Bamberg    153. 

Bandenführer  zum  Schutze 
der  Bürger  (Schutz- 
mannschaft) s.  Condot- 
tieri. 

Bankmann  286. 

—  noten    257. 
Bankrott     s.     Staatsbank- 
rott. 

—  der  Kriegspolitik  und 
des    Nationalismus 

s.  Kriegspolitik  und 
Nationalismus,  ihr  Ban- 
krott   in   aller   Zukunft. 

Banksystem    140.    149. 

Bann  s.  Kirchenbann. 

—  bullen    139.    179. 
Barbarei     237.    255.    270. 

276.  278.  384.  403.  488. 

534. 

S.       auch      Unbildung, 

Tiefe    Unwissenheit. 


Barbaren  (Wilde;  29.  35. 
39.  40.  42.  48.  49.  54. 
59.  84.  85.  91.  92.  96. 
97.  98.  loi.  102.  104. 
105.  106.  107.  132.  150. 
151.  157.  158.  238.  255. 
459- 

—  einfalle  in  den  Balkan 
476. 

—  weit  des  Altertums  459. 

Barbarossa  s.  Friedrich  I. 

Barbarossa. 
Barcelona   495. 
Barneveit    229. 
Barometer  219. 
Barone  125.  126.  137.  146. 

352.    365- 
Barras  309.   316. 
Barrikadenbau    233.     354. 

386.    388. 

—  kämpfe  354.  386. 
Barry  s.  Du  Barry. 
Bartholomäusnacht       190. 

191.  242.  302. 

Baryt  349. 

Basel    154.    186.   304.   311. 

Basiliken  109. 

Basken  156.  418. 

Baskisch,     Baskische 

Sprache    und    Literatur 

502. 
Bastille    290.    386. 

—  Sturm  290.  292.  293. 
386. 

Batavien      (Holländisches 

Kolonialreich)  318.  320. 

Batavische   Republik   304. 

314. 

Bathumi    479. 

Bauchspeicheldrüsensaft 
429. 

Bau    des    Suezkanals 
3.    Durchstechung     der 
Landenge    von    Suez. 

Bäuerliche  Bodenreform- 
gesetzgebung Zar  Ale- 
xanders II.  in  Rußland 
402. 

Bauernaufstände 
deutsche     180. 
französische  293.   302. 
spanische    326. 

—  Befreiung  in  Rußland 
402 — 404. 

—  klugheit  369. 

—  kolonien    441. 


6o4 


Namen-  und  Sachregister 


Bauernkriege  s.  Bauern- 
aufstände deutsche. 

—  tum  127.  136.  142.  144. 
145.  180.  207.  209.  236. 
242.  255.  265.  278.  281. 
288.  300.  301.  305.  445. 
462.   493.   496.  _ 

—  Unterwürfigkeit    369. 
Baumwollausfuhr   505. 
Baumwolle  505. 
Baumwollindustrie        405. 

505- 
Baumwollenkonsum    505. 
Baumwollkultur  405.   406. 

—  waren    505. 
Bäurische    Kirchturmpoli- 
tik 370. 

Baustil 

gotischer    125.    140.  177. 

249. 

griechischer    177. 

romanischer   142. 
Bautzen  336. 
Bayer       (Johann     Jakob; 

519- 
Bayerisch    289. 
Bayerische    Prinzen     362. 
Bayern    (Staat j    210.    212. 

232.  259.  289.  319.  362. 

393.    416.    417. 
Bayern    (Volk;    337.    393. 

421. 
Bayle    (Pierre)    231.    273. 
Bayldn    326.    327. 
Bayonne    337.    355. 
Bazaine     411.      421.     423. 
Bazill    529.    530.    531. 
Bazillenimpfung     529. 
„Bazillus  {Der)"  531.  532. 

Anm. 
Beamtenhierarchie  15. 

317.    535- 

—  Schaft  s.  Staatsbeam- 
tenschaft. 

Beauharnais  (General 

Alexandre   de)   309. 

Beauharnais  (Josephine 
de;    309.    330.    387. 

Beaumarchais    287 — 288. 

Beauvais    239. 

Beccaria    275. 

Bedenken  gegen  die  Zep- 
peline und  Luftschiffe 
überhaupt  als  Zivilbe- 
förderungsmittel   514. 

selbst      für 

militärische  Zwecke  514. 


Bedeutung  des  Maschi- 
nenwesens   369 — 371. 

Bedürfnislosigkeit  87.  460. 
462. 

ßeecher-Stowe  (Harriet 
Elizabeth)    407. 

Beerdigungskult  chinesi- 
scher   462. 

Beethoven  (Ludwig  van) 
381.    433- 

Befestigungssystem    240. 

Befreier  als  anfänglicher 
Ehrentitel  für  die  in 
Nachbargebiet  einrük- 
kenden  französischen 
Revolutionsheere      316. 

399- 
Befreiung   Bulgariens  vom 
Türkenjoch  durch  Ruß- 
land   478—480. 

—  Griechenlands  vom  Tür- 
kenjoch   362.    476. 

—  skampf  des  mensch- 
lichen  Geistes   271/272. 

—  skriege  236/237.  261  bis 
264.  278 — 279.  306.  307. 
336  —  348.  356  —  358. 
361—362.  363— 364- 

—  —  preußische  s.  Frei- 
heitskriege   (Preußens). 

Begleitoffizier    s.    Offizier. 

Begnadigung  423. 

Begrenztheit  der  Mög- 
lichkeit europäischer 
Bevormundung  in 

Schutzstaaten  und  Ko- 
lonien   504. 

Begriff  der  Pflicht  bei 
Kant  351. 

Begründer  der  allgemei- 
nen (vergleichenden) 
Physiologie  376.  428. 

—  des  modernen  Tonver- 
hältnisses 381. 

Begründung  der  moder- 
nen Forschung  348  bis 
350.    351—352. 

Begrüßung  der  Franzosen 
als       Befreier      Italiens 

398.. 
Behanzin    446. 

Beherrschung  der  Welt- 
bühne durch  franzö- 
sische   Dramatik    431. 

Behring  (Emil  Adolf; 
531. 


Beilegung  der  internatio- 
nalen Streitigkeiten  auf 
friedlichem    Wege    484. 

Beitritt  Savoyens  zu 
Frankreich  399. 

Bei    von    Tunis    444. 

Bekämpfung  afrikanischer 
Krankheiten 
s.       Krankheitsbekämp- 
fung  in    Afrika. 

—  veralteter  grausamer 
Gerichtsbräuche    274. 

—  von  Absolutismus  und 
Reaktion    352. 

Bekenntnis  Augsburgi- 
sches s.  Confessio 
Augustana. 

—  Christentum    504. 
Bekleidung  s.  Soldatenbe- 

kleidung. 
Belagerungen       70.       72. 

210.  309.  337.  339.  363. 

384.  392.  397.  409.  421. 

422.  423.  424.  425.  426. 

454.   478.   479. 
Belagerung  von  Metz  421. 

422.  423. 

—  —  Paris  im  Deutsch- 
französischen       Kriege 

423.  424.    425.   426. 
—  durch    die    fran- 
zösischen     Regierungs- 
truppen 426. 

Plewna  478.  479. 

Belebte  Maschinen  der 
Tiere  218. 

—  Urkörperchen  528. 
Belgien  198.  259.  262.  300. 

302.  304.  343.  347.  364. 

366.  369.  434.  436.  437. 

448.  506.  507.  508.  522, 

—  als  spanische  Provinz 
198. 

Belgier  365.   447.   522. 

Belgisch  484. 

—  e    Neutrahtätsgarantie 

364.  .   ,    .    , 

—  e  Unabhängigkeitsbe- 
wegung 

s.      Unabhängigkeitsbe- 
wegung   Belgiens. 

—  es  Königtum    364. 
Belgisch-Kongo       433  bis 

443. 
Belisar    108. 
Bell  (Graham)  516. 


Namen-  und  Sachregister 


6o5 


Belle-Alliance       (Schlacht 

beij  293.  322.  327.  341. 

343-  344-   347. 
Belutschistan    457.    459. 
Benedek    (General;    416. 
Benedetti    (Botschafter) 

428. 
Benedikt    XI.    141. 
Benediktiner   125. 
Bengalen    251.    270. 
Benjamin  19. 
Beobachtende       Methode 

218. 
B^ranger  (Pierre-Jean  de) 

345-    353- 

Berbern    157.     176. 

Berechtigung     der     deut- 
schen  Einheit   426. 

—  theoretischer      Wissen- 
schaftlicher Studien 

373- 
Beresina    251.    334. 
Berg  (Bergpartei)  300. 
Berg         (Großherzogtum) 

331.    337- 
Bergbau     236.    255.    410. 

472.  473.  493. 
Bergen      (in      Norwegen) 

253. 

—  (in    Holland)    315. 
Berger    (Berlin)    (Rudolf) 

520  Anm.  531  Anm. 
531  (532)  Anm.  541 
Nachtrag. 

Bergvölker 

Afghanen    456. 
Kaukasier     s.      Kauka- 
sische     Gebirgsstämme 
und     Mongolische    Ge- 
birgsstämme. 
Montenegriner  477. 

Bergwerke    englische 
s.     Englische    Montan- 
industrie. 

Bergwerksbetriebe 
s.    Bergbau. 

Berlin   40.    242.    264.    323. 

325.  331-  333- 3^7.  37(>- 
392.  430.  437.  479.  482. 

495-  511-  517.  518.  519. 
521.    Anm.    521.    Anm. 
530    (531J    Anm.    2. 
Berliner  392. 

—  Stadtbahn   511. 

—  französische      Kolonie 
243.    364. 

—  Hofpartei  s.  Hofpartei. 


Berliner  Kongreß  479.  482. 

—  Kontinentalsperrerlaß 
s.  Kontinentalsperre  ge- 
gen  England. 

—  Kriegspartei  s.  Kriegs- 
partei. 

—  Militärpartei  s.  Mi- 
litärpartei. 

—  Neugestaltung  der  all- 
gemeinen europäischen 
PoHtik    479. 

—  Straßenaufstände    393. 

—  Volksaufstand  391/392. 
Bern    141.     154.    518. 
Bernadotte   332.   336.   338. 
Bernard      (Claude)       428. 

429. 
Bernhard     von      Weimar 

211. 
Berquin   182. 
Berthelot    (Marcellin-Pier- 

re-Eugfene)     428.     429. 

430. 
Berthier    (Marschall)    339. 
Bertrand  344. 
Berufsschriftstellerei     und 

Berufsmalerei    520. 

—  Soldaten  145. 
Berufung     Arabi  Paschas 

ins  ägyptische  Kriegs- 
ministerium   438. 

Berührungselektrizität 
s.        Dynamoelektrizität 
und    Galvanismus. 

Besatzungstruppen  feind- 
Uche  425. 

Berzelius    349. 

Beschießung    Alexandrias 

439- 

—  Kopenhagens  320.  324. 

—  Port  Arthurs  zur  Er- 
öffnung des  Russisch- 
japanischen   Krieges. 

s.  Erste  Beschießung 
Port  Arthurs  im  rus- 
sisch-japanisch.   Kriege. 

—  Simonosekis    468. 

—  von  Häfen  Madagas- 
kars   449. 

—  —  Paris    424. 
Beschlagnahme  s.  Konfis- 
kation. 

Beschränktes  Bundestags- 
wahlrecht   394. 

Beschränkung  der  Kinder- 
zahl   503. 


Beseitigung  des  Krieges 
484.    540. 

Beseitigung. 

S.     auch    Abschaffung. 

Besetzung  von  Merw  und 
Pendscheh  in  Afghani- 
stan durch  die  Russen 
457. 

—  des  Sultanates  Sansi- 
bar durch  Deutschland 
438. 

Besiedelung  von  Oranje- 
Freistaat  und  Trans- 
vaal durch  die  Hollän- 
der 435. 

—  —  Mozambique  durch 
die  Portugiesen  162. 
435- 

Besitzergreifung  von  Ma- 
rokko durch  Frankreich 

444. 
Tunesien       durch 

Frankreich    444. 
Besitzwechsel  Italiens 

246. 

—  Maltas    320.    321. 
Bessarabien    479. 
Bestätigung    der     zweiten 

französischen  Republik 
durch  die  Nationalver- 
sammlung zu  Bordeaux 

425. 

BestechHchkeit  208.  412. 
416.   423.    483.    510. 

Bestechungssystem  50. 
271.  290.  336.  368.  403. 
419.  510.  S.  auch  Rus- 
sische  Käuflichkeit. 

Besteuerung     im     Balkan 

475- 
Besuch   der   französischen 

Flotte      in       Kronstadt 

481. 
Bethlehem  87.   108. 
Beutelnetze    unterseeische 

431. 
Beust  (Minister  von)  418. 
Beutegier    322.    332. 

Bevölkerungsabnahme 
213.    406.    473. 

—  armut  s.  Menschen- 
armut. 

in   Angola  438. 

—  dichtigkeit 

s.   Menschenreichtum. 

—  reichtum 

s.   Menschenreichtum, 


6o6 


Namen-  und  Sachregister 


Bevölkerungsstatistik  498. 

—  statistisches     498 — 505. 

—  Zunahmeanteil    der 
Ägypter  499. 

Algerier    499. 

—  —  —  Chinesen   499. 

—  —  ..„  farbigen       Ras- 
sen  499. 

halbzivilisierten 

Völker  499. 

— Hindus    499. 

Indochinesen 

499. 

— Japaner    499. 

Nordamerikaner 

499. 

— Slawen    499. 

— Südamerikaner 

499. 
— wilden     Völker 

499- 
des    Britischen   Ko- 
lonialreiches  499. 

—  —  von    Brasilien    499. 

Deutschland  499. 

Frankreich    499. 

— gesamt     Europa 

499- 
Großbritannien 

499. 

Italien    499. 

— Spanien    499. 

Bevölkerungszunahme  der 
Argentinischen  Repu- 
blik 499. 

—  —  Südafrikanischen 
Republik    499. 

—  —  Vereinigten  Staaten 
von    Nordamerika    499. 

—  riesige  in  den  Groß- 
städten   494.    506. 

—  der    Kolonialstaaten 

498/499. 

—  —  slawischen  Völker 
500.    501.    502. 

—  Von   Australien  499. 

—  —  China    501. 
England  502. 

—  —  Kapland   499. 
Natal    499. 

—  —  Oranje-Freistaat 

499. 

—  —  Transvaal    499. 

Bevölkerungszuwachs 
in    Australien    und    auf 
den     australischen     In- 
seln 473. 


Bevölkerungszuwachs 
in       den       Vereinigten 
Staaten   von    Nordame- 
rika 404.    406.   470. 
in    Deutschland    437. 
in    Indien   459. 
in    Neu-Seeland   414. 
in    Rumänien    476. 
in    Sibirien    452. 

Bevollmächtigte  s.  Abge- 
ordnete. 

Bevollmächtigte    Ge- 
schäftsträger   in    China 
467. 

Bevormundung  Bulga- 

riens    durch     Rußland 
480. 

—  Serbiens  durch  Öster- 
reich   480. 

Bewaffneter  Friede  485. 
488. 

Bewaffnung  s.  Heeres- 
bewaffnung. 

—  der  Akademischen  Le- 
gion zu  Wien  394. 

—  —   Nationalgarde   423. 
Bewaffnungstechnische 

Fortschritte  der  Gegen- 
wart  404. 
Bewältigung    der   Materie 
durch  die  Wissenschaft 
im  19.  Jahrhundert  373. 

538. 
Bewegliche    Lettern     153. 

463. 
Bewegung  374. 

—  der  Himmelskörper 
216/2-17.     348. 

Bewegungslehre    250.  374. 
Bewertung  der  schwarzen 

Rasse  408.  448.  S.  auch 

Minderwertigkeit        der 

farbigen  Rasse. 
Beyle    (Henri;   379. 
Bezirk   der   gelben   Rasse 

in  Asien  452. 
Bialystok     503     Anm. 
Bibel  (Heilige  Schrift)  17. 

18.    20.   21.    28.   31.    57. 

HO.  112.   116.  153.  154. 

182.    187.    281. 

—  auslegung    154.    187. 

—  kenntnis    281. 

—  Übersetzung 
deutsche     182. 
französische    182. 

Bibliothek  des  Menes  im 
ägyptischen  Theben  12. 


Bibliotheken       ägyptische 

12.    57.    58.    113. 
Bibliothekswesen   492. 
Bibhothek   zu    Alexandria 

57.    58-    113. 

—  —  Ninive   25    Anm. 
Bichat    349.    360. 
Bidassoa    335. 
Bilderreichtum    378.    379. 
Bildhauerkunst    s.    Skulp- 
tur. 

Bildung    englische    271. 
Bileam   21. 
BilL   of  rights   228. 
Binationahsmus     Belgiens 

364. 
Binnenmeer    446. 

—  Schiffahrt    405. 

Biographische  Dichter- 
dramen s.  Literatur- 
dramen. 

Biologie 

in  Deutschland  375  bis 

376. 
in    England    349.    375. 

527. 
in  Frankreich   349.  350. 

375.    427.     527-     529. 

Biologische  Probleme  429. 

Biot  348.  349. 

Birma  459. 

Birmingham  370.  495. 

Biron  Herzog  von  Kur- 
land   257. 

Biscaya    304. 

Bischöfe  95.  99.  108.  109. 
122.  125.  130.  131.  145. 
146.  171.  178.  186.  227. 
296.  330. 

Biserta    444. 

Bismarck  (Otto  von)  415. 
bis  416.  417-  418.  422. 
423.  426.  437.  479.  482. 

—  archipel    474. 

—  s  Lavieren  gegenüber 
Napoleon  III.  vor  dem 
Preußisch'  -  österreichi- 
schen   Kriege    416. 

—  sehe    Staatenpolitik 

s.  Staatenpolitik  preußi- 
sche. 

Bistümer 

Cammin  212. 

Edinburg    222. 

Mainz,  Köln,  Trier  146. 

Bithynien   73. 

Blanc    (Louis)    386.    387. 

Blaßgesichter  406. 


Namen-  und  Sachregister 


607 


Blattern    s.    Pocken. 
Bleigrubenbau  405. 
Bleihandel  405. 
Blenheim   s.    Blindheim. 
Blindheim    245    Anm. 
Blockade  Port  Arthurs  im 

Russisch  -  japanischen 

Kriege    454. 
Blois    177.    191. 
Blücher  338.  343  mit  An- 

merk.    344. 
Blum     (Rolaert)     394. 
Blut    528.    531. 
Blütenmonat   s.    Floreal 
Blutfarbstoff   429. 
Blut    infiziertes    geheilter 

Tiere  s.  Heilserum. 

—  ,  seine  chemischen  Re- 
aktionen 526. 

—  serum   s.    Heilserum. 

—  hochzeit    s.    Pariser 
Bluthochzeit. 

—  Umlauf     183.     218. 

—  und  Eisen  538. 

—  urteile  301. 
Bobadilla  161. 
Boccaccio  149. 
Boden  s.  Grundbesitz. 

—  armut  s.  Natürliche 
Dürftigkeit  des  Bodens 
(Bodenarmut). 

—  besitz    s.    Grundbesitz. 

reform    402.     473. 

gemeinschaft  402. 

recht    402.    473. 

—  eigentumsrecht 

s.    Bodenbesitzrecht. 

—  enteignungsrecht  473. 

—  ertrag 

s.    Fruchtbarkeit. 

—  kreditaktien    257.    301. 

—  reform 

s.   Bodenbesitzreform. 

—  reichtum    472. 

—  schätze  Rußlands   483. 

—  ständigkeit. 

s.    Seßhaftigkeit. 
Bogen     142. 

—  schützen     142. 
Bohemund   133. 
Böhmen  (Land;   124.    141. 

146.  151.  154.  175.  178. 
206.  207.  208.  210.  211. 
212.   262.    263.   264. 

—  (Volkj    s.    Tschechen. 
Böhmisch    208. 
Boieldieu  (Frangois- 

Adrienj  381. 


Boileau    249. 

Bojaren    237. 

Boleyn    (Anna)    184.    185. 

Bolivar  (Simon)  357.  358. 

359. 

—  s  Freiheitskampf  in 
Venezuela    357.    358. 

Bolivia    166.    359. 
Bologna     154.     292.     310. 

399. 

Bombay  269.  412. 

Bona    (Hippo)     103.    384. 

Bonaparte       (Louis-Napo- 
leon)     387—389.      391- 
395- 
S.   auch   Napoleon   HI. 

—  (Napoleon)  303.  304. 
308.  309.  310.  311.  312. 
313.  314.  315.  316.  321. 
366. 

S.    auch    Napoleon    I. 

—  (Prinz  J6r6me-Napo- 
leon; 

s.    J^röme    (Prinz). 

—  s    Herrscherhaus    330. 

—  s  Feldzug  nach  Ägyp- 
ten   313—314. 

Bonapartismus   353. 
Bonhomme  (Jacques)   143. 
Bonifacius   VIII.    141. 
Bonifatius    s.     Bonifacius, 
Bonifazius    s.    Bonifacius. 
Böotien    31.    42.    47. 
Bor  349. 

Bordeaux    114.    425. 
Borgia  169.  172.  173.  i86. 
Borneo  163. 
Borny   423. 
Börsenkurs(e)  257. 
Börsenspekulationen    in 

Frankreich  471. 
Bosnien  360.  477.  479. 
Bosnier    480. 

Bosnische  Aufstände  360. 
Bosporus    37.    39.    40.    97. 

132.    139.    152.   458. 
Bossuet    238.    243.    249. 
Boston  266.  281.  282.495. 

516. 
Botanik   in    England   428. 
Botanischer      Garten      zu 

Paris 

s.  Jardin  des  Planfes. 
Bothwell   205. 
Botschafter      französische 

420.    S,  auch  Gesandte. 
Botticelli  150. 
Bougie  157. 


Bouillon    133. 

Boulogne    201.    321.    322. 

387. 
Bourbon    (Inselj    5269. 

Bourbon(enj  192.  245.  258. 

339.  340.  341.348.    353- 

354.  386. 
Bourdaloue    249. 
Bourgeoisie  142.  369.  393. 

497. 

Bourges    141.    144. 

Bourmont    354. 

Bouvines     137.     139.    490. 

Brabant   198.   240. 

Brahe  (Tycho  de)  216. 
217. 

Brahma    268.    461. 

Brahmanismus  (Brahma- 
dienst), Brahmareligion 
268.    461. 

Brandenburg  (Herrscher- 
haus)   292    Nachtr. 

—  (Markgrafentum,  Kur- 
fürstentum und  Pro- 
vinz) 146.  180.  210.  212. 
235.    246.    260. 

Branderschiff  202. 
Brandlegung   an   afrikani- 
sche    Nigerdörfer    446. 

—  —  die  Stadt  Paris 
durch     die     Commune 

427. 
Brandywine    283. 
Branly    (Physiker)    517. 
Branntwein    533. 
Brarza    (Graf    Pietro    Sa- 

vorgnan   di)   437. 
Brasilianer  360. 
Brasilien     162.     163.     167. 

201.  356.  360.  487.  499. 

500.    501.    511. 

Braunschweig  (Staat)  298. 
Brechung  des  Lichtes  218. 

—  der  elektrischen' 
Strahlen   s.    Elektrische 
Strahlenbrechung. 

—  —    Lichtstrahlen    523. 
Breitenfeld  210. 
Bremen    147.   331. 
Brennus    69. 

Breslau    495. 
Bretagne    144. 
Bretonen  368. 
Bretonisch,       Bretonische 

Sprache    und    Literatur 

502. 
Brigonnet    182. 


6o8 


Namen-  und  Sachregister 


Briefe  Katharinas  II.  s. 
Lettres  de  Catherine  IL 

—  von  Frau  von  S^vign^ 

249-  379- 

—  aus    der    Provinz 
,s.    Provinciales. 

Brienne    287.    288. 
Bright  (Richard)  527. 

—  sehe  Nierenkrankheit 
527. 

Britanniens     248. 
Britannien  22.  79.  84.  93. 

96.    128. 
Briten  107.   128.  245.  314. 
Britisch    283.    487. 
Britische    Inseln    71.    107 

bis    108. 

—  Regierung  246.  267. 
321.  344.  382.  435.  439. 
440.   457-    504.   532. 

,  Verdienst  um  Aus- 
rottung und  Einschrän- 
kung infektiöser  Krank- 
heiten in  ihrem  Welt- 
reiche   447.    532. 

Britischer   Friede   im   Bri- 
tischen   Weltreiche 
s.    Pax    Britannica. 

Britisches  Afrikareich  442. 
443-  446. 

—  Kolonialreich    499. 

—  Reich    322.    442.    459. 

474- 
Britische   Statthalterschaft 
Nordamerikas    281. 

—  Verwaltung  Indiens 
439. 

Britisch-Guyana  472.  487. 
506. 

—  -Ostafrika   438.    440. 

—  -Südafrika  s.  Südafri- 
kanische  Republik. 

—  -westafrikanisches  Kü- 
stenhinterland 438.  441. 

Bronzezeitalter    3. 
Brooklyn    283. 
Broschürenliteratur  387. 
Brotgetreide  493.   529. 

—  preise 

s.  Steigen  der  Getreide- 
preise und  Sinken  der 
Getreidepreise. 

Brown    (John)    407. 

Brüder  Napoleons  I.  323. 
326.  327.  328.  330.  331. 

Brüderliche  Verständi- 
gungsversammlung 288. 


Bruder(völker)kriege      48. 

416—417.  442—443. 

(479/480.J    480. 
Brügge    196.    199. 
Brumaire  316.   389. 
Brune   (Marschall)   352. 
Bruno   315. 
Brüssel  141.  181.  183.  214. 

343.    364-    495- 
Brutus    73. 
Buchara    456. 
Buchdrucker    182. 

—  eien    256. 

—  kunst  151.  153.  171. 
188.  231.  369.  463.  493. 
540. 

Büchereien 

s.  Bibliothekswesen  und 
auch  Volksbibliotheken 
und   Privatbibliotheken. 

Büchergelehrte    464.    509. 

Bücherwesen       154.      170. 
171.   371.   407.   492. 
S.     auch      Bibliotheks- 
wesen und  auch  Volks- 
bibliotheken. 

Buchhandel   371.   407. 

Buchlektüre  gegenüber 
Zeitungslektüre    491. 

Buckingham   221. 

Bud  (Else  Maria;  437  An- 
merk. 

Budapest   394.   495. 

Budäus    182. 

Buddha  26.   iii.   148.  268. 

461.  462.  mit  Anm. 
Buddhismus  in.  116.  268. 

385.  460.  461  mit  Anm. 

462.  504. 
Buddhisten    461.    462. 
Budget    für    Wissenschaft 

und  Kunst  in  den  ver- 
schiedenen Staaten  431. 

493-    534-    539- 
— —  Frank- 
reich   493. 

—  — — ,  Notwen- 
digkeit seiner  Erhöhung 
auf  Kosten  des  Schul- 
etats und  besonders 
auch     des     Militäretats 

431.    493-    534- 

—  recht 

s.    Staatshaushaltsbewil- 
ligungsrecht. 
Buenos  Aires  (ehemahger 
selbständiger  südameri- 


kanischer   Freistaat) 

357.    494-    495- 

Buenos  Aires  (Provinz  Ar- 
gentiniens)   357     Anm. 

(Stadt)     357     Anm. 

Buffon    275. 

Bühnendichtung 
s.     Dramatik. 

—  mäßigkeit  des  franzö- 
sischen modernen  Dra- 
mas   436. 

—  musik  ältgriechische 
381. 

Bukarest    332.    479.    482. 
Bukowina    280. 
Bule    (Rat)   38. 
Bulgaren    477.    478.    481. 

—  aufstände  gegen  die 
Türken  478. 

—  in  Mazedonien  479. 
Bulgarien    132.    152.    362. 

478.  479.  480.  481.  482. 
507.    508. 

„Bulgarien  eine  russische 
Provinz"  478. 

Bulgarisch,  Bulgarische 
Sprache  und  Literatur 
477.    478.    479- 

Bulgarische    Sitten    478. 

Bullen    päpstliche     130. 

Bulletin  s.  Kaisergesund- 
heitsbericht. 

BuUhun  409. 

Bundesfürsten 

deutsche  206.  207.  210. 
212.    243.    320.   354. 
französische        (ehema- 
lige)   168. 
italienische    169.    171. 

—  gesetzgebung  nord- 
amerikanische   407. 

—  Präsidium 

s.  Deutsches  Bundes- 
präsidium, Norddeut- 
sches Bundespräsidium, 
Süddeutsches  Bundes- 
präsidium. 

—  republiken 
holländische        (nieder- 
ländische)      198.      228. 
230. 

nordamerikanischc  284. 
357.    358.    405. 

Bundesrepublikensystem 

359- 

—  tag  deutscher  392.  393. 


Namen-  und  Sachregister 


609 


Bundesstaaten 
Deutschland  392. 
Vereinigte    Staaten  von 
Nordamerika  405. 

—  Verfassung  nordameri- 
kanische s.  Verfassung 
nordamerikanische. 

Bündnis  Japans  mit  Eng- 
land s.  Englisch-Japa- 
nisches   Bündnis. 

—  Kaiser  Napoleons  I. 
mit  Rußland  s.  Franzö- 
sisch -  russisches  Bünd- 
nis. S.  auch  Schein- 
bündnis Zar  Alexan- 
ders I.  mit  Napoleon  I. 

—  König  Friedrich  Wil- 
helms III.  mit  Rußland 
s.  Preußisch  -  russisches 
Bündnis. 

—  beratung  zwischen 
Frankreich,  Italien  und 
Österreich  gegen  Preu- 
ßen vor  Ausbruch  des 
Deutsch  -  Französischen 
Krieges    418. 

—  Politik  211.  243.  245. 
250.  258.  259.  324.  325. 
327.  328.  329.331.  335. 
336.  346.  398.  399.  453. 
457.   469.    478.    482    bis 

483- 
Napoleons  III.  397. 

399. 

—  Rumäniens  mit  Ruß- 
land s.  Russisch-rumä- 
nisches Bündnis. 

—  zwischen  England  und 
Afghanistan 

s.  Englisch-afghanisches 
Bündnis. 

Bunsen  (Johannes  von) 

430. 

—  brenner  430. 

Buonarotti  (Michelangelo) 
44.    171.    172.    188.   271. 

Bureau  z.  Unterdrückung 
des  Sklavenhandels  5 19. 

Buren  231.  435.  441.  442. 

—  ansiedelung  in  Oranje- 
Freistaat  und  Transvaal 

435- 

—  krieg  442—443. 

—  republiken  s.  Südafri- 
kanische   Republik. 

Burgen  122.  123.  130.  293. 


Bürger    351. 
s.  Bürgertum. 

—  freiheit    226. 

—  beere  im  Kampf  mit 
Ritterheeren    168. 

—  in  Waffen  426. 

—  kriege  14.  68.  79 — 80. 
81.  131.  144.  146.  147. 
189.  190.  191.  193.  195. 
227.  229.  295.  307/308. 
342.  356.  357.  368.' 385. 
408 — 409.  412.  418.  428. 
472. 

Bürgerliche  Gesetzbücher 
französisches    305.    318. 

468. 
japanisches  468. 

Bürgermeister  127. 

—  recht  38.  39.  80.  85. 

—  stand  s.  Bourgeoisie. 

—  —  sgesetz  für  die 
Geistlichkeit 

s.    Zivilstandsgesetz    für 
die    Geistlichkeit. 

—  tum  127.  128.  137.  148. 
172.  233.  239.  257.  278. 
287.  288.  290.  294.  384. 

—  wehr   8.   Milizheer. 
Burgoyne    (General)    283. 
Burgund     (Freigrafschaft) 

s.  Franche-Comte. 

—  (Herzogtum)    196.   338. 
Burgunder   102.   103.    106. 

107. 

Burnouf  15. 

Bureaukratie  chinesische 
464.   509. 

Byng  (Admiral)  258. 

Byron  (Lord)  361.  377. 

Byrsa    (Karthago;    33. 

Byzantinismus  französi- 
scher   241.   247. 

Byzanz  37.  97.  109.  115. 
187.     199.    280. 

Cabral   20.  23. 

Cabral    (Pedro)    162.    163. 

Cadiz     (Gades)      22.     123. 

157.    322.    326.    511. 
Caen    154.    302. 
Gabors   67. 

Calais    122.    143.    146. 
Calais  englisch  143. 
Calderon    203. 
Caligula    82.    86.    93.    94. 
Calonne  287. 
Calvin    (Jeanj    s.    Kalvin. 


Camarilla  französische 
s.     auch     Hofkamarilla. 

Cambrai    176. 

Cammin    212. 

Camoes     163. 

Camos   20. 

Campo  Formio  310.  312. 
320. 

—  Santo    150. 
Canada   s.    Kanada. 
Canadian    Pacific    (Eisen- 
bahn)   472. 

—  —  railroad 

s.    Canadian  Pacific 
(Eisenbahn). 

—  —     railway 

s.   Canadian  Pacific 
(Eisenbahn). 

Canal  du  Midi  239. 

Cannä    72. 

Cannes  341. 

Canning        (Ministerpräsi- 

.    dem;     361.    365. 

Canossa     124.     130. 

Canterbury    222. 

Capri    162. 

Caracalla    94. 

Caraman  (Pierre-Paul  Ri- 
quet     de;    239. 

Carbonari  355. 

Carcinom    532. 

Carlos  (Don,  Bruder  Fer- 
dinands VII.  von  Spa- 
nien)   418. 

—  (Don,  Sohn  Philipp  II. 
von   Spanienj  202.   351. 

Carnot  (Lazare;  303.  308, 
348. 

—  (Nicolas-L^anard- 
Sadi)    374. 

Carol  König  von  Rumä- 
nien s.  Karl  I.  König 
von    Rumänien. 

Carpeaux  (Jean-Baptiste) 
521. 

Carr^anordnung 

s.  Quadratische  Aufstel- 
lung. 

Cartesius  195.  216.  218. 
219.  231.  249.  250.  348. 

35°.    351.    537- 
Cartier,  (Jacques;  265. 
Casablanca    445.    487. 

—  Schiedsgerichtsurteil 

487. 
Cäsar  (Kaiser;  83.  85.  88. 
91.    93.    103.    237.    257. 
s.    auch    Zarentitel. 


6io 


Namepi-  und  Sachregister 


Cäsar  (Julius)  58.  67.  68. 
76.  78.  81.  85.  88.  209. 
225.  263.  318. 

Caesares  (Titel  für  die 
beiden  Thronfolger  des 
altrömischen  Doppel- 
kaisertums)   97. 

Casas  (Bartolomeo  de  las; 
167. 

Casca   80. 

Cassiteriden  (Zinninseln) 
22. 

Cassius  80.  81. 

Castelar  (Emilio)  419.  541 
Nachtr. 

Castelfiardo    371. 

Castlereagh  (Ministerprä- 
sident)   361. 

Castra  Romana  66. 

Catania   37. 

Cateau-Cambrdsis   176. 

Catinat    243.    245. 

Cato  64.  74. 

Cavaignac  (General)  387. 
388. 

Cavelier    de    Lasalle    267. 

Caventon    (Pharmazeut) 
527. 

Cavour    (Graf)    390.    397. 

398. 
Cayley     (Aviatiker)      514. 

515. 
CeUini     (Benvenuto)    177. 
Ceres   491. 
Cervantes   203.    204.    247. 

271. 
Ceylon  231.  320.  347.  461 

Anm. 
Chaldäa,    Chaldäer,    chal- 

däisch  4,   5,    14  ff.    16. 

18.  20.  21.  25.  26.  535. 
Chaldäisch,      Chaldäische 

Schrift  und  Sprache  16. 
Chalkidike    47. 
Challenger   (engl.   Schiff; 

431. 
Chalons    421. 
Chambord  (Graf  Heinrich 

von)  354. 
—  (Schloß)  177. 

Chambre    des    D6put6s    s. 

Abgeordnetenkammer. 
Champagne  104.  140.  168. 

299.  338. 
Champlain    (Samuel)    215. 

265. 
Champollion   8, 


Chandenagor  269.  270. 
Chansons    s.    Lieder. 
Chaos  in  Frankreich  nach 

der  Schlacht  bei  Sedan 
•  422. 

Chapu  (Henri;  521. 
Charaktereigenschaften 

Bismarcks        4 1 5  — 4 1 6. 

417.    420. 

—  Ludwigs    XIV.    241. 

—  Ludwigs    XVHI.    340. 

—  Napoleons  l.  (Bona- 
partes) 313.  314.  327. 
328.  330.  339-  342.  345. 

—  Napoleons    III.  397. 

—  Wilhelms  I.  nachmali- 
gen Deutschen  Kaisers 

415. 
Charakteristik    der    Com- 

munards  426. 
Charles    (C6sar)    513. 
Charles  d'Orleans  147. 
Charlestown    408. 
Chäronea    47. 
Charte   (constitutionelle) 

s.  Verfassungsurkunde 

französische. 
Chartres    141. 
Chassepotgewehr  420. 
Chateaubriand      (Vicomte 

Frangois-Ren6  [de])  378. 
Chätillon    338. 
„Chätiments^^  432. 
Chausseebau    513. 
Chauvinismus     420.     483. 

486.   518. 
Chemie 

in  Deutschland  375.  430. 

in    England    349.    375. 
527. 

in  Frankreich  291.  292. 

349.    374-    375-    429- 
430.    524.    528. 
in    Schweden    349. 
Chemie   der  Fette   375. 
Chemische  Elemente  349. 
374.  430.  524- 
s.  auch  Einfache  Körper 
der  Chemie. 

—  Reaktionen  der  Milch 
auf  Bazillenimpfung 
528.   530. 

—  —  des  Bluts  auf  Ba- 
zillenimpfung  528.    530. 

— Harn  auf  Ba- 
zillenimpfung 527.  528. 
529. 

—  Stoffumwandlung  524. 


Chemische  Synthese  429. 

—  Veränderungen  des 
Körpers  durch  Bazillen- 
impfung   530. 

—  —   der   Fixsterne   430, 
Chemotherapeutische   Me- 
thodik   der    Pharmako- 
logie  531. 

Ch^nier    (Andre;   302. 
Chenonceaux    177. 
Cheops   II.   13. 
Chephren    11.    13. 
Cherasco   310. 
Chersones    37. 
Chevreul  (Michel-Eugfene) 

.   375- 

Chicago   494.   495. 
Chile    166.    167.   357.   358. 

359.   472.   500-    501- 
Chilenisches   Hochland 

358. 
China    116.   159.  412.  452. 

453.  454.  457.  459-  461. 
462.  465.  467.  469.  494. 

501. 
China,  eine  Scheinrepublik 

469. 
Chinarinde    525.    527, 

—  waren    434.    463.    464. 

Chinesen  12.  13.  116.  442. 

452.  460.  462.  463.  464. 
465.  466.  468.  469.  498. 
499.    509.   526.    536. 

—  (Charaktereigenschaf- 
ten der)  462.   463.  465. 

—  aufstände   466. 
Chinesisch    159.   453.   464. 

465. 
Chinesisch,    chinesische 
Sprache    und    Literatur 

453.  460/461.    463. 

—  e  Examensbureaukra- 
tien    464.    509. 

—  Fächer.  402. 

—  Freihäfen  412.  452. 
466. 

—  Impfung    526. 

—  Massenauswanderungen 

465. 

—  Mauer  463. 

—  Mundarten    460. 

—  Rassenphysiognomie 

464. 

—  r  Buddhismus  462. 

—  Revolution    469. 

—  r  Friede  im  chinesi- 
schen Riesenreiche  465. 


Namen-  und  Sachregister 


6il 


Chinesischer  Handels- 
markt in  Singapur  459. 

—  Schmutzkonkurrenz 
der     europäischen     Ar- 
beiterschaft   465. 

—  Schrift    463/464. 

—  Seidenmuster    464. 

—  —    Stoffe    464. 

—  s  Porzellan  464. 

—  s  Regierungssystem 
464.     509. 

—  Vasen  464. 

—  Wandschirme   434. 

—  Zivilisation  in  ihrer 
wirren  Isoherung  462 
bis    466.    464.    536. 

Chinesisch-japanische 

Kunstkuriositäten   434. 
r    Krieg    453.    469. 

—  —  r  Zimmerschmuck' 
s.  Chinesisch-japanische 
Kunstgegenstände. 

—  —  s  Zukunftsbündnis 
469. 

—  russische    Grenze    453. 

—  sibirische   Grenze   452. 
Chinin    525.    527. 

—  behandlung    525.    527. 
Chinon     144. 

Chios   361. 
Chirurgie 

in    England    376.    525. 

529. 

in  Frankreich  530.   531 
Anm. 
Chirurgische    Operationen 

376.  529- 
Chislehurst  422. 
Chlodwig    106.    107.     116. 
Chlopicki    (General)    363. 
Chloral  531. 

Chloralkohol    s.    Chloral. 
Chloroformierung    376. 
Chlotar     107. 
Chlotilde,    Prinzessin   von 

Piemont  398. 
Chmir  444. 

Choiseul    265.    284.    285. 
Cholera   397.    532. 
Christen    58.    86.    89.    90 

91.  92.  94.  95-  96.  97 
98.  99.  IOC.  loi.  105 
III.  113.  114.  ii6.  118 
119.  131.  132.  133-  134 
135.  151-  152.  156.  199 
200.  395.  439.  449.  455 

475. 


Christenaufstände  im  Bal- 
kan   475. 

—  besteuerung  im  Balkan 

475- 

—  tum  68.  89.  90.  95.  97. 
100.  loi.  103.  106.  107. 
ri5.  116.  118.  172.  176. 
178.   187.  188.   199.  433. 

449.    475-    504. 
s.    auch    Soziales    Chri- 
stentum. 

—  der   Äthiopier 

s.    Äthiopier,    ihr    Chri- 
stentum. 

—  ohne    Macht    über 
Buddhismus  und  Islam 
504. 

—  Verfolgungen    90.    96. 
Christian    IV.    König    von 

Dänemark    208. 

—  VIII.  König  von  Däne- 
mark   414. 

—  IX.  König  von  Däne- 
mark   415. 

Christine,    Königin    von 

Schweden  219.  235. 
Christlich    134.    156.    180. 

—  e  Balkan  Völker  475. 

—  Lehre  87.  88.  90.  91. 
94.    95.     179.     180. 

—  e    Zeitrechnung    36. 

Christus  45.  86—88.  89. 
91.     94.     95.      HO.      118. 

181.  187.    188.   461. 
Cialdini    400. 

Cicero    65.    81.    83.     153. 

154.     157.    170. 
Cid    (franz.    Drama)    246. 

—  (span.    Dichtung)    156. 

—  (span.    Nationalheld) 
156.    246. 

Cilicien  51. 
Cintra  327. 
Cisalpinische  Republik 

311. 
Claudius    (Kaiser)    86.    90. 
Clemens  VII.  (Papst)  175. 

182.  184. 

—  VIII.    (Papst)    192. 

Clement   (Jacques)    192. 
Clermont    131. 
Cleveland  494.   495. 
Clive   (Robert;   270. 
Clouet    (Jean;    177. 
Clyde    94. 

Cobden  (Richard)  371  bis 
372. 


Cochinchina    412.    460. 

—  s  Unterstellung  unter 
französische  Verwal- 
tung 412. 

Code   civil 

s.    Code    Napoleon. 

—  Napoleon  305.  318. 
468. 

Coeur    (Jacques)    146. 
Colbert    239.    295. 
Cölenteraten    431. 
Coligny    (Admiral    von) 

189.    190. 
College    de    France    177. 

—  royal   177. 
Colombia  (in  Südamerika) 

161.  356.  357-  358.  359. 

470.  471.  472.  500.  SOI. 
Columbia      (in      Kanada) 

472. 
Colonna   (Fabio)    195. 

—  (Familie)  235. 
Comite   d'tiudes  du 

Haut   Congo  437. 
Comites     119.     121.      122. 

126. 
Commodus    93.    97. 
Commonwealth    224.    225. 
Communards   426. 
Commune 

s.  Pariser  Commune. 
Compagnie  de  l'Orient  et 

de  Madagascar  269. 
Compiegnes     145. 
Concini    (Concino)    215. 
Condd    (Prinz    von)     189. 

189.    212.   233/234.    245. 

295. 
Condominium      an      dem 

Vizeköniglich        ägypti- 
schen  Privatbesitz   439. 
Condottieri    148. 
Confessio  Augustana  180. 
Confucius 

s.    Kung-fu-tse. 
Cönobiten    100. 
Constantine    384. 
Contrat    social   275. 
Cook  (Janies)  413. 
Copernicus. 

3.    Kopernikus. 
Cordova      113.     115.     156. 

157. 
Corneille      (Pierre)      248. 

249.    377-    378. 
Cornwallis    284. 
Corpus    juris    (Codex    Ju- 

stiniani)    108/109. 


6l2 


Namen-  und  Sachregister 


Correggio   172. 

Cortes    196.   326.    419. 

Cortez  (Fernando^  159. 
166. 

Cosimo   di   Medici   219. 

C6te    d'Or    79. 

Cote    du    Midi    341. 

Coulmiers    424. 

Coulomb  (Charles-Augu- 
stin   dej    374. 

—  (Elektrische  Maßein- 
heitsbezeichnung) 374. 

Courbet  (Admiral)  460. 
Courtois  349. 
Covenant    222. 
Covenanters    222. 
Cow-pox    526. 
Cranach   (Lukas)    178. 
Crassus  78. 
Cr^cy     143.     145. 
Cremer   (Randal)  484. 
Cr^mieux  386. 
Cromwell      (Oliver)      223. 
224.    225.    226.    234. 

—  (Thomas)    184. 
Crookes    (William)    523. 

—  sehe  Röhre  523. 
Cuba   161.    162.    164.  470. 
Cubanischer    Aufstand 

470. 

Cuius  regio,  eius  religio 
s.  Religiöses  Selbstbe- 
stimmungsrecht der 
Fürsten. 

Cumä    37. 

Curie    (Mme    Marie)    524. 

—  (Pierre)    524. 
Custine      (General;      299. 

301. 
Custozza  391.  416. 
Cuvier    349.    376. 
Cyaxares    26.    27.    28. 
Cypern  22.   113.  200.  479. 
„Cyrano     de     Bergerac" 

Drama   521   m.   Anm. 

—  —  —  (Savinien,  franz. 
Dichter)    521. 

Cyrenaika  84.  450. 
Cyropädie    40. 
Cyrus    29.    40. 

Dach  der  Welt  (Bezeich- 
nung für  Hochland  von 
Pamir)   457. 

Dagobert  107. 

Daguerre  (Louis  Jacques- 
Mand6j    376. 

Daguerrotypie    376. 


Dahome    446. 

Daimio    467. 

Dalmatien    103.   329.    401. 

Dalton   349. 

Damaskus     113.     115. 

Dampfkraft   292.   369. 

Dampfmaschinen  291.  366. 

512.    523. 
Dampfschiff       366.      367. 

438.    511.    512. 

—  fahrt   438.    505.    513. 

—  sverkehr     in     Britisch- 
Ostafrika    438. 

in  England  512. 

Dampfstraßenbahnen  511, 
Dandolo    134. 
Dänemark    122.    180.    208. 

209.  230.  236.  252.  253. 

324.  414.  415.  487.  489. 

499.    506.    507.    508. 
Dänen  117.  124.  128.  130. 

131.  210.  216.  230.  236. 

292    Nachtr.    373.    414. 
Dänisch     158.     208.     209. 

414.    416.    484. 

—  ,      Dänische      Sprache 
und  Literatur  414.  432. 

434. 

—  Dynastie    in    England 
124.    128. 

—  en    Herzogtümer    (Die 
beiden) 

s.     Herzogtümer     (Die 
beiden). 

—  er  Krieg  415.  416. 

—  e  Sitten  414. 

—  er    Erbfolgestreit. 

s.    Schleswig  -  Holsteini- 
sche  Frage. 

Dante 

s.    Alighieri    (Dante). 

Danton  299.  300.  302. 

Danzig    307. 

Dardanellen    361. 

Dardanus   32. 

Darfur    7. 

Darius    I.,   Sohn   des   Hy- 
staspes    37.    40.    41. 

—  in.  51  f.  54. 

Darnley    205. 

Darwin  (Charles;  349.  428. 

Darwinismus  349.  428. 

„Das  Kaiserreich  ist  der 
Friede^^ 

s.    „L'Empire,    c'est    la 
paix". 

„Das   Recht  ist  der  Ge- 
bieter  der   Welt"    486. 


Dauerflüge 

s.    Überlandflüge. 
Dauerfnderj    Friede 

s.  Ewiger  Friede. 
Dauphin    143.    144. 
Dauphind    288. 
David     18.    87. 

—  (Skulpturwerk)     172. 
Davis  (Jefferson)  408.  409. 
Davout     313.     323. 
Davy    (Humphry)    349. 
Dazien  92.  476. 

Dazier   92.    103. 

Debreczin    400. 

Deckungen  von  Kriegs- 
entschädigungen   352. 

Declaration  of  Indulgence 
226.  227. 

Defense  nationale  422.  424. 
De    Foe    (Daniel)    275. 
Degeneration  346.   347. 
Dehnbarkeit  des  Wassers 

durch  Erwärmung  366. 
Deismus    301. 
Dekabristen  362. 
Dekadenter    Charakter  in 

der    Literatur    432. 
Dekhan    269.    271. 
Delambre    348. 
Delaunay  290. 
Delft  228. 
Delphi    37.    39.    49. 
Demagogie  in  Mexiko  410. 
Demetrius    237. 
Demokrat     223.    267. 
Demokratie  38.  39.  42.  55. 

71.   281.   363.    387.   393. 

395.  467.  473.  491.  492. 

493.  497-  503.  509-  535. 

—  n,  moderne,  ihre  Nei- 
gung zum  Aufbau  auf 
plutokratbchem  System 
509. 

Demokratisch  116.  173. 
181.    199.   541    Nchtr. 

—  e   Forderungen  347. 

—  e  Partei  in  den  Ver- 
einigten Staaten  von 
Nordamerika   407.   410. 

Demokratisierung  der  eu- 
ropäischen Staaten  491. 

—  —  französischen  Ge- 
sellschaft unter  Lud- 
wig   XIV.    247. 

—  —  Gesetze  und  Sitten 
in  den  modernen  Staa- 
ten  491. 


Namen-  und  Sachregister 


613 


Demokratisierung  der 

Wissenschaft   350.   428. 
Demonstrationen  386.  394. 

403. 
Demonstrationsfeldzüge 
(Drohungsfeldzüge}  280. 

457. 
Demoralisation    der    fran- 
zösischen     Gesellschaft 
317—318. 

—  —  Bevölkerung  durch 
Kriegsschrecken    426. 

Demütigungsfriede 

s.    Gewaltfriede. 
Demosthenes    48.    49. 
Demokrit   45. 
Denkv\-ürdigkeiten    von 

Friedrich    II.    dem  Gro- 
ßen   277.    293. 

Joinville    141. 

Napoleon   I.  345. 

Sully    193. 
Denunziantentum  302.  330. 
De    Officiis 

(Ciceros    Schrift)    153. 
Departements    388. 
Deportation  316.  389.413. 

427. 
Dermatologie 

moderne    internationale 

524. 
Derwische    440. 

—  rhebung  im  Sudan  440. 
Desaix  (General)  313.  319. 

336. 

Desbordes-Valmore  (Ma- 
dame)  379. 

Descartes    (Ren6) 
s.    Cartesius. 

Desertion 

s.    Fahnenflucht. 

Desideria     117. 

Desiderius    117. 

Desinfizierende  Stoffe  529. . 

Desmoulins  (Camillej  302. 

Despotisches    Regierungs- 
system 
s.   Absolutes  Regiment. 

Despotismus 

s.    Absolutismus. 

Despr^s   (Joachim)  380. 

Dessau    208. 

Deszendenztheorie  349. 
428. 

Deutsch  137.  139.  178. 
2 IG.  238.  276.  320.  414. 
418.    423.    484. 


Deutsch,  deutsche  Sprache 
U.Literatur  121.  147.  252. 

331.  349-  350-  412.  500- 

—  e  121.  135.  139.  140. 
150.  194.  216.  235.  249. 
253.  300-  343-  348.  355. 

361.  373-  37A-  375-  376. 
394.  395-  396.  416.  424. 
426.  447.  450.  458.  473. 
474.  503.  514.  517.  523. 

531. 

—  e  Einheit  147.  169. 
246.   337-   392.   426. 

—  e    Einrichtungen    in 
Rußland  256. 

—  e  Friedensgesellschaf- 
ten   519. 

—  e    Geschichte   343. 

—  e    Klassiker    351. 

—  enverachtung    276. 

—  e  Fürsten  auf  auslän- 
dischen   Königsthronen 

362.  364.  419.  420.  425. 
481. 

—  e  Patrioten 

s.  Patrioten  deutsche. 

—  r  Bund  354.  394.  414. 
415. 

—  r    Bundestag 

s.  Bundestag  deutscher. 

—  Reichseinheit    426. 

—  Revolutionen  392 — 393. 

—  r  Fürstenkongreß  zu 
Regensburg    321. 

—  r  Geist 

s.   Deutsches  Wesen. 

—  r    Kaiser    425. 

—  r    Krieg    von    1866. 

s.  Preußisch-österreichi- 
scher   Krieg. 

—  r   Partikularismus    147. 

393- 

—  r  Protestantismus  243. 
253.  266. 

—  r  Städtebund  (Hansa) 
s.    Städtebund. 

—  r    Stil    351. 

—  es    Bundespräsidium 

354.  355- 

—  es  Lutheranertum  in 
Livland    253. 

—  es  Reich  147.  210. 
224.  244.  246.  320.  337, 
426. 

—  es  Theater  zu  BerHn 
521     Anm. 

—  es    Wesen    147. 


Deutsche  Überlieferungen 
in  Rußland  257. 

—  -französische  Königs- 
gemeinschaft 107.  119. 
123.    124. 

französischer    Krieg 

418—426.    434.    474. 

—  -französische  Verstän- 
digung   531     Anm. 

Deutschland  58.  85.  120. 
121.  122.  123.  126.  130. 
132.  137.  138.  139.  140. 
148.  154.  155.  157.  168. 
169.  175.  178.  181.  187. 
188.  204.  206.  207.  208. 
209.  210.  211.  212.  213. 
216.  219.  224.  235.  243. 
244.  246.  247.  255.  262. 
264.  304.  311.  315.  318. 
319.  322.  323.  329.  331. 
335-  336.  337-  350-  352- 
354-  355-  364.  367.  377. 
382.  387.  389.  392.  393. 
394.  416.  417.  420.  422. 
425.  426.  430.  434.  436. 
437-  438.  444-  445-  446. 
448.  458.  468.  471.  479- 
482.  483.  487.  489.  491. 
494.  496.  499.  500.  506. 
507.  508.  509.  510.  516. 
517-     530. 

—  s  Entschädigung  für 
Frankreichs       Besitzer- 
greifung  von   Marokko 

445- 

Deutsch-Lothringen    425. 

—  -Ostafrika      438.     443. 

445- 
Deutschtum    224. 

—  in  Rußland  256. 
Deutsch-Westafriica    437. 
Dey   von   Algier    383. 
Dezembermänner 

s.    Dekabristen. 

Dezemberstaatsstreich 
s.     Staatsstreich     Louis 
Napoleons    vom    i.    bis 
2.  Dezember  (1848J. 

Dezemvirn    62. 

Dezimales  Maß-  und  Ge- 
wichtssystem   305.    518, 

Diagnostik 

s.  Krankheitsdiagnostik. 

Diamantgruben  zu  Kim- 
berley  im  Kapland  441. 

Diaz  (Bartholomäus)  159, 
162. 


21    Richet,  Geschichte  der  Menschheit,  II. 


6i4 


Namen-  und  Sachregister 


Dichter 

s.    Literatur. 

—  fürsten    deutsche    351. 

377.    378. 

—  —  englische   205. 

—  —  französische        377. 

378. 

—  —  griechische  31.   32. 

33-  39- .45-.  50-  171.  535- 
italienische  32.   149. 

247.    378. 

—  —  römische     83.    171. 
205. 

—  —  spanische  203.  204. 
247.   270. 

Dichtkunst 
s.   Literatur 

—  französische,    ihr  Wert 
248. 

Dickens    (Charles)   377. 
Dictionnaire    encyclop^di- 

que   273. 
Diderot    272.    275.    277. 
Didius    Julianus     (Kaiser; 

93- 
Diebstahl    466. 
„Die  höchste  Gnade"  yj'j. 
„Die  Kunst  Großvater  zu 

sein"    yjT. 
Dienstpflicht 

s.    Militärpflicht. 
Digitalin   527. 

—  behandlung  527. 
Di  Jon   319.   425. 
Diktator    (römischer)    61. 

65.   TJ.  80. 

—  (französischer)  302. 

—  Proklamation    Garibal- 
dis   400. 

Diktatur    Bolivars    359. 
Napoleons    I.   301.    317 
bis    319. 

Robespierres  302 — 303. 
s.  auch  Südamerikani- 
sche Diktaturen  und 
Militärdiktaturen. 

—  des    Proletariates    275. 
300.    496. 

—  militärische    und    reli- 
giöse 

s.   auch  Militärdiktatur. 
Diocletian  94.  95.   96.  97. 
Diomedes   32. 
Diphtherie   531.   532.    533. 

—  ,  ihre  Heilbarkeit  und 
Überwindlichkeit    531. 

—  serum   531. 
Diplomatengenie  336.  339. 


Diplomatenstreit  (-gezänk) 

396. 
' —  Willkür  482. 
Diplomatie    50.    196.    212. 

233.  246.  271.  272.  312. 

320.  336.  348.  361.  365. 

396.  399-  4".  413-  415. 
419.  423.  451.  467.  479. 
482.  485. 
Diplomatische  Nieder- 
lagen 383. 

—  Ungeschicklichkeiten 
420. 

Direktorium  (Direktoren; 
307.  308.  309.  310.  313. 
314.    315.    316. 

Direktes  Wahlrecht  für 
die  europäischen  Parla- 
mente, zum  wenigsten 
die    Zweiten    Kammern 

491. 

— französische  Ab- 
geordnetenwahlen 427. 
491. 

„Discours  de  la  methode" 
217. 

Dissenters  222. 

Dissoziation      (chemische) 

430. 
Disziplin     186.     195.     207. 
239.  263.  298.  303.  332. 

424.  454- 

—  losigkeit    332.   454. 

Divide  et  impera  als 
Motto  der  Türkischen 
Regierung   478.  ' 

Divina   Commedia    149. 

Dnjestr    279.    280. 

Dobrudscha    479. 

Dogali   450. 

Doge    134.    150.   200.   241. 

—  npalast    150. 
Doggerbank    487. 

—  handel    (Schieds- 
gerichtsverfahren;   487. 

Dogma    katholisches    180. 

186.     187.    295. 
Dogmatik    christliche    94. 

95.    99.    125.    136.    187. 

—  mohamedanische    116. 
Dogmatismus  462. 
Dolet    (Etienne;    182, 
Dolmens   3. 
Dombauten  126.  141.  150. 

380. 
Dominikaner      125.      167. 
173. 


Dominions    (britische) 

Kanada    215.    257^    265 

bis   267.   472. 

Australien    473. 
Dominique   215. 
Dominus    96. 
Domitian    91. 
Don    280. 
Donatello   150. 
Donau    92.    96.    102.    105. 

117.  119.  245  Anm.  254. 

328.    396.    476. 

—  fürstentümer  395.  476. 

—  länder  254. 

Don  Carlos  202.  351. 
Donizetti    (Gaetano)    381. 
Donnerbüchsen    145. 
Don  Quixotte  203. 
Dorf  anlagen,       Dörferbau 
123.    142.    385. 

—  besiedelung  142. 
Doria    (Andrea)    200. 
Dorier    33.    34.    37. 
Doryläum   132. 

Dos  de  Mayo  326. 
Dostojewskij  (Feodor; 

432. 
Doullon    182. 
Dragonaden    242. 
Dragoner  deutsche  289. 

—  französische  242. 
Drahtlose  Telegraphie 

s.    Funkentelegraphie. 
Drake    202. 
Dramatik 

altgriechische         43/44. 
205._  434- 

chinesische  464. 

deutsche  202.  204.  351. 

377. 
englische  204 — 206.378. 
französische     247 — 249. 
277.    287.     288.     342 
Anm.  378.   379.   431. 
432.    521    mit    Anm, 
italienische  205. 
norwegische    432.    434. 
spanische         202 — 203. 
381.   541    Nachtr. 
Dramatischer   Gehalt   der 

Oper  433. 
Drei    Begründer    der    ita- 
lienischen Einheit  390. 
Dreibund       deutsch-öster- 
reichisch-italienischer 
482—483. 
Dreieinigkeit    100. 


Namen-  und  Sachregister 


6i5 


Dreifarbige  Kokarde  der 
Revolution  und  des 
Empire  341. 

Dreijährige  Dienstzeit 

489. 

Dreikaiserbund  zwischen 
Deutschland,  Österreich 
und    Rußland    482. 

Drei     Ruhmestage     (Die) 

355. 
Dreißigjähriger  Krieg  206 

bis  213.  337  Anm.  537. 
Dreiständekammer       288. 

289. 
Dreiverband  zwischen 

England,        Frankreich 

und    Rußland    483. 
Dresden     336.    347.    367. 

392.  495- 

—  er  Besprechung  zwi- 
schen Napoleon  I.  und 
Metternich      336.      337. 

347. 

—  er    Straßenaufstände 

392. 
Dreyse-Gewehr    416.    420. 

—  sches  Hinterladegewehr 
s.    Dreyse-Gewehr. 

Dritte   französische  Repu- 
blik  401.   422.    425. 
Dritter     Konsul    317. 

—  Kreuzzug    133. 

—  Punischer  Krieg  74, 

—  Raubkrieg  Ludwigs 
XIV.  s.  Raubkriege 
Ludwigs    XIV. 

—  Stand 

s.    Tiers   Etat. 
Dritte  Teilung  Polens  307. 
Drohender  Krieg  zwischen 

Preußen    und    England 

292   Nachtr. 
Du    Barry    (Mme.j    285. 
Dubois-Pigalle  (Paul)  521. 
Duclos  275. 
DueU 

s.    Zweikampf. 
Duguesclin   144. 
Duldsamkeit 

s.    Toleranz. 
Duldsamkeitserklärungen 

s.    Toleranzedikte. 
Dumas    (Alexandre;    (fils; 

432. 
(p^re;   380. 

—  (Jean    Baptiste)   376. 
Dumouriez  300.  302.   308. 
Duncker    (Franz)    496. 

21» 


Dünen  bei  Dünkirchen 
s.     Schlacht     bei     den 
Dünen. 

Dünkirchen    225.    234. 

Duodezfürsten 

afrikanische    406. 
deutsche    354. 

Dupleix   (Joseph;  269. 

Dupont  de  l'Etang  (Gene- 
ral)   326.    327. 

Düppel  414. 

Dupuy    de    Lome 

(Marineingenieur)     513, 

Durazzo    481. 

Durchleuchtungsverfahren 
s.    Röntgenverfahren. 

Durchschlagskraft    der 
Chassepotgewehre    420. 

Durchsetzung  der  beiden 
germanischen  Sprachen 
Deutsch  und  Englisch 
mit  lateinischen  Be- 
standteilen  502. 

Durchsicht  Kaiserliche 
der  Päpstlichen  Ent- 
scheidungen 
s.  Revision  Kaiserliche 
der  Päpstlichen  Ent- 
scheidungen. 

Durchstechung  der  Land- 
enge von  Panama  471. 

Suez  159/160. 

413.    439-    471- 

Dürer   (Albrecht)   178. 

Dürftigkeit  des  Bodens 
von    Natur 

s.     Natürliche    Dürftig- 
keit. 

Duroc    (General;   336. 

Duruy     (Victor)    369. 

„Du  sollst  nicht  töten!*' 
462   Anm. 

Dwernick    (General)    363. 

Dyck    (van)   232.    249. 

Dynamoelektrizität  348. 
373.   522. 

—  maschinen  522. 
Dynastie    390. 

—  frage  des  Krieges  419. 

—  kriege 

s.  Hausmachtskriege. 
Dynastische    Politik    234. 
263.  419- 


Ebene    (Bezeichnung    der 

Mittelpartei;    300. 
Ebene   Lage   Chinas   465. 


Ebro    119. 
Echegaray    (Jos6; 

541    Nachtr. 
Edelmetalle    506. 
Edikt    von    Nantes     193. 

198.  214.  231.  241.  242. 

243.    273.    364. 
Edinburg   222. 
Edison     (Thomas      Alva) 

522. 
Eduard    III.    König    von 

England   143. 

—  IV.  König  von  Eng- 
land   143. 

—  VI.  König  von  Eng- 
land 185. 

—  VII.  König  von  Eng- 
land 483. 

Eger   210. 

Egmont    (Drama)    351. 

—  (Graf;    197. 
Egoismus    Napoleons    I. 

s.  Napoleonische  Selbst- 
sucht. 

Ehelosigkeit  der  Priester 
s.    Zölibat. 

Ehescheidung    185. 

Ehrenhändel    126. 

Ehrgeiz    208.   412. 

Ehrhch  (Paul;  531  mit 
Anm. 

Internationale  Fest- 
schrift zu  seinem  60. 
Geburtstag  532  Anm. 

—  — ,  seine  Biographie 
von  Charles  Riebet  532 
Anm. 

Eidverweigernde  Priester 
(Geistliche)  der  Revo- 
lutionszeit 296.  297. 

Eifersüchteleien  der  Ge- 
neräle 

s.  RivaHtät  zwischen  den 
verschiedenen  Kom- 
mandostellen. 

Eifersuchtspolitik  Eng- 
lands 

s.     Wirtschaftlicher 
Wettbewerb    Englands. 

Eiffelturm    517. 

Einäscherung     der     Pfalz 

243- 
Eilzüge  511. 

Eilzugsgeschwindigkeit 

511. 
Einäscherung        Moskaus 

durch    die  Russen  333. 


6i6 


Namen-  und  Sachregister 


Einberufung  des  deut- 
schen Bundestages  393. 

—  der  französischen  Ge- 
neralstaaten   288. 

—  —  —  Provinzialkam- 
mern    288. 

Einfache   Körper   der 
Chemie   349.    374-    375- 
429.    524. 

s.  auch  chemische  Ele- 
mente. 

Einfall  s.   Invasion. 

—  der  Barbaren  in  das 
Römische  Reich  98. 
536. 

Einfluß  der  Sozialdemo- 
kratie auf  die  Gesetz- 
gebung der  gegenwär- 
tigen   Gesellschaft   497. 

—  wachsender  der  Tages- 
presse   492. 

Einführung  der  allgemei- 
nen DienstpfUcht  im 
gesamten  kontinentalen 
Europa  434. 

— in  Japan  468. 

WehrpfUcht  489. 

Eisenbahnen      367. 

369- 

—  des  Christentumes  m 
das  Römische  Reich 
97—98. 

Freihandelssystems 

in  England  372. 

Gesandtschafts- 
rechts   für    China    465. 

Islam    HO — 116. 

—  —  Maschinenwesens 
366.  -369. 

Parlamentarismus 

mit   Zweikammersystem 
in    Japan    468. 

. —  Königlicher  Staatsge- 
richte statt  Standesge- 
richte in  Frankreich 
durch  RicheUeu  214. 

—  stehender  Riesenheere 
in  die  europäischen 
Kleinstaaten   489. 

—  westeuropäischer  Kul- 
tur  in   Rußland    237. 

Einfuhrzölle    371. 

Eingeborene 

s.    Afrikanische,   austra- 
lische Eingeborene. 

—  nsitten  afrikanische 

435- 


Einheimische,        afrikani- 
sche, australische 
s.    Afrikanische,  austra- 
lische   Eingeborene. 

Einheit  s. 

Deutsche    Einheit. 
Englische    Einheit. 
Französische     Einheit. 
Italienische    Einheit. 
Spanische    Einheit. 

—  Deutsche,  ihre  Berech- 
tigung 

s.  Berechtigung  der 
Deutschen   Einheit. 

—  sbestrebungen  deutsche 

391-    393-    426. 

—  —  italienische  389  bis 
391.    398.    400. 

—  politik 

s.  Konzentrationspolitik. 

—  Staat    173.    229.    246. 

305-    33Z-    357- 
Einiges  Deutschland  426. 

—  und  freies  Italien  398. 
Einkammersystem    387. 
Einkommensteuer    497. 
Einmarsch  s.  Invasion. 
Einmischung  Frankreichs 

in  Spanien,  den  Ver- 
einigten Staaten,  in  Me- 
xiko   usw. 

s.    Intervention    Frank- 
reichs in  Spanien  usw. 
Einnahme  der  Stadt   Me- 
xiko  411. 

—  von    Appomattox    410. 

Babylon    535. 

Constantine    384. 

Mailand   399. 

Missolunghi  361. 

Ninive  26.   535. 

Paris    339. 

Plewna  478. 

Rom   391.   401. 

Saloniki    481. 

Sebastopol    397. 

Theben  in  Ägypten 

durch    die    Hyksos    11. 

14-    535- 

Troja   32.    535. 

Vicksburg    409. 

Warschau    363. 

Einnehmer 

s.    Steuerpächter. 
Einschließung    von    Metz 

421. 
Paris 

s.  Belagerung  von  Paris. 


Einschließung  von  Plewna 
s.  Belagerung  von 
Plewna. 

Einstige  Kriege  im  Ver- 
hältnis zu  den  Zukunfts- 
kriegen 489/490. 

Einstimmigkeit  von  Par- 
lamentsbeschlüssen 236. 
306. 

Einteilung    Asiens    451. 

Eintreten  Österreichs  in 
die  Balkanpolitik  (mit 
dem  Berliner  Kongreß; 

479- 

Eintritt  der  Arbeiterschaft 
in   die   Gesellschaft   als 
selbständige   Klasse 
s.  Universale  Ereignisse. 

Einverleibung 
s.  Annexion. 

Einwanderung  altrussische 
in  Sibirien  452. 

—  chinesische  in  Austra- 
lien und  Kalifornien 
465. 

—  englische  in  Austra- 
lien   413/414- 

—  —  —  Nordamerika 
281.   405. 

—  europäische  in  den 
Vereinigten  Staaten  von 
Nordamerika    473. 

—  französische  in  Alge- 
rien  444. 

—  französisch-kanadische 
in  den  Vereinigten 
Staaten  von  Nordame- 
rika 473. 

—  internationale  in  Alge- 
rien  444. 

—  irische  in  die  Vereinig- 
ten Staaten  von  Nord- 
amerika   504. 

—  italienische  in  Argen- 
tinien   472. 

—  spanische  in  Argen- 
tinien   472. 

—  sverbot  für  chinesi- 
sche Arbeiter  in  Austra- 
lien und  Kalifornien 
465. 

Einzelbetrieb  der  Wissen- 
schaften   350.    428. 

Einzelforschung    376. 

Einzelfreiheit  289. 

Emzelkonsum    505. 

Einzelleben 

s.    Individualleben. 


Namen-  und  Sachregister 


617 


Einzelstaaten 

australische    473. 

der  Vereinigten  Staa- 
ten von  Nordamerika 
281. 

deutsche  235.  243.  337. 

355-   364- 
kanadische  472. 
s.   auch   Bundesfürsten. 
EinzelstaatHche    Selbstän- 
digkeit    innerhalb     des 
Australischen      Bundes 

473- 

—  —  —  —  kanadischen 
Bundes    472. 

Einzelzweikämpfe    statt 
Völkerschlachten    176. 

Einziehung  der  Diamant- 
felder zu  Kimberley  als 
englisches  Krongut  441. 

Einzug  der  Russen  in 
Berlin    264. 

—  in    Moskau   333. 

—  Kaiser  Ferdinands  III. 
in    Wien    394. 

Eirene  (Drama;  59  Nach- 
trag. 

Eisenarbeit   371. 

Eisenbahn  367.  368.  369. 
438.  443-  445-  453-  472. 
480.  493.  505.  511.  517. 

—  bau  367.  369.  405.  438. 
443.  445.  449.  452.  453. 
458.    472.   480.    511. 

begonnener  durch 

den    Kongostaat   438. 

geplanter  vom  Kap 

der  guten  Hoffnung 
bis  Alexandria  511. 

(österreichischer) 

durch    Bosnien   480. 

—  —  zwischen  Zehlen- 
dorf und  Potsdam  367. 

—  fahrgeschwindigkeit 
511. 

—  hochbauvverke  513. 

—  kunstarbeiten    513. 

—  netz 

s.   Schienennetz. 

—  sperre  im  Mobilma- 
chungsfalle. 

s.  Sperrung  des  zivilen 
Eisenbahnverkehrs  im 
Mobilmachungsfalle. 

—  tarifherabsetzung    511, 


Eisenbahnverbindung  zwi- 
schen Algier-Laghuat 
und    Tugurt     435. 

Bagdad  und 

Smyrna  458. 

—  Bosporus  u.  Per- 
sischem Meerbusen  458. 

"  Cadiz  undWladi- 

wostok     511. 

—  Casablanca    und 

der         Mittelmeerkiiste 

445- 

—  Fes  und  der  Mit- 

telmeerkiiste  445. 

:'  —  Halifax  undVan- 

couver  472. 

—  Leipzig  u.  Dres- 
den 367. 

—  Liverpool      und 

Manchester    367. 

Marrakesch  und 

der         Mittelmeerküste 

445- 

—  —  —  Newyork  und 
San  Franzisko  472. 

—  Nürnberg      und 

.    Fürth  367. 
Paris  und  Saint- 

Germain  367. 
— Saint-Etienne, 

Andrdzieux    und    Lvon 

367. 
—  Tunis  und  Tlem- 

sen  445. 
Vancouver     und 

New>'ork    511. 

—  verkehr  auf  Madagas- 
kar 445. 

—  durch  Sibirien  452. 

—  im  gesamten  Britischen 
Ostafrikanischen  Rie- 
senreiche  438.   443. 

—  in    Brasilien    511. 

—  —  den    Vereinigten 
Staaten   von   Nordame- 
rika 511. 

—  —  Deutschland   510. 

—  —  Frankreich    510. 

Mexiko  511. 

Rußland    510. 

—  sprojekte  für  Afrika 
446.    449. 

zum  Tschadsee  446. 

—  zwischen  Mitteleuropa 
und  Indien  458. 

Eisenbergwerke  sibirische 
452. 


Eisenschmiedekunst         4. 

539- 
Eisenzeitalter   4.    5. 

Eiserner  Herzog  (Bezeich- 
nung für  Lord  Welling- 
ton;   343. 

—  Kanzler  (Bezeichnung 
für   Bismarck;   417. 

Eiszeit    3. 
Eiweißabsonderung 
s.    Albuminurie. 

Eiweißhaltige    Stoffe  376. 

Ekbatana  29. 

Ekklesia    38. 

Ekuador  359. 

Elba   339.   341.    342.    344, 

Elbe  102.  106. 

Elektrische  Arbeitseinheit 

374- 

—  Bahnen    523. 

—  Beleuchtung 

s.    Elektrisches    Licht. 

—  Bewegungskraft 

s.    Motorische   Kraft. 

—  Fernbewegungskraft 
s.    Motorische    Kraft. 

—  Hoch-  und  Untergrund- 
bahn 

s.  Hoch-  und  auch  Un- 
tergrundbahn. 

—  Kapazität    374. 

—  Kathodenstrahlen  524. 

—  Kraft    522.    523. 

—  Kraftmaschine 

s.  Dynamomaschine. 

—  Lichtschwingungen  523. 

—  Maschinen  292.  523. 

—  Maßeinheitsbezeich- 
nungen   374. 

—  Motortätigkeit    523. 

—  r    Funke    523. 

—  r    Leitungswiderstand 

374. 

—  r    Strom    373. 

—  Säule  292. 

—  s   Licht   523. 

,  seine  Wohlfeil- 
heit, besonders  in  Ge- 
birgsgegenden 523. 

—  s  Potential  374. 

—  Strahlenbrechung    523. 

—  Straßenbahnen        511. 

523- 

—  Stromstärke    374. 
Elektrizität  292.  348.  368. 

372.    374.    516.    517. 
autos   523. 


6i8 


Namen-  und  Sachregister 


Elektrizitätserzeugung 
durch   Dampfkraft    523. 

Magnetendrehung 

522. 

—  menge  374. 

—  röhren 

s.   Metallkabeln. 

—  werke    städtische 

s.    Städtische    Elektrizi- 
tätswerke. 

—  Wissenschaft 

in    Dänemark    373. 

in  Deutschland  373.  374. 

523.   524. 

m    England    373.    374. 

523- 

in  Frankreich  373.  374. 

522. 

internationale    moderne 

522 — 524. 

in  Italien  292.  348.  349. 

373- 

in    Rußland    373. 
Elektrode  negative 
s.     Kathode. 

—  n  (positive  und  nega- 
tive)    523. 

Elektrodynamische  Appa- 
rate  der   Industrie 
s.      Industrielle      Kraft- 
apparate. 

—  Maschinen  der  Indu- 
strie 

s.     Industrielle      Kraft- 
maschinen. 

Elektrolyse  373. 

Elektromagnetische  Ma- 
schinen   522. 

Elektromotore 

s.    Elektr.    Maschinen. 

Elektromotorische      Kraft 

373-  374- 
Elektronen   525. 

—  ,    ihre    Drehungsge- 
schwindigkeit    525. 

Elektrotechnik    522 — 524. 
„Elenden    und    Unglück- 
lichen {Die)"  378.  432. 
Elfenbein  438.  446. 

—  handel  im  Kongostaat 
438. 

—  küste    446. 
Elgin    (Lord)    43. 
Eliot   (George)  379. 
Elis    36. 

Elisabeth  (Gemahlin  Phi- 
lipps V,  von  Spanien) 
258. 


Elisabeth  Kaiserin  von 
Rußland  257.  259.  263. 
264.  276. 

—  Königin  von  England 
185.  200.  201.  204 — 205. 
219.    220.    221. 

Ehtetruppen  343.  412. 
Elliot    (Jones)    222. 
Elsaß   211.  212.   233.  240. 

241.  244.  304.  314.  422. 
425. 

Lothringen    304.    311. 

400.   425. 

—  -Lothringische  Frage 
121.  244.  304.  311.  390. 
425. 

Emanationstheorie    250. 

Emanzipation  der  Mensch- 
heit (des  Menschenge- 
schlechtes)  310. 

Emigranten      französische 

242.  273.  295.  297.  298. 
299-  305-  340-  341.  352. 
364- 

Emigrantenheere  297.  298. 
299. 

—  rückkehr    341. 
Emilia    400. 
Emilianer    400. 

Emire  (mohammedanische 

Stammhäuptünge       des 

Orients)    457. 
Emissionstheorie 

s.    Emanationstheorie. 
Empfangsstelle    für    Fun- 

kentelegraphie    517. 
Empire     319.     328.     330. 

331.    341.   342.    441. 
Empirik    429.    531. 
Empirische    Methode    der 

Heilkunde    429. 
Ems  420. 
Emser     Depesche      (Bis- 

marcks)    420. 
Ende  des  Mittelalters  und 

der  kirchlichenAllmacht 

151.    536. 

Energielehre  430. 

Enger  Blick  der  Bauern 
370. 

Engere  Verwandtschaft 
von  Bulgarisch  und 
Russisch  —  gegenüber 
den  anderen  slawischen 
Sprachen  478. 
s.  auch  Verwandtschaft 
zwischen    bulgarischem 


und  russischem  Volks- 
tum. 
Enghien  (Herzog  von)  211, 

321. 
England   58.   84.   85.    125. 

126.  129.  130.   131.  137. 

138.  141.  142.   143.  146. 

147.  148.  150.   154.  155. 

168.  169.  173.   178.  181. 

184.   185.  188.   189.  198. 

199.  200.  201.  202.  205, 

206.  216.  220.  223 — 224. 

225.  227.  228.  230.  231. 

240.  244.  245.  246.  247. 

255.  258.  259.  262.  263. 

265.  266.  267.  269.  270. 

271.  273.  275.  280.  281. 

284.    292.    Nachtr.    296. 

301.  304.  308.  312.  315. 

319.  320.  321.  322.  323. 

324.  325.  326.  328.  329. 

346.  347.  354.  357-  360. 

361.  362.  363.  364.  366, 

367.  369.  371.  372.  373. 

374-  377-  379-  382.  383. 

384.  385.  387.  396.  397. 

401.  409.  411.  412.  413. 

414.  416.  417.  422.  436. 

438.  439.  440.  443.  446. 

448.  453.  456.  457.  458. 

466.  468.  473.  474.  478. 

479.  483.  486.  487.  489. 

491.  494.  496.  520.  530. 

537- 

s.  auch  Großbritannien, 
s.  auch  Sächsische  Dy- 
nastie und  Dänische 
Dynastie. 

Engländer  9.  43.  131.  135 
142.  143.  144.  146.  160 
163.  204.  215.  218.  219, 
220.  225.  226.  228.  230. 
245.  249.  262.  265.  266 
267.  269.  270.  271.  273 
279.  283.  284.  292.  301 
312.  314.  315-  320.  321 
322.  325.  327.  335.  337 
343.  m.  Anm.  344.  361 
364.  365.  367.  373.  374 
375.  376.  406.  411.  435 
440.  441.  442.  443.  447 
450.  456.  457.  458.  459 
466.  467.  470.  484.  501 
502.  503.  514.  5'7.  518 
523.    526.    532. 

—  tum    131. 

Englandfeindschaft  320. 


Namen-  und  Sachregister 


6ig 


England  ohne  stehendes 
Heer   489. 

—  s  Unbesieglichkeit  324. 

—  s  wohltätiger  Einfluß 
auf   Indien   271. 

—  und  Frankreich  ,  die 
Wiegen  des  Parlamen- 
tarismus  49 1 . 

Englisch  137.  145.  174. 
202.  214.  220.  222. 
225.  226.  235.237.  243. 
278.  319.  321.  325.  356. 
422.  435.  450.  460.  472. 
483.    484. 

—  ,  Englische  Sprache 
und  Literatur  130.  147. 
265.  361.  406.  407.  474. 
499.    501.    502. 

—  -afghanisches    Bündnis 

457- 

—  -ägyptische  Armee  440. 

—  -amerikanischer  Krieg 
s.  Nordamerikanischer 
U  nabhängigkeitskrieg. 

—  -chinesischer  Krieg 
412.  466. 

—  e  Bergwerke 

s.     Englische     Montan- 
industrie. 

—  e  Einflußausdehnung 
auf  Belutschistan  und 
Afghanistan  459. 

—  e  Einflüsse  in  Siam 
460. 

—  e    Einheit    169. 

—  e  Flottendemonstration 
gegen  Ägypten 

s.   Flottendemonstration 
englische  geg.  Ägypten. 

—  e  Gastfreundschaft  für 
politische  Flüchtlinge 
396. 

—  e  Handelsgesellschaf- 
ten zu  Madras  269.  270. 

—  e  Kultur  bei  den  Polen 
s.  Französisch-englische 
Kultur    bei    den    Polen. 

—  e  Kultureinflüsse  auf 
die    Völker    396. 

—  e    Landkriege    327. 

—  e  Ministerialverwaltung 
in    Ägypten    440. 

—  e  Montanindustrie  494. 

—  e  Okkupation  Ägyptens 
440. 

der  Kapkolonie  441. 

—  —  des    Sudan    440. 

—  —  des  Zululandes  441. 


Englische  Okkupation 
Malakkas    459. 

Natals   441. 

Singapurs    459. 

—  Regierung 

s.   Britische  Regierung. 

—  r  Einschüchterungs(De- 
monstrations-)feldzug 
gegen  Afghanistan  457. 

—  e    Republik 

s.     Commonwealth. 

—  r  Geist 

s.   Engländertum. 

—  r  Handel  in  China  466. 

—  r   KongreßvorscJ;ilag 

399- 

—  r  Protestantismus  184. 
185.     199.    204. 

—  r    Seeverkehr    512. 

—  e    Seehegemonie 

s.  Vormachtstellung 
Englands    zur   See. 

—  s  Heerwesen  in  Indien 
458. 

—  s  Indien 

s.  Indien  englisch. 

—  Sprache,  ihre  schwie- 
rige Lautgestaltung  502. 

—  Staatsangehörigkeit  des 
ägyptischen  Beamten- 
und    Offizierkorps    440. 

—  Staatskirche 

s.  Anglikanische  Kirche. 

—  s    Volkstum   474. 

—  s    Wesen 

s.  Engländertum. 

—  Transvaalexpedition 
441—442. 

—  Verwaltung  in  Ägyp- 
ten 

s.  Englische  Ministerial- 
verwaltung in  Ägypten. 

—  Weltherrschaft 

s.   Weltherrschaft  Eng- 
lands. 

—  Englisch  -  französisch- 
chinesischer   Krieg 

s.     Europäisch  -  chinesi- 
scher Krieg. 

er     Ausschuß     zur 

Prüfung  der  Finanzver- 
hältnisse Ägyptens 
s.  Finanzausschuß  (eng- 
lisch -  französischer)     in 
Ägypten. 

—  -holländisches  Heer  im 
dritten  Jahr  der  Frei- 
heitskriege  343. 


Englisch-japanisches 

Bündnis   453. 
Ostafrika 

s.  Britisch-Ostafrika. 

—  -russisches  Heer  im 
ZweitenKoalitionskriega 
gegen  die  Französische 
Republik  315. 

—  -spanisches  Bündnis 

s.  Spanisch  -  englisches 
Bündnis 

Heer 

s.  Spanisch  -  engUsches 
Heer. 

Entartung  der  Mensch- 
heit, ihre  Vorbeugung 
durch  Bekämpfung  des 
Alkoholismus    533. 

Entdeckung  Amerikas 

155.   160—162.   537. 

—  chemischer     Elemente 

349- 

—  der  Diamantgruben  zu 

Kimberley    441. 

—  —  flüssigen  Gase  375. 

—  —  Goldbergwerke  bei 
Johannesburg    442. 

—    in       Australien 

471. 
Nilquellen    436. 

—  des   Aluminium   375. 
Kompaß     158—159. 

—  —  Mississippilaufs 
267. 

Sauerstoffes   291. 

—  Kanadas    265 — 266. 

—  sfahrten  der  Portugie- 
sen  160. 

des  Altertums  70. 

159. 

Enteignung  der  Kapitah- 
stenklasse    497. 

Entente 

s.  Dreiverband  zwischen 
England,  Frankreich 
und    Rußland. 

Entente  cordiale  483. 

Ententemächte   483. 

Entführung  von  Kunst- 
werken   310. 

Entlassung    Neckers    289. 

Entschädigung  Serbiens 
durch  die  Städte  Prisch- 
tina,  Prisren(dij  und 
Üsküb  (im  Frieden; 
nach  dem  zweiten  Bal- 
kankriege  482. 


620 


Namen-  und  Sachregister 


Entstehung  der  Arbeiter- 
klasse   366. 

—  —  Großindustrie    366. 
Entvölkerung  des  platten 

Landes  494. 

—  durch   den  Krieg   213. 

234. 

s.    auch    Bevölkerungs- 
abnahme. 

Entwickelung  der  großen 
amerikanischen  Demo- 
kratie zur  kapitalisti- 
schen Republik  509. 

Kunst    434. 

Wissenschaft      434. 

—  sstufen  des  Islam  436. 

—  stheorie  (Darwinsche) 
349.  428. 

Enzyklopädie  (französi- 
sche; 231.  273.  274.  351. 
368. 

Epaminondas     47. 

Ephesus    jil-    73- 

Ephoren    34. 

Epidaurus    361. 

Epidemien 
s.    Seuchen. 

Epik 

altgriechische      31 — 33. 

378. 
deutsche    147. 
englische    361.    377. 
französische     118.     302. 

377- 

italienische    .  149.      378. 

portugiesische   163. 

römische  33.   83. 
Epiktet     183. 
Epikur  57.   58. 
Epirus    55.    70.    481.    482. 
Episches      Heldenzeitalter 

31—33.    176. 
Equitatus    66. 
Erasmus    183. 
Erbfeindschaft 

französisch-deutsche 
426. 

—   -englische    142.   312. 

polnisch-russische     332. 

3^3-    364- 
Erbkaisertum   147.  393. 
Erblichkeit  der  Hörigkeit 
(Leibeigenschaft)      126. 

—  der    Pairschaft    267. 

—  des   Adels    126 — 127. 

—  sprinzip  im  monarchi- 
schen Staate  340.  347. 
390- 


Erdbahn    250. 

—  drehung    217. 

—  meridianmessung    348. 

—  messung    518. 

—  —  sämter  305. 

—  rindeschichten    375. 

—  umsegelung    158.    164. 
Eremiten    100. 

Erfindung  der  Buch- 
druckerkunst 151.  153 
bis  154.  170.  368/369. 
493-    536.    540. 

Mikroskopierkunst 

231. 

—  —  Panzerschiffe  mit 
Turm    409. 

ohne  Turm  409. 

—  —  Photographie  375. 

—  —  Repetiergewehre 
409. 

Torpedos    408. 

—  des    Phonographen  522. 
Erforschung    des    großen 

Seengebietes   436. 

—  —    Kongolaufes    436. 
Erfurt    154.    236.    237. 
Erhaltung  der  Kraft  374. 

—  des   Stoffes 

s.    Gesetz   von   der   Er- 
haltung   des    Stoffes. 
Erhaltung    gewisser     erb- 
licher     Privilegien      in 
England   491. 

Erhebung  Deutschlands 
gegen  Napoleon  I.  335. 

„Erinnerungen  von  jen- 
seits des  Grabes"  378. 

Erkenntnistheorie  217. 

Erkennung  einer  sozialen 
Richtung  aus  der  Dar- 
stellung    ihrer     Kurve 

503/504- 
Erklärung      der      Donau- 
fürstentümer       Moldau 
und    Walachei    zu    Ver- 
einigten  Laflden    397. 
476. 

—  —  Menschenrechte 
(französische)    283.    293 
bis    294.    296.    491. 

—  —  Rechte  (amerikani- 
sche)   282/283.    293. 

Erlasse  des  Kaisers  Na- 
poleon   L 

s.   Kaiserliche    Dekrete 
Napoleons    L 


Erlöschen  jeder  Zivilisa- 
tion vom  6. — 14.  Jahr- 
hundert   105.    124.    536. 

Ermelow   277. 

Ernennung  Arabi-Paschas 
zum  ägyptischen  Kriegs- 
minister 

s.  Berufung  Arabi-Pa- 
schas ins  ägyptische 
Kriegsministerium. 

—  der  preußischen  Her- 
renhausmitglieder 491 
Anm. 

Erneuerung  der  französi- 
schen Poesie  377. 

—  —    Musik 

s.     Revolution     in     der 

Musik. 
Erneuter   Krieg   Bonapar- 
tes mit  England  321  bis 

322. 
Ernte  494. 
Eroberervölker 

s.    Kriegervölker. 
Eroberungsfeldzug    gegen 

Marokko    444. 
Eroberungsfnede  425. 

478.    481. 

—  pohtik  50.  51—53.  72. 
138.  151.  165—166.  167. 
168.  169.  170.  199.  207. 
240.  252.  261.  268.  269. 
277.  290.  311.  314.  334. 
348.  374-  394-  397.  436. 
443-  447-  451- 463-  465- 
474.  478.  481. 

Eroberung  von  Kabul 
durch  die  Engländer 
456. 

—  —  Kluwa  und  Buchara 
durch  die   Russen  456. 

Konstantinopel  151. 

152. 

—  —  Malakka  durch  die 
Engländer   459. 

—  —  Sibirien  durch  die 
Russen  237. 

Eröffnung  des  russisch- 
japanischen Krieges 
durch  die  Beschießung 
Port    Arthurs    453. 

Erörterung  poütischer  An- 
gelegenheiten 
s.      PoHtisches      Leben 
(Verständnis). 

Erpressungs-  und  Unter- 
schlagungsprozesse 271. 


Namen-  und  Sachregister 


621 


Ersatz,  Ersatzmannschaft, 
Ersatzkorps  344. 

—  heer  für  Paris  im 
Deutsch  -  Französischen 
Kriege  444. 

Erschließung  des  Innern 
Afrikas  435—437- 

Erstarkung  des  Liberalis- 
mus   352—373- 

Erstdrucke 

s.    Inkunabeln. 

Erste  Absetzung  Napo- 
leons   I.   339. 

—  Beschießung  Port  Ar- 
thurs im  russisch-japa- 
nischen   Kriege    453. 

—  englische  Expedition 
nach    Afghanistan   456. 

—  französische  Konstitu- 
ante 

s.   Konstituante. 

—  —  Okkupation  Roms 
unter  Napoleon  III., 
damaligen  Präsidenten 
Louis  Napoleons  Bona- 
parte  370—371- 

—  —  Republik 

s.    Republiken. 

—  —  Revolution 
s.   Revolutionen. 

—  Haager   Konferenz 
485. 

—  Kammer 
s.   Senat. 

—  r  Balkankrieg  480  bis 
481. 

—  r  Einzug  der  Verbün- 
deten in  Paris  339. 

—  Restauration 

s.   Restauration. 

—  r  französisch-englischer 
Seekrieg  im  Zeitalter 
Friedrichs  des  Großen 
262. 

—  r  Koalitionskrieg  ge- 
gen die  französische  Re- 
publik 

s.  Koalitionskriege  ge- 
gen die  französische  Re- 
publik. 

—  r  Konsul  316.  317.  319. 
321.    366. 

—  r    Kreuzzug    131  — 133. 

135- 

—  r  Pariser  Frieden  (im 
Zeitalter  Friedrichs  des 
Großen)  267.  268.  270 
281. 


Erster  Pariser  Frieden  (in 
den    Freiheitskriegen) 

341. 

—  Punischer    Krieg    72. 

—  Raubkrieg  Ludwigs 
XIV. 

s.      Raubkriege        Lud- 
wigs  XIV. 

—  schlesischer  Krieg 
262 — 263.    . 

—  s  französisches  Kaiser- 
reich  s.    Empire. 

—  Teilung  Polens  277  bis 
279. 

Erstürmung  von  Waffen- 
lagern   290. 

Ertrag   des   Bodens 
s.  Fruchtbarkeit. 

Erweiterung  des  geistigen 
Horizontes   368. 

Erwerbung  Schlesiens  für 
Preußen   262. 

Erythräa   449. 

Erythräischcs  Küstenliin- 
terland  449. 

Erzbistümer    222. 

Erzherzöge  308.  310.  315. 
329.  411. 

Escurial   202. 

Es    lebe    der    Kaiser! 
s.    Vive    l'Empereur  I 

Espartero    (General)    418. 

Esperanto   503. 

Essays   195. 

Eßlingen    154. 

Estaing    (d')    284. 

Esther   248. 

Etatabstimmungsrecht 
s.  Staatshaushaltabstim- 
mungsrecht. 

Ethik  der  Religionsbe- 
kenntnisse 116.  268.  407. 

—  deutsche  351. 

—  französische  248.  274. 
276. 

—  islamitische     112.     116. 
Ethische     Axiome     (Dog- 
men) 276.  484.  485.  539. 

—  r   Unterricht 

s.     Moralunterricht. 

—  Wissenschaft  539.   540. 

Ethizismus  in  den  Reli- 
gionen 461  mit  Anm. 
462. 

—  —  der  chinesischen 
Philosophie  462. 

— GesetzgTsbung 

274. 


Ethnische  Gemeinschaft 
Englands  und  der  Ver- 
einigten Staaten  von 
Nordamerika    474. 

—  Vielgestaltigkeit  der 
Türkei    541. 

Ethnographische    Un- 
gleichheit    der    vorder- 
asiatischen  Länder  451 
bis  452. 

Etrurien   68.   72.    331. 

Etrusker    23.    60.    68.    69. 

Etruskisch  60.   69. 

Etzel 

s.    Attila. 

Eugenie  (franz.  Kaiserin 
geb.  von  Montijo)  232. 
398.    401.    419. 

Eugen  Prinz  von  Savoyen 

245-    337- 
Euklid  46. 

Euphrat    51.    94. 

—  und  Tigris  (Mesopota- 
mien)   14.    16.    24.    75. 

Euripides    44. 

Europa  29.  32.  40.  41.  43. 

66.  75.  84.  91.  104.  HO. 

113.   114.  118.  119.    126. 

130.   131.  132.   133.  137. 

138.   141.  148.   150.  152. 

154.   155.  158.   161.  164. 

168.  174.  193.   194.  195. 

199.  208.  212.  216.  228. 

230.  232.  234.  236.  237. 

238.  240.  243.  245.  246. 

250.  252.  255.  259.   262. 

265.  275.  283.  297.  299. 

304.  311.  314.  316.  320. 

323.  324.  330.  345.  348. 

354-  355-  357-  360.  361. 

363.  364.  366.  367.  369 

374-  382.  398.  404.  405. 

412.  413.  414.  415.  417. 

418.  425.  436.  439.  443. 

447-  451-  453-  455-  465. 
466.  469.  472.  473.  474. 
476.  481.  482.  484.  489. 
491.  492.  494.  499.  500. 
501.  519.  536.  537. 
Europäer,  Europäisch  102. 
104.   130.   135.   152.   154. 


158.  164 
225.  267 
368.  384 
439-  444 
453-  455 


165.  166.  224. 

269.  271.  283. 

385.  406.  435. 

447-  448.  451. 

458.  463.  465. 


467.  468.  499.  504. 


622 


Namen-  und  Sachregister 


Europäereinwanderung  in 
Amerika   167. 

Europäisch  208.  209.  211. 
212.  232.  234.  237.  255 
268.  348.  464.  466.  475. 

484.   489-   491-    504- 

—  -chinesischer  Krieg 
466 — 467. 

Europäische         Ange- 
legenheiten, 
s.    Europäische   Politik. 

—  Förderung  von  Hei- 
matshandel und  -Ge- 
werbe in  der  asiati- 
schen   Türkei    458. 

—  Gesamtbürgschaft  für 
die  Selbständigkeit  Ru- 
mäniens 398. 

Serbiens 

398. 

—  Geschichte  293.  412. 

—  Heeresstärke  489.  490. 

—  Kleinstaaten    489. 

—  Kolonisation  in  Afrika 
436.  448. 

—  —  sämthcher  Neger- 
gebiete Afrikas  436. 

—  Kultur  359. 

—  Neutralität  gegenüber 
dem  Frankfurter  Frie- 
den 

s.  Europäischer  Indif- 
ferentismus gegenüber 
dem  Frankfurter  Frie- 
den. 

—  PoHtik  397.  434. 

—  Regierungen  348.  357. 
361.  405.  409.  415/416. 
440.  451.  456.  467.  478. 
484.  487.  496. 

—  r  Friede  zwischen, dem 
Deutsch  -  Französischen 
Kriege  und  der  Ab- 
fassungszeit des  Bu- 
ches 474.  481.   483. 

—  r  Handel  in  China  466. 

—  r  Indifferentismus  ge- 
genüber dem  Frank- 
furter Frieden  425. 

—  r    Staatenbund    193. 

—  r  Verkehr  mit  China 
465/466. 

—  r  Völkerbund  gegen 
die  Erste  französische 
Republik  314.  324.  335. 

—  r Ludwig  XIV. 

243.    245.    250.    252. 


Europäischer  Warenver- 
kehr mit  den  Vereinig- 
ten Staaten  von  Nord- 
amerika 471 — 472. 

—  Zukunftskrieg  489.  490. 

—  Schutzzollpolitik  400. 

—  s    Festland 
s.  Kontinent. 

—  s     Gleichgewicht     175. 

—  s  Rußland  502. 

—  s  Schiedsrichteramt 
Napoleons  III.  398. 

—  s    Schutzzollsystem 
401. 

—  s  Staatensystem  196. 
228.  257.  336.  337.  361. 
417- 

—  Umsturzbewegung  355. 

—  s   Vorurteil   404. 

I —  Völkergesellschaft  374. 

413-  435-  436.  453-  473- 
477.  489.  491.  497.  SOG. 

503- 

—  Wirren 

s.  Europäische  Umsturz- 
bewegung. 

Europäisch  -  japanischer 
Krieg   467 — 468. 

Europäisierung  Ägyptens 
und  seines  Heeres  382. 

—  Japans  und  seines 
Heeres  454.  455.  468. 
469. 

—  Rußlands    256. 
Europamüdigkeit    473. 
Evangelien  45.  87.  89.  95. 

99.    113.    116.    183.   275. 
Evangelisten    87. 
Ewiger    Friede    193.    249. 

352. 
Ewiges   Edikt    198. 

—  Leben 

s.    Wiederauferstehung. 

Exakte   Wissenschaften 
373—377-    431- 

Examensbureaukratie   chi- 
nesische   464.    509. 
s.    auch    Mandarinenre- 
gierung. 

Exekutive   283.    307.    387. 

Exfenestratio  Pragensis 

206. 
Exil 

s.    Verbannung. 

—  der    Päpste    141.    143. 


Expeditionskorps    (franzö- 
sisches)   für    Madagas- 
kar 
s.   Madagaskar-Korps. 

—    —  —    Mexiko 
s.    Mexiko-Korps. 

Experimentale  Methode 
218.  219.  291/292.  429. 
529.  530.  531/532  mit 
Anm. 

Explosionsprozeß    von  at- 
mosphärischer Luft  und 
■  Petroleumdampf         bei 
Motoren   512. 

Export 

s.    Ausfuhrhandel. 

Expreßzüge  internationale 
458.   Sil. 


Fabeldichtung  (franzö- 
sche)  248.  378.  437.  An- 
merk.  451  Anm.  514 
Anm.   520  Anm.   531. 

Fabvier    (General)    361. 

Fabrikarbeiter     370 — 371. 
495—497-     522. 
s.    auch    Arbeiterschaft, 
Arbeiterklasse. 

—    Schaft 

s.    Arbeiterschaft. 

Fabrikmäßig    hergestellte 
Gegenstände 
s.  Massenerzeugnisse. 

Fabrikstädte    370. 

Fabrikwesen   370.    494. 

Fachausdrücke   305. 

Fachzeitschriften  japani- 
sche  468. 

Faidherbe    (General)    445. 

Fahnenflucht  263.  332. 
333-    403- 

Faicts  et  Dicts  de  Panta- 
gruel    183. 

Faktoreien  in  den  ostindi- 
schen Kolonien  230. 

Fakultative   Schieds- 
gerichtsentscheidung 
484. 

Falgui^re  (Alexandre)  521. 

Fallbeil    s.    Guillotine 

Fall  der  Eisenbahnfahr- 
preise 

s.    Eisenbahntarifherab- 
setzung. 

Fallgesetze  250. 


Namen-  und  Sachregister 


623 


Falscher    Patriotismus 

s.    Chauvinismus. 
Familie  Napoleons  I.  323. 

326.  327.  328.329.    330. 

331- 

—  ndrama  am  spanischen 
Hofe    326. 

—  nleben 
altrömisches  64.  85.  96. 
chinesisches    462. 

—  npolitik  Napoleons  I. 
s.  Heiratspolitik  Napo- 
leons   I. 

—  nzusammenschluß  des 
Urmenschen  3.  535. 

Fanatismus  113.  200.  279. 

384.  412.  419.  426.  427. 

445- 

—  des  türkischen  Heeres 
s.    Kismet. 

Fanggame  (Unterseeische) 

431- 

Farnese    198.   258. 

Farad  (Elektrische  Maß- 
einheitsbezeichnung; 

374- 
Faraday     (Michael)     373. 

374-    375- 

Farbenphotographie     525. 

Farbenindustrie    430. 

Farbige  Rassen  499.  500. 
501.    504. 

Farcl  (Guülaume;  183. 

Farnese 

s.  auch  Alexander  Far- 
nese Prinz  von  Parma. 

Faröer-Inseln    122. 

Faschoda    440. 

Fatalismus  des  türkischen 
Heeres 
s.    Kismet. 

„Faust"    (Drama)    351. 

—  ,  Zweiter  Teil  377. 
Faustina    85. 
Februarrevolution         366. 

385.  386.  387.  389.    392. 

394- 

Februartage     (Pariser) 
s.    Februarrevolution. 

Fehdebrief  Karls  V.  an 
Franz    I.     176. 

Fehlen  einer  amtlichen 
Negerstatistik  für  Afri- 
ka 498.   501. 

Statistik  der  Me- 
stizen und  Mulatten  in 
Nord-  und  Südamerika 
501. 


Fehlen  einer  amtlichen 
Statistik  bei  den  Chi- 
nesen 498.    501. 

der  Neger  in 

Nord-  und  Südamerika 
501. 

Feldherrneigenschaften 

423- 
Feldherrngenie    209.    245. 
250.  321.  322.  324.  327. 

329-  337-  338-  343-  346. 
347.  363.  388.  409.  410. 
478. 

Feldherrnkunst 
s.    Strategie. 

Feldmarschallwürde  280. 
307- 

Feldzug     Napoleons     HI. 
gegen  Mexiko 
s.    Mexikanischer   Feld- 
zug  Napoleons   HI. 

Fellah  9.  56.  445  m.  Anm. 

Fellani   445    Anm. 

Fellatah   445    Anm. 

Fellatin    445    Anm. 

F^nölon    249.    273. 

Feodor    HI.    253. 

Ferdinand  H.  (Kaiser) 
206.   208.   209.   210. 

—  III.   (Kaiser)  212.   394. 

—  III.  (König  von  Spa- 
nien)   156. 

—  V.  der  Katholische 
(König  von  Spanien) 
157—158. 

—  VII.  (König  von  Spa- 
nien) 326.  355.  356.  418. 

—  I.,  König  der  beiden 
Sizilien  (als  König  von 
Neapel  Ferdinand   IV.) 

355- 

—  II., 389- 

—  IV.  König  von  Neapel 
s.  Ferdinand  I.  König 
der    beiden    Sizilien. 

Fermat    (Pierre   de)    218. 

249. 
Fernsprecher    516 — 517. 
Fernwirkung  der  Elektro- 

motore    523. 
Ferrara    235.    310. 
Fes    445. 
Fest  der  Verbrüderung 

294. 
Festland 

s.    Kontinent. 


Festlandsperre  gegenEng- 

land 

s.  Kontinentalsperre  ge- 
gen   England. 
Festnahme 

s.    Verhaftung. 
Festsetzung      Frankreichs 

in  Tunis  444.  450.  482. 
Festungen   290.   302.    313. 

329.  421.  423.  424.  477. 
Festungsangriffe  türkische 

in  Montenegro  477. 

—  ausrüstung  im  Deutsch- 
Französischen  Kriege 
421. 

—  bau    435. 

—  haft  Friedrichs  H.  261. 

—  —  Louis-Napoleon  Bo- 
napartes  387. 

—  kommandanten  290. 
333-    344-    422. 

—  krieg    477. 

—  Statistik  423.  477.  478. 
Fetischismus  in  Afrika  436. 

s.  auch  Götzendienerei. 

Feudale    Anarchie 
s.    Lehns(un)wesen. 

Feudale,  Feudalherren 
s.    Lehnsherren. 

Feudalmacht  (Feudalis- 
mus) 146.  147.  148.  155. 

293-  394- 

s.  auch  Aufhebung  der 

Feudalmacht. 

—  Privilegien 

s.    Adelsprivilegien. 

Feudalrecht 
s.    Lehnsadel. 

Feudaltruppen 

s.  Lehnsherrlichc  Trup- 
pen. 

Feudalwesen 
s.    Lehnswesen. 

Feuer,     seine    Benutzung 

2.    535-    539- 

—  gefährlichkeit    und 
Kostspieligkeit  der  Zep- 
peline   514. 

Feuermaschine  366. 

—  tod  141.  145.  151.  157. 
173.   181.  182.   183.  185. 

—  Waffen  145.  209. 
Feuillet  (Octave)  432. 
Fiebertemperatur  527. 

Figaro 

s.  Hochzeit  des  Figaro. 
Filippo  Lippi  s.  Lippi. 


624 


Namen-  und  Sachregister 


Finanzabhängigkeit  Süd- 
amerikas von  Nordame- 
rika 474. 

Finanzausschuß  (englisch- 
französischer)  in  Ägyp- 
ten  439. 

Finanzbeteiligung  der  Ver- 
einigten Staaten  an  den 
Geschäften   Kubas  470. 

Finanzen 

deutsche    393.    509. 
französische    509. 
großbritannische    509. 
kubanische  470. 
nordamerikanische  470. 
509. 

österreichische 
russische 
südamerikanische    474. 

Finanzfragen  in  der  afri- 
kanischen Kolonialpoli- 
tik     Frankreichs      445. 

449- 

—  im  Vordergrunde  aller 
gegenwärtigen  Politik 
509. 

Finanzielle  Jahresbeihilfe 
von  England  für  Af- 
ghanistan 457, 

Finanzierung  des  Marok- 
kanischen   Eroberungs- 

.    krieges    445. 

—  —  spanisch-portugiesi- 
schen Kleinkrieges 
gegen  Napoleon  I. 
durch  England  326.  328. 

—  —  Dritten  Koalitions- 
krieges gegen  die  Erste 
Französische  Republik 
322. 

Finanzmanipulationen  140. 
191.  213.  220.  257.  359. 

471. 

S.    auch    Börsenspeku- 
lationen. 
Finanzminister       Ludwigs 

XVI. 

Brienne    287. 

Calonne   287. 

Necker    zum    erstenmal 

266.    286—287. 

Necker  zum  zweitenmal 

288. 

Turgot    286. 
Finanzoperationen        140. 

146. 
Finanzpolitik 

Deutschlands    509. 


Finanzpolitik   Frankreichs 

286 — 287.  305.  318.  509. 

Großbritanniens   509, 

Österreichs    509. 

Rußlands    509. 

Venezuelas   487. 

der    Vereinigten    Staa- 
ten 471.   509. 
Finanzreform    der    Ersten 

französischen    Republik 

305- 

—  Napoleons  I.  305.  318. 

—  Neckers    286 — 287. 

—  Turgots  286. 
Finanzschwierigkeiten 

Venezuelas   487. 

Finanzsysteme 

amerikanische  471.  509. 
deutsche   509. 
französische    509. 
großbritannische    509. 
österreichische    509. 
russische  509. 
Venezuelas  487. 

Finanz  Verwaltung  143.  146. 
168.  191.  193.  204.  215. 
239.  252.  255.  260.  261. 
285.  286.  287.  297.  307. 
308.  352.  457.  487.  509. 
S.  auch  Selbständige 
afghanische  Finanzver- 
waltung, Finanzielle  Jah- 
resbeihilfe für  Afghani- 
stan, Finanzwesen  von 
Afghanistan. 

Finanz  weit   258. 

Finanzwesen  143.  146.  168. 
191.  193.  204.  214.  215. 
239.  252.  254.  255.  260. 
261.    284.    509. 

—  von    Afghanistan    457. 
Kuba    470. 

Finis    Poloniae   307.    363. 
Finnisch,    finnische 

Sprache    und    Literatur 

502. 
Finnland    324.    328.    331. 

332.    347.   499. 
Fischereigerechtigkeit    im 

Atlantischen  Ozean  487. 
Fischerhandwerk  266.  460. 

462.  487. 
Fischerinseln 

s.  Pong-hu. 
Fiskalismus  405.  475.  533. 
Fixsterne    430. 
Flaminius   55. 


Flämisch,    flämische 
Sprache    und    Literatur 

364. 

—  -burgundische  Musiker- 
schule 380. 

—  e  Malerschule  231  bis 
232.    249. 

—  e  Städte  196 — 197. 
Flamländer  129.  148.   197. 

364- 
Flandern     127.    132.     148. 

154.   168.  175.   196.  198. 

199.    240. 
Flaubert    (Gustave)    432. 
Flavier  92. 
Flecktyphus    532. 
Fledermäuse    514. 
Fleisch    532. 

—  schau     532. 

—  Untersuchung  auf  Tu- 
berkulose   532. 

—  ,  Vernichtung  von  In- 
fektiösem   532. 

Fleurus     303.    308. 

Fleury  (Kardinal  von)  257. 
258.    262. 

Flexionslose    Sprachen 
s.  Agglutinierende  Spra.- 
chen. 

Fliegen  als  Krankheitsträ- 
ger   532. 

„Fliegende  Fisch  {Der}" 
Fabel    514. 

Fliegende  Fische  514  mit 
Anm. 

—  Käfer     514. 
FHeger(apparate)  490.  514. 

515.   516. 

—  bombardement    516. 

—  post 

s.   Äroplansport. 
Flinten 

s.    Infanteriegewehre. 
Floreal  308. 

Florentiner  150.  162.   173. 
Florenz       148.     150.     170. 

172.  173.  177.  178.  367. 

390.    399- 
Florida  167.  201.  244.  281. 
358.    405-    470. 

—  s  nordamerikanischer 
Ankauf  von  den  Spani- 
ern   405. 

Flotte 

s.  Marine. 

—  nausrüstung  russische 
454- 


Namen-  und  Sachregister 


625 


Flottenbau  Peters  des 
Großen   254.    255.    279. 

—  demonstration  engli- 
sche gegen  Ägypten  439. 

Flourens  (Physiologe)  376. 
Flucht    des    Papstes    Pius 
IX.    aus   Rom    390. 

—  Karls    X.    354. 

—  Ludwigs    XVI.    296. 

—  Ludwig    Phihpps    386. 

—  Napoleons  I.  von  Elba 
341- 

Flüchtung  der  franz.  Ost- 
armee in  die  Schweiz 
im  Deutsch  -  Französi- 
schen   Kriege    424. 

Flugapparate 

s.    Flieger(apparate). 

Flugblätter  287.  294.  312. 
321. 

Flugmaschinen 

s.  Flieger(apparate;. 

Flugschriften 

s.    Broschürenliteratur. 

Flugwesen 
s.    Aviatik. 

Flugzeuge 

s.  Füeger(apparatej. 

—  ,   ihre   Zukunft   als   Zi- 
vilbeförderungsmittel 
514. 

Fluor    349. 
Fluoreszierende   Platten 

523- 

Flüssige   Gase  375. 

Föderation  der  Nordstaa- 
ten 409. 

Foix    (Gaston    von)     170. 

Folgen  der  Erfindung  der 
Buchdruckerkunst  153. 
154.    170.    171.   493. 

—  des  russisch  -  japani- 
schen Krieges  für  Eu- 
ropa   455. 

für  Ruß- 
land   454.    455. 

Folter  203.  237.  242.  256. 
270.  274.  467. 

Fontainebleau      176.     177. 

339-  340.  342.     . 

Fontenoy    262. 

Forbach  421. 

Förderung  der  Wissen- 
schaft 

s.   Herrschaft  der  Wis- 
senschaft. 


Forderung  des  obligatori- 
schen Schiedsgerichtes 
486. 

Formalismus  im  chinesi- 
schen Buddhismus  462. 

—  und  Förmlichkeit  der 
Engländer    222. 

Formosa  469. 
Fornovo  ig6. 
Forschung 

s.    Wissenschaftliche 

Forschung. 

—  sinstitute  wissenschaft- 
liche, ihre  Notwendig- 
keit   534.    541. 

Foerster  (Wilh.j  12  Anm. 
208  Anm.  250  Anm. 
519. 

Fortbewegung  von  Loko- 
motiven   512. 

—  —  Motoren  512. 
Fortpflanzung     der    Men- 
schenrasse   498. 

Fortschreitende  Einkom- 
mensteuer 

s.   Progressive  Einkom- 
mensteuer. 

Fortschritt    55.    63. 

—  e  der  Industrie  in  An- 
lehnung an  die  Wis- 
senschaften 373  ff.   538. 

Forum    62.    76. 

Fossile  Formen  (Fossilien) 

s.    Petrefakten. 
Fouragehandel    405. 
Fox    323. 
Fra   Angelico 

s.    Angelico. 
Franche-Comte    168.    175. 

211.    240.    241. 

Franctireurkämpfe 

s.   Guerillakrieg. 
Franken     102.     103.     104. 

106.    107.    114.    141. 
Frankfurt  (Main;  337.  338. 

393-   395-  417.   531. 

—  er   Friede  425.    426. 

—  er  Parlament  393.  395. 

—  er    Staatsrat   337.    338. 

Fraenkl  (Max  Victor)  461 
Anm.    462    Anm. 

Franklin  (Benjamin)  283, 
404. 

Franko  italienische  Mund- 
arten   400    Anm. 


Franko-Kanadier    268. 

Frankreich    58.  85.     106. 

107.   114.  117.  118.  120. 

121.   122.   123.  124.   125. 

126.   130.   131.  132.  133. 

134-   135-  136.   137.  138. 

143.   144.  146.   147.  148. 

150.  154.  155.   157.  168. 

169.  170.  173.   175.  176. 

177.  178.  180.   181.  182. 

183.  188.  190.   191.  192. 

193-   194-  195-   198.  202, 

204.  206.  207.  208.  209. 

210.  211.  212.  213.  214. 

215.  216.  217.  219.  220. 

224.  225.  227.  228.  232. 

233.  234.  238.  240.  241. 

242.  243.  244.  245.  246. 

248.  249.  255.  257.  258. 

259.  262.  263.  265.  267. 

268.  269.  270.  272.  273. 

278.  281.  283.  284.  285, 
286.    289.    292    Nachtr. 

293.  294.  295.  296.  297. 

298.  300.  301.  302.  303. 

304.  305.  307.  308.  309 

311.  312.  313.  314.  315. 

316.  317.  318.  319.  320. 

321.  322.  326.  328.  329. 

332.  335-  336.  337.  338- 

341.  342.  344.  346.  347. 

348.  352.  353.  356.  360. 

361.  362.  363.  364.  365. 

367-  377-  379-  380.  381. 

382.  383.  384.  385-  386. 

387.  388.  396.  397.  398. 

399.  400.  401.  409.  411. 

412.  413.  415.  417.  418. 

419.  420.  421.  422.  423. 

424.  426.  427.  432.  434. 

436.  439.  440.  442.  443- 

444.  445.  446.  447.  448. 

456.  458.  459.  460.  466. 

468.  476.  482.  483.  487. 

489.  491.  493.  494-  496. 

499.  500.  503.  504.  506. 

507.  508.  509.  511.  516. 

517.  520.  521.  530.  531. 
(532)  Anm.  2.    533.  537- 

s.  auch  Vormachtstel- 
lung. 

—  feindliche    Politik   482. 

—  s   zivilisatorischer   Ein- 
fluß   in    Ägypten 

s.  Zivilisatorischer  Ein- 
fluß Frankreichs  in 
Ägypten. 


626 


Namen-  und  Sachregister 


Franz  I.  von  Frankreich 
170-  173-  174.  175-  176. 
177-    i8o.    182.    184. 

—  n. 188.  189.  204. 

—  Herzog  von  Lothrin- 
gen 244. 

—  Stephan,  Herzog  von 
Lothringen    259. 

—  n.  König  von  Neapel 
und  König  der  beiden 
Sizihen    398.    400. 

—  n.  Kaiser  von  Öster- 
reich 297.  308.  329. 
336.    342.   354.    382. 

—  Joseph,  Kaiser  von 
Österreich393.  394.  395. 
396.    399.   411.   416. 

Franziskaner  125. 
Franzosen    121.    124.    129. 

135.  142.  143.   144.  163. 

170.  176.  189.   192.  204. 

212.  215.  218.  235.  240. 

242.  243.  245.  246.  262. 

264.  266.  267.  269.  273. 

288.  292.  293.  295.  298. 

299-  300.  302.  304.  308. 

312.  313.  314.  315.  317. 

319.  321.  324.  325.  326. 

327.  328.  329.  330.  332. 

333-  334-  335-  336.  338. 

340.  343  Anm.  344.  352. 

356.  360.  361.  364.  366. 

373-  375-  376.  381.  385. 

388.  392.  396.  399.  401. 

405.  411.  412.  413.  419. 

421.  422.  425.  426.  435. 

440.  444.  447.  448.  450, 

458.  459-  460.  467.  468. 

471.  484-  513.  514.  517. 

519.  520.  521.  524.  526. 

527.    529. 

—  feindschaft  336.'  346. 

—  freundschaft  Eduards 
Vn.   483. 

Friedrichs  des  Gro- 
ßen 261.  272. 

Mehemed  AHs  382 

383. 

—  liebe    346. 

—  tum   224. 

im  enghschen  We- 
sen   130. 

Französisch  133.  136.   141. 

142.   143-  144-  147.  156. 

173-   183-  211.  220.  233. 

234-  235.  238.  240.  241. 

247.  248.  283.  284.  287. 


306.  321.  340.  343.  419. 
420.  421.  423.  424.  435. 
444-    445.    472.   484. 
Französisch    als     Hof- 
sprache   247.     272. 

—  -Äquatorialafrika  447. 
chinesischer  Krieg  460. 

—  e    Akademie 

s.    Acaddmie    frangaise. 

—  e  Eiiiflußzone  im  Sene- 
gal- und  Nigergebiet 
über  Timbuktu  bis  zum 
Tschadsee    445 — 446. 

—  e  Einheit  147.  168, 
169.    214.    305. 

—  e  Entdeckungsreisen 
des  18.  Jahrhunderts  in 
Madagaskar   448. 

—  e    Große  Revolution 
s.  Revolutionen. 

—  e  Klassiker  247 — 249. 
378. 

—  e  Kolonien  in  Deutsch- 
land  364. 

—  e  Kolonie  zu  BerHn 

s.  Berliner  französische 
Kolonie. 

—  e  Kolonisation  443  bis 
449- 

—  e  Kultur  am  Hofe 
Christines,  Karls  X , 
Karls  XL,  Karls  XII. 
und  Ulrike  Eleonores 
von  Schweden  273. 

— Elisabeths 

von  Rußland  273. 

— Friedrichs 

des  Großen  247.  273. 
292   Nachtr. 

Josephs     II. 

273- 

Karls      II. 

von  England  247. 

Karl    Ema- 

nuels    I.    247.    273. 

— Kathari- 

nas IL  von  Rußland 
277. 

— Philipps 

IV.,  Karls  IL  und  Phi- 
lipps V.  von  Spanien 
273- 

bei  den  nieder- 
ländischen Oraniern  im 
17.  und  18.  Jahrhundert 
273- 

—  —  einflüsse  in  Ägyp- 
ten 314. 


Französische        Kulturein- 
flüsse in   Algerien   384. 
— Rom  392. 

—  -englische  Geistespaa- 
rung im  16.,  17.  und 
18.  Jahrhundert  273. 
274. 

Kultur  bei  den  Po- 
len 306. 

r    Krieg    142.     147. 

es  Bündnis  Napo- 
leons   IIL    398. 

—  —  es   Heer  225. 
es    Wesen  der   Ka- 
nadier   267. 

—  e  Okkupation  Cochin- 
chinas    460. 

—  e  —  des  Mekongdel- 
tas  460. 

—  e  —  Hinterindiens 
459- 

—  e  —  Kambodschas 
460. 

—  e  —  Saiguns    460. 

—  e  —  Tonkins   460. 

—  e  —  Tunesiens 

s.    Festsetzung     Frank- 
reichs in  Tunis. 

—  e   Päpstliche  Schutz- 
truppe 417.  418. 

— ,  Französische  Sprache 
und  Literatur  105.  106. 
116.  118.  121.  130.  147, 
177.  181.  182.  195.  203. 
216.  231.  233.  238.  242. 
243.  247.  248.  267.  272. 
273.  274.  277.  287.  288. 
292  Nachtr.  364.  378. 
380.  400.  431—432.  472. 
473-  502. 

—  er  alter  Kriegsruhm 
312.    345. 

—  e  Regierung  356.  366. 

383-  389-  396.  398.  419- 
420.  435.  439.  440.  444. 

504. 
-—  er  Einfluß    auf   Mada- 
gaskar    im     18.     Jahr- 
hundert 448. 

—  er    —   in    Ägypten 

s.    Französische   Kultur- 
einflüsse in  Ägypten. 

—  er  —  —  Syrien  und 
Palästina    133.    458. 

—  er    Eroberungskrieg 
gegen  Madagaskar  449. 

—  e  Revolutionsidee  355. 

—  er    Geist    248/249. 


Namen-  und  Sachregister 


627 


Französischer  Orient 
s.  Mittelländischer  fran- 
zösischer Lehnstaat  zur 
Zeit  der  Kreuzzüge. 

—  Protestantismus  182 
bis    183.   242.   243.   266, 

—  Resident  in  Tunis 
und    Marokko   444. 

— •  Madagaskar  449. 

—  Stil  247.  274.  275. 
294-  377-  378.  379-  429- 
432. 

—  Vasallenstaat  in  Eng- 
land unter  Wilhelm 
dem  Eroberer    130. 

—  e  Senegal-  und  Niger- 
expedition   446. 

—  es  Indien 

s.    Indien  französisch. 

—  es  Saharaland  446. 

—  es  Sprachgebiet  in  Eu- 
ropa 

s.  Sprachgebiet. 

—  es Nordamerika 

215.  257.  265.  267.  281. 
405. 

—  e  Strafexpedition  gegen 
Ranavalona  I.    449. 

—  e  Südküste 

s.    Cote    du    Midi. 

—  e  Verwaltung  in  Alge- 
rien 384. 

—  e  —  —  Hinterindien 
460. 

Französisch-Guyana  472. 
487.    506. 

—  (Normannisch)  im  Eng- 
lischen  130. 

—  -italienische  Sprachen- 
mischung   400    Anm. 

—  -Kongo  445. 

—  -Lothringen  425. 

—  -piemontesischer  Bünd- 
nisvertrag 399. 

—  -russisches    Bündnis 
328.  329.  346.  482—483. 

—  -spanischer  Kolonial- 
vertrag   451. 

—  sprechende  Kanadier 
472.  473- 

FrauenpoHtik  in  Frank- 
reich 188.  213.  232.  285. 
286.  398. 

s.  auch  Ausländerinnen 
auf  Fürstenthronen. 

Frauenrecht  35.  36.  39. 
64.   473- 


Frauenwahlrecht  in  Au- 
stralien und  Neuseeland 

473-  . 

Fredericksburg    409. 

Freichristentum   504. 

Freidenkertum  französi- 
sches   257.    274.    275. 

Freie    Durchfahrt    362. 

—  Luftballons 

s.    Unlenkbare   Luftbal- 
lons. 

—  Reichsstädte    417. 

—  r    Gedanke    228.    231. 

—  r   Güteraustausch  401. 

—  r  Wille  183. 

—  Städte 

s.    Städterepubliken. 

—  es    Wahlrecht 
s.   Wahlrecht. 

Freigeister    182. 

Freigelassene   85.    94. 

Freigrafschaft  Burgund 
s.    Franche-Comt^. 

Freihäfen  in  China 
s.  Chinesische  Frei- 
häfen. 

Freihandel  371 — 372.  396. 
401. 

—  ssystem  371 — 372.  396. 
Freiheit    (politische,    bür- 
gerliche) 

s.  Politische  Freiheit. 

—  der  Person  188.  226. 
289-  393-  306.  373.  402. 
403.   443- 

—  en  der  Gallikanischen 
Kirche   241. 

—  ,  Gleichheit,  Brüder- 
lichkeit   272.    352. 

—  sbestrebungen 
deutsche    393. 

der    Balkanvölker    475. 

—  sidee    392.    538. 

—  skämpfe  der  Buren 
442—443. 

enghsche    219/220. 

225.   228. 

—  —  polnische  278 — 279. 
306—307. 

—  skriege    (Preußens) 
336—348. 

—  sliebe  nationale 
(nord)amerikanische 
266. 

europäische    354. 
französische    310. 

—  —  persönliche  (Frei- 
heitsdrangj    293.   310. 


Freikorps    278.    295.    327. 

Freilassung  französischer 
Kriegsgefangener  unter 
Napoleon   I.  343. 

Freirehgiösität    257.    274. 

Freischärlerkrieg 
s.     Guerillakrieg. 

Freistaat 

s.    Republiken. 

Freistädte  der  Hugenot- 
ten  214. 

Freiwillige    italienische 
390.    400. 

—  nauf gebot    298.   311. 
Freizügigkeit  498. 

—  zwischen  den  Univer- 
sitäten   216. 

Fröjus    515. 

Fremde,  ihre  Betrachtung 
als  Feinde  bei  den  Chi- 
nesen 
s.    Fremde    Teufel. 

—  nfeindschaft  der  Ägyp- 
ter   56.    539. 

—    Chinesen    463. 

539- 

S.  auch  Fremde  Teufel. 

—  nlegion  französische 
487. 

sangelegenheit  487. 

„Fremde  Teufel"  (Chine- 
sische  Bezeichnung  für 
Ausländer)    463.    539. 
Fremdherrschaft 

deutsche  in  Elsaß-Loth- 
ringen   426. 
deutsche  in  Frankreich 
(nach     dem     Kriege 
zur  Okkupation;  426, 
englische  in  Indien  270 

279. 

französische  in  Deutsch' 
land,  Holland,  Ita- 
lien und  Spanien  318 
356. 
österreichische  in  Ita 
lien  355—356.  389  bis 

391-  399- 
österreichische  in  Polen 

279.  307. 
preußische    in   Polen 

279.  306. 
russische    in    Polen 

278.  279.  280.  306  bis 

307. 
spanische   in   den   Nie- 
derlanden   198.    229. 


628 


Namen-  und  Sachregister 


Fremdherrschaft  spani- 
sche in  Portugal  201. 
230. 

Freunde  Napoleons  I.  auf 
St.  Helena  344/345- 

Friede  257—258.  345- 447- 

—  am   Pruth   254. 

—  britischer  im  Britischen 
Weltreiche 

s.   Pax  Britanica. 

—  nsangebote  französische 
292  Nachtr. 

—  sbewegung    484 — 489. 

—  nsdrama  59  Nachtr. 

—  nsfürsten 
chinesische  465. 
enghsche    474. 
römische    82. 

—  nsgerichtshöfe 
Oberster    Schiedsge- 
richtshof im  Haag  484. 

485. 

Internationales  Schieds- 
gericht im  Haag  484. 

Interparlamentarische 
Konferenz    zu     Paris 
484. 

Parlament  der  Ver- 
einigten Staaten  von 
Europa    484. 

—  nsgesellschaften      484. 

519- 

—  nskongresse  internatio- 
nale 

s.     Internationale    Frie- 
denskongresse. 

—  nskongreß  zu  Chä- 
tillon    338. 

—  nsliebe  44  mit  Amn. 
59  Nachtr.  229.  258.  260. 
261.  268.  292.  Nachtr. 
382.  383.  398.  415-  440. 
445.   462/463.  465.   472. 

474-    483- 

—  nsnovelle   486  Anm. 

—  nspohtik  82.  445.   474. 

538. 

—  nspräsenzstärke  der 
Heere  489. 

—  —  europäische ,  ihre 
Steigerung   435. 

—  nsschlüssQ  zu  Aachen 
240.    262.    269. 

—  nssegnungen  in  Eu- 
ropa vor  dem  Hundert- 
jährigen Kriege  141  bis 
142. 

—  nsvorschläge    an    Na- 


poleon I.  im  ersten 
Jahr  der  Freiheitskriege 

Friede    römischer 
s.  Pax  Romana. 

—  zu  Adrianopel  362.  476. 

—  —    Amiens    320.    346. 
Basel  304.  305.  308. 

311. 

—  —  Bukarest  (als  Ab- 
schluß des  Serbisch-bul- 
garischen Krieges)  480. 

—  —  —  (als  Abschluß 
des  Zweiten  Balkan- 
kriegesj    482. 

Campo  Formio  310. 

312.     320. 

—  —  Jassy    280. 

—  —  Leoben    310. 

—  —  Lausanne    450. 

—  —  London 

s.   Londoner  Friede 

—  —  Lun6ville     319. 
Nanking  466. 

—  —  Nymwegen  230. 
241. 

Nystädt    253.    280. 

—  —  Paris 

s.    Pariser    Friede. 

Pe-king    467. 

Portsmouth  454. 

Prag 

(als  gemeinsamer  Ab- 
schluß des  Preußisch- 
österreichischen und  des 
Italienisch  -  österreichi- 
schen Krieges)  416-417. 
418. 

(im  Dreißigjähri- 
gen   Kriege; 
s.  Prager  Friede. 

Preßburg    323. 

Rastatt    246. 

Ryswyk    244.     245. 

San-Stefano478.479 

Schloß      Huljertus- 

burg 

s.     Hubertusburger 

Friede. 

—  —  Simonoseki   453. 
469. 

—  —  Sistow   280. 
Stockholm  253.  292 

Nachtr. 
Tilsit   324.   331. 

—  —  Utrecht     246.     267. 

—  —  Versailles    284. 
Villafranca  399. 


Friede  zu  Weselowo  280, 

Wien     V.    J.     1736 

259. 

—  —  —  —  —  1809 
s.  Wiener  Friede. 

Friedland  an  der  Alle  324, 
Friedüche    Beilegung    der 
internationalen  Streitig- 
keiten 484. 

—  Invasion  Europas  ins 
afrikanische  Eingebore- 
nengebiet   448. 

Japans     in    Korea 

453- 
Rußlands  in  Asien 

457- 

—  —  Rußlands  in  die 
Mandschurei  453. 

—  r  Wettbewerb  unter 
den  Völkern  s.  Kon- 
kurrenzkampf interna- 
tionaler. 

Friedrich     I.     Barbarossa 

133-    138.    139- 

—  II.  (Kaiser)   139.   140. 

—  III.  (Kurfürst  von 
Brandenburg)  246.  260. 

—  VII.  König  von  Däne- 
mark  414.   415. 

—  Herzog  von  Holstein- 
Augustenburg  s.  Fried- 
rich Herzog  von  Schles- 
wig-Holstein. 

—  Herzog     von    Kurland 

237- 

—  Kurfürst  von  der  Pfalz 
207. 

—  I.  (König  von  Preu- 
ßen) 246.  260.  292. 
Nachtrag. 

—  IL  der  Große  (König 
von  Preußen;  259.  260 
bis  265.  272.  277.  278. 
292  Nachtrag. 

—  IL  von  Preußen  als 
französischer  Schrift- 
steller 277.  292  Nach- 
trag. 

—  Herzog  von  Schleswig- 
Holstein  415. 

—  August  I.  Kurfürst  von 
Sachsen  s.  August  IL 
der  Starke,  König  von 
Polen. 

III.     Kurfürst    von 

Sachsen      s.     Friedrich 
August    I.    König    von 


Namen-  und  Sachregister 


62g 


Sachsen,  Großherzog 
von  Polen  und  Herzog 
von  Warschau. 

Friedrich  August  I.  König 
von  Sachsen,  Großher- 
zog von  Polen  und  Her- 
zog von  Warschau  324. 

H.       König       von 

Sachsen   393. 

—  der  Weise,  Kurfürst 
von   Sachsen   179.    180. 

—  Karl,  Prinz  von  Preu- 
ßen 416.  424. 

Rotbart-Legende  138. 

—  Wilhelm  von  Branden- 
burg, der  Große  Kur- 
fürst  235,    260. 

—  Wilhelm  I.  König  von 
]^reußen  259.  260 — 261. 
292   Nachtr. 

II.   König  von  Preu- 
ßen 306. 
III.    —    —    —321. 

323-    335-   339-    340. 
341.    342.    382. 
IV.    —    —    —  392. 

393-    394-    396. 
nachmals  Kronprinz 

des   Deutschen  Reiches 

416. 
Friesen    117. 

Friesland  (holländische 
Provinz,  auch  Staat  ge- 
nannt j  228. 

—  (Landschaft;    123. 
Froissart     147. 

Frömmigkeit    s.    Gläubig- 
keit. 
Fronde    233.    234.    247. 
Frondienst    122.    126.   441. 
Fröschweiler    421. 
Frossard  421. 

Fruchtbarkeit  der  schwar- 
zen   Rasse 

s.  Kinderreichtum  der 
schwarzen  Rasse. 

—  im  afrikanischen  Große 
Seen-Gebiete  436. 

—  in    Ägypten    439.    444. 

—  in    Birma   459. 

—  im  enghschen  Indien 
458. 

—  im  französischen  Äqua- 
torialafrika   447. 

—  in    Kanada   265. 

—  im    Kapland    441. 

—  im   Kongostaat   437. 


Fruchtbarkeit  in  Mexiko 
410. 

—  in  der  Nigerebene  446. 
■ —  in   Virginia   266. 
Fruchtmonat 

s.    Fruktidor 

Frührenaissance   149.   150. 

Fruktidor    308. 

Fugen   381. 

Führung    in    Deutschland 
s.    Hegemonie  in 
Deutschland. 

Fulbe   445    Anm. 

Fulda  (Ludwig)  521  An- 
merkung. 

FuUa  445    Anm. 

Fulton    (Robert)    366. 

Fünfstromland  (indisches) 
s.     Pandschab. 

Fünfte  Koalition  gegen 
Napoleon    I.    336.    337. 

338.    339-    343- 

—  r  Kreuzzug   135. 

Funkenstationen     517. 
Funkentelegraphie    490. 
516.     517—518.    521. 

—  ihre    Theorie    523. 
Funkentelegraphischer 

Schiffsverkehr    517. 
Furcht  vor  dem  Weltkrieg 

435- 
Fürsten 

s.  Bundesfürsten 

—  (=Herrscher)  127.  131. 
148.  151.  155.  208.233. 
236.  237.  239.  276. 292. 
Nachtr. 

—  abmachungen 

s.    Heilige    Allianz    und 
Wiener  Kongreß. 

—  eben  184.  185.  188.  196. 
200.  204.  213.  232.286. 
394-  398. 

—  vertrage 

s.    Heilige   Allianz   und 

Wiener  Kongreß. 
Fürstlein 

s.  Duodezfürsten 
Fürst    von   Elba    339. 

—  einstiger  von  Rumä- 
nien 476. 

Serbien    477. 

Wied    481. 

Fürth  367. 
Fu-tschou-fu    466. 


Gabon   71. 

Gabriel  (Erzengel;  lio. 

Gabun    (Land)    435.    446. 

—  (Strom)   435.   437. 

—  -Handelsniederlassung 

435. 

Gades    (Cadiz)    22. 

Gage    (General)    282. 

Galante  Verse 
s.  Madrigale. 

Galba  89. 

Galeere    200.    203.    242. 

Galgenstrafe  ehedem  in 
den  Vereinigten  Staa- 
ten von  Nordamerika 
407. 

Galeotto  (Span.  Drama) 
541.  Nachtr. 

Galiläa   87.    88. 

Galiläer,    galiläisch    88. 

lOI. 

Galilei  (Galileo)  217.  219. 

251-  537- 
Galizien   (polnisches)   279. 

329- 

—  (spanisches  j    156. 

Gallien  37.  70.  72.  78.  84. 

94.    97.    103.    104.    105. 

106.   107.   128. 
Gallier,  gallisch  67.  69.  71. 

78.  79.  84.   103.  298. 

Galligai  (Leonora)  213. 
Gallikanische  Kirche  241. 
330. 

—  Kirchenerklärung  330. 

Gallipoli    481. 
Gallischer  Krieg  78  f. 
Galloromanen  106. 
Galvani    292.    348.    373. 
Galvanismus  292.  348.  349. 

373- 
Galvanoplastik  373. 

Gama   (Vasco   de)    162. 

163. 
Gambetta  (L^onJ  424.  439. 

Ganges  271. 

—  ebene    271. 

Garde  s.  auch   Leibgarde 
Gärfähige  Flüssigkeiten 
528.   529. 

—  Stoffe  528.  529. 

Gärkeime,  ihre  Verbrei- 
tung in  Luft  und  Was- 
ser 528.  529. 

— ,  ihr  Gedeihen  in  Nähr- 
flüssigkeiten 529. 


22    Riebet,  Geschichte  der  Menschheit,  II. 


630 


Namen-  und  Sachregister 


Gärorganismen  (Gär- 
mikroben),  ihre   Keime 
528.    529. 

Gärungsvorgänge    natür- 
liche s.   Natürhche  Gä- 
rungsvorgänge 

Gargamisch  27. 
Gargantua    177. 
Garibaldi    390.    392.    396. 
398.  400. 

—  aner  s.  Garibaldisches 
Freikorps. 

—  sches     Freikorps     400. 
Garnier-Pages  387. 
Gasbomben  490. 

Gase    513.    514.    524. 
Gasgranaten 

s.  Gasbomben 
Gascogne    146. 
Gaston  von  Foix 

s.  Foix  (Gaston  vonj 
Gates    (General)    283. 
Gaurichter  s.  Scherifs 
Gauß  (Karl  Friedrich)  348. 

373-  374- 
Gautier  (Theophilej  378. 

379- 

Gay-Lussac  349. 

Gazette  de  France  216. 

Gebern  (Parsenj  27. 

Gebetkultus  im  chinesi- 
schen   Buddhismus  462. 

Gebirgsindustrie  mit  Aus- 
nützung derWasserkraft 

523- 

—  krieg  327.  328.  329. 
361.  384.  445.  450.  456. 

477- 

—  Stämme   kaukasische 

s.  Kaukasische  Gebirgs- 
stämme 

—  —  des    Himalaja    456. 

Gebrechlichkeit  der  fran- 
zösischen Kolonialmacht 
in  Hinterindien  460. 

—  des  britischen  Riesen- 
reiches   in    Indien    459. 

Geburtenrückgang  bei 
allen       hochzivilisierten 
Völkern  und  besonders 
bei     den     europäischen 
Völkern   498.    500.    502. 

den  Kulturvölkern 

498- 

hoher    Zivilisation 

502.   503. 

—  undseineUrsachen503. 


Geburtenzunahme  bei  den 
farbigen  Rassen  502. 

—  —  —  slaw^ischen  Völ- 
kern   500.    502. 

Gedanken    s.    Pens6es. 

—  austausch 

s.    Geistiger   Verkehr. 

—  freiheit  274. 
Geddes   (Jenny)    222. 
Gedenktag  der  Schlacht 

bei   Groschow 

s.  Groschow-Tag 
Geeintes   Deutschland 

s.   Einiges   Deutschland 
Gefahr    der    Entwicklung 

der  farbigen  Rassen 

504. 

—  —  Rassenkreuzung 
zwischen  Schwarzen 
und    Weißen    448. 

—  einer  Losreißung  aller 
Kolonien  von  den  euro- 
päischen Mutterländern 
504. 

—  eines  Zusammenstoßes 
der  Gelben  Rasse  mit 
den  Engländern  und 
Russen    470.     505. 

—  zukünftiger  Rassen- 
kriege '  und  Bürger- 
kriege nach  Beseiti- 
gung der  Religions- 
und Völkerkriege  497. 
498.     505. 

Gefangenenbefreiung  290. 

—  gemetzel   299. 

Gefangennahme  der  Kö- 
nigin Ranavälona  I.  von 
Madagaskar  und  ihre 
Wegführung  nach  Al- 
gerien   449. 

—  des  Papstes  Pius  VH. 
330. 

—  Napoleons    I.    344. 
III.    422. 

—  Samorys  446. 
Gefangenschaft    242.    321. 

344.  345-  356.  422.  424. 
s.    auch    Verhaftung. 

Gefängnisse  290.  299.  356. 
424. 

Gegenbesuch  der  russi- 
schen Flotte  in  Toulon 
482. 

Gegenreformation    207. 

Gegenrevolutionäre  Tätig- 
keit 296.  362.  392.  393. 
394-    395-    396. 


Gegensatz  zwischen  den 
landarbeitenden  Buren 
und  den  industriellen 
Ausländern  zu  Johan- 
nesburg   442. 

Gegenseitigkeitsgefühl 
s.   Solidaritätsgefühl. 

Gegenwart    367. 

—  wirküche  des  Leibes 
180.     187. 

Geheimbünde,        Geheim- 
verschwörungen in  Rus- 
sisch-Polen 
s.    Verschwörungen 

—  in    China    466. 

Itahen    355. 

Geheime    Verhaftsbefehle 

274.     288. 
Geigen    381. 
Geiserich    103. 
Geist     des     Christentums 

378. 
Geisterglaube  chinesischer 

462. 
Geisteskrankheiten  533. 

—  leben 

s.    Kultur. 
Geistiger     Verkehr     369. 

492.    516.    517. 
GeistHchkeit       128.       130. 

131.   180.   187.  241.  281. 

285.  288.  289.  293.  295. 

296.  297.  301.  305.  317. 

353.    369.    411. 
Gekrönte       Gönner       der 

Wissenschaft    219.    274. 

—  Philosophen,       Schrift- 
steller   und    Dichter : 
Friedrich  II.  der  Große 

261.    272.    Nachtr. 
Joseph    IL    272. 
Katharina    IL    277. 
Mark  Aurel  93. 
Gelbe    Gefahr    453-    469- 

—  Rasse  4.  5.  104.  151. 
164.  451.  453.  455-  460. 
464.   465.   475-    503- 

S.      auch     Mongohsche 

Rasse. 
,      ihre      Intelligenz 

451. 
Geldern    228. 
Geldmacht 

s.     Plutokratismus    und 

Plutokratie. 
„Gelehrte  {Der)  und  das 

KarnickeV    531.    (532) 

Anm. 


Namen-  und  Sachregister 


631 


Gelehrte  Gesellschaften 
219. 

—  nfürsorgepflicht       534. 

541- 

—  ngeschichte    273.    434. 

457- 

—  nhaus   260/261. 

—  nheime  534.  541. 

—  nstiftungen,  ihre  Not- 
wendigkeit   534. 

Gelobtes  Land  (Palästina; 

17.    18. 
Gemäßigte    Zone    407. 
Gemeindebesitz  an  Grund 

und    Boden    402. 

—  Ordnung,  Gemeinde- 
verfassung 

s.    Städteordnung    und 
Landgemeindeordnung. 

—  rat 

s.  Stadtrat,  Stadtverord- 
netenversammlung. 

—  —  von  Paris 

s.  Pariser  Gemeinderat. 

Gemeine   138. 

Gemeinparlament    289. 

Gemeinsamer  Kolonialbe- 
sitz Deutschlands  und 
der  Vereinigten  Staa- 
ten an  den  Samoa  -  In- 
seln   47 1 . 

Gemeinschaftsgeist  des 
Arbeiterstandes   369. 

—  gefühl 

s.   Solidaritätsgefühl. 
Gemetzel,     Metzelei      196. 

207.   243.   325/326.   361. 

411.  427-  456.  475-  478. 
Gemischte     Standgerichte 

389- 

—  r  Ausschuß  zur  Grenz- 
regelung zwischen  Af- 
ghanistan und  Turke- 
stan    457. 

Generalgouverneure    (sibi- 
rische)   452. 
s.  auch  Generalstatthal- 
ter. 

Generalissimus  aller  japa- 
nischen   Heere    467. 

—  der  südamerikanischen 
Republiken    358. 

—  des  K.  u.  K.  öster- 
reichischen Heeres  395. 
409. 

—  —  russischen  Land- 
heeres im  russisch-ja- 
panischen   Kriege    454. 

22* 


Generalissimus  des  fran- 
zösischen   Heeres    413. 

General  und  Generalleut- 
nant als  Heerführer 
208.     223. 

Generälewirtschaft  in  Me- 
xiko   412. 
in  Spanien  418.  419. 

Generalität  215.  263.  264. 
298.  302.  303.  306.  309. 

313-  314.  315-  319-  326. 
327.  328.  329.  330.  335. 
336.  337338.  343-  347- 
353.  358.  409.  411.  416. 
418.  419.  421.  422.  440. 
445-  452-  454-478.  481. 
Generalkommandobezirke 

330. 

—  postmeister   518. 
Generalstaaten,      General- 
stände 

s.    Landstände. 

Generalstab  preußischer 
416. 

Generalstatthalter  265. 
267. 

s.   auch   Generalgouver- 
neure (von   Sibirien). 

Genesis 

s.  Schöpfungsgeschichte 

Genf    154.    180.    183.   242. 

313-  487- 
Genfer  256.   275.   286. 

—  Alabama  -  Schiedsge- 
gerichtsspruch   487. 

„Genie  da  Christianisme 
{Le)"  378. 

Genossenschaften 

s.    Wirtschaftsgenossen- 
schaften. 

Genossenschaftsleben  272. 

369-. 

—  Sozialismus  496. 

—  wesen    272.    370.    496. 
Genoveva    104. 

Gent   154.    196.    199. 
Genua  139.   159.  160.  235. 
241.  310.  314.  319.  321. 

347-  390- 

Genuesen    159. 

Genügsamkeit  der  Chine- 
sen 465. 

Geodätisches  Institut  (Kö- 
nigl.    Preußisches)    519. 

Geologie 

in    England    375.    428. 
in    Frankreich    375. 

Geometrie    249. 


Georg  I.  von  England 
258. 

—  II. 258.  263.  292. 

Nachtrag. 

—  III. 282. 

Georgia  (in  Nordamerika) 

281. 
Gerhardt  (Karl  Friedrich) 

375- 
Gerichtsbräuche  274. 

—  gewalt  der  Kirche  in 
England  vor  Wilhelm 
dem  Eroberer   130. 

—  höfe 
bürgerliche  228.  484. 
485.    488. 

gräfliche    124.    126. 
kirchliche    124.    130. 

s.  auch  Friedensge- 
richtshöfe. 

—  Ordnung,  Gerichtsver- 
fassung 

englische   2  -8. 
französische    297. 
russische  255 

—  wesen    488. 
Germanen,       Germanisch 

77.  92.  102.  104.  105. 
106.    108.    120.   207. 

—  tum    130. 
Germanien   84.    102.    105. 

106.    107.    117.    128. 
Gerson     148. 
Gerusia  34. 
Gesamtbudget    506.     507. 

509. 
Gesamtkonsum  506. 
Gesamtliteratur 

s.    Literatur. 
Gesamtwille  des  Volkes 

s.   Volkswille. 
Gesandte    420.    465.    467. 

s.    auch    Botschafter. 

—  nmord    315. 
Geschäftsträger 

s.  auch  Bevollmächtigte 
Geschäftsträger. 

Geschichte  der  Bürger- 
kriege   410. 

Medizin     46.      526. 

528.  530.  531.  (532) 
Anm.   2.    532. 

,  ihre  Gliede- 
rung in  die  beiden  Pe- 
rioden vor  und  seit  Pa- 
steur    528. 


632 


Namen-  und  Sachregister 


Geschichte  der  Mensch- 
heit I.  91.  153.  290. 
'427.  461.  498.  527.  538. 
s.  auch  Zweiteilung  der 
Geschichte  der  Mensch- 
heit. 

Wissenschaften 

s.  Gelehrtengeschichte. 

„ —  Frankreichs"    380. 

Geschichtsforschung    wis- 
senschaftliche   503. 
s.  auch  Historik. 

■ —  künde  s.    Historik. 

—  Philosophie  französi- 
sche   274. 

—  Schreibung  der  Luft 
Schiffahrt    513. 

—  Unterricht  für  die  Ju- 
gend   334. 

—  voraussa^ung  503.  505 
Geschütze 

s.    Kanonen. 
Geschworenengerichte    in 

England  273. 
Gesellschaft    Jesu    187. 
Gesellschaftliches     Leben 

unter  Ludwig  XIV.  247. 
Gesellschaftsentwicklung 

in    Frankreich    247. 
Gesellschaftsvertrag 

s.  Contrat  social. 
Gesetzentwürfe     des     Na- 
tionalkonventes   305. 
Gesetzestafeln   21. 
Gesetzgebende    Gewalt 

s.  Legislative  Gewalt. 

—  Nationalversammlung 
s.    Legislative. 

Gesetzgebungen  und  Ge- 
setzessammlungen 21. 
34.  2>T-  108.  109.  III. 
119.  129.  268.  305.  318. 
345.  365.  407.  443.  468. 

473-   491- 
Gesetzreform  in   England 

365. 
Gesetz  von  der  Erhaltung 
des    Stoffes    (Lavoisier- 
sches  Gesetz)  291. 

Gesichtsnerven,  ihre  Funk- 
tionen   376. 

Gesinnungstüchtigkeit 
s.    Politische   Ehrenhaf- 
tigkeit. 

Gesinnungswechsel  Talley- 

rands    339. 
Geßncr   351. 


Gesundheitsämter      staat- 
liche   und    städtische 
s.   Sanitätsbehörden. 

Gesundheitsreformen 
s.   Soziale   Gesundheits- 
reformen. 

Getreideausfuhrverbot 

239- 

—  bau  369.  405.  452.  493. 
529. 

—  handel    286.    405. 

—  preise 

s.  Steigen  der  Getreide- 
preise. 
Sinken . 

—  reichtum 

in   Südsibirien   452. 
in       den      Vereinigten 
Staaten   von   Nordame- 
rika 405. 

Geusen    197. 

Gewaltfriede    425. 

—  herrschaft 

s.  Tyrannei,  Tyrannen- 
wirtschaft. 

Gewaltpolitik  415.  422. 
426.    427. 

^ —  prinzip    290.     415. 

—  religiöse    188. 

Gewehre,  ihre  Vervoll- 
kommnung 416.  420. 
435-   455-   468.   490. 

Gewerbe     in     der     asiati- 
schen   Türkei    458. 
in    Frankreich    193. 

—  fleiß  rumänischer 

s.  Rumänischer  Ge- 
werbefleiß. 

—  reglementierung    239. 

—  treibende    258. 

—  Verstaatlichung. 

s.  Verstaatlichung  von 
Gewerben. 

Gewerbliche  Chemie  430. 
Gewerkschaftswesen    370. 

496. 
Gewerkvereinswesen 

s.    Gewerkschaftswesen. 

Gewinnsucht  (Habsucht) 
englische  270/271. 

Gewissensfreiheit 
s.    Religionsfreiheit. 

Gewohnheitsrechte       127. 

345-    365- 
Ghibellinen  140. 
Ghiberti    (Lorenzo)    150. 
Gibbon    275. 


Gibraltar     22.     123.    245. 

246.    284.    413. 
Giftlehre 

s.    Toxikologie. 
Gilgamesch   (Nimrod)    16. 
Gioconda    171. 
Gioja   (Flavioj    1 59. 
Giotto   150. 
Girardin  (Madame  E.  de) 

379- 

Gironde   (Strom)    123. 

— ,  Girondisten  (Partei) 
300.    301.    303. 

Girondistenprozeß  303. 

Gladiatoren  86. 

Gladstone    417. 

Glanduläre    Nerven    429. 

„Glänzende  Vereinsa- 
mung" 491. 

Glasgow  495. 

Glaskolben(behälter) 
s.    Retorte. 

—  perlen. 

—  waren    406. 
Glaubensabschwörung 

s.    Übertritt. 

—  einheit    243. 

—  fanatismus 
katholischer    200. 
mohammedanischer 
113.    279. 

—  wut 

s.    Fanatismus. 

Gläubigkeit 

altrömische      65.      125. 
130.     136. 

der   Kapburen   441. 
deutsche   415. 
mittelalterliche   141. 
nordamerikanische  221. 
267. 

österreichische   354. 
schwedische   252. 
z.   Zt.   der  Reformation 
179.    185.    192.    208. 
z.    Zt.    des    Dreißigjäh- 
rigen  Krieges    209. 
z.    Zt.    des    Urchristen- 
tums  89.    186.    187. 
z.    Zt.      Friedrich    Wil- 
helms   I.    261. 

Gleiches  Fähigkeitsmaß 
der  Chinesen  mit  ihrem 
japanischen  Bruder- 
volke   469. 

—  Wahlrecht 

s.     Allgemeines    Wahl- 
recht. 


Namen-  und  Sachregister 


633 


Gleichgewicht 

s.  Europäisches  Gleich- 
gewicht. 

—  der  Himmelskörper 
250. 

Kräfte   291.    376. 

—  slehre    250.    291.    376. 
Gleichgültigkeit  (religiöse^ 

s.  Religiöser  Indifferen- 
tismus. 

—  der  einzelnen  Soldaten 
der  feindlichen  Kriegs- 
parteien gegeneinander 
397. 

Gleichgültigkeit  der  euro- 
päischen Regierungen 
gegenüber  den  armeni- 
schen   Greueln    456. 

Gleichheit  (allgemeine) 
276.   491. 

—  vor  dem  Gesetze  387. 
491- 

Gleichnisse   99. 

Gleichstellung  der   Neger 

mit     den     Weißen     in 

Nordamerika 

s.  Negeremanzipationen 

in  Nordamerika. 
GleitfÜeger 

s.  Aeroplane. 
Gliedstaaten 

s.  Einzelstaaten. 
Glockentürme  150. 
Gloire  französische 

s.    Französischer     alter 

Kriegsruhm. 

—  Napoleons 

s.  Napoleons  Kriegs- 
ruhm. 

Goa    163. 

Gobelinfabriken  (staat- 
liche)   239. 

Gödöllö   394. 

Godoy  (Manuel  de)  325. 
326. 

Goethe  32.  299.  Anm.  351. 

377-    378.    379- 
Gogol    (Nikolaus)    377. 
Gohier    316. 
Goito   390. 

Gold  166.  196.  201.  203. 
208.  357.  405.  419.  506. 

—  ausbeutungsgesellschaf- 
ten  442. 

—  ausfuhr    506. 

—  bergwerke  am  Klon- 
dyke    506. 


Goldbergwerke  bei  Jo- 
hannesburg 442, 

in    Australien    414. 

473.     506. 

— Guyana  506. 

— Kalifornien   506. 

— Mexiko   506. 

— Nordamerika 

405.  406. 

Sibirien   452. 

Transvaal     444. 

506. 

—  förderungsmaschinen 
442. 

—  gewinnung     369.    405. 

406.  414.   442.    506. 

—  grubenbesteuerung 
442. 

—  handel   405.   442.    506. 

—  Industrie   442.    506. 

—  kurs    506. 

—  reichtum    444.    506. 

—  Schmiedekunst    149. 
Golfe  de  Juan  341. 
Golgatha     108. 
Gorgey   (General)   394. 
Gorgias    108. 
Gortschakow   417. 
Görz    (Grafschaft)    329. 
Goten    102.    103.    109. 
Gotische  Kunst    125.    141. 

177-  249.  380. 

—  s    Reich     102. 
„Götterdämmerung" 

(Wagnersches       Musik- 
drama)   433. 
Götterlehren 
s.    Mythologie. 

Gottesdienstordnung  185. 
186.     222. 

—  frieden    124. 

—  gnadentum  der  Herr- 
scher 130.  220.  238. 
241.  290.  295.  318.  342. 
346.    347.    354. 

—  sohnschaft    88. 
Gottfried     von      Bouillon 

133- 
Gottheit    Christi    181. 
„Göttliche   Komödie"  149 
Götzenbilder    89.     iio. 

—  dienerei  89.  iio.  125. 
461.    462. 

S.     auch    Fetischismus. 
„Götz   von   Berlichingen" 

351- 
Goujon  (Jean)  177. 


Gounod   (Charles)   433. 
Gouverneur 

s.  Festungskommandant 
Grabmal     der      Mediceer 

172. 
Gracchen   76. 
Graf   der   Provence 

s.    Ludwig  XVIII. 
Grafen 

s.  Comites. 

—  titel  96.  119.  120.  121. 
126.  340.  342.  345.  452. 
482. 

Grafschaften    124.    340. 
Grammatik   und    Stil    der 

Französischen    Sprache 

215/216. 
Gramme       (Zenobe-Th^o- 

phile)   522.    523. 
Gramont      (Herzog     von) 

419.   420. 
Granada  (Königreich)  157. 

—  (Stadt)    115.    154.    156. 

157- 

Granaten  490. 

Granikus  51. 

Gransen    168. 

Grant  (General  und  Prä- 
sident Ulyses  Sidney) 
409.    410. 

Graphische  Darstellungen 
zu  medizinisch  -  diagno- 
stischen Zwecken  527. 

Gratian    10 1. 

Gravelotte  421. 

Green  wich    519. 

Gregor  VII.  (Papst)  130. 
131-    38Q. 

—  IX.  -  139- 

—  XIII.  —  190. 
Gregorianische  Musik  380. 
Grenadiere    (französische; 

316. 

—  (russische)    306. 
Grenoble  288. 
Grenzberichtigungsver- 

handlung      russisch-chi- 
nesische 452. 

—  gebirge  zwischen 
Europa  und  Asien  455. 

—  pfähle  96. 

—  schütz  308.  315. 

—  Vereinbarung  zwischen 
England  und  Rußland 
über  Afghanistan  und 
Turkestan   457. 


634 


Namen-  und  Sachregister 


Griechen  9.  13.  18.  23. 
29.  53.  64.  65.  76.  87. 
97.  99.  III.  132.  152. 
360.  361.  475.  481.  482. 

—  im  neugeplanten  alba- 
nischen   Reiche   482. 

—  in  dem  nichtgriechi- 
schen Teile  des  Balkan 

477- 
der    Türkei    477. 

—  land  (das  altej  23.  29. 
30  ff.  63.  64.  68.  70. 
75.  85.  97.  102.  103. 
152.    248.   362.    536. 

(das  neue)   58.  354. 

360.  361.  362.  476.  479. 

481.  482.  506.  507.  508. 

—  tum   (alte) 

s.    Hellenismus. 
Griechisch    479.    484. 

—  ,  griechische  Sprache 
und  Literatur  8.  37.  48. 
53-  57-  69.  79.  83.  84. 
87-    95-    434-     535- 

S.  auch  Neugriechisch. 

—  e    Katholiken    458. 

—  er  ßefreiungskrieg  361. 
362.     476. 

—  es    Alphabet    535. 

—  e   Orthodoxe 

s.     Griechische    Katho- 
liken. 

—  -orthodoxe     Christen 
Katholiken 

s.     Griechische    Katho- 
liken. 

—  —  Religionen  99.  109. 
134.  236.  276.  278.  478. 

—  -römische  Kultur  108. 
109. 

Grigris    64. 
Grodno    306. 
Groningen   228. 
Grönland  123.   158. 
Groschow  403. 

—  -Tag   403. 
Großbritannien      106/107. 

124.   128.  204.  365.  489. 
499.  500.  504.  506.  507. 
508.    509.    512.    516. 
S.  auch  England. 

Großbulgarien   479. 

Großdeutsche    Idee    393. 

Große  (Der,  Die)  als  Für- 
stenbeiname und  Bei- 
name berühmter  Män- 
ner 53.  107.  114.  116. 
118.   119.   120.   121.   125. 


126.   138.   176.  204.  207. 
260.   303.    308.    348. 
Große    Antillen 

s.    Antillen    (Große). 

—  Armada  s.  Armada. 

—  Armee    332.  333.    334. 

—  Mauer    der    Chinesen 
s.     Chinesische    Mauer. 

—  Revolution 

s.  Revolutionen. 
„Grosser   Herr''    (Japani- 
scher   Ehrentitel)    467. 

—  Ozean 

s.   Stiller  Ozean. 

Große  Seen-Gebiet  (afri- 
kanisches) 436.  438.  447. 

in    Afrika   440. 

—  s       Jahrhundert       (als 
Epochenbezeichnung) 
271. 

Großfürsten    237. 

-Thronfolger 

s.  Zarewitsch. 
Groß-Görschen    336. 

—  -Griechenland  36.  37. 
69.    70.    72. 

—  herzogtümer  259.  306. 
324.  329.  331.  354.  399. 

—  herzogtum    Polen    324, 

329- 

—  Industrie  366.   367. 

—  Inquisitor    157. 

—  -Jägersdorf    264. 

—  mächte  asiatische  460. 

—  —  ehemalige  europä- 
ische :  Schweden  236, 
252. 

Spanien    175.    195.    196. 

356-     357- 

—  —      europäische      382. 

398.  434-  475-  476.  477- 
478.    483.    487. 

—  machtsentscheidung 

364- 

—  machtstellung  Ameri- 
kas  281. 

— Englands  265. 

—     Preußens  262. 

265. 
Rußlands  237. 

280. 

—  —  —  Spaniens  175. 
195    bis    196.    356.  357. 

Großmoguls    268.     270. 

Großstädte  afrikanische 

442.  444.  494-    495- 

—  australische  494. 

—  belgische    495. 


Großstädte  deutsche  494. 

495- 

—  englische      365.       494. 

495- 

—  europäische    492.    494. 

495- 

—  französische  495. 

—  holländische  495. 

—  in  tabellarischer  Über- 
sicht   495. 

—  italienische     494.    495. 

—  japanische  494.  495. 

—  nordamerikanische 

494-    495- 

—  österreichische   495. 

—  polnische   494.    495. 

—  russische    494.    495. 

—  spanische    495. 

—  südamerikanische    494. 

495- 

—  türk-ischq    495. 

Groß  stadtgegnertum  44 1 . 
442. 

—  —  Proletariat  495.  496. 

—  —  Wahlkreise  englische 

365-     501- 

Größter  Menschenreich  - 
tum   in    China    501. 

Großwesire    254.    279. 

Grouchy  (Marquis  von 
General)   343. 

Grubenarbeiterschaft  369. 
442. 

Grundbesitz  138.  305.  371. 
506. 

er  ländliche 

s.    Agrarier. 

Grund  herrlicher  Boden  \  46. 

Grundsteuer  (staffeiför- 
mig) in  Australien  und 
Neuseeland    474. 

Grundton    430. 

Grund  und  Boden 
s.    Grundbesitz. 

Gründung  der  Republik 
Panama  unter  dem  Pro- 
tektorat der  Vereinig- 
ten Staaten  von  Nord- 
amerika  471. 

—  des  Fürstentums  Ru- 
mänien   476. 

Neuen    Deutschen 

Kaiserreiches   425.    426. 

—  Louisianas  durch  fran- 
zösische Ansiedler  267. 
405. 

—  von  Universitäten  177. 
178.   179.   181.  204.  536, 


Namen-  und  Sachregister 


635 


Grünfutterbau  493. 
Guadeloupe   215.    472. 
Guatemala    166.    359. 
Gudin    (General)    356. 
Guerillakrieg       278.     295. 

327.    329.    443. 
Guerrilleros   327.    329. 
Guillotine  302. 
Guinea    159.    438.    446. 
Guise     (Herzog    von) 

s.  Heinrich  Herzog  von 

Guise. 

—  (Prinzessin  Maria  von; 
s.  Maria  von  Lothrin- 
gen. 

Guisen    189 — 192. 
Guizot  (Frangois)  379. 
Gullivers  Reisen  275. 
Günstlingswirtschaft  unter 

Isabella  II.  von  Spanien 

419. 

—  —  Katharina    II.    277. 

—  —  Ludwig  XVI.  und 
Marie    Antoinette    287. 

Gustav  III.  (König  von 
Schweden)   280. 

—  Adolf  235.  236.  250. 
336. 

—  Wasa  209. 
Gutenberg  (Johannes)  153. 

493- 
Güteraustausch      im      Zu- 
kunftskriege 490. 

—  gemeinschaft    76. 

—  konfiskation    341.    363. 

—  verkehr  367.   516.   518. 
Gutsbezirk    155. 
Guttyburg  409. 
Guyana 

s.    Britisch-Guyana. 
Französisch      — 
Holländisch     — 

—  Schiedsgerichtsspruch 
487. 

Gyges    35.    39. 


Haag  (Der)  229.  292. 
Nachtr.  484.  485.  486. 
487-    489- 

—  —  ab  Friedensvermitt- 
lungsstätte 292   Nachtr. 

—  er  Konferenzen  485. 
486. 

—  er  Schiedsgerichtshof 
s.  Oberster  Schiedsge- 
richtshof im   Haag. 


Haarlem    154.    228. 

Habeas    corpus    bill    226. 

Habgier 

s.    Raubgier. 

Habsburg  (Herrscher- 

haus)    146.      196.    212. 
297.    392. 

—  er   138.    146.   206.   207. 

329- 

Hadrian    92. 

Häfenbeschießung  Mada- 
gaskars 

s.      Beschießung       von 
Häfen   Madagaskars. 

Hafensperre    Chinas    463. 

—  im  amerikanischen  Se- 
zessionskriege   409. 

Häfenzölle   321. 

Haferbau    493. 

Haiti    161.    304. 

Halbabsolutismus  des  Für- 
sten Alexander  von  Ru- 
mänien   476. 

Halbbarbaren 
s.    Barbaren. 

Halbchristentum  der  Ho- 
wa  449. 

Halbschwarze 
s.    Mulatten. 

Halbsklaverei  441. 

Halbstarre    Luftschiffe 
514. 

Halbzivilisation  der  afri- 
kanischen   Königreiche 

-435- 

—  —  Hindus    499. 
Indochinesen     499. 

504. 
der       kaukasischen 

Gebirgsstämme  455. 
Malaien  499. 

—  von   Ägypten   499. 
Algier    und    Tunis 

446.    499.    504. 

China    499. 

Japan    499. 

—  —  Khiwa  und  Bu- 
chara  456. 

Halia   34. 

Halifax    472. 

Hals    (Franz)    232.    249. 

Haltung  eines  französi- 
schen Okkupations- 
korps in  Rom  durch 
Napoleon  III.  417.  418. 

ständigen      Heeres 

in  Marokko  445. 

Halvaredo  (Pedro  de)  164. 


Ham  387. 

Hamburg    147.    180.    331. 

493.    494. 
Hamlet    205. 
Hammelzucht  413. 
Hampden  (John)   221. 
Handel 

—  afrikanischer    446. 

—  althellenischer  37.  535. 

—  altrömischer    67. 

—  arabischer    115. 

—  chinesischer   459.    462. 

463. 

—  deutscher    212. 

—  englischer  325.  357. 
466.     494. 

—  englischer   in    China 

s.  Enghscher  Handel  in 
China. 

—  europäischer  412.   466. 

—  europäischer  in  China 
s.  Europäischer  Handel 
in   China. 

—  französischer  168.  241. 
266. 

—  holländischer  199.  230 
bis   231.   440. 

—  in  der  Asiatischen  Tür- 
kei   458. 

—  indischer    163.    459. 

—  kretischer  31.    535. 

—  nordamerikanischer 
404.    405. 

—  phönizischer     22.    535. 

—  portugiesischer  163. 
164.  230.  466. 

—  portugiesischer    in 
China 

s.  portugiesischer  Han- 
del   in    China. 

—  russischer   456. 

—  russischer  in  Afghani- 
stan und  Persien 

s.  Russischer  Handel  in 
Afghanistan  und  Per- 
sien. 

—  schwedischer    209. 

—  spanischer     201.     234. 

357- 
Händel  (Georg  Friedrich) 

Komponist    381. 
Handelschemie    375.     430 

bis  431. 
Handelsflotten : 

englische   325.    512. 

französische  239.  321. 

holländische    231.    321. 

portugiesische    325. 


636 


Namen-  und  Sachregister 


Handelsfreiheit     72.     286. 

371.    396.    401. 
Handels-,      Finanz-      und 

Steuerwirtschaft  505  bis 

510. 

—  gesellschaften  französi- 
sche   269. 

—  häfen  239.  254.  321. 
325.  327.  405.  409.  411. 

445-  449-  451-  452.  453- 
459.  466. 

—  interessen   515. 

—  marine 

s.  Handelsflotten. 

—  ministerium  239. 

—  monopol  für  Indien 
269. 

—  niederlassungen  an  den 
Strommündungen  in 
Afrika  435. 

am  Kap  der  Guten 

Hoffnung    440/441. 

der  Phönizier,  Kre- 
ter und  Hellenen  22. 
31-    37-    535- 

—  politik  401.   494. 

—  Privilegien 

s.    Handelsvorrechte. 

—  schütz   239.    371. 

—  Staaten: 

Deutsche    freie    Städte 

147- 
England  357.  466.  494. 
Genua   159. 
Holland    184.    231. 
Jonien    34. 
Karthago   71. 
Neapel    159. 
Phönizien    22 — 23. 
Portugal    325.    466. 
Spanien   357.    ' 
Venedig    134.    149. 

—  Städte 
englische  494. 
Newyork  281. 

—  Vertragspolitik  401. 
zwischen    England 

und    Frankreich    unter 
Napoleon    III.    401. 

—  Völker 

s.  Handelsstaaten. 

—  Vorrechte    269. 

—  Zölle    321,    471. 
Handel       und       Wandel 

(Handel   und   Verkehr; 
142. 


Handstreich  Mac  Mahons 
s.  Mac  Mahons  Hand- 
streich. 

Hand  Weberei   371. 

Handwerker  127.  157.  231. 
370.  371.  384.  420.  496. 

Hängende  Gärten  der  Se- 
miramis     1 6. 

Hannibal  72 — 75.  104. 
209. 

Hanno   70.    158. 

Hannover  (Königreich  u. 
Provinz)  180.  321.  323. 
416.  417. 

—  (Herrscherhaus)  258. 
263. 

Hannoversche  Frage  im 
Dritten  Koalitionskriege 
gegen  die  Erste  Fran- 
zösische   Republik    323. 

—    Siebenjährigen 

Kriege    262. 

Hansa   147. 

—  Städte    331. 
Harem    139.   238. 
Harmakis   ii. 
Harmlose  Erkrankung  bei 

Schutzimpfungen  530. 
Harmloses      Bazillentoxin 

531- 
Harmonische    Töne    380. 
Harn,     seine     chemischen 

Reaktionen  527.  528. 

—  Stoff  375.  429.  527. 
Harold    129. 

Harun    al    Raschid     119. 
Harvey      (William)      216. 

218.    219.    250.    537. 
Hastings    124.    129. 
Hasdrubal  73. 
Haudegentum    261. 
Häuptlinge       afghanische 

457- 

—  afrikanische 

s.    Negerhäuptlinge. 

—  arabische     in      Algier 

384.  385. 

—  (Herrscher)       indische 
270.    278.  ( 

Hauptmannschaft  440. 
Hauptstadtverkehr    367. 
Haus   der   Gemeinen    138. 

224.  258.  365. 
Hausgesetze   127. 

—  kriege    244.    260.    263. 

393- 
Hausmachtspolitik      öster- 
reichische 480. 


Haustiere,   ihre   Zähmung 

535- 
Hawai-Inseln   471. 

Hausmeiertum  fränkisches 

467. 

—  japanisches   467. 
Höbert    302. 

Hebräer     (Juden)     16    ff. 

21.     22.     23.      24.     25. 

27.     57.     87.     88.     89. 

91. 
Hebräisch  20.  23.   54. 

Hebung  der  Bodenschätze 
Rußlands   483. 

—  des    Menschen- 
geschlechtes   540.     541. 

menschlichen  Da- 
seins 534.  541. 

Wohlstandes     368. 

541. 

Hedschra    110/ in. 

Heer  s.   Armee. 

—  esausgaben     175.     196. 

239-  345-  346.  431.  434- 
489.  493.  507.  509.  534. 

539- 

s.  auch  MiUtärausgaben 

(-lasten). 

—  esausgaben,  Notwen- 
digkeit ihrer  gründli- 
chen Einschränkung 
auf  Kosten  des  Budgets 
für  Wissenschaft  und 
Kunst    431.    493.     534. 

—  esausrüstung  338.  416. 
42 1 .    48 1 . 

—  esbewaffnung    260. 

—  esbewilligungsrecht 
228. 

—  esbudget 

s.   Heeresausgaben  und 
Militärausgaben. 

—  esetat 

s.   Heeresausgaben  und 
Mihtärausgaben. 

—  eslast  175.  196.  239. 
345.  346.  431-  434-  489- 
s.  auchHeeresausgaben, 
Militärausgaben. 

—  esorganisation    im 
Kriege,         französische 
424. 

—  espflicht 

s.    Militärpflicht. 

—  esverproviantierung 
s.  Verproviantierung 
des    Heeres. 


Namen-  und  Sachregister 


637 


Heeresreform 

allgemeine  europäische 
nach  dem  Deutsch- 
Französischen  Kriege 

434/435-   489-      • 
französische  unter  Lud- 
wig  XIV.    239.    240. 

Napoleon  I.  318. 

österreichische        unter 
Kaiser      Franz     Joseph 

399- 
russische    482/483. 
serbische    unter    König 

Milan  I.  477. 
—  eswesen 

afghanisches    457. 
deutsches  174 — 175.393. 
englisches    174 — 175. 
französisches    168.    174. 

175.     193.    215.    239. 

240.    298.    303.    304. 

308.    309.    319.    322. 

328.    336.    338.    341. 

346.  445. 
griechisch-mazedoni- 
sches 49. 
indisches   (englisch-indi- 
sches)   458. 
italienisches    398.     400. 
japanisches     454.     455. 

468.  469. 
neueres  ägyptisches 

382. 
nordamerikanisches 

408.  470. 
österreichisches    397. 
piemontesisches  398. 
polnisches      278.      306. 

328.    403.    404. 
preußisches     260.     261. 

420.  421. 
römisches    65 — 67. 
rumänisches  480. 
russisches         255 — 256. 

324.  .  483- 
schwedisches  252. 
serbisches    477. 
türkisches    475.    481. 

Hegemonie  in  Deutsch- 
land 355.  393.  415.  416. 
418.  480.  482. 
s.  auch  Deutsches  Bun- 
despräsidium. ~ 
s.  auch  Vormachtstel- 
lung. 

Heideck  (Oberst)  361. 

Heiden  89.   99.    loi.    105. 
HO.  113.  117. 


Heidentum  9g.  100.  loi. 
172.    179. 

Heilige    Allianz   348.    352. 
354-  355-  360.  361.  362. 
390.    415.    417. 
s.      auch       Fürstenver- 
träge. 

„Heilige  Familie"  (Ge- 
mäldegegenstand)    172. 

—  nbilder  109.  125.  172. 
184. 

—  nkult    125. 

—  nleben    125. 

—  r  Berg  62. 

—  r  Krieg  der  Moslems 
384.    446. 

—  r  Krieg  gegen  die  Tür- 
ken 152. 

—  r  Vater 
s.   Papst. 

—  s  Abendmahl  171.  180. 
„Heiliges       Abendmahl" 

(Gemäldegegenstandj 

171. 

—  Schrift  (Bibel;  17.  19. 
20.  21.  28.  31.  57.  153. 
154.    182.    187. 

(indische;    461. 

—  s  Grab   132.   134. 

—  s  Land  132.  133. 
Heilkunde 

altägyptische    12. 
altgriechische    46. 
chinesische    464. 
deutsche    529.    531. 
englische  376.  526.  527. 

529. 
französische     136.     376. 

526.    527.    528.     529. 

530-     531- 
internationale  534.  540, 

541. 
italienische     136. 
nordamerikanische  376. 

—  ,  ihr  Aufbau  auf  rein 
wissenschafthcher  For- 
schung 429.  531.  534. 
541. 

—  ,  ihre  Befreiung  von 
den  Fesseln  veralteter 
Empirik    429.    531. 

Heilserum    531. 

Heimatüebe 

s.    Seßhaftigkeit. 

Heimatschutz     311. 

Heimkehr  (Rückkehr)  der 
Emigranten  s.  Emi- 
grantenrückkehr. 


Heinrich  IV.  deutscher 
Kaiser    124.    130. 

—  VI.  König  von  Eng- 
land    144. 

_  VII.    —    —    —     146. 

173. 

—  VIII.    —    —    —    173. 

174.  175-   184.   185.  346. 

—  I.  —  —  Frankreich 
176. 

—  IL 188. 

—  III. —  189.  190. 

191.  192. 

—  IV. 188.  189, 

192.  193.  194.  213.  219. 
242.     265. 

—  der  Seefahrer  159. 

—  Herzog  von  Guise  189. 
190.     191. 

—  legende    194. 

—  Tudor 

s.  Heinrich  VII.  von 
England. 

Heiratsgeschichte  Napo- 
leons   I.    329.    336. 

— •  Politik  des  Hauses 
Habsburg    394. 

Napoleons    I.    329. 

336. 

Heißes  Klima  von  Khiwa 
und  Buchara  456. 

Heiße   Zone  406. 

Heldendramen   205. 

—  mut 

s.   Heroismus. 

—  roman 

s.  auch  komischer  Hel- 
dcnroman. 

—  Zeitalter 

s.   Episches   Heldenzeit- 
alter. 
Helena  (Gattin  des  Mene- 
laos)   32. 

—  (Mutter  des  Kaisers 
Konstantin)   97. 

Heliogabal  94. 

Heliumgas   524. 

Hellas  (das  alte  Griechen- 
land; 23.  29.  30  ff.  63. 
64.  68.  70.  75.  85.  97. 
102.  103.   152.  248.  362. 

—  (das  neue  Griechen- 
land) 58.  354.  360.  476. 
479.  481.  482.  506.  507. 
508.   535. 

Hellenen  360.  361.  475. 
535- 


638 


Namen-  und  Sachregister 


Hellenentum    (altes) 

s.    Hellenismus. 
Hellenismus  54.    loi.  368. 
Hellenisten     182. 
Hellenischer   Kongreß    zu 

Epidaurus   361. 
Hellenisches      Volk      und 

hellenisches  Reich, 

seine  Unterwerfung 

durch    die    Römer    58. 

536. 
Hellespont    22.    41.    50. 
Helmert    (Professor)    519. 
Helmholtz  (Hermann  von) 

374.  428.  429.  430.  517. 
Heloten    34. 
Helvetien   79. 
Helvetische  Republik  315. 

320. 
Helv^tius   272.    275. 
Henkertod   184.    185.    197. 

201.   205.   207.224.  226. 

227.  237.  242.  243.  277. 

301.  302.  303.  363.  407. 

466.   505. 
Hennegau    198. 
Henriette  von  Frankreich 

220. 
Henry    (Patrick)    282. 
Hephäst    45. 
Heraklea    70. 
H6ricourt  (Mediziner)  531. 

—  (Ortschaft)  424. 
Heringsdorf    367. 
Herkules     19.    31. 
„Hernani'"  378. 
Herodes    192. 
Herodot    16.    44. 
Heroisches     Zeitalter    der 

Medizin    529. 
Heroismus     42.     50.     118. 
333-  343-  360.  363.    392. 
395.  404.  408.  410.  421. 
423.  427.  437.  442.  454. 

474.    478.    479- 
Herrenhaus    (preußisches) 
416.    491.     Anm. 

—  mitglieder  preußische 
s.  Ernennung  der  preu- 
ßischen Herrenhausmit- 
glieder. 

Herrensitz    123. 
Herrschaft     der     Hundert 

Tage    340. 
Naturwissenschaft 

s.       Naturwissenschaft!. 

Zeitalter. 


Herrschaft  der  Weißen 
Rasse  über  die  anderen 
Menschenrassen 
s.  Weiße  Rasse,  ihre 
geistige  Überlegenheit 
und  Herrschaft  über  die 
anderen  Menschenras- 
sen. 

Wissenschaft      291. 

293-  316.  318.  348.  352. 
366—367.  368.  427.  540. 

—  des  Gemeinderates  zu 
Paris 

s.  Pariser  Commune. 
Herrscher  s.  Fürsten, 
auch  Emire  (für  die 
orientalischen  Islam- 
völker), auch  Schah 
für    Persien). 

—  anbetung 
chinesische  465. 
französische  346. 
römische    81. 

—  Popularität  262.  340. 

Herrschsucht   412. 

Heruntergehen  voraus- 
sichtliches der  Gebur- 
tenziffer bei  allen  euro- 
päischen   Völkern    503, 

Hertz  (Heinrich;  517.  523. 

—  sehe  (Schwingungs-) 
wellen     517. 

Herzbeschwerden  526. 

527. 
Herzegowina  477/478.  479. 
Herzklopfen    526. 
Herzliches  Einvernehmen 

483- 
H  erzogspr  oklamation 

Friedrichs     von    Augu- 
stenburg   in    Schleswig- 
Holstein   415. 
Herzogtitel   96.    126.    146. 

211.  234.  343.  419.  427. 
Herzogtum 

Burgund  168.   196.  244. 

Flandern    196. 

Holstein  414. 

Kurland    256. 

Lothringen  244.  259. 

Luxemburg  243.  244. 

Modena   399. 

Sachsen    146. 

Savoyen   168.   211.   235. 

243.    244.    246.    259. 

Schleswig  414. 

Warschau 


s.    Großherzogtum    Po- 
len. 
Herzogtümer 

Deutsche  146.  235.  355. 

364.     414- 

Englische  220.  221.  243. 

244. 

Italienische     211.     235. 

259- 

—  {Die  beiden)  Schles- 
wig und  Holstein  414. 
415.    416.    417- 

Herzog  von  Buckingham 
s.   Villiers    (George; 

—  —  Österreich    146.  206. 

Sachsen    146. 

Strafford 

s.  Wentworth  (Tho- 
mas). 

Herzöge  von  Burgund 
168. 

Hessen  (Volksstamm)  337. 

—  Cassel  417. 
Hetärien  361. 
Hetman   252. 
Hetzpresse  483.  484.   486. 
Hexenglauben    145. 
Hidalgos  328. 

Hieb-      und     Stoßgewehr 

240. 
Hierarchie 

s.    Priesterhierarchie. 

Hieroglyphen    8.     15.    23. 

535- 
Himalaya    456.    457.    461. 

—  ausläufer       (nördliche; 

457- 

—  Völker  456. 

Himmelsfernrohr   217, 
Hindostan    268.    270. 
Hindostanisch,      hindosta- 
nische  Sprache  und  Li- 
teratur   385. 

—  e  Sitten  385. 
Hindus  32.  268.  269.  385. 

461.    474.    499- 
Hineinwachsen      in      die 
sozialistische  Gesell- 

schaftsordnung   497. 

Hinrichtung    Ludwigs 

XVI.     301. 
Hinterasien    455. 

—  östlichstes 

s.     Ostasien    äußerstes. 

—  indien  459.  460.  461. 
467. 


Namen-  und  Sachregister 


639 


Hinterindisches    Kolonial- 
reich   Frankreichs 
s.   Indochinesisches  Ko- 
lonialreich Frankreichs. 

Hinterladegewehr 
s.  Dreysegewehr. 

Hinterland  afrikanisches 
s.     Britisch  -  westafrika- 
nisches      Küstenhinter- 
land. 

—  der         Elfenbeinküste 
446. 

—  von  Senegambien  445. 
Hinterpommern     212. 
Hippo   (heute  Bona)    103. 

384. 
Hippokrates    46.    526. 
Hiram  23. 
Hirondelle   (franz.    Schiff; 

431- 
Hirsch  (Maxj  496. 
Hispano-Römer  114. 
Hirten-    und    Jägervölker 

s.    Nomaden. 
„Histoire  de  France"  380. 
Historik 

ägyptische  i. 

alexandrinische    57. 

altgriechische     44.     83. 

535- 

chinesische  464. 

englische    275. 

französische     147.     369. 

379/380. 

mittelalterliche  105. 

129. 

neupersische    457. 

römische     60.     68.     83. 

91. 

spanische    419. 

Hitze     als     Desinfektions- 
mittel   529. 

Hitzemonat  s.  Thermidor. 

Hobbema    232. 

Hochbahn    511.    523. 

Hochbauwerke   513. 

Hoche  (Armandj  520  An- 
merk.    531.    (532 j    Anm. 

Hoche  (Generale  303.  308. 
312. 

Hochkirche 

s.  Anglikanische  Kirche. 

Hochland     von     Afghani- 
stan   457. 

—  —  Pamir  457. 
Hochofenwesen  371. 


Hochschulen 

s.  Arabische  Hochschu- 
len. 

Hochschulwesen    510. 

Hochstädt    245.    319. 

Höchstes  Wesen  (Gott- 
heitsbezeichnung)    302. 

Hochverrat  (königlicher) 
296. 

„Hochzeit  des  Figaro" 
287. 

Hof  chinesischer  452.  465. 

467-    . 

—  Elisabeths  von  Ruß- 
land   272. 

—  Friedrich  des  Gro- 
ßen 247.  272. 

—  Josephs     II.     272. 

—  König  Josephs    (Bon? 
parte)   von  Neapel  und 
Spanien,      zu       Madrid 
328. 

—  kamarilla  französische 
287. 

s.    auch    Camarilla. 

—  Karls  II.  von  England 
247. 

—  Karl  Emanuels  I.  von 
Sardinien   247.    272. 

—  Katharinas  II.  von 
Rußland   276. 

—  leben  (Palastzeremo- 
niell) 84.  85.  107.  108. 
109.   120.  233.  242.  245. 

246.  247.   260.   272/273. 
276.    286.    318.    328. 

—  Ludwigs     XIV.       239. 

247.  318. 

XVI.      und     Marie 

Antoinettes  286 — 288. 

XVIII.   340. 

Hofmann  (August  Wil- 
helm  von)    430. 

Hofpartei   286.   323. 

—  politik 
chinesische  452. 
französische    286.    287. 

—  schranzentum    263. 

—  spräche  247. 

Hohe  Arbeitslöhne  in  den 
Vereinigten  Staaten 

473- 
Hohenlinden    319. 

—  staufen    138.     146. 
Hohenzoliern    (Herrscher- 
haus)   235.    419. 

—  dynastie  in  Rumänien 
476. 


Hohenzollernkandidatur 
in    Spanien 

s.  Thronkandidatur  des 
Prinzen  Leopold  von 
Hohenzoliern  in  Spa- 
nien. 

Hohe    Pforte 

s.  Türkische  Regierung. 

Höhepunkt  Napoleons  HI. 
412. 

Höhere  Lehranstalten  (ihr 
Unterrichtsbetrieb)  493. 

Hohltiere 

s.    Cölenteraten. 

Holbach     (d')      272.     275. 

Holbein    (Hans)    178. 

Holland  197.  198.  199. 
202.  208.  212.  218.    228. 

229.  230.  240.  244.  245. 
255.  273.  301.  304.  314. 
315.  318.  323- 329-  33Ö- 
336.  337-  347-  364-  434- 
487. 

Holländer    163.    215.    228. 

230.  231.  232.  240.  249. 
250.  266.  269.  364.  435. 
440.  441.    468.  474- 

Holländisch  235.  364.  474. 

485. 
— ,  Holländische   Sprache 

und  Literatur  253.  332. 

443- 

—  e  Partei  =  Partei  der 
Ratspensionäre  der  Pro- 
vinz   Holland    229. 

Holländischer  Protestan- 
tismus (Kalvinismus) 
198. 

Holländisch  Guyana  231. 
472.    487.    506. 

Holstein  414. 

Holzhandel    405.    452. 

Holzreichtum  in  den  Ur- 
wäldern    Afrikas     447. 

—  —  —  sibirischen  Wäl- 
dern   452. 

Homer  31.  32.  33.  39. 
45.    50.    83.     171.    205. 

378.     535- 

—  isches     Zeitalter 

s.  Episches  Heldenzeit- 
alter. 

„Homo  Sacra  res  ho- 
mini/"  276. 

Honduras    165.    166.    359. 

Hong-kong  464. 

Hopfenpilzkrankheit  der 
Seidenraupen    528. 


64o 


Namen-  und  Sachregister 


Horaz  83. 

Hörige    126.    127. 

Hörigkeit    126.    127.    128. 

Hortensie  (Gemahlin  Kö- 
nig Ludwigs  von  Hol- 
land;   387. 

Hosea    (Hostea)     25. 

Hottentotten  435.    510. 

Houchard    302. 

House  of  Commons 

s.  Haus  der  Gemeinen. 

Lords 

s.  Oberhaus,  auch  Her- 
renhaus. 

Howa  449. 

—  ,  ihre  Intelligenz  449. 
Howard  (Katharina)  185. 
Hubertusburger   Friede 

286. 
Hugenotten   189.    190.  191. 
192.   193.   195.  214.  231. 
266.     364. 

—  koalitionsrecht  in 
Frankreich  214. 

—  kriege    189.    193.    537. 

—  Städte    freie 

s.    Freistädte    der    Hu- 
genotten. 

—  Verfolgungen  188.  214. 
242. 

Hugo  (Victor)  32.  377 
bis  378.  379.  396.  431 
bis  432.  485. 

als      Führer     einer 

Dichterschule 
s.  Victor  Hugosche  Ly- 
rikerschule. 

Huitzilopochtli 
s.   Vitzliputzli. 

Hüll   487. 

Humanismus    115.    178. 

Humanisten   181.  .182. 

Humanistische  Studien 
der  Araber   115. 

der  Franzosen    178. 

Hund,   seine  Zähmung  3. 

535- 

Hundertjähriger  Krieg 
142.     147- 

Hungerepidemien  im  Zu- 
kunftskriege 490. 

—  revolten  286. 

—  snöte  271.  371.  406. 
425.  459.  481.  490.  498. 

Hunyady    (Johann)    152. 
Hunnen     103.     104.     107. 
117.     119. 

—  reich   104 — 105. 


Hurrapatriotismus,  Hurra- 
stimmung 

s.      Kriegsbegeisterung, 
Kriegspatriotismus. 

Hus  (Johann;  150 — 151. 

Husaren  (französische) 
304- 

Hussiten  151.   178. 

Hütten   (Ulrich  von;    178. 

Hüttenwerke  (-betriebe) 
371.    493.    494. 

Huyghens  (Christian)  231. 

249.     250. 
Hydaspes   52. 
Hygiene    in     China     526. 
England    526.    532. 

—  internationale    532    bis 

533- 

—  ,  ihr  gänzliches  Fehlen 
bis  gegen  Ende  des  19. 
Jahrhunderts    526.    532. 

—  ,  ihre  Zukunft  532. 
Hypotheken  257.  301. 
Hyksos  14. 

—  einfalle  in  das  alte 
Ägypten    14.    535. 


Iberer    155. 

Ibrahim    (Pascha;    382. 
Ibsen    (Henrik)   432.    434. 
Idealbild      Napoleons      I. 

345- 

Idealismus  in  der  Gesetz- 
gebung 297.   386. 

Ideendichtung  520. 

Identität   zwischen   Volks- 
tum und  Staat 
s.   Einheitsstaat. 

Ideologen    426. 

Idolatrie      s.      Götzendie- 
nerei. 

Ihammikasutta   462    Anm. 

Ikonoklasten    99. 

Ilgen    (Minister   von)    292 
Nachtr. 

Ilias   31.   32.    33.    52.    112. 
118. 

Illyrien    84.     134. 

lUyrier    und    Illyrisch    49. 

55-   93- 
Illyrische    Provinzen    329. 
—  s    Meer    37. 

Imitatio  Jesu  Christi   148. 
Immunisierung 
s.  Schutzimpfung. 


Immunität    der    Abgeord- 
neten   289. 
Imperator  80.  8i.  96.  126. 

—  enzeremonial    loi. 
Imperial     British     East 

Africa    438. 
Imperialismus     englischer 
414. 

—  in  den  europäischen 
Staaten    412.     474. 

Vereinigten  Staa- 
ten von  Nordamerika 
405.  470.  471. 

Imperium  Romanum  84. 
88.  91.  92.  93.  94.  96. 
97.  106.  107/108.  113. 
126.   148.   168.  346.  459. 

Impfschutz   526. 

Impfverfahren    526. 

—  seine  früheste  Anwen- 
dung   in    China 

s.  Chinesisches  Impf- 
verfahren. 

Impressionismus    433. 

Impressionistische  Far- 
benzusammenstellung 

433. 
Inder   116.  268.   269.   270, 
442.    461. 

„Indiana"   379. 

Indianer     161.     164.     167. 

266.  356.  357.  359.  406. 

411. 

—  (Charakteristik  der) 
164. 

—  Südamerikas   167.  472. 

—  (Ursprung  der)    164. 

—  Überfälle    266. 

Indien  14.  19.  27.  40. 
52.  92.  116.  159.  161, 
162.  163.  268.  269.  270. 
271.  314.  321.  412.  413. 
452.  457.  458.  461.  473. 
500. 

—  englisch  270 — 271.  385. 
458.   459.   466.    504. 

—  französisch 

s.  Indochinesisches  Ko- 
lonialreich. 

—  s  Unterstellung  unter 
englische  Verwaltung 
412. 

Indifferentismus  (religi- 
öser) 

s.  Religiöser  Indifferen- 
tismus. 


Namen-  und  Sachregister 


641 


Indirektes  Wahlrecht  für 
franz.  Senats  wählen 
427. 

das     preußische 

Abgeordnetenhaus   491. 

Indisch    278. 

—  ,  Indische  Sprache  u. 
Literatur 

s.  Hindostanisch,  Hin- 
dostanische  Sprache  u. 
Literatur. 

—  e  Eingeborenenstaaten 
460. 

—  er   Ozean   413. 

—  er  Reichtum 

s.  Alter  Reichtum  In- 
diens. 

—  e   Schätze 

s.  Alter  Reichtum  In- 
diens. 

Individualleben    272. 

Individuelle  Zweisprachig- 
keit 

s.  Zweisprachigkeit 

eines    Individuums. 

bei  den  Basken  502. 

— Bretonen 


502. 
502. 


Finländern 

Wallisern 
502. 

Wenden  502. 

Indochina     163.     504. 

Indochinesen    452.    499. 

Indochinesisches  Kolonial- 
reich Frankreichs  269 
bis  270.  459-460. 

Indochinesisch  und  indo- 
chinesische Sprachen 
460. 

Induktion  des  elektrischen 
Stromes   373. 

Indus  40.  53.  461  mit 
Anm. 

Industrialisierung  Eng- 
lands   371.    494. 

—  der  Kulturstaaten  366. 
367.    371.   427.   494. 

Industrie  67.  242.  318. 
373.  396.  404.  464.  471. 
480.  493.  494.  510.  515. 
519.  521.  523.  534.  538. 

—  feindschaft  442. 

—  eile  Ausnützung  der 
Elektrizitätswissenschaft 
s.  Ausnutzung  der  Elek- 


trizitätswissenschaft für 
die    Industrie. 

Industrielle  Ausnützung 
der  Naturwissenschaf- 
ten 510.   521.   522.   523. 

—  Chemie 

s.  Handelschemie  und 
auch  Gewerbliche  Che- 
mie. 

—  Interessen   515. 

—  Kongresse   519. 

—  Kraftapparate    373. 

—  —  maschinen    373. 

—  Verwertung  der  Na- 
turwissenschaften 

s.  Industrielle  Aus- 
nützung der  Naturwis- 
senschaften. 

—  r  Zeitabschnitt  366  bis 
373- 

Industriestaaten 
Belgien    369. 
England  369.  371.  494. 
Niederlande   231. 
Sachsen   369. 

—  Völker 

s.    Industriestaaten. 
Infant,   Infantin   192.   220. 
Infanterie    195.    209.    211. 

240.  306.  313.  343.  489. 

—  ge wehre  416.  420.  490. 
Infanterist 

s.    Musketier. 
Infektion    528.    529.     532. 
Infektiöse        Krankheiten 

532.     533- 

—  Wasserläufe,  ihre 
Trockenlegung    532. 

Infizierungskeime 

s.  Gärkeime  und  Gär- 
organismen. 

Ingenieurkunst 

deutsche    513/514.    515. 

Anm. 
engUsche    366/367. 
französische    314.     366. 
382.    413.    471.     513, 
italienische     171. 
nordamerikanische   366. 
408/409.   468. 
russische    456. 

—  französische  in  Ägyp- 
ten  314.   382. 

Amerika  471. 

—  nordamerikanische  in 
Japan   468. 


Ingenieurkunst  russische 
in  Afghanistan  und  Per- 
sien  456. 

Inhaftierung  s.  Verhaf- 
tung. 

Inkas    165.    166. 

Inkatempel   166. 

Inkerman    398. 

Inkunabeln  (Erstdrucke^ 
153.     170. 

Innerafrika    435.    436. 

—  asien  22.  40.   104.  457. 
Innere    Kriegsursache    im 

Deutsch-Französischen 
Kriege  420. 
Innocenz    III.     133.     139, 

—  VI.     139. 

—  VIII.     172. 

—  XI.    241. 
Inquisition    157.    185.    186. 

196.    197.    217.    234. 
Inschriften 

s.  Kriegsinschriften, 

Maueraufschriften, 

Münzinschriften. 
Insektenstiche      infektiöse 

447.     532. 
Insel    Australier    414. 

—  n  des  Ägäischen  Mee- 
res s.  Ägäische  Insel- 
welt. 

Institut     (de    Paris)     305. 
Institutio  Christianae  reli- 

gionis    182. 
Institutionen      (politische, 

staatliche;    294.    297. 
Institution    chretienne 

s.    Institutio   christianae 

religionis. 
Instrumentalmusik    381. 
Insulare  Lage  Englands 

s.   Englands   Unbesieg- 

lichkeit. 
Insurgenten 

deutsche  394. 

italienische    390. 

kubanische  470. 

nordamerikanische   283. 

ungarische   365. 
Integralrechnung   249. 
Interessenpolitik    509. 
Internationale  allmähliche 

Abrüstung  485.  488. 

—  Annahme  des  dezima- 
len   Maßsystems   518. 

—  Expreßzüge 

s.      Expreßzüge     inter- 
nationale. 


642 


Namen-  und  Sachregister 


Internationale  Friedens- 
kongresse   484. 

—  Konferenz  im  Haag 
485. 

—  Kongresse  von  Gelehr- 
ten 519. 

Industriellen  519. 

Technikern   519. 

Volkswirten    519. 

(Diplomatische  Zu- 
sammenkünfte von 
Staatsmännern)  315. 
341.  356.  360.  361.  476. 

479- 

—  Organisation 

s.   Weltorganisation. 

Internationaler  Afrika- 
verein 427- 

Internationale  Rechtsord- 
nung 

s.        Zwischenstaatliche 
Rechtsordnung. 

—  Rechtsprechung  488. 

—  r  Eisenbahnverkehr 
511. 

—  r  Güteraustausch    518. 

—  r  Kampf  für  Wahr- 
heit, Freiheit  und  Recht 

519- 

—  r  Nachrichtendienst 
518. 

—  r  Seehandel 
s.   Seehandel. 

—  r  Telegraphenverein 
518. 

—  r  Telegraphenverkehr 
518. 

—  r  Verkehr  367 — 368. 
510.    511.    516.    518. 

—  Schiedsgerichtssprüche 
bisherigen  fakultativen 
Charakters    486—487. 

—  s  Eisenbahnverkehrs- 
bureau   519. 

—  s  Maß  und  Gewichts- 
bureau 518. 

—  s    Parlament    484. 

—  s  Schiedsgericht  im 
Haag    484. 

—  Vereinigungen  518.519. 

—  Vereinigung  für  den 
Schutz  des  künstleri- 
schen und  literarischen 
Eigentums    519. 

—  Völkerrechtsfragen  484 
bis    489.     538. 


Intemationalisierung  der 
Handelsstadt  Tanger 
445.    451. 

Internationalismus  (Inter- 
nationale Weltanschau- 
ung) 519. 

—  der    Wissenschaften 
216.  374.  430.  431.  519. 

—  moderner  Wissenschaf- 
ten, sein  Beginn  216  bis 
219.   537. 

—  auf  dem  Kapitalmarkt 
412. 

—  im  Maß-  und  Ge- 
wichtssystem 305. 

Seehandel   325. 

Internierung  der  franz. 
Ostarmee  in  der  Schweiz 
im.Deutsch-Französisch, 
Kriege  424. 

Interessenpolitik    416. 

Interparlamentarische 
Konferenz    zu    Paris 
s.     Pariser     Interparla- 
mentarische  Konferenz. 

Intervalle    380. 

Intervention  Englands  in 
Ägypten  439. 

—  Frankreichs  in  Spa- 
nien 244.   246.    356. 

und    Englands     in 

China  während  des  Tai- 
ping-Aufstandes    466. 

—  Österreichs  zugunsten 
Serbiens  im  Serbisch- 
bulgarischen Kriege 
480. 

—  Rußlands  in  die  tür- 
kisch-bulgarischen Kon- 
flikte 478.  480. 

Intimität  der  französi- 
schen   Exkaiserin    342. 

Intoleranz  214.  219.  224. 
229.  355-  458. 

Intrigenpolitik,  Intrigen- 
wirtschaft 

s.  Ränkepolitik,  Ränke- 
wirtschaft. 

Invaliditätsrente    497. 

Invaliditäts-     und     Alters- 
Versicherungsgesetz- 
gebung   497. 

Invasion  des  deutschen 
Heeres  in  Frankreich 
im  Deutsch-Französisch. 
Kriege    421.    422.    426. 


Invasionen    der    Verbün- 
deten   in    Frankreich. 
Erste     (i.     Jan.      18 14) 

337/338. 
Zweite    (18 15)    344. 

lonier  und  Ionische  Inseln 
s.  Jonier  und  Jonische 
Inseln. 

„Iphigenie  in  Tauris" 
Drama    351. 

Iran    26. 

Iren    s.    Irländer. 

Irenäus    95. 

Irische   Katholiken   504. 

Irland  123.  202.  223.  243. 
312. 

Irländer   270.   473.    504. 

Irokesen    '266. 

Irredenta  rumänische  in 
Ungarn   477. 

Isabella,  Königin  von 
Bayern    232. 

—  —  —  Spanien  157. 
160. 

—  IL,  —  —  —  418. 
419. 

Isis  45. 

Islam    29.    110 — 116.    135. 

151.   156.   199.  238.  258. 

385-  435-  436.  439-  445. 

446.  447-  452.  455-  456. 

461.   462.   475.    504. 

—  itische  Religionsbewe- 
gung   im    Sudan    440. 

Isly    (Schlacht    am)    384. 

Ismael    Pascha    413.    439. 

Isolierung  des  Pariser  Ge- 
meindelebens während 
der  Commune  426. 

—  sverfahren  bei  infek- 
tionösen       Krankheiten 

532.    533. 
Isomorphismus     der     kri- 
stallinischen       Formen 
für     gleichartige     Salze 

375- 
Israel    und    Israeliten    17. 
18.    21.   25.    28.    87.   88. 

173. 
Issus    51. 
Istrien    329. 
Italer  (Italiker)  23.  75.  80. 

84. 
Italien  33.  55.  58.  60.  68. 
69.  70.  71.  72.  72,-  74. 
75.  76.  77.  84.  85.  97. 
102.  105.  106.  107.  108. 
117.   121.   122.   124.  127. 


Namen-  und  Sachregister 


643 


130-  135- 

139.  140. 

155-  157- 

170.  171. 

185.  205. 

224.  235. 

262.  275. 

310.  311. 

321.  323- 

337-  354- 

383-  389- 

398-  399- 

417.  418. 

480.  481. 

499.  500. 

515-  530 
s.     auch 
Italiens. 


136.  137.   138. 

141.  148.  154. 

158.  168.   169. 

175.  176.  177. 

209.  216.  219. 

244.  246.  247. 

304.  308.  309. 

315.  318.  319. 

329.  331.  336. 

355-  380.  381. 

392.  393-  395- 

400.  401.  416. 

436.  449.  45°- 

482.  483.  487. 

506.  507.  508. 

Besitzwechsel 


ItaHener  105.  135.  138. 
169.  177.  205.  219.  233. 
292.  310.  348.  355.  373. 
381.  390.  392.  394.  396. 
399.  400.  401.  416.  437. 
450.  472.  473.  503.  514. 
517- 

—  in  Frankreich  188.189. 
211.  213.  220.  225.  232. 
234.   235.   238.    258. 

Italienisch   416.   450.    484. 
— ,    Italienische    Sprache 

und  Literatur  105.   138. 

149-    332.    355/356. 

—  e   Befreiungskriege 

s.      Italienische     Volks- 
erhebungen. 

—  e  Einheit  169.  246.  390. 
397.  400. 

—  e  Eroberung  Tripoli- 
taniens  450. 

—  e  Freiheitskämpfe 

s.      Italienische     Volks- 
erhebung. 

—  e  Kolonisation  449. 
450. 

—  e  Krone    394. 

—  e  Malerschule  249. 

—  e  Patrioten 

s.  Patrioten  italienische. 

—  e  Regierungen    399. 

—  er  Kolonialkrieg  mit 
Äthiopien  449.   450. 

—  er  Krieg  von  1866 

s.  Italienisch-österreichi- 
scher   Krieg. 

—  er  Partikularismus  235. 

—  er  Protestantismus 
185. 


Italienische    Unabhängig- 
keitskämpfe 

s.     Italienische     Volks- 
erhebung. 

—  e  Volkserhebungen  355 
bis  356.    390—392-  395- 

—  -österreichischer  Krieg 
416. 

—  -türkischer   Krieg   450. 
480/481.      487. 

Ithaka    33. 

Iturbide      (Augustin      de) 

358. 
lulianus  s.  Julianus, 
lus   Romanum   139. 
„Ivanhoe"    380. 
Ivry    192. 
Iwan    Alexejewitsch    256. 

—  (Bruder     Peters     des 
Großen;   253. 

—  IV.    der    Schreckliche 
von    Rußland    237. 


Jackson  (amerikanischer 
Mediziner  und  Physio- 
loge)   376. 

—  (Andrew,  Präsident  der 
Vereinigten  Staaten  von 
Nordamerika)    407. 

Jacobi  (Karl  Gustav  Jakob, 
Mathematiker)  373. 

—  (Moritz  Hermann,  Phy- 
siker)   2,12)- 

Jacques  (franz.  Bauern- 
part ei  j   143. 

Jagd  441. 

Jahrestag     der     Schlacht 
bei  Groschow 
s.    Groschow-Tag. 

Jahreszuwachs  der  Fälle 
von  Schiedsgerichtsver- 
trägen 487. 

Jahrhundert  der  Musik 
380.  382.  433. 

—  —    Naturwissenschaft 
s.    Naturwissenschaft- 
liches  Zeitalter. 

Jakob  (Erzvater)  20. 
Jakob     I.    von     England 
221. 

—  II. 227.  228.  243. 

245. 

—  V.  —   Schottland   204. 
Jakobiner    275.    299.    304. 

308.     362. 

—  klub    299. 

—  tum    362. 


Jamaika    225.    357.    472. 
Jang-tse-kiang  466. 
Janitscharen    152.    279. 

—  aufstände   279.    360. 
Janustempel  82. 
Jankeshill    281. 
Janssen      (Pierre-Jules-C^- 

sar;   521. 
Japan   159.  452.  453.  454. 
457.  467 — 468.  469.  500. 
506.    507.    508. 

—  artikel    434. 

—  er  452.  453.  454.  455. 
467.   468.   469.    499. 

Japanische  Große  Revo- 
lution   467 — 468. 

—  Nationaltugenden 

s.  Nationaltugenden  der 
Japaner. 

—  Schrift    468. 

—  Sitten    468. 

—  Universitäten    468. 

—  Vasen    434. 

—  r  Bürgerkrieg  467  bis 
468. 

—  r  Seesieg  über  die 
Russen  beiTschuschima 

454- 

—  s   Meer  452. 

—  Förderung  der  Räu- 
mung der  Mandschurei 
durch    Rußland    453. 

Jardin    des    Plantes    219. 

—  du  Roi   219. 
Jason  31. 
Jassy    254.    280. 

Java   231.    474.    500.    501. 

Jeanne   d'Arc 

s.  Johanna  von  Are. 

Jefferson  (Thomas)  282. 
407. 

Jeffreys  (George)  227. 

Jehova  (Jahvehj  20.  21. 
25.    32.    45.    87.    461. 

Jellachich    (Generalj    395. 

Jemappes    300. 

Jena   323. 

Jenner   (Edward)   526. 

Jephtha    20. 

Jeremias    28, 

Jerobeam    19. 

J6r6me,  König  von  West- 
falen   332.     338. 

—  (Prinz)    399. 
Jerusalem    18.   20.   23.   25. 

28.    88.    91.     132.     133. 
135-  396. 


644 


Namen-  und  Sachregister 


Jesuiten  i86.  187.  514. 

—  general    187. 

—  gymnasium    187. 
Jesus  Christus  45.  46.   86 

bis  88.  89.  91.  94.  HO. 

m.  118.  122.  125.  132. 

134.  135.  141.  145.  180. 

181.   187.   188.  461. 

s.    auch    Imitatio    Jesu 

Christi. 
Jeu  de  Paume  289. 
Jobert   182. 
Jod  349. 
Johann     II.     König     von 

Portugal   160. 

—  VI. 325.  360. 

—  der  Gute,  König  von 
Frankreich     143. 

—  Kasimir,  König  von 
Polen    236. 

—  ohne    Land    137.    138. 
Johanna    von    Are 

(Jungfrau  von  Orleans) 

144   f. 
Joharmes    87. 
Johannesburg     442.     444. 

494. 
Johnson   (Andrew)   410. 
Joinville    141. 
Joloff   445    Anm. 
Jonier    33.    42. 
Jonische   Inseln   134.    347. 
Jordaens     232. 
Joseph,    Sohn   Jakobs    17. 
— ,   Vater  Jesu  87. 

—  (Bonaparte; 

s.    Joseph    (Bonaparte; 

—  I.  Kaiser  von  Öster- 
reich   247. 

—  II. — .272.  280. 

Joseph  (Bonaparte),  König 

von    Neapel    323.    327. 
328.    329.    331.    336. 
Joule     (Elektrische     Maß- 
einheitsbezeichnung) 

375. 

—  (James   Prescott)    373. 
Jourdan    (Marschall)    303. 

315-    341- 
Journal   des   Savants    251. 

Journalismus  (Zeitungs- 
wesen) 154.  368.  483. 
484.     486. 

Deutscher  420.  437. 
Englischer   226.   483. 
Französischer  216.  294. 
353-    354-    419- 


Moderner  (im  allgemei- 
nen;   492. 

Nordamerikanischer 
281. 
Jovian     loi. 
Juan     d'Austria    200. 
Juarez,     Mexikanischer 

Präsident   411.   412. 
Jud(ä)a  18.  19.  24.  51.  54. 

87.    88. 
Juden  (Hebräer)  16  ff.  21. 

22.      23.      24.      25.      26. 

28.    57.   87.   88.   89.   91. 

96.    iio.    III.    113.    157. 

231.  278.  458.  476.  477. 

S.  auch  Polnische  Juden 

Portugiesische    — 

Rumänische    — 

Spanische    — 

Türkische  —  und  Juden 
in  der  Asiatischen 
Türkei. 

—  in  der  Asiatischen  Tür- 
kei   458. 

Jugendbewegung   335. 

Jugurtha  75.  ^J. 

Julia   Agrippina  85. 

Julianus 

s.  Didius  Julianus  (Kai- 
ser) 

—  Apostata  (Kaiser)   loi. 
Julier    86.    92. 
Julimonarchie  382. 
Juliordonnanzen    354. 
Julirevokition     354.      363. 

364.    382.    383.    385. 
Julitage    (Pariser) 
s.    Julirevolution. 

Julius    II.    (Papst)    169. 

Jumifeges     123. 

Jüngere      Steinzeit      oder 

Neolithformation    3. 
Jungfrau   von  Orleans 

s.  Johanna  von  Are. 

Jüngstes     Gericht     (Ge- 
mälde) 172. 

Junirevolution  387.   388. 

stage 

s.    Junirevolution 

Junkerhaftigkeit     147.416. 
Junot   325.   327. 
Junta    nacional    326.    327. 
Jupiter  21.   461. 
Jurisprudenz    136.    484. 
Justinian    108 — 109. 
Justizmorde    302.    303. 
Juvenal    Z^.    92, 


Kabelapparate  untersee- 
ische   430. 

—  netz  —  s  430.   516. 

—  telegraphie  —  430.  516. 

Kabinettsregierung   297. 
Kabul  456.  457. 
Kabylengebirge    384. 
Kadmus    31. 
Kaffee    ^05. 

—  ausfuhr    505. 

—  konsum   505. 
Kaffern   422.   441.   442. 
Kainz  (Joseph)  521.  Anm. 
Kairo    7.    332.    439.    444. 

495. 

—  er      Straßenauf  stände 

439- 
Kaiser  (Deutscher) 
s.  Deutscher  Kaiser. 

—  der    Franzosen    321. 

—  gesundheitsbericht  334. 

—  krönung  im  allgemei- 
nen    146.    328. 

Karls    des    Großen 

Maximilians  zu  Me- 
xiko 41 1. 

Napoleons    I.     321. 

328. 

Wilhelms  I.  zu  Ver- 
sailles  425. 

—  liehe  Dekrete  Napo- 
leons   I.   318. 

,  (Kaiserliches  Heer) 

210.  211.  235.  236.  240. 
245.    326.    355.    395. 

s    Regierungssystem 

in    Frankreich 
s.    Napoleonismus. 

—  oströmische  108.  109. 
152. 

—  Proklamation  des  Ge- 
nerals Iturbide  in  Me- 
xiko   359. 

Großherzogs  Ma- 
ximilian in  Mexiko  411. 

en 

deutsche  425. 
russische  257. 

Napoleons  III.  389. 

396. 

Wilhelms  I.  zu  Ver- 
sailles  425. 

—  reiche 
Brasilien  360. 
China   465. 
Deutschland  425. 


Namen-  und  Sachregister 


645 


Kaiserreiche 

Frankreich       321 — 340. 

341—344-     389—422. 

Indien    458. 

Japan    467. 

Mexiko    411. 

Österreich    394. 

Türkei    458. 
Kaiser  römische  deutscher 

Nation    123.     124.     138. 

139.    148.   205.    219. 

—  titel  120.  121.  210.  212. 

317- 

—  tum  (im  allgemeinenj 
311.    321. 

lateinisches  134. 141. 

Deutschrömisches 

146.    147.    179. 

,  Kampf  Fried- 
richs   II.    um    das    — 

139. 

Kampf    Karl 

des    Kühnen    von    Bur- 
gund   um    das    —    168. 

—  —  russisches 
s.    Zarentum. 

Napoleons    I. 

s.   Empire. 

(römisches)  318.  346. 

Kaiserverehrung    322. 
Kaiser  von  Österreich  354. 

—  Wilhelm-Land    474. 

—  weströmische  82 — 106. 
107.    346. 

—  oströmische  118 — 119. 
Kalamit    158. 
Kaledonier    94.  128. 
Kalif    58.    113.  114.    119. 
Kalifornien  244.  406.  465. 

470.     506. 

—  s.  Übergang  von  Me- 
xiko zu  den  Vereinigten 

-  Staaten  von  Nordame- 
rika   406. 

Kaliumoxyd    349. 

Kalk  349. 

Kalkutta     162.     268.     269. 

Kalligraphische  Anforde- 
rungen an  die  höheren 
Staatsexamina  in  China 
464. 

Kallisthenes    52. 

Kalmücken    255. 

Kalvin  180.  182.  183.  185. 
186. 

—  ismus     185.     192.     198. 

—  isten  189.  193.  197. 
198.  204.  207.  214.  231. 


Kamarilla 
s.    Camarilla. 

Kambodscha  460. 

Kambyses  40. 

Kamerun    436. 

Kammerauflösurig         353. 
354-    415- 

Kammerauflösungsrecht 
353- 

Kammer     der    Gemeinen 
138. 

s.  auch  Haus  der  Ge- 
meinen. 

—  n 

s.  Zweikammersystem 
und  Abgeordnetenkam- 
mer   sowie    Senat. 

—  Präsident    388. 

—  reden 

s.     Parlamentsreden. 
Kampagne   in   Frankreich 

299—300. 
Kampfliederdichtung 

s.    Kriegslyrik. 
Kampf    um     die     bürger- 
liche    Freiheit    im     19. 

Jahrhundert      353 — ^367. 

383-398.     538. 
Kampf  ums  Dasein  428. 
Kanada  215.  257.  265.266. 

267.    472.    500.    501. 
Kanadier    268.    472. 
Kanadische  Gesetzgebung 

472. 

—  Pacificbahn    472. 

—  r   Bund  472. 

—  s    Münzwesen   472. 

Kanäle       (Wasserstraßen) 

239- 
Kanal  von  Suez  159.   i6o. 

413-    439-    471. 
Kananiter   18. 
Kanarische  Inseln  71.  160. 
Kannibalen      451.     Anm. 

540. 
Kanonen    290.    309.    446. 

455-   468.   489.   490. 

—  boote  446. 
Kansas    407. 

Kant  (Immanuel)  45.  351. 

484. 
Kanton    466. 

Kantsches         Sittengesetz 

351. 
Kao-tsung    465. 
Kapburen    231.    441. 


Kap  der  Guten  Hoffnung 
159.   162.  231.  346.  412. 
435-  438.  441-442.  443- 
SU- 
Kaperschiff    202.    487. 
Kapetinger    124.    137. 
Kapital  europäisches  412, 
Kapitalismus 

s.    Plutokratismus. 
Kapitalistische     Demokra- 
tien 509.   510. 

—  Neigungen 

s.     Plutokratische     Nei- 
gungen. 

—  Scheindemokratie    509. 

Kapitol  69. 

Kapitularien  119. 

Kapitulation  des  amerika- 
nischen Südheeres  in 
Appomattox  410. 

—  und  Gefangennahme 
einer  gesamten  franzö- 
sischen Arrnee  bei  Se- 
dan  422. 

—  —  zweiten  Ar- 
mee  bei   Metz   423. 

—  von   Metz   454. 

—  —  Paris  im  Deutsch- 
Französischen  Kriege 
424. 

Port  Arthur  im  Rus- 

sisch-japanischenKriege 
454- 

Kapkolonisten 
s.   Kapländer. 

Kapland,  Kapkolonie  231. 
312.  320.  347.  435.  440. 
442.    443.    499. 

Kapländer    441. 

Kapumfahrt    162.   231. 

Kap  Verde  und  Kap  Ver- 
mische  Inseln   159.    160. 

Kardinäle  139.  184.  233. 
234.    257.    258. 

Karibisches  Meer  405. 
470.    471. 

Karl  V.  (Kaiser  =  Karl  I. 
von  Spanien)  158.  173. 
174.  175.  176.  179.  180. 
182.  184.  195.  197.  198. 
200.  203.  206.  232.  245. 
358. 

—  VI.  (deutscher  Kaiser; 
259. 

—  I.  (König  von  Eng- 
land) 219.  220-224. 
226.    286.    296. 


23    Riebet,  Geschichte  der  Menschheit,  11. 


646 


Namen-  und  Sachregister 


Karl    II.    —    —    —    226. 
227.     241. 

—  V.  von  Frankreich  (als 
Dauphin)    143.    144. 

—  VI. 144. 

—  VII. 144 — 146. 

—  VIII. 169. 

—  IX. 188.       189. 

190. 

—  X. 353—354. 

383.    385.    386. 

—  I.  König  von  Rumä- 
nien   476. 

—  X. Schweden 

236. 

—  XI. 251. 

—  XII. 251. 

252.,  253. 

—  XIII. 331- 

—  II. Spanien  234. 

241.     244. 

—  IV. 325. 

—  Albert,  König  von  Pie- 
mont  und  Sardinien 
388.    389.    391.    392. 

—  Albrecht,  Kurfürst  von 
Bayern  259. 

—  August,  Herzog  von 
Weimar    299    Anm. 

—  der     Dicke     121.     123. 

Einfältige    124. 

Große       107.      114. 

116—120.  121.  125.  126. 
138.  176.  207. 

—  II.   der  Kahle    121. 

—  der  Kühne  von  Bur- 
gund    168. 

—  Emanuel  I.  König  von 
Sardinien    260. 

—  Erzherzog  von  Öster- 
reich    308.     310.     315. 

329- 

Karlistenpartei  in  Spa- 
nien   418. 

Karllegende  116.   117.  120. 

Karlmann  117. 

Karl  Martel  114.   116.  147. 

Karl  Wilhelm  Ferdinand, 
Herzog  von  Braun- 
schweig   298.    299. 

Karnak    11.    13. 

Karolinen    244.    281. 

—  frage   487. 

—  Schiedsgerichtsspruch 
(päpstlicher)   487. 

Karolinger    114  ff.    124. 

Kars  479. 

Karthager  60.   70.   74. 


Karthago  22.  33.  68.  70 
bis  74.  95-  103.  113- 
335- 

Kaspischer   See   455.    456. 

Kassenscheine    257. 

Kastengeist  in  Japan  467. 

Kastilien     156. 

Katakomben  90. 

Katalanen    418. 

Katalaunische  Gefilde  104. 

Katalonien    156.    211. 

Katechismus    (christlicher; 

449- 

—  (Kaiserhcher  Napo- 
leons   I.;    330. 

Kategorischer      Imperativ 

351- 
Katharina     I.     von     Ruß- 
land   254.    256. 

—  II. 276—280. 

306. 

—  II.  —  —  als  franzö- 
sische Schauspieldich- 
terin 277. 

—  von    Anjou    184. 

—  —    Medici    188.     189. 

233- 
Kathedralen  125.  141.  142. 

150. 
Kathode   524. 

—  nstrahlen    524. 
Katholiken   181.    183.    186. 

189.  192.  193.  196.  198. 
204.  205.  206.  207.  212. 
220.  226.  227.241.   296. 

458.     537- 

s.  auch  Papisten  (in 
England). 

s.    auch    Presbyterianer 
(in   Schottland). 
Katholisch 

s.    römisch-katholisch. 

—  e    Welt    131. 
Katholizismus  97.  99.   107, 

136.   173.   174.   176.  179- 

180.   183.   184.   185.   186. 

187.   190.   191.   192.   196. 

200.  207.  212.  219.   227. 

236.  264.  268.  278.  401. 

403.  411.   504. 

s.     auch     Papismus     in 

England. 
Kaudinisches    Joch    69. 
Kaufleute  russische  in  Af- 
ghanistan   und    Persien 

456. 
Käufhchkeit 

s.  Bestechlichkeit. 


Kaufmannschaft 

Antwerpener   197. 

arabische    162. 

chinesische  462. 

englische    258. 

europäische. 

französische    265. 

nordamerikanische   261. 

Pariser    143. 

spanisch-jüdische     157. 
Kaufmannsvölker 

s.  Handelsvölker. 
Kaukasien    412.    452. 

—  s  Unterstellung  unter 
russische  Verwaltung 
412. 

Kaukasische  Gebirgs- 

stämme    455. 
Kaukasus      22.      40.     455. 
Kautschukhandel  im 

Kongostaat  438. 
Kavallerie  s.   Reiterei. 

—  attacken 

s.  Reiterangriffe. 
Keilschrift  15.  535. 
Keimfäulnis 

s.     Sepsis. 

—  freiheit 

s.    Sterilität. 

—  infektion 

s.     Krankheitsinfektion. 

—  körner 

s.    Gärkeime. 
Kellermann    303. 
Kelten    130.    155. 
Keltisch      und     Keltische 

Sprachen     105. 
Kelvin   (Lord,    Adelsname 

des    Physikers    William 

Thomson)    430. 
Kepler  (Johann)  216.  537. 
Ketzerei   88.    89.    95.    100. 

loi.   103.   105.   124.  136. 

141.   145.   150.   151.   176. 

180.   182.   184.   185.   187. 

217.   296. 
Khedive     382.     383.     413. 

439.     440. 

—  n  Wirtschaft 

s.  Ägyptische  Anleihe- 
wirtschaft. 

Khien-lung    465.    466. 

Khiwa    456. 

Khrumir   444. 

Kiel   414. 

Kilogewicht,  seine  An- 
nahme    518. 

Kimbern    68.    ^^. 


Namen-  und  Sachregister 


647 


Kimberley   441. 

Kimmerier    39. 

Kinderarbeit 

s.    Verbot    der    Kinder- 
arbeit. 

Kinderarmut    französische 

444- 

—  reichtum  der  Chinesen 
463.    465.    501. 

s.  auch  Menschenreich- 
tum. 

französischen  Ka- 
nadier   473. 

Kapburen    441. 

S.  auch  Menschenreich- 
tum. 

—  —  schwarzen  Rasse 
407. 

S.  auch  Menschenreich- 
tum. 

—  —  slawischen  Völker 
500.    501.    502.    503. 

—  einst  und  jetzt  498.  503. 

—  relativer  der  Deut- 
schen  503. 

Engländer    502. 

503. 

—  —  —  Italiener    503. 
Kinematographie    521    bis 

522. 
Kino   522. 

—  ,  sein  schädlicher  Wett- 
bewerb mit  dem  Thea- 
ter 522 

Kipling     (Rudyard)     520. 
Kirche    (Gotteshaus)    330. 

—  christliche,  römisch- 
katholische 95.  97.  99  ff. 
103.  107.  110.  122.  124. 
125.   127.   128.   130.   134, 

135-  136.  139-  145-  150. 
151.  155.  176.  178.  179. 
181.  184.  185.  186.  187. 
192.  196.  221.  278.  290. 
296.  403.  455.  504.  536. 
— ■  afrikanische  99. 

—  ägyptische    99. 

—  armenische    453. 

—  (griechisch)  orthodoxe 
99.  109.  134.  236.  276. 
478. 

—  im  Verhältnis  zum 
Staat  unter  Ludwig 
XIV.    241. 

—  lutherische  180. 

—  protestantische 

s.  Protestantismus. 

—  reformierte     184.     185. 

23* 


Kirche  russische  276.  278. 
478. 

S.  auch  Kirche  (grie- 
chisch)-orthodoxe. 

—  syrische    99. 

—  n  aus  Göttertempeln 
99.    109. 

—  nbann  124.  136.  139. 
141.     169.     179. 

—  nbau    120.    179. 
Stil    109.    141.    142. 

249. 

S.  auch  Baustil. 

—  ndemonstrationen  der 
Polen  zu  Warschau 

s.  Polnische  Kirchen- 
demonstrationen zu 
Warschau. 

—  nfeindschaft 

s.    Antiklerikalismus. 

—  nfreundlichkeit 
s.    Klerikalismus. 

—  ngut     125.     180.     184. 

—  nhierarchie 

s.    Priesterhierarchie. 

—  nmusik    380.    381. 

—  nordnung 

s.  Gottesdienstord- 

nung. 

—  nprivilegien  227. 

—  nspaltung  170.  179. 
184.     238. 

—  nstaat  118.  235.  244. 
330.    389.    417. 

—  nväter  99. 

Kircher   (Athanasius)   514. 

Kirchhoff    (Gustav)   430. 

Kirchlichkeit  in  Frank- 
reich   238 — 239. 

Kirk-Kilisse    48 1 . 

Kismet    113.    279. 

Kitchener    (General)    440. 

Klangbild    430. 

Klangfarbe     430. 

Klangmalerei  in  der  Wag- 
nerschen  Opernmusik 
433- 

Klapka    (General)    395. 

Klassenkriege 

s.    Soziale    Kriege. 

—  und  Rassenkriege, 
Hoffnung  auf  ihre  Be- 
seitigung   505.    540. 

,     ihre     Gefahr 

505.    540. 
Klassenparlamente        287. 

353- 


Klassenprivilegien  492. 

—  Staat   492. 

—  Standpunkt  der  Arbei- 
terschaft 370. 

—  wählen    353. 
Klassiker   (deutsche) 

s.    Deutsche    Klassiker. 

—  (französische) 

s.     Französische     Klas- 
siker. 

—  (griechische  und  la- 
teinische) 170/171.  177. 
247. 

Klassische  Kunst  434. 

—  s     Deutsch   351. 

—  s  Zeitalter  der  deut- 
schen Literatur  350  bis 

351- 

—  s Musik  381. 

—  s  —  —  französischen 
Literatur  247  —  249. 
378.    380.    381. 

Klaviatur   381. 
Kleber  313.   314.   336. 
Kleinasien  14.  22.  24.  27. 

31.   32.   34.   36.   37.  39. 

40.   41.   42.   43.    51.   52. 

75.    97.    113.    132.    134. 

151.    152.   452.   458. 

Kleinforschung    350.    428. 

Kleingrundbesitz  franzö- 
sischer   304. 

Kleinheit  des  bisherigen 
britischen  Landheeres 
489. 

Kleinkrieg 

s.    Guerillakrieg. 

Kleinpolen   307. 

Kleinstaaterei     147.     354. 

357- 

S.  auch  Partikularismus. 
Kleinstaatsfürsten 

s.   Duodezfürsten. 
Kleopatra   56.  80.   81.   85. 
Klerikale 

s.    Ultramontane. 

—  s     Ministerium. 
Klerikalismus      353.     392. 

401.  417.  418. 
Klerus 

s.    Geistlichkeit. 
Klima    afrikanisches    447. 

—  der  Vereinigten  Staa- 
ten   von    Nordamerika 

473- 

—  von    Kanada    473. 
Virginia  266. 


648 


Namen-  und  Sachregister 


Klinische  Behandlung  46. 
526.     530. 

—  Krankheitsbeschreibun- 
gen des  Altertums  46. 
530. 

Klissow    252. 

Klitos     52. 

Klondyke    506. 

Klopstock    351. 

Klöster      100.      108.     120. 

122.    125.    170.    185. 
Klostergut    184. 

—  mönche  100.  108.  119. 
120.  122.  125.  154.  157. 
U3-  178.  179.  184.  186. 
192.    380. 

—  Privilegien    125. 

—  schulen    125. 

—  Stiftungen    125. 
Klubwesen        (politisches; 

294.   295.   297.    299. 

Knechtseligkeit  gegen  Na- 
poleon I.  323.  338.  345. 
346. 

Knechtung  des  Bauern- 
tumes   236. 

Knut    129. 

Knute  256. 

Koalition 

s.    Arbeiterkoalition. 

—  der  europäischen  Groß- 
mächte gegen  Ludwig 
Philipp    382.    383. 

—  gegen  Napoleon  I.  in 
den  Freiheitskriegen 

s.   Fünfte  Koalition  ge- 
gen   Napoleon    I. 
Koalitionsfreiheit    496. 

—  heer 

s.  Alliiertenheere. 

—  kriege  gegen  die  Erste 
Französische     Republik 
und   das   Erste   Franzö- 
sische Kaiserreich 
Erster  301 — 304.  307. 
Zweiter  314 — 320. 
Dritter  322 — 323. 
Vierter    324. 

—  truppen 

s.  Alliiertenheere  der 
französischen  Republik 
nach  der  Großen  Re- 
volution. 

Koblenz    296. 

Koburg      (Herrscherhaus  1 

364. 

—  ische   Prinzen   164. 

Koch    (Robert)    529.  540. 


Kohle  366.  367.  369.  372. 
512.     523. 

—  nausfuhrländer  369. 

—  nbergbau  372.  405. 

—  ngruben  366.  369.  405. 

447-    452. 

—  nsaures    Kali    349. 

—  nverbrauch  für  Dampf- 
maschinen wie  für 
Elektromotoren  5 1 2. 523. 

Kokarde 

s.  Weiße  —  der  Bour- 
bonen. 

Dreifarbige  —  der  Re- 
volution. 

Kolin  264. 

Kollektivbetrieb  der  Wis- 
senschaft 350.  427  bis 
428. 

Köln    142.    146.    147.    154. 

494. 

Kolonialer  Schiedsspruch 
zwischen  Portugal  und 
England  487. 

Koloniale  Selbstverwal- 
tung in  Nordamerika 
266.     281. 

—  Streitfragen  zwischen 
den    Völkern    487. 

Kolonialfanatismus  437. 

—  geschichte  271.  272. 
356.    357-    360. 

—  kongreß  internationa- 
ler   zu    Berhn    437. 

—  kriege 

s.  Deutsche,  Englische, 
Französische    usw. 
Kolonialmächte 
Belgien    437—438. 
Deutschland    437.    471. 
England  265.  320.   435. 
436.    438.    439.    440   bis 

443- 

Frankreich       265 — 266. 
268.  269.  435.  436.  437. 
Holland  215.  230 — 231. 
312.     320. 
Italien  436. 

Portugal  360.  435.  438. 
Spanien  161.  196.  2or. 
214.  281.  320.  356.  357. 
358.  405.  435.  470. 
Vereinigte  Staaten  von 
Nordamerika  470 — 471. 

—  partei  deutsche  437. 

—  politik 

belgische  436.  437.  438. 
deutsche    436.    437. 


englische  267.  312.  320. 
321.  357.  385.  435.  443. 
459.  487. 

französische     269.    384. 
385.    435.   443.    459. 
holländische    435.     , 
italienische  436. 
nordamerikanische  357. 
358. 

portugiesische  435.  438. 
487. 

spanische    435. 
Kolonialmächte     afrikani- 
sche,   ihr    Wesen    451. 

487. 

—  —  ihr  Wesen  459  bis 
460. 

statt      Eroberungs- 

poHtik   447. 
Kolonialpolitischer      Kurs 

447- 

—  Schwärmer       deutsche 

437. 

—  Streitigkeiten     europä- 
ische   483. 

—  Verwaltung 
englische    385. 
französische    384.    385. 

Kolonisation 

altgriechische  37.   39. 
belgische  436.  437.  438. 
deutsche  436.  437.  438. 

471.  474- 
englische  215.   225.230. 
263.    265.    266.    267. 
281.    282.    357.    404. 

413-  435-  436.  438. 
439/440.  440—443. 
446.    459.    472.    473. 

474-.  504-     . 
europäische  412. 
französische     215.    257. 

263.    265.    266.     267. 

268.    272.    281.    405. 

435-     437-     438.     443 

bis  449.  450.  459  bis 

460.    472.    482.    504. 
holländische     215.     230 

bis     231.     312.    320. 

435.    441.    472.    474. 
italienische  438.  449  bis 

450.     472. 
karthagische   71/72. 
nordamerikanische  470. 

471.   504. 
portugiesische    162     bis 

163.    360.    435.    438. 

450. 


Namen-  und  Sachregister 


649 


russische    452. 

spanische  161.   196.  201. 
215.    281.    320.    356. 
360.    435.    451.    470. 
Kolonisten 

s.    Kolonisation. 
Kolosseum    86. 
Kolumbus    160.    161.    162. 

163.    164.    167.    188. 
Komet    540. 

—  enbahnen,  ihre  Be- 
rechnung   540. 

Komfort   142.  368.   505. 

S.  auch  Luxus. 
Komischer     Heldenroman 

177.    183.    203. 

Komitee  zur  Erforschung 
des  oberen  Kongogebie' 
tes  437.  -^ 

Komitien    61. 

Kommandant  s.  Festungs- 
kommandant. 

Kommandierender  Gene- 
ral   309.    421.    424. 

Kommentar  zu  den  Pau- 
linischen    Briefen     181. 

Kommunalfreiheit 
s.    Städtefreiheit. 

—  Verfassung 

s.     Städteordnung    und 
Landgemeindeordnung. 

Kommunismus  34.  173. 

Komödiendichtung 
s.    Lustspieldichtung. 

Kompaß    158. 

Kompliziertheit     des     Ge- 
sellschaftsorganismus 
496. 

Komponisten    380.    381. 
S.     auch     Meister     der 
Musik. 

Konferenz    zu    London 
s.  Londoner  Konferenz. 

Konfessionalismus  in  Po- 
len  236. 

Konfiskation 

s.    Güterkonfiskation 
Landes    — 
Schiffs   — 
Vermögens  — 

Konföderation  der  •  Süd- 
staaten 409.   487. 

Kongo  159.  435.  436.  437. 

—  -Freistaat 

s.    Kongostaat. 

—  -Handelsniederlassung 
435- 


Kongoland  Französisches 
437.  446.  450. 

—  lauf    436. 

—  neger    437. 

—  —    republik 

s.    Kongostaat. 

—  Staat   435.   437.   438. 
Kongresse 

s.    Internationale    Kon- 
gresse. 
Kongreß  französischer  als 
Staatseinrichtung  427. 

—  nordamerikanischer  als 
Staatseinrichtung  410. 
427. 

—  zu    Berlin 

s.    Berliner   Kongreß. 

—  —    Epidaurus 

s.      Hellenischer      Kon- 
greß zu  Epidaurus. 

—  —  Paris 

s.  Pariser  Kongreß. 
Rastatt    315. 

—  —   Verona   356. 

—  —  Wien 

s.    Wiener    Kongreß. 
Konieh    382. 
Könige 

abessinische 

s.    äthiopische, 
afrikanische    435.    446. 

449.    450. 
ägyptische    (des     Alter- 
tums)   1 1    f. 
albanesische  481.         ^ 
assyrische   16.  24  f. 
athenische    31. 
äthiopische  435.  449. 

450. 
babylonische 

s.    chaldäische. 
bayerische    393. 
beider  Sizilien  246.  259. 

355-    389-   398.   400. 
belgische    364. 
böhmische    146. 
chaldäische    14 — 16. 
Dahome   —   446. 
dänische  180.  414 — 415. 
englische  219.  220.  267. 

372.    396.    474.    483. 
französische         (fränki- 
sche)   106 — 107.    116. 

168—170.     188.     189. 

190.     191  — 194.     204. 

207.     219.     238 — 247. 

304..   305.    311.    340. 

467. 


germanische    106.     107. 
holländische    323.    330. 

364.    387. 
Inka   —    165. 
italienische     390.     392. 

394-    397-    399-    4i8. 
jüdische       (hebräische) 

18    ff. 
lydische  39. 
Madagaskar   (von)   435. 

449- 
mazedonische  49 — 53. 
medische    s.    persische. 
Montenegro   (von)   477. 

478. 
-    Navarra  (von)  156.  182. 

189.     191. 
Neapel   (von)    169.    175. 

256.    398.    400. 
Nepal   (von)  461. 
neugriechische  362.  476. 
norwegische    180. 
orientalische    7 — 29. 
persische   26  ff.    54. 
phönizische  23. 
Piemont  (von)  389.  390, 

391.    392.    394.  .397. 

398. 
polnische  190.  236.  352. 

378. 
portugiesische  156.  325. 
preußische      246.     259. 
260.       261—265.      292, 

Nachtr.  306.  321.335, 

415. 
römische    60.    61. 
rumänische    476. 
sächsische   393. 
Sansibar    (von)    435. 
S.   auch   Sultane. 
Sardinien    (von) 

s.    Piemont    (von), 
schwedische     180.     209. 

219.    236.     251.     252. 

331-    332.    336. 
Serbien    (von)    477. 
siamesische    460. 
sparüsche  156.  157.  196. 

219-    323-    325-    326. 

327.    328.    330.    335. 
spartanische    34. 
trojanische    32. 
ungarische   476. 
Westfalen     (von)     331. 

337-  399-  . 
württembergische   393. 
Königgrätz   412.   416.   479 
bis    480. 


65o 


Namen-  und  Sachregister 


Königin-Mutter    213. 
„König  ödipus^'  (Drama) 

44- 

Königreiche  deutsche  354. 

Königsberg  (Preußen)  324. 

Königsdesignation  des 

Prinzen  Don  Carlos 
Bruders  FerdinandsVII. 
in  Spanien  418. 

Königsgarten   zu   Paris 
s.    Jardin    du    Roi. 

Königskrönung  von  Fried- 
rich III.,  Kurfürst  von 
Brandenburg    246. 

Victor  Amadeus  II., 

Herzog  von  Savoyen. 

Königsproklamation  Isa- 
bellas VII.  von  Spa- 
nien   418. 

Karls  I.  von  Ru- 
mänien   476. 

Karl    Alberts     von 

Italien   390.   394. 

Milans  I.  von  Ser- 
bien   477. 

Ottos  von  Griechen- 
land   362. 

—  titel  192.  214.  215.  225, 
260. 

. —  tum 

englisches    267. 
französisches    213.    241. 
257.    285.    295.    304. 
305.    311.    340. 
mittelalterliches         126. 
131.     137.     146.     147. 
290. 
neuzeitliches     155 — 292. 
168.     176.    204.    225. 
260.    292.    294. 
polnisches  236.'  278. 
preußisches   261.    335. 
schwedisches    235.    236. 
spanisches    419. 
König  von  Rom  330.  339. 

342. 
Konjunkturen  für  Arbeits- 
einstHlunaren 
s.    Streikkonjunkturen. 
Konklave     139. 
Konkurrenzkampf       inter- 
nationaler   427. 

—  kriege 

s.   Handelskriege. 
Konservatismus 
arabischer    116. 
chinesischer    463.    464. 
deutscher  392.  393.  415. 


englischer  227.  365. 
österreichischer    354. 
römischer   63. 
spartanischer    55. 

Konservatismus  der  Reli- 
gionen 268. 

Konstantes  Verhältnis  zwi- 
schen den  einzelnen 
christlichen  Konfessio- 
nen bei  den  einzelnen 
Völkern    504. 

Konstantin  97.  99.  100. 
loi. 

—  XIII.    Paläologus    152. 
Konstantinopel     97.      104. 

113.  132.  134.  141.  151. 
152.  259.  280.  313.  328. 
331.  362.  450.  458.  477. 
478.    480.    495. 

—  als  Eroberungsziel  des 
Zarentumes. 

s.  Testament  Peters  des 
Großen. 

—  s  Bedeutung  für  den 
Weltverkehr 

s.    Weltwirtschaft    Kon- 
stantinopels. 
Konstanz    150.    186. 
Konstituante 

Erste  französische  289. 

293.    294.    296.     305. 

Zweite  französische  307 

bis   308.    318. 
Französische    nach    der 
Februarrevolution 
387.    388.    392. 
Polnische    306. 
österreichische  394. 
Konstituierende  Versamm- 
lung s.   Konstituante. 
Konstitution 
s.  Verfassung. 

—  alismus  230.  295.  296. 
352.  353-  354-  385-  398. 
S.  auch  Parlamentaris- 
mus. 

Konsulat  (Bonapartes)  3 17. 

318.   319- 
Konsul      auf      Lebenszeit 

3^7- 

—  n  römische  61.  65.  80. 
81.    91. 

—  n  französische  (Staats- 
leiter)  316.   317. 

S.  auch  Erster  Konsul. 
Konsum 

s.  Gesamtkonsum  und 
Einzclkonsum. 


Konsument  371. 
Kontinent       afrikanischer 

435- 

—  europäischer  320.  324. 

325.     414- 

Kontinentaler  Kongreß 
(der  ehemaligen  briti- 
schen Kolonien  [Pro- 
vinzen] in  Nordamerika^ 
282. 

Kontinentalmächte    321. 

—  sperre  gegen  England 
324.    325.    331.    371. 

Konterrevolutionäre 
Umtriebe. 
s.      Gegenrevolutionäre 

Kontroversen  (theolo- 

gische) 89.  178.  179. 
180.     183.     187.     194. 

Konvent  (Englischer 
Volksausschuß)    226. 

—  e    (Klöster j    100. 

—  in  der  franz.  Revolu- 
tionszeit 

s.  Nationalkonvent. 

—  ion   zu    London 

s.  Londoner  Konven- 
tion. 

Konzentrationspolitik  215. 
246.    337- 

Konzert,  seine  phonogra- 
phische Wiedergabe 
522. 

KonziHen  95.  99.  131.  150. 

170.  186.  187.  330.  418. 

Konzil    zu    Clermont    131. 

—  —  Konstanz    150. 

Nizäa    100. 

Paris    330. 

Pisa    170. 

Kopenhagen    320.    324. 
Kopernikus  188.  216.  537. 
Koptisch    8. 

Koran    iio.    113.    115. 

—  lesung  und  -deutung 
115. 

Kordillerengebirge    471. 
Korea   453.   454.    469- 

—  nisch,  Koreanische 
Sprache    und    Literatur 

453- 

-chinesiche  Sprach- 
verwandtschaft 453. 

Korinth  37.  50.  54.  SS. 
56.    89. 

Korkyra    47. 

Korn    s.    Brotgetreide. 


Namen-  und  Sachregister 


65i 


Körner      (Theodor]     335.  j 

351- 

Kornpreise 

s.  Steigen  der  Getreide- 
preise 
Sinken    —    — 

Körperchenkrankheit  der 
Seidenraupen     528. 

Körperflüssigkeiten  von 
Menschen  und  Tieren 
528. 

Korruption  der  Kapitali- 
stendemokratien   510. 

Korsaren    383. 

Korse  (Bezeichnung  für 
Napoleon    I.)   326.   337. 

—  n  309. 

Korsika  72.  103.  113.  301. 

308.     515. 
Korsische     Franzosenpar- 

tei    309. 

—  Nationalpartei    309. 
Kos  46. 

Kosaken  236.  237.  252. 
254.    255.    334. 

—  hetman  s.  Hetman. 
Kosciuszko    (Thaddäus) 

307. 
Kosmopolitisierung        des 

Staatsbürgertumes    492. 
Kosmopolitismus  368.  374. 

380.     492. 
Kossuth  (Ludwig)  395.  396. 
Kotzebue    351. 
Krafterzeugung  durch 

Magnetendrehung    522. 

—  maschine 

s.    Dynamomaschine. 

—  Umsetzung  374. 

—  wagenverkehr 

s.    Automobilismus. 
Krakau    252.    306.    307. 
Krämerzunft    127. 
Krankenhauswesen   256. 
„Kranker     Mann"     360. 

456.  475- 
Krankheitenbekämpfung 
in    Afrika    447 — 448. 

—  einst    und   jetzt    530. 

— ,  ihre  einstige  meta- 
physisch-mystisch-religi- 
öse   Auffassung    530. 

— ,  ihre  Heilbarkeit  und 
Überwindlichkeit  530 
531. 

Krankheitsbefund  527. 

—  behandlungsmethodik 
s.    Therapeutik. 


Krankheitsbeschreibungen 
s.  Klinische  Krankheits- 
beschreibungen. 

—  diagnostik 

in  Deutschland  524. 527. 
in   England    527. 
in  Frankreich  526.  527. 
Krankheitserreger      528. 
529. 

—  Infektion   528.    529. 
Krautjunkertum      (preußi- 
sches j   416. 

Kray  von  Krajowo  (Frei- 
herr)   319. 

Krebskrankheit 
s.    Carcinom. 

Kreml    237. 

Kreolentum    357. 

Kreta    22.    31.    479.    535. 

—  irredenta    479. 

Kreuz  (als  christliches 
Sinnbild)  97.  loi.  108. 
132. 

Kreuzer    314. 

Kreuzfahrer  132.  133.  134. 

159. 

—  züge  116.  131 — 136. 
140.  151.  156.  157.  176. 
199. 

Krieg 

s.    Wesen   des   Krieges. 

—  (seine    Beseitigung) 

s.  Beseitigung  des  Krie- 
ges. 

—  der  beiden  Rosen  146. 
jyKrieg,  der  größte  Feind 

des  Menschengeschlech- 
tes'' 488. 
Kriege  der  Vergangenheit 
s.    Einstige    Kriege. 

—  Englands  mit  China 
s.  Englisch-chinesischer 
Krieg. 

—  e  ohne  Kriegserklä- 
rung   453. 

Kriegergeist    445. 

—  Stämme  in  Afrika  446. 
448. 

—  Völker  16.  266.  406. 
445.  448.  450.  456.  465. 
475-    477- 

Krieg  Frankreichs  und 
Sardiniens  (Piemonts) 
gegen    Österreich    399. 

—  führung  der  Ersten 
Französischen  Republik 
308.    310. 


Kriegsabenteurer  263.  299. 

311-    411- 

—  anleihen    215. 

—  begeisterung,  -Patrio- 
tismus, -Stimmung  258. 
315.  316.  322.  323.  331. 
335.    425.    486. 

—  bereitschaft 

s.    Schlagfertigkeit. 

—  bündnis  deutscher  Bun- 
desstaaten mit  Öster- 
reich gegenPreußen4i6. 

—  Chirurgie  529.  531  An- 
merk. 

—  dekoration    280. 

—  elefanten    70.     72. 

—  entschädigungen   352. 
425.    426.    427.    487. 

Kriegsentschädigungs- 
schiedsgerichtsurteil 
zwischen   Rußland   und 
Türkei   487. 

—  erklärung  im  Deutsch- 
Französischen  Kriege 
420. 

—  fanatiker  afrikanischer 
446. 

—  flotten: 

englische  214.  225.  231. 


235- 

243- 

245. 

246. 

258. 

262. 

263. 

284. 

301. 

312. 

313. 

314. 

319- 

322. 

325. 

329. 

344- 

362. 

364. 

383. 

411. 

439- 

466. 

467. 

französische 

235- 

239- 

241. 

243- 

262. 

263. 

284. 

285. 

312. 

313. 

322. 

352. 

383. 

411. 

446. 

449- 

460. 

468. 

holländische    231.    235. 

269.    304.    312.    383. 

468. 
italienische    416. 
japanische    469. 
nordamerikanische  467. 

470.    487. 
österreichische   383. 
portugiesische    269. 
russische  255.  279.  362. 

454.     482. 
spanische  201 — 202.235. 

258.    263.    284.    312. 

322.    411.    470. 
türkische  279.  362.  397. 
—  flugzeuge 

s.    Militärflugzeuge. 


652 


Namen-  und  Sachregister 


Kriegsgefahr  (Kriegskrise) 
434.  440.  457.  481.  483. 

—  gefangene  343.  344. 

—  geist     s.    Kriegergeist. 

—  gericht    423. 

—  geschichte  263.  271. 
272.  333-  422.  423.  535 
bis    536. 

—  gewinner  44  Anm. 

—  glück  Napoleons  I. 
324.    326/327.    345. 

—  greuel  338.  426.  459. 
498. 

—  häfen  254.  313.  344. 
384.  409.  411.  444.  453. 
454.   468.   479.   482. 

—  haß  334.  420.  462.  469. 

—  heeresstärke  s.  Kriegs- 
stärke  des    Heeres. 

—  held   afrikanischer  446. 

—  hetzer  44  Anm. 
ei   486.   488. 

—  inschriften    280. 

—  kontributionen 

s.  Kriegsentschädigung. 

—  krankheiten 

s.   Seuchen,   auch   Cho- 
lera und  Typhus. 

—  kunst 

s.  Kriegstechnik. 

S.   auch   Strategie   und 

Taktik. 

—  lasten    345.    346. 

—  lyrik 
deutsche  335. 
spartanische    35. 

—  minister 

s.    Leiter     des     Kriegs- 
wesens   (in    der    Revo- 
lutionszeit). 
ium   215.   387.   439. 

—  müdigkeit      338.     339. 

342.    434- 

—  partei  323.  337.  419. 
420. 

—  politik  268.  314.  396. 
398.  419.  420.  443.  475. 
538.     541. 

und    Nationalismus, 

ihr    Bankrott    in    aller 
Zukunft  53. 

—  räuber    166 — 167.    208. 

—  rechtsbruch,  Kriegs- 
rechtswidrigkeit 

s.       Völkerrechtsbruch, 
Völkerrechts  Widrigkeit- 


Kriegsruhm  Napoleons  I. 
u.    Napoleons    III. 
s.      Napoleons     Kriegs- 
ruhm. 

—  Schicksal  der  Stadt 
Paris    422. 

—  schrecken 

s.   Kriegsgreuel. 

—  schuld 

s.        Schuldfrage        im 
Kriege. 

—  —  en   408. 

—  schule    256.    308. 

—  Schwindler  44  Anm. 

—  stärke  der  Heere  489. 

—  technik    142.   489.   491. 

—  treiberei  der  Parla- 
mente   419. 

■ Presse         419. 

483/484. 

—  tüchtigkeit  253.  328. 
331-  334-  343-360.  361. 
384-  397-  398-  400.  409. 
454-    477- 

—  Ursache  beim  Deutsch- 
Französischen  Krieg 

s.  Innere  Kriegsursache 

—  veranlassung  beim 
Deutsch  -  Französischen 
Krieg 

s.  Äußerer  Kriegsanlaß. 

—  wesen    253. 

—  winter  (im  Deutsch- 
Französischen     Kriegej 

424- 
„Krieg  und  Frieden"  520. 
Krim    2,y.    254.    279.    280. 

397- 

—  krieg  396—398. 

Krise  europäische  wäh- 
rend des  Zweiten  Bal- 
kankrieges   48 1 . 

—  zwischen  England  und 
Frankreich  bei  Fa- 
schoda  in  Mittelafrika 
440. 

—  —  —  —  Rußland  in 
Afghanistan    457. 

Kritik 

s.    Literaturkritik. 
-^  der    reinen    Vernunft 

351- 

—  er    Napoleons    I.    345. 

Kritische    Theologie   504. 

505- 
Kroaten  394.   477.   480. 
Kroatien    329.    401. 


Kroatisch,  Kroatische 

Sprache    und    Literatur 

477- 
Kronbesitz    140. 

—  feldherr        japanischer 
467-" 

—  gut    (englisches;    441. 

—  kolonien   (englische) 
s.     Dominions. 

—  prinzen   416. 

—  Privilegien 

s.    Kronrechte. 

—  Provinzen   (dänische) 
s.    Provinz^'n. 

—  rat    292    Nachtr. 

—  rechte    393.    395. 

—  Stadt  454.  482. 
Kronstadt  454.  482. 
Krönung      Napoleons      I. 

Bonaparte    zum    König 

von  Italien  321. 
Krösus    39.    40. 
Krukowiecki         (Generalj 

363- 
Krustentiere    431. 
Kugelgestalt      der      Erde 

160. 
Kuhpocken    526. 

—  impfung    526. 
Kultur 

allgemeine    491 — 493. 
altägyptische    513.    535. 
altgriechische      43 — 48. 

535- 

altmexikanische   165. 
arabische   115 — 139. 
armenische    455. 
chinesische   469. 
chaldäische    535. 
englische    271.    396. 
europäische     152.     464. 

492- 

französische      247 — 249. 
272—273.    314. 
nordamerikanische  492. 
polnische    363. 
spanisch-jüdische   157. 

—  aufstieg    396.    491    bis 

493- 

—  einflüsse      Frankreichs 
in  Ägypten 

s.   Französische  Kuitur- 
einflüsse   in   Ägypten. 

—  fortschritt 

s.  Steter  Fortschritt  der 
Menschhcitskultur. 

—  geschichtsforschung  in 
Deutschland  375. 


Namen-  und  Sachregister 


653 


Kulturhöhe,     menschliche 
488.  491—493- 

—  pohtik    261.    267.    305. 
368.   374.   491—493- 

Kultus 

buddhistischer   462. 

christlicher  95.  99.   116. 

181. 

heidnischer   100. 

jüdischer   21. 

mohammedanischer  1 1 1. 

112.     116. 

römischer    64.    94. 

persischer  (Feuerkultus) 

27. 

S.    auch    Vernunftskul- 
tus. 
Kunersdorf  264. 
Kung-fu-tse    462. 
Kunst     altägyptische     12. 

13-    535- 

altmexikanische   165. 
chaldäische  15.  535. 
chinesische  434.  463. 
französische     182.     249. 

314. 

griechische   43.   44.   48. 

171. 

japanische    434. 

niederländische  231   bis 

232. 

polnische    363. 

russische     277. 

spanisch-jüdische   157. 

universale  396.  433   bis 

434- 

—  feindschaft    260/261. 

—  französische    in    Ägyp- 
ten  314. 

—  geschichte   271.    434. 

—  gewerbe 
chinesisches    434.    464. 
französisches    239. 

—  kritik 

in  Deutschland  350  bis 

351- 

—  kuriositäten 

s.  Chinesisch  -japanische 
Kunstkuriositäten. 

Künstler    353.     368.     380. 

Kunstliebhabertum    434. 

—  mäzenatentum 

s.    Mäzenatentum. 

—  Straßen 

s.   Chausseen. 

—  technik   434. 

—  und  Literatur  431. 


Kupferbergwerke  405. 

452. 

—  handel    405. 

—  stecherei,  deutsche 
178. 

Kurare    429. 
Kürassiere   französische 

421. 
Kurfürstentümer  146.  207. 

212.  246.  259.  260.   262. 

417. 
Kurhessen 

s.  Hessen-Cassel. 
Kuropatkin   (General)  454. 
Kurs(ej  an  der  Börse 

s.    Börsenkurs(e). 
Küstengebiet         (afrikani- 

schesj   435. 

—  hinterland  des  Roten 
Meeres 

s.  Erythräisches  Kü- 
stenhinterland. 

—  land 

s.  österreichisches  Kü- 
stenland. 

Kutusow  334. 

Kynoskephalai   55. 

Kyrenaika  (Olympiaj  36. 
105. 

Labiche   (Eu^ne)   432. 
Laboratoriumsbetrieb  219. 
427.  430.  438.  468.  534. 

—  in  Britisch  -  Ostafrika 
438- 

Labour    party     (Indepen- 

dant)    496. 
La    Bruyere    248. 
La    Coruna    327. 
Ladogasee   255. 
Laennec  (Rene-Th^ophile- 

Hyacinthe)    526. 
Lafayette    308. 
La  Feuillade  245. 

—  Fontaine   248.   378. 
Laghuat   445. 

La   Hougue  243.   284. 
Laien   95.    125.    128.    136. 
Lakonien    31.    34. 
Lakonier    34. 
Lally-Tollendal    270. 
Lamarck      (Jean-Baptiste- 

Antoine-Pierre  de)  349. 

430. 
Lamartine  (Alphonse)  378. 

386.    387.    388.    519. 
Landansiedelungen 

s.    Bauemkolonien. 


Landarbeit  67.  402.  441. 
442.    447- 

—  —  erschaft  442.  462. 

—  bevölkerung 

s.  Agrarbevölkerung. 
„Land   der  unbegrenzten 

Möglichkeiten"  473. 
Landenge     von     Panama 

471. 
Suez    160.    413. 

Länderdiebstahl 
s.    Annexion. 

—  gier  208.  328.  329, 
331.  334.  426.  427.  444. 
467.  481.  538. 

S.  auch  Annexionen  u. 
Eroberungspolitik. 

—  karte    Europas 

s.      Umgestaltung     der 
europäischen  Land- 

karte. 

—  raub-  s.  Ländergier. 

—  verkauf   402. 

Landesarchive  292  Nach- 
trag.   305. 

—  einheit 

s.     Natürliche    Landes- 
einheit. 

—  hoheit    212. 

—  konfiskation  146.  184. 
277.    305.    402. 

—  Produkte  der  Vereinig- 
ten Staaten  von  Nord- 
amerika  405. 

—  Versicherungsanstalten 

497. 

—  Verteidigung  312. 

—  Verweisung 

s.    Verbannung. 
Landflucht  369.  371.   494, 

—  gemeindeordnung, 
französische   297. 

—  karte   Europas 

s.     Umgestaltung      der 
europäischen  Land- 

karte. 

—  kriege  Englands 

s.       Englische      Land- 
kriege. 

—  —  splan  Napoleons  L 
gegen  England  321  bis 
322. 

Ländliche        Arbeitslöhne 

494- 
Landmacht 

s.     Militärmacht,     Mili- 
tärstaat,  Militarismus. 


654 


Namen-  und  Sachregister 


Landstände 

böhmische    207. 
französische      143.     191. 
213.    220.    287.    288. 

—  Straßenanlagen        385. 

449.     452. 

S.  auch  Wegebau.  Viae 

Romanae. 

—  streichertum    235. 

—  Sturm,  französischer 
300. 

—  tag 
polnischer    236. 
schwedischer  209. 
ungarischer    395. 

—  ung  der  Italiener  in 
Tripolis    450. 

—  —  Garibaldis  in  Mar- 
sala    400. 

—  wehr,  französische  300. 

—  Wirtschaft  203.  281. 
382.    460.    472.    493. 

—  —  französische  in 
Ägypten   382. 

swissenschaft  493. 

Längengradmessung 

519- 
Langes     Parlament    222. 
Langobarden      103.      106. 

107.    117.    118.    119. 
Languedoc    239. 
Lannes    313.    336. 
Lanze    142. 

—  nstechen 
s.    Turnier. 

Lao-tse  462. 

,,La  pitie  supreme"  yjT. 

Laplace    348. 

Laren  64. 

La  Roche  (Marquis  de) 
265. 

La  Rochefoucauld  (Her- 
zog von)  234.  248. 

La    Rochelle    190.    214. 

^,Lart  d'etre  grand- 
pere"   377. 

Las  Cases  (Grafj  345. 

Lateinisch,  Lateinische 
Sprache  23.  84.  85. 
98.  105.  120.  147.  148. 
154.    182.    195.    216. 

—  e    Bibelübersetzung 
s.   Vulgata. 

Latifundienenteignung    in 
Australien      und     Neu- 
seeland 473. 
S.      auch      Aufhebung 


der   Latifundien,   Fidei- 

kommisse    usw. 
Latinisierung        (Romani- 

sierung)  84.  476. 
Latium    61.    68. 
Laud     (William),       Erzbi- 
schof   von    Canterbury 

222. 
Laurent   (Auguste;  375. 
Lausanne    450. 
Laute   381. 
La    Valli^re    (Frau    von; 

242. 
Lavoisier     (Antoine;    271. 

291.  292.  302.  349.  350. 

374.    376.    429. 

—  sches  Gesetz. 

s.  Gesetz  von  der  Er- 
haltung   des    Stoffes. 

Law    (John)    257. 

Lazarettstationen  in  Bri- 
tisch-Ostafrika    438. 

—  wesen   438. 
Lazedämon    (Sparta)     32. 

34.   47-   48. 

—  ien    34. 

—  isch   54. 

Leben  als  chemischer 
Vorgang  291. 

—  Napoleons  \.  auf  St. 
Helena  344—345. 

—  sgeisterchen  der  Men- 
schen   218. 

—  Interessen  nationale 
vor  dem  Schiedsge- 
richtsurteil  486. 

—  smittelmangel 

s.    Proviantmangel. 

not,   —  teuerung 

s.  Wirtschaftliche  Not- 
lage. 

—  —  transport    367. 

—  —  Versorgung 

s.  Verproviantierung. 

—  unterhalt  in  Kanada 
266. 

Leberfunktion   42g. 
Lebrun    (Charles;   249. 
Lech    210. 
Ledru-RoUin      386.      387. 

388. 
Lee    (Robert)    .409.     410. 
Leffevre    (Marschall)    339. 

—  d'Etaples     181. 
Lefort     256.  I 
Legalitätsprinzip    385. 
„Legende     der    Jahrhun- 
derte'' 432. 


„Legende  des  Sikles" 
432. 

Legendenbildung  116. 

120.   138.   194.  296.  345. 

Legionäre  67.  70.  75.  476. 

Legionen  49.  56.  65.  66. 
67.  79.  82.  91.  94.  96, 
102. 

Legislative  (Versamm- 

lung) 297.  300.  317. 
388.     389. 

—  Gewalt    283. 
Legislaturperiode  401. 
Lehnsadel    207. 

—  dienst,  —  wesen  119. 
122.  125 — 128.  130. 
140.    147.    290.    384. 

—  fürsten    138. 

—  herren    124.    126.    127. 

146.      151.  V 

—  herrliche  Truppen  145. 

—  königtum    126. 

—  männer    126.    137. 

—  Verfassung  im  ehema- 
ligen  Algerien  384. 

Lehrerbildungsanstalten 

305- 
Lehre  vom  Licht  349. 
Leibeigene   126.  255.  402. 
Leibeigenschaft    121.    126. 

128.  278.  306.  402.  403. 

404.    441. 

—  garde  König  Ludwigs 
XVI.    290. 

(Leibkorps)  Napo- 
leons  I.   319.   341.   343- 

Leibniz  (Gottfried)  195. 
249.    250.    348.    484. 

Leipzig  210.  250.  337.  347. 

367.  494. 

—  er    Schlacht    337.    347. 
Leistungsfähigkeit  der 

Chassepotgewehre 
s.  Durchschlagskraft  der 
Chassepotgewehre  und 
auch  Tragweite  der 
Chassepotgewehre. 
Leistungsfähigkeit  der  In- 
fanteriegewehre 420. 
490. 

—  —  Kanonen    489. 
Leiter    des    Kriegswesens 

(in  der  Revolutionszeit) 

303.    348. 
Le  Mans  424. 
„Le  mie  prigioni"  356. 
„Uempire,  c'est  La  paix!" 

396. 


Namen-  und  Sachregister 


655 


Lenkbare  Luftballons  513. 

schiffe   513. 

Lens  233. 

Leo    III.    Papst    119. 

—  X.  -  179. 
Leoben    310. 
Leon    156. 
Leonardo    da    Vinci 

s.  Vinci  (Leonardo  da). 
Leonidas   42.    118. 
Leopold       I.,       Deutscher 

Kaiser    230.    235.     241. 

244.    246.    260. 

—  II. 280. 

—  I.,  König  von  Belgien 
364- 

—  n. 437-  438. 

—  Prinz  von  Hohenzol- 
lern   419.    420.    425. 

Lepanto   200.   201.   203. 
Lepra    532. 

—  kranke,  ihre  Isolie- 
rung im  Altertum  und 
Mittelalter    532. 

Lerida     154. 
Lescot     (Pierre)     177. 
Lesekenntnis    281. 
Lesseps     (Ferdinand    de) 

413-    471- 

Lessing  (Gotthold  Ephra- 
im)   275.    351. 

Leszcynsko    (Maria)    259. 

Leszczynski  (Stanislaus) 
252.     259. 

„Lettres  de  Catherine  IIJ' 
277. 

f,Lettres  de  Madame  de 
Sevigne"  249.  379. 

Leuchtgasgewinnung    375. 

Leuchtturm     von     Pharos 

57. 
Leukopetra    56. 
Leuktra  48. 
Leuthen   264. 
Leutnants,  französische 

264.  309.  345. 

—  Napoleons    I.    345. 
Leuwenhoeck    231. 
Levante    148. 
Leviten    21. 
Lexington    282. 

Lex  Licinia  63. 
Leyden  199.  228.  231.  242. 
Libanon    22. 

Liberale  Bewegung  352. 
364. 

—  s    Kaisertum   in 
Deutschland  393. 


Liberales  Ministerium  354. 
Liberalismus     (politischer) 

281.  341.  352.  353.  354. 

356.  361.  365.  389.  390. 

391.  392.  393.  394.  395. 

401.  402.  415.  418.  419, 

473- 

S.  auch  Scheinliberalis- 
mus und  russischer 
Liberalismus. 

—  (religiöserj    275.     504. 
Liberia  448.  450.    501. 
Liberum    Veto    236.    306. 
Libyen    14.    22.    51. 
Lichtstrahlende    Platten 

s.  Fluoreszierende  Plat- 
ten. 

Licinius  63. 

Liebedienerei  gegenüber 
Napoleon    I.    317.    318. 

„Liebfrauenkirche"     378. 

379- 
Liebig     (Freiherr     Justus 

vonj    430. 
Liederdichtung    345.    353. 
Liga      (katholische      oder 

heilige    in    Frankreich^ 

s.   Ligue. 

—  der  Neutralen  320. 
Ligny    343. 

Ligue   190.   191.    192.   193, 

Ligurien   321. 

Ligurische    Republik   314. 

321. 
Lilienthal  (Otto)   515   An- 

merk. 
Lille    300. 
Lincoln    (Abraham)    407. 

410. 
Lindau  (Paul)  541  Nachtr. 
Lingua    Toscana    149. 
Linienschiffe  313. 
Linkes  Amurufer  452. 

—  Rheinufer    \304.    311. 

.417- 

Linksrheinische    vor  dem 
Deutsch-Französischen 
Kriege 

s.  Franzosen,  Frank- 
reich  usw. 

Linsengläser    231. 

Lippi  (Filippoj   150. 

Lippmann  (franz.  Physi- 
ker)    525. 

Lissa    416. 

Lissabon    163.     325.    360. 

Lister  (Sir  Joseph)  529. 
540. 


Litauen     236.      279.    306. 

307. 
Litauer    236. 
Literatur 

altfranzösische    117. 

—  spanische    117. 

—  griechische     43 — 44. 
83.  170/171.  248.  376. 

379-    434-    535- 
armenische  455. 
chinesische    464. 
deutsche  335.  350.  351. 

375-  377-  378. 
englische  273.  275.  361. 

377.  378.  520. 
französische     233.     238. 

242.     247.    248.     249. 

272—273.      274—275. 

287/288.      302.      341. 

345-    353-  377-  378. 

380.    386.  387.  388. 

396.    431.  432.  485. 

519.  520.  521. 
italienische  149.  171. 

172.  275. 
mittelalterliche  105. 

109.   117. 

—  hochdeutsche  117. 
persische    457. 
polnische    363. 
römische    83.     170/171. 

248. 
rumänische    476. 
russische   377.    432/433. 

520.  521. 
skandinavische  432.  434. 
spanische        203.       541 

Nachtr. 

—  dramen   521. 

—  frühling  französischer 
378. 

—  kritik 
deutsche   275. 
französische    432. 

—  und  Kunst  der  Gegen- 
wart in  einem  Höchst- 
maß von  Fruchtbarkeit 
bis  zur  Überproduktion 
520. 

—  —  —  von  geringerem 
Emfluß  in  der  Gegen- 
wart als  Wissenschaft, 
Industrie  und  Sozial- 
reform   519. 

Liturgie 

s.    Gottesdienstordnung. 
Liturgische   Gesänge  380. 


656 


Namen-  und  Sachregister 


Liverpool    365.    367.    495. 

Livingstone    (Davidj    436. 

Livius  (Titus)  83.  84.  171. 

Livland    236.    252.    254. 

Loanda    435. 

„Lob  der  Narrheit'    183. 

Locke    273. 

Lodge    (Oliver)    517. 

Lodi  310. 

Loewen  s.   Löwen. 

Lohnbewegung   s.    Streik. 

—  erhöhung    496.    506. 

—  forderungen  der  chine- 
sischen   Arbeiter   485. 

—  europäischen  — 

465. 

—  tarife    gesetzliche  497. 
Loire    123.    144.    177.   323. 

—  armee  französische  im 
Deutsch-Französischen 
Kriege    424. 

Lokalblättchen       (Empor- 
schießen  vonj   492. 
Lokomotive  367. 
Lombardei   138.    139.    169. 

235-  311-  390.  392.  399- 
Lombardischer    Städte- 
bund  s.    Städtebund. 
London  129.  154.  200.  222. 
223.  224.  226.  250.  255. 
361.  364.  367.  382.  396. 

414.  481.  494-  495-  5"- 

—  er    Friede    481. 

—  Konferenz   364. 

—  Konvention  383. 

—  Protokoll    414. 

—  Stadtbahn   511. 

—  Weltanschauung. 
396. 

Longueville      (Frau     von) 

234. 
Longwy   299. 
Lope    de   Vega 

s.   Vega. 
Lords   137.   146.  327.  361. 

430. 
Lord    Protector    225. 
Lorenzo    Ghiberti 

s.     Ghiberti. 

—  kirche   zu    Florenz 

s.  San  Lorenzokirche  zu 
Florenz. 

Los  Angeles  494. 

Losreißung    Belgiens 
s.     Unabhängigkeitsbe- 
wegung Belgiens. 

—  Brasiliens    von    Portu- 
gal  360. 


Losreißung  d.  spanischen 
Kolonien 

s.  Verfall  des  spani- 
schen   Kolonialreiches. 

Südstaaten  von  der 

Nordamerikanischen 
Union 

s.  Trennung  der  Süd- 
staaten von  der  Nord- 
amerikanischen   Union. 

Lothar    120. 

—  ingen    121. 
Loth(a)ringen      121.      144. 

168.  204.  233.  244.  259. 

—  (Maria    von) 

s.     Maria     von     Loth- 
ringen. 
Louis    (Baron)    352. 

—  (Bonaparte),  König  von 
Holland  323.   330.    387. 

—  (Prinz,     Sohn     Napo- 
leons   III. J   422. 

Louisiana  267.  281.  405. 
Louvois  239.  240.  242.  243. 
Louvre    137.    177.    194. 

—  museum  305. 
Löwen     196. 
Loyalismus 

s.    Untertanentreue. 
Loyalists  267. 
Loyola  (Ignatius  von)  186. 
Lübeck     147.     331. 
Lucca    154. 
Lucrezia    Borgia    173. 
Ludwig  der  Deutsche  121. 

—  VI.  König  von  Frank- 
reich   137. 

—  VII.    -    -    -     137. 

—  IX.,  der  Heilige, 

—   134.   140.   141. 

—  XI. 125.  168. 

169.  204.   214.   346. 

—  XII. 169.  170. 

—  XIII.    —    —    —    210. 


211.  213. 

214. 

220. 

232. 

233- 

XIV.     - 

-    — 

-    — 

83- 

193.  211. 

226. 

227. 

228. 

229.  230. 

232. 

233- 

234. 

238-247 

249. 

250. 

252. 

257.  258. 

272. 

285. 

318. 

368.  377- 

415- 

XV.    — 



219. 

257 

bis  258. 

259. 

262. 

263. 

265.  268. 

270. 

272. 

284. 

285. 

XVI.    263. 

285- 

-289. 

294—301 

340. 

Ludwig  XVII.  340. 

—  XVIII.  340—342.  347 
bis    348.    352—353- 

—  (Bonaparte). 

s.   Louis   (Bonaparte). 

—  Philipp,  König  der 
Franzosen  366,  382  bis 
386.  387. 

Luft    528.    529. 

—  ballon    424.    513.    514. 

—  Schiffahrt  490.  513  bis 

514- 

—  —  im  Dienste  des 
Krieges    490. 

—  schiffe    513. 

S.    auch    Unlenkbare. 
Luftballons    und    Lenk- 
bare  — . 

—  —  halbstarren  Sy- 
stems 

s.    Halbstarre   Luft- 
schiffe. 

—  —  und  Zeppeline  kein 
zweckmäßiges  Zivilbe- 
förderungsmittel  514. 

—  —    hallen    514. 

—  —  leinwand 

s.    Luftschiffsmantel. 

—  —    mantel    514. 

—  schwere  219. 

—  verkehr    513 — 516. 
Luise,  Königin  von  Preu- 
ßen 323. 

Lukas  87. 
Lukrez   83. 
LukuUus    75. 
Lülü-Burgos    481. 
Lun^ville    319. 
Lungen-    und    Herzkrank- 
heiten   527. 

Lusiaden     163. 
Lusitanien     123.    201. 
Lustspieldichtung 

französische     248.     249. 
274.     277.     288.     341 
Anm. 
spanische  203. 

Luther  176.  178—180.  181. 
183.  186.  187.  206.  209. 

—  aner  180.  207.  212.  254. 

—  —  tum  236.  254.  278. 

—  isch    180.    210. 
Lüttich    364. 

Lützen  210.  336  mit  Anm. 
Luxemburg  (Herzog  von; 

243- 

—  (Land)   244. 


Namen-  und  Sachregister 


657 


Luxus  368.   505. 
S.  auch  Komfort. 

—  dampf  er    512. 

—  züge    511. 

Luynes    (Albert    dej    213. 
Lydien  und  Lyder  26.  39. 
Lyell    (Sir    Charles)    375. 
Lykurg   34.    37. 
Lyon    136.    154.   301.   302. 

303.    367.    495.       , 
Lyonnais    140. 
Lyonne     (de)     239. 

Lyrik 

altgriechische    36.    379. 
deutsche    335.    351. 
französische     302.    345. 

353-    377-    378.    379. 

381.    386.    387.    388. 

396.      431/432.     485. 

519.    520    mit    Anm. 
römische    83. 

Macao    466. 
Macbeth  205. 
Macchiavelli    188. 
Mac    Clellan   409. 
Macdonald        (Marschall; 

339-     341- 
Machteinbuße  der  Türkei 
456. 

—  politik    416.    425.    488. 

—  vor  Recht  416.  425. 
Maciejowice    307. 

Mac  Kinley  471. 

—  —  sehe   Tarif  bin  471. 

—  Mahon  (General  und 
alsdann  Präsident)  399. 
421.  422.  427. 

s     Handstreich    im 

Kriege  Italiens  und  Sar- 
diniens gegen  Öster- 
reich   399. 

Madagaskar  215.  269.  413. 
435.    448.    449. 

—  gesellschaft    215.    269. 

—  korps     449. 
Madeira    71.    159. 

„Mademoiselle  dela  Sei- 
gliere"  341    Anm. 

f,Madonna"         (Gemälde- 
gegenstand) 172. 
S.    auch    Marienbilder. 

Madras    269. 

Madrid  161.  175.  258.  325. 
326.  327.  331.  335.  367. 

419-    424.  495- 
Madrider    325. 


Madrigale    263. 
Magalhaes    163. 

—  Straße    164. 
Magdeburg  210. 
Magendie  (Frangois)  376. 
Magenta    399.    427. 
Magier   27. 

Magna  Charta   137. 
Magnet    522.    523. 

—  eisen    158. 

—  nadel    158.    373. 
Mahdi  440. 

—  aufstand  im  Sudan  440. 
Mähe   269. 

Mahmud  IL  360.  362.  382. 
Mahratten    269. 
Maifelder    119. 
Mailand     138.     142.     154. 

170-  175-  310-  389.  390. 

391-  392.  399-  494-  495- 

—  (Herzogtum)    169.    170. 
175-  259.  310.  319.  331. 

389- 
Maintenon  (Frau  von)  242. 

246. 
Mainz   146.   153.  300.  302. 
Majestät   263. 

—  sbeleidigung    318. 
Majordomus 

s.    Hausmeiertum. 
Majubaberg  441. 
Malaien 

s.      Malaiische      Rasse 
Malaiische     Rasse       449. 

474.    499. 
Malakka    163.    459. 
Malaria    447.     532. 
Malerei 

altmexikanische    165. 

christliche       (byzantini- 
sche)   99.     109.     150. 

deutsche    178.    434. 

französische     177.     249. 
380.  434. 

holländische     231 — 232. 

434- 
internationale    moderne 

433.    521.    522. 
italienische      150.      171. 

172.  434- 
Malesherbes   302. 
Malgaschen   448.   449. 
Malplaquet   246. 
Malta  313.  320.  321. 
Malteser   Ritter   320. 
Malus  349. 
Malvern    Hill    409. 
Mameluken  199.  313.  382. 


Manche    (La) 

s.  Ärmelkanal. 
Manchester  365.  367.  370. 

495. 
Mancini  (Maria)  234.  398. 
Mandarinenregierung  464. 

509. 

S.     auch     Examensbu- 

reaukratie. 

—  würde  464.    509. 
Mandschudynastie        465. 

466.    469. 
Mandschurei  453.  454.  467. 

469.     474. 
Mandschuren   465. 

S.  auch  Tataren. 
Manen   65. 

Manet  (Edouard;  434. 
Mangan   349. 
Manifest  des  Herzogs  von 

Braunschweig    298. 
Manitoba    472. 
Manlius    Torquatus    65. 
Manneszucht 

s.     Disziplin. 
Marmigfaltigkeit     in     den 

Erscheinungsformen 

der   Kraft   374. 
Mannschaften  französisch. 

336. 
„Manon  Lescaui"  351. 

379. 
Manöver 

s.    Truppenmanöver. 
Mansfeld  (Graf  von)   208. 
Mantinea   48. 
Mantua    (Stadt)  -  84.    235. 

—  (Herzogtum;    259. 
Maori   414. 

Marat   300. 
Marathon    41.    361. 
Marceau    303.    308. 
Marcel  (Etiennej  143.  144. 
Marchand      (Hauptmann) 

440. 
Marche-en-Fam^ne    198. 
Marco    Polo    s.    Polo. 
Marconi    (Physiker)     517. 

—  telegraphie 

s.    Funkenteleg^aphie. 
Marengo   319. 
Marey    (Etienne-Jules; 

514.     521. 
Margarete     von     Navarra 

182.     189. 
Maria  (Jungfrau)  mit  dem 

Kinde    125. 


658 


Namen-  und  Sachregister 


Maria,  Königin  (regie- 
rende) von  Portugal  360. 

Maria  Christina  Königin- 
Mutter  und  Regentin 
von  Spanien  418. 

—  Luisa  Königin  von 
Spanien    325. 

—  von  Lothringen,  Prin- 
zessin   von    Guise    204. 

—  —      Medici    213.    220. 

233- 

—  Stuart  189.  201.  204. 
205.    220. 

—  Theresia  Kaiserin  von 
Österreich  259.  260.  262. 
263.  264.  272.  278.  280. 

—  Tudor   185.   200. 
Marie   387. 

—  Antoinette  286.  287, 
295.   296.   297.    302. 

—  Luise  (Gemahlin  Napo- 
leons I.;  329.  336.  342. 

343- 

—  nbilder    125. 

S.  auch  Madonna. 

—  ndienst  125.  128. 
Marignano  170.  175. 
Marine  202.  214.  225.  234. 

239.  246.  254.  262.  263. 
269.  284.  361.  408.  454. 
460.   508. 

—  ausgaben  489.   509. 

S.  auch  Marinebudget, 
Marineetat. 

—  Infanterie  französische 
421. 

—  ingenieurkunst  513. 
Marinismus 

altgriechischer    368. 

deutscher    489. 

englischer    489. 

europäischer  489. 

französischer  489. 

russischer    489. 
Marius    68.    76.    ^T. 
Mark  Aurel  83.  92.  93. 
Markgraf    146. 

—  von  Brandenburg   146. 
Markus    87. 

—  kirche    150. 
Marlborough    (Lord;   245. 
Marmont  339. 
Marodeure  s.   Schlacht- 
feldplünderer. 

Marokkanischer  Feldzug 
s.  Unterwerfung  von 
Marokko  unter  franzö- 
sisches  Protektorat. 


Marokkanisches  Küsten- 
land   451. 

Marokko  71.  157.  384. 
385.  435.  444.  445.  446. 

Marot    182. 

Marquis    287.    343. 

Marrakesch    445. 

Marsala    400. 

Marschall  von  Frankreich 
213.  246.  331.  339.  341. 
352.    422.    427. 

Marsch      der      deutschen 
Heere    nach    Paris    im 
Deutsch-Französischen 
Kriege   423. 

Verbündeten  Heere 

nach  Paris  im  dritten 
Jahre  der  Freiheits- 
kriege 344. 

zweiten    —   —    —   339. 

—  technik  310. 
„Marseillaise"  (Plastische 

Gruppe;    380. 
Marseille  37.  413.  495. 
Marsfeld  294. 
Mars-la-Tour    423. 
Martin    (Frangois;    269. 
Martinique    215.    472. 
„Märtyrer  Die''  378. 

—  tum  88.  151.  183  bis 
184.  185.  188.  242.  274. 
302.   352.   475.    505- 

„Martyrs  {Les)"  378. 
Marx    (Karl)    393. 
Maryland    28 1 . 
Märzentage 

s.  Märzrevolution. 

Märzrevolution  392. 
Maschinenbetriebe 
s.  Fabrikwesen. 

—  gewehre    490. 

—  Weberei  370. 

—  wesen 

s.   Einführung  des   Ma- 
schinenwesens und   Be- 
deutung —  — 
Maskat    487. 

—  -Schiedsgerichtsspruch 
487. 

Massachusetts  221.  266. 
281.     282. 

Massaker  s.  Gemetzel. 

Massaua  449. 

Maßbezeichnungen  unzeit- 
gemäße der  Russen  xmd 
Engländer    518. 


Maßeinheitsbezeichnun- 
gen s.  Elektrische  Maß- 
einheitsbezeichnungen. 

Massöna     (General;     315. 

319-  335-  341. 
Massenaufgebot  300.  301. 
311.  326.  335.  338.  408 
bis   409. 

—  autodaf6   s.    Autodafe. 

—  Instinkte  der  Arbeiter- 
schaft  369. 

—  kundgebungen 

s.    Demonstrationen. 

—  Produktion    371. 

—  —  im  amerikanischen 
Zeitungswesen    492. 

—  Schlächtereien 
s.    Gemetzel. 

Mäßigkeit    der    Chinesen 

463.    465. 
Maßlose    Steigerung    des 

privaten  Jahresetats  507. 
Maßsystem    305.    374. 
^  und       Gewichtsformen 

305-     518. 
Materie  57.  155.  291.  292. 

373.  374.  524.  538.  539. 

—  ihre  Bewältigung  durch 
die  Wissenschaft  im 
19.      Jahrhundert     373. 

538.     539- 
Materielle     Interessen     in 

der   Politik 

s.    Interessenpolitik. 
Mathematik    in 

Deutschland   249. 

England    249.    348. 

Frankreich     217.      248. 

348. 

Griechenland    46.    48. 

Holland   250. 

Italien     171. 

Rußland  373. 

Spanien    541    Nachtr. 
Mathematisch-physikali- 
sche  Gesetze   373.    430. 

522.     525. 
Matrosen    s.    Marine. 

—  aushebung    239. 
Matthäus    87. 
Maueranschläge    388. 

—  aufschriften    272.    352. 
Maupertuis     253. 
„Mauprat"    379. 
Mauren  114.  117.  124.  150. 

157.   158.   196. 
Mauretanien    103. 
Maxen    264. 


Namen-  und  Sachregister 


659 


Maxentius  97. 

Maximal-  und  Minimal- 
lohn   497. 

Maximilian  I.,  Deutscher 
Kaiser    169.    170. 

— ,  Erzherzog  von  Öster- 
reich und  dann  Kaiser 
von    Mexiko    411 — 412. 

—  II.,  König  von  Bayern 

393- 
Maximus    94. 
Maximum     der     Bevölke- 
rungszahl 498. 
Maxwell      (James      Clerk; 

523- 
Mayer    (Robert)    374. 
Mazarin     (Kardinal     von) 
211.  225.  233.  234.  238. 
Mazedonien        102.      479. 

481. 
Mazedonier     49.     51.     54. 

55.    56.    70.    73.    75. 
Mäzenatentum    249.     261. 
Mazeppa    252. 
Mazzini  392.  396.  398. 
Meaux     182. 
Mechain   348. 
Mechanik  und  Statik  250. 

291.     513. 
„Mechanische  Groß- 

mächte   292. 

—  Wärmelehre  374. 
Meder    25.    26   ff.    39. 
Medici  171.  186.  188.  189. 

213.    219.    220.    233. 
Medina  (Yatrib;   iio,  iii. 

114. 
Medizeer. 

s.    auch    Grabmal    der 

Medizeer. 

—  und  Medizeerin  s.  Me- 
dici. 

Medizinische  Forscherge- 
nies 46.  376.  429.  526. 
527.  528.  529.  530.  531. 
540. 

S.    auch    Meister     der 
Medizin. 

—  Forschungsstationen 
für  das  Studium  afrika- 
nischer Menschen-  und 
Viehseuchen  in  Bri- 
tisch-Afrika  447. 

—  Wissenschaft 
s.  Heilkunde. 

Medizin,  Notwendigkeit 
ihres    Zusammenhanges 


mit  allen  Wissenschaf- 
ten    533/534-     541  •. 

Medizin  und  Chirurgie  in 
den  letzten  fünfzig  Jah- 
ren 525.  534.  540. 

Meerbusen     von     Guinea 

438. 

—  enge  von  Konstantino- 
pel s.  Bosporus. 

—  —  —  Suez 

s.   Kanal  von   Suez. 
Megalithen    3. 
Megara    37.     48. 
Mehemed      Ali     (Pascha; 

382.    383.    413. 
Mehrwert  allgemeiner  der 

Ware    505. 

—  des  Grundbesitzes  506. 
Mehrheitsregierung  365. 
„Meine      Qefängniszeit" 

356. 
Meister     der     Bildhauerei 
altgriechische     43.     48. 

99-    434- 

französische    434.    521. 
italienische  44.  171.  172. 
180.     271. 

—  —  Dramatik 
altgriechische     32.     40. 
44.    157.    171.   203.   205. 

248.  249.    434. 
norwegische    432.    434. 

—  —  französischen  Prosa 
432. 

—  —  Malerei 
flämische    232.    249. 
französische  434. 
holländische     178.     232. 

249.  434. 

italienische      171.      172. 
178.  ,232.    271.    434. 

Medizin     46.     376. 

429.  526.  527.  528.  529. 

530.    531.    540. 

S.     auch     Medizinische 

Genies. 
Musik    6.    47.    380. 

381.  382.  433.  434.  442. 
Naturwissenschaft 

s.   Meister  der  Wissen- 
schaft. 

—  —  Wissenschaft       428 
bis  430. 

—  des   russischen   Roma- 
nes  432—433. 

—  werk  der  Naturwissen- 
schaft   428. 

Mekka   iio.    in.    114. 


Mekong   460. 

—  delta   460. 

Melas  (Freiherr  von)  319. 
Melbourne   494. 
Melkart    20. 
Membranschwingungen. 

517.     522. 
Memnon    14. 
Mömoires 

s.    Denkwürdigkeiten. 

—  de  Frederic  le  Grand 
sur  l'histoire  de  la  mai- 
son  de  Brandebourg 
277.  292  Anm. 

—  de  Joinville   141. 

—  —  Napoleon    I.      345. 

Sully     193. 

„Memoires  d'outre-tombe'* 

378. 

Memphis    13.    14.    24.    25. 

Mendelssohn    (Felix;    381. 

Menelaos    32. 

Menelik,  König  von  Äthio- 
pien   450. 

Menenius  Agrippa  62. 

Menephtah    17. 

Menes   13. 

Menon    314. 

Menschenarmut  in  Afrika 

451- 

—  —  relative  der  Ver- 
einigten Staaten  von 
Nordamerika    470. 

—  —  —  Kanadas   472. 

—  brüdertum  276.  510. 

—  feindschaft,    —    haß 
s.    Misanthropismus. 

„Menschenfresser  {Der)" 
451    Anm. 

—  —  s.    Kannibalen. 

—  freundschaft 

s.  Philanthropismus. 

—  liebe  87.  89.  462.   532. 

—  opfer    17.    20.    24.    71. 

165.    335-    385. 

—  rassen,   ihr    Alter   5. 

—  rechte 

s.   Erklärung   der  Men- 
schenrechte. 

—  reichtum  im  Große- 
Seen-Gebiete  Afrikas 
436. 

S.  auch  Kinderreichtum, 
in    Asien    451. 

S.  auch  Kinderreichtum, 
China  465.   501. 


66o 


Namen-  und  Sachregister 


Menschenreichtum  im 

Englischen   Indien  458. 

S.  auch  Kinderreichtum, 
Menschenseuchen   in 

Afrika 

s.     Afrikaseuchen. 

—  Verachtung    416. 
Menschheit  142.  368.  374. 

430.  484.  488.  492-  493. 

497-  498.  510-  514-  516. 

529-  533-  534-  537-  538. 

539- 

540.     541. 

—  saufstieg  305.   320. 

—  sbefreiung  der  Wissen- 
schaft  276.    509.    540. 

—  sgeschichte 

s.    Geschichte    der 
Menschheit. 

—  sorganisation  430.  492. 
510. 

Menschikow    256. 
Menschhche   Raserei  483. 

491-  529-   539- 

—  s    Gewissen    bei    Kant 

351- 

—  Sprache  522. 

—  Zuchtwahl  auf  wissen- 
schaftlicher Grundlage 
540. 

Mercie    (Antonin)    521. 
Merim^e    (Prosper;    379. 

M^ridianmessung 

s.   Längengradmessung. 

—  von  Greenwich   519. 
Merowinger     116. 
Merw    457. 
Mesopotomien      (Euphrat 

und  Tigris;  .14.   16.   24. 

40.    452. 
Messalina  85. 
Messe    (heilige)    187.    192. 
Messias    28.    87.    94.    in. 
Mestize  165.  167.  356.  357. 

359.  411.  501. 

Metallgruben  afrikanische 

447- 
sibirische    452. 

—  hämmer 

s,    Hütttenbetriebe. 

—  kabel  (Metallröhren; 
als  Leiter  elektrischer 
Kraft    523. 

—  oxyde    349. 

—  werke 

s.    Hüttenbetriebe. 


Metaphysik 
deutsche   351. 
französische    274. 
griechische    48. 
indische    268. 

—  ihre   Gebrechlichkeit 
539- 

Metaurus    73. 

Metempsychose  (Seelen- 
wanderung)   IG. 

Metermaß,  Annahme  des 
518. 

Methoden 

s.    Beobachtende    — 
und    Experimental-    — . 

Methodik  der  allgemei- 
nen   Physiologie   429. 

—  im  allgemeinen  217. 
429. 

Metrik    französische    377. 

Metropolstellung     Algiers 

im  französischen  Afrika 

444- 
Metternich     (Fürst     von) 

336.   337-   355-   394- 

—  s  Vermittelungsvor- 
schlag 

s.  Vermittelungsvor- 

schlag    Metternichs    an 

Napoleon    L 
Metz    154.    421.   422.   423. 

424. 
Metzu   232. 

Meuchelmord  politischer 
s.  Attentat  politisches. 

Meutereien 

s.    Volksaufstände    und 
Soldatenaufstände. 

Mexikaner     164 — 167. 

Mexikanische    Rasse    165. 

—  Republik    411. 

—  Strafexpedition  Frank- 
reichs, Englands  und 
Spaniens  411. 

—  r    Feldzug 
Napoleons   IIL  411   bis 
412. 

Mexiko  (Staat)  51.  164. 
165.  166.  167.  196.  201. 
244.  356-  357-  359-  406. 
410 — 412.  470.  472.  506. 
507. 

—  (Stadt)  411. 

—  -Korps  (französisches) 
411.    412. 

Meyerbeer  (Giacomo)  433. 


Michael    (Erzengel)    144. 

—  Obrenowitsch,  Fürst 
von  Serbien  477. 

—  Romanow  (Zar)  237. 
„Michael   Servet"    (Span. 

Drama)  541  Nachtr. 
S.  auch  Servet  (Miguel). 

Michelangelo    (Buonar- 
rotti;  s.  Buonarrotti. 

Michelet    (Jules;    380. 

Mikado    467.     468. 

Mikroben    528. 

Mikroskopierkunst  23 1 . 
527. 

Mikroskopierübungen 
anatomisch-patho- 
logische   527. 

Milan,  Fürst  von  Serbien 

477- 

—  l.  Obrenowitsch,  König 
von  Serbien  477. 

Milch   528.   532. 

— ,  ihre  chemische  Reak- 
tionen   528. 

— ,  ihre  Pasteurisierung 
532. 

—  —  Sterilisierung      532. 

—  Untersuchung  der  Kühe 
532. 

—  ,  Vernichtung  infek- 
tiöser   532. 

Milet    37.    41.    47. 

Militärausgaben,  —  lasten 
175.  196.  239.  346.  431. 
434.  489.  493-  507-  509- 
534.     538. 

S.   auch   Heeresaus- 
gaben. 

—  —  Notwendigkeit  ihrer 
gründlichen  Einschrän- 
kung auf  Kosten  des 
Budgets  für  Wissen- 
schaft   und    Kunst    431. 

493-     534; 

—  automobile    490. 

—  bewilligungsrecht 

s.      Heeresbewilligungs- 
recht. 

—  budget 

s.   Militär-  und  Heeres- 
ausgaben. 

—  despotien 

s.    Militärregierungen. 

—  dienstordnungen   490. 

—  diktatur 

in  England  225. 


Namen-  und  Sachregister 


66 1 


Militärausgaben  in  Frank- 
reich 225.  302.  303.317 
bis  319.  423.  424. 

—  Holland    230. 

—  Mexiko   410. 

—  Mittelamerika  412. 

—  Südamerika         359. 
412. 

—  ersatzgeschäft 

s.     Rekrutenaushebung. 

—  etat 

s.    Heeresausgaben, 
Militärausgaben. 

—  etatsverweigerung  415. 

—  flugzeuge  490.  515  bis 
516. 

—  gesetzgebung    335. 

—  hierar chie   215.    239. 
Militärische      Ausnützung 

aller   Wissenschaft   und 
Industrie    490. 

—  Besetzung  Tunesiens 
durch    Frankreich    444. 

Marokkos      durch 

Frankreich  445. 

—  Initiative  416.  421. 

—  Niederwerfung  polni- 
scher   Demonstrationen 

403- 

—  s    System   der   Türkei 

475- 

Napoleons    I.    309. 

Militarisierung       Europas 

316.    345.    434.    489- 
Militärkolonnen,  römische 

385.    476. 

—  lasten 

s.    Heeresausgaben. 

—  luftschiffe    490.    514. 

—  macht,  —  Staat  56. 
152.  158.  174.  196.  203. 
229.  238.  243.  246.  254. 
260.  261.  265.  311.  316. 

345-  353-  475-  477-  489- 
516. 

—  partei    323. 

—  pf licht  140.  255.  403 
434.  468.  475.  489-  491. 

493- 

für     die     Christen 

des    Balkan   475. 

—  putsche 

s.    Soldatenaufstände. 

—  regierung    509. 

—  revolten 

s.    Soldatenaufstände. 

—  russisches  in  Afghani- 
stan   und    Persien    456. 


Militärschriftstellerei      72. 

263. 
— ■  Staaten,    Preußen    265. 

—  Stationen     am     Kongo 

437- 

—  türkisches  in  Bulgarien 
478. 

—   Serbien   477. 

—  vorlagen  335.  345-346. 
Milizheer    282.    283.    339. 

386.    408.    423. 

Miltiades  29.  41. 

Milutin  (Nikolaus)  40a 

Mimircy    s.    Natürliche 
Zuchtwahl. 

Minderwertigkeit  der  chi- 
nesischen Rasse  gegen- 
über   der    weißen    465. 

Bevölkerung 

356.   359.   408.   448. 
s.  auch  Bewertung  der 
Schwarzen  Rasse. 

Opemtexte         bis 

Wagner  433. 

Mindestarbeitslohn 
s.     Minimaltarif. 

Mingdynastie  465. 

Minimallöhne 
s.    Minimaltarif. 

—  tarif  in  Australien  und 
Neuseeland  474. 

Minimum  des  Bevölke- 
rungszuwachses bei  den 
europäischen  Völker- 
schaften   500. 

Minister  34.  184.  220. 
222.  239.  260.  265.  286 
287.  295.  297.  298.  306. 
312.  361.  388.  415.  418. 
419.  420.  421.  482.  541. 
Nachtr. 

—  absolutismus  312.   415. 

—  des  Auswärtigen  419. 
541     Nachtr. 

—  ialregierung 

s.   Kabinettsregierung. 

—  ium  321.  353.  418.  440. 
541.    Nachtr. 

—  —  in  Frankreich 
durch  die  Liberalen 
418. 

swechsel  in  Frank- 
reich vor  dem  Deutsch- 
Französischen  Kriege 
unter  Napoleon  III. 
418. 

—  Präsident  256.  258.  259. 
295.  299.  312.  320.  323. 


336.  339-  361.  365.  372. 
395.  415.  418.  419.  420. 
482.   541   Nachtr. 
Ministerrat 
s.   Kronrat. 

—  regentschaft  210.  211. 
214.     257. 

—  Verantwortlichkeit  in 
England    257.    273. 

Minnedienst     128. 
Minos  31. 
Miollis    304. 
Mir    402. 

Mirabeau    289.    295.    486. 
Misanthropismus       Fried- 
richs  des    Großen   261. 

—  Napoleons    I.    346. 
Mischlinge 

s.    Mestizen. 
Mischrassen      in      Afrika 

449- 
„Miserables     Les"     378. 

432. 
Misogynentum 

s.    Weiberfeindschaft. 
Missi    Dominici     119. 
Missionare     englische     in 

Madagaskar    449. 
Mississippi    165.   257.   267. 

405.     409. 
Missolunghi    361. 
Mitgift    64. 
Mithridates    75. 
Mitklingende     Töne    430. 
Mitleid    87.    462. 
Mittelafrika    440.    446. 

—  alter      151.     204.     368. 

524.     532. 

—  amerika  162.  167. 
244.  265.  356.  406.  470. 

—  asien 

s.   Innerasien. 

—  europa    425.     458. 

—  europäische    Zeit    519. 

—  ländischer  französi- 
scher Lehnsstaat  zur 
Zeit   der   Kreuzzüge  132 

133-     141- 

—  ländisches  Meer.  7. 
18.  22.  30.  31.  37.  52. 
71.  72.  87.  124.  158. 
159-  239.  314-  384.  412. 
443-     444-445-     461. 

—  meerfische    514    Anm. 
küste       435.      445- 

446. 

—  stand         französischer 

305- 


24    Richet,  Geschichte  der  Menschheit,  II. 


662 


Namerx-  und  Sachregister 


Mittlere  Steinzeit  oder 
Paläolithformation  i  bis 

2. 

Mitscherlich  (Eilhardj 

375- 
Moab    und    Moabiter    i8. 

2o. 
Mobilgarden    französische 

421. 

Mobilisierung  allgemeine 
in   Europa   489. 

—  der  Alliiertenheere  im 
Ersten        Balkankriege 

,481. 

—  des  türkischen  Heeres 
zum  Russisch-Türki- 
schen   Kriege    478. 

—  französische    421. 

—  preußische  416.  420. 
421. 

Mobilmachung 

s.  Mobilisierung  und 
auch  Allgemeine  Mo- 
bilmachung. 

—  zustand    der    Heere. 

s.       Kriegsstärke      der 
Heere. 
Modena  (Herzogtum^ 

399- 

—  (Stadt)  310.  399. 

Moderne  Demokratien, 
ihre  Neigung  zum 
plutokratischen  System 
509. 

• —  Gesellschaft    5. 

—  —  sentwickelung  in 
Verfassung,  Volksbil- 
dung, Literatur,  Presse 
491    bis    493. 

—  Kriegführung  489  bis 
491. 

—  Kunst    434. 

—  s  Christentum  504. 

—  Verkehrsgeschwindig- 
keit   512. 

—  Waffentechnik  im  Ver- 
hältnis zu  der  alten  490. 

—  Weltanschauung  Ka- 
tharinas n.  von  Ruß- 
land   277. 

—  Wissenschaft(enj  509. 
510.  516.  517.  519.  524. 
534-  539—541- 

—  —  als  Grundlage  der 
Industrie  und  Heil- 
kunde  534. 


Moderne  Wissenschaften 
als  Stützen  der  neuen 
sozialistischen  Gesell- 
schaft  509. 

—  — ,  ihr  Vormarsch 
unter  dem  Zeichen  der 
Großen  französischen 
Revolution   348  ff.    538. 

Mohammed  (Prophet)  1 1  o. 
III.  112.  114.  116.  118. 
120.    268.   447.   461. 

—  II.    (Sultan)    152. 

—  aner  und  mohammeda- 
nisch     III.      113.     117. 

157.    455-    478. 

—  —  tum,  Mohammeda- 
nismus 

s.    Islam. 
Moldau,    Fürstentum   360. 

362.    396.    398.    476. 
Moldauer   254. 
Moliere    248.    271.    378. 
Mollusken    43 1 . 
Moloch    71.    165.    335. 
Molukken    163. 
Monarchie    (Monarchisch. 

Staat)     173.      187.     189. 

196.  212.  224.  247.  257. 

261.  262.  272.  285.  306. 

419.    467.    470.    485. 
Monarchisch      181.       199. 

228. 
Monarchismus      96.      146. 

155.  224.  227.  228.   250. 

268.  281.  285.  287.  289. 

294.  295.  296.  297.  306. 

340.   355-   390-   392. 
Monarchisten 

in   Amerika  267. 

in     der     Französischen 

Republik    388. 

S.  auch  Loyalists. 
Monatsbezeichnung   (revo- 
lutionäre    französische; 

303.    304.   308.    316. 
Moncey    304. 
Mönch 

s.  Ordensmönch  —  Klo- 
stermönch     und      auch 

Unabhängigkeitsbestre  - 

bungen  una  Sittenlosig- 

keit. 

—  e   als  Volksbildner. 

—  sorden    100.    178.    187. 

305. 
Mondovi   310. 
Mongolei    465. 
Mongolen    151.    463.    465. 


Mondbahn  250. 

—  Sturm  463.  465. 
Montgolfier  (Etiennej  513. 

—  (Joseph;  513. 
Mongolische  Gebirgs- 

Stämme    465. 

—  Rasse 

s.   Gelbe  Rasse. 

—  Rasse,  ihre  Intelligenz 
s.  Gelbe  Rasse,  ihre  In- 
telligenz. 

Monismus    374. 
Monk    (General;    226. 
Monotheismus      95.      116. 

268. 
Monroe    (Präsident)    357. 

405. 

—  doktrin    357.    405. 
Mons    sacer 

s.    Heiliger    Berg. 
Montaigne    (Michel    de) 

194.   247. 
Montbard  79. 
Montcalm    267. 
Montenegriner  481. 

—  aufstände  360. 
Montenegro       360.       477. 

478.    479.    481. 
Montenotte  310. 
Montespan      (Frau      von; 

242. 
Montesquieu  274.  275.  277. 
Monteverde  (Claudio)  381. 
Montezuma   166. 
Montholon   344. 
Montijo 

s.     Eugenie     (Kaiserin 

von    Frankreich). 
Montmorency   189. 
Moral    356.    407.    408. 

—  istik 

s.   Ethik. 

—  Unterricht  in  Frank- 
reich   276. 

Mord  von  französischen 
Kongreßbevollmächtig  - 
ten    s.    Gesandtenmord. 

More   (Thomas) 

s.   Morus  (Thomas). 

Morea  254. 

Moreau    (General)   319. 

Morgenland 
s.    Orient. 

—  ländische  und  Mada- 
gaskargesellschaft 

s.  Compagnie  de 
l'Orient  et  de  Mada- 
gascar. 


Namen-  und  Sachregister 


663 


Moriskos     196. 
Moritz,    Graf  von   Nassau 
198.   229. 

—  Kurfürst   von   Sachsen 
262. 

Morosini    44. 
Morphin   527. 

—  behandlung  527. 
Morton    376. 

Morus  (Thomas)  183.  184. 
Mosaik    109. 
Mosaismus    89. 
Moscheen    iii.    115.    462. 
Moschee    zu    Granada 

s.    Alhambra. 

Medina  in. 

Mose    17.    18.   20.   21.   26. 

45.   110. 
Mosel   299. 
Moses    (Skulpturwerk) 

172. 
Moskau    (Land) 

s.     Moskowien. 

—  (Stadt;   236.    237.    253. 

494-  495- 
Moskito    532. 
Moskowien    237.    254. 
Moskwa    333. 
Moslem   (Muselmanen)  27. 

HO.  III.   114.  116.    119. 

134.   139.  155.   156.  157. 

314.   384.   458.   475. 

—  isch    266. 
Motore 

s.    Elektrische    Maschi- 
nen. 

—  f lugzeuge  515. 
Motorische    Kraft    523. 

—  Nerven   376. 
Motorluftschiffe    513. 

—  wagenverkehr 

s.  Automobilismus. 
Moulin    316. 
Mozambique       162.      435. 

438.  450- 
Mozart    (Wolfgang    Ama- 

deus)  381.  433.  434. 
Muhammed 

s.  Mohammed. 
Mukden  453.   454. 
Mulatte     356.     359.    406. 

411.   501. 
Mülhausen   314. 
Müller      (Johannes)      376. 

429. 
—  (Wilhelm)    59    Nachtr, 
Mummius   56. 
München    319. 

24« 


Mundartliches  Franzö- 

sisch 400  Anm. 

Mündigkeitserklärung  der 
Menschheit 
s.   Emanzipation  —  — . 

Munitionstransporte   490. 

Munizipien    84. 

Münster     (Kanton    Bern) 
154. 

Münzeinheit  internationale 
518. 

Münzinschriften  271.   352. 

—  metalle    506. 

—  System 
lydisches    40. 
russisches    363. 
internationales    der    Zu- 
kunft   518. 

—  Werkstatt    256. 
Murat  313.  325.  336.    337 
Murawjew      (General    Ni- 

kolaij    452. 
Murten    168. 
Musa    114. 
Muschik   403. 
Museen     232.      256.     261, 

277.   318. 

—  zu    Alexandria    57. 

—  —  Paris  (Louvre)  137. 
Muselmanen 

s.    Moslems. 

„Musicae  princeps"   (Be- 
zeichnung  für    Palestri- 
na)  380. 
Musik 

im    alten    Griechenland 

380.     381. 
in      Deutschland      147. 
380.    381.    382.    433. 

434. 
in  Frankreich  380.  381. 

433. 
internationale    moderne 

433.   521. 
in  Italien  380.  381.433. 

—  ,  ihre  Zukunft  434. 

—  drama    deutsches    433. 

—  instrumentenbau    381. 

—  liebe     Friedrichs     des 
Großen  261. 

Muskete   209. 
Musketier    240. 
Musset    (Alfred    de)    378. 
Mustapha  III.  279. 
Mutsu-hito   468. 
Muttergotteskult    125. 


Muttermilch    533. 

ersatzmittel,      ihre 

Wertlosigkeit    533. 
—  Sprachendünkel   510. 

pflege    503.    510.  . 

Muybridge  (amerikanisch. 

Photograph)  521. 
„Mwanga"  437   Anm. 
Mykale  42. 

Mykene,  Mykenier  23. 
Mykerinos    11.    13. 
Myographie    429/430. 
Myron  43. 
Mystiker    148.    361. 
Mystizismus        177.      361. 

432. 
Mythologie  10.  15.  26.  31. 

45.    268.   461.    535.    536. 
Mytilene    47. 


Nabob    270. 

Nabopalassar    26.    27.    29. 
Nachhut    (Nachtrab)    327. 
Nachrichtendienst         516. 
518. 

—  internationaler 

s.  Internationaler  Nach- 
richtendienst. 

Nachteile  des  wachsenden 
Einflusses  der  Tages- 
presse 492.  493. 

Nachzügler 

s.    Nachhut,    Nachtrab. 

Nadin    (Schahj   457. 

Nährflüssigkeiten    529. 

Nahuas   165. 

Nancy     168. 

Nan-king    466. 

Nantes  123.  193.  198.  214. 
231.  241.  242.  243.  273. 
302.  364. 

Napoleon  I.  202.  225. 
230.  244.  252.  264.  316 
(321)-347.  348.  353. 
360.  387.  388.  399.  405, 
411.  416.  422.  425.  465. 
S.  auch  Bonaparte  (Na- 
poleon). 

—  II.,  König  von  Rom 
330.   339-   342.   343. 

Napoleon    III.    232.    244. 

352.  389-  396.  398.  399. 
400.  401.  411 — 412.416. 
417.  418.  419.  420.  421, 
422.    449. 

—  dichtung    345. 


664 


Namen-  und  Sachregister 


Napoleonische  Gesetzge- 
bung und  Verwaltung 
305.  318.  320. 

—  Kriegskunst    329.    647. 

—  Politik  318.  321.  322. 
323.  324.  325.  326.  327. 
328.  329.  330.  332.  333, 
336.  346. 

—  Selbstsucht   346. 

—  s.:  Regierungs-  u.  Staats- 
system 

s.  Napoleonismus. 
Napoleonismus    311.    353. 
Napoleonkult     320.      322. 

343- 

—  legende   345. 

—  s  I.  Vergötterung  346. 
s    I.    Bürgerliches    Ge- 
setzbuch   (Code   civil), 
s.    Code    Napoleon. 

—  s  I.  Gesetzgebung  345. 

—  s    I.    Schuld    311. 

—  s    I.    Tod   344. 

—  s  I.  und  seiner  Heere 
Kriegsruhm  320.  322. 
330.  334-  340.  346.  405. 

—  s  III.  Forderung  des 
linken  Rheinufers  für 
Frankreich    417. 

—  s  III.  und  seiner  Heere 
Kriegsruhm    419. 

—  s  III.  Zugeständnis 
parlamentarischer  Bürg- 
schaften 

s.  Zugeständnis  parla- 
mentarischer Bürgschaf- 
ten durch  Napoleon  III. 

Narses     108. 

Narvaez     (General;    418. 

419- 
Narwa    252.    254. 
Naseby    223. 

Nassau  197.   198.  229.  230. 
Natal  441.   499. 
Nationale   Begeisterung 

s.    Volkserhebung. 

—  Gedenktage 

in    Frankreich    290. 
in   Nordamerika  283. 

Nationaleigentum  305. 
341. 

Nationale  Sprachen  347. 
503. 

■ ,  ihre  weitere  Be- 
rechtigung neben  der 
internationalen  Welt  - 
spräche    501. 


Nationales      Selbstbestim- 
mungsrecht 
s.   Selbstbestimmungs- 
recht   der    Völker. 

—  Volkstum  der  Arme- 
nier   455. 

Nationale  Traditionen  347. 

—  Unabhängigkeit. 

s.    Unabhängigkeit    na- 
tionale. 

—  Verteidigung 

s.    Defense    nationale. 
Nationalfarben        (franzö- 
sische) 
s.    Trikolore. 

—  feste,  Nationale  Feier- 
tage 

s.      Nationale    Gedenk- 
tage. 

—  garde    339.    343.    423. 

—  gefühl    144.    189. 
Nationalismus  510.  541. 
Nationalitätenprinzip    398. 

400.   414/415-   479-   510. 

—  königtum    399. 

—  konvent  300.  301.  302, 
303.  304.  305.  307,  311. 
3i8. 

—  -ökonomische  Kon- 
gresse  519. 

—  —  Zukunftsprobleme 

s.     Volkswirtschaftliche 
Zukunftsprobleme. 

—  Parteien    ägyptische 

439- 

—  Staat 

s.  auch  Volkseinheit. 

—  Staaten     173.    347. 

—  tugenden  der  Chine- 
sen 465. 

Japaner   454. 

—  Rumänen  476. 

—  Versammlungen  289. 
293.  294.  296.  298.  299. 
300.  305.  337.  386.  395. 
425.   426.   427. 

—  Versammlung  erste  289. 

—  —  zu    Bordeaux   425. 
Natron    349. 
Naturalisation 

kanadische    473. 
in       den       Vereinigten 
Staaten   von    Nordame- 
rika 473. 

—  serleichterung  in  den 
Vereinigten  Staaten  von 
Nordamerika  473. 


Naturalismus    französisch 

432. 
Naturforschung       altgrie 

chische   46.    48. 

deutsche  375.  376.  429 

430- 

englische  376.  428.  430 

431. 

französische     375.    376 
429.    430.    431. 
internationale  427 — 431 

521—525. 

nordamerikanische    427 

bis    431.    521—525. 
Naturgesetze  375 — 376. 
Natürliche       Bodenarmut 

Rhodesias    442. 

—  —  Madagaskars      449. 

—  —  von  Natal,  Oranje- 
freistaat,  Transvaal  441. 

des     Kapländischen 

Bodens    441. 

—  Gärungsvorgänge    528. 

—  Grenzen  Frankreichs 
304.  311.  336.  338.  346. 

—  Landeseinheit  Polens 
278. 

—  s  Völkerrecht 

s.    Naturrecht   der  Völ- 
ker. 

—  Zuchtwahl  349.  428. 
540. 

Naturrecht  der  Völker 
400. 

—  Wissenschaften 

s.    Naturforschung. 

—  —  moderne,  ihr  Wert 
464. 

Naturwissenschaftl.  Lyrik 
520. 

—  Museen  305. 

—  Romane  520. 

—  s  Zeitalter  368.  427. 
429.   540. 

Nauen    517. 

Navarino  362. 

Navarra      156.     182.     189. 

191.    192.    304. 
Navigationsschule 

S)    Seeschule. 
Nazareth   87. 
Neapel   (Königreich;    169. 

175-  235-  323-  355-  An- 
merk.   398.   400. 

—  (Stadt)  154.  159.  169. 
170.  313-  355-  389-  390- 
400.   495. 


Namen-  und  Sachregister 


665 


Neapolitaner      159.      337. 

355- 

Neapolitanische  Volkser- 
hebung 

s.     Sizilianische    Volks- 
erhebung. 

Nebelmonat 
s.   Brumaire. 

Nebukadnezar   27.    28. 

Necker  286.  287.  288. 
289. 

—  sehe  Finanzreform 

s.  Finanzreform  Necker. 

Neerwinden    302. 

Negativer   Pol    einer   luft- 
leeren  Röhre 
s.  Kathode. 

Neger  4.  5.  38.  64.  116. 
159.  162.  164.  356.  357. 
359.  403.  406.  407.  408, 
437.  441.  445.  446.  447- 
449.  450.  451-472.  498- 
501. 

—  ausfuhr  38.  436. 

—  emanzipation  in  Nord- 
amerika  410. 

—  handel  in  Ägypten  436. 

—  —  —  den  afrikani- 
schen Nigerebenen  446. 

den    Vereinigten 

Staaten    38.     201.     266. 

406.    407.    436. 

S.  auch  Sklavenhandel. 

der   Türkei. 

—  häuptlinge    406. 

—  innen  406. 

—  kultur    408. 

—  kunst  408. 

—  literatur  408. 

—  psyche    408. 

—  republik  in  Afrika  448. 
450. 

—  Stämme    436.    445. 

—  Zivilisation    436. 
Negus   (König)  450. 
Neipperg  (Graf  von)  342. 
Nelson  312.  313.  320.  322. 
Nemours    385. 

—  (Herzog  von)   234. 
Neolithformation  oder 

jüngere  Steinzeit  3. 
Nepal    461. 
Nero   36.   -]■].   82.   85.   86. 

90.  91.  93.  94.  97.   183. 

185. 
Nerva  92. 
Nervenlehre 

s.     Neurologie. 


Nervenmuskelb  ewegungs- 
lehre 

s.    Myographie. 

—  System  in  seinen  patho- 
logischen Veränderun- 
gen  527. 

Nestor   32. 

Netzhaut  522. 

Neu- Amsterdam  231.  266. 

Neue  Heilige  Allianz 
396. 

„Neue  Heloise"'  351.  379. 

Neuengland    281. 

Neuer        republikanischer 
Kalender 
s.    Revolutionskalender. 

Neuerscheinungen  der 

Chemie    524. 

Neue  sozialistische  Ge- 
sellschaft 492.  497.  509. 

Neue  Welt  158.  161.  221. 
267.    358.    470.    473. 

Neufrankreich    266. 

Neu-F  rankreich  (Schiff- 
fahrtsgesellschaft)    215. 

Neufundland  246.  265. 
266.    267.    281. 

Neugestaltung  Europas 
durch  den  Wiener  Kon- 
greß   347. 

Neugranada  356.  357.  358. 

Neugriechisch,  Neugrie- 
chische Sprache  und 
Literatur    477.    479. 

Neu-Guinea   471.    474. 

—  -Mexiko  406. 

—  s  Übergang  von  Me- 
xiko zu  den  Vereinig- 
ten Staaten  von  Nord- 
amerika  406. 

Orleans 

s.    New    Orleans. 

—  persisch,  Neupersische 
Sprache  und  Literatur 
s.  Persisch,  Persische 
Sprache   und    Literatur. 

Neurologie  in  Frankreich 

376.  429. 
Neuschottland     246.     265. 

472. 

—  Seeland    414.    473. 

—  —  ische  Gesetzgebung 

473. 

—  Verwaltung  473. 

Neutrale    Schiffe    325. 

—  Staaten  320.   324.   325. 
Neutralisierung  der  Meer- 
engen  398. 


Neutralität 

s.    Neutrale  Staaten.- 
— ^  Belgiens    364. 

—  Dänemarks  324. 

—  Frankreichs    im    Preu- 
ßisch-österreichischen 
Kriege  416.  417. 

—  Österreichs  und  Preu- 
ßens     im      Krimkriege 

397- 

—  serklärung  der  euro- 
päischen Regierungen 
im  Nordamerikanischen 
Bürgerkriege    409. 

—  —  —  Meerengen 

s.    Neutralisierung    der 
Meerengen. 

—  spolitik  der  europäisch. 
Regierungen  gegenüber 
den  türkischen  Massen- 
schlächtereien   478. 

—  —  Englands  gegen- 
über Preußen  nach 
dem  Preußisch-österrei- 
chischen Kriege  417. 

Frankreichs  gegen- 
über   Ägypten    439. 

—  —  vertrag       Preußens 
mit  England   vor    dem 
Preußisch-österreichi- 
schen   Kriege    416. 

Neuwahlen    der    Kammer 

353-  354- 
Neuyork 

s.    New  York. 
Neuzeit      142.      153.     209. 

541. 

—  ,  ihre  Anzeichen  151 
bis    152.     153—154. 

—  ,  Verzögerung  ihres 
Herannahens  142. 

Newa   255. 
Newcastle    367. 
New  Orleans  267. 
New   Plymouth   266. 

Newton   (Isaac)   249.   250. 

271.   348. 
New    York    44.    231.    266. 

281.  367.  472.  494.  495- 

511. 
er  Stadtbahn  511. 

Ney  (Marschall;  339.  341. 

352. 
Nibelungenlied   147. 

—  sage  in  der  Literatur 
147.  433.  448. 


666 


Namen-  und  Sachregister 


Nibelungenzyklus  von  Ri- 
chard Wagner 
s.     Wagnersche     Tetra- 
logie. 

Nicäa    132. 

—  nisches    Konzil    100. 
Niccolo    Pisano 

s.    Pisano. 
Niederlage       Kuropatkins 

bei  Mukden  454. 
Niederlande  120/121.   168. 

194.   196.   197.   198.   199. 

202.  211.  227.228.   229. 

230.  231.  243.  262.  506. 

507.     508. 
Niederländer  194.  232. 
Niederländischer    Partiku- 
larismus   229. 
Niedrige    Arbeitslöhne 

371-  473- 

—  —  der    Chinesen    465. 

—  Preise   371. 

Niepce    (Nic6phore)    375. 
Nierenentzündung    527. 
Niger   435.    443.    446. 

—  ebene    446. 

— •  -Handelsunternehmen 

435- 

—  mündung   443. 
Nihilismus 

indischer    (buddhist.j 

268. 
Nikaragua   359. 
Nikolaus  I.  (Zar)  361.  362. 

363.  364.  382.  395.  396. 

397.  402. 

—  II.    (Zar)   485. 
Nikomedien  97. 

Nil  7.  8.  9.  13.  30.  51. 
56.  75.  382..  436.  440. 
446. 

■ —  quellengebiet  436.  437 
Anm.    440. 

Nimrod    (Gilgameschj    16. 

Ning-po   466. 

Ninive    16.    24.    25.    26. 

Ninus    16. 

Nippsachen,    chinesisch- 
japanische   434. 

Nirwana    148.    462. 

Nivellierung  der  einzelnen 
Gesellschaftsschichten 

SOS- 
Nizza    244.    299.    400. 
Njemen   252.   332.   334. 
Noah    16.    17.    20. 
Nobelpreis    531    Anm. 
Nobilität    76. 


Nomaden  8.   17.   151.   164. 

441. 
Nordafrika    66.    199.    385. 

446. 

—  jamerika  123.  165.  167. 
I7S.  244.  265.  267/268. 
281.  357.  358.  360.  410. 
470.  472.  474.  500.  501. 

ner   281.    282.    283. 

366.  467.  470.  471.  499. 

Nordamerikanische  Ar- 
beitskräfte  407. 

—  —    Bundesgesetzge- 
bung 

s.    Bundesgesetzgebung 
(nordamerikanischej. 

—  —  Einflüsse  auf  Süd- 
amerika 474. 

—  —  Nordstaaten  407. 
409. 

r  Aufschwung  404. 

—  —  r  Bürgerkrieg  408 
bis   410.    412. 

—  —  r  Protestantismus 
266. 

r  Unabhängigkeits- 
krieg 282 — 284.  288. 
292.  404. 

s    Felsengebirge 

s.    Amerikanisches    Fel- 
sengebirge. 

—  —  s    Landheer 

s.      Heerwesen      (nord- 
amerikanisches). 

Südstaaten  407. 

409.    487. 

s   Vollbürgerrecht 

s.     Nordamerikanisches 
Bürgerrecht. 

Nordasien    452. 

—  deutsch  210. 

—  —  er    Bund    417. 
es    —    espräsidium 

417. 

land  107.   180.  206. 

Norden  (Depart.  Frank- 
reichs)   338.    366. 

Nordeuropa    186.   250. 

—  frankreich   366. 
Nordische    Literatur    432. 

—  r  Krieg  252.  253.  254. 
Nordländer 

s.     Skandinavier. 
Nördlingen   210.    211.  212. 
Nordmannen 

s.    Normannen. 
Nordsee    487. 


Nordstaaten  der  Union 
s.  Nordamerikanische 
Nordstaaten. 

Normalarbeitszeit 

in  Australien  und  Neu- 
seeland 473. 

—  temperatur  des  mensch- 
lichen Körpers   527. 

Normandie  124.  129.  137. 
146. 

—  ,    ihre    Gründung    124. 
Normannen   13.    103.    117. 

122—124.  128.  129.  130. 
131.   137.  209. 

—  tum    130. 
Normannisch      130.      132. 

145.     148.     158. 
North    (Lordj    282. 
Norwegen    180.    253.    347. 

432.  489-  491-  499-  506. 

507.    508.    512. 
Norweger    432. 
Norwegisch     158. 
Nostalgie 

s.   Pathologie. 
Notabein    287. 

—  Versammlung    287. 
„Notre-Dame    de    Paris" 

378.  379- 
Notre-Dame-Kirche      321. 

342.    378.    379- 

Not  und   Elend 

s.    Wirtschaftliche    Not- 
lage. 

Notwendigkeit  der  Aus- 
stattung der  internatio- 
nalen Schiedsgerichts- 
höfe mit  allen  nur  denk- 
baren Machtmitteln 
486. 

—  —  modernen  Wissen- 
schaften für  die  Neue 
sozialistische  Gesell- 
schaft  509.   510. 

—  des  obligatorischen 
Charakters  der  interna- 
tionalen Schiedsgerichts- 
höfe   486. 

—  einfachster  Formenbil- 
dung und  lateinischer 
Gestaltung  des  Wort- 
schatzes und  der  Schrift 
einer  zukünftigen  künst- 
lichen internationalen 
Weltsprache  502. 

Novara    392.    394. 
Novellendichtung  s.  unter 
Romanschriftstellerei. 


Namen-  und  Sachregister 


667 


Novemberstaatsstreich 
s.     Staatsstreich    Bona- 
partes. 

Novi    315. 

Novibasar      (türkisches 
Sandschak;  479.  481. 

Novum   Organon  219. 

Nubien   14. 

Numider    und    Numidien 
71.    75.    n.    96. 

Nürnberg   154.  367. 

Nymwegen    230.    241. 

Nystädt   253.    280. 


Oberbefehlshaber 

s.  Generalissimus  und 
auch  Kommandierender 
General. 

Oberhaus    138.    222.    224. 

371. 

Oberhausen    319. 

Oberherrlichkeit  des  Sul- 
tans über  Ägypten,  Ma- 
rokko,   Tripolis,    Tunis 

435- 

den    Khedive 

von   Ägypten  435.   440. 

OberitaUen  69.  72.  235. 
390. 

Oberkommandierender 
s.  Generalissimus. 

Obernilland    440. 

Obersten  deutsche  361. 

Oberster  Schiedsgerichts- 
hof im  Haag  484.  485. 
486.    487.    489. 

Oberyssel    228. 

Obhut  über  das  Heilige 
Grab  in  Jerusalem  396, 

Obligatorische  Schiedsge- 
richte 485.  486.  488. 
489.   538. 

—  s  Schiedsgerichtsver- 
fahren zwischen  Argen- 
tinien  und    Italien   487. 

—  —  —  Dänemark  und 
Holland   487. 

Obrenowitsch    (Serbisches 

Herrscherhausj    477. 
Obsthandel  405. 
Octavian    58.    68.    81.    83. 

93- 
Odendichtung 

altgriechische    36. 

altrömische    83. 

französische  377. 
„Oden  und  Balladen"  377. 


Oder    212. 

„Ödes  et  Ballades"  2>77- 

„Ödipus''  31. 

Odoaker    106. 

O'Donnell    (General)   419. 

Odyssee  32.   33. 

Odysseus    32.    33. 

Offenbarung    181.    290. 

Öffentliche    Meinung   273. 

283.  287.  335.  383.  421. 

422.    431.    484.    486. 
Offizianten   381. 
Offiziere     340.     341.     364. 

382.  403.  408.  421.  425. 

437. 
Offizierkorps      310.      421. 
440.    454.    468. 

—  sbeförderung 
s.    Avancement. 

—  seingaben  an  Napo- 
leon   I.    330. 

—  süberlieferungen  288. 

—  swesen    288.     310. 
Öffnung    der    japanischen 

Häfen  468. 

—  von-  vier  chinesischen 
Häfen  für  den  Aus- 
landshandel 412.   466. 

Ogowe    (Strom)    437. 

374- 
Ohm     (Elektrische     Maß- 
einheitsbezeichnung) 

—  (Georg   Simon)   374. 

—  becken   437. 
Okkulte      Wissenschaften 

und    Okkultismus     534. 
540.   541. 

Okkupation  Ägyptens,  der 
Kapkolonie,  des  Sudans 
usw. 

s.     Englische    Okkupa- 
tion  Ägyptens   usw. 

—  des  linken  Amurufers 
452. 

—  Frankreichs  im 
Deutsch  -  Französischen 
Kriege   424.    426. 

ökonomische  Probleme 
370. 

—  und  soziale  Neugestal- 
tung Europas  366  bis 
373- 

Oktroyierte       Verfassung 

394- 
Okzident    361.    434.    467. 

503-    536. 
Oldenburg   331. 


Oligarchie  34.   38.   55.  61. 
Ollivier  (Emile)  419.   420. 

421. 
Olmütz    394. 

—  er   Konvention  394. 
Olymp    45.    65. 
Olympia    36.    37.    44. 

—  de    35/36. 
Olympische       Siegesoden 

36. 

—  Spiele  35  f.  37.  49.  55. 
Omar    58.    113. 
Omnipotenz    des    Papstes 

180.    181. 

„Onkel  Toms  Hätte"  407. 

Ontariosee   267. 

Oolithformation    oder 
älteste    Steinzeit    i. 

Operationen 

s.    Chirurgische    Opera- 
tionen. 

—  chirurgische,  ihre  töd- 
lichen   Ausgänge    529. 

—  sinstrumente    529. 
Operettendichtung  in 

Frankreich    381. 
Oper,       ihre       phonogra- 
phische   Sprache    522. 

—  ,    ihr    Ursprung    381. 

—  ndichtung 

in      Deutschland      381. 
382.  433- 

—  Frankreich   381.433. 

—  Italien  381.   433. 
Opferdienst  17.  20.  21.  24. 

71.  89.  95.  165.  335. 
Opium  466.  525. 

—  behandlung   525. 

—  genuß,  seine  Folgen 
466. 

—  krankheit   466. 

—  verbot  bei  den  Chine- 
sen 466. 

Opotherapie    531. 

Opposition  gegen  absolu- 
tistisches und  religiöses 
Denken  273. 

—  spartei,  französische 
366. 

—  unter  Napoleon  I.  317. 
Optik  231.   250. 

Option  für  Frankreich  sei- 
tens Napoleons  I.  309. 

Orakel    37.    42. 

Oran    157.    384. 

Oranien  197.  198.  226. 
227.    229.    230. 


668 


Namen-  und  Sachregister 


Oranien  (Prinz  von) 

s.  Wilhelm  Graf  von 
Nassau,  Prinz  von  Ora- 
nien. 

Oranjefreistaat  435.  439. 
441.  442.  499. 

Oratorien    381. 

Oratorisches    Genie 

französisches    289.    295. 

424. 

griechisches   48.    49/50. 

römisches  65. 

spanisches    419. 

Orcagna   150. 

Ordensbrüderschaften 
100.  305. 

—  gesellschaften 

s.  Ordensbrüderschaf- 
ten. 

—  land   Preußen   278. 

—  mönch    172. 

Ordination   296. 

Ordnung  (Gerechtigkeit) 
englische    271.    459. 

—  in  Staat  und  Regie- 
rung 306.  307.  318.  327. 
405.   459.   485.    538. 

—  und  Friede  459.  485. 
486.   488. 

Organisation  der  Mensch- 
heit 

s.  Menschheitsorganisa- 
tion. 

„Organisator  der  Siege" 
(Bezeichnung  Lazare 
Carnotsj    303.    348. 

Organisation  der  Wissen- 
schaft 350.  374.  427. 

Organische  Chemie  429. 
527.   528. 

—  Funktionen  429. 

—  Körper      der     Chemie 

375-  429- 

—  Verbindungen  der 
Chemie 

s.  Organische  Körper 
der    Chemie. 

Organisierter  und  diszi- 
plinierter Krieg  bei  den 
Römern  65 — 68.  536. 

Organotherapie 
s.    Opotherapie. 

Organsafttherapie 
s.    Opotherapie. 

Orgel    381. 

Orient  396. 


Orientalische    Frage    398. 

476.    480. 
Orienthandel    148. 
Orinoko    358. 
Orleans      (Herrscherhaus) 

386. 
Orleans   (Stadt)    104.    144. 

147.   190.  257.  424.  425. 
Orleans 

s.   Charles  d'Orldans. 

—  s.   Johanna  von  Are. 

—  ville    385. 
Orlow  277. 
Ormus     163. 
Ormuzd   27.   45. 
Orsini  235. 

övsted     (Hans    Christian) 

373- 
Orthodoxe    Christen 

s.    Griechische   Katholi- 
ken. 
Orthodoxie  354. 

S.  auch  Gläubigkeit, 
Ortsanzeiger 

s.    Lokalblättchen. 
Ortszeit    519. 
Orvilliers   (d')  284. 
Osaka  495. 
Osman  151. 
Osmanen 

s.    Türken. 
Osman    Pascha    (General) 

478. 
Ostarmee  französische  im 

Deutsch  -  Französischen 

Kriege    424. 
Ostasien      164.    215.     244. 

452.    455.    468. 

—  äußerstes    455. 

Ostasiatische  Flotte  Ruß- 
lands im  Russisch-japa- 
nischen Kriege  454. 

Ostchinesisches  Meer  452. 

Österreich  (Herrscher- 

haus) 194.  208.  212. 
233-    355-    480. 

—  (Staat)  146.  206.  212. 
214.  225.  234.  243.  246. 
255-  259.  262.  263.  265. 
272.  278.  279.  280.  297. 
298.  304.  308.  310.  311. 
312.  315.  319.  322.  323. 
324.  327.  328.  329.  330, 
332.  336.  337-333.  342. 
347-  354-  355-  361.  363- 
383-  389-  390-  391.  392. 
393-  394-  395-  397-  398- 
399.  401.  411.  415.  416. 


417.  418.  477.  478.  479. 
480.  481.  482.  483.  500, 
502.    509.    537. 

Österreicher  und  Österrei- 
cherinnen 206.  233.  263. 
264.  279.  286.  298.  299. 
300.  301,  309,  310.  322. 
329-  332.  337-  343-  355- 
389.  390  391-  392.  393- 
394-  399-  416. 

—  isch  146.  206.  207. 
211.  262.  340.  342.  354. 
390-  399-  412. 

österreichische  Haus- 

machtpolitik 
s.    Hausmachtpolitik. 

—  -englisch-italienischer 
Krieg      gegen     Frank- 
reich   308 — 312. 

—  Regierung  354.  396. 

—  Revolution      393 — 394. 

395- 

—  russischer  Heeresver- 
band während  der  Re- 
volution   395. 

—  Slawen    502. 
Österreichs  Neutralität  im 

Krimkriege  397. 

—  Präsidium  im  deut- 
schen Bundesstaat 

s.  Österreichs  Vorsitz  im 
deutschen    Bundesstaat. 

—  Volkskrieg  gegen 
Napoleon    I.    328 — 329. 

—  Vorsitz  im  deutschen 
Bundesstaat   394. 

—  -Ungarische  Völkerge- 
meinschaft   394. 

—  -Ungarn  477.  479-  5o6. 
507.     508. 

Osteuropa     199.     280. 
Osteuropäer    455. 
Ostgoten  (Ostrogoten) 

102.    106.    107.    108. 
Ostia  392. 
Ostindien    230. 
Ostindische      Gesellschaft 

230.    282.    442. 

—  Handelshäfen   231. 

—  —  niederlassungen  der 
Portugiesen    230. 

—  r    Handel    s.    Handel. 
Ostpreußen    265. 
Ostrogoten 

s.    Ostgoten. 
Oströmisches     Reich     97. 
108—109.    III.  134 


Namen-  und  Sachregister 


669 


Ostsee  208.  236.  252.  254. 
255.    280.    454. 

—  flotte  russische  im  Rus- 
sich-japanischen Kriege 

454- 

—  häfen    russische    452. 

—  Provinzen  253.  254. 
380.  452. 

Ostsibirien  452. 

Otho    91. 

Otto    I.    138. 

Otto   IV.    137.    139. 

Ottomanen 
s.    Türken. 

Ottomanische  Regierung 
s.  Türkische  Regie- 
rung. 

—  s    Kaiserreich 
s.    Türkei. 

Ouche   106. 

Oudinot   339. 

Ovid   83. 

Oxford    154.    183.    223. 


Paasche   (Hans)   437   An- 

merk. 
Padua    84. 
Pagodentum      461.       462. 

464. 
Pairschaft    267. 
Paläolithformation       oder 

mittlere    Steinzeit    l — 2. 
Paläontologie      i  ff.     195. 

350-    534—535- 
Palästina  (Gelobtes  Land) 
17.   18.  40.  87.  88.   132. 

^33- 
Palast    84.    85.    107.    108. 
120.  177.  179.  247.  276. 
294.  466. 

—  Intrigen    257.    285. 

—  regierung    467. 

—  zeremoniell  (Hofleben) 
84.  85.  107.  108.  109. 
120.  233.  242.  245.  247. 

Palermo    139.   389. 
Palestrina  (Giovanni  Pier- 

luigi    Sante   da)    380. 
Palissy  (Bernard  de;   195. 
Palladium    349. 
Pallas  Athene  43.  85.  536. 
Palmerston    (Lord)    383. 
Palos   160. 
Pamir  457. 
Pampelona    118. 
Pamphlet    221.    233.    286. 

312.  321. 


Panama   359.   471. 
Panamerikanismus       282. 

474- 
Pandschab   461    Anm, 
Pannonien  94. 
Panslawismus     361.     397. 

480. 
Pantagruel    177. 
Pantheismus    461. 
Panurge    177. 
Panzergeschwader   409. 

—  hemd   142. 

—  schiffe  mit  Turm  409. 
455.    468.    489. 

ohne    —   409.    455. 

468.   489. 
Paoli    309. 
Papiergeld   282. 
Papin    (Denis j    292.    366. 

511. 
Papismus    226. 
Papisten   219/220. 
Papst    95.    99.     117.     119. 

121.   122.  124.   125.  130. 

131.   134.  137.  138.  139, 

140.  141.  143.  146.  151. 
170.  171.  172.  173.  175. 
178.  179.  186.  238.  310. 
314.  321.  330.  380.  389. 
396.  417. 

Päpstliche    170.    180.    401. 

—  Allgewalt 

s.  Omnipotenz  des  Pap- 
stes. 

—  Kaisersalbung  130.  321. 

—  Priesterweihe. 

—  r  Kunstsinn  179. 

—  Unfehlbarkeit    418. 
Papsttum    178.     181.     184. 

186.  241.  296.  330.  398. 

401.    417.    418. 
Papyrusrollen    57. 
Paradies    17.    113. 
Parado.xismus   521. 
Parasit 

s.    Schmarotzer. 
Paris    44.    104.    136.    137. 

141.  143.  144.  145-  146. 
147.  181.  189.  190.  191. 
192.  194.  204.  211.  231. 
232.  234.  251.  255.  257. 
264.  281.  283.  287.  289. 
294.  296.  299.  300.  301. 
330.  334-  338.  339-  340. 
341.  343-  344.  354.  362. 
364.  367.  376.  380.  383, 
385.  386.  387.  388.  389. 
394-  397-  421.  422.  424- 


426.  427.  430-476.  484- 
494.  495-  511-  517.  522. 
53 1  Anm. 
Pariser  191.  192.  233. 
234.  288.  290.  294.  297. 
298.  299.  301.  339.  425. 
426. 

—  Bluthochzeit 

s.  Bartholomäusnacht. 

—  Commune  426. 

—  Friede  (als  Abschluß 
des  franz. -engl.  Kolo- 
nialkrieges im  Zeitalter 
Friedrichs  des  Großen) 
265.  267.  268.  270.  281. 
S.  auch  Erster  Pariser 
Frieden. 

—  —  (als  Abschluß  des 
Krimkrieges;  397. 

s.  Zweiter  Pariser  Frie- 
den. 

—  —  (als    Abschluß    des 
Spanisch-amerikanisch. 
Krieges;    470. 

—  Gemeinderat    426. 

—  Interparlamentarische 
Konferenz  484. 

—  Kongreß  der  Europä- 
ischen Großmächte  (zur 
Regelung  der  Orienta- 
lischen Frage)  398.  402. 
476. 

—  Konzil 

s.    Konzil    zu    Paris. 

—  Stadtbahn   511. 

. —  Straßenaufstände  299. 
354-    385-    386.    387. 

—  —  Schlacht 

s.  Straßenschlacht  in 
Paris. 

—  Vertrag 

s.  Pariser  Friede  zum 
Schluß  des  Krimkrie- 
ges. 

—  Weltausstellung   484. 
Parlamentarier 

s.   Abgeordnete. 
Parlamentarische      Regie- 
rung   in    England    273. 

365- 

—  s  Abstimmungsrecht 

389. 

—  s    Debattierrecht    389. 

Parlamentarismus,     Parla- 
mentarisches  System 
im    alten    Griechenland 

34- 

—  in    Deutschland    393. 


670 


Namen-  und  Sachregister 


Parlamentarismus 

in    England     137.     138. 
228.    258.    273.    365. 

372.  373- 

—  Frankreich  294.  341. 
352.  385/386.  386. 

—  Japan  468. 

—  Österreich  394. 

—  Polen    306. 

—  Rußland  491. 

—  der   Türkei   491. 

—  Ungarn  395. 

S.     auch    Scheinkonsti- 
tutionalismus. 

—  sozialdemokratischer 

s.  Parlamentspolitik  so- 
zialdemokratische. 
Parlament    der    Vereinig- 
ten Staaten  von  Europa 

484. 
Parlamente 

amerikanische    484. 
belgische    484. 
dänische    484. 
deutsche    393.    484. 
englische  184.  204.  220. 
221.  222.223.    224.   225. 
226.  227.  228.  258.   273. 
282.  284.  365.  372.  484. 
französische     232.    233. 
287.  288.  293.  295.  419. 

484. 

griechische  484. 
italienische  484. 
kanadische  472. 
preußische  416. 
rumänische  476. 
spanische  196.  326.  484. 
ungarische    484. 

—  sauflösung     in    Frank- 
reich   388. 

—  sgegnerschaft    der 
Commune 

s.        Antiparlamentaris- 
mus   der   Commune. 

—  skammern  288. 

—  smehrheit    365. 

—  spolitik  sozialdemokra- 
tische  496. 

—  sreden    312. 

—  struppen  223. 

—  svereidigung  289. 

—  swahlen     in     England 

273. 
Parma    (Herzogtum)    198. 
259. 

—  (Stadt)   150.    172.   310. 
399- 


Parmenio    52. 

Parr    (Katharina)    185. 

Parsen    (Gebern)    27. 

„Parsifar  433. 

Parteibildung  in  England 
227. 

Parteien  im   Nationalkon- 
vent   der    Großen   fran- 
zösischen   Revolution 
300. 

Parteipolitik 

in  England  365. 

—  Frankreich    353. 
365/366. 

—  Programme  der  Sozial- 
demokratie der  ver- 
schiedenen Länder  496. 

—  Zerrissenheit  in  Un- 
garn   237. 

Parthenon    43. 
Parthenopäische  Republik 

314- 
Parther   92.   94.    103.    108. 
Partikularismus 

s.  Deutscher  — . 

Niederländischer    — 

usw. 

s.    auch    Stammestreue, 

Stammesdünkel. 
Pascal    (Blaise)    218.    248. 

249.  250.  274.  378.  537. 
Pascha    (Titel)    382.    383. 

413.    436.    439.    478. 

—  Wirtschaft  436.  475. 
Pasquill      233.     263.     264. 

287. 
Passy    (Frdd^ric)    484. 
Pasteur   (Louis)   376.   429. 

527—528.    529—530. 

540. 
Pastor    188. 
Patagonier    165. 

Pathologie 

in    Deutschland    529. 

—  England  527. 

—  Frankreich  528.  529. 
internationale    532. 

—  bis  gegen  Ende  des 
19.  Jahrhunderts  525 
bis  526. 

Patriarch  (Kirchl.  Würde; 
109. 

—  en   (Erzväter)  21.    109. 
Patrioten    329.    389.    390. 

392-  395- 

—  deutsche    392. 

—  französische   424. 


Patrioten  italienische  389. 
390.   391.    392.    398. 

—  ungarische   395. 
Patriotismus    41.    42.    229. 

233.  293.  298.  303.  311. 
312.  325.  327.  332.  335. 
380.  390.  400.  405.  409. 
419.^423.  426.  427. 
Patrizier  61.  63.  67.  75. 
76.   yj.   79.   81.   90.   91. 

95- 
Paul   (Zar)   315.   320.   322. 

—  in.     (Papst)     186. 
Paulinische  Briefe  182. 
Paulus  89.   94.    181. 
Pausanias  42. 

Pavia    170.    175. 

Pax     Britannica    459. 

—  Romana  82.  84.  459. 
536. 

—  Serica 

s.   Chinesischer  Friede. 

Pazifismus,  seine  Ge- 
schichte  484 — 489. 

Pazifisten  437  Anm.  451 
Anm.  519.  520  mit  An- 
merk.    531. 

Pazifistische  Bestrebungen 
124.   171.   193.  229.  243. 

249.  351/352.  484—489. 
531     Anm. 

—  Dramen  44  Anm.  521 
mit    Anm. 

—  Novellen  487  Anm. 

—  Romane  520  mit  An- 
merkung. 

—  Weltanschauungen  der 
alten  Ägypter    14.    56. 

—  —  —  Chinesen  462. 

Pazifizierung  der  Einge- 
borenengebiete in  Af- 
rika 448. 

Pedro,  Kaiser  von  Bra- 
silien   360. 

Peel  (Sir  Robert)  365.  372. 

Pe-king  367.  452.  466. 
467. 

Pelletier  (Pharmazeut) 

528. 

Pellico   (Silvio)  355. 

Pelopidas  47. 

Peloponnes  34.  35.  36.  54. 

—  ischer  Krieg  44  mit 
Anm.  47.  49.  59  Nachtr. 

P^naud    (Ingenieur)     514. 
Pendel    217. 
Pendschab 
s.  Pandschab. 


Namen-  und  Sachregister 


671 


Pendscheh   457. 

Penn    (William)    267. 

Pennsylvania  (Pennsylva- 
nien)    267.    281. 

„Pensees"    248. 

Perikles   43.    44.    83.    249. 

Periöken    34. 

Periplus    158. 

„Perle  der  Antillen"  (Be- 
zeichnung für  Kuba) 
470. 

Perser  9.  26  ff.  35.  40. 
41.   48.    50.   52.  96.    lOI. 

„Perser"   (Drama)  44. 

—  kriege  41.  ff. 
Perseus    55. 

Persien  113.  324.  452.456. 
457.  458. 

Persisch  (Neupersisch;, 
Neupersische  Sprache 
und    Literatur    457. 

—  er  Meerbusen  92.  163. 
458. 

Personalunion  zwischen 
Dänemark  und  Schwe- 
den  209. 

Polen  und  Rußland 

362. 

Personenverkehr  367. 

516. 

Persönlicher  Verkehr  369. 
510.   511. 

—  s   Regiment    237.    258. 
Pertinax    93. 

Peru  165.  166.  167.  196. 
356.  357-  358.  359-  470. 
472. 

—  aner    167. 
Pescadores    (-Inseln) 

s.   Pong-hu. 
Pescennius    Niger   93. 
Pessimismus  in  Bezug  auf 

die     Friedensbewegung 

488. 
Pest    532. 
Peter    III.    (Zar)    264. 

—  der  Einsiedler  132. 
Peter    I.    der    Große    237. 

250.  253 — 256.  278.  279. 
452. 

—  II.    von   Rußland   256. 

—  III. 276. 

Peters    (Karl)    437. 

—  bürg     255.    277.    280. 

495- 

—  kirche  zu  Rom  119. 
152.      179. 

—  pfennig   179. 


Petitioners   227. 
Petrarca    149. 
Petrofakten    i.     195.    350. 
Petroleumquellen  405.  452. 

—  handel    405. 

—  motoren    512.     514. 
Pfaffengezänk    188. 

—  tum,  —  joch,  345.411. 
412.    509. 

Pfahlbauten    3. 

Pfalz    207.    208.    210.    243. 

304-   311- 

—  graf    146. 

—  —  bei    Rhein    146. 
Pfandbriefe    257.    301. 
Pfarrer     125. 
Pfeilkampf    142. 

—  Vergiftung  (afrika- 
nische)   435. 

Pflicht,  ihr  Begriff  bei 
Kant 

s.    Begriff    der    Pflicht 
bei    Kant. 

Pforte 

s.  Türkische  Regierung. 

Phädra    248. 

Phalanx    49.     51. 

Phänomene  naturwissen- 
schaftliche  524.   541. 

Phantasie    432. 

Pharaonen    13.     14. 

Pharmakologie    in 
Deutschland  531. 

—  —  Frankreich  525. 
527. 

—  internationale    531. 
Pharos    57. 
Pharsalus   79. 

Phidias    43.    48.    99.    434. 
Philadelphia      281.       282. 

495- 
Philanthropinismus       345. 

402.  437.   533. 
Philipp     August     II.     von 

Frankreich      133.      137. 

138.    140. 

—  Herzog  von  Anjou 
(nachher  König  Phi- 
lipp V.  von  Spanien) 
245.    258. 

—  Herzog  von  Orleans 
257.  259. 

—  IV.  der  Schöne  von 
Frankreich    140.    141. 

—  VI.     von     Frankreich 

143. 

—  von  Mazedonien  37. 
49  f,    116.    261. 


Philipp  II.  von  Spanien 
176.  190.  195.  196.  197, 
198.  199.  200.  201.  202. 
204.  220. 

—  III.    —   —   203. 

—  IV.    —    —    211.    235. 

—  V. (Herzog  Phi- 
lipp von  Anjou)  245. 
259.   260. 

Philippeville    385. 

Philippi    81. 

Philippinen  164.  244.  470. 

471.    504- 
Philister    18.    22. 
Philologen        französische 

314- 
Philologie  französische  in 

Ägypten   314. 
Philosophical         Transac- 

tions    250. 
Philosophie 

chinesische    462.    464. 

christliche    95.     105. 

deutsche    249.    351.484. 

englische    273. 

französische     217.    272. 

274.  378.  380.  432.  484. 

griechische   45.    48.    65. 

535- 

am  Hofe  Friedrichs  des 

Großen   261.    272.    277. 

Katharinas  II. 

272. 

römische    65.    83.    276. 
Philosophische     Lyrik    in 
Frankreich  520  mit  An- 
merkung. 

—  r   Roman    520. 
Phokäa  37. 
Phokis    37.    42. 
Phönizier  13.  18.  19.  22  ff. 

24.    26.    28.    29.   31.   33. 

40.    51.    70.    535. 
Phönizisch     und     phöniz. 

Sprache  20.  31.  60.  71. 
Phonograph    522. 
Photographie     375.     521. 

522.   525. 

—  ,  ihre  Stellung  zur  Ma- 
lerei 522. 

—  in  natürlichen  Farben 
s.    Farbenphotographie. 

Photographische  Auf- 

nahme des  Venusdurch- 
ganges durch  die  Sonne 
521. 


672 


Namen-  und  Sachregister 


Photographische  Auf- 

nahme von  inneren  Or- 
ganen 524. 

—  Platten    523.     524. 
Phraortes    26. 

Physijc 

in    Dänemark    373. 

—  Deutschland        373. 
374.  376.  430.  517.  523. 

524. 

—  England    291.    366. 

373-  37 A-  430-  517.  523. 

—  Frankreich  217.  248. 
291.  292.  348.  349.  366. 

373-  37 A-  387.  513.  517. 
521.  522.  523.  524.  525. 

—  Holland    231. 

—  Italien  292.  348.  373. 

517. 

—  Rußland  373. 

—  Spanien  541  Nachtr. 

—  den  Vereinigt.  Staa- 
ten von  Nordamerika 
366.    522.    523. 

Physiologie 

in  Deutschland  376. 
428.  429. 

—  Frankreich  217.  291 
bis  292.  350.  376.  429. 
514.   521. 

—  Nordamerika    516. 

Physische    Kräfte    374 
Pichegru   304.    308. 
Piemont    169.     243.     244. 

314.  320.  355.  389.  390. 

392.  397-  398.  399-  400. 

—  esen   310.    355.    390. 

—  esische  Volkserhebung 

355- 

—  esisch-französisches 
Bündnis    399. 

Pietä   172. 
Pikardie    168.    211. 
Pikten    128. 
Pindar  36. 
Pinerolo   244. 
Pinerolo   244. 

117. 
Pirna    263. 
Pisa    123.    150.    168. 
Pisano    (Niccolöj    150. 
Pitt  I.   (William;  259. 312. 

—  II.  (William)  312.  320. 

323- 
Pittsburg   494.    495. 
Plus    V.    (Papstj    200. 

—  VI.  -  314. 


Pius  VII.  (Papst)  321.330. 

—  IX.    —   389.    390.    396. 

398.  401.    417.    418. 
Pizarro     (Francisco)     166. 

167. 

Planetenkunde     521.     525. 

Plassey    270. 

Plastik    s.    Skulptur. 

Platää  42. 

Piatinabergwerke  sibiri- 
sche   452. 

Plato  45.  48.  64.  83.  108. 
158.  171. 

Plautus    83. 

Plebejer    (Plebs)    61.    62. 

63.    75-    76.    77-    ^37- 
Plebiszit   61.387.   388.389. 

399.  400.    417. 

—  System  unter  Napo- 
leon III.  389.  399  bis 
400. 

Plewna    478.    479. 
Plinius    92. 

Plünderung  311.  322.  328. 
332.  338.  411.  436.  466. 

—  en  s.  Schlachtfeldplün- 
derer. 

—  szüge  französische  315. 
• —  —    russische    252. 
Plutokratische     Demokra- 
tien 

s.  Kapitalistische  Demo- 
kratien und  Kapitalisten- 
demokratien. 

—  Neigungen  der  moder- 
nen   Demokratien    509. 

Plutokratismus    247.     503. 

509. 
Pöbel   221.   222  227.    229. 

294.    298.    299.    340. 

—  aufstand    229. 
Pocken    526. 

—  schütz  durch  Kuhpok- 
kenimpfung 

s.    Jmpfschutz. 
Poesie    s.    Dichtkunst. 
Poitiers  106.  114.  115.  116. 

117.    143.    154. 
Poitou    137. 

Polare  Erdabplattung  348. 
Polarisation    3491 
Polemische  Schriften  188. 

235.  236.  252.  254.  259. 

277.  278.  279.  280.  305. 

306.  307.  324.  328.  329. 

331-  332.  347-  362.  403- 

501. 


Polen    (Staat;     124.     190. 

—  (Teilstaat)    s.    Groß- 
herzogtum   Polen. 

—  (Volkj  216.  236.  237. 
252.  278.  306.  307.  332. 
348.  363.  364.  394.  396. 
403.  404.  480.  503  Anm. 

—  aufstände  278.  306.  362 
bis    364.    403.    404. 

—  s  Ende 

s.     Finis    Poloniae. 

—  tum  (Polnisches  Volks- 
tum; 307.  362.   363. 

Polignac    353. 
Politik 

s.    Staatenpolitik. 

—  als    Wissenschaft 
französische  244.   273. 

—  der  Commune  426  bis 
427. 

—  (innere)  Englands  273. 

474- 
Politiker 

deutsche    416.    417.482. 
englische  245.   258.  259. 

262.    312.    320.    323. 

361.    372.    474. 
französische     257.     258. 

286.     287.    288.    339. 

346.    375-    37^-    396. 

424.  471. 
italienische     396.      398. 

399- 
österreichische  336.  418. 

482. 
ungarische    395.    396. 

Politische  Ehrenhaftigkeit 

387. 

—  Fragen  der  sozialdemo- 
kratischen Parteipro- 
gramme  496. 

—  Freiheit 
deutsche  354. 
der    Buren    442. 
englische    273.    396. 
europäische     316.     348. 

353- 
französische  289.   345. 
italienische   392.   399. 
nordamerikanische  405. 

—  Probleme   271.    370. 

—  r  Streik 

s.  Streik  als  politisches 
Kampfmittel. 

—  s  Leben  (Verständnis; 
in  England  365. 


Namen-  und  Sachregister 


673 


Politisches  Leben  (Ver- 
ständnis) in  Frankreich 
353.  365 — 366. 

—  s  Ziel  des  neunzehnten 
Jahrhunderts    352. 

—  Verfolgungen  395.  396. 

—  Volkserziehung   492. 
PoHzei  148.  255.  317.  403. 

488. 

S.  auch  russische  Polizei. 
Polnisch  277.  332.  362. 

—  ,  Polnische  Sprache 
und  Literatur  278.  307. 
332.  363.  403.  404.  501. 

Polnische    Frage    332. 

—  Juden    278. 

—  Kirchendemonstratio- 
nen  zu    Warschau   403. 

—  Konstituante 

s.    Konstituante. 

—  Legionen    328. 

—  r  Adel    278. 

—  r  Existenzkampf  403 
bis  404. 

—  r  Reichstag   306. 

—  r  Thronfolgekrieg   259. 

—  s  Bauerntum  236.   278. 

—  s  Bürgertum    278. 

—  Sitten  403.   404. 

—  Volkspartei    306. 

—  -russischer  Krieg 
s.    Polenaufstände. 

—  -  —  s  Heerwesen  363. 
Polo    (Marco)    159. 
Polonismus    s.    Polentum. 
Polyklet    43. 
Polynesien   474. 
Polyphonie  380. 
Polytechnika    305. 
Pommern    180.    212.    260. 

265. 
Pompadour     (Frau     von) 

264. 
Pompejus    2.    9.    57.    68. 

75.    76.    78.    79-   80. 

—  der   Jüngere   81. 
Pondich^ry  269. 
Pong-ku   469. 
Poniatowski       (Stanislaus) 

278.    306.    307. 
Pons    Milvius    97. 
Pontifex  maximus  81.  loi. 
Pontifices     62.     80. 
Pontius   Pilatus   88. 
Pontus   74. 

—  Euxinus  14.  22.  26. 
37-    75-    85.    92.    104. 

Popen  236. 


Popularität 

s.  Herrscherpopularität. 
Port    .Vrthur    453.    454. 
Portoriko    470. 
Portsmouth  454. 
Portugal  71.  156.  159.  162. 

163.   168.   187.  201.  211. 

230.  234.  244.  325.  327. 

335.  360.  438.  450.  487. 

489.  491.  500.  507.  508. 
Portugiesen  159.  162.  163. 

230.  269.  435.  450.  466. 

501. 
Portugiesisch  325.  438. 
— ,  Portugiesische  Sprache 

Sprache    und    Literatur 

105.   156.   163.  265.  472. 

499.   501. 

—  e  Faktoreien  im  süd- 
östhchen  Afrika  438. 

—  e  ^Handelsniederlassun- 
gen in  Ostindien. 

s.  Ostindische  Handels- 
niederlassungen derPor- 
tugiesen. 

—  e  Juden   231. 

—  e  Kolonisation    450. 

—  e    Niederlassungen 

s.  Portugiesische  Fak- 
toreien. 

—  er  Handel  in  China 
466. 

Porus    53. 

Porzellanmanufaktur    371. 
Posen  (ehem.  Großherzog- 
tum)   306. 

—  (Provinz)    265. 

—  (Stadt)    252. 

Positiver  Pol  einer  elek- 
trisierten luftleeren 
Röhre  s.  Elektrode. 

Posner  (Carl)  531  (532) 
Anm.    2. 

Possen    205. 

Post-  und  Eisenbahnzeit- 
angaben  519. 

Postwagen    327.    341. 

Potemkin    (GregoriJ    277. 

Potomac  409. 

Potsdam    367.    519. 

Potter    232. 

Poussin    (Nicolas)    249. 

Prädestination   183. 

Präfekt  317.  330.  388. 

Prag  154.  206.  210.  227. 
264.    416.    418. 

Praga-Warschau    307. 


Prager  Fenstersturz 

s.  Exfenestratio  Pra- 
gensis. 

—  Friede  (als  gemeinsa- 
mer Abschluß  des  Preu- 
ßisch -  österreichischen 
und  des  Italienisch  - 
österreichischen  Krie- 
ges) s.  Friede  zu  Prag. 

im  Dreißigjährigen 

Kriege  210. 
Prähistorische    Forschung 

s.    Paläontologie. 
Pranger    221. 
Prairial    304. 
Prärien    1 64. 
Präsidenten 

s.   Republikpräsidenten. 

—  folge  nordamerika- 
nische im  Todesfalle 
410. 

—  wähl  Louis  -  Napoleon 
Bonaparte    388. 

Mac    Mahons    427. 

—  —  nordamerikanische 
410.   427. 

—  —  Thiers   425. 

System      387.     427. 

Präsidium    Österreichs    im 

deutschen  Bundesstaat 
s.  Österreichs  Vorsitz 
im  deutschen  Bundes- 
staat. 

—  Preußens  im  deutschen 
Bundesstaat 

s.  Preußens  Vorsitz  im 
deutschen    Bundesstaat. 

Prätoren  61.  91. 

Prätorianer  82.  91.  93.  94. 
257.   360. 

Praxiteles    48.    99. 

Präzisionsmaschinen  490. 

Prediger   Salomo   148. 

Predigt    188. 

Preisbewegung    505. 

—  herabsetzung 

s.    Fall    der    Preise. 

—  Steigerung    505. 

—  —  des  Grundbesitzes 
506. 

Premierminister 

s.  Ministerpräsident. 

Presbyterianer    220.    222. 

226.    227.    258. 
Presse 

s.    Journalismus. 
Preßburg   323.   395. 


674 


Namen-  und  Sachregister 


Pressefreiheit 

enghsche    273.    321. 
französische     317.    352. 

353-    354-    389-    401. 
Preß(e)treibereien         483. 
484.  486. 

—  prozesse     in     England 

273- 

—  wesen 

s.  Journalismus. 
Preußen  (Herzogtum  und 
später  Provinz)  235. 

—  (Ordenslandj 

s.  Ordensland  Preußen. 

—  (Staatj  212.  259.  261. 
262.  264.  265.  272.  279 
280.  292  Nachtr.  297. 
298.  304.  305.  306.  307. 
320.  323.  324.  330.  332. 
335-  347-  355-363.  364- 
367.  3^3-  392.  393-  394 
397.  414.  415.  416.  417. 
418.  419.  420.  427.  491. 
502.    537. 

—  ,    seine    Anfänge  212. 

—  (Volkj  260.  264.  279. 
298.  299.  301.  332.  335. 

338.  343-  393-  404.  414- 
416.  424. 

—  s  Neutralität  im  Krim- 
kriege 397. 

—  s  Präsidium  im  deut- 
schen  Bundesstaat 

s.  Preußens  Vorsitz  im 
deutschen    Bundesstaat. 

—  Vorsitz  im  deutschen 
Bundesstaat    393.    394. 

Preußisch  419.  420.  421. 
425. 

—  e  Herrenhausmitglie- 
der 

s.  Ernennung  der  preu- 
ßischen Herrenhausmit- 
glieder. 

—  e    Slawen    502. 

—  er  Schulzwang  in  Po- 
len 404. 

—  er  Sprachenzwang  in 
Polen   404. 

—  -Eylair  324. 

—  -französischer  Krieg 
1806/7   323— -324. 

—  -österreichischer  Krieg 
416 — 417.  479—480. 

—  -russisches  Bündnis  335. 

393- 
Pr^vost  d'Exiles  (Aiitoine 
Frangoisj   351.    379. 


Priamus  32. 

Pride  (Oberst)  224. 

— ,    s.    Pride's    Purgation 

224. 
Priester    (ägyptische)     51. 

(buddhistische)    462. 

—  (christliche)  95.  99. 
100.  108.  119.  120.  122. 
124.  125.  130.  131.  135. 
172.  173.  178.  i8o.  181. 
186.  187.  188.  197.  222. 
241.  288.  296.  353.  369. 

—  (jüdische)    89. 

—  herrschaft   445.    509. 
s.    auch    Theokratie. 

—  hierarchie 
buddhistische   462. 
christliche   95.   99.    109. 
marokkanische  445. 

—  kaiser  japanischer  467. 
462. 

—  orden   186. 

—  regierung 

s.  Priesterherrschaft. 

—  regiment 

s.   Pfaffentum   (Pfaffen- 
joch). 

—  Staat 

s.  Priesterherrschaft. 

—  wähl    (staatliche)    296. 

—  weihe  (päpstlichej  296. 
Prim     (General)    419. 
Prinz-Eduards-Insel   472. 
Prinzen     am    Hofe     Lud- 
wigs  XVI.    296. 

—  österreichische  412. 

—  preußische  416.  419. 
424. 

Prinzregent    325.    415. 

—  von  Cond^ 

s.  Enghien  (Herzog  von) 
Prischtina  482. 
Prisma    250. 
Prisren(di)   482. 
Privatbibliotheken  154.492. 

—  recht   französisches  318. 
Privilegien 

s.   Adels-,  Feudal-,  Klo- 
sterprivilegien. 

—  Wirtschaft    294.    491. 
Probleme 

s.    politische    — . 
religiöse    — . 
soziale    — . 

Procurator  84.  88.  96.  97. 

Produzent    371. 

Progressive  Einkommen- 
steuer 497. 


Progressive  Grundsteuer 
in  Australien  und  Neu- 
seeland. 

s.  Grundsteuer  (staffel- 
förmigj  in  Australien 
und  Neuseeland. 

—  Vermögenssteuer  in 
Australien  und  Neu- 
seeland 

s.    Vermögenssteuer 
(staffelförm.j  in  Austra- 
lien und  Neuseeland, 

Projekt  einer  Bundesrepu- 
blik Vereinigter  Staa- 
ten von  Südamerika 
358. 

Proklamation  des  Königs 
Viktor  Emanuel  von 
Sardinien  zum  König 
von  gesamt  Italien  400. 

—  einer  Römischen  Repu- 
blik   390. 

Prokonsul  81. 
Prokop    loi. 

Proletarier  76.  89.  91.  iio. 
Pronunciamentos  359.  412. 
Propellerflügel   515. 

—  motor  515. 

—  schrauben  513.  514. 
515- 

Prophet  (als  Bezeichnung 
für  Mohammedj  in. 
112.    114. 

—  en  (jüdisch-christliche) 
21.    28.    87.    88.    173. 

—  en  (mohammedanisch.) 
III.  446. 

Prophetische        Dichtung 

520 — 521. 
Prophylaxe 

in  England  529. 

—  Frankreich  530.  532. 

internationale    532. 
Prosa     französische,      ihr 

Wert   248.   378.   379. 

—  roman 

s.  RomanschriftsteHerei. 
Prostitution  533. 
Protagoras  45. 
Protektor 

s.    Lord    Protector. 
Protektorate 

deutsches       in      Afrika 

437-. 

englisches  —  —  440. 
444.  449.  450.  482.  504. 
Afghanistan  457. 


Namen-  und  Sachregister 


675 


—  —    Maskat   in    Ara- 
bien 487. 

französisches   in   Afrika 

437- 

—  —  Kambodscha  460. 
italienisches  in  Afrika 
449.  450. 

nordamerikanisches  in 
der    Republik    Panama 

471. 

russisches     in     Persien 

458. 
Protektoratspolitik  Japans 
gegenüber    China    469. 

—  —  Rußlands  gegen- 
über Afghanistan  trotz 
des  englisch-afghanisch. 
Bündnisses    457. 

Protestadressen  des  fran- 
zösischen Parlamentes 
288. 

Protestanten  181.  183.  184. 
185.  189.  194.  196.  198. 
199.  206.  207.  208.  214. 
220.  231.  241.  243.  254. 
265/266.  537._ 
Hugenotten  in  Frank- 
reich 

S.  auch  Puritaner  in 
England. 

Protestantisch  206.  207. 
208.    209.    210.    355. 

—  e      Mächte,      Preußen 

355- 

Protestantismus  181.  182. 
187.  191.  196.  198.  204. 
210.  213/214.  241.  243. 
253.  264.  364.  504. 
s.  auch  Deutscher,  Eng- 
lischer, Französischer, 
Holländischer  (Kalvi- 
nismus) usw.  Prote- 
stantismus. 

Protest   der   europäischen 
Regierungen  gegen  die 
Massenschlächtereien 
der  türkischen  Soldaten 
in    Bulgarien    478. 

Provence   117.   140. 

Provenzale   368. 

Provenzalisch,  Provenia- 
lische  Sprache  und  Li- 
teratur   105.    502. 

Proviantmangel    424. 

Provincia  Narbonensis  78. 
106. 

Provinz  (Ausdruck  für 
niederländischen      Ein- 


zelstaatj    198.    211.    228. 
229.    230.    240. 
Provinzen 

altrömische   84.    88. 
chinesische  466. 
dänische  414. 
englische    281. 
französische     288..   330. 

384.    385.    389. 

italienische    148.   390. 

mexikanische  406.    411. 

mittelalterliche  deutsch. 

124. 

österreichische  311.  329. 

479- 

polnische  324. 
spanische  198. 
türkische    313. 

—  eroberte 

s.   Vasallenstaat. 
Provinzialmuseen   318. 

—  Parlamente    288. 

—  —  zu    Grenoble    288. 

—  gesetzgebung    345. 

—  verkehr   367. 

—  Verwaltung  84.  85.  345. 
Provinciales    249. 
Provisorische      Regierung 

in   Belgien   364. 

—  Frankreich  339.  344. 
386. 

—  Ungarn  395. 
Prusias   "j^i- 
Pruth    254. 
Psalmen    18. 
Psyche    des    Arbeiters 

s.  Arbeiterpsyche. 

Psychologie  englische  273. 
griechische  48. 

Psychologische  Analyse 
s.     Psychologische    Be- 
obachtung. 

—  Beobachtung    379.  432. 
Ptolemäer  58. 
Ptolemäus  I.  Soter  56.  58. 
Puerto  rico 

s.    Portoriko. 

Pufferstaaten  460. 

Pulla  445. 

PuUo  445    Anm. 

Pulskurve,  ihre  graphische 
Darstellung    525. 

Pulsmesser 

s  Sphygmograph. 

Pulswelle,   ihre   Fortpflan- 
zungsgeschwindigkeit 
327. 


Pultawa    251.    254. 

Pultusk  252. 

Punische    Kriege    72 — 74. 

Puritaner  220.  221.  223. 
226.   266. 

Puschkin  (Alexander)  377. 

Putschsystem  (Putschis- 
mus)   300.    312. 

Pydna    55.    56. 

Pyramiden    11.    13.    313. 

—  Schlacht 

s.  Schlacht  bei  den  Py- 
ramiden. 

Pyrenäen  72.  114.  118. 
156.  196.  211.  234.  244. 
245.  258.  304.  327.  335. 

Pyrenäischer    Friede    234. 

Pyrrhus     70. 

Pythagoras    45. 

Pythia    37. 


Quadratische    Aufstellung 

313- 
Quäker    266.    267. 
Quarteronen    406. 
Quästoren    61. 
Quebec     265.     267. 
Quecksilber    525. 
Queretaro    412. 
Quelle      des      englischen 

Wohlstandes    372. 
Quiberon    312. 

Rabelais      Frangois      177. 

183.    203.    247. 
Racine  Jean  248.  249.  })'JJ. 

378. 
Radezky    389.    390. 

Radium    524. 

—  emanationen    524. 

—  licht    524. 

—  strahlen   524. 
Raffael 

s.    Santi   Raffael. 

Rajah    162. 

Ramillies    245. 

Ramses    14.   25. 

Ranavälona  I.  Königin 
der     Howa    449. 

Ränkepolitik,  Ränkewirt- 
schaft 339.   340.   412. 

Rapp  (General)  336. 

„Rasende  Derwische"  483. 

491- 

S.     auch     Menschliche 

Raserei. 


676 


Namen-  und  Sachregister 


Raspail  (Frangois- Vincent) 
375- 

Rassenhygiene,  ihre  Zu- 
kunft   540. 

—  kreuzung 

s.    Rassenmischung. 

—  kriege  453.   505.   540. 

—  mischung  105.  167. 
356.  359.  406.  448.  472. 

—  Physiognomie  chinesi- 
sche 

s.    Chinesische    Rassen- 
physiognomie. 

—  reinheit   356. 

—  Verwandtschaft  aller 
Balkanvölker    473. 

der    Chinesen    und 

Indochinesen   460. 
Rastatt    246.    315.    393. 

—  er    Gesandtenmord 
s.     Gesandtenmord. 

—  er    Kongreß 

s.   Kongreß  zu  Rastatt. 

—  er   Straßenaufstände 
393- 

Rat    der    Alten 

in     der     Ersten     franz. 
Republik    307. 
•     zu    Rom    61. 

S.  auch  Senat. 

—    Sparta    34. 

S.  auch  Gerusia. 

—  der  Fünfhundert 
zu    Athen    38. 

S.  auch  Bule. 
in     der     Ersten     franz. 
Republik   307.   316. 
Rationalismus  •  als     Welt- 
anschauung    45.      263. 
274.   275.   302.   368. 

—  in  der  Gesetzgebung 
297. 

Rätselhafte         elektrische 

Strahlen  523.  524. 
Ratspensionär  229. 
Rat  städtischer  127. 
Ratte  532. 

—  npest    532. 

Räuberstämme  afrikani- 
sche   444.    445.   446. 

—  des  äußersten  Ost- 
asiens 463. 

—  wesen   235.    243.    466. 
Raubgier,     Raublust     im 

Kriege  437.   446. 


Raubkrieg  (Erster)  Lud- 
wigs XIV.  gegen  die 
spanischen  Niederlande 
240. 

—  —   (Zweiter)  —  —   — 

—  Vereinigten  Provin- 
zen der  Niederlande 
229 — 230.  240. 

(Dritter) gegen 

die    Pfalz    243 — 244. 

—  ritterkrieg    180. 

—  Völker  vorderasiatische 
456. 

Rauchloses    Pulver    490. 

Räumung  Frankreichs 
von  den  deutschen  Ok- 
kupationstruppen   427. 

—  Mexikos  durch  das 
französische  Expedi- 
tionskorps   412. 

Ravaillac     194. 
Ravenna    170.    310. 
Rawlinson    15. 
Reaktion    347.    348.    354. 

392.    393-    396. 
Realismus    nordischer  432. 
Rechenkunst    s.    Algebra. 

Rechtfertigung  des  obli- 
gatorischen Schiedsge- 
richtes   486. 

Recht  geht  über  Macht! 
540. 

Rechtgläubigkeit 
s.    Gläubigkeit. 

—  seinheit  französische 
215. 

—  sordnung  zwischen- 
staatliche 

s.    Zwischenstaatliche 
Rechtsordnung. 

—  spflege,  —  sprechung 
englische    227. 

—  in  Nordamerika  281. 
englisch-normanni- 
sche 137. 

französische    214.     215. 
mittelalterliche    124. 
römische  62.  80.  82.  98. 
russische    363. 

—  sphilosophie  franzö- 
sische  273. 

—  spolitik  488.    538.    540. 

—  sprechung  internatio- 
nale 

s.    Internationale  Recht- 
sprechung. 


Rechtsprechung        rechts- 
rheinische     vor      dem 
Deutsch-französischen 
Kriege 

s.  Deutsche,  Deutsch- 
land. 

—  über  Leben  und  Tod 
402.    406. 

Redefreiheit    274. 

Rednerisches    Genie 
s.    Oratorisches    Genie. 

Reflexbewegung  der  Ner- 
ven  218. 

Reflexion  der  elektrischen 
Strahlen   523. 

—  —    Lichtstrahlen    523. 
Reformation  177.  180.  i8r. 

182.  183.  184.  185.  186. 
192.  193.  195.  201.  219. 
220. 

Reformatoren 

brahmanistische  461. 
christhche  176.  178  bis 
180.     181.     182.     183. 
185.     186.     187.    206. 
209. 
Reformbedürftigkeit     Chi- 
nas 469. 
Reformen 

s.  Staatsreformen. 

—  Mehemed  Alis  in 
Ägypten    382.    383. 

—  Peters  des  Großen  255 
bis  256. 

—  zur  Rettung  der  fran- 
zösischen Monarchie 
unter  Ludwig  XVI.  286. 

—  gesetzgebung  in  Eng- 
land  365. 

—  —  —  en  Zar  Alexan- 
ders   IL    402.    403. 

IL  für  die 

Polen   403. 

Reformierte  Kirche  183. 
185.    219. 

Reformierung  der  katho- 
lischen Kirche   186. 

Refugi^s 

s.  Emigranten  franzö- 
sische. 

Regelung  der  Balkan- 
fragen im  Berliner 
Kongreß  479. 

—  des  internationalen 
Brief-  und  Telegraphen- 
verkehrs  zu   Bern   518. 

Regensburg    320. 


Namen-  und  Sachregister 


677 


Regent 

s.     Ministerregent    und 
Prinzregent. 

—  Schaft 

in  Frankreich  213.  232. 

257.    339- 

—  Preußen  415. 

—  Rußland      253—257. 

—  Spanien  418. 
Regierung  der  Nationalen 

Verteidigung  in  Frank- 
reich 422.  424. 

Vereinigten  Staaten 

von  Nordamerika 
s.     Amerikanische     Re- 
gierung. 

—  des    Sultans 

s.  Türkische  Regierung. 

—  en 

s.     deutsche,      französi- 
sche   usw. 

—  —  der  verschiedenen 
Staaten    518. 

—  smacht    404. 
Regierungspartei      franzö- 
sische   366. 

—  Politik   Napoleons   III. 

398. 

—  System  polnisches  278. 
348. 

—  truppen  in  Bürgerkrie- 
gen französische  426. 

—  Verlegung  von  Paris 
nach  Versailles  wäh- 
rend der  Commune  427. 

—  svertreter  niederlän- 
dische 229. 

Regimentsstab     317.     318. 

Regnard   249. 

Rehabeam  19. 

Reibungselektrizität 
s.     Elektrizität. 

Reichsdeputationshaupt- 
schluß    320. 

Reichshof  en    421. 

Reichskanzlerschaft  482. 

Reichsland(e)   212.   425. 

—  stände 

s.    Landstände. 

—  tag     (deutsch-römisch.J 

179- 

(polnischer) 

s.  Polnischer  Reichstag. 

—  —  (schwedischer)    331. 
Reichste  Völker 

Argentinien  472. 
Brasilien  472. 


Reichtum 

s.    Wohlstand. 
Reichsvasallen    japanische 

467    Anm. 
Reichtum   der   rumänisch. 

Literatur  476. 
Reims  104.   106.   141.   144. 

145- 

Reinkultur,  ihr  Nährbo- 
den   529. 

Reiseromane 

englische    275.    520. 
französische      520      mit 
Anm.    521    Anm. 

Reiseverkehr      367.      368. 

—  im    Kriege. 
Reispflanzung  493. 
Reiterangriffe    343.    443. 
Reiterei,    Reiterschar    142. 

211.  313.  343.  443.  490. 

Reiterstreifzüge   338. 

Reizungsübertragungsge- 
schwindigkeit    429. 

Rekrutenaushebung,      Re- 
krutierung   215.    335. 
S.  auch  Truppenaushe- 
bung. 

—  Wirtschaft   336. 
Relativität    der    künstleri- 
schen      Schönheitsidee 

434- 

—  des    Kunsturteils    434. 
Religion 

altägyptische    10.    535. 
chaldäische   15.  535. 
S.  auch  Mythologie. 

—  sanhänglichkeit   510. 

—  sbekenntnisse,  Stetig- 
keit ihres  Besitzstandes 
in  der  Welt  504. 

—  sdünkel    510. 

—  seinheit    196.    207. 

—  serneuerung    272. 

—  sfreiheit  188.  193.  198. 
206.  210.  211.  212.  214. 
226.   353. 

—  sfriede  zu  Augsburg 
206. 

Marche-en-Fa- 

mfene    198. 

—  skriege  116.  131 — 136. 
140.  151.  156.  157.  176. 
188.  189.  193.  195.  199. 
204.  206.  207.  213.  216. 
220.  206 — 213.  235  An- 
merk.   497.    505.    537. 

—  slosigkeit  in  Afrika  436. 
Wallensteins  208. 


Religionsstreitigkeiten  in 
der  Asiatischen  Türkei 

458. 

—  Verwandtschaft  der 
Chinesen  und  Indochi- 
nesen   460. 

Religiöse  Autorität  187. 
217. 

—  Befreiung   271. 

—  Bekenntnisse  Afrikas 
436. 

—  Gemeinschaft  der  vor- 
derasiatischen Länder 
452. 

—  Musik 

s.  Kirchenmusik. 

—  Probleme    271. 

—  r  Dualismus  auf  der 
Balkanhalbinsel   475. 

—  r  Indifferentismus  210. 
504.   505. 

—  r  Konservatismus 

s.    Konservatismus    der 
Religionen. 

—  s  Denken  273.  274. 

—  s    Gefühl    189.    391. 

—  s  Selbstbestimmungs- 
recht der   Fürsten   206. 
212. 

—  Vielgestaltigkeit  im 
Kaukasus    455. 

Religiosität 

s.    Gläubigkeit. 
Reliquien     125. 
Rembrandt        (Harmensz^ 

178.    232.    249.    434. 
Remigius     106. 
Remus  60. 
Renaissance  188.  249.  368. 

—  des  klassischen  Alter- 
tums in  Arabien  115. 
151. 

Frankreich      176.     178. 
249. 

Italien     148.     149.     170. 
171—172.    177     537. 

Renan  (Ernest)  432. 

Renard  (Luftschiff  -  Er- 
bauer)   513.    515. 

Renaudot  (Th^ophraste) 
216. 

Rene  378. 

Renegatentum 
s.     Übertritt. 

Repetiergewehre    409. 

Repnin    278. 


25    Riebet,  Geschichte  der  Menschheit,  II. 


678 


Namen-  und  Sachregister 


Republikaner  388.  389. 
393.   541    Nachtr. 

Republikanische  Partei 
der  Vereinigten  Staaten 
von  Nordamerika  407. 
410. 

Republikanismus  229.  266. 
281.  309.  340.  342.  354. 
386.  387.  388.  393.  400. 
404.  412. 

S.  auch  Amerikanisches 
Republikanertum. 

Republik  der  Wissen- 
schaften 216. 

—  en 

Afrikanische       (Kongo- 
staat)   437. 

Altrömische  61.  69.  144. 
Athenische    37.    39. 
Australien  473.  498. 
Batavische       (Holland) 

304- 

Britisch-Südafrika 
s.    Südafrikanische    Re- 
publik. 
Burenrepubliken  441  bis 

443.  499- 
China   469. 

Cisalpinische     (Lombar- 
dei)  311. 

Englische    224 — 225. 
Französische 

Erste  300 — 303.  303 
bis  316.346.366.409. 
Zweite  386—388.  389. 
Dritte  385.  401.  422. 
425. 
Holland 

s.    Batavische    Repu- 
blik. 
Italienische  Republiken 
(Florenz,     Genua,    Mai- 
land,   Neapel)    390. 
Kanada  472 — 473. 
Kapland  231.   312.   320. 
347-  435-  441.  442.  443. 
499- 
Kongostaat 

S.    Afrikanische   Re- 
publik. 
Lombardei 

s.    Cisalpinische    Re- 
publik. 
Mexiko  410 — 412. 
Mittelamerikanische  Re- 
publiken 412. 
Natal   441.   499. 
Neuseeland  473. 


Niederländische        198. 

304. 

Nordamerikanische  Re- 
publiken 282 — 285.  356. 
357.  404—410.   411     bis 
412.    470 — 472.    498. 
Oranjefreistaat  435. 

439.    441.    442.  499. 
Portugal    491. 
Römische    der    Neuzeit 

390-  391- 

Spanische  541  Nachtr. 
Südafrikanische  (Bri- 
tisch-Südafrika) 441  bis 
442.  499-. 

Südamerikanische  Re- 
publiken 152.  153.  154. 
162.  163.  167.  181.  201. 
356 — 360.  412.  471.  472. 
498. 

Toskana  385. 
Transvaal      435.       439. 
441.  442.  443- 444-    499- 
Venedig    389.    390. 

Republikpräsidenten 
französische    388.    392. 
422.    425,    427. 
der  nordamerikanischen 
Union    283.     284.     357. 
405.     407. 

ihrer  losgerissenen  Süd- 
staaten 408.  409.  410. 
in   Mexiko  411. 

Requisitionen  338. 

Requisitionswesen    315. 

Resident  (englischer)  in 
Indien  278. 

Restauration 
Erste  340—342. 
Zweite  347 — 348.  352  bis 

354- 
Retorte    530.    540. 
Retz   (Kardinal   von)   234. 
Reusen        (Unterseeische) 

431. 

Revanche  und  Revanche- 
idee 338.  348.  419.  426. 

Revision  (Kaiserliche)  der 
Päpstlichen  Entschei- 
dungen   331. 

Revolutionäre     354.     395. 

398. 

—  deutsche    393. 

—  Regimenter  des  spani- 
schen   Heeres    326. 

Revolutionen 

Badener  (Volksauf- 

stand)  393. 


Chinesische     Revolutio- 
nen 

Große    —    in    China 

469. 

Tai-ping  -  Aufstand  in 

China  469. 

Dekabristenrevolution 

s.    Russische   — . 

Deutsche    —    392 — 394. 

Englische         219 — 225. 

243.    258.    288. 

Französische    — 

Erste  (Große  1789) 
246 — 276.  285 — 291. 
293—316.  341.  342. 
345-  347-  352.  387. 
486.  537/538. 
Zweite  (Julirevolu- 
tion 1830)  354.  363. 
364.   386. 

Dritte    (Februarrevo- 
lution 1848)  366.  385. 
386.  387.  389- 
Vierte        (Junirevolu- 
tion   1848)    387.    388. 

Italienische     355.     356. 

389—392.  399. 

Japanische  467 — 468. 

Mittel-  und  Süddeutsche 

(v.    J.    1848)    389-396. 

österreichische  394. 

Portugiesische    491. 

Preußische        (März  — ) 

392—393- 

Russische    — 

Dekabristen  —  (De^ 
zember  —  v.  J.  1825) 
362. 

Sächsische   393. 

Spanische   —  355.   356. 

418. 

September  541  Nach- 
trag. 

Ungarische 

Westf  älisch-B  ergische 

337- 
Revolution   in   der    Musik 

433. 

—  sauf  Schrift   272. 

—  sausschuß      radikalisti- 
scher   299.    301. 

—  sgegnerschaft    392. 

—  sgerichtshof    301.    302. 

—  sheere    298. 

—  skalender  (französisch.) 
303.  304.  307.  308.  316. 

—  skrieg    von    Texas    ge- 
gen   Mexiko    406.    411. 


Namen-  und  Sachregister 


679 


Revolutionsparteien      300. 

304- 

—  partei  radikalistische 
299.    301.    308. 

—  Soldaten  300. 

Rhein  75.  79.  92.  103. 
104.  107.  117.  146.  240. 
242.  243.  295.  299.  300. 
304.  308.  311.  315.  319. 
337-    343-   417.   420. 

—  armee 

s.    Rheinheer. 

—  bund  323.   337. 
„Rheingold"        (Wagner- 

sches  Musikdramaj  433. 

—  grenze  311.  336.  338. 
346.  420. 

—  heer 
französisches    im    Zwei- 
ten  Koalitionskrieg   ge- 
gen   die    franz.     Repu- 
blik 319. 

—  im  Deutsch-Französi- 
schen   Kriege    421. 

—  land  (Rheinprovinz; 
304.    311.    347. 

—  länder    300. 

—  pfalz    s.    Pfalz. 
Rhetorik 

französische     248.    289. 

295-  299.  310.  312.  386, 

388.  424. 

griechische    38.    48. 

römische    65. 

spanische  419. 

ungarische   395.    396. 
Rhetorisches   Genie 

s.    Oratorisches    Genie. 
Rhodes    (Cecilj   442. 
Rhodesia    442.    443.    450. 
Rhodus    113. 
Rhone   72.    123. 
Riccio  205. 
Richard     Löwenherz     von 

England   133. 
Richelieu    I.    (Kardinal  v.) 

209.  210.  211.  213.  214. 

215.  233.  247.  266.  269. 

295. 

—  II.    (Herzog   von)   352. 
Riebet    (Alfred)    531    An- 

merk. 

—  (Charles)  437  Anm. 
451  Anm.  514  Anm. 
520  Anm.  531  mit  An- 
merk.  i.  531  (532J  An- 
merk.    2. 

Richmond    409. 

23* 


Richterliche    Gewalt    283. 

Richterstand 

enghscher    221.    227. 
französischer    214.    215. 
mittelalterlicher   in    den 
Städten    126. 
nordamerikanischer  281. 
407. 
russischer    403. 

„Rienzi"   433. 

Riesenanschwellen  des 
Staatshaushaltes  sämt- 
licher Länder  506.  507. 

—  dampf  er     512. 

—  hafte  Anziehung  der 
Steuerschraube    509. 

s    Anschwellen   der 

Heeresausgaben   507. 

Ausfuhr   505. 

r  Umfang  der  bri- 
tischen Kriegsflotte  489. 

—  konsum   505. 

—  magnete    522.    523. 

—  reiche: 

Britisches    Reich    474. 

China     412.    452.    460. 

465. 

Das    einstige    spanische 

Weltreich  470. 

Indien    458.    474. 

Rußland  237.  255.  334. 

412. 

Vereinigte  Staaten  von 

Nordamerika    470. 

—  zunähme  der  Groß- 
stadtbevölkerung 

s.  B  evölk  erungszunahmQ 
riesige  in  den  Groß- 
städten. 

Riga  232. 

„Ring  der  Nibelungen" 
(Titel  der  Wagnersch. 
Tetralogie)  433. 

Rio   de   Janeiro   361.   495. 

Riquet  de  Caraman 
s.   Caraman. 

Riten   460. 

Ritter,  Rittertum  126.  127. 
128.   132.   134.   142.   168. 

174-   175- 

—  Orden    278.     320. 

Rivalität  japanische  zwi- 
schen dem  Kaiser  una 
den  Daimo  einerseits 
und  dem  Shogun  ande- 
rerseits 467.   468. 

—  in  Kunst  und  Wissen- 
schaft  413. 


Rivalität  internationale 
431.    510. 

—  spolitik  der  europäi- 
schen Kontinentalnatio- 
nen 414.  453.  475.     . 

—  —  Englands  396. 

—  unter  den  europäi- 
schen Großmächten  478. 

— verschiedenen 

Kommandostellen     328. 

335- 
— verwandten    sla- 
wischen    Völkern     der 
Balkanhalbinsel  477. 

—  zwischen  Rußland  und 
England  in  Vorder- 
asien   456. 

Rivoli    310.    313. 
Robespierre  223.  300.  302 

bis   303.   309. 
Rochambeau    284. 
Rochuskirche    309. 
Rocky    Mountains    405. 
Rocroy    211.    234. 
Rodin   (Auguste)  434.  521. 

—  scher   Stil    521. 

—  sehe  Schule  521. 
Roger-Ducos   316. 
Rohan     (Erzbischof    von; 

238. 

—  (Herzog  von)  234. 
Roland    118.    156. 

—  slied   118.    125. 
Rolland   302. 
Rollo    124. 

Rom  49.  55.  56.  58.  60  ff. 

98.       102.       103.       104. 

105.  106.  109.  115.  118. 
.     119.  137.  139.  146.  153. 

170.  172.  175.  178.   179. 

200.  248.  298.  312.  318. 

331.  339-  360.  367.  385. 

389.  390.  392.  400.  401. 

417.  418.  476.  495-  536. 
Romancero  del  Cid  156. 
Romanische   Sprachen 

Rumänisch  476. 

—  Völker 
Rumänen    476. 

Romanisierung  (Latinisie- 
rung) 84.  105.  168.  476. 

Romanow  (Herrscher- 

haus;  237.    253. 

Romanschriftstellerei 
in      Deutschland      351. 

377-  379- 
—  England      183—184, 

377-  379-  520. 


68o 


Namen-  und  Sachregister 


Romanschriftstellerei 
in  Frankreich   177.    183 
bis      184.     351.    378. 
379-    396.    432.     520. 
521     Anm. 

—  Italien  355/356. 

—  Rußland  377.  432. 
433.  520—521. 

—  Schweden  487  A.nm. 

—  Spanien  203. 

—  den  Vereinigten 
Staaten  von  Nord- 
amerika  407. 

Romantik 

in     Deutschland     147. 

—  Frankreich  378.  380. 
Romantiker    147.    331. 

—  auf    dem    Thron    331. 
Romantische    Schule    147. 

378. 

—  s  Zeitalter  380. 
Romanz    de    Renart    141. 
Römer  9.   29.   33.    54.    55. 

57.  85.  87.  88.  99.   102. 

104.   105.   128.  155.  298, 

385.    450.   459.    536. 
Romfahrt     179. 
Römische    Christen 

s.     Katholiken. 

—  Einrichtungen,  ihre 
Verbreitung  unter  Au- 
gustus  und  den  Kaisern 
über  die  gesamte  Welt 
82.    536. 

—  Kirche,  ihre  Allmacht 
s.  Allmacht  der  Römi- 
schen Kirche. 

—  Republik  des  Alter- 
tums 61.  69:   144. 

der     Neuzeit     314. 

392. 

—  Zivilisation  82.  536. 

—  r  Friede  im  römischen 
Weltreiche 

s.    Pax    Romana. 
Römisch-deutsches     Reich 
(Heiliges)    138.    140. 

—  er  Katholizismus 

s.  Katholizismus  und 
auch  Kirche  christliche, 
römisch  katholische. 

—  es    Kaiserreich 

s.   Römisches   Reich. 

^echt    139. 

■ Reich    84.    88.    91. 

92.  93.  94.  96.   106.  107 

bis    108.    113.    126.    148. 

168.  346. 


Römisch-katholisch  180. 
184.   185.  200.  207.  236. 

e    Religion 

s.  Katholizismus  und 
auch  Kirche  christliche, 
römisch-katholische. 

Romulus   60.    106. 

—  Augustulus    106. 
Roncevalles     118. 
Röntgen    (Wilhelm    Kon- 

radj    523.    524. 

—  -Strahlen    524. 

—  verfahren    524. 

—  —  ,  seine  Anwendung 
für  Diagnose  wie  The- 
rapeutik    524. 

Rosen 

s.  Krieg  der  beiden  Ro- 
sen. 

Rostand  (Edmond)  330 
Anm.  521  mit  Anm. 

Roßbach    264.    326. 

Rossini  (Gioachino  An- 
tonio;   381.    433. 

Rostoptschin   333. 

Rotbart 

s.  Friedrich  I.  Barba- 
rossa. 

Rötelkrankheit  532. 

Rotes  Meer  19.  iio.  159. 
163.  413.  435.  446.  449. 

Rothäute     164.    266.    356. 
406. 
S.  auch  Indianer. 

Rotterdam  228.   231. 

Rouen    123.    145.   367. 

Rousseau  (Jean  Jacques; 
275.    302.    351. 

Roussillon    234. 

Roux    (Philibert)    530. 

—  (Pierre)    530. 
Royalisten    englische   223. 

226. 

französische  234.  295. 
304.  308.  309.  339. 
341.    352.    353. 

Royal  Society  250. 

Rubens    232.    249. 

Rubicon    79. 

Rückabtretung  der  Man- 
dschurei von  Japan  an 
China  nach  dem  rus- 
sisch-japanischen Kriege 

484. 

—  des  Sandschak  Nowi 
basar  von  Serbien  an 
die  Türkei  479. 


Rückberufung  der  Bour- 
bonen  339.   340. 

Rückenmark  in  seinen  pa- 
thologischen Verände- 
rungen   527. 

Rückfall  Mazedoniens  von 
Bulgarien  an  die  Tür- 
kei 479. 

Rückgabe  Adrianopels  sei- 
tens Bulgariens  an  die 
Türkei  nach  dem  Zwei- 
ten   Balkankriege    482. 

Rückgang  des  Ackerbaus 
in    England 
s.  Aufhören  des  Acker- 
baus in  England. 

—  —  Kinderreichtums 
der     Deutschen,     Eng- 
länder und  Italiener  im 
20.   Jahrhundert    503. 

Rückkehr  Napoleons  I. 
aus   Elba   341 — 342. 

—  zum    Nichts 
s.     Nirwana. 

Rückschrittliche  Politik 
s.     Reaktion. 

Rückzug  der  großen  Ar- 
mee  333/334- 

Rüde  (Frangois)  380. 

Rudolf  von  Habsburg  146. 

—  II.    206. 
Rügen  292  Nachtr. 
Ruhrkrankheit    447.     532. 
Rum    406. 

Rumänen    254.    280.    361, 

393-  398.  476.  477.  479- 
481. 

—  ,  ihre  entscheidende 
Stellung  auf  dem  Bal- 
kan 482. 

—  aufstände    360. 

—  in  Siebenbürgen  476 
bis  477. 

—  mit  den  Russen  vor 
Plewna    479. 

Rumänien   328.   360.   361. 

362.  396.  398.  476.  477. 

478.  506.  507.  508. 
Rumänisch  476. 

—  ,  Rumänische  Sprachr 
und  Literatur  105.  360. 
476.  479. 

—  e    Juden    476. 

—  e     Scheinabhängigkeit 

398. 

—  er    Gewerbefleiß    476. 

—  er   Vasallenstaat    398. 
Rumanoro    481. 


Namen-  und  Sachregister 


68 1 


Rumelien  478. 
Rummel    (Fluß;    384. 
Rüssel    227. 
Russen  236.  237.  252.  253. 

256.  264.  279.  280.  306. 

307.  315.  322.   324.  333. 

334.  338.  343.   363-  364. 

395-  396.  397.  403-  404. 

452.  453-  454.  457-  458. 

467.  468.  470.  478.  479. 

485-  518. 

—  aufstände  253.  256. 

—  boykott  der  Polen  403. 
S.  auch  Russenhaß  der 
Polen. 

—  einfalle    253. 

—  feindliche  PoHtik  Bis- 
marcks  479.   480. 

—  freundschaft    276.    457. 

—  haß  "der  Polen  332. 
363.    364.    403. 

S.  auch   Russenboykott 
der    Polen. 

—  partei    in    Afghanistan 

457-  . 
Russifizierung    des 

Schwarzen  Meeres  456. 

—  —  sversuche  gegen- 
über   Polen    363.    403. 

Russisch    237.     315.     452. 

455- 

—  ,  Russische  Sprache 
und  Literatur  363.  431 
bis   432.    452. 

Russische  Beamtenkorrup- 
tion 

s.    Russische    Käuflich- 
keit. 

—  Erwerbungen  in  Arme- 
nien   479. 

—  Invasion  in  die  mo- 
hammedanischen Staa- 
ten Vorderasiens  454 
bis   456. 

—  —    en    in    China    452. 

—  Käuflichkeit 

s.     auch     Bestechungs- 
system. 

—  Kirche    276.    279.    478. 
■ —  Niederlassungen  in  der 

chinesischen  Mandschu- 
rei 454. 

—  Okkupation  Sibiriens 
452. 

—  Polizei    403. 

s.    auch    Polizei. 

—  Regierung  363.  402. 
403.    491. 


Russischer  Feldzug  Napo- 
leons   I.   332—334.    346. 

—  r  Handel  in  Afghani- 
stan   und    Persien    456. 

—  r    Liberalismus   402. 

—  r  Schulzwang  in  Polen 
404. 

—  r  Sprachenzwang  in 
Polen   404. 

—  -französisches  Bündnis 
s.  Französisch-russisches 
Bündnis. 

—  -japanischer  Krieg  452 
bis  455.  469.  487. 

—  -rumänisches  Bündnis 
478. 

—  e  Slawen  502. 

—  -schwedische    Kriege 
unter  Karl  XII.  252  bis 

253- 
—    Katharina    II.    280. 
306. 
— s    Bündnis    332. 

—  -türkischer  Krieg  der 
Gegenwart    478.    483. 

—  -türkische  Kriege  unter 
Katharina  II.  279 — 280. 
306. 

Rußland  147.  236.  237. 
250.  252.  253.  254.  255. 
265.  272.  276. 
280.  281.  297. 
307.  315.  322. 
329.  330.  331. 
335-  347.  361. 

7>n-  383.  393. 

402.  404.  406. 

432.  434.  453. 

456.  457.  458. 

480.  482.  483. 

489.  491.  492. 

501.  502.  507. 

511.  516.  520, 


259-  263 
278.  279 
305.  306 
323-  327 
332.  333 
362.  363 
397.  401 
416.  417 
454.  455 
478.  479 
485.  487 
494-  500 
508.  509 
521.     537- 

—  s  Eroberung  der  Welt 
des    Islam    455 — 456. 

Rüstungseinschränkungen 
internationale    485. 

—  zunähme  in  ganz  Euro- 
pa   432.    488.    489. 

S.  auch  Wettrüsten  der 
europäischen   Völker. 

Ruthenen    394. 

„Ruy    Blas"    378. 

Ruysdael    232. 

Ryswijk    244.    245. 


Säbeldiktatur 

s.    Generälewirtschaft. 
Sachalin    452. 
Sachsen  (Landj    102.    103. 

106.   118.   119.   128.   129. 

131.   146.  210.  252.  259. 

260.  262.  264.  278.  324. 

367.  369.  393.  416.  417. 

—  (Volk;  117.  118.  252. 
263.    337.   421. 

—  ganger  ei    498. 

Koburg    364. 

Sächsische     Dynastie     in 

England   107.   124.   128. 

—  Revolution    392. 
Sadowa    416. 
Sagunt    72. 
Sahara    383.    435. 
Sahib    s.    Tippo    Sahib. 
Said    (Khedive)    383.    413. 
Saigun    460. 
Saint-Cloud     192. 

—  -Denis    141.     192. 
Sainte-Claire    Deville 

(Henri-Etienne)    430. 
Saintes    284. 
Saint-Etienne    367. 

—  -Germain  189.  233.  245. 

367- 

—  -Gobain  239. 

—  Hilaire    (Geoffroy)  349. 

—  -Jean    d'Acre    314. 

—  -Just    174. 

—  -Louis    495. 

—  -Paul   494. 

—  -Pierre  (Abbe  dej  484. 

—  -Privat  421.  423. 

—  -Valery  sur  Somme 
129. 

Sakja-Moni  461. 
Sakramente    (sieben)    187. 
Saladin    133. 
Salamis    42. 
Salerno    136. 
Salizyl(säure)    531. 

—  —    derivate    531. 

Sallust    83.    84. 

Salmanassar  24. 

Salomo  und  sein  Tempel 
19.    20.    21.    23. 

Salon  der  Zurückgewie- 
senen  433. 

Saloniki  477.    481.   482. 

Salvador     (San)     160. 

Salvarsan    531. 

Samaria  24.   25. 


682 


Namen-  und  Sachregister 


Sambesi  435.  436,  439. 

—  -Handelsniederlassung 

435- 
Sambre-et-Meuse    304. 
Samniter   68.    69. 
Samoa-Inseln  471. 
Samory    446. 
Sand  (George;  379. 
Sandeau  (Julesj  341  Anm, 

432. 
San   Domingo   304. 
Sandschaks    479. 
Sandwich-Inseln    471. 
San  Francisco  472. 
Sanherib    25. 
Sanitätsbehörden   532. 

—  offizierkorps  531   Anm. 

—  reformen      in      Afrika 
446.  447. 

San       Lorenzokirche      zu 
Florenz  172. 

—  Martin   (General;   358. 
Sansibar  435.  436.  438. 
San  Stefano  478.  479. 
Santi   (Raffael)   172.    178. 

231.  432. 
Sao    Vicente    159. 
Sappho    379. 
Saragossa    118.    154. 
Saratoga    283. 
Sarazenen    114.    117.    118. 

119.    124.    132.    136. 
Sardanapal       (Assurbana- 

palj   25.   26.    192. 
Sardes    39. 
Sardinien  22.  72.  103.  113. 

124.   157.   175.  235.  259. 

260.   262. 
Sardou    (Victorienj    432. 
Sargon   24.    25. 
Sarto    172. 
Saßbach    241. 
Satirik    177.    203.    248. 
Satrapen     und     Satrapien 

40.   41. 
Sauerstoff 

s.    Entdeckung    des 

Sauerstoffes. 
Säuglingsernährung 

s.    Säuglingspflege. 

—  heimbewegung    533. 

—  pflege    533. 

—  Sterblichkeit    533. 
Säulen   des    Herkules   71. 

158. 
Savenay   303. 
Savona    330. 
Savonarola    173.    178. 


Savoyen  (Herrscherhaus; 
244.   391.   392.   400. 

—  (Herzogtum  und  franz. 
Provinz)  168.  211.  235. 
243.  244.  246.  259.  300. 
314.  400. 

S.  auch  Herzogtümer. 

Scarron   242. 

Schafott    s.    Henkertod. 

Schah  457.  458. 

Schang-hai  466. 

Schankfreiheit,  ihr  Miß- 
brauch   533. 

—  gerechtigkeit,  Notwen- 
digkeit ihrer  Einschrän- 
kung 533. 

Scharlachkrankheit       532. 

533- 
Schaufelraddampfer   366. 

Schaukelpohtik  (äußere) 
Napoleons    I.    329. 

—  (— )  —  HI.  398.  400. 
401.  417.  418. 

S.  auch  Zickzackkurs  in 
der  Politik. 

—  (innere)  Zar  Alexan- 
ders   I.    361. 

—  Serbiens  zwischen 
Österreich  und  der 
Türkei   477. 

Schauspielkunst 
französische    277. 
italienische  277. 

—  westeuropäische  in 
Rußland  277. 

Scheele    349. 

Scheinbündnis  Zar  Alex- 
anders I.  mit  Napo- 
leon   I.    328.    346. 

—  Christen  (spanische) 
185. 

maurische  in  Spa- 
nien    196. 

—  demokratie  kapitalisti- 
sche   509. 

—  demokratisches  Kapi- 
talistenstaatssystem 509. 

—  konstitutionalismus 
in   Preußen   394. 

—  Rußland   491. 

—  der   Türkei    491. 

—  kriege  352.   413. 
Napoleons    I.    342. 

—  liberalismus 

—  Parlamentarismus 

s.     Scheinkonstitutiona- 
lismus. 


Scheinrepublik 

s.  China  eine  Schein- 
republik. 

—  Selbständigkeit  Afgha- 
nistans unter  verhülltem 
englischen     Protektorat 

457- 

—  —  Ägyptens  —  —  — 
—  440. 

—  —  Panamas Pro- 
tektorat der  Vereinig- 
ten Staaten  von  Nord- 
amerika  471. 

Persiens    457.    458. 

— •  Unabhängigkeit  Cubas 
unter  dem  verhüllten 
Protektorat  der  Ver- 
einigten Staaten  von 
Nordamerika    470. 

S  cheinunabhängigkeit 
s.  Scheinselbständigkeit. 

—  —  der  Moldau  und 
Walachei  362. 

Scheitern  der  Friedens- 
verhandlungen nach  den 
Schlacht  bei  Sedan  422. 

Scheide   300.    304. 

—  mündungen   304. 
Schenkungsverträge    146. 
Scher  Ali  (Emir)  457. 
Scherifs    223. 
Schicksalstage 

s.     Universale      Ereig- 
nisse. 
Schiedsgerichtgesetzlicb.es 
bei  Arbeitseinstellungen 

497- 
Schiedsgericht    inteniatio- 
nales    im    Haag 
s.  Internationales 
Schiedsgericht  im  Haag. 

—  —  sfälle  vor  den  Haa- 
ger Konferenzen  486 
bis    487. 

surteile  des  Ober- 
sten Schiedsgerichts- 
hofes  im   Haag   487. 

sverträge    487. 

—  —  svertrag  zwischen 
Argentinien  und  Italien 

487. 

—    —    Dänemark 

und    Holland    487. 

szwang  gesetzlicher 

zwischen  Arbeitgeber 
und  -nehmer  in  Austra- 
lien und  Neuseeland 
473- 


Namen-  und  Sachregister 


683 


Schiedsgerichtszwang  in- 
ternationaler 485.  486. 
488. 

—  —  —  —  vom  Stand- 
punkt    der    Sittlichkeit 


Vernunft  488. 
Schiedsrichteramt    der 

Päpste     131. 
— ■      Napoleons      I. 

326. 
Schienennetz      511.      513. 

517. 
Schießpulver      145.      455. 

490- 
Schiffahrt 

althellenische    37.     535. 
französische  215. 
kretische    31.    535. 
phönizische    22.    535. 

—  sgesellschaften 
amerikanische    405. 
französische  215.  239. 

Schiffsbau 

englischer   371.    487. 

japanischer    468. 

russischer    253.    255. 
kunst    englische    in 

Japan  468. 
— holländische    in 

Rußland    253.    255. 

—  konfiskation    321. 

—  Sprengmaschine    162. 
S.  auch  Torpedo. 

—  verkehr,  funkentelegra- 
phischer 

s.    Funkentelegraphi- 
scher    Schiffsverkehr. 

—  Versenkung  487. 

—  werften   371. 
Schiller     (Friedrich     von; 

202.    204.    351. 
Schipka   479. 
Schisma 

s.    Kirchenspaltung. 
Schlacht    bei    den    Dünen 

225.   234. 

— Pyramiden    313. 

Königgrätz4i2.416. 

—  —  Sadowa 

s.   Schlacht   bei   König- 
grätz. 

—  bewegungen    490. 

—  feldplünderer  195.  263. 
310. 

Schlagfertigkeit      (preußi- 
sche) 416.  421. 


Schlechte  Aussichten  der 
portugiesischen  Kolo- 
nien   451. 

Schieiden  (Jakob)  375. 

Schlesien  (österreichisch) 
262. 

—  (preußisch)    262.    265. 
Schleswig  414.  415. 

—  -Holstein  414.  415.416. 
417.. 

ische  Frage  414. 

— r   Aufstand   414. 

Schloßbauten     176.      177. 

249.  266.  268.  294.  295. 

299.  300.  331.  334.  340. 

341.    342.    422.    466. 
Schmähschrift 

s.    Pamphlet. 
Schmarotzer,    ihre    Lehre 

528.   529. 

—  —  Vernichtung   529. 

—  wesen  447.  528.  529, 
532.   533-  541. 

Schmerzlosigkeit 
s.   Anästhesie. 
Schnaps   533. 

—  brennerpolitik  533. 

—  —  Privilegien 

s.    —    —    Politik. 

Schnelldampferverkehr 
512. 

Schöffen   127. 

Scholastik    217.     275. 

Schollenzugehörigkeit  der 
Bauern    370. 

Schönbrunn  329. 

Schonen   236. 

Schönheitsidee,  ihr  Wan- 
del 434. 

Schöpfer  der  allgemeinen 
(vergleichenden)      Phy- 
siologie 
s.     Begründer     —     — 

—  des  modernen  Romans 
351. 

Schöpfungsgeschichte 
griechische  461. 
indische    461. 
jüdische    461. 

—  lehre,  ihre  Unhaltbar- 
keit  349.  428. 

S.  auch  Schöpfungspro- 
blem. 

—  Problem    349.    428. 
Schotten     128.    204.    220. 

224._  257. 
Schottisch  220.  222. 


Schottland    123.    168.   202. 

204.  205.  221.  223.  224. 
Schraubenpropeller 

s.   Propeller(schrauben). 
„Schraube     ohne     Ende" 

509. 
Schreckensherrschaft     des 

Königs  Behanzin  in  Da- 

home   446. 

—  —    französische     302. 
308. 

S.  auch  Weißer  Schrek- 
ken   (Terreur   blanche), 

—  männer  301.  309. 
S.  auch  Jakobiner. 

Schriftstellemde  Frau(en), 
Schrif  tstellerin(nen)  379. 

Schubert   (Franz)   381. 

Schulbildung  in  Nordame- 
rika 266.  281. 

Preußen  261. 

Schuldenabschüttelung 
305. 

—  Wirtschaft 

in   den   Vereinigten 
Staaten     von     Nord- 
amerika 509. 

—  Deutschland  509. 

—  Frankreich  305.  509. 

—  Großbritannien    509. 

—  Rußland    509. 

—  Venezuela  487. 
Schuldfrage    im    Deutsch- 
Französischen       Kriege 
419.  421.  423. 

—  —  Krimkriege   396. 
Schuld    Napoleons    I. 

s.  Napoleons  I.  Schuld. 

—  verschreibungen  auf 
Ländereien 

s.  Bodenkreditaktien  u. 
Hypotheken. 
Schuletat,  die  Möglich- 
keit auch  einer  teil- 
weisen Einschränkung 
von  ihm  zugunsten  des 
Budgets  für  Wissen- 
schaft  und   Kunst   493. 

535. 

—  in  Frankreich  und  den 
anderen  Ländern  493'. 
535- 

Schulgründung  120. 

—  pflicht  allgemeine  261. 
267.  305.  491—492.  493. 

Schulze-Delitzsch  (  Her- 
mann) 496. 


684 


Namen-  und  Sachregister 


Schumann    (Robert)    381. 
Schutz    der    Christen    im 
Morgenlande    396. 

—  —  persönlichen  Frei- 
heit   225. 

Schützenkampf    142.    209. 

443- 
Schutzgebiete 

s.    Protektorate. 

—  —  afrikanische   437. 

—  herrschaften 

s.  Protektorate. 

—  impfung    526.    530. 

—  mannschaft  mittelalter- 
liche  in    Itahen 

s.  Condottieri. 

Schutz-  und  Trutzbündnis 
Preußens  mit  Italien 
416. 

— zwischen  dem 

Deutschen  Reich  und 
Österreich  482. 

vertrag  zwi- 
schen Preußen  und  dem 
Süddeutschen        Bunde 

417. 

—  zolle  239.  371.  372. 

—  —  politik 

s.  Schutzzollsystem  und 
Europäische  Schutzzoll- 
politik. 

System      239.     371- 

372.   401.   471-   472. 

S  ch wache  Volksdichtigkeit 
s.  Menschenarmut  rela- 
tive. 

Schwanken  des  russischen 
und  türkischen  Anteils 
an  der  Herrschaft  über 
Arabien    456. 

Schwann    (Theodor;    375. 

Schwarze  Bevölkerung 
s.  Negerstämme. 

Schwarzenberg  (General) 
338.  343- 

Schwarze  Rasse   164.  366. 
406.  407.  413-436.  441- 
448.  498.   501. 
S.  auch  Neger. 

Schwarzer  Erdteil  436  bis 
437.    447-    451- 

Schwarzes    Meer    14.    22. 
26.  37.  75.  85.  92.   102. 
104.  454.  455-  456.  479- 
Schwarze  Stämme 
s.  Negerstämme. 


Schwarzmeerflotte  rus- 
sische im  Russisch-japa- 
nischen Kriege  454. 

Schweden  (Land)  147. 
180.  208.  209.  211.  212. 
218.  219.  225.  235.  240. 
243.  250.  252.  254.  263. 
265.  273.  280.  292  Nchtr. 
306.  320.  331.  332.  347. 
434.  491.  499.  506.  507. 
508. 

—  (Volk)  209.  210.  211. 
235.  237.  250.  252.  280. 

473-  . 
Schwedisch   209. 

—  ,  Schwedische  Sprache 
und    Literatur    502. 

—  es  Wesen  209. 

polnischer   Krieg  235. 

Schweiz     146.      154.  168. 

180.  212.  314.  315.  329. 

336.  424.  434.  491-  506. 

507.   508.   518. 

Schweizer    170.    191.  299. 

—  isch    145. 
Schwerkraftgesetz  250. 
Schwertfegerei 

s.    Eisenschmiedekunst. 

Schwierigkeit  des  Arbeits- 
willigenschutzes  bei 

Streiks  496. 

Schwinden  der  Landbevöl- 
kerung 

s.  Abwanderung  der 
Landbevölkerung  in  die 
Städte. 

Religionskriege    497 

bis  498.    505. 

— ,  seine  Ursachen 

—  des  Ackerbaus  m  Eng- 
land   494.    497. 

—  moderner  Sklaverei  402 
bis  410. 

Sciarra    235. 

Scipio     Africanus     minor 

73-    76. 
Scipionen   73. 
Scott    (Walter)    377.    379. 
Scribe    (Eugene)    379. 
Seapoy    269. 
Sebastopol   397. 
Sechster    Kreuzzug    135. 
Sechzehner  Ausschuß  191. 
Sedan  422. 
Seedienstrolle  239. 
Seefestungen 

s.    Kriegshäfen. 


Seefische    431. 

—  handel  325.  405.  459. 
466.  471. 

—  —  srecht    201. 

—  kriege  262.  312.  322. 
346.  366. 

Seelenwanderung  (Metem- 

psychose)    10. 
Seemächte 

s.      Kriegsflotten      und 

Marine. 
Seeprisenrecht  487. 

—  —  -Schiedsgerichtsur- 
teil   im     Italienisch-tür- 
kischen Kriege  487. 

Seeräuberkrieg     55.     176. 

383- 
Seerecht   486—487. 

—  schlachten  42.  47.  68. 
81.  200.  201.  203.  243. 
245.  279.  280.  313.  322. 
362.  454.  466. 

—  schule    256. 

—  sperre  über  Algier  383. 

—  verkehr  Indiens  nach 
Australien  über  Singa- 
pur 459. 

—  weg     nach     Ostindien 

159  ff. 

Segelschiffahrt    512. 

S6gur   288. 

Seidenraupen,  ihre  Krank- 
heiten   528. 

—  Weberei 

s.    —    Wirkerei. 

—  Wirkerei  chinesische 
464. 

Sei-tai    shogun 
s.    Shogun. 

Seine  104.  106.  107.  117. 
123.   190. 

Sektarismus  109.  181.  187. 
243.    267.    268. 

Selbständiges  Gepräge 
der  nordischen  Litera- 
tur 432. 

—  Finanzverwaltungen 
von  Schutzgebieten  und 
Kronkolonien 
afghanische    457. 
kanadische   472. 

Selbständigkeitserklärung 
s.  Unabhängigkeitser- 
klärung. 

garantie  für  Ser- 
bien durch  die  Groß- 
mächte 398. 


Namen-  und  Sachregister 


685 


Selbständigkeit  staatliche 
der  Australisch.  Repu- 
blik 473. 

— englischen 

Burenkolonie   413. 

Kronkolo- 
nien  472. 

Selbstbestimmungsrecht 
der    Völker      289.    294. 
347.   400.   417.    510. 

Selbstbetrachtungen  des 
Mark  Aurel  84.  93. 

Selbstherrhchkeit  des  Staa- 
tes 

s.  Souveränität  staat- 
liche. 

Selbstmord   533. 

—  Versorgung   372. 

—  Verwaltung 

s.  Städtische  und  Ko- 
loniale   — . 

Selen   349. 

Selim   I.    199. 

—  II.    199. 
Semiramis    16.    19. 
Semiten  5.   18.  20.  22.  23. 

24.   25.   26.  31.  446. 

—  Stämme  weißer  Rasse 
in    Afrika    446. 

Semitisch,    semitische 
Sprachen  und  Literatu- 
ren  455. 

Senat   (französischer)   335. 

339-  344-  352.  427-  439. 
S.  auch  Oberhaus  und 
Herrenhaus. 

—  (römischer)  34.  55.  61. 
63.  71.  72.  73.  79.  80. 
82.  83.  86.  88.  91.  94. 
127.    137.   225.   317. 

—  städtischer  s.  Stadt- 
senat. 

—  oren  61.  71.  90.  95. 

—  swahlen  französische 
427. 

S(enatus)  P(opulus)  Q(ue) 
R(omanus)    61.    88. 

Seneca    65.    83.    92.    276. 

Senegal  (Land)  284.  435. 
436.   446. 

—  (Strom)   72.  440. 

—  gesellschaft   215. 

—  neger    440. 
Senegambien  445.  446. 
Sensible    Nerven   376. 
Sentinum   69. 
Separatismus 

s.  Partikularismus. 


Separatisten  (protestan- 
tische Sektierergemein- 
schaft)    266. 

—  repubÜk    266. 

Sepsis    529. 

Septembermorde    299. 

Septimius   Severus  93. 

Sequestration  des  Vize- 
königlich -  äg^'ptischen 
Privatbesitzes    439. 

Serben  254.  395.  398.  477. 

478.  481.  482. 

—  aufstände    360.     478. 

—  im  neugeplantcn  alba- 
nischen  Reiche   482. 

Serbien  152.  360.  477.478. 

479.  482.  501.  506.  507. 
508. 

Serbisch    478.     479. 

—  ,  Serbische  Sprache 
und  Literatur  360.  477. 
478. 

bulgarischer  Krieg  480. 

—  e  Scheinunabhängig- 
keit 398. 

—  er   Vasallenstaat   398. 

—  e   Völker   477/478. 
Serum 

s.    Heilserum. 

—  therapie   531. 

Servet  (Miguel)  183.  218. 
541     Anm. 

Servilismus 

s.     Knechtseligkeit. 

Sesostris  (Sethoose,  Se- 
turi)    14. 

Seßhaftigkeit  der  Franzo- 
sen   215.    265/266.    267. 

—  sbeginn  beim  Men- 
schengeschlecht 3.   535. 

Seuchen  148.  271.  279. 
314-  333-  385.  397-  41 1- 
447.  459-  498.  526.  540. 

—  ihre  Ursachen 
s.    Bakteriologie. 

—  bekämpfung  in  Afrika, 
s.  Krankheitsbekämp- 
fung   —    — . 

Sevennen    242. 

S^vignö  (Madame  de)  249. 

379- 
Sevilla   154.   157. 
Seymour    (Johanna)    185. 
Sezession(istenschulej  433. 

—  skrieg  amerikanischer 
408—410.  436.  487. 

Shakespeare  32.  44.  204. 
205.    247.    248.    271. 


Shelley     (Percy     Bysche) 

377- 
Sherman    (General)   410. 
Shogun   467.    468. 
Siam    460. 
Sibirien  164.  237.  256.363. 

451.  452. 
Sibirisch-chinesische  Bahn 

452.  453- 

Sibirische  Kälte  252.  334. 
S.  auch  Winterfrost. 

—  Querbahn      452.     453. 

454- 
Sicherheitsplätze 

s.  Freistädte. 
Sickingen  180. 
Sidney   (Algernon)   227. 

—  (Stadt)    494. 
Sidon  20.   22. 
Siebenbürgen    476. 
Siebenbürgisch    477. 
Siebenjähriger   Krieg   263 

bis    265.    267.    270. 

Sieben  Kurfürsten  146. 

Siedelungsgefahren,  ein- 
stige   498. 

Siegeszuversicht  423.  424. 

„Siegfried",  Wagnersches 
Musikdrama  433. 

Siena    150. 

Sierra   Leone   443. 

Sieyfes    (L'abb6)    316. 

Sikhs    269. 

Silber   506. 

—  ausfuhr    405.    506. 

—  bergwerke    405.    506. 

—  handel    506. 

—  kurs    506. 

—  reichtum    506. 
Silicium    349. 
Simon  (Jules)  484. 
Simonoseki  453.  468.  469, 
Simpson  (Chirurg)  376. 
Sinai    13.    17.    21.    40. 
Singapur  (Hafenstadt) 

459- 

—  (Insel)    459. 
Sinken   der  Preise 

s.    Fall    der    Preise. 

—  des  Goldwertes  506. 

—  —  Silberwertes   506. 
Sinnbildhchkeit 

s.   Symbolismus. 
Sinope    397. 
Sinshariskun    26. 
Sintflut    15. 
Sioux    165. 
Sistow  280. 


686 


Namen-  und  Sachregister 


Sittenreinheit    der    ameri- 
kanischen    Uransiedler 
266. 
Sitten  Rußlands  363. 

—  Verderbnis 

der   Mönche    125. 
—  Priester    122. 
römische    85.    94. 
SittUche    Beurteilung    der 
afrikanischen    Kolonial- 
poUtik  451. 

Sitzungsschluß    289. 

Sixtinische  Kapelle,  Male- 
reien   in    der    172. 

Sixtus    IV.    172. 

Sizilianer    400. 

Sizilianische    Volks- 
erhebung   355. 

Sizilien  (Insel)  22.  34.  36. 
37.  70.  72.  113.  123.  124. 
139.  140.  141.  157.  175. 
235.  241.  246.  258.  389. 
390.  400. 

—  (Königreich  der  bei- 
den) 246.  259.  355,  389. 

.  397-  399- 
Sizilier  57. 
Skandinavien      122.      131. 

499.  500. 
Skandinavier    236. 
Skelettkunde    350. 
Skeptizismus       186.       194. 

200.   505. 

—  religiöser 

s.  Religiöser  Indifferen- 
tismus     und      Kritische 
Theologie. 
Sklavenarbeit   34.    64.    67. 
75.    203.    izöö. 

—  ausfuhr 

s.  Negerausfuhr. 

—  befreiungsversuche407. 

—  dasein  der  chinesischen 
Volksklassen  463. 

—  geist  der  feindlichen 
Städte  gegenüber  Na- 
poleon I.  317. 

Sklavenhalterpartei  nord- 
amerikanische   410. 

—  handel  38.  91.  383.  519. 
S.  auch  Negerhandel. 

—  markt  in  Amerika  407. 

—  recht  38.  71.  91.  406. 
407. 

Sklaverei  11.  18.  34.  38. 
54.  63.  64.  67.  71.  85. 
89.    91.    94.     109.     121. 


122.   125.   126.   163.   167. 
271.  278.  402.  404.  406. 
407.   408.    410.    446. 
Sklavereiabschaffung 
s.    Abolition. 

—  anhänger  in  den  Ver- 
einigten Staaten  von 
Nordamerika  407. 

—  gegner    —    —    _    _ 

s.    Abolitionisten. 
Skoten     128. 

Skrzynecki  (General)  363. 
Skulptur 

ägyptische  12. 
alexandrinische    57. 
altgriechische        (klassi- 
sche) 43.  48.  109,  150. 
171.     177.    434.     535. 
—  mexikanische   165. 
christliche  99.    105/106. 

109. 
deutsche    178. 
französische     177.     380. 

434-    521. 
internationale    moderne 

433- 

S.  Buonaroti. 

italienische 
Skythen  25.   26. 
Slawen  109.  150.  207.  363. 

395.  396.  473.  475.  477. 

480.  499.  500.  501.  502. 

503.   504. 
Slawisch    23.    102.    207. 

—  ,  Slawische  Sprachen 
u.  Literaturen  395.  477. 
480.   501.   502. 

—  e  Sprachen,  ihre  Ver- 
schiedenheit voneinan- 
der  502. 

—  e  — ,  —  verwickelte 
Laut-  und  Formenlehre 
502. 

—  e  Völker  des  Balkan 
s.  Balkanslawen. 

Slawisierung  Österreichs 
mit  dem  Berliner  Kon- 
greß   479. 

Slowaken  394.   480. 

Slowenen  394. 

Smalah  17.  384. 

Smolensk    332.    333.    334. 

Smyrna    113.    115.    458. 

Snyders    232. 

Socii    66. 

„Sohn      des     Himmels", 


Kaiser   von   China   465. 
466.    467. 

Kaiser   von   Japan  467. 
Soissons    106. 
Sokrates  40.   45.   83.    145. 

217. 
Soldatenauf  stände 

französische    387. 

mexikanische  411. 

rumänische    361. 

spanische   355.   419. 

südamerikanische  359. 

—  ausrüstung    343. 

—  bekleidung  260. 

—  freundschaft    256.    415. 

—  könig  260 — 261. 

—  stand  172.  209.  211. 
223.  227.  252.  256.  262. 
283.  284.  288.  327.  329. 
341.  343.  352.  385.  388. 
403.  408.  423.  424.  425. 
443-   449-   456.  460. 

S.  auch  Revolutionssol- 
daten. 

Söldnerheere  72.  96.  143. 
168.   191.  208.  282.  311. 

Solferino  399. 

Solidaritätsgefühl  der  Ar- 
beiterschaft  369.    370. 

Menschheit  368. 

369.   510. 

Soliman  der  Große  175. 
199. 

Solon  37.  39.  40. 

Somerset  (Herzog  von) 
185. 

„Sommernachtstraum 
205. 

Sommerpalast  in  Pe-king 
466. 

Sonderparlament    289. 

—  Stellung  des  Bulgari- 
schen unter  den  sla- 
wischen Sprachen  477. 
478. 

—  Versammlungen 

s.  Klassenparlamente. 
Sonne    12.    250.    521.    525. 

—  njahr    12. 

—  nlicht     250. 

—  nspektrum    430. 

—  nsystem  216. 
Sonntagsruhe     gesetzliche 

497- 
Sophie,       Regentin       von 
Rußland   253. 

—  nkirche  zu  Konstanti- 
nopel  109. 


Namen-  und  Sachregister 


687 


Sophisten    54.    109. 
Sophokles    44.     170.    434. 
Sorbonne    154.    177.    178. 

181.   204. 
Soubise    264. 

Soult   (General)   335.   341. 
Souveränitätsdünkel   488. 

—  staatliche    485.    488. 
Sozialdemokratie 

s.  Sozialismus. 
Sozialdemokratische  Partei 
in  Deutschland  496. 

—  s  Streben  nach  Mini- 
stersesseln  496. 

—  s  —  —  Parlaments- 
sitzen  496. 

Soziale  Frage  369 — 370. 

—  Gesetzgebung   497. 

—  Gesundheitsreformen 
532.    540/541. 

—  Kriege,  ihr  Schrecken 
498.   505.  540. 

—  Probleme  272.  294.  370. 
432.  497- 

—  r  Ausbau  Äthiopiens 
(Abessiniensj  450. 

—  r  Despotismus  276. 

S.    auch    Diktatur    des 
Proletariates. 

—  Reformen 

in  allen  Staaten  497. 
in  Japan  468. 

ohne    Revolutionen 

in    Japan    468. 

—  r  Haß    426. 

—  r  Roman  432.  520. 

—  s  Christentum  433.  520 
bis   521. 

—  s  Kaisertum  Napole- 
ons  I.  346. 

—  Stellung  der  europäi- 
schen Amerikaauswan- 
derer   473. 

Sozialhygiene 
s.   Hygiene. 

—  —  unter  staatlicher 
Kontrolle  447.  532.  533. 
538.  541- 

Sozialismus  272.  386.  387. 

393.  432.  433-  496.  497. 

Sozialisten   387.    388.    392. 

Sozialistische  Gesellschaft 
s.  Neue  sozialistische 
Gesellschaft. 

—  Partei  in  Frankreich 
496. 


Sozialistischer  Zukunfts- 
staat 

s.  Neue  sozialistische 
Gesellschaft. 

Sozialpolitik  370.  371.  472. 
496.  497-   538. 

—  reform    moderne    497. 

519.    540/541- 
Soziologie  griechische  48. 
Spahi  s.  Seapoy. 
Spaltung    der    Menschheit 

auf  Grund  des  Nationa- 
lismus   510.    519. 
Spanien    22.    58.    68.    70. 

72.    78.    79.   84.   85.   97. 

103.   106.   107.   113.   114, 

118.   119.   123.   124.   125. 

126.   150.   154.   155.   156. 

157.   158.   162.   163.  167. 

168.   169.   170.   173.  175, 

176.  178.   187.  189.   190. 

194.   195.   196.   197.   198. 

200.  201.  202.  203.  204. 

205.  211.  212.  214.  219. 

220.  224.  225.  230.  232. 
233.  234.  240.  243.  244. 
245.  246.  258.  259.  260, 
262.  263.  273.  281.  284. 
301.  304.  318.  320.  325. 

326.  327.  328.  330-see 

336.  346.  354-  355-  356. 

357.  358.  383-  405-  411. 
418.  419.  425.  444.  445. 

470.  487-  492.  494-  499. 
500.  506.  507.  508.  537. 
541   Nachtr. 

—  s  Entschädigung  für 
Besitzergreifung  in  Ma- 
rokko  445. 

Spanier  71.  84.  155.  156, 
160.  165.  166.  167.  169. 
176.  183.  191.  192.  193. 
197.  201.  205.  215.  221. 
224.  225 — 230.  233.  234. 
240.  254.  259.  335.  356. 

358.  406.  411.  419.  435. 
472.   501. 

—  tum   156.  203.  224. 
Spanisch     156.     160.     162. 

167.   186.  192.  195.  196. 

197.  200.  201.  202.  212. 

221.  233.  235.  244.  246. 
325.  356.  357-  358.  470. 
484. 

—  ,  Spanische  Sprache 
und  Literatur  106.  203. 
265.  357.  406.  470.  472. 
499.   501.  502. 


Spanisch-Amerika 

s.  auch  Mittel-  und  Süd- 
amerika. 

—  -amerikanischer  Krieg 
536. 

—  -arabisches   Königreich 

155. 

—  e  Einheit  169. 

—  e  Juden    157.    185. 

—  e  Kolonisation45 1.470. 

—  e  Königsproklamation 
Königs  Joseph  (Bona- 
parte) von  Neapel  zu 
Madrid    326. 

—  -englisches  Bündnis 

335.  356. 
Heer  335. 

—  e  Regierung  435. 

—  e  Republik  541  Nachtr. 

—  er  Erbfolgekrieg  244 
bis   246.   292   Nachtr. 

—  e  Revolution  418. 

—  er    Geist 

s.  Spaniertum. 

—  e  Ritterlichkeit   233. 

—  er  Protestantismus  185. 
196. 

—  er  Unabhängigkeits- 
krieg gegen  Napoleon  I. 

357. 

—  er    Volksausschuß 
s.  Junta  nacional. 

—  e   Septemberrevolution 

419. 

—  e  Statthalter  Südame- 
rikas   357. 

—  es   Wesen 

s.  Spaniertum. 

—  -portugiesischer  Feld- 
zug Napoleons  I.  325 
bis  328.  335—336.  357. 
360.  411. 

Sparta  (Lazedämon;  32. 
34.  37.  41.  42.  43-  47- 
48.    55- 

Spartaner   36.   41.   42.    51. 

Spartiaten  34. 

Speeches 

s.   Parlamentsreden. 

Speer  209. 

Spektralanalyse    250.    430. 

Spekulantentum    257. 

Sperrung  des  zivilen  Eisen- 
bahnverkehrs im  Mo- 
bilmachungsfalle   490. 

—  englischen  Schiffsgutes 

325. 
Sperrzölle  321.  325. 


688 


Namen-  und  Sachregister 


Speyer     154. 

Spezialforschung    428. 

Sphinx    II. 

Sphygmograph   527. 

Spieß    209.   240. 

Spinett  381. 

Spinoza  (Baruch,  Bene- 
dikt) 231. 

SpiritusprämienpoHtik  533. 

Spitzbogen    150. 

„Splendid  Isolation"  483. 

Spottgedichte,   —  lieder 
s.    Pasquill. 

Sprachenverwandtschaft 
des     Chinesischen     und 
der        indochinesischen 
Mundarten    460. 

—  zwang 

in  Belgien  364. 
russischer  in  Polen  363. 
Sprachgebiet  französisches 
215.  241.  257.  265.  267. 
281. 

—  gemeinschaft  Südame- 
rikas mit  dem  spani- 
schen Mutterlande  470 
bis  471. 

Sprachliche  Zerrissenheit 
auf  der  Balkanhalbinsel 

475. 
Staatenbund    193. 

—  karte   Europas 

s.     Umgestaltung      der 
europäischen  Landkarte. 
Staatenpolitik 

englische   312.    474. 
europäische     212.     246. 
278.    336.    337.    361. 

474-. 
französische     168.     169. 
174.     175.    210.    234. 

273.  339-  346. 
nordamerikanische  405. 
preußische    416.    417. 

S.  auch  Bismarcksche 

Staatenpolitik, 
russische  331. 
Staatensystem 

s.     Staatenpolitik. 

—  Verschuldung    508    bis 

509. 

—  vertrage  mit  der  Tür- 
kei   259. 

Staatliche  Bekämpfung 
der  Trunksucht  533.638. 

—  Einrichtungen 

s.      Institutionen     (poli- 
tische,   staatliche). 


Staatliche    Priesterwahl 
s.     Priesterwahl     (staat- 
liche). 

—  r  Ausbau  Äthiopiens 
(Abessiniens)    450. 

—  s  Miteigentumsrecht  an 
dem  vizeköniglich 
ägyptischen  Privatbesitz 

439. 
Staatsanleihesystem 

s.       Anleihesystem      in 
einem     Staate. 

—  aufsieht  über  die 
Kirche  in  England  130. 

—  bankrott  257.  285.  288. 
305. 

—  beamtenschaft3i7.  353. 
403.    440. 

—  bürgerliche  Stellung 
der  Geistlichkeit  in 
Frankreich   295 — 296. 

—  bürgertum   293.   492. 

—  eigentum 

s.    Nationaleigentum. 

—  form  der  Dritten  Re- 
publik 427. 

—  gemeinschaften  älteste 
s.  Ständige  Gemein- 
schaften   älteste. 

—  haushält 

s.    Gesamtbudget. 

—  —   —   abstimmungs- 
recht 

s.    —    —    —    sbewilli- 
gungsrecht. 

—  —  —  sbewilligungs- 
recht  in  den  europäi- 
schen  Staaten   491. 

— der    Marine 

s.    Marineausgaben, 

—  etat,     —  budget. 
— des    Heeres 

s.    Heeresausgaben, 

—  etat,     —  budget. 
—  für  Wissenschaft 

und   Kunst 

s.    Budget    für    Wissen- 
schaft   und    Kunst. 

— Verteilung  493. 

— Verwaltung  af- 
ghanische 

s.   Selbständige  Finanz- 
verwaltung afghanische. 

Staatsmann    s.    Politiker. 

—  rat  zu  Frankfurt  a.  M. 
s.  Frankfurter  Staatsrat. 

—  reformen  289.  318.468. 

—  religionen  461    Anm. 


Staatsschatz  215. 

—  schulden    305. 

—  —    Verzinsung    489. 

—  Sekretäre  518. 

—  streich 

s.    auch    Südamerikani- 
sche   Staatsstreiche. 

—  —  Bonapartes  vom 
9.  November  (1799) 
316.  317.  389. 

—  —  des  Nationalkon- 
ventes vom  20.  Juni 
(1793)   301. 

—  —  e  des  Direktoriums 
gegen  die  Royalisten 
und  gegen  die  Jakobi- 
ner vom  4.  Sept.  (1797^ 
und  II.  Mai  (1798) 
308.    309. 

—  —  Karls  X.  von  Frank- 
reich vom  26.  Juli  354. 

—  —    Louis-Napoleons 
vom  I.  bis  2.  Dezember 
(1848)    388.    389- 

—  —  System  427. 

—  sverfassung 

s.    Verfassung. 

—  vertrage  König  Leo- 
polds II.  mit  der  Kongo- 
negerbevölkerung   437. 

—  wesen  Polens  277.  278. 

—  Wohlfahrtsausschuß 
301.    302.    303. 

Stabsärzteschaft  531  Anm. 

—  offizierschaft  preußi- 
sche   416. 

Stadhouder  229.  230.  236. 
Stadion    36. 
Stadtbahnverkehr     511. 
Städtebund 

deutscher   (Hansa)    147. 

lombardischer     139    bis 
140. 

—  freiheit  127.  139.  147, 
212.     229. 

—  gründung    von 
Alexandria    51. 
Karthago   22. 
Petersburg    254/255. 
Rom    60. 

—  Ordnung    französische 

297. 
Städter    s.    Bürgertum. 

Städtische       Arbeitslöhne 

494. 

—  Beleuchtung   523. 

—  Elektrizitäiswerke   523. 


Namen-  und  Sachregister 


689 


Städtische  Lebensmittel- 
versorgung im  Kriege 
490. 

—  Selbstverwaltung     139. 

147.  148.   191.  212.  229, 
Stadtrat   (Versammlung) 

Pariser    297. 

—  republiken     134.     147. 

148.  149.  200.  235.  241. 

389.     417- 

—  Senat    127. 

—  verordnetenversamm- 
lung   s.    Stadtrat. 

—  wall    147. 

Stael  (Frau  von)  287.  379. 

Staff  elf  örmige  Vermögens- 
stralien u.    Neusee-land 
Neuseeland 
s.   Vermögenssteuer 
(staffeiförmige)    in    Au- 
stralien   u.    Neuseeland 

Stagira    50. 

Stambul   362. 

Stammesdünkel    510. 

—  treue    503. 

—  Zugehörigkeit  der  süd- 
amerikanischen Repu- 
bliken 358. 

Ständekrieg    180. 
Standesehre    128. 

—  titel    294. 

Ständige    Gemeinschaften 

älteste  4.  535. 
Standrecht  298.   352.   356. 

358.  389-  395-  412.  423. 

427.  S.  auch  Gemischte 

Standgerichte. 
Stanley    (Henry    Morton) 

436.    437- 

Statistik 

s.  Bevölkerungsstatistik. 

Statthalter  269.  281.  445. 
S.  auch  Holländische 
Statthalter  u.  Stadhou- 
der. 

—  Generalstatthalter  u. 
Britischer  Statthalter 
Nordamerikas  und  Spa- 
nische Statthalter  Süd- 
amerikas. 

Steamer    366.    367. 

Stechmücke     532. 

Steen    (Jan)    232. 

Stephan   (Märtyrer;   89. 

Stehende  Heere  145.   152. 

489. 
Steigen  der  Getreidepreise 
286.    371. 


Steigen    der    Warenpreise 
506.  511. 

—  des    Ausfuhrhandels 

505. 

—  —  Wohllebens  und  Lu- 
xus 368.   505. 

Steinkohle    s.    Kohle. 

—  —   nlager 

s.    Kohlengruben. 

—  Schneidekunst  in  vor- 
geschichtlicher   Zeit    3. 

535- 

Stellungspflicht 
s.     Militärpflicht. 

Stenay    234. 

Stendhal  (Pseudonym) 
s.    Beyle    Henri). 

Stephan     (Heinrich)     517. 

Stephenson  (George)  367. 

Sterblichkeitsrückgang 
bei    den    Kulturvölkern 
498. 

Sterilisation  der  Opera- 
tionsinstrumente   529. 

Sterilität  von  Körperflüs- 
sigkeiten und  Zellenge- 
weben   Gesunder    528. 

Sternspektrum   430. 

Sternwarten    217.     219. 

Steter  Fortschritt  der 
Menschheitskultur    276. 

Stetigkeit  des  Bereiches 
der  religiösen  Bekennt- 
nisse in  der  Welt   504. 

Steuerbeamte    287. 

—  bewilligungsrecht  228. 
289. 

—  last  345.  346.  475-  507- 

—  n    s.    Abgaben. 

—  Pächter   215. 

—  politik    s.    Fiskalismus. 

Steuer-   und   Verwaltungs- 
gesetzgebung 
altrömische    80.    82. 

'  britisch-afrikanische(der 
Südafrikanischen  Re- 
publik;   442. 

englische  in  Indien  459. 

Franz'  I.  (von  Frank- 
reich)   175. 

französische  in  Hinter- 
indien 460. 

Friedrichs  H.  (des  Kai- 
sers)    139. 

Gambettas    424. 

Heinrichs  VIII.  (von 
Frankreich)     175. 

japanische    468. 


Karls   V.    (des   Kaisers) 

175.     197- 

—  VII.  (von  Frank- 
reich)    146. 

Leopolds  II.  (von  Bel- 
gien) im  Kongostäat 
438. 

Ludwigs    XI.     168. 

Ludwigs  XIII.  215. 

Ludwigs  XIV.  233.  289. 

Ludwigs  XVI.  296.  297. 

Napoleons  I.  318.  329. 
335. 

Philipp  des  Schönen 
von   Frankreich    140. 

russische    456. 

türkische  (den  Balkan- 
christen gegenüber) 
475. 

—  Verweigerung  137.  221. 
288. 

—  voriagen  335.  345.  346. 
St.   Helena  344. 

Stil  s.  Französischer  usw. 
Stil. 

Stiller  Ozean  164.  405. 
471.    472. 

Stoa     58.     83.     93.  ' 

Stockach    315.    319. 

Stockholm  253.  292  Nach- 
trag. 

Stockprügel  261. 

Stoff   s.    Materie. 

Stoff  Weberei    371. 

Strafexpedition  Frank- 
reichs, Englands  und 
Spaniens  gegen  Mexiko 
s.  Mexikanische  Straf- 
expedition Frankreichs, 
Englands  und  Spaniens. 

—  —  gegen  Königin  Ra- 
navalona     I. 

s.  Französische  Straf- 
expeditionen gegen  Kö- 
nigin  Ranavälona   I. 

Strafford    221.    222. 
Straf  Verschickung 

s.    Deportation. 
Straßburg    121.    154.    387. 

430. 

—  er  Eide   121. 
Straßenanlage 

s.    Wegebau. 

—  aufstände 

s.  Berliner,  Pariser  usw. 

—  bahnverkehr  in  den 
Städten    511. 


Ggo 


Namen-  und  Sachregister 


Straßenpolizei    s.    Polizei. 

—  schlachten 

in    Paris    299.    387. 
Straße    von    Konstantino- 
pel  s.    Bosporus. 

—  — ^^  Suez 

s.   Kanal  von   Suez. 
Strategie   51.   72.   78.    142. 

175.  209.  240.  245.  263, 

308.  309.  310.  322.  329. 

333.  337-  338.  343-  347. 

363.  399-  422.  455-  478. 

481. 

S.     auch     Militärisches 

System    Napoleons    I. 
Streik  370.  371.  496.  497. 

—  als  politisches  Kampf- 
mittel  496. 

—  konjunicturen   496. 
Streitfragen  nationale  vor 

dem        Schiedsgerichts- 
urteil   486. 
Streitigkeiten     der    Gene- 
räle 

s.  Rivalität  zwischen 
den  verschiedenen  Kom- 
mandostellen. 

—  (Streitfragen)  theolo- 
gische 

s.  Kontroversen  (theo- 
logische). 

Strindberg  (August)  486 
Anm.  (s.  Berichtigung 
zum   Schluß). 

Stromstärke 

s.  Elektrische  Strom- 
stärke. 

„Struggle  for  life"   428. 
Stuart  189..  201.  204.  219. 

220.    226.    228. 
Studententum     179.      191. 

353.  386.  394. 
„Sturm  und  Drang''  377. 
Sturz      der      chinesischen 

Mingdynastie    465. 

—  des  Fürsten  Alexander 
von  Rumänien  476. 

Ministerium  Ollivier 

421. 

—  — ■  Zweiten  Kaiser- 
reiches in  Frankreich 
422. 

Stützpunkt    291. 
Suakin    449. 
Substituierbarkeit    des 
Wasserstoffes    375. 

Suchet   (General)  335. 


Südafrika    422.    440.    441. 

—  —  nische  Burenrepu- 
blik 231.  312. 

— Gesellschaft  442. 

Republik  441  bis 

442.    499-    501- 
Südamerika  163.   165.  175. 
244.  265.  356—360.  406. 
470.  471-  472.  474-  487. 
500.     501. 

—  —  ner    360.    472.    499. 

—  —  nische    Staats- 
streiche   359. 

— Volkserhebun- 
gen 357—358. 

Sudan  (ägyptischer)  382. 
436.  440.443.  446. 

Südchina   466.    471. 

Südchinesisches  Meer  452. 

Süddeutscher    Bund    417. 

—  s   —   espräsidium  417. 
Süddeutschland    206. 

—  frankreich     136. 

—  galHen    72.    106. 
Südliche   Donaugrenze  für 

Rußland 
s.    Rumänien. 
Südmarokko    435. 

—  rußland  281. 

—  Sachalin    454. 

—  Sibirien    452. 

—  Staaten   der   Union 

s.       Nordamerikanische 

Südstaaten. 
Sue    (Eugene)    379. 
Sueton    86. 
Suez    160.    413.    439.    471. 

—  kanal 

s.   Kanal  von   Suez. 
Sufeten    71. 
Suffren    284. 
Sulla  63.   68.   75.   76.   jy. 

80. 
Sully    193. 

—  Prudhomme  (Armandj 
520  mit  Anm. 

Sultan  133.   152.   169.   175. 

199.  238.  279.  313.  360. 

362.  382.  384.  435.  438. 

440.  444446.    458.    478. 

S.    auch    Sultanat    von 

Sansibar. 
Sultanat      von     Marokko 

451. 

—  königliches  von  San- 
sibar   435.    438. 

Sumatra    163. 
Summarium    218. 


Summepiskopat    184. 
Sumpfgebiet,     Sumpfland- 
schaft   435.     443.    479. 
Sund    292     Nachtr. 
Sundainseln   231.   474. 
Susa   in   Persien   29.    loi. 

—  (ital.  Landesteil  und 
Stadt)   244. 

Suttanipata    462    Anm, 

Suworow    280.    307.    315. 

Swift    (Jonathan)    275. 

Symbolik  und  Symbolis- 
mus 177.  290.  340.  381. 
432. 

Symphonie    433.    522. 
S.  auch  Oper  und  Kon- 
zert. 

Synagoge  88. 

Syndikate    496. 

Synthese 

s.  Chemische  Synthese. 

Syphilis    174.    533. 

Syrakus    37.    47. 

Syrer   57.  94. 

Syrien  14.  17.  22.  24.  26, 
34.  40.  51-  52.  54.  55- 
56.  68.  73.  75.  95.  100. 
III.  113.  132.  133.  135. 
141.  152.  199.  313.  383. 
384.    452.    458. 

Syrisch    und    syrische 
Sprache     54.     95. 

Systematik  der  Physiolo- 
gie 376. 

SystematisierendeMethode 
der   Heilkunde  429. 

—  Zusammenfassung  der 
Wissenschaft   376. 

Tabakbau    266. 

Tabellarische  Übersicht 
der  Bevölkerungszu- 
nahme der  verschiede- 
nen Sprachgebiete  501. 

— gesamten  Hee- 
reslasten in  den  einzel- 
nen Ländern  508. 

— Höhe  des  Aus- 
fuhrhandels pro  Kopf 
der     Bevölkerung     506. 

— Staatshaushalts- 
ausgaben einiger  Län- 
der   507. 

— Staatsschulden- 
last in  den  einzelnen 
Ländern   508. 

—  —  des  Bevölkerungs- 
zuwachses     verschiede- 


Namen-  und  Sachregister 


691 


ner  Staaten,  Völker  und 
Rassen    499. 

Tabellarische  Übersicht 
des  Bevölkerungszu- 
wachses verschiede- 
ner Völkergruppen  in 
den  letzten  vierzig  Jah- 
ren nach  Millionen  500. 

— riesenhaften  Be- 
völkerungszuwachses 
einiger   europäischer  u. 
außereuropäischer  Staa- 
ten   500. 

Tacitus  83.  86.  92.  120. 
171.  205. 

Tagesereignisse  der  Welt 

492. 

—  presse 

s.   Journalismus. 
Tai-kun    467. 
Taine  (Hippolyte)  432. 
Tai-ping   466. 
Tajo    123. 
Taktik  142.  209.  240.  264. 

309.  310.  313.  329.  337. 

343.  347-  399-  421.  424. 

455.    490- 
Talisman     (franz.    Schiff) 

431. 
Talleyrand    339.    340. 
Tamerlan  268. 
Tananarivo    449. 
Tanganikasee    443. 
Tanger    445.    451. 
Tann    (von    der)    424. 
„Tannhäuser"  382.  433. 
Tarent     37.     69.     70.    1 
Targowitza  306. 

—  er  Konföderation  306. 
Tarquinius  Superbus  61. 
Tarsus   89. 

Tartarei   280. 
Tartaren 

s.   Tataren. 
Tartarus  463   Anm. 
Taschenberg    519. 
Tasmanier    5. 
Tastu    (Madame)   379. 
Tataren    461.    465. 

—  aufstände  in  China  465. 

—  Sturm   463.    465. 
Tatarische  Gebirgsstämme 

465. 

Tatsachengeschichte,  Un- 
zulänglichkeit ihres  all- 
gemeinen Betriebes  503. 

Taufkapellen    1 50. 

„Tausend   Dörfer"   449. 


Technik  (moderne)  274. 
516.  517.  519.  521.  522. 

523. 
Technische         Kongresse 

519. 

—  Kunstausdrücke    305. 
Teepflanzung  493. 

—  zoll    282. 
Teglattphalasar    24. 
Teilung  der  Türkei 

s.      Zerstückelung     der 
Türkei. 

—  en   Polens 

s.  Erste,  Zweite,  Dritte 
Teilung  Polens. 
Telegraph         elektrischer 
368.  373-  430-  438.  492. 
516—517.    517. 

—  en(draht)netz  430.  443. 
492.    516.    517. 

—  enverein  internationa- 
ler 

s.   Internationaler  Tele- 
graphenverein. 

—  ie  im  gesamten  Bri- 
tischen ost-afrikanisch. 
Riesenreiche    438.    443. 

—  —  ohne    Draht 

s.    Funkentelegraphie. 

Telegraphischer  Presse- 
dienst  492. 

Telephon 

s.  Fernsprecher. 

Tempel      griechische     37. 

43.    142. 

—  herrn     140. 

—  türm  zu  Paris  340. 
Temperatur    des    mensch- 
lichen Körpers 

s.    Normaltemperatur. 

—  messung  ärztliche  527. 
Temperenzlertum     533. 
Teniers    232. 
Terminologie     305. 
Terreur   blanche   353. 
Terror,  Terreur 

s.  Schreckensherrschaft. 

—  isten 

s.   Schreckensmänner. 

Tertullian  95. 

Testament  Peters  des 
Großen    280. 

Test    bin    226. 

Teuerung 

s.    Wirtschaftliche   Not- 
lage. 

Teufel    i8i.    188. 

Teutonen   68,    yj. 


Tewfik   Pascha   439.   440. 
Texas    406.    411. 

—  '  Übergang  von  Mexiko 
zu  den  Vereinigten 
Staaten  von  Nordame- 
rika   404. 

Textilindustrie  370 — 371. 
372. 

Thaies    45.    46. 

Theater  französisches  zu 
Petersburg  z.  Z.  Katha- 
rinas   II.    277. 

—  s.    auch    Dramatik. 

—  wesen    522. 
Theatralik 

s.    Bühnenmäßigkeit. 
Thebanischer     Krieg     47 

bis  48.  49. 
Thebais  148. 
Theben   (in  Ägypten)    11, 

J3.    148.   313- 

—  (in    Böotien)    37.    47. 

50. 
Themistokles    29.    42.    75. 
Themse    228. 
Theoderich 

s.    Theodorich. 
Theodorich  103.  106.  107. 
Theodosius    I.     loi.    102. 

—  II.   104. 
Theokratie 

s.    Priesterherrschaft, 
—    Staat. 

Theologie  136.  217.  220. 
221.    223.   273.   274. 

Theologische  Streitigkei- 
ten s.  Kontroversen 
(theologische). 

Theoretische   Betrachtung 
der    Elektrizität 
s.       Elektrizitätswissen- 
schaft. 

—  Physik   374. 
Theorie  der  Kabeltelegra- 

phie    430. 
Therapeutik 

in      Deutschland      524. 

531. 
Frankreich  527.531. 

—  internationale  530.   531. 

—  bis  gegen  Ende  des 
19.  Jahrhunderts  525 
bis    526. 

Thermen   84.    105. 
Thermidor    303.    304. 
Thermochemie    429.     524. 

S.  auch  Wärmelehre. 
Thermopylen  42.  49.   118. 


692 


Namen-  und  Sachregister 


Theseus    31.    116. 
Thessalien  30.  31.  33.  42. 

49.    79.    102.    104. 
Thessalonich    loi. 
Thierry     (Augustin)     379. 
Thiers        (Louis-Adolphe) 

425.    426.    427. 
Thomas    a  Kempis    148. 

—  von  Aquino  218. 
Thomson  (William) 

(Schriftstellerpseudo- 
nym  für    Lord    Kelvin) 
430. 

Thorn    252.    306. 

Thornton    284. 

Thrazien  und  Thrazier  41. 
49.    97.    102.    104.    481. 

Thronadressdebatte  401. 

—  kandidatur  albanische 
des  Fürsten  Wilhelm 
von   Wied   481. 

—  —  spanische  des  Prin- 
zen Leopold  von  Hohen- 
zollern  in  Spanien  419. 
420.     425. 

—  reden  401. 

—  verzichte    174.    176. 
Thukydides   44. 
Tiberius    79. 

Tibet    465. 
Tiefseeforschung   431. 

—  —    leben   431. 
Tierexperimente  529.  531. 

(532  mit  Anm.) 

S.  auch  Vivisektionen. 

—  gewebe,  ihre  innerhche 
Verwendung  für  Krank- 
heiten -531. 

—  impfung  531  (532)  An- 
merk. 

—  safte,  ihre  innerliche 
Verwendung  für  Krank- 
heiten  531. 

—  schütz  461  Anm.  462 
Anm. 

Tiers-Etat    288.     289. 
Tigris    52. 
Tilly    207.    210. 
Tilsit   324.    331. 
Timbuktu    446. 
Tippo  Sahib  315. 
Tissandier    (Gaston)    513. 
Titel    s.    Standestitel. 
Titus    Livius    s.    Livius. 
Titus    (Kaiser)   91.    132. 
Tizian    172.    232. 
Tlemsen    157.    445. 


Todesstrafe  214.  224.  256. 
275.     302. 

Tokio    494.    495. 

Tolbiacum    106. 

Toledo     156. 

Toleranz  193.  221.  226. 
227.  229.  231.  273. 
274.    461    Anm. 

—  edikte  193.  198.  214. 
226.     227. 

Tolosa    (Toulouse)    106. 

Tolstoi]  (Leo)  432.  520. 
521. 

Tolteken     165. 

Tonbrennerei,  ihre  Ent- 
deckung 25    Anm.    539. 

Tonkin    460. 

Tonleiter  bei  den  alten 
Griechen    379. 

Tontafeln  25   Anm. 

Torgau    264. 

Tories  227.  259.  281.  361, 
365. 

Torpedo  (162).  408. 

Torquemada    158. 

Torricelli    (Evangelista) 
219. 

Toryregierung   365. 

Toscanelli    160. 

Toskana  138.  235.  258. 
390.     399- 

Toskaner    400. 

Tote  Dogmen  und  Glau- 
bensbekenntnisse der 
christlichen    Religionen 

505. 
Totenkult 

altägyptischer  7.  8.    10. 

chinesischer   462. 
Toulon  301.  303.  309.  312. 

313.     482. 
Toulouse     106.     123.     190. 
Tours    123. 
Toxikologie  in  Frankreich 

429. 

Toxin    531. 

Trade-unions    486. 

Traditionalismus  chinesi- 
scher   463. 

Traditionelle     Gesetz- 
gebung   297. 

Trafalgar    322. 

Tragödiendichtung  franzö- 
sische   248.    274. 

Tragweite  der  Chassepot- 
gewehre   420. 

—    —    Kanonen   489. 


Train    66.    327. 

—  kolonnen  s.  Train. 
Trajan    29.    92.    94. 

—  ssäule  92. 
Transsibirische    Bahn 

s.  Sibirische  Querb.ihn. 

Transvaal    435.    439.    441. 

442.  443.  444.  499.  506. 

—  ier    442. 
Trasimenischer  See  72. 
Trattato  dei  delitti  e  delle 

pene    275. 
Traubenweinhandel  405 
Trebbia  (i.  A.  Trebia)  72. 

315. 

Trebia    s.    Trebbia. 

Trennung  der  Südstaaten 
von  der  Nordamerika- 
nischen Union  407.  409. 

—  Serbiens  von  Monte- 
negro  479. 

Treu-   und   Lehnseid    130. 

—  eid 

s.  auch  Verfassungseid. 

Tribonian    108. 

Tribus    61. 

Tributpflicht  einstige  Ser- 
biens    an     die     Türkei 

477. 

—  ige      Vasallenstaaten 

477. 
Tridentiner   Konzil    187. 
Triebkraft  des  Luftballons 

513. 
Trient     187. 
Trier     104.     146. 
Triest   329. 
Trikolore  (französische) 

342.  345.  388. 
Trinidad    320.    472. 
Trinkerrettungsheim- 

bewegung    533. 
Triple    Entente    483. 
Tripolis    (Staat) 

s.    Tripolitanien. 

—  krieg 

s.    Italienisch-türkischer 
Krieg. 

Tripolitanien    435.    450. 

„Tristan  und  Isolde"  433. 

Triumphbogen   zu   Paris 
s.   Are  de  Triomphe. 

Triumph  des  Impressionis- 
mus    in     der     Malerei 

433. 

Triumvirat  78. 

Trobadors  139.    380. 

Trocadero  356. 


Namen-  und  Sachregister 


693 


Trochu  (General)  422.  423. 
Troja    32.    535. 

—  nischer    Krieg    31    ff. 

39. 
Tropenkrankheiten   in 

Afrika 

s.   Afrikaseuchen. 
Trouveres     128.    380. 
Trouville    367. 
Troyes     190. 
Truppenansprachen  310. 

—  aufstände 

s.    Soldatenaufstand. 

—  aushebung  260.  329. 
332.  338- 

—  beförderung    490. 

—  manöver    260. 
Tschadsee    443.    446. 

—  —  vertrage  zwischen 
Deutschland,  England 
Frankreich    446. 

Tschechen   117.   206.   207. 

394.    395-    480. 
Tschechisch,  Tschechische 

Sprache    und    Literatur 

206. 
Tschesme    279. 
Tuareg  445. 

TuberkelbaziM,  sein  ge- 
glückter Züchtungsver- 
such durch  Robert 
Koch    529. 

—  — ,  —  vergeblicher 
—  —  —  Villemin  529. 

Tuberkulin  (Kochsches) 
529. 

Tuberkulose  359.  406.  529. 
532.     533- 

Tuchfabrikation     149. 

Tudor  146.   173.   184.  200. 

Tugenden 

s.    auch   Nationaltugen- 
den. 

—  der  englischen  Ansied- 
ler in  Nordamerika  404. 

holländischen  —  im 

Kapland  441. 
Tugurt    445. 

Tuilerien  298.  299.  330. 
342. 

—  Sturm  298.  299. 
Tunesien  385.  435.    444. 

445..    446.    450.    482. 
Tunesische  Regierung  444 
Anm. 

—  r   Feldzug 

s.     Unterwerfung     von  1 


Tunis     unter     französi- 
sches   Protektorat. 
Tunis   (Staat) 
s.    Tunesien. 

—  (Stadt)    13s.    157.   444. 
445.     515- 

Turerme     211.     234.     240. 

243.     245. 
Turgenjew   (Iwan)   432. 
Turgot  286.  287. 

—  sehe   Finanzreform 

s.     Finanzreform     Tur- 

gots. 
Turin  388. 
Türkei  237.  252.  253.  259. 

279.  280.  306.  313.  320. 

324.  333-  360.  361.  362. 

382.  397.  436.  455.  456. 

458.  475-  476.  477-  478. 

479.  480.  481.  487.  491. 

507.   508. 

Türken  9.  132.  133.  135. 
151.  152.  175.  176.  180. 
199.  200.  201.  236.  254. 
278.  279.  280.  360.  361. 
382.  450.  458.  475.  477. 
478.    479-    481. 

—  aufstände   360.   476. 

—  herrschaft  386.  475. 
477. 

—  joch   s.   —   herrschaft. 

—  kriege  278—280. 
Turkestan     14.     152.    457. 

465. 
Türkisch    203.    254.    279. 

397. 
— ,  Türkische  Sprache  und 

Literatur    360.    475. 

—  e    Armeekorps    481. 

—  e    Eroberung    450. 

—  e    Juden    458. 

—  e  Regierung  360.  456. 
458.    475-   478.    491- 

—  e   Scheinmacht 

s.   Kranker  Mann. 

—  e    Sitten   475. 
Turkomanen    151.    463. 

—  Sturm    463. 
Turkos    42 1 . 

Turm    zu    Babel     16. 
Turnier     142.     175. 
Tymbräa   40. 
Typhus    397.    532. 
Tyrannei    318.    329.    330, 

382.  390.  393.  396.  398. 

400.  403.  474.  475.  485.    I 


26    Riebet,  Geschichte  der  Menschheit,  II. 


Tyrannen  149.  225.  271. 
345.  346.  398.  474-  485. 
S.  auch  Absolutes  Regi- 
ment, Autokratie  und 
Despotismus. 

—    haß    363. 

Tyrus  20.  22.  23.  24.  28. 
51.    70. 


Ubangi    437 
Überfälle 

s.    Indianerüberfälle. 

s.   Russeneinfälle. 

—  gäbe 

s.    Kapitulation. 

—  gang  des  Rheinlands 
an  Preußen  347. 

—  —    Norwegens    an 
Schweden    347. 

—  —  über  die  Beresina 
335. 

—  gewicht 

s.    Vormachtstellung. 

—  —  der  Sprache  über 
die  Abstammung  im 
Leben  eines  Kultur- 
volkes 476. 

Überlandflüge    515. 

—  —    telegraphie    519. 

—  lassung  des  freien 
Kongostaates  an  den 
belgischen  Staat  437. 

—  legenheit  der  deut- 
schen Artillerie  im 
Deutsch-Franz.  Kriege 
421. 

—  —  —  sittlichen  über 
die  physische  Macht 
458.- 

—  macht 

s.    Vormachtstellung. 

—  schuß  begirmender  der 
Sterbefälle  über  die 
Geburten  in  Frankreich 
503.  . 

—  seeischer  Unterneh- 
mungsgeist 

s.    Marinismus. 

—  temperatur 

s.  Fiebertemperatur. 

—  tragung  der  mensch- 
lichen Sprache  durch 
Übertragung  von  Mem- 
branschwingungen auf 
eine  entfernte  Metall- 
platte   517. 

—  tritt    207.    208.    242. 


694 


Namen-  und  Sachregister 


Übertritt  Zar  Alexanders  I. 
von  England  und  Preu- 
ßen zu  Frankreich  324. 

Uganda    440.    443. 

Uitlanders    442. 

Ukaswirtschaft   255. 

Ukraine   252. 

Ulm    154.    322. 

Ultimatum  der  Aliierten 
an  die  Türkei  im  Ersten 
Balkankriege    481. 

Ultrakonservatismus  392. 

Ultramontane  388.  401. 
418. 

—  —    ismus 

s.  Klerikalismus. 

—  royalismus    353. 

—  —  istisches  Ministe- 
rium   353. 

Umbrier    23. , 

Umfahrt  um  das  Kap  der 
guten    Hoffnung 
s.    Kapumfahrt. 

Umgestaltung  der  euro- 
päischen Landkarte  323. 
348. 

Umsturzausschuß 

s.    Revolutionsausschuß 
(radikalistischerj. 

—  bewegung 

s.  Revolution. 

s.      auch     Europäische 

Umsturzbewegungen. 

—  partei 

s.  Revolutionspartei  (ra- 
dikalistische). 

Umwälzung  des  europäi- 
schen Staatensystemes 
nach  dem  Preußisch- 
österreichischen Kriege 

417. 

—  vollkommene  auf  allen 
Gebieten  der  Biologie 
und  Medizin  525.  527 
bis    528.    530. 

—  —  in  der  Chemie  und 
der  gesamten  moder- 
nen Wissenschaft  durch 
Entdeckung  des  Ra- 
diums  524. 

—  —  —  —  Kriegstech- 
nik 489 — 490. 

—  —  —  —  Therapeutik 
530. 

Umzüge 

s.  Demonstrationen. 


Unabhängigkeit  (anfäng- 
liche) des  Kongostaates 

437. 

—  der  Vereinigten  Staa- 
ten   von    Amerika. 

s.     Anerkennung      und 
Bestätigung     der     Ver- 
einigten    Staaten     von.' 
Amerika. 

—  Italiens  392.  398.  399. 
400. 

—  nationale  188.  194.  199. 
207.  209.  211.  228.  236. 
254.  269.  306.  310.  348. 

355.  395-  405.  451-  475- 
510. 

Äthiopiens  450.   . 

—  persönliche 

s.   Freiheit  der  Person. 

—  Polens   363. 

—  sbestrebungen  der  Bal- 
kanvölker   475. 

—  —  —   Mönche    125. 

—  sbewegung   Belgiens 

365. 

deutsche    392—394. 

italienische  355   bis 

356.  389—392. 

Österreichs       394. 

395. 

spanische    356. 

ungarische   395. 

—  serklärung        Belgiens 

364. 

—  —  Chiles  358.     - 

Columbias  358. 

Kubas  470. 

der        Niederlande 

198.     229. 

—  oberitalienischen 

Provinzen  390. 

— ,  —  —  südamerikani- 
schen Republiken   358. 

.    470. 

—  Türkei    397    bis 

398. 

—  ■ Vereinigten'Staa- 

ten  von  Nordamerika 
282. 

desGroßherzogtums 

Toskana  399. 

— -  —  Modena  399. 

— Griechenlands    360. 

361.  362. 

Koreas      ( gegen 

China)  nach  dem  Chi- 
nesisch -  Japanischen 
Kriege  453.  469. 


Unabhängigkeitserklä- 
rung Mexikos  358.  410. 

Perus    358. 

Ungarns    395. 

—  sfieber 

s.    Freiheitshebe    (Frei- 
.    heitsdrang). 

—  skampf  des  mensch- 
lichen  Geistes 

s.  Befreiungskampf  des 
menschlichen    Geistes, 

—  skrieg 

s.    Befreiungskrieg. 

Ägyptens  gegen  die 

.  Türkei    382, 

—  —  der  spanischen  Ko- 
lonien in  Südamerika 
356—358. 

— VereinigtenStaa- 

ten  von    Nordamerika 
s.     Nordamerikanischer 
Unabhängigkeitskrieg. 

—  —  Griechenlands  361' 
bis  362. 

—  —  von  Texas  gegen 
Mexiko  406. 

—  —  von  Transvaal  und 
Oranjefreistaat  441. 

—  serklärung  Rumäniens 
398. 

—  —  Serbiens  398. 
Unbildung,    tiefe    Unwis- 
senheit 

s.     Barbarei. 
„Uncl'e      Tom's     Cabin" 

407. 
Undankbarkeit  Bismarcks 

417. 
Undemokratisch    286. 
Undulationstheorie  250. 
Unduldsamkeit,   religiöse 

s.    Intoleranz. 
Undurchsichtige      Körper 

524. 
Uneinigkeit      unter      den 
chinesischen     Stämmen 

469. 

Unentgeltlichkeit  der  mo- 
dernen Volksschule  492. 

Unendlichkeitsrechnung 

249. 
Unfallrente    497. 

—  versicherungsgesetzge- 
gebung  497. 

Unfehlbarkeit  des  Pap- 
stes    - 

s.  Päpstliche  Unfehlbar- 
keit, 


Namen-  und  Sachregister 


695 


Unfruchtbarkeit  Austra- 
hens    413. 

—  Khiwas  und  Bucharas 
456. 

—  Tripolitaniens  450. 
Ungarisch    484. 

—  €    Revolution    390. 

—  e   Volkserhebvmg   393. 

395. 
Ungarn   (Land)    119.    124. 
•     132.   138.   152.   175.  199. 

212.  237.  259.  389.  390. 

395. 

—  (Volk)    394.    395.    396. 

476.     477. 

Ungesundes  Klima  in 
Französisch  -  Hinter- 
indien   460. 

Unglaube  172.  178.  185. 
186.  187.  257.  273.  504. 

Ungleiches  Verhältnis  der 
Entvvickelung  des  Han- 
dels zur  Bevölkerungs- 
zunahme  505. 

Union  (nordamerikani- 
sche) s.  Vereinigte 
Staaten  v.  Nordamerika. 

—  Pazifik-Bahn   472. ' 
Unitarismus         (Einheits- 
staatssystem; 

s.   Einheitsstaat. 
Universale  Ereignisse: 

Bastillesturm  s.  Große 
Französische  Revolu. 
tion. 

•  B  onapartesS  taatsstreich 
vom  9.  Nov.  (1799; 
.316. 

Einführung  der  Eisen, 
bahnen    369. 

—  des  Christentums  97 

Islam     111^116 

Eintritt  der  Arbeiter 
weit  als  selbständige 
Klasse  in  die  Gesell- 
schaft  370. 

Entdeckung  Amerikas 
160 — 162. 

Erfindung  der  Buch- 
druckerkunst 153  bis 
154. 

Große  französische  Re- 
volution (Bastille- 
sturm) 285 — 291.  292. 

Kreuzzüge  131 — 136. 

Nordamerikanische  Un- 
abhängigkeitserklä- 
rung s.   folgendes. 
26* 


Nordamerikanisch.    Un- 
abhängigkeitskrieg 
•  282—285. 

Schlacht   bei    Austerlitz 
322.  323. 

Belle-Alliance 

343. 
Seeschlacht     bei     Tra- 

falgar   322. 
Völkerwanderung       102 
bis    106. 
Universalgenies   351. 
Universalismus     im     wis- 
senschaftlichen   Betrieb 
539. 
Universitätsbetrieb     5.     7. 
136.   144.   145.   147.  154. 
177.  178.   179.  181.  204. 
231.  468.  493.  510.  516. 
519.  536. 

—  Professoren     191,    517. 

519. 

—  Stiftungen   1205. 

Unkriegerisches  Wesen 
der  Chinesen  462.  469. 

Unkultivierte  Völker  Euro-, 
pas,  Kosaken  237.  252. 

254. 

Unkultur  der  franz.  Äqua- 
torialneger 447. 

Unlenkbare  Luftballone 

513. 
Unpoetisch  378. 

Unrevolutionäre  Entwilc- 
kelungen     in    England 

365.       .      . 

Unschädlichmachung  der 
Infizierungskeime     530. 

Unselbständigkeit  staat- 
liche der  Armenier  456. 

Unsitte  chinesische  des 
Opiumrauchens    466. 

Unsittlichkeit  des  Kriegs 
und  bewaffneten  Frie- 
■  dens    488. 

Untergang  Roms  durch 
Despotismus  96 — 97. 
536. 

—  grundbahn     511.    523. 

—  haus    137.   365. 

—  itahen  37.  72.  73.  139. 
400. 

—  nehmungsgeist  ameri- 
kanischer 405.   473. 

internationaler 

425. 


Unternehmungslust  mili- 
tärische 

s.  Militärische  Initia- 
tive. 

—  Ordnung  der  weltlichen 
Behörden  unter  die 
Kirche    418. 

—  redung    zu    Ems    420. 

—  seeapparate  (wissen- 
schaftliche) 431. 

ische  Telegraphie 

s.    Kabeltelegraphie. 

telegraphen 

s.    Kabelapparate. 

telegraphie 

s.    Kabeltelegraphie. 

—  Stellung  Cochinchinas 
unter  französische  Ver- 
waltung 

s.  Cochinchinas  Unter- 
stellung unter  franzö- 
sische   Verwaltung. 

Indiens  unter  eng- 
lische   Ver%valtung 

Kaukasiens       unter 

russische  Verwaltung 
s.     Kaukasiens     Unter- 
stellung unter  russische 
Verwaltung. 

—  tanentreue  engliscKe 
219.    258.    400, 

—  —  Verhältnis  126.  137. 
347. 

—  werfung  der  Balkan- 
christen unter  die  tür- 
kische   Kultur   4/5. 

—  werfung  der  kaukasi- 
schen Gebirgsstämme 
unter  russische  Herr- 
schaft  455. 

Materie  155.  291. 

'292.   373-    538.    539- 

Kambodschas  unter 

französisches  Protekto- 
rat   460. 

— Madagaskars    unter 

franz.    Protektorat    449. 

von  Marokko  unter 

franz.  Protekt.  385.  444. 

Tunis  unter  fran- 
zösisches Protektorat 
385.    444. 

—  Zeichnung  des  Frank- 
furter Friedens  durch 
die  Nationalversamm- 
lung   426. 

Unüberwindliche    Flotte 
s.  Armada. 


696 


Namen-  und  Sachregister 


Unüberwindlichkeit       der 
Sozialdemokratie    497. 

Unverletzlichkeit   der   Ab- 
geordneten 

s.  Immunität  der  Abge- 
ordneten. 

Roms  417.  418. 

—  Versöhnlichkeit     Papst 
Pius    IX.   401.   418. 

—  wahrer  Patriotismus 
s.    Chauvinismus. 

. —  Wahrscheinlichkeit 
einer  Verdrängung  der 
anderen  Sprachen 

durch  die  verbreitetsten 
europäischen,  das  Eng- 
lische oder  das  Rus- 
sische   161. 

: eines     Fallens     der 

Warenpreise  505. 

—  wissenheit  426.   483. 
(Unbildung) 

indische  271. 

—  zivilisierte   Völker 
s.   Wilde  Völker. 

—  zulänglichkeit      bloßer 
Tatsachengeschichte 

503. 
des    fakultativen 

Schiedsgerichtes  486. 
Ur    16. 
Uramerikaner      161,    167. 

359.    406.    472. 

—  ansiedier       kanadische 
265 — 266. 

nordamerikanische 

266. 

—  australiej 

s.  Australische  Einge- 
borene. 

Urban    II.    131. 

Urchristentum    87 — 91. 
183. 

—  geschichte 

s.    Paläontologie. 
. —  kultur  in  Ägypten  und 
Chaldäa    5.    535. 

—  künden   282—283.    293 
bis    294. 

Sammlungen    volks- 
tümliche  289. 

—  menschentum    i — 4.    5. 

534/535. 

—  Sachen   des    Geburten- 
rückganges 

s.  Geburtenrückgang, 
seine  Ursachen. 


Ursachen  eines  Krieges 
483—484. 

„Ursprung  der  Arten" 
(Abhandlung)    428. 

Ursprünglicher  Zusam- 
menhang Japans  mit 
dem  chinesischen  Fest- 
lande  467. 

—  Stoffe  der  Chemie  349. 

374. 
Uruguay    359.     500.     501. 
Urwälder  435.  443.  447. 

—  zeugung  528. 

,  keine  für  die  Gär- 
organismen   528. 

Üsküb     482. 

Usurpator  (Bourbonische 
Bezeichnung  für  Napo- 
leon   I.)    341. 

Utopia    183.    386. 

Utopien  289.  351/352. 
368.  485- 

Utopie  von  gestern,  Wirk- 
lichkeit von  heute  oder 
morgen  I        485.       497. 

514. 
Utopismus    426.    485. 
Utrecht  (hoUänd.  Provinz, 

auch    Staat    genannt). 

—  (Stadt)  154.  198.  228. 
246. 

—  er   Friede 

s.    Friede    zu    Utrecht. 

—  -Union    198.    228. 

Vadimonischer  See  69. 
Valence    123. 
Valenciennes    302. 
Valens     loi. 
Valentinianus  loi.  104. 
Valmy    299. 
Valois    188. 
Vancouveur   472.    511. 
Vandalen    102.    103.    106. 
108.    155. 

—  reich    103. 
Van    Dyck 

s.   Dyck. 
Varennes    296. 
Vasall 

s.   Lehnsmann. 

—  enfürsten  japanische 
467    Anm. 

—  enstaaten  306.313.323. 
329.  384.  435-  440.  444. 
457.  469.  477-  480. 

S.  auch  tributpflichtige 
Vasallenstaaten. 


Vasco    de    Gama 

s.     Gama. 
Vasomotoren    429. 
„Vater      der     Romantik" 

378. 
Vaterland 

s.    Patriotismus. 

—  in   Gefahr  298. 

—  sidee  391.  395. 

—  sliebe 

s.    Patriotismus. 

—  sverteidigung    310. 
Väterliche   Gewalt 

bei   den  alten   Römern 

64. 

—  —  Chinesen  462. 

Vatikanisches  Konzil  418. 
Vauban     239.      240.    245. 

254. 
Vedas   31.   461. 
Vega    (Lope   de)    203. 
Velasquez     178.     232. 
Vend^e   301.    303.    312. 

—  heer   303. 

—  kriege    301.    303. 
Vend^miaire    304.    309. 
Vendome     (Herzog    von) 

245. 

—  (Stadt)    424. 
Venedig     134.     148.     149. 

150.  154.  169.  170.  172. 
199.  201.  235.  244.  310, 
311.  337-  347-  389-  390- 
391.  392-  399-  400-  40I- 
416. 

—  (Republik;   389. 

—  s  Besitzwechsel  zwi- 
schen Italien  und  Öster- 
reich 347.   389.   399. 

Venetianer  43.  134.  159. 
170. 

Venetianische    Gold- 
schmiedekunst   149. 

—  Tuchfabrikation     149. 
Venetien    323. 
Venezuela    161.    357.    358. 

359.  472.  487.  500.  501. 

—  -Schiedsgerichtsurteil 
487. 

Venus    (Planet;     521. 

—  durchgang  durch  die 
Sonne    521. 

—  phasen    521. 

Verabredung  wohlwollen- 
der Neutralität  zwisch. 
Preußen  und  Rußland 
vor      dem      Preußisch- 


Namen-  und  Sachregister 


697 


österreichischen  Kriege 
416. 

Verächter  der  modernen 
Wissenschaft    510. 

Verachtung  des  Bauern- 
standes   494. 

Veracruz     411. 

Veraltete     grausame    Ge- 
richtsbräuche 
s.    Gerichtsbräuche. 

Verantworthchkeitsgefühl 

275. 
Verbandsmächte    483. 
Verbaimung  157.  226.  242. 

256.  277.  317.  342.  344. 

345.   356.   363-   364- 
Verbindungsdienst      (mili- 
tärischer)    515/516. 
Verbot    der    Kinderarbeit 

497. 

Verbrechen  des  2.  Mai 
s.    Dos    de    Mayo. 

Verbrechertum    426.    466. 

Verbrennungsprozeß    291. 

Verbrüderungsfest 

s.  Fest  der  Verbrüde- 
rung. 

Verbündete  Herrscher 
s.     Alliierte    Herrscher. 

Vercellae    yj , 

Vercingetorix    79. 

Verdi  (Giuseppej  381.  433. 

Verdienst  Englands  um 
Indien 

s.  Englands  wohltätiger 
Einfluß    auf    Indien. 

Verdrängung  -  von  Segel- 
schiffahrt durch  Dampf- 
schiffahrt 512. 

Verdreifachung  des  Ge- 
samtbudgets in  den 
letzten  vier  Jahrzehnten 
507.   509. 

Verdun    120.    121.    299. 

Vereidigung 

s.  Parlamentsvereidi- 
gung, Truppenvereidi- 
gung. 

Vereinbarkeit  volle  natio- 
naler Völkerbestrebun- 
gen tmd  internationale 
Völkerverbrüderung 

510. 

Vereinheitlichung  der 

franz.    Sprache    215. 

österreichisch  -  iiln- 

garischen  Staatenge- 
meinschaft   396. 


Vereinheitlichung  interna- 
tionale des  Münzwesens 
518. 

Vereinigte    Kammern 
in  den  Vereinigt.  Staa- 
ten   von    Nordamerika 
410.    427. 
in  Frankreich  396. 

Vereinigte  Lande  Moldau 
und  Walachei  398.  476. 

—  Provinzen  der  Nieder- 
lande 198.  211.  228.229. 
230.  240. 

Vereinigte  Rumänische 
Lande 

s.      Vereinigte      Lande 
Moldau   und   Walachei. 

—  s    deutsches    Heer    im 
Deutsch-Französischen 
Kriege  421. 

—  Staaten  von  Nordame- 
rika 284.  357.  358.  401. 
404.  405.  406.407.  412. 
427.  468.  470.  471.  472. 
473.  474-  486.  487.  492. 
495.  499-  500-  501.  504. 
506.  507.  508.  509.  511. 
516. 

Vereinigung  beider  römi- 
scher Kaiserkronen  in 
Konstantinopel    328. 

—  der  Moldau  und  Wa- 
lachei 398.   476. 

—  Deutschlands 

s.     auch     Deutsche 
Reichseinheit. 
Vereinswesen     370.     518. 

519. 

—  internationales   518  bis 

519. 

—  s.    auch   Klubwesen. 
Vererbungstheorie  428, 

Verfall  der  spanischen  Ko- 
lonialmacht 356.  357. 
358.   470.   472.      .    ■ 

—  —  französischen  Mon- 
archie 285 — 288. 

—  des    Menschenge- 
schlechtes 

s.    Degeneration. 

Verfallene   Rassen  413. 

Verfallanzeichen  in  der 
gegenwärtigen  Bühnen- 
dichtung   521. 

Verfassung  als  Grundlage 
der  modernen  Staaten 
491. 


Verfassung  der  nordame- 
rikanischen Uransiedler 
266. 

Vereinigten    Staaten 

von  Nordamerika 
s.  Verfassung  von  Nord- 
amerika. 

—  englische      138.      365. 

491. 

—  französische  289.  294. 
295.  296.  297.  308.  316. 
341.  342.  385.  387.  388. 

389.    491- 

—  gebende  Versammlung 
s.   Konstituante. 

—  im  Königreich  der  bei- 
den Sizilien  355. 

—  italieiüsche    390. 

—  neapolitanische 

s.  Verfassung  im  König- 
reich der  beiden  Sizi- 
lien. 

—  nordamerikanische 
404.  410. 

—  österreichische  394, 
396. 

—  päpstliche 

s.  Verfassungssatzung, 
—  Statut. 

—  polnische  236.  306. 

—  preußische    393.    491. 

—  sänderung  316. 

—  ssatzung  päpstliche390. 

—  sbruch    390. 

des      Landesfürsten 

355. 

—  seid  (königlicher)  294. 
295.    296.    355. 

—  —  (priesterlicher)  296. 

—  —  (republikanischer) 

389. 

—  sfreundliche  Priester 
der  Revolutionszeit  296. 

—  spanische   419. 

—  sstatut    päpstliches 

s.  Verfassungssatzung 
päpsthche. 

—  streues    Königtum 

s.  Konstitutionalismus. 

—  surkunde  französische 
341.    352.    353. 

—  ungarische    395. 
Verfügungssystem       ohne 

Parlamentarismus 
s.     auch    Diktatur    des 
Proletariats. 
Vergangenheitskriege 
s.    Einstige   Kriege. 


698 


Namen-  und  Sachregister 


Vergeltung  .       . 

s.  Revanche. 
Vergennes  284. 
Vergil  32.  33.  83..  84.  149. 

.  170. 
Vergleichende   Bewertung 

gelber       und       weißer 

Rasse   455. 

—  Gegenüberstellung  der 
beiden    Napoleons   422. 

—  Methode 

s.  Systematisierende 
Methode. 

—  Physiologie 

s.  Allgemeine  Physio- 
logie. 

—  Vorwejltgeschichte 
s.  Paläontologie. 

Vergoldung  109. 

Vergötterung 

s.  Apotheose  und  auch 
Herrscheranbetung. 

Verhaftsbefehle 

s.  Geheime  Verhaftsbe- 
.    fehle. 

Verhaftung  316.  317.  321, 

^   356-  389. 

Verhältnis      des      chinesi- 
schen        Geisteslebens 
"zum   europäischen   463. 
T—  der  Entwickelung  der 
Kunst  zu  der  der  Wis- 
senschaft 434. 

—  von    allgemeiner    und 
■  experimenteller  Physio- 
logie   429. 

—  —  Medizin  und  Natur- 
forschung  429. 

—  —   —   —   Physiologie 

'429. 

—  —  organischer  und 
anorganischer     Chemie 

429. 

Verhetzende  Tätigkeit  der 
Presse   483/484. 

Verkauf  der  ägyptischen 
-.  Suezkanalaktien  an  Eng- 
land durch  den  Khedive 

439. 

—  Louisianas  an  die  Ver- 
einigten Staaten  von 
Nordamerika  405. 

: —  von  Staatsländereien 
(Staatsgütern)    305. 

Verkehr 

s.  Geistiger,  Persön- 
licher, Internationaler 
Verkehr. 


Verkehrshebüng  369.  443. 
445.  453-  472.  480.  493. 
505.    510—511. 

—  sprojekte    für    das 
Tschads£egebiet .  446. 

■■ Madagaskar  449. 

—  sreformen  510.  512. 

—  szeitalter  367.  368. 
Verkündigung    der    allge- 
meinen Menschenrechte 

'    224. 

Verlegung  der  französi- 
schen Regierung  von 
Paris  nach  Versailles 
s.  Regierungsverlegung 
von  Paris  nach  Ver- 
sailles-. 

Verleihung  des  Bürger- 
und Wahlrechts  an  die 
Neger  in  Nordamerika 
410. 

Verlesung  der  Gallikani- 
schen  Kirchenordnung 
330. 

Verletzung  des  Arbeits- 
willigenrechtes   496. 

—  —  Nationalitätenprin- 
zipes  im  Frieden  von 
San  Stefano  479. 

Verlust     der     Adelsprivi- 
legien 294. 
(Standesjtitel  294. 

—  entschädigung  Rumä- 
niens durch  die  Do- 
brüdscha  (im  Berliner 
Kongreß)  479. 

—  fast  ihres  ganzen  euro- 
päischen Besitzes  sei- 
tens der  Türkei  im 
ersten  Balkankriege 
481. 

—  -—  aller  europäischen 
Kolonialmacht  in  Nord- 
und  Südamerika  472. 

Vermittlungsvorschlag 
Metternichs    an    Napo- 
leon  I, 

s.     Dresdener     Bespre- 
chung. 

Vermögenseinziehung 
s.     Vermögenskonfiska- 
tion. 

—  skonfiskation  274.  315. 

—  ssteuer  (staffelfötmig) 
in  Australien  und  Neu- 
seeland   474. 


Vernachlässigung  kirchr 
lieber  Traditionen  durch 
das  moderne  Christen^ 
tum  504. 

Verne    (Jules)    520. 

Vernichtung  der  ostasiati- 
schen Flotte  durch  die 
Japaner  bei  Port  Arthur 
454- 

—  —  russischen  —  bei 
Port   Arthur  454. 

Vernunft  als  Gottheit  302. 

—  skultus    302. 

—  sreligion 

s.    Deismus    und    auch 

Rationalismus. 
Verona   356.    361. 
Verproviantierung  des 

Heeres    327.    334.    421. 

423- 
Verrat  345.  411.  421.  423. 
Versailles    241.    245.    247. 

249.  284.  289.  294.  367. 

425.  427. 
Versammlungsfreiheit      in 

■  Frankreich  389. 
: —   swesen   370. 
Verschwörungen 

in  China  466. 

—  Italien  355. 

—  Madagaskar    449. 

—  Russisch-Polen    403. 
Verschwörungen 

s.   Aufstände  und  auch 
Russenaufstände. 

Versenkung  englischer  Fi- 
scherkähne durch  die 
russische   Flotte  487. 

Versicherungsanstalten 
s.   Landesversicherungs- 
anstalten. 

Versöhnungsfriede    410. 

Verstaatlichung  von  Ge- 
werben   239. 

Verständigung  in  Streit- 
fragen afrikanischer 
KolOniälpolitik  zwischen 
Portugal   und    England 

487- 

—  sfriede    214.    410.    454. 

—  spolitik  292  Anm.  443. 
Verständnis     fürs     öffent- 
liche   Leben 

s.  PoUtische  Lebensver- 
ständigung. 
Versteinerungen 
s.  Petrefakten. 


Namen-  und  Sachregister 


699 


Verteidigungskriegsfüh- 
rung der  Buren  gegen 
die   Engländer  442. 

—  spolitik  Frankreichs 
nach  der  Schlacht  bei 
Sedan  423. 

Verteilung  der  europäi- 
schen Kolonisation  in 
Afrika    448.     (451.; 

—  Deutschlands  an  seine 
.    Fürsten     durch     Bona- 
parte   320.  : 

Verteuerung  der  Massen- 
erzeugnisse 506. 

Vertragsbrüche  zwischen 
England  und  Frank- 
reich nach  dem  Frieden 
zu  Amiens  320 — 321. 

Vertrag  vom  Karr-el-Said 
Bardo  444. 

—  von   Bukarest   332. 

—  Cherasco    310. 

—  Grodno    306. 

—  Kabul   457. 

—  Verdun     120.     121. 
" —  Vervins    193. 

—  Wehlen  235. 
Vertreter,     Volksvertreter 

s.     Abgeordnete. 

Vertürkung  der  Balkan- 
christen   475. 

Vervins    193. 

Verwaltungsausschuß 

>  (Dänisch-englisCh-preu- 
ßischerj  Schleswig- Hol- 
steins "414. 

Verwaltungsgeaie 
in    Belgien    438. 
—    Frankreich   438. 

—  sgesetzgebung 

s.  Steuergesetzgebung. 

Veryvandtschaft  zwischen 
bulgarischem  oind  rus- 
sischem Volkstum  478. 
480. 

S.  auch  Engere  Ver- 
wandtschaft von  Bul- 
garisch und  Russisch 
gegenüber  den  anderen 
slawischen   Sprachen. 

Verweigerung  des  Natura- 
lisationsrechts für  Aus- 
länder in  der  Südafri- 
kanischen Republik 
442. 

Verwertung  der  Natur- 
wissenschaften 


s.    Industrielle.  Verwer- 
tung   der    Naturwissen- 
schaften. 
Verzicht  auf  Eroberungs- 
politik   447. 

—  Österreichs  auf  jede 
Art  Vorherrschaft  in 
Deutschland 

s.  Ausschließung  Öster- 
reichs aus  dem  Deut- 
schen   Bund. 

Verzollung   321.   325.   371. 

Vespasian  91. 

Vespucci    (Amerigo)    162. 

Veteranen  Napoleons  I. 
342. 

Veyssiferes   (General)   336. 

Viae  Romanae  66.  85.  385. 
s.    Wegebau. 

Vicente    (Saoj    159. 

Vicksburg    409. 

Victor  Amadeus  II.  Her- 
zog von  Savoyen,  nach- 
her König  von  Sardi- 
nien 244.   246.   259. 

—  — ^.  III.  König  von  Sar- 
dmien    301.    310. 

—  Emanuel  I.  König  von 
Italien  (als  König  von 
Sardinien  und  Piemont 
Victor  Emanuel  IL; 
390.  391:  392.  394.  397. 

•398-  399-  400.  4oi.  416. 
418. 
Victor  •  Hugo 

s.  Hugo  (Victor). 

—  —  sehe  Lyrikerschüle 
378-    432. 

Victoria,  Königin  von 
England  372.  396.  474. 

Viehseuchen    in     Afrika 
s.    Afrikaseuchen. 

Viehzucht  441.  449. 

—  auf    Madagaskar    449. 
Viehzucht   in    Afrika   441. 

449- 
Vielsprachigkeit    im    Kau- 
kasus  455. 

—  in    Österreich-Ungarn 

.394- 

Vierfache  Wahl  Louis- 
Napoleon  Bonapartes 
388. 

Viertelschwarze 
s.    Quarteronen. 

Vierter  Koalitionskrieg 
gegen    Frankreich    324. 

—  Kreuzzug  133—136. 


Vierziger    Rat    224. 

Vieta    195.    218. 

Vifete    s.    Vieta. 

Vigny  (Alfred  dej  378. 

Villafranca   399. 

Villars  (Marschall  von) 
246. 

Villehardouin     148. 

Villemain  (Frangois;  (Hi- 
storiker)  379. 

Villemin  (franz.  Mediziner) 
529.    540. 

Villeneuve    259. 

Villeroy    245. 

Villers-Sexel    424. 

Villiers    (Georg)    220. 

Villoh   (Frangois)    147. 

Vinci  (Leonardo  da)  171. 
271.     514. 

Vinci  (Leonarda  da),  seine 
Abneigung  gegen  den 
Krieg    I71/172. 

Virgirüa  266.  281.  282. 
407.     409. 

Virginier    282.    284. 

Vitellius    91. 

Vittoria    335. 

VitzlipntzU  165. 

Vive  l'-Empereurl  341.  388. 

Vivisektionen      219.      529. 
531.    (532   mit   Anm.) 
S.  auch  Tierexperimente 

Vizekönige       (ägyptische) 

439- 

—  (indische;    163. 

—  Von   Neufundland  265. 
Vizepräsidentenschaft 

nordamerikanische   410. 

Vizille   288.' 

Vögel   514.   515. 

Vogelflug,  seine  Eigen- 
tümlichkeiten    514. 

Vogesen   421; 

Völkerbund 

s.    Völkerverbrüderung. 

—  dunkel 

s.    Chauvinismus. 

—  gemisch  in  China  460. 

—  Indien    268. 

Österreich- 
Ungarn    394. 

—  krieg    368.    498. 

— ,  —  Rassen-,  Sprachen- 
und  Religionsbewegving 
498—505. 

—  recht 

s.     Internationale     Völ- 
kerrechtsfragen. 


yoo 


Namen-  und  Sachregister 


VölkerrechtsbruchjVölker'- 
rechtswidrigkeit  324. 

fragen  Internatio- 
nale 

s.     Internationale     Völ- 
kerrechtsfragen. 

—  Schlacht  bei   Leipzig 
s.  Leipziger  Schlacht. 

—  stürme   103.    107.    151. 

—  Verbrüderung  502.  510. 
538.  539-  540. 

,     ihre     Grundlage 

502. 

—  Verwandtschaft  131. 
418. 

als  Faktor  franzö- 
sisch-italienischer Bünd- 
nispolitik 418. 

—  Wanderung  102 — 107. 
109.  130. 

Volk   in   Waffen   311. 

Volksabstimmung 
s.  Plebiszit. 

—  aufklärung 

s.  Allgemeine  Volksbil- 
dung. 

—  aufstände,         deutsche 

393- 
,    französische    288. 

298.   319-   353-   354. 

italienische 

s.      Italienische     Volks- 
erhebung. 

neapolitanische 

s.     Sizilianische    Volks- 
erhebung. 

—  piemontesische 

s.  Piemontesische  Volks- 
erhebung. 

polnische 

s.    Polenaufstände. 

russische 

s.     Russenaufstände. 

spanische   325.   326. 

355.     356. 

—  ausbeutung    289.     290. 

—  bibliotheken  492. 

—  bildung 

s.   Allgemeine  Volksbil- 
dung. 

—  dichtigkeit  in  den  Indu- 
striestaaten 457. 

—  dichtung     französische 

345- 

—  epen  31.  32.  33.  52. 
112.    118.    125.    147. 


Volkseinheit  127.  155.  156. 
168.   169.  278.  318.  337. 

347. 

S.  auch  Zentralisierung, 

Unitarismus. 

—  erhebung      335.      354. 

355- 

—  erziehung   politische 

s.  Politische  Volkserzie- 
hung. 

—  sheer  311. 

—  latein        (Vulgärlatein) 

105- 

—  rechte 
altdeutsche    119. 
englische  227. 

—  regierung,  Regierungs- 
gewalt 

englische    222.    224. 
polnische    307. 

—  reichtum 

s.  Menschenreichtum. 

—  Schulbildung, 

Unterricht  492.  493. 

—  Souveränität  384. 

—  Stimmung 

s.  öffentliche  Meinung. 

—  tribunen  61.  63. 

—  tümlichkeit 

s.   Herrscherpopularität. 

—  Versammlung 

zu  Athen   38     S.    auch 

Ekklesia. 

zu    Rom    61.    S.    auch 

Komitien. 

zu    Sparta   34.    s.   auch 

Halia. 

—  Verteidigung 

s.  Defense  nationale. 

—  Vertreter 

s.   Abgeordnete. 

—  Vertretung 

s.  Parlament. 

—  Wachstum  in  Nordame- 
rika 268. 

—  Wille    353. 

—  wirtschaftliches  505  bis 
510. 

Zukunftsprobleme 

465.  497-  532.  538.  539. 
541- 

Vollziehende  Gewalt   (Be- 
hörde) 
s.    Exekutive. 

VoUzivilisationsmöglich- 
keit     im     afrikanischen 
Eingeborenengebiet 
446. 


VoUzivilisationsmöglich- 
keit  von  Algier  und  Tu- 
nis 446. 

Volsker   61. 

Volt   374. 

Volta  292.   348.   373.   374. 

Voltaire  iii.  267.  272. 
273.  274.  275.  277.  351. 

Voltasäule 

s.  Elektrische  Säule. 

Voltcoulomb    (Elektrische 
Maß  einheitsbezeich- 
nung)    374. 

Vorangehen  des  französi- 
schen Volkes  in  der  Ge- 
burtenabnahme 503. 

Voraussichtlicher  Höhe- 
punkt des  Kinderreich- 
tums bei  den  slawi- 
schen Völkern   503. 

—  zukünftiger  Triumph 
derSozialdemokratie497. 

Vorbehaltlosigkeit  und 
zeitliche  Unbegrenztheit 
von  Schiedsgerichtsver- 
trägen 488. 

Vorbeugungsmethodik 
s.    Prophylaxe. 

Vorderasien  199.  452.  455, 

Vordringen  Rußlands  in 
Vorderasien   455 — 456. 

Vorgeschichtliche     For- 
schung 
s.   Paläontologie. 

Vorherrschaft 

s.   Vormachtstellung    u. 
auch  Hegemonie. 

Vorläufer  des  Torpedo 
162. 

Vorläufige    Regierung 
s.    Provisorische   Regie- 
rung. 

Vorlesungen    136. 

Vormachtstellung  Eng- 
lands zur  See  244.  246. 
262.  313.  319.  322.  329. 

474. 

S.  auch  Weltherrschaft 

Englands. 
Frankreichs    in 

Europa    141.    175.    212. 

232.    238.    247. 

—  Indien    270. 

Hollands     zur     See 

269. 
Österreichs  in 

Deutschland    393.    415. 

417. 


Namen-  und  Sachregister 


701 


Vormachtstellung  Portu- 
gals zur  See  269. 

Preußens  in 

Deutschland    355.    393. 

415- 

Rußlands    auf    der 

Balkanhalbinsel    362. 

Schwedens  in  Euro- 
pa 251. 

Spaniens  und  Öster- 
reichs in  Europa  211. 
232. 

—  der  Modernen  Wissen- 
schaft unter  dem  Zei- 
chen der  Großen  fran- 
zösischen   Revolution 

s.  Moderne  Wissen- 
schaft, ihr  Vormarsch 
usw. 

Vornehmheit  der  Seele 
345.    410.    422. 

Vorpommern   212. 

Vorrang  (gesellschaftlich,j 
214.  215. 

Vorrechte 

s.    Adelsprivilegien, 
Klosterprivilegien   usw. 

Vorrenaissance   1 42. 

Vorsintflutliche  Menschen 
und    Tiere 
s.    Antediluvianische 
Menschen  und  Tiere. 

Vorsitz  Österreichs  im 
deutschen  Bundesstaat, 
s.  Österreichs  Vorsitz  im 
deutschen    Bundesstaat. 

—  Preußens  im  deutschen 
Bundesstaat 

s.  Preußens  Vorsitz  im 
deutschen    Bundesstaat. 

Vorstädte    494. 

Vorweltgeschichte 
s.  Paläontologie. 

Vorzug  der  Elektromoto- 
ren vor  den  Dampf- 
maschinen   523. 

Vouill6    106. 

Vulgata  (Lateinische  Bi- 
bel)  154. 


Wachsende     Einflußlosig- 
keit     der     Bourgeoisie 

497. 
—  Überzahl    der    Gelben 
Rasse  über  die  Weiße 
503- 


Wachsen  der  Sozialdemo- 
kratie  496. 

■^—  des  Militäretats  in  ganz 
Europa    434. 

russischen  Einflus- 
ses in  Afghanistan  trotz 
des  englisch-afghanisch. 
Bündnisses  457. 

Wachswalze    522. 

Waffenlager    290. 

—  stillstand  des  Deutsch- 
Französischen  Krieges 
425. 

Waffentechnik    435.    468. 

490- 
Wagner      (Richard)      147. 
382.   433.   434.   448. 

—  -Kritik    433. 

—  ianertum    433. 

—  sehe  Kunst  433. 

—  scher  Nibelungenzyklus 
s.  Wagnersche  Tetra- 
logie. 

—  sehe  Tetralogie  443. 
448. 

Wagram    328.     347.    490. 

Wahl  der  englischen  Bi- 
schöfe durch  den  Kö- 
nig Wilhelm  den  Ero- 
berer   130. 

—  des  General  Grant  zum 
Präsidenten  der  Verei- 
nigten Staaten  von 
Nordamerika  410. 

Wahlen    209. 
Wähler  288.  365. 

—  beschwerdehefte    289, 
Wahlfreiheit 

s.   Wahlrecht. 

—  kaisertum    146. 

—  Karls  von  Hohenzol- 
lern  zum  Herrscher  von 
Rumänien   476. 

—  königtum  (polnisches; 
236.    277.    278. 

—  kreise    englische    365. 

—  männer       französische 

Z^^J-    353- 

—  reformen 
englische    365.    417. 
französische  366.  386. 

—  recht 
englisches  228. 
französisches    353.    386. 

387. 

—  Systeme  353.  354.  365. 
386. 

—  Systemwechsel  354. 


Wahrheitspriester    541. 

—  scheinlichkeitsrechnung 
219. 

Walachei    360.    362.    396. 

398.  476. 
Walachenaufstände    361. 
Walcheren    123. 
Waldenser    136.    151.    178. 

180.    182. 
Wälderreichtum  406.  447. 

451.    452. 
Waldstein 

s.    Wallenstein. 
,^alkäre"    (Wagnersches 

Musikdrama)    433. 
Wall 

s.    Stadtwall. 
Wallenstein  208 — 210.  351, 
„Wallenstein"  (Drama) 

351- 

Wallisisch,  wallisische 
Sprache    und    Literatur 
502. 

Wallonen  364. 

Wallonisch  und  walloni- 
sche   Mundart    364. 

Walpole   258.    262. 

Wandel  der  Zollgesetzge- 
bung   372. 

Warenhaus  367/368. 

—  verkehr   im   Kriege 
490. 

Wärme  291.   374.   513. 

—  lehre  291.  374.  429. 
Warren    282. 
Warschau    (Provinz)    324. 

—  (Stadt)  235.  252.  278. 
306.  307.  328.  363.  403. 
494-  495-  503   Anm. 

—  er  Kirchendemonstra- 
tionen der  Polen 

s.  Polnische  Kirchen- 
demonstrationen zu 
Warschau. 

Wartburg    180. 

Washington  (George)  283. 
285.    404.    407. 

—  (Stadt;  409. 

Wasser    528.    532. 

—  dampfentwickelung  bei 
der   Lokomotive    512, 

—  ^eusen     197. 

—  Infektion    532. 

—  —  in    Afrika    447. 

—  kraft  von  Gebirgsströ- 
men  und  -bächen  für 
elektrische  Zwecke  523. 


702 


Namen-  und  Sachregister 


Wasserreichtum  der  Ver- 
einigten Staaten  von 
Nordamerika  405. 

Asiens. 

—  Stoff  (gas)   513. 
Waterloo    343     Anm. 
Watt     (Elektrische     Maß- 
einheitsbezeichnung) 

374- 
Watt    (James)    292.    366. 

374- 

Wattignies  303. 

Weber  (Karl  Maria  von) 
381. 

Weberei  370.  371.  372. 

Wechsel  in  der  Bezeich- 
nung der  Schlachten  bei 
den  verschiedenen  Völ- 
kern 336  Anm.  343  An- 
merkung. 

—  Politik 

s.    Neuer    Kurs. 

Wegebau  66.  85.  255.  318. 
■385.    449.    452. 

Wehlau    235. 

Wehrfähigkeit   463. 

—  losigkeit     Chinas    463. 
Spaniens    470. 

—  pflicht 

s.    Militärpflicht. 
Weiberfeindschaft  261. 
■     263.     277. 
Weibliche  '  Thronfolge   in 

England    204/205.    258. 

372. 

Österreich   263.- 

—  Rußland        256. 

25g.   263.   276 — 280. 

Schottland    204. 

Schweden    235. 

—  Spanien  418. 

Weichsel   106. 
Weidefutterbau 

s.  Grünfutterbau. 
Weimar    211.    300    Anm. 
Weinbau    3.85.    444.    493. 

—  lese    494. 

—  monat 

s.   V  end^miaire. 
Weiße     Kohle      (Wasser- 
kraft     für     elektrische 
Zwecke;    523. 

—  Kokarde  der  Bourbo- 
nen  341. 

Weißenburg  303.  421.  ' 
Weiße   Rasse   5.   26.    103. 

105.   164.  167.  356.  357. 

359.  403.  406.  407.  408. 


411.  414.  446.  448.  451. 
455-  465.  472.  476.  500. 
502.   503. 

Weiße  Rasse,  ihre  gei- 
stige-Überlegenheit  und 
Herrschaft  über  die  an- 
deren Menschenrassen 
502. 

Weißer  Berg  207. 

—  Schrecken 

s.    Terreur  blanche. 
Weißes  Meer  254. 
Weißrußland   279. 
Weiter    Blick    des    Arbei- 
ters   370. 
Weifen    140. 
Wellentheörie 

'  s.     Undulationstheorie. 
Wellesley  (Sir  Arthurj 

s.    Wellington    (Lord). 
Wellington  (Lord),   später 

Herzog    von    312.    327. 

335-  337-  343  mit  Anm. 

344.    361. 
Wells   (H.    G.,   englischer 

Schriftsteller)     520. 

—  (Horace)  amerikanisch. 
Zahnarzt  376. 

Weltanschauungen  inter- 
nationale    519. 

—  ausstellungen 
Londoner    396. 
Pariser    484. 

—  —  zu    London 

s.  Londoner  •  Weltaus- 
stellung.   -  ' 

Paris 

s.  Pariser  Weltausstel- 
lung. 

Weltbriefe    518. 

—  bühne  432. 
— .  bürgertum 

s.   Kosmapolitismus., 

—  eroberungsgeist  . 
s.    Imperialismus. 

—  flucht  87.  461!  462. 

—  fortschritt 

s.    Kulturaufstieg. 

—  friede  485. 

—  gericht    334. 

—  geschichte  4.  82.  83. 
103.  240.  262.  316.  322, 
334.  346.  369.  396.  404. 
442.  475.  509. 

liehe  Ereignisse 

s.  Universale  Ereignisse. 

r.      Aufschwung 

Nordamerikas 


s.     Nordamerikanischer 

Aufschwung. 
Weltgeschichtsperioden 

s.    Weltzeitalter. 
Welthandel  (Hebung  des; 

368. 

—  englischer  357.   373. 

—  spanischer    357. 

—  sverkehr    372. 

Weltherrschaft  der  fran- 
zösischen Spra-che  und 
Literatur  im  17.  tund  18. 
Jahrhundert   273. 

Englands   313.   357.. 

474- 

S.  auch  Vormachtstel- 
lung _Englands  zur  See. 

Spaniens     175.     195 

bis    196.    356.    357. 

straum  Napoleons  L 

328.    333. 

—  krieg  368.  435.  481. 
483.   490. 

—  kultur    5.    491 — 493. 
Weltliche    Herrschaft    der 

Kirche,  der  Päpste  196. 

—  Macht  d.  Papstes  401, 
—  s  Leben  187. 

Weltliteratur  32.  177.  248. 
351-    377-    432.  . 

—  meisterschaft  in  der 
Lyrik    432. 

—  monarchie    53. 

—  Organisation  368. 
518.   519. 

■^  postkarten  518. 
verein    518. 

—  reise    512. 

—  religion    89. 

—  spräche,  internationale 
249.     502—503. 

—  verkehr  369.   510. 

—  Wirtschaft  Konstantino- 
pels 328. 

—  Zeitalter  369. 
Wendisch,  Wendische 

Sprache  und  Literatur 
502. 

Wentworth  (Thomas"*  221. 
222. 

Wenzel  (Ungarkönig)  152. 

Werkstatt    370. 

Wertabnahme  der  Münz- 
metalle   506. 

Wert  der  englischen  Ko- 
lonialpolitik in  Indien 
271.  385. 


Namen-  und  Sachregister 


703 


Wert  der  französischen 
Kolonialpolitik  in  Al- 
gier  385. 

„Werther   351.   377-   380. 

Wertherabsetzung  der  . 
Münzmetalle   506. 

—  losigkeit  der  amtlichen 
Religionsstatistik  504. 

Wertung  der  genialen 
Einzelforschung  350. 
428. 

—  des  französischen  mo- 
dernen  Dramas   432. 

Weselowo    280. 

Wesen    des     Krieges     53. 

131.  213.  215.  240.  243. 

253.    292     Nchtr.    310. 

311-  325-  337.  339-  346. 
352.  368.  396   397.  409. 

427.  431-  436.  453-  484- 
485.  486.  488.  490.  529. 
S.  auch  Weltkrieg. 

—  wissenschaftlicher  Er- 
kenntnis  434. 

Wahrheit     434. 

Wesire 

s.    Großwesire. 
Westasien    458. 

—  europa  237.  253.  256. 
402.   519. 

Westfalen        (Königreich) 

33^-    337- 

—  (Preußische  Provinz) 
331-  337-  366. 

Westfälischer   Friede  212. 

225.    233.    234.    270. 
Westgoten    (Wisigoten) 

102.  103.  104.  106.  107. 

114.    155. 

—  indischer  Archipelagus 
s.    Karibisches    Meer. 

s    Inselmeer 

s.   Karibisches   Meer. 

Westliche  Bildung 

s.  Abendländische  Bil- 
dung. 

Westminster  129.  142/143. 

abtei    129. 

—  preußen    278. 

—  römisches  Reich. 

s.    Römisches   Reich. 

Wettbewerb  internationa- 
ler 

s.  Konkurrenzkampf  in- 
ternationaler. 

—  rüsten  der  europäisch. 
Völker    434.    488.    489. 


S.     auch     Rüstungszu- 
riahme  in  ganz  Europa. 

Whigregierung  365. 
Whigs   227.   258.   365. 
Whitehall  zu  London  224. 
Wiclef  178. 

Widerrufung  des  Ediktes 
zu  Nantes  241.  242.  243. 

273-  364- 

Widukind   118. 

Wied  481. 

Wiederauferstehung 

bei  den  alten  Ägyptern 
10. 

Chinesen  89.   90. 

Christen    89.    90. 

Wiederauffangung  der 
elektrischen  Schwin- 
gungswellen  517. 

—  auflösung  des  Rhein- 
bundes   337. 

—  erwachen  des  polni- 
schen Nationalgefühls 
306. 

—  fleischwerdung 

s.    Wiederauferstehung. 

—  geburt    Preußens    335. 

—  herstellung  der  alten 
reaktionären  Ordnung 
durch  den  Wiener  Kon- 
greß   347.    348. 

der     Königsherr- 
schaft 
s.   Restauration. 

—  tauf  er  180. 
Wieland   351. 

Wien  175.  212.  255.  259. 
310.  322.  328.  329.  331. 
333-  338.  342.  343-  394- 
395-  495-   518. 

—  er  Friede  329. 

Kongreß    341.    347. 

352.  354.  360.  361.  362. 

416. 

S.      auch      Fürstenver- 
träge. 
Volksaufstand    393. 

394-  395- 
Wiesenmonat 

s.    Prairial. 
Wilde    Völker    237.    422. 

499-     540. 
Wilhelm    III.    König    von 

England,  Graf  von  Nas- 
'     sau,  Prinz  von  Oranien 

219.  226.  227.  228.   243. 

244.     245. 


Wilhelm  I.  König  von 
Holland   364. 

—  I.  Graf  von  Nassau, 
Prinz       von       Oranien, 

-  Statthalter   der   Nieder- 
lande   197.    198. 

—  II. 

229. 

—  III. 

Erbstatthalter  der  Nie- 
derlande 226.  227.  228. 
230.  243.  244. 

—  I.  der  Eroberer  von 
der  Normandie  129  bis 
130.   131.   142. 

—  I.  König  von  Preußen 
415.  417.  419.  420.  425. 
426. 

—  I.  —  —  Württemberg 

417. 

—  Fürst   von   Wied   481. 

—  shöhe  (Schloß)  422. 
„Wilhelm    Teil"    351. 
Willkürherrschaft 

s.    Tyrannei.  ' 
Windsor    137. 

Winterfrost 

in   Alaska    406. 

—  Kanada  266. 

—  Sibirien    252.    451. 

—  kälte  im  Deutsch-Fran- 
zösischen    Kriege     424. 

Wirtschaftliche  Fragen  der 
sozialdemokratischen 
Parteiprogramme      497. 

—  Notlage  142.  301.  316. 

334-  335.  371.  533- 

—  r   Streik, 
s.     Streik. 

—  r  Wettbewerb  der  Völ- 
.  ker 

s.    Rivalitätspolitik. 

—  r    Zusammenbruch 
Frankreichs    341. 

—  Zwangslage  als  Förde- 
rin des  Geburtenrück- 
ganges   503. 

Wirtgchaftsgenossenschaf  - 

ten  496. 
skrise  der  Industrie 

in  England  371. 
sverfall  durch  Krieg 

324- 
Wischnu    32.    45. 

Wisigoten  (Westgoten) 
102.  103.  104.  106.  107. 
114.     155. 


7o4 


Namen-  und  Sachregister 


Wissenschaft  als  Mensch- 
heitsbefreierin 
s.  Menschheitsbefreiung 
der  Wissenschaft. 

Wissenschaft  der  Wis- 
senschaften 541. 

Wissenschaften    155.    291, 

293-  348.  350-  352.  373. 
altägyptische    514.    535, 
chaldäische    535. 
chinesische  463. 
deutsche    348.    351    bis 
352. 

englische    292.    349. 
europäische      348 — 350. 

404. 
französische    291.     302. 

314.    348.    349-    350- 
holländische   23 1 . 
italienische    292.     348. 
japanische    468. 
preußische   261. 
russische  277. 
schwedische   349. 
universale  396.  490.  491. 
493- 

—  französische  in  Ägyp- 
ten 314. 

Wissenschaft,  Industrie  u. 
Sozialreform  die  Haupt- 
kulturfaktoren der  Ge- 
genwart   519.     538. 

—  liehe  Bestimmung  der 
Zukunftsgesetze  aus  den 
Gesetzen  der  Vergan- 
genheit   503/504. 

Erkenntnisse  be- 
stimmter "  Richtungen 
der  Zukunft  aus  Kur- 
vendarstellungen 503 
bis  504. 

Forschung  493.  504. 

509-     53?- 

—  —  Genies 

s.    Meister  der   Wissen- 
schaft. 

,        handeis-      und 

staatspolitische    Kongo- 
unternehmung   437. 

Institute,  ihre  Not- 
wendigkeit   534.    541. 

Kongresse    519. 

r  Stil 

s.  Französisch.  Stil  usw. 

s  Arbeiterheer  350. 

428. 


Wissenschaftliches  Ver- 
ständnis afrikanischer 
Eingeborener  448. 

Wissenschaftlichkeit 
(exaktej    274. 

Witt  (Cornelius  de)  230. 

—  (Jan  de)  230. 
Wittenberg  179. 
Wittenberg  179. 
Wladiwostok      453.      454. 

511. 
Wohlanständigkeit         der 

englischen    Presse    483. 
Wohlbehagen 

s.  Komfort. 
Wöhler     (Friedrich;     375. 

429. 
Wohlstand  Ägyptens  439. 

—  Argentiniens  472. 

—  Brasiliens    472. 

—  der  Insel  Java  474. 
Stadt    S ingapure 

459- 

Sundainseln   474. 

Vereinigten  Staaten 

von    Nordamerika    470. 

—  Englands  369.  372. 

—  Indiens    458.    459. 

S.  auch  Alter  Reichtum 
Indiens. 

—  Indochinas  460. 

—  Kaliforniens    406. 

—  Mexikos  411. 

—  und  Gleichheit  als 
Grundsatz  der  neuen 
sozialistischen  Gesell- 
schaft   509. 

Wohltäter  der  Menschheit 
als  Ruhmestitel  von  me- 
dizinischen Forschem 
526.   529. 

Wohnungselend  371.   465. 

—  not  der  Chinesen  465. 
Wolgast    292    Nachtr. 
Wollaston    349. 
Wollausfuhr   505. 

Wolle    505. 
Wollkonsum  505. 

—  waren    505. 
Wolsey    184. 
Worms    179. 

Wörterbuch  (enzyklopä- 
disches) 

s.  Dictionnaire  encyclo- 

p6dique. 
Wörth  421. 
Wright  (Orville)  515. 

—  (Wilbur)    515. 


Wucher  bei  den  spani- 
nischen   Juden    157. 

—  —    —    Chinesen    462. 
Wundarzneikunde 

s.    Chirurgie. 
Wunder  der  Welt   15.  57, 

—  —  Wissenschaft  524. 
525:    539-    54o. 

Würdigung    Napoleons    I. 

345—347- 
Wurfwaffe    240. 
Württemberg      180.      210. 

393.    416.    417. 

—  er  337.   393. 

Wurtz    (Karl    Adolf)    430. 
Würzburg    1 54. 
Wüstengebiet     435.     445. 

447.     449- 

—  Stadt  446. 

Xenophon    40.    45. 
Xeres  de  la  Frontera  114, 

114. 
Xerxes  37.  41.  42.  51.  54. 

332. 
Xisuthros    (Noah)    16. 
X-Strahlen  524. 

Yatrib   s.    Medina, 
Yersin   (Alexandre)    530. 
Yorktown    284. 
Yukatan    165. 

Zahlenwerttheorie  der  me- 
chanischen Wärmelehre 

374- 
Zahlungseinstellung  215. 
Zähmung  von  Haustieren 

3-    535- 

Zahnheilkunde  in  Nord- 
amerika   376. 

Zama   73.   74. 

Zamenhof  (Ludwig)  503 
mit  Anm. 

Zänkereien  der  Generäle 
s.  Rivalität  zwischen 
den  verschiedenen  Kom- 
mandostellen. 

Zanzibar    s.    Sansibar. 

Zarathustra  (Zoroaster)  27, 

Zarentitel    237. 

—  tum  237.  250.  253 — 257, 
264.  276—280.  315.  320. 
322.  324.  328.  329.  331. 
332.  339-  340.  341-  342. 
360.  361.  362.  363.  364. 
382.  395.  396.  397.  403. 
478.  485. 


Namen-  und  Sachregister 


705 


Zarewitsch    237.    276. 
Zarinnen    256.    257.    276. 

280. 
Zarismus  s.  Zarentum. 
Zauderpolitik 

s.     Schaukelpolitik. 
Zedekia    28. 
Zeeland     197.     228. 
Zehlendorf   367. 
Zeitalter    der    Aufklärung 

276. 

—  —   Musik 

s.    Jahrhundert    der 
Musik. 

—  —    Naturwissenschaft 
s.    Naturwissenschaft- 
liches  Zeitalter. 

Zeitalter      der      Wissen- 
schaft 540. 
Zeitalter  des  Augustus  83. 
Perikles  43.  83.  249. 

—  Ludwigs  XIV.  83.  247 
bis  249.  377.  378.  380. 

Zeitangaben  für  den  amt- 
lichen     Verkehrsdienst 
5  IQ- 
Zeit     des     Norddeutschen 
Bundes    417. 

—  rechnung 
altägyptische    11. 

der  Ersten  französischen 

Republik  307.   308. 
mohammedanische   1 1 1 . 
Zeitungsbedürfnis  der 

Großstädte  492. 

—  streibereien 

s.   Pressetreibereien. 

—  swesen 

s.     Journalismus. 
Zellenbau     der     Pflanzen 

375- 

—  gewebe  350.  375.   528. 

531- 

—  — ,  ihre  Einheitlich- 
keit bei  den  verschie- 
denen   Lebewesen    350. 

375- 

—  lehre  350.   375—376. 

—  theorie   s.    Zellenlehre. 
Zend-Avesta  27. 

Zeno    57. 

Zensiten    77. 

Zensoren   61.    80.    81.   91. 

Zensur 

in    England    226. 

—   Frankreich  353. 
Zentral-  s.  Mittel- 


Zentralbureau  der  Inter- 
nationalen Erdmessung 
518. 

—  isation    Japans    469. 
ssystem 

in    Deutschland    337. 

—  Frankreich    318. 

—  Rußland  255. 
,  Zentralisierung 

s.    Volkseinheit. 
Zenturien   61. 
Zenturionen   82. 
Zeppelin  (Graf)  513. 

—  e   514. 

Zerlegung  unterchlorig- 
saurer    Natronlösungen 

349- 

Zernierung  des  Gesamt- 
heeres Napoleons  III. 
bei     Sedan    422. 

Zerrissenheit 

s.    Kleinstaaterei. 

Zersetzungsprozeß  unauf- 
hörlicher des  Radiums 
524. 

Zerstörung    deutscher 
Städte  und  Gaue  durch 
den        Dreißigjährigen 
Krieg   213. 

—  französischer  —  —  — 

—  —   Hundertjährigen 

—  142. 
Zerstückelung  Chinas  467. 

—  der  Türkei  360.  362. 
398.     476. 

—  Großbulgariens   479. 
Zeus   36.    37.    44.    45.    51. 

—  tempel  36. 

Zickzackkurs  in  der  Poli- 
tik 329.  361.  398.  400. 
S.  auch  Schaukelpolitik 
Napoleons    III. 

Zinnen  123. 

Zinninseln      (Cassiteriden) 

22. 
Zirkus(spiele)    63.    86.    90. 

105.    108.    109. 
Zivilisation 

in   Ägypten    314. 

—  Algier    384. 

—  China   464.    465. 

—  England  373.  396. 

—  Frankreich    246. 

—  Japan    454. 

—  Nordafrika    446. 

—  Rußland     237.    253. 
255.   256. 

universale    440. 


Zivilisation   europäische 
s.   Zivilisation  moderne. 

Zivilisationshöhe  als  För- 
derin  des  Geburten- 
rückganges   502.    503. 

Zivilisation,  ihr  Wesen 
413.     488. 

^-  moderne  318.  384.  413. 

442.  450.  451-  454-  464 
bis  465.  466.  469.  488. 
502.     534. 

—  uralte  451.  460.  464 
468. 

Zivilisatorische    Fort- 
schritte der  Maoris  414. 

—  r  Einfluß  Englands  auf 
die    Menschheit    396. 

—  r  —  —  —  seine  ost- 
afrikanischen Kolonien 
438. 

—  r  —  Frankreichs  auf 
Ägypten   314. 

Zivil-Militärgericht 

s.  Gemischtes  Standge- 
richt. 

—  Standsgesetz  für  die 
Geistlichkeit  296/297. 
301. 

Zölibat    180.    186.    187. 
Zollberichtigung 
s.    Zollrevision. 

—  freiheit  292  Nachtr. 
372. 

—  maßnahmen  (Zollpoli- 
tik) s.  Verzollung. 

—  Politik  in  England  371. 
372. 

—  revision  325. 

—  Schrankensystem,  seine 
zukünftige  endgültige 
Beseitigung    516. 

—  verein    355.    392.    417. 

—  wesen  s.  Verzollung. 
Zombow   277. 
Zoologie 

in  England  428.  431. 
—  Frankreich  349.  431. 

Zoologische  Entdeckungs- 
fahrten 431. 

Zoroaster  (Zarathustra)  27. 

„Züchtigungen"    431/432. 

Zuchtlosigkeit 
s.     Disziplin. 

—  wähl 

s.  Natürliche  Zuchtwahl 

menschliche 

s.  Menschliche  Zucht- 
wahl. 


7o6 


Namen-  und  Sachregister 


Zucker  505. 

—  ausfuhr   505. 

—  erzeugung    429. 

—  Industrie  266.  405.  505. 

—  konsum   505. 

—  rohrbau  266.  405.  406. 
Zufluchtstätte   politische 

s.  Asylrecht  politisches. 

Zugbrücke    123. 

Zug   der  Tausend   400. 

Zugeständnisse  parlamen- 
tarischer Bürgschaften 
durch  Napoleon  III. 
418. 

Zukunft  Afrikas  447. 

—  Chinas    469. 

^  der  europäischen  Kolo- 
nien   in    Afrika    449. 

Flugzeuge  als  Zivil- 
beförderungsmittel  514. 

Zukünftige  afrikanische 
Handelszentrale   446. 

—  s  Abhängigkeitsverhält- 
nis Chinas  zu  Japan  469. 

—  s  Bev.ölkerungswachs- 
tum  498. 

—  Vorherrschaft  der  Sla- 
wen innerhalb  der  Wei- 
ßen Rasse   503. 

Zukunft   Indiens  459.  460. 

—  Madagaskars    449. 

—  saufgaben  der  Wissen- 
schaft   541. 

—  sgesellschaft 

s.  Neue  sozialistische 
Gesellschaft. 

—  skrieg 

s.  Weltkrieg  und  auch 
Europäischer  Zukunfts- 
krieg. 

—  sprobleme  volkswirt- 
schaftliche 

s.  Volkswirtschaftliche 
Zukunftsprobleme. 

—  sschlachten  490. 

—  sstaat 

s.  Neue  sozialistische 
Gesellschaft. 

—  sweltgeschichte  503  bis 

505-   534- 
Zulassung     diplomatischer 

Vertreter   am    Hofe   zu 

Peking    467. 
Zulu(kaffern)    435.    441. 

—  land   441. 

„Zum  Ewigen  Frieden" 
Schrift  I.  Kants  352. 


„Zunächst  das  Schieds- 
gericht und  alsdann 
die  Abrüstung!''  488. 

Zunahme  der  Bevölke- 
rungszahl 498, 

—  —     "Stadtbevölkerung 

369- 

—  des  Einzelkonsums  505. 

Zunftwesen    ältestes    535. 

Zürich    242.    315. 

Zurückerstattung    der 
Mandschurei  von  Japan 
an     China     nach     dem 
Russisch-japanischen 
Kriege  454. 

Zurückstellung     der     not- 
wendigsten   Staatsaus- 
gaben  durch   das    Mili- 
tärbudget   489. 

—  Weisung  der  deutschen 
Kaiserkrone  durch  den 
König  von  Preußen  393. 

Zusammenarbeit   153.   154. 

—  bruch 

s.  auch  Wirtschaftlicher 
Zusammenbruch. 

—  —  der  Großen  Armee 
334- 

—  —  des  gesamten 
Heeres  Napoleons  III, 
bei  Sedan  422. 

—  —  —  Napoleonischen 
Systems   337. 

—  —   —   polnischen 
Heeres   nach   der   Ein- 
nahme   von   Warschau 
363. 

—  gehörigkeitsgefühl 
s.    Solidaritätsgefühl. 

—  gesetzte   Ammoniake 
s.  Ammoniak. 

—  —  chemische  Körper 
s.  Organische  Körper 
der    Chemie. 

—  gesetztheit  430. 

—  leben  des  Arbeiter- 
standes   369. 

—  Setzung  der  Bevölke- 
rung  Mexikos   411. 

Zusatzakte  der  Napoleoni- 
schen   Verfassung    342. 
Zwangsarbeit   242. 

—  herrschaft 

s.   Absolutismus. 

—  herrscher 

s.    Tyrannen. 


Zwangsverwaltung         des 
vizeköriigl. -ägyptischen 
Privatbesitzes    439. 

Zwanzigstes  Jahrhundert, 
seine  Ehrenpflicht  ge- 
gen die  Wissenschaft 
und  die  Gelehrten  534. 

541. 

Zweiatomige  Alkoholien. 
s.   Alkoholien. 

Zweiatomigkeit    430. 

Zweibund  deutsch-öster- 
reichischer 482. 

Zweifel  an  dem  Bestände 
der  europäischen  Kolo- 
nialreiche 504. 

Zweigruppensystem       der 
europäischen   Groß- 
mächte 483. 

Zweijährige  Dienstzeit 
489. 

—  kaimmersystem  224. 
228.  306.  307.  401.  427. 
468.  491. 

—  kämpf    176. 

—  sprachigkeit  Belgiens 
364. 

eines  Individuums 

502. 

—  —  Schleswigs  414. 
Zweite    Absetzung    Napo- 
leons   I.   344. 

—  Beschießung   Port 
Arthurs     im     Russisch- 
japanischen  Krieg  454. 

—  ■  englische  Expedition 
nach    Afghanistan    456 

bis  457-. 
— ^    französische    Konstitu- 
ante   s.    Konstituante, 

—  französische  Okkupa- 
tion  Roms  unter  Napo- 
leon III.  401. 

—  —    Republik    386. 
Zweite  Haager  Konferenz 

485. 

Zweiteilung  der  Geschichte 
der  Menschheit  153. 
290. 

Zweite  Kammer 

s,       Abgeordnetenkam- 
mer. 

in  den  europäischen 

Staaten    491. 

—  r  Balkankrieg  481  bis 
482. 

—  r  Einzug  der  Verbün- 
deten in  Paris  344. 


Namen-  und  Sachregister 


707 


Zweite    Restauration 
s.    Restauration. 

—  r  französis.cli-englischer 
(siebenjähriger)  See- 
krieg im  Zeitalter 
Friedrich  des  Großen 
263 — 265.  267 — 268-.  270. 

—  r   Konsul   317. 

—  r   Kreuzzug    133. 

—  r    Pariser   "Friede    397. 

—  r  —  —  (in  den  Frei- 
heitskriegen) 347.  348. 
361.   362.   441.   465. 

—  r  Punischer  Krieg  72 
bis   73. 

—  r   Raubkrieg 
Ludwigs    XIV, 


s.  Raubkriege 
Ludwigs    XIV. 
Zweiter  schlesischer  Krieg 
262. 

—  r    Teil    des    Faust 

s.    Faust,    Zweiter    Teil. 

—  s  französisches  Kaiser- 
reich   389 — 422.    425. 

—  Teilung  Polens  305  bis 
306. 

Zwiespältigkeit  der  Gene- 
räle 

s.  Rivalität  zwischen 
den  verschiedenen  Kom- 
mandostellen. 

Zwingli    180. 

Zwischenstaatliche     Anar- 
chie 488.  509. 


Zwischenstaatl.  Rechtsord- 
nung 488. 

—  —  Rechtsprechung 
s.  Internationale  Recht- 
sprechung. 

r  Schiedsgerichtshof 

im   Haag 

s.   Internationaler 

Schiedsgerichtshof      im 

Haag. 

Zwistigkeiten     der     Gene- 
räle 

s.  Rivalität  zwischen 
den  verschiedenen  Kom- 
mandostellen. 

Zwölftafelgesetze  62.   .     ■ 

Zynismus  416. 


Berichtigung. 

S.  486  ist  die  folgende  Anm,  zu  dem  Schiedsgericht  und  der  Alabamafrage  beim 
Druck   versehentlich   weggeblieben. 

*)  In  August  Strindbergs  so  anziehender  kleinen  Friedensnovelle, 
die  ebenso  wie  seine  Fabeln  pazifistischen  Bestrebungen  huldigt,  steht  das 
Schiedsgericht  im  Anschluß  an  die  Alabamafrage  im  Mittelpunkt. 


Druck:   Münchner   Buchgewerbehaus   M.  Müller  &  Sohn 


r 


»CB         Riebet.  Charles  Robert, 
81  1850-1935. 

.R5  Allgemeine 

Kulturgeschichte 
versuch  einer 
Geschichte  der 
Menscheit  von  den 
ältesten  Tagen  bis  zur 
Gegenwart